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868. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 1. Juni 2017

 

 


Stenographisches Protokoll

868. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 1. Juni 2017

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 1. Juni 2017: 9.02 – 18.34 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und zu Vorhaben des Ra­tes für das Jahr 2017

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Arbeitsmarktintegration von ar­beitsfähigen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten sowie AsylwerberInnen, bei denen die Zuerkennung des internationalen Schutzes wahrscheinlich ist, im Rahmen eines Integrationsjahres (Integrationsjahrgesetz – IJG) erlassen wird und das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (Arbeitsmarktintegrationsgesetz)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsverhül­lungsgesetz erlassen sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylge­setz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend die Rentenleistung für Op­fer von Gewalt in Heimen (Heimopferrentengesetz-HOG) erlassen und das Verbrechens­opfergesetz geändert wird

5. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kol­legen betreffend echte Entschädigungen für Missbrauchsopfer in Kinderheimen

6. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die Durchführung der operationel­len Programme im Rahmen des Ziels „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ und des Ziels „Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ für die Periode 2014–2020

7. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Kunst und Kultur, Ver­fassung und Medien an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2017 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2016/17 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG

8. Punkt: Datenschutzbericht 2016

9. Punkt: Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen (Kommunal­investitionsgesetz 2017 – KIG 2017)

10. Punkt: Protokoll zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Abänderung des am 8. November 1999 in Wien unterzeichneten


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 2

Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Verhinderung der Steuer­umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen

11. Punkt: EU-Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Finanzen

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Seveso III)

14. Punkt: Übereinkommen von Minamata über Quecksilber

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2017

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird

17. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft

18. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung

*****

Inhalt

Bundesrat

Unterbrechung der Sitzung ...................................................................................  28, 62

Schreiben des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat          ............................................................................................................................... 31

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................... 61

Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des ehemaligen Vizekanzlers und Außenministers Dr. Alois Mock ............................................................................................................................... 88

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 10

Aktuelle Stunde (52.)

Thema: „Neustrukturierung des Bundesheeres – Stärkung der regionalen Strukturen als wichtiger Eckpunkt“ ..................................................................................................................... 10

Redner/Rednerinnen:

Martin Weber ................................................................................................................. 10

Dr. Andreas Köll ........................................................................................................... 12

Hans-Jörg Jenewein, MA ............................................................................................ 14

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 17

Bundesminister Mag. Hans Peter Doskozil .............................................................. 18

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 22

Christian Poglitsch ...................................................................................................... 24

Christoph Längle .......................................................................................................... 25

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 27


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 3

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Mag. Christian Kern betreffend Enthebung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner und des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer vom Amt sowie Er­nennung von Herrn Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter zum Vizekanzler und von Herrn Mag. Dr. Harald Mahrer zum Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft durch den Bundespräsidenten ......................................................................................................... 30

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ......................................................  33, 34

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 34

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 34

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  32, 155

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport betref­fend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und zu Vorhaben des Ra­tes für das Jahr 2017 (III-606-BR/2017 d.B. sowie 9794/BR d.B.) ................................................................................................................. 35

Berichterstatter: Hubert Koller, MA .............................................................................. 35

Redner/Rednerinnen:

Christoph Längle .......................................................................................................... 35

Peter Heger ................................................................................................................... 37

David Stögmüller .......................................................................................................... 39

Armin Forstner, MPA ................................................................................................... 39

Martin Weber ................................................................................................................. 40

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-606-BR/2017 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 42

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Arbeitsmarktintegration von arbeitsfähigen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten sowie AsylwerberInnen, bei de­nen die Zuerkennung des internationalen Schutzes wahrscheinlich ist, im Rahmen eines Integrationsjahres (Integrationsjahrgesetz – IJG) erlassen wird und das Ar­beitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (Arbeitsmarktintegrationsge­setz) (1585 d.B. und 1597 d.B. sowie 9798/BR d.B.) ...................................................................................... 42

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 42

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz er­lassen sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (1586 d.B. und 1631 d.B. sowie 9800/BR d.B.) ...................................................................................... 42


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 4

Berichterstatter: Armin Forstner, MPA ........................................................................ 43

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 43

Hubert Koller, MA ......................................................................................................... 45

David Stögmüller .......................................................................................................... 47

Edgar Mayer .................................................................................................................. 49

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 51

Werner Herbert ............................................................................................................. 53

Mag. Nicole Schreyer (tatsächliche Berichtigungen) ............................................  55, 60

Mag. Michael Lindner ................................................................................................... 56

Bundesminister Sebastian Kurz ................................................................................ 58

Rosa Ecker .................................................................................................................... 60

Entschließungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Kopftuchverbot in Kindergärten, Schulen, Universitäten, im öffent­lichen Dienst und öffentlichen Gebäuden – Ablehnung (namentliche Abstimmung)                                                                                      54, 61

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ....................................... 62

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 61

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend die Rentenleistung für Opfer von Ge­walt in Heimen (Heimopferrentengesetz-HOG) erlassen und das Verbrechensop­fergesetz geändert wird (2155/A und 1645 d.B. sowie 9799/BR d.B.) ............................................................................................................................... 63

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 63

5. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend echte Entschädigungen für Missbrauchsopfer in Kinder­heimen (222/A(E)-BR/2016 sowie 9811/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 63

Berichterstatterin: Monika Mühlwerth .......................................................................... 63

Redner/Rednerinnen:

Mario Lindner ................................................................................................................ 64

Gregor Hammerl ........................................................................................................... 65

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 66

David Stögmüller .......................................................................................................... 67

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 69

Ana Blatnik .................................................................................................................... 70

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vor­liegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...................... 71

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, dem Entschließungs­antrag 222/A(E)-BR/2016 keine Zustimmung zu erteilen ........................................................................................ 71

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend Vereinba­rung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Ver­waltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die Durchführung der operationel-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 5

len Programme im Rahmen des Ziels „Investitionen in Wachstum und Beschäfti­gung“ und des Ziels „Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ für die Periode 2014–2020 (1158 d.B. und 1623 d.B. sowie 9795/BR d.B.) ...................................................................................... 71

Berichterstatter: Christian Poglitsch ............................................................................ 72

Redner/Rednerinnen:

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 72

Dr. Magnus Brunner, LL.M .......................................................................................... 73

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 75

7. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Kommis­sion für 2017 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2016/17 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-607-BR/2017 d.B. sowie 9796/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 75

Berichterstatter: Christian Poglitsch ............................................................................ 76

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 76

René Pfister .................................................................................................................. 78

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 80

Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-607-BR/2017 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 83

8. Punkt: Datenschutzbericht 2016 (III-620-BR/2017 d.B. sowie 9797/BR d.B.)             83

Berichterstatter: Christian Poglitsch ............................................................................ 83

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ........................................................................................................ 83

Robert Seeber ............................................................................................................... 85

Werner Herbert ............................................................................................................. 86

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-620-BR/2017 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 88

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundes­gesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen (Kommunalinvestitions­gesetz 2017 – KIG 2017) (1583 d.B. und 1618 d.B. sowie 9801/BR d.B.) ................................................................................................................. 88

Berichterstatter: Peter Heger ........................................................................................ 88

Redner/Rednerinnen:

David Stögmüller .......................................................................................................... 89

Peter Oberlehner .......................................................................................................... 91

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 93

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ........................................................... 95

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 98

Peter Samt ..................................................................................................................... 99

Inge Posch-Gruska .................................................................................................... 101

Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Kommunalinvestitionsgesetz 2017 – KIG 2017 – Ablehnung                                         89, 102


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 102

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend Protokoll zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik In­dien zur Abänderung des am 8. November 1999 in Wien unterzeichneten Abkom­mens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Verhinderung der Steuer­umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (1609 d.B. und 1619 d.B. sowie 9802/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 102

Berichterstatter: Peter Heger ...................................................................................... 103

Redner/Rednerinnen:

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 103

Martin Weber ............................................................................................................... 104

Christoph Längle ........................................................................................................ 104

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen ................................................... 105

11. Punkt: EU-Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Finanzen
(III-617-BR/2017 d.B. sowie 9803/BR d.B.) ................................................................. 105

Berichterstatter: Martin Weber .................................................................................... 105

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ........................................................................................... 106

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 108

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 109

Peter Heger ................................................................................................................. 111

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ......................................................... 112

Mag. Gerald Zelina ..................................................................................................... 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-617-BR/2017 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 114

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 geändert wird (1584 d.B. und 1624 d.B. sowie 9808/BR d.B.)                        114

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 114

Redner/Rednerinnen:

Martin Preineder ......................................................................................................... 115

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................. 116

Rosa Ecker .................................................................................................................. 116

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 117

Bundesminister Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................. 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 118

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novel­le Seveso III) (1615 d.B. und 1632 d.B. sowie 9809/BR d.B.) ............................................................................................................... 118

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................. 118


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 118

Ing. Andreas Pum ....................................................................................................... 119

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 120

Günther Novak ........................................................................................................... 121

Bundesminister Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................. 122

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 122

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend Übereinkom­men von Minamata über Quecksilber (1614 d.B. und 1633 d.B. sowie 9810/BR d.B.)                                                  123

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................. 123

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Junker ........................................................................................................ 123

Günther Novak ........................................................................................................... 124

Christoph Längle ........................................................................................................ 125

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 126

Entschließungsantrag der Bundesräte Christoph Längle, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Förderung des Umtausches von quecksilberhaltigen Fieberther­mometern – Ablehnung ...  126, 127

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen und 3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ......................................................................... 127

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-No­velle 2017 (2142/A und 1641 d.B. sowie 9804/BR d.B.) ............................................................................................................... 128

Berichterstatterin: Marianne Hackl .............................................................................. 128

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (1611 d.B. und 1642 d.B. sowie 9805/BR d.B.) ........... 128

Berichterstatterin: Marianne Hackl .............................................................................. 128

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 128

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 130

Renate Anderl ............................................................................................................. 133

Mag. Reinhard Pisec, BA ........................................................................................... 135

Peter Samt ................................................................................................................... 137

Bundesminister Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................. 138

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 140


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 8

17. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft (III-614-BR/2017 d.B. sowie 9806/BR d.B.)                  140

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................. 140

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ........................................................................................... 141

Marianne Hackl ........................................................................................................... 142

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 144

René Pfister ................................................................................................................ 145

Bundesminister Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................. 146

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-614-BR/2017 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 148

18. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und For­schung (III-609-BR/2017 d.B. sowie 9807/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 149

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum ............................................................................ 149

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 149

Anneliese Junker ........................................................................................................ 151

Elisabeth Grimling ..................................................................................................... 152

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 153

Bundesminister Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................. 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-609-BR/2017 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 155

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hilfen für junge Erwachsene (237/A(E)-BR/2017)

Anfragen der Bundesräte

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend wiederholte Menschenrechtsverletzungen gegen­über Homosexuellen im Iran (3242/J-BR/2017)

Ferdinand Tiefnig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend neue Studie zu Palmöl (3243/J-BR/2017)

Rosa Ecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „das Bundesministerium für Finanzen sucht Ihre Ideen!“ (3244/J-BR/2017)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Straf­vollzug in der Steiermark (3245/J-BR/2017)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Luxusmöbel im Schubhaftzentrum Vordernberg (3246/J-BR/2017)

Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium und der ORS Service GmbH in der Steiermark (3247/J-BR/2017)


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 9

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grüner Be­richt des BMLFUW (2979/AB-BR/2017 zu 3223/J-BR/2017)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regionalbahnen in Ober­österreich (2980/AB-BR/2017 zu 3217/J-BR/2017)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Heidelinde Rei­ter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grenzkontrollen Walserberg/Salzburg (2981/AB-BR/2017 zu 3216/J-BR/2017)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung des Militärrealgymna­siums Wiener Neustadt (2982/AB-BR/2017 zu 3219/J-BR/2017)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Bundesräte Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen für die Kunst­haus Muerz GmbH (2983/AB-BR/2017 zu 3222/J-BR/2017)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Pendlerrechner (2984/AB-BR/2017 zu 3218/J-BR/2017)

der Bundesministerin für Bildung auf die Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kol­leginnen und Kollegen betreffend möglichen Amtsmissbrauch des Wiener Stadtschul­ratspräsidenten Michael Häupl und des Wiener Bildungsstadtrates Jürgen Czerno­horszky (2985/AB-BR/2017 zu 3221/J-BR/2017)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Polizeieinsätze wegen der Proteste gegen den Bau des Murkraftwerkes in Graz (2986/AB-BR/2017 zu 3220/J-BR/2017)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ent­fernung der unter Denkmalschutz gestandenen Präsenzbibliothek und des historischen Lesesaals in der Wirtschaftskammer Wien (2987/AB-BR/2017 zu 3225/J-BR/2017)

der Bundesministerin für Bildung auf die Anfrage der Bundesräte Arnd Meißl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Investitionen in Bundesschulen – Standort Mürzzuschlag (2988/AB-BR/2017 zu 3226/J-BR/2017)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Arnd Meißl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Sonderbetreuungsstelle (SBS) Steinhaus am Semmering (Gemeinde Spital/S.) (2989/AB-BR/2017 zu 3227/J-BR/2017)

der Bundesministerin für Bildung auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Fördermittel für „Sexuelle Bildung“ an Schulen (2990/AB-BR/2017 zu 3228/J-BR/2017)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Rosa Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versorgung mit neonatologischen Intensiv­betten in Österreich (2991/AB-BR/2017 zu 3224/J-BR/2017)


 


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 10

09.02.14Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 868. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 867. Sitzung des Bundesrates vom 11. Mai 2017 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Wolfgang Beer.

09.02.43Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Neustrukturierung des Bundesheeres – Stärkung der regionalen Strukturen als wichtiger Eckpunkt“

mit dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Hans Peter Dos­kozil, den ich hiermit herzlich willkommen heiße. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein/e Redner/in pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bun­desministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein/e Redner/in der Fraktionen sowie anschließend je eine Wortmeldung der Bundes­räte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine ab­schließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weber. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

 


9.03.55

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister, willkommen hier im Bundesrat! Liebe Kolleginnen! Lie­be Kollegen! Werte Damen und Herren! Der 20. Jänner 2013 war für das österreichi­sche Bundesheer ein sehr entscheidendes Datum. An diesem Tag nämlich stimmten 59,7 Prozent der Wahlberechtigten in Österreich bei der allen bekannten Volksbefra­gung für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Seit diesem Volksentscheid hat es viele wei­tere positive Entwicklungen für unser Bundesheer und damit letztlich auch für die Si­cherheit unseres Heimatlandes Österreich und seiner Bürgerinnen und Bürger gegeben.

Mit dem heutigen Tag können wir stolz und wahrheitsgetreu behaupten, noch nie – oder zumindest seit langer, langer Zeit nicht mehr – war unser österreichisches Bundesheer besser, effizienter, stärker und wirtschaftlicher aufgestellt als derzeit. Möge diese Zeit der guten Ausstattung unseres Heeres lange anhalten, daran sollten wir alle arbeiten!

Die neuen Strukturen des Bundesheeres gliedern sich in folgende Eckpunkte: Es gibt fünf neue Bataillone, davon werden erstmals seit 38 Jahren drei komplett neu aufgestellt.

Die Jägerbataillone 1 im Burgenland, 15 in Oberösterreich und 7 in Kärnten werden neu aufgestellt. Das ist die erste Vergrößerung des Bundesheeres seit dem Jahr 1978. Dies stützt die Einsatzkräfte massiv.

Das Fliegerabwehrbataillon 3 in Salzburg und Teile des Jägerbataillons 26 in Tamsweg werden zum Jägerbataillon 8.


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Das Stabsbataillon 6 in Innsbruck und Teile des Jägerbataillons 23 in Landeck werden zum Jägerbataillon 6.

Was ändert sich in den Bundesländern? – Die Militärkommandos, quasi die Länderorga­nisationen im Heer, stärken wir massiv. Jedes Militärkommando wird über ein 300 bis 500 Mann starkes Jägerbataillon verfügen. Die Militärkommanden werden die Grund­wehrdiener ausbilden und auch Heimat der Miliz sein. Zusätzlich werden ihnen die mili­tärischen Servicezentren, vormals Gebäudeverwaltung, in den jeweiligen Bundeslän­dern zugeordnet. Das Heer wird also föderaler. Als Länderkammer können wir dies nur unterstützen, weil es auch sinnvoll ist.

Die Brigaden als Krisenreaktionskräfte bekommen neue Aufgaben und werden speziali­siert. Dies entspricht einer klaren Ausrichtung auf die einsatzwahrscheinlichsten Aufga­ben des Bundesheeres. Die rasche Verfügbarkeit der Krisenreaktionskräfte wird vor al­lem durch Kader und Kaderpräsenzeinheiten sichergestellt.

Das Kommando Schnelle Einsätze wird aus der bisherigen 3. Panzergrenadierbrigade aufgestellt – rasch verfügbar für Einsätze im In- und Ausland und mit der Spezialisie­rung auf den Einsatz im urbanen Gelände. Hauptaufgabe ist die Unterstützung der Ab­wehr terroristischer Bedrohungen und die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung nach einer Terrorsituation, in der mit den Sicherheitskräften nicht das Auslangen ge­funden wird. Ebenso stärken wir die Militärpolizei.

Die 4. Panzergrenadierbrigade bildet die sogenannte Schwere Brigade, die alle mecha­nisierten Kräfte des Bundesheeres umfasst. Vorgesehen ist diese Brigade für robuste Einsätze im In- und Ausland. Wir stützen damit die konventionelle militärische Landes­verteidigung.

Die 7. Jägerbrigade bildet die sogenannte Leichte Brigade, vorgesehen für Einsätze zur Stabilisierung im Ausland. Sie soll das Kommando Schnelle Einsätze im Inland unter­stützen.

Das Kommando Gebirgskampf entsteht aus der ehemaligen 6. Jägerbrigade und wird spezialisiert für Einsätze im Mittel- und Hochgebirge. Es übernimmt Aufgaben im Rah­men eines europäischen Zentrums für Gebirgskampf. Es koordiniert die Ausbildung der gebirgsbeweglichen Truppen des Bundesheeres.

Unsere Truppe machen wir wirklich fit für die nächsten Jahre, möglicherweise Jahrzehn­te, wenn ich den Herrn Bundesminister zitieren darf. So soll das Militär für Assistenz­einsätze wie Grenzschutz oder Katastrophenschutz gewappnet sein. Wir stärken das Bundesheer in den Regionen. Die Reaktionsfähigkeit der Truppe erhöhen wir im Allge­meinen massiv.

Wir gehen aber auch mit gutem Beispiel voran und sparen im eigenen Haus, nämlich im Ministerium, in der Zentralstelle. Den Personalstand reduzieren wir dort um etwa 15 Pro­zent, also um rund 150 bis 200 Stellen. Dafür wird das Personal direkt in der Truppe auf­gestockt. Die sogenannten Kaderpräsenzeinheiten, das sind jene Soldaten, die rasch in den Einsatz geschickt werden können, werden aufgestockt. Aus fünf Sektionen in der Zentralstelle, also im Ministerium selbst, werden vier. Neu ist etwa auch ein Innova­tionsbüro. Das Heer soll auch als Arbeitgeber attraktiver werden.

Zum Abschluss meiner Rede eine Bitte, Herr Bundesminister: In Aigen in der Oberstei­ermark sind die bestens bewährten Alouette-III-Hubschrauber stationiert. Diese werden im Jahr 2020 ihr Alterslimit erreicht haben und müssen dringend durch ein geeignetes neues Fluggerät ersetzt werden. Zwar hast du eine Standortgarantie für Aigen abgege­ben, aber längerfristig ist der Standort wohl nur abgesichert, wenn bald eine Entschei­dung über die Nachbeschaffung eines alpintauglichen Hubschraubertypes, der so wie die Alouette im Katastrophendienst eingesetzt werden kann, getroffen wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)


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Die anderen Hubschraubermodelle des Bundesheeres sind zwar gut für militärische Auf­gaben geeignet, aber kaum für einen inneralpinen Katastrophenschutz. Der Standort Ai­gen im Herzen Österreichs ist für Rettungs- und Erkundungsflüge im Dienste des Kata­strophenschutzes unerlässlich.

Ebenso ist der Ersatzbau zur Mannschaftsunterbringung in der Von-der-Groeben-Ka­serne in Feldbach noch ausständig. Die Sanierung des Bestandes schreitet zügig vo­ran, durch die Schließung der Kasernen in Fehring und auch Bad Radkersburg ist je­doch auch dieser Ersatzbau dringend erforderlich und notwendig. Wir werden diesen Ka­sernenstandort in Bälde auch gemeinsam besuchen, worauf ich mich jetzt schon freue. Dafür sage ich Bitte – wir werden auch dranbleiben und lästig bleiben –, aber ich sage auch Danke für die Stärkung unseres Heeres.

Unser Heimatland Österreich gehört bekanntlich zu den sichersten Ländern der Welt. Das haben wir jetzt wieder einmal schwarz auf weiß. Im topaktuellen Global Peace In­dex, in dem die sichersten Länder der Welt aufgelistet werden, wurde Österreich von 163 untersuchten Ländern auf den hervorragenden dritten Platz gereiht. Das zeigt uns, die Sicherheit von Österreich liegt in guten Händen, und so soll es auch bleiben. Ich darf ein herzliches Dankeschön, ein Hoch auf unser sicheres und schönes Heimatland Österreich aussprechen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.12


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dr. Köll. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


9.12.55

Bundesrat Dr. Andreas Köll (ÖVP, Tirol): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute ein sehr interessantes Thema auf der Tagesordnung, das – wie Kollege Martin Weber bereits erwähnt hat – auch mit der föderalen Rolle des österreichischen Bundesrates, aber natürlich auch mit der neuen, föderalen Aufwertung des österreichischen Bundesheeres zu tun hat. Kolle­ge Weber hat bereits minutiös aufgelistet, welche Verbesserungen beziehungsweise Um­strukturierungen da derzeit im Gange sind, und als langjähriger Milizoffizier kann man feststellen, dass es in den letzten Jahrzehnten eigentlich noch nie so viel Bereitschaft seitens der österreichischen Bundesregierung gegeben hat, sich – was die innere und äu­ßere Sicherheit betrifft – der aktuellen Lage anzupassen.

In diesem Zusammenhang darf man die Rolle des Herrn Bundesministers Doskozil ein­gangs wirklich schon einmal positiv erwähnen, der zu diesen nachhaltigen Verbesse­rungen natürlich auch aufgrund seines Kenntnisstandes der inneren und äußeren Sicher­heitslage als früherer Polizeidirektor im Burgenland beigetragen hat. Man kann frühe­ren Bundesministern für Landesverteidigung natürlich nicht unterstellen, dass sie sich nicht ebenso bemüht hätten, aber die Rahmenbedingungen und auch die hohe Bereit­schaft seitens des Finanzministeriums, dafür entsprechende Mittel bereitzustellen, wa­ren noch nie so gegeben.

Das hat natürlich mit den nationalen und internationalen Rahmenbedingungen zu tun. Er­innern wir uns an die Siebzigerjahre zurück, an das damalige Raumverteidigungskon­zept von General Emil Spannocchi! Damals hat man noch die Bedrohungslage vor Au­gen gehabt, dass möglicherweise Mot. Schützentruppen des Warschauer Paktes auch in Österreich einmarschieren könnten. Es hat dann die Öffnung gegeben, den Fall der Berliner Mauer, es hat natürlich immer wieder neue Szenarien gegeben, und das öster­reichische Bundesheer, sein Generalstab und auch die politisch Verantwortlichen wa­ren bemüht, auf diese Szenarien einzugehen und entsprechende Transformationen ein­zuleiten. Aber noch nie in den letzten Jahrzehnten war die Bereitschaft so hoch, ich glau­be, es sind in Summe 1,9 Milliarden €, die jetzt zur Verfügung gestellt und auch richtig,


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punktuell eingesetzt werden. Ich darf Ihnen, Herr Bundesminister, an dieser Stelle auch im Namen des Landes Tirol – unser Landeshauptmann, der ja derzeit bekanntlich auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ist, hat das bereits getan – für die Aktivi­täten in Tirol danken.

Wir haben natürlich von unserer verfassungsmäßigen Situation her und vielleicht auch noch etwas geprägt – Gott sei Dank schwindend – von den Bürgerkriegstraumata der Drei­ßigerjahre des vergangenen Jahrhunderts eine klare Trennung zwischen innerer Sicher­heit und äußerer Sicherheit. Wenn man bedenkt, was in Großbritannien, in Manches­ter, eben erst passiert ist, wo auch die Armee ausrücken musste, um der Terrorbedro­hung entgegenzuwirken, kann man sagen, es wird spannend werden, wie sich das in nächster Zeit auch hier in Österreich entwickeln wird. Man hat aber schon feststellen kön­nen, dass es noch nie eine so gute Zusammenarbeit aller drei Sicherheitsminister, näm­lich auch jener Minister, die für die innere Sicherheit in Österreich verantwortlich sind, ge­geben hat. Ich darf da unseren Justizminister und natürlich den Innenminister ausdrück­lich miteinschließen, die gute Zusammenarbeit mit Ihnen – auch mit der früheren Innen­ministerin Johanna Mikl-Leitner – hat sich sehr positiv dargestellt.

Sie haben jetzt reagiert, Sie haben das Bundesheer im föderalen Sinne aufgewertet. Je­des Militärkommando bekommt – wie Kollege Weber bereits erwähnt hat – auch eige­ne Bataillone. Diese sind natürlich nicht nur Kampfeinheiten, sondern auch für Assis­tenzeinsätze im Bereich des Katastrophenschutzes bestmöglich geeignet. Noch vor we­nigen Jahren hat es so ausgesehen, dass man beispielsweise im Katastrophenfall im Westen und Süden Österreichs überhaupt keinen Militärhubschrauber mehr zur Verfü­gung gehabt hätte. Klagenfurt drohte die Schließung, Vomp war bereits geschlossen, Aigen im Ennstal – weil Sie es erwähnt haben, Herr Kollege Weber – war auch schon ein Wackelkandidat.

Sie haben reagiert, Herr Bundesminister, und Sie haben dafür gesorgt, dass auch die Black-Hawk-Flotte wieder auf Vordermann gebracht wurde. Ich glaube, Sie haben ein­mal einen Lokalaugenschein durchgeführt – ich habe das nur einem Medienbericht ent­nommen – und festgestellt, dass von den neun Black Hawks drei nur mehr als Ersatz­teillager dienen, und auch sofort reagiert. Wir brauchen eine bestmögliche Ausrüstung für unser Heer, nicht nur die 20 000 neuen Helme, sondern natürlich auch neue Gerät­schaften und auch neue Fahrzeuge. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Aus Osttiroler Sicht – ich darf vielleicht versuchen, das auf unseren Bezirk herunterzu­brechen – wirken sich diese neuen Bemühungen dahin gehend positiv aus, dass nicht nur beide Kasernenstandorte in Lienz erhalten werden konnten, die Franz-Joseph-Ka­serne und die Haspinger-Kaserne, sondern Sie haben dort auch 220 neue Arbeitsplät­ze im Bereich der Kaderpräsenzeinheiten geschaffen. Wir haben das Jägerbataillon 24 mit den beiden Garnisonsstandorten St. Johann in Tirol und Lienz, und das bedeutet natürlich für einen tourismusintensiven Bezirk wie Kitzbühel oder auch für einen Ab­wanderungsbezirk wie Lienz beziehungsweise Osttirol einen gewaltigen Impuls, wenn 220 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Das ist nur eine der positiven Auswirkungen dieser – das darf man sagen – wirklich durch­greifenden Reform, mit der das österreichische Bundesheer erstmals seit 1978 auch wieder ausgebaut und ausgeweitet wird.

Es wird damit fit gemacht – wie Sie selbst, Herr Bundesminister, das bezeichnet ha­ben – für Auslandseinsätze. Man sollte sich auch von dem derzeitigen Geplänkel mit der türkischen Regierung nicht verunsichern lassen: Nur weil Österreich eine realistische Haltung in Sachen möglicher Beitrittsverhandlungen einnimmt, sollten die internationa­len Einsätze und eine Zusammenarbeit mit Österreich nicht gefährdet werden. Ein NATO-


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Beitritt ist derzeit, in dieser Lage ohnehin nicht realistisch. Wir haben natürlich auch die österreichische Neutralität zu berücksichtigen, die Verfassungslage.

Es gibt neue Bedrohungsszenarien im Bereich der Cyberkriminalität, natürlich auch im Bereich der Auslandseinsätze, wo das österreichische Bundesheer wirklich über hervor­ragende Kompetenzen verfügt.

Insbesondere im Bereich Gebirgskampf – und da komme ich wieder auf den Westen und Süden Österreichs zurück – haben wir ausgezeichnete Kompetenzen mit dem Ausbil­dungszentrum in Saalfelden, in dem Heeresbergführer ausgebildet werden, aber auch mit dem Kompetenzzentrum jetzt neu in Lienz, das Sie gemeinsam mit Frau Bürger­meisterin Blanik besichtigt haben. Ich glaube, Sie haben damals auch zwei Quads und mehrere Hägglunds übergeben. Wir würden Sie bitten – da auch ich ein regionales An­liegen habe –, diese nach Möglichkeit in Lienz stationiert zu lassen. Wir brauchen sie dort, weil es immer wieder Katastropheneinsätze gibt. Im Winter ist der Bezirk abge­schlossen. Wir brauchen einen Lawineneinsatzzug, wir haben immer wieder mit Schnee­katastrophen, mit Hochwasserkatastrophen zu kämpfen. Deswegen ist es eben sehr wichtig, dass diese regionale Ausstattung vor Ort bleibt und dass diese Mannschaften und auch Frauenschaften – auch da haben Sie für neue Impulse gesorgt – vor Ort ein­gesetzt werden können.

Zum Thema Frauen möchte ich sagen, weil ich gerade Kollegin Nicole Schreyer hier se­he: Der Herr Bundesminister hat dafür gesorgt, dass die bisherigen Zugangsbeschrän­kungen – so darf ich einmal salopp sagen – für Frauen etwas gelockert wurden, und zwar dahin gehend, dass die Fitnesslimits nicht bereits zu Beginn der Aufnahme erbracht wer­den müssen, sondern man das auch nach mehreren Monaten noch nachholen kann, wenn man bereits über ein Training verfügt. Also Frauen werden im österreichischen Bun­desheer genauso gebraucht, auch dort sollte – so wie in der Politik – der Frauenanteil et­was erhöht werden. (Heiterkeit. – Bundesrätin Posch-Gruska: Nur ein bisschen!)

Alles in allem ist das eine sehr positive Reform, sind das sehr positive Aktivitäten. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schreyer.) – Ich weiß nicht, ob Sie gedient haben, Frau Kol­legin Schreyer, aber Sie können sich sicherlich noch einmal melden und den Dienst für die Heimat natürlich auch im militärischen und Katastrophenschutzbereich ausüben.

Abschließend kann man feststellen, dass es mit der Ausstattung des österreichischen Bundesheeres wirklich aufwärtsgeht.

Und weil gerade auch der Eurofighter-Untersuchungsausschuss stattfindet: Ich glaube, dass es sehr positiv ist, dass man zukünftig keine Lobbyisten mehr zwischenschalten wird, und ich bin überzeugt, dass es auch keine Gegengeschäfte mehr geben wird. Auch das ist eine völlige Neuerung und ein absoluter Durchbruch in den Beschaffungsvor­gängen.

Alles in allem ist zu sagen: eine sehr positive Bilanz des Herrn Verteidigungsministers, in Verbindung auch mit den beiden Sicherheitsministern der Österreichischen Volkspar­tei und des Finanzministers der Österreichischen Volkspartei! – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

9.22


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Jenewein. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


9.22.44

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie machen es einem freiheitlichen Oppositionspolitiker nicht ganz einfach, hier eine Rolle als Oppositionspolitiker einzunehmen. Das möchte ich vorwegschicken. (Heiterkeit. – Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Posch-Gruska: Wenn das jetzt kein Kompliment ist!)


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Ich werde jetzt allerdings nicht nur mit Freundlichkeiten agieren, wobei ich Ihnen gerne zugestehen möchte – und das meine ich aus tiefster Überzeugung –, dass man bei Ih­nen als Verteidigungsminister erstmals seit vielen, vielen Jahren wieder den Eindruck hat, dass da ein Minister am Werken ist, dem das österreichische Bundesheer nicht egal ist. Das möchte ich wirklich festhalten. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

Dass nicht immer alles so läuft, wie man sich das wünscht, liegt in der Natur der Sa­che, selbstverständlich. Der von meinem Vorredner angesprochene Bataillonsplan zum Beispiel liegt, wie wir hören, nach wie vor im Bundeskanzleramt, es gibt nach wie vor keine Freigabe. Ich sage: Ja, prinzipiell ist es vollkommen richtig, was da geplant ist, näm­lich dass man auf eine bewährte Struktur, die es ja schon einmal gegeben hat, zurück­greift. Das ist ja jetzt bei Gott keine Neuerfindung, sondern diese Struktur hat man schon vor 20 Jahren gehabt. Jetzt kommt man endlich wieder darauf zurück, weil man gese­hen hat, das hat sich damals bewährt, die Experimente dazwischen waren nicht die rich­tigen, und dann liegt der Personalplan noch immer im Bundeskanzleramt und ist nach wie vor nicht genehmigt.

Unabhängig davon möchte ich dazusagen, dass sich Heerespolitik in den vergangenen Jahren auf Militärmusikkapellen und Debatten über das Militärgymnasium in Wiener Neu­stadt reduziert hat. Das ist ein sehr unbefriedigender Zustand, weil das den Eindruck erweckt hat, dass es eigentlich nur mehr darum geht, Versatzstücke irgendwie politisch abzuwickeln. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, obwohl ich weiß, dass das Gesagte hier verhallen wird, dass wir uns nach wie vor wünschen würden, dass zumindest das Militärgymnasium in Wiener Neustadt erhalten bleibt (Beifall der Bundesrätin Winkler), wobei ich erst gestern leider die Information bekommen habe, dass es dort ohnehin nur mehr eine 8. Klasse gibt. Das heißt, die Struktur dort ist schon relativ zerschlagen, so­dass dieser Wunsch zwar gut gemeint ist, aber mit den derzeitigen Mitteln kaum mehr umzusetzen sein wird.

Ich habe selbst als Absolvent des Strategischen Führungslehrgangs der Republik Ös­terreich Einblick in die Arbeitsweise des österreichischen Bundesheeres bekommen, al­lerdings war das noch lang vor Ihrer Zeit, das ist schon ein paar Jahre her, und es hat sich in der Zwischenzeit doch einiges getan. Ich will jetzt die von meinen Vorgängern an­geführten Zahlen gar nicht wiederholen, aber allein die Tatsache, dass man nicht nur sagt, das Bundesheer wird nicht mehr weiter personell ausgedünnt, sondern auch in neu­es Gerät, in neue Ausstattung, in neue Instrumentarien wird investiert, ist absolut posi­tiv zu bewerten.

Die Frage, die sich vielmehr stellt – und die gilt es, politisch zu bewerten, und da wer­den wir wahrscheinlich nicht mehr ganz einer Meinung sein –, ist ja diese: Wir haben einen verfassungsrechtlich festgeschriebenen Auftrag des österreichischen Bundeshee­res, der in der Bundesverfassung nachzulesen ist, und dann gibt es noch einen realpoli­tischen Auftrag des Bundesheeres, der sich derzeit darauf beschränkt, in Katastro­phenfällen als Pioniertruppe oder als Truppe des ersten Antritts tätig zu werden, bei La­winenunglücken, bei Murenabgängen. Es vergeht ja kaum ein Sommer oder ein Win­ter, in dem das Bundesheer nicht aktiv mit Mannschaften vor Ort ist und der Bevölke­rung wirklich tatkräftig und bestens zur Hand geht.

Auf der anderen Seite übernimmt das Bundesheer, speziell seit Sie die Verantwortung übernommen haben, Assistenzeinsätze für die österreichische Polizei. Es gibt Assis­tenzeinsätze gerade in der aktuellen Migrationskrise, worauf schon – und das sei mir hier an dieser Stelle gestattet – auch ein kritisches Auge geworfen werden muss. Es geht jetzt gar nicht so sehr darum, dass das Bundesheer diese Assistenzeinsätze macht, das ist schon in Ordnung, die Frage ist vielmehr – und die ist politisch zu bewerten –, wa­rum es überhaupt notwendig ist, dass wir das Bundesheer für diese Einsätze heranzie-


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hen. Und das liegt schon auch daran, dass die Bundespolizei einfach zu wenig Perso­nal hat, was es notwendig macht, dass man weitere Ressourcen hinzuzieht.

Jetzt ist das Bundesheer aber bei Weitem nicht mit jenen Kompetenzen ausgestattet, die es brauchen würde, um da aktiv tätig sein zu können. Die Zukunft, und zwar die re­lativ nahe Zukunft, wird zeigen, in welche Richtung sich das entwickeln wird. Eines ist aber auch klar: Eine Ausnahmesituation, wie wir sie im Jahr 2015 erlebt haben, kann so nicht mehr erledigt werden. Selbst wenn Sie, Herr Minister Doskozil, 2015 nicht im Burgenland gewesen wären – machen wir dieses Gedankenspiel –, sondern damals schon Verteidigungsminister gewesen wären und diesen Assistenzeinsatz als Verteidi­gungsminister hätten leiten können, wären Ihre Möglichkeiten, auch wenn Sie vielleicht die personellen Ressourcen zur Verfügung gehabt hätten, Ihre tatsächlichen exekutiven Möglichkeiten, höchst gering gewesen.

Da muss man leider Gottes schon sagen: Gezählt und gewogen, aber im Endeffekt für zu leicht befunden! Das ist eine unbefriedigende Situation, die zwar auf der einen Seite ein subjektives Sicherheitsempfinden vermitteln kann, aber, wenn man es realistisch betrachtet, außer einer relativ großen Mannstärke exekutivmäßig wenig auf die Waage bringt.

Ich möchte noch auf ein paar andere Dinge eingehen. Mein Vorredner hat es angespro­chen, es geht auch um den Ersatz von militärischem Gerät. Wir wissen genau, dass das in Österreich ein sehr heikles Thema ist, nicht nur vor dem Hintergrund des gerade laufenden Untersuchungsausschusses, der in einem der Nebenräume hier zur Stunde stattfindet. Es wird uns nicht erspart bleiben, dass wir hinsichtlich der Neubeschaffung von militärischem Gerät – und da rede ich jetzt nicht von Sturmgewehren oder von Hel­men, sondern von anderen Größenordnungen, nämlich zum Beispiel von der Nachfol­ge der Saab 105 OE oder der vorher angesprochenen Alouette-Hubschrauber – in der nächsten Gesetzgebungsperiode Entscheidungen werden treffen müssen.

Ich bin da an sich recht guter Dinge, dass das gelingen kann. Die Frage ist natürlich auch – und das können wir zur Stunde alles nicht beantworten –, ob es diesen politi­schen Willen in der nächsten Gesetzgebungsperiode noch geben wird. Derzeit hätte ich da weniger Bedenken, ich bin mir aber nicht sicher, ob Sie nach einer Neuwahl noch Verteidigungsminister sein werden – das wissen Sie wahrscheinlich selbst noch nicht – und ob es dann auch den Willen geben wird, zu sagen, ja, wir machen das.

Es ist natürlich für jeden Verteidigungsminister einfach, zu sagen: Das soll dann der Nach­folger, der Nächste machen, ich mache mir da die Hände gar nicht schmutzig!, denn ei­nes ist auch klar: Populär ist so etwas nie, und das war es noch nie. Wer sich ein biss­chen mit der näheren österreichischen Politikgeschichte auseinandersetzt, weiß das. Da rede ich jetzt gar nicht von den Eurofightern, das war bei den Saab Draken, bei den „flie­genden Tonnen“ dasselbe, das war bei der Saab 105 OE dasselbe. Es gibt da übri­gens sehr gute Bücher, in denen man nachlesen kann, wie diese Beschaffungsvor­gänge seit den frühen 1960er-Jahren abgelaufen sind: Es hat immer dieselbe Begleit­musik, denselben Theaterdonner gegeben, nur nimmt eben jede Politikergeneration für sich in Anspruch, das als singuläres Ereignis zu betrachten und zu sagen, dass es so etwas überhaupt noch nie gegeben hat. Das stimmt natürlich in dieser Form nicht, das hat es immer gegeben, und dass das für einen Verteidigungsminister nie angenehm ist, ist auch vollkommen klar. Trotz allem sind Politiker auch gewählt, um Entscheidungen zu treffen.

Ich möchte, da meine Redezeit bereits abläuft, nur noch kurz – es wurde schon ange­sprochen, ich halte das auch für wichtig – etwas zu den Irritationen sagen, die es der­zeit mit der Türkei bezüglich unserer Mitgliedschaft bei der Partnerschaft für den Frie­den gibt. Ich persönlich – das ist meine Privatmeinung – bin ein sehr großer Befürwor­ter dieser Mitgliedschaft, weil ich glaube, dass es wichtig und notwendig ist, dass sich


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Österreich da auch international einbringt. Das ist überhaupt keine Frage. Auf der an­deren Seite ist es natürlich auch eine Abwägungssache, wieweit man sich auf der Na­se herumtanzen lassen kann. Aber das ist nicht etwas, was wir hier zu entscheiden ha­ben werden, sondern das wird wahrscheinlich in einem größeren, in einem europäi­schen Kontext entschieden werden.

Ich möchte meine Ausführungen hier versöhnlich abschließen, da wir heute vermutlich, zumindest in dieser Gesetzgebungsperiode, die letzte Möglichkeit haben, hier mit Ih­nen persönlich zu diskutieren. Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute. Ich sehe das österreichische Bundesheer noch nicht aus der Krankenstube entlassen, aber ich sehe durchaus, dass man die Herz-Lungen-Maschine, politisch gesprochen, jetzt einmal ab­geschaltet hat und dass eine Lebensfähigkeit vorhanden ist. Ob es in Zukunft so wei­tergeht und wie der Genesungsvorgang voranschreitet, das wird man sehen, das liegt selbstverständlich auch an diesem Haus, denn hier werden ja die Gesetze beschlos­sen. Ich denke aber, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist und dass dieser wei­tergegangen werden sollte.

Ich darf mich für die Aufmerksamkeit bedanken. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

9.32


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mag. Dr. Dziedzic. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


9.33.04

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Werte Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Österreich ist ein neutrales Land, ein si­cheres Land und auch ein europäisches Land. Wenn man sich das Video anschaut, auf dem die Einweihung des Task-Group-Gebäudes in Wiener Neustadt, bei der Sie dabei waren, Herr Minister, zu sehen ist, bekommt man ein anderes Bild von Österreich.

Rund 7 Millionen € investiert das Bundesheer, wie wir gehört haben, damit Soldaten des Jagdkommandos neue Unterkünfte, Büros und Lehrsäle für Ausbildungszwecke bekom­men. Man könnte meinen, das sei nicht weiter außergewöhnlich, würde in diesem Vi­deo nicht ein wenig Kriegsstimmung herrschen und hätte es nicht vorher schon Inves­titionen von rund 115 Millionen € allein in die Infrastruktur gegeben.

Nun können Sie natürlich behaupten: eine junge Frau, sie hat keine Ahnung von Si­cherheit und Landesverteidigung. Ich sage Ihnen aber: Gerade als junge Frau fühle ich mich nicht sicher, sondern eher bedroht von diesen Plänen und diesen Investitionen, und ich sage Ihnen auch, wieso.

Unter dem Titel „Aufgaben des österreichischen Bundesheeres in einem veränderlichen Umfeld“ hat der Generalstab des Ministers einen Plan für die Maßnahmen aufgestellt. Auf Seite 47 ist zum Beispiel zu lesen, dass es bei den neuen Aufgaben im Inland auch um die sogenannte Crowd-and-Riot-Kontrolle geht, das heißt Kontrolle bei Menschen­ansammlungen und Ausschreitungen. Konkret: „Ordnungseinsatz zur Erhöhung der Ka­pazitäten im Bereich der CRC (Crowd and Riot Control) im Ausmaß von 3 leichten Jä­gerkompanien“. Unter „zusätzlicher Ressourcenbedarf“ ist dann noch zu lesen von „Voll­ausrüstung“, von „Overalls“, von Kosten für „Gruppenfahrzeuge“ und einem „Gesamtinves­titionsbedarf für 3 Kompanien“ in der Höhe von 35 Millionen €.

Aus einer Anfragebeantwortung wissen wir, wie die Beschaffungsliste aussieht. Da geht es um Pfefferspray, Gummikugeln und Impulsgeschoßpatronen, Flashbang-Granaten und Blitzknallpatronen, Blitzknallkörper, Lautsprecheranlagen, Alarmpatronen, Irritationswurf­körper, Tränengaseinsatzkörper für Mehrfachwurfanlagen, Tränengasgranaten sowie Reizstoffhandgranaten.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 18

Auch diesbezüglich könnten Sie behaupten, das sei nichts Außergewöhnliches, nur gibt es schon einen Punkt, der da eine ganz gewichtige Rolle spielt. Bisher war nämlich diese Kontrolle eine Aufgabe der Polizei, und nun will das Bundesheer in Zukunft eigene Ein­heiten haben, um auch gegen Ansammlungen und Demonstrationen vorgehen zu kön­nen.

Das ist aber nicht alles: In einem Video des österreichischen Bundesheeres wird der Panzereinsatz im Inland angekündigt. In der Schweren Brigade werden alle schweren Panzerfahrzeuge des Bundesheeres zusammengefasst. Ihr Aufgabengebiet sind soge­nannte robuste Einsätze im In- und Ausland, Einsätze, bei denen auch schwere Waffen unerlässlich sind, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Das heißt, die Kampfpan­zer des Bundesheeres dienen erstmals nicht der Landesverteidigung, sondern dem Schutz von Sicherheit und Ordnung. Und ja, mir – und nicht nur mir – macht das Angst. (Bundesrat Krusche: Ein Militärputsch steht unmittelbar bevor!)

Wieso? – Die Frage, wer entscheidet, wann Sicherheit und Ordnung gefährdet sind, wann diese Wirkmittel und Kampfpanzer eingesetzt werden können, ist nicht geklärt. Wer ent­scheidet also, frage ich, ob ein Notstand, der den Einsatz des Heeres erfordert, einge­treten ist? Bisher durfte – das haben wir schon vorher gehört – das Bundesheer im In­land nur im Rahmen von Assistenzeinsätzen aktiv und tätig werden.

Seit Sie vor eineinhalb Jahren als Verteidigungsminister angelobt worden sind, verfol­gen Sie konsequent – das ist Ihr gutes Recht – eine Neuausrichtung der Aufgaben zwi­schen Verteidigungs- und Innenministerium. Seit damals wird versucht, das Bundesheer verstärkt für Sicherheitsaufgaben im Inland einsetzbar zu machen. Die Begründung lau­tet: Terrorangriffe können existenzgefährdend für das staatliche System sein und daher einen Verteidigungsfall begründen. Nur – und das wissen Sie selbst; auch das Attentat in Manchester ist dadurch nicht abgewendet worden –: Mit Kampfpanzern und Jagd­kommando werden wir den Terror ganz sicher nicht bekämpfen. (Beifall bei den Grü­nen. – Bundesrat Mayer: Da muss man aber auch Lösungen anbieten, nicht nur kriti­sieren!)

Es geht, glaube ich, nicht um das subjektive Sicherheitsgefühl, das sehr oft als Grund angeführt wird, sondern im Gegenteil: Diese Sicherheitsmaßnahmen klingen für viele in der Bevölkerung äußerst bedrohlich. Und es tut mir leid, bei aller Wertschätzung, das sagen zu müssen, auch weil alle drei Parteien, alle drei Männer vor mir einer Meinung waren: Ich glaube, wir Grünen sind tatsächlich mittlerweile die Einzigen, die hier diffe­renziert auf die Sache schauen und nicht eine Politik der ängstlichen Männer betrei­ben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

9.38


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Landesverteidigung und Sport; auch seine Rede­zeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


9.38.50

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Hans Peter Doskozil|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Die Zeit hat sich ver­ändert, die sicherheitspolitische Lage hat sich verändert. Sie hat sich nicht nur in Öster­reich verändert, sie hat sich in ganz Europa und darüber hinaus verändert.

Ich glaube, niemand hätte vor zwei, drei Jahren die Situation so beurteilt, dass wir mit­ten in Europa diesem Terror ausgesetzt sind. Niemand hätte vor zwei, drei Jahren ge­dacht, dass wir derartige Migrationsbelastungen bewältigen müssen. Niemand hätte vor zwei, drei Jahren vorhergesehen, dass es möglicherweise diesen exzessiven Konflikt in der Ukraine gibt, wo durchaus auch zu befürchten ist, dass sich das Verhältnis zwi­schen NATO und Russland in eine andere Richtung entwickelt. Niemand hätte ge-


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glaubt, dass sich nach den Entwicklungen in Nordafrika, wo jeder eigentlich eine De­mokratisierung oder einen Wandel erwartet hätte, die Situation so entwickelt. Niemand hätte erwartet, was sich in Syrien tut.

Und wir sehen jetzt, was in ehemaligen Krisenherden passiert, wenn wir etwa nach Af­ghanistan blicken: Wie lange ist es her, dass Afghanistan zum Krisenherd wurde, und wie schwer ist es, diese Region zu befrieden? Wie lange sind unsere Truppen schon am Balkan, und wie schwierig ist es, diese Region auf den richtigen Weg zu bringen?

Wenn wir auf den Balkan fahren und sehen, welche Trends, welche Islamisierungs­trends es dort gibt, wenn wir feststellen, dass wir dort an und für sich schon über 20 Jahre mit Truppen vor Ort den Frieden sichern wollen und es nicht schaffen, einen zweiten Schritt zu machen, europäisch, im globalen Kontext einen zweiten Schritt zu machen, da­mit es eine Wirtschaftsentwicklung, Arbeitsplätze und auch Hoffnung für die Menschen vor Ort gibt, dann müssen wir in diesem gesamten globalen Komplex die Sicherheits­lage schon anders beurteilen.

Und diese Beurteilung trifft ja nicht nur das Verteidigungsressort, sondern auch andere Ressorts. Ich bin ganz einfach davon überzeugt, dass wir nicht nur inhaltlich – was Sie angesprochen haben, dazu komme ich noch –, sondern auch strukturell hinterfragen müs­sen. Und diese strukturelle Hinterfragung haben wir gemacht, allein schon deswegen, weil auch klar gesagt werden muss, dass in den letzten zehn, 15 Jahren das Bundes­heer zwar einige, etliche Reformen hinnehmen musste, aber Reformen, die immer da­von gezeichnet waren, dass es einen Spardruck gibt. Als ich das Ressort übernommen habe, hat sich die Frage gestellt, ob wir diesen Weg weitergehen, ob wir in den Batail­lonen die Kompanien wie auch die Standorte reduzieren und in Kauf nehmen, dass wir die Leistung, die die Bevölkerung von uns erwartet, nicht mehr erbringen können.

Die Leistung, die wir derzeit erbringen, umfasst einen hohen Anteil an Auslandseinsät­zen: 1 100 Soldanten sind permanent im Auslandseinsatz. Die Leistung, die wir derzeit er­bringen, umfasst, dass wir ungefähr 900 Soldaten im Inlandseinsatz haben. Und wenn wir diese Systematik, die wir nun eingeschlagen haben, getragen von unserem System der Miliz und auch vom System des Grundwehrdienstes, nicht hätten, dann könnten wir die­se Leistungen nicht erbringen. Die Bevölkerung – und das muss man auch ganz klar sa­gen – erwartet sich diese Leistung von uns. Es werden dafür Steuermittel verwendet, es gibt eine gesetzliche, eine verfassungsgesetzliche Aufgabe. Es gibt eine Systematik – wie Sie auch angesprochen haben – in Wechselwirkung mit der inneren Sicherheit, den As­sistenzeinsatz implizierend, und diese Aufgabe nehmen wir wahr.

Wir diskutieren natürlich darüber, welche Aufgaben das Bundesheer originär im Inland absolvieren könnte. Diese Diskussion wollen wir auch vor dem Hintergrund führen, dass wir gegenwärtig schon Aufgaben erfüllen, die wir permanent und ständig wahrnehmen, beispielsweise die Vorbereitung auf den Schutz der kritischen Infrastruktur. Dieser Schutz der kritischen Infrastruktur wird von der Miliz getragen und von der Miliz orga­nisiert, und kein einziger Polizist, auch wenn die originäre Zuständigkeit derzeit beim In­nenministerium liegt, ist für den Schutz – für den Schutz! – kritischer Infrastruktur ver­antwortlich, sondern ausschließlich die Miliz.

Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist es schon berechtigt, dass man darüber disku­tiert: Wer soll zuständig sein? Da braucht man, glaube ich, nicht immer das Jahr 1934 zu strapazieren, denn wenn man sich das Jahr 1934 genau anschaut, dann muss man sagen, die Situation war damals durchwegs so, dass die gleiche verfassungsrechtliche Situation, die gleiche rechtliche Situation bestanden hat wie heute und dass ganz ein­fach das Militär, aber auch die Exekutive von einem Regime missbraucht worden ist und auch in den Assistenzeinsatz gerufen wurde.

Ich sage nicht, wenn wir heute darüber diskutieren, dass das österreichische Bundes­heer eine originäre Aufgabe bekommt, dass wir uns dahinterliegend nicht darüber Ge-


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danken machen müssen, welche Rechtsschutzsystematik wir implementieren sollten. Ich bin da durchaus gesprächsbereit. Ich habe immer schon gesagt, dass im Zusam­menhang mit unserer derzeitigen Rechtsschutzsystematik, was das Verteidigungsres­sort, auch das Innenministerium, auch das Justizministerium, also alle Bereiche, wo es Eingriffe, eingriffsnahe Handlungen gibt, betrifft, der Rechtsschutz von den Ressorts weg muss, die Rechtsschutzbeauftragten von den Ressorts weg müssen und dass wir die­sen Rechtsschutzauftrag, weil es ja eine zweigeteilte Aufgabenstellung ist, einerseits möglicherweise ins Parlament verschieben können und andererseits einer unabhängi­gen Behörde zuführen müssen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist aus meiner Sicht, wenn wir klar darüber diskutieren, wer zuständig sein soll, um das auch vorab klar zu definieren, unabdingbar, diesen Schritt zu gehen. Und wenn ich das demokratiepolitisch beleuchte, dann frage ich mich schon: Was ist demokratiepoli­tisch besser? Wenn heute, wie beispielsweise für den Assistenzeinsatz an der burgen­ländischen Grenze, der 21 Jahre lang stattgefunden hat, ein Minister inhaltlich für den Einsatz von 2 000 Soldaten verantwortlich ist und der gleiche Minister auch vor Ort für den Einsatz im Burgenland für 2 000 Polizisten verantwortlich ist, dann kann man das ja auch hinterfragen. Das ist auch demokratiepolitisch aus meiner Sicht nicht vertret­bar, und es hat im Nachhinein auch die entsprechenden verfassungsrechtlichen Stel­lungnahmen gegeben, dass das den Bogen des Assistenzeinsatzes überspannt hat. Da­her muss man diese Systematik zwischen den Wechselwirkungen Innenministerium und Verteidigungsministerium und generell in Bezug darauf, was sich die Bevölkerung an Sicherheit, an Leistungen erwartet, wo Steuergeld investiert wird, hinterfragen und neu be­urteilen, aber – und das sage ich auch immer klar – unter dem Aspekt eines klaren, ef­fektiven und effizienten Rechtsschutzes.

Zur Strukturierung des Bundesheeres selbst: Wir haben uns sehr wohl und sehr gut überlegt, wie wir das Bundesheer ihn Bezug auf die Herausforderungen und Aufgaben­stellungen, die wir haben, neu organisieren. Die wesentliche Aufgabenstellung ist, dass wir im Ausland einsatzfähig sind, dass wir, wenn es erforderlich ist, wenn uns das In­nenministerium wie aktuell beim Grenzschutz in den Assistenzeinsatz ruft, auch ent­sprechend rasch einsatzbereit sind. Das heißt, wir haben eine klare Strukturierung in den Brigaden, dort, wo die KPE-Kräfte, die Kaderpräsenzeinheiten, sind, vorgenommen, und wir haben eine Regionalität in den Militärkommanden vorgenommen, weil ich in Zu­kunft keine Diskussion mehr darüber haben will, ob wir die Militärkommanden in dieser Ausprägung brauchen oder nicht. Ich bin ganz einfach davon überzeugt, dass die Mili­tärkommanden regional erforderlich sind, weil es auch regionale Aufgaben gibt, die zu erfüllen sind. Diese regionalen Aufgaben sind zum einen der Katastrophenschutz, das ist zum anderen die Grundwehrdienerausbildung und es ist zum Dritten die Miliz. Diese drei Hauptaufgaben werden den Militärkommanden natürlich auch mit der entsprechen­den Struktur beigegeben.

Ich sage – nicht unbestritten –, das sind die Wege, die derzeit eingeschlagen werden, aber es bedarf natürlich auch eines entsprechenden Personalaufwuchses, es bedarf ent­sprechender Investition. Ich verhehle nicht, dass wir noch lange nicht am Ziel sind. Wir brauchen sicherlich noch einige Jahre, um die Defizite aus der Vergangenheit, was die Infrastruktur, was die Mobilität betrifft, zu bereinigen, auch dafür, den Personalauf­wuchs zu administrieren, weil wir damit konfrontiert sind, dass in den nächsten fünf Jah­ren, in den kommenden Jahren bis 2020, ungefähr 5 000 bis 6 000 Mitarbeiter in Pen­sion gehen. Auch das muss kompensiert werden – bei gleichzeitigem Personalaufwuchs, bei gleichzeitiger Auswahl der Aufnahmen, bei gleichzeitiger Ausbildung und bei gleich­zeitiger Aufrechterhaltung der Aufgaben, die wir im Ausland und die wir im Inland erle­digen sollen. Das sind ganz wesentliche Dinge.

Noch einmal, und ich habe das auch am Beginn meiner Tätigkeit festgestellt: Es ist nicht nur der Zugang zur Verteidigung, wie wir die Verteidigung organisieren wollen, wichtig,


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sondern es haben ganz besonders auch die Länder, natürlich auch der Herr Finanz­minister, daran mitgewirkt, dass dieser Wechsel, dieser Trend und dieser Weg, der beim österreichischen Bundesheer eingeschlagen wurde, auch umgesetzt werden kann. Da­her möchte ich mich heute auch bei Ihnen als den Vertretern der Länder für diese Un­terstützung recht herzlich bedanken.

Es wurde angesprochen, dass wir in dieser Reorganisation noch auf die Organisations­pläne, auf die Planstellenbewertungen warten. Das stimmt. Wir haben weit über 8 000 Plan­stellenbewertungen neu in das Bundeskanzleramt transferiert, diese müssen beurteilt und bewertet werden. Und es stellt sich natürlich immer wieder die große Frage – das sage ich auch ganz offen –, durchaus mit einem gewissen Maß an Konflikt: Wie beurteilen und wie bewerten wir die Planstellen? Sind das zivile Planstellen, sind das militärische Planstellen? Gepaart dazu ist natürlich auch die neue Organisation, die neue Struktur zu beurteilen und klarzumachen, welche Aufgabe dahinterliegt.

Zum Bereich Infrastruktur Aigen – gepaart mit der Frage, was in Aigen passiert –: Es ist klar, dass nicht nur in Aigen, sondern auch in Klagenfurt und Vomp die Hubschrauber­stützpunkte aus meiner Sicht abgesichert sind. Wir werden – um auch die Verantwor­tung zu dokumentieren – mit Sicherheit noch vor der Wahl die Ausschreibung für die Nachbeschaffung der Alouette-Hubschrauber in die Wege leiten. Das hat deshalb bis jetzt gedauert, weil wir versucht haben – und das ist auch ein Anliegen meinerseits –, ei­nen österreichischen Cluster, Produzentencluster für Hubschrauber zu organisieren. Das scheint nicht zu gelingen. Es wird noch ein Versuch gestartet. Wenn es nicht gelingt, wird ausgeschrieben. Ich bin ganz einfach der Überzeugung, dass wir, wenn wir öffent­liche Mittel investieren, auch regionale und nationale Wertschöpfung damit erreichen kön­nen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir werden auch noch die Entscheidungen treffen – natürlich nicht die Vergabeent­scheidung, da Anschaffungsprozesse in diesem Segment höchstwahrscheinlich Jahre dauern, zumindest einige Zeit –, was die Abfangjäger betrifft. Das österreichische Bun­desheer und auch ich bekennen uns ganz klar zur aktiven Luftraumüberwachung. Wir haben bei der Bekanntgabe unserer Strafanzeige und den daraus folgenden Abhand­lungen auch gesagt, dass wir uns einerseits bis Ende Mai – was wir schon gemacht ha­ben – dazu bekennen und äußern, wie wir künftig bei Rüstungsgeschäften im Zusam­menhang mit Gegengeschäften und auch im Umgang mit Waffenlobbyisten vorgehen wollen.

Und wir haben auch klar gesagt, dass wir bis Ende Juni die Frage beantworten, wie es in Österreich mit der aktiven Luftraumüberwachung weitergehen soll. Das bedeutet im Konkreten, dass wir mit Ende Juni beantworten werden, wie wir die Luftraumüberwa­chung organisieren werden. Wirtschaftlich günstiger und militärisch effizienter, das sind die Voraussetzungen für den Beurteilungsstab. Und diese Beurteilung kann offen ge­troffen werden. Offen getroffen bedeutet, dass wir eine Entscheidung vorlegen werden, ob mit einem oder mit zwei Flugzeugtypen, wie gegenwärtig, geflogen wird, ob wir mög­licherweise einen neuen Flugzeugtyp anschaffen und den Eurofighter, egal was beim Verfahren und in der Rechtsauseinandersetzung mit Airbus stattfinden wird, einstellen oder nicht einstellen. Diese Entscheidungen werden am 30. Juni – das ist auch vor der Wahl – getroffen. Danach muss in die Umsetzung, in die Anschaffung, in die Ausschrei­bung, in die Frage, ob es ein Leasingmodell sein soll, ob es ein Kauf sein soll, eingetre­ten werden.

Die einzige Voraussetzung, die der Arbeitsgruppe, diesem Team, bis 30. Juni vorgege­ben wurde, ist, es soll militärisch effizienter sein. Wenn wir uns zur aktiven Luftraum­überwachung bekennen, dann darf es keine Luftraumüberwachung sein, die nur tags­über stattfindet, sondern die muss rund um die Uhr stattfinden können und soll wirt­schaftlich günstiger sein. Ich bin davon überzeugt, wenn wir das realisieren und umset-


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zen müssten, was uns bevorsteht, falls wir nichts machen, nämlich einerseits einen teu­ren Eurofighter zu betreiben, andererseits die Updates in die Tranche 2 zu machen, drit­tens den Saab 105 nachzubeschaffen, dass das die teuerste Variante wäre.

Auch noch ein Wort, weil es angesprochen wurde, zum Militärrealgymnasium: Ich habe mich zu Beginn meiner Amtstätigkeit klar zu dem Weg, der im Bereich des Militärreal­gymnasiums eingeschlagen wurde, bekannt und die Schließung des Militärrealgymna­siums vertreten, allerdings vor dem Hintergrund, dass wir ein Ersatzmodell brauchen, mög­licherweise nicht nur an einem Standort, sondern dass wir dezentral Kooperationen mit Schulen eingehen – es gibt ähnliche Modelle im Sportbereich –, um schulische Ausbil­dung zu ermöglichen, gepaart mit einer teilweise beginnenden militärischen Ausbildung.

Ich habe im Laufe der Monate gesehen, dass diese Umsetzung, diese Kooperationen in dieser Art nicht möglich sind, und ich habe vor einigen Wochen den Generalstab da­mit beauftragt, zu prüfen, wie wir es schaffen, das Militärrealgymnasium unter zwei As­pekten zu erhalten, nämlich einerseits unter dem Aspekt, dass es in dieser schulischen Form effizienter fortgesetzt wird. Das heißt, dass junge Menschen, die sich für das Mi­litärrealgymnasium anmelden, dort die Schule absolvieren können, damit wir dann auch einen hohen Grad an Bildung für unsere Mitarbeiter haben. Und zweitens soll eine neue Schiene am Militärrealgymnasium eröffnet werden, nämlich eine Schiene für jene Mitar­beiter unseres Hauses, die einen zweiten Bildungsweg und in weiterer Folge beispiels­weise die Matura nachholen wollen. Diese Prüfungen werden gegenwärtig abgeschlos­sen, und Sie können sicher sein, dass auch diese Entscheidung noch vor den Wahlen getroffen und dieser Weg dann auch beschritten werden wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ein Wort noch zu den Crowd-und-Riot-Kontrollen: Wenn Sie heute zitieren, dass wir in Österreich Crowd-und-Riot-Kontrollen machen wollen, dann ist das falsch. Wir üben Crowd-und-Riot-Kontrollen, um im Auslandseinsatz entsprechend geschützt zu sein. Das ist eine Verantwortung dem Personal gegenüber. Wir üben Crowd-und-Riot-Kontrollen, um im Auslandseinsatz – und es hat ja der Kosovo gezeigt, wie ein Auslandseinsatz sein kann – auch entsprechend aufzutreten. Und wenn Sie diesbezüglich nähere Infor­mationen wollen, dann würde ich Sie gerne darum ersuchen, sich Anleihen bei Ihrem Kollegen Peter Pilz zu nehmen. Peter Pilz war mit mir im Kosovo, er hat sich ange­schaut, wie wir dort Crowd-und-Riot-Kontrollen machen, wie wir sie üben. Und ich glau­be nicht, dass er diesbezüglich irgendwann, zu irgendeinem Zeitpunkt etwas Negatives gesagt hat. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.54


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Stellungnahme.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.

 


9.55.10

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Unser Herr Bundesminis­ter hat uns ja bereits einen Einblick über den Ausbau des österreichischen Bundeshee­res gegeben und auch die Notwendigkeit dieser Reformansätze erläutert. Die Anforde­rungen und Bedrohungen in Österreich haben sich verändert, beispielsweise durch die illegale Einwanderung und die Flüchtlingssituation, und wir müssen uns auch diesen He­rausforderungen in Zukunft stellen.

Das österreichisches Bundesheer – mit dir, geschätzter Herr Bundesminister – hat da­rauf reagiert. Wir müssen für die aktuellen Anforderungen bestmöglich gerüstet sein, und


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so ist die Aufstockung der Zahl der Berufssoldatinnen und Berufssoldaten von derzeit 2 200 auf 6 000 Personen zum Schutz für Österreich und der Bevölkerung vorgesehen.

Vorteile durch diese Reform im Einzelnen werden spezialisierte Großverbände sein. Die Brigaden – das haben wir ebenfalls schon gehört – werden neu organisiert werden, um rasch auf Krisen und Bedrohungen reagieren zu können. Die neuen Kommanden sollen im Inland und auch im Ausland schnell für Einsätze verfügbar und vor Ort sein. Die Militärkommanden werden in den Bundesländern regional gestärkt und dort auch Jägerbataillons mit 500 Soldaten zugeteilt; eine wichtige Einrichtung und Aufwertung. Das Bundesheer wird dadurch in Zukunft mit den einzelnen Truppen bei den diversen Einsätzen schneller und flexibler unterwegs sein können.

Da ich Waldviertlerin bin, wird es wahrscheinlich niemanden verwundern, dass ich kurz einige Worte über unseren TÜPL Allentsteig verliere. Vergangene Woche fand eine gro­ße und eindrucksvolle Feier am TÜPL Allentsteig statt, nämlich das 60-jährige Beste­hen, und alle Verantwortlichen haben auf die Wichtigkeit dieses Truppenübungsplatzes und dieser Einrichtung, sowohl regional als auch international, hingewiesen. In deiner Vertretung, Herr Minister, war Nationalrat Otto Pendl anwesend, und er ist in seiner Re­de ebenfalls auf diese Bedeutung des TÜPLs eingegangen. Er hat darauf hingewiesen, dass die Militärmusik wieder eine Zukunft hat. Und wenn man das gesamte Ambiente dort gesehen und die Feier mitverfolgt hat, dann muss ich hier festhalten, die Militär­musik ist wirklich nicht wegzudenken. – Ein Dankeschön, dass diese Militärmusik auch in Zukunft Bestand hat! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Was ist der TÜPL Allentsteig? – Er ist an und für sich mit seinen rund 16 000 Hektar der größte Truppenübungsplatz in Österreich und steht 30 000 Soldaten, die in Übun­gen sind, zur Verfügung. Er ist des Weiteren ein wichtiger Arbeitgeber und bietet in der Region circa 500 Menschen einen Arbeitsplatz beziehungsweise schafft eine Wert­schöpfung von 20 Millionen €. Es werden am TÜPL an 200 Tagen im Jahr Übungen aus­geführt, um für den Ernstfall bestens gerüstet zu sein. Es gibt einen Rechnungshofbe­richt, und zur Umsetzung dieser Empfehlungen des Rechnungshofes und in Abstim­mung mit deiner Anordnung, geschätzter Herr Bundesminister, sind bereits Maßnah­men vorbereitet worden. So ist die Umbenennung des TÜPLs Allentsteig in Gefechts­übungszentrum Allentsteig mit einer eigenen budgetierenden Finanzstelle vorgesehen. Dies war schon seit Längerem eine Forderung.

Auch das Thema der Blindgänger, ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg, das immer ein Gefährdungspotenzial für die Menschen darstellt, ist ein sehr wichtiges. Es soll ein ei­genes Kampfmittelbeseitigungselement zur Räumung und Vernichtung von Blindgän­gern in den belasteten Räumen gebildet werden.

Der Ausbau der Urbanen Trainingsanlage Steinbach ist ebenfalls ein Anliegen der Ver­antwortlichen unseres TÜPLs. Durch diese Maßnahmen werden die Effizienz der Nut­zung von unterschiedlichsten Ressourcen am Truppenübungsplatz Allentsteig und die Be­triebswirtschaftlichkeit auch wesentlich erhöht.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es gibt auch noch weitere Forderungen unserer Ver­antwortlichen vom TÜPL, die angedacht und weiterverfolgt werden sollten. So wird um den Ausbau dieser Urbanen Trainingsanlage in Steinbach gebeten. Ich möchte anmer­ken, dass man innerhalb dieser Trainingsanlage Rettungseinsätze simulieren kann und die Blaulichtorganisationen wie Polizei und Rettung dort üben können. Es gibt zum Bei­spiel ein Wirtshaus, wo man Schlägereien nachstellen kann, eine Bank, um einen Bank­raub mit Geiselnahme zu simulieren, ein Kaufhaus, um einen Einbruch nachzustellen, und so weiter. Diese Anlage stellt eine sehr wichtige Einrichtung dar, um für den Ernst­fall gut ausgebildet zu sein.

Die Etablierung eines Elementes Echtzeitauswertung zur Auswertung von Übungen be­deutet, dass das System die Realität eines Waffeneinsatzes auf einem modernen Ge-


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fechtsfeld simuliert und die Übungsteilnehmer nicht gefährdet werden; ebenfalls eine For­derung.

Ich darf an dieser Stelle den Führungssimulator in Weitra erwähnen. Diesbezüglich hat es in der Vergangenheit schon einige Gespräche mit den höchsten Verantwortlichen des Ministeriums gegeben. Die Forderung, diesen Simulator für die Kaserne Weitra an­zuschaffen, besteht aber nach wie vor.

Die Energieautarkie ist ebenfalls eine Forderung und wichtig. Allgemein sollte das Bun­desheer gerade in Zeiten des Klimawandels eine Vorbildwirkung haben und die Errich­tung einer Biogas- oder Biomasseanlage für die Energieautarkie eingesetzt werden; al­les wichtige Maßnahmen für den TÜPL Allentsteig.

Geschätzter Herr Bundesminister! Ich würde dich bitten, den Truppenübungsplatz Al­lentsteig beziehungsweise die Kasernen Horn und Weitra in Zukunft mit den geforder­ten beziehungsweise notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen zu unterstützen. Es sind dies sehr wichtige Einrichtungen in der Region Waldviertel. Ich danke dir für dei­nen Weitblick im Ausbau und in der Stärkung unseres österreichischen Bundesheeres, die der Sicherheit von Österreich und der Bevölkerung dienen sollen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.01


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Poglitsch zu Wort. – Bitte.

 


10.01.21

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundesminister! Ich hätte mir nicht gedacht, dass ich einmal an diesem Rednerpult stehen werde und einen SPÖ-Minister loben werde. (Allgemeine Heiterkeit.) Aber in diesem Fall werde ich das auch tun. Es hat zehn Jahre gedauert. Ja, aber man kann sich ja auch ändern und von diesem Rednerpult aus durch­aus für einen SPÖ-Minister einmal seine Wertschätzung kundtun. Ich möchte Ihnen auch im Sinne der Bevölkerung für diese wirklich gute Zusammenarbeit mit dem Herrn Innen­minister danken, und das wird in der Bevölkerung sehr wohl geschätzt und gesehen. Und ich möchte Ihnen auch danken, dass Sie dem österreichischen Bundesheer eine neue Wertigkeit gegeben haben, die es in den letzten Jahren in der Form nicht gege­ben hat. Auch das wird in der Bevölkerung sehr wohlwollend anerkannt.

Ich bin bei Gott – und das sage ich in Richtung der Grünen –, bei Gott kein ängstlicher Mann, aber eines möchte ich schon dazu sagen: Die europäische Sicherheitslage zeigt uns schon, dass es nicht eine Frage des Wollens oder des Könnens ist, dass wir ein stabiles und starkes österreichisches Bundesheer haben, sondern es ist ein Mussfak­tor. Wir müssen ein stabiles und ein gut ausgebildetes und auch ein gut ausgestattetes österreichisches Bundesheer haben in Anbetracht dessen, was sich in Europa und auf dem afrikanischen Kontinent abspielt, und es wird noch schlimmer werden. Deswegen bin ich froh, dass es einen Minister gibt, der das sehr wohl erkennt, wertschätzt und auch richtig für die Zukunft gestaltet hat.

Ich möchte aber heute vielleicht auch ein paar Aspekte herausstreichen, die mir als Wirt­schaftler auch sehr wichtig sind, und zwar die wirtschaftliche Bedeutung des österrei­chischen Bundesheeres, das ist heute nämlich hier noch nicht besprochen worden. Das hat sehr wohl in den Regionen eine große Bedeutung. Ich denke nur an die Region bei mir in Villach, die eine ländliche ist. Villach ist zwar eine Stadt, aber die Region ist durch­wegs mit kleinen Dörfern durchsetzt, wo wir Kasernenstandorte haben. Die wirtschaft­liche Bedeutung ihrer Erhaltung ist eine riesige. Ich spreche nur allein von den Gehäl­tern und Löhnen, die an das militärische Personal ausbezahlt werden und in der Re­gion Wertschöpfung produzieren. Ich spreche von den Zulieferanten, die für die Belie-


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ferung der Küche zuständig sind. Ich spreche von den vielen Handwerkern, die für die Erhaltung des Standortes vor Ort Aufträge bekommen, die Bauwirtschaft. Und ich spre­che – und das sage ich ganz offen, weil ich selber in Wolfsberg beim Bundesheer war; diesen Standort gibt es leider nicht mehr – auch von den Dienstleistern vor Ort, den vie­len Gastronomiebetrieben, die davon profitieren. Das sollte man in der Frage absolut nicht unterschätzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Deswegen bin ich froh, dass die Standorte erhalten bleiben sollen, was den Menschen auch ein Sicherheitsgefühl gibt. Ich sage euch, gerade im ländlichen Raum, gerade bei uns in der Nähe zu den Karawanken an der Grenze zu Slowenien und Italien kann man das sehr wohl schätzen. Ich war einer von den ganz Wenigen – und ich traue mich wet­ten, der Einzige hier in diesem Raum –, der gerade Präsenzdienst geleistet hat, als wir die politisch unsichere Lage in Jugoslawien hatten, und ich war an der Grenze bei La­vamünd. Das, was die Bevölkerung mir an Wertschätzung entgegengebracht hat, dass das österreichische Bundesheer die Grenze geschützt hat, ich sage es euch, liebe Freunde, das sollte man nicht unterschätzen. Dieses Gefühl, diese Wertschätzung ist ein wirklich tolles Gefühl für uns gewesen und zeigt, dass die Bevölkerung sehr wohl ein stabiles und starkes österreichisches Bundesheer für die Sicherheit der Grenzen ha­ben will. Es gibt ja auch eine Umfrage, wonach im Bereich Kärnten 65 Prozent – und das ist viel, das ist fast eine Zweidrittelmehrheit – ein stabiles österreichisches Bundes­heer haben wollen und auch sagen, dass es wirtschaftlich eine große Bedeutung hat.

Ich habe mir noch ein Thema herausgenommen, das vielleicht auch unterschätzt wird: Das österreichische Bundesheer – und jetzt werden viele denken: was will er damit sa­gen? – hat auch touristisch Bedeutung, nicht terroristisch, sondern touristisch. Wenn ich an die Airpower in Zeltweg denke, die das österreichische Bundesheer alle zwei Jahre durchführt: Ich habe viele Freunde im Aichfeld, die Betriebe haben und dort auch die notwendigen Grundstücke haben, um Parkplätze zur Verfügung zu stellen. Und sie sa­gen, dass das ein Wertschöpfungsfaktor ist, der nicht zu unterschätzen ist. Ich habe mir das ein bisschen herausgeschrieben. Es gibt eine Studie von der Johannes Kepler Uni­versität in Linz, die die Airpower einmal bewertet hat, und zwar die Airpower 2011 – lei­der nicht die letzten –, und jetzt müsst ihr euch festhalten: Allein bei den Tages- und Übernachtungsgästen werden 6,4 Millionen € lukriert, bei den Veranstaltungsbesuchern 4,2 Millionen €, und die gesamte Wertschöpfung dieser Airpower, die über zwei, drei Tage geht, sind 15 Millionen €. Und das wird nicht auf die Republik aufgeteilt, sondern bleibt regional vor Ort verankert. Das heißt, die kleinen Gastronomen, die Campingplät­ze, die Parkplatzbetreiber, der kleine Wirt vorne, das Geschäft, die Bauern, alle profi­tieren davon. Das zeigt, das österreichische Bundesheer hat auch wirtschaftlich in den Regionen eine große Verantwortung. Und es ist extrem wichtig, dass dort vor Ort diese Kasernenstandorte erhalten bleiben.

In diesem Sinne möchte ich ein Dankeschön an Sie, lieber Herr Bundesminister, rich­ten. Bitte, machen Sie, solang Sie noch im Amt sind – vielleicht wird es ja wieder was –, so weiter! Sie haben gute Arbeit geleistet in der Zusammenarbeit mit unserem Innen­minister. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.06


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Längle zu Wort. – Bitte.

 


10.06.56

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich darf da gleich anknüpfen an die Aussagen von Herrn Poglitsch. Es geschehen tatsächlich noch Wunder: Es sitzt ein Ver­teidigungsminister da, der von den Sozialdemokraten gestellt wird, und es ist durchaus eine Verbesserung erkennbar, es wurde in den letzten rund eineinhalb Jahren doch vie-


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les für das Bundesheer getan. Wir haben es ja vonseiten unserer Fraktion auch schon erwähnt, und ich möchte mich bei Ihnen auch einmal dafür bedanken, weil das in ei­nem fairen Dialog auch einmal gesagt gehört. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Dinge, die hier vorgetragen wurden, was da alles Positives geschehen ist, mag ich nicht alle wiederholen. Zwei, drei Dinge noch: Sicherheit ist sicherlich sehr wichtig. Ge­rade auch unser Bundesheer, aber auch die Polizei müssen dafür sorgen, dass in un­serem Land Sicherheit herrscht, im Rahmen des Partnership for Peace auch im Aus­land. Ich selbst war auch im Kosovo-Einsatz, und dort ist es auch sehr wichtig, dass man solche Dinge wie Crowd and Riot Control beherrscht. Sehr geehrte Kollegin von den Grünen! Das ist schon ein sehr wichtiger Punkt; der Herr Minister hat es auch gesagt. Gerade für den Eigenschutz ist es einfach wichtig. Herr Kollege Mayer war ja auch im Auslandseinsatz, er wird mir da sicher beipflichten. Man kann es sich einfach nicht leisten, wenn man Leute im Rahmen von friedenserhaltenden Maßnahmen ins Aus­land entsendet, dass man ungenügend ausgebildete Leute hinschickt. Das geht ein­fach nicht. Wir müssen unsere Leute schützen, und daher ist es auch notwendig, dass wir eben im Inland diese Ausbildungsschritte in den unterschiedlichsten Bereichen setzen.

Bezüglich des Themas gute Ausbildung: Da ist auch in den letzten Tagen und Wochen etwas sehr Erfreuliches passiert, und zwar bei der sogenannten Strong Europe Tank Challenge, dort gewannen Soldaten des Panzerbataillons 14 einen Preis. Sie erreich­ten den ersten Platz, obwohl unsere Soldaten mit dem Kampfpanzer Leopard 2A4 das älteste Gerät hatten. Dennoch konnte der erste Platz erreicht werden, und ich denke, dass das schon von einer sehr guten und gediegenen Ausbildung zeugt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was etwas negativ angesprochen wurde, ist in manchen Bereichen die fehlende Aus­rüstung. Das kann ich nur unterstreichen. Ich habe das auch schon vor gut einem Jahr im Rahmen der Aktuellen Stunde gesagt. Herr Minister! Sie haben aber auch vorhin gesagt, dass Sie in diesem Bereich tätig sind und auch eine Nachbeschaffung der Alouette beispielsweise noch vor der Wahl durchführen wollen.

Das ist sehr wichtig, denn die Alouette ist gerade auch für Einsätze im Gebirge ein sehr, sehr guter Hubschrauber, da die Glasverbauung im vorderen Bereich dem Piloten er­möglicht, auch nach unten sehen zu können. Wir alle wissen auch, dass damit oft in schwierigem Gelände trainiert, geübt wird. Auch im Rahmen von Katastrophen und von Hilfseinsätzen leistet die Alouette gute Dienste. Ich erinnere da zum Beispiel an Galtür, ebenso auch an Westösterreich, wo es oft notwendig ist, ins Gebirge zu fliegen und Men­schen zu retten, wie es in der Vergangenheit immer wieder der Fall war. Gerade da ist es eben sehr wichtig, dass wir auch weiterhin entsprechendes Gerät haben.

Der Katastrophenschutz allgemein wurde in der bisherigen Debatte nur am Rande er­wähnt. Ich darf hier deshalb noch einmal daran erinnern, dass es in Österreich immer wieder zu Katastrophen kommt. Da sind wir dann schon alle sehr froh, dass wir ein schlagkräftiges und gutes Bundesheer haben.

Bezüglich der Luftraumüberwachung, der aktiven Luftraumüberwachung haben Sie, Herr Minister, auch gesagt, dass diese für Sie wichtig ist. Da möchte ich einen Antrag her­nehmen, den ich hier eingebracht habe. Dieser Antrag stand am Dienstag auch in Ver­handlung, wurde dann aber von Ihrer Fraktion gleich vertagt. In diesem Antrag geht es um die Militärfluglotsen und die Militärflugberater – Stichwort: gleicher Lohn für gleiche Ar­beit. Die Soldaten in diesem Bereich verdienen rund 50 Prozent weniger als Personen, die diese Tätigkeit im zivilen Bereich ausüben, obwohl die Austro Control bekannter­weise auch zu 100 Prozent in Bundeseigentum ist. Jetzt verstehe ich nicht ganz, wa­rum es da so eine große Diskrepanz gibt, warum die Leute des Bundesheeres hier we­sentlich schlechter bezahlt werden. Dadurch ergeben sich nämlich auch viele Probleme.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 27

Es ist naheliegend, dass die Bundesheerfluglotsen in den zivilen Bereich abwandern. Wir haben es gehört: Die Ausbildung ist sehr gut. Dadurch entstehen große Personal­lücken. Wir haben derzeit 61 Fluglotsen und 53 Flugberater. Mit den Pensionierungen in den kommenden Jahren ist dort eine erhebliche Lücke zu erwarten. Sie wissen ja, dass eine Ausbildung für einen Fluglotsen sehr gut, sehr gediegen, aber eben auch sehr langwierig ist – da sprechen wir von mehreren Jahren. Das heißt, wir haben hier ein Pro­blem, diese Personallücke zu schließen.

Die Meinung von uns Freiheitlichen dazu ist jene, dass wir das Gehalt für diese Spezia­listen anpassen müssen, um auch die Flugsicherung und die aktive Luftraumüberwa­chung zu 100 Prozent gewährleisten zu können.

Gerade wenn Bundesheerluftfahrzeuge im Einsatz sind – Stichwort Hubschrauber –, ist es von großer Bedeutung, dass wir auch genug Personal haben, das diese Einsätze überwachen und koordinieren kann. Deshalb wäre es mir wichtig, noch einmal mein An­liegen zu betonen, dass Sie, Herr Minister, in diesem Bereich tätig werden und das Ge­halt der angesprochenen Personengruppe aufbessern. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.13


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Schreyer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


10.13.42

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr verehrte ZuseherInnen hier und vor dem Livestream! Wir haben heute die Neustrukturierung des Bundesheeres und die Stärkung der regionalen Strukturen als Schwerpunkt in dieser Aktuellen Stunde mit Ihnen. Ich tue mir da jetzt als Neuntredne­rin natürlich nicht besonders leicht, wobei ich mir auch bei der Recherche nicht leicht­getan habe. Die neuen Strukturen sind auf der Homepage dermaßen gut versteckt, dass ich sie überhaupt nicht gefunden hätte, hätte ich nicht zufällig einmal über das Handy hineingeschaut – ein Lob an die Smartphone-Version der Ministeriumshomepage.

Die Unterlagen für die Neustrukturierung stammen nun auch schon wieder aus dem Mai 2016. Was allerdings umgesetzt wurde, welche Investitionen getätigt wurden, ist auf der Homepage leider überhaupt nicht zu finden. Sie haben uns jetzt schon ein biss­chen informiert, aber Zahlen, Daten, Fakten darüber, was seither – also im vergange­nen Jahr – passiert ist, fehlen irgendwie komplett.

Wie bereits ein paarmal erwähnt, ist der Strukturplan noch nicht einmal angefangen wor­den, sondern er liegt im Bundeskanzleramt. Bis Oktober wird dazu also – da können wir uns relativ einig sein – nichts mehr passieren.

Wenn wir hier und heute schon so viel von regionalen Strukturen reden, möchte ich vor allem darauf eingehen, was die Bevölkerung in den Regionen wirklich braucht und was sie sich wünscht. Unserer Meinung nach möchte die Bevölkerung vor allem drei Dinge: Sie möchte Sicherheit, sie möchte Katastrophenschutz und – weil das ja auch mit der Wehrpflicht einhergeht – sie möchte einen Zivildienst beziehungsweise die Erledigung der sozialen Leistungen, die durch den Zivildienst abgedeckt werden.

Ich möchte kurz auf den Global Peace Index zurückkommen, der heute schon zwei, drei Mal erwähnt wurde und bei dem Österreich auf dem dritten Platz steht, weil Öster­reich von befreundeten Staaten umringt ist. Klassische militärische Konflikte in Europa sind also quasi ausgeschlossen. Für die militärische Landesverteidigung im Sinne von Verteidigung von Raum und Boden besteht in Österreich schlicht und einfach gar kein Bedarf mehr.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 28

Der Wunsch der Bevölkerung nach Sicherheit ist in diesem Sinn also vor allem eine Poli­zeiaufgabe. Wir haben ganz viele engagierte und wunderbare Polizistinnen und Polizis­ten, die für unsere Sicherheit sorgen. Wie auch von fast jeder VorrednerIn bereits er­wähnt, macht das Heer Assistenzeinsätze, und wir finden, es braucht hier keine Parallel­strukturen. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic.)

Ein Militär für Inlandseinsätze ist für uns also in der Form, in der Ihnen das vorschwebt, einfach undenkbar. Mich wundert ein bisschen, dass Kollege Poglitsch das ein biss­chen anders gesehen hat. In Ihrer Rede haben Sie meiner Meinung nach schon eine ganz starke Konkurrenzsituation zum Innenministerium heraufbeschworen, und ich bin ehrlich gesagt schon ein bisschen irritiert über das Misstrauen, das Sie dem anderen Ministerium – also Ihrem Koalitionspartner – entgegenbringen. Ich fürchte, dass es hier wirklich zu Kompetenzschwierigkeiten zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Innenministerium kommt.

Ein weiterer Punkt, den Sie angesprochen haben, ist die Rechtssicherheit, die im Par­lament bestehen soll. Es gibt aber noch keine Rechtsgrundlage dazu. Diese fehlt noch komplett und hätte, wenn schon, dann parallel dazu entstehen sollen.

Abschließend möchte ich noch ganz kurz auf die Katastrophenhilfe eingehen. Der Wunsch der Bevölkerung nach Katastrophenhilfe war ja einer Ihrer Hauptgründe für die Stärkung der Strukturen in den Regionen. Katastrophenhilfe ist natürlich immens wich­tig – sei es bei Überschwemmungen, bei Lawinen oder Bergrutschen. Katastrophenhil­fe ist allerdings unserer Meinung nach eine zivile Aufgabe und kann mit Kräften, die vom Bundesheer übernommen werden, auskommen. Ich denke da an eine Lösung ähnlich der in Deutschland mit einem Technischen Hilfswerk. Dieses soll dann natürlich auch in den Regionen positioniert sein und kann somit die regionalen Strukturen stärken. Denkbar wäre auch eine Katastrophenschutzmiliz, damit im Ernstfall wirklich über 10 000 Frei­willige zur Verfügung stehen.

Wir Grünen finden auch – und mit dieser Meinung halten wir ja nicht hinterm Berg –, dass im Bundesheer einiges umstrukturiert gehört. Dabei muss aber direkt auf die Be­dürfnisse der ÖsterreicherInnen eingegangen werden, eben um gute Lösungen zu fin­den. Was es nicht braucht, sind Parallelstrukturen mit robusten Militäreinsätzen im In­land. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.18


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Wie in der Präsidialkonferenz gemeinsam festgelegt, unterbreche ich nun die Sitzung für wenige Minuten zum Zweck einer Fotodokumentation, die durchgeführt wird.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 10.18 Uhr unterbrochen und um 10.23 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

10.23.10Einlauf

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Hinsichtlich der eingelangten, verteilten und ver­vielfältigten Anfragebeantwortungen,


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 29

der Bekanntgabe eines Schreibens des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung ge­mäß Art. 74 Abs. 3 B-VG beziehungsweise Ernennung von Mitgliedern der Bundesre­gierung sowie eines

Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramts betreffend den Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und eines weiteren

Schreibens des Vorarlberger Landtages betreffend Mandatsverzicht eines Ersatzmitglie­des des Bundesrats sowie jenes

Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt,

verweise ich gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung des Bundesministers für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner sowie des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Ha­rald Mahrer mit Entschließung des Bundespräsidenten gemäß Art. 74 Abs. 3 B-VG bei gleichzeitiger Ernennung des Bundesministers für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter zum Vizekanzler und von Dr. Harald Mahrer zum Bundesminister für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft:


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 30

*****


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 31

Schreiben des Vorarlberger Landtages betreffend Mandatsverzicht eines Ersatzmitglie­des des Bundesrates:


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 32

*****

10.24.02Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelang­ten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung im Sinne des § 19 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes, dass sich der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Jörg Leichtfried am 1. Juni 2017 in Berlin aufhalten wird.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegen:


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 33

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird (1590 und 1636/NR der Beilagen)

*****

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

*****


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 34

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Minis­terratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundesministe­rin für Familie und Jugend Sophie Karmasin-Schaller vom 30. Mai bis 2. Juni 2017 in Hongkong bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Andrä Rupprechter mit ihrer Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte und EU-Vorhaben sowie der Entschließungsantrag 222/A(E)-BR, die beziehungsweise der jeweils Gegenstand der heu­tigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatun­gen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 35

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heu­tigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 4 und 5 sowie 15 und 16 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

10.25.541. Punkt

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport betreffend Arbeits­programm der Europäischen Kommission und zu Vorhaben des Rates für das Jahr 2017 (III-606-BR/2017 d.B. sowie 9794/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelan­gen zu deren 1. Punkt.

Berichterstatter zu diesem Punkt ist Herr Bundesrat Koller. – Ich bitte um den Bericht.

 


10.26.16

Berichterstatter Hubert Koller, MA: Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Sportangelegenheiten über den Bericht des Bundesministers für Landesvertei­digung und Sport betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und zu Vor­haben des Rates für das Jahr 2017.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher zum Antrag:

Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport be­treffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und zu Vorhaben des Rates für das Jahr 2017 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für den Bericht.

Als Erster ist Herr Bundesrat Längle zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.27.04

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg)|: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Geschätzter Herr Minister! In Verhandlung steht der erwähnte Bericht des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2017. Grundsätzlich ist natürlich festzuhalten, dass der Sport einen sehr wichtigen Parameter der Gesellschaft darstellt. Gerade auch in die­sem Zusammenhang möchte ich hier unsere vielen, vielen fleißigen Sportvereine in Ös­terreich loben, denn die sind nämlich die Hauptträger, die durch alle Altersgruppen und Altersschichten hindurch ermöglichen, dass eine Vielzahl von Personen Sport ausüben kann. Da haben wir in Österreich, so denke ich, eine sehr gute Landschaft. Das ist mei­ner Meinung nach auch einmal zu unterstreichen, dass hier sehr, sehr viele Ehrenamt­liche in den unterschiedlichsten Vereinen tätig sind.

Beim Thema Vereine und Sport darf ich auch den Verein zur Förderung der Leicht­athletik bei mir im schönen Vorarlberg besonders hervorheben. Herr Minister, Sie wa­ren ja selbst auch in Götzis in Vorarlberg, in meiner Heimatgemeinde, in der alljährlich das sogenannte Hypomeeting stattfindet. Dort treffen sich die weltbesten Siebenkämp­ferinnen beziehungsweise die weltbesten Zehnkämpfer. Zu diesem Treffen kommen Olympioniken, Olympiasieger, Weltmeister und Europameister. Ich sage, dass das eine


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 36

sehr tolle Veranstaltung ist, die aber ohne die gute ehrenamtliche Tätigkeit zahlreicher einzelner Personen nicht möglich wäre.

Besonders freut mich auch, dass wir dort eine neue Laufbahn bauen konnten. Diesbe­züglich ist zu unterstreichen, dass wir eine sehr gute Finanzierung aufstellen konnten: Die Gemeinde meinerseits hat ein Drittel der Kosten übernommen, das zweite Drittel kam vom Land Vorarlberg, und das dritte Drittel kam vom Bund. Ich denke, dass das eine gu­te Sache war, sodass wir in Götzis für die nächsten 20, 25 Jahre für diese Topathleten sehr gute Wettkampfbedingungen herstellen können.

Nebenbei sei auch noch erwähnt, dass das Meeting in Götzis nach der Olympiade in Rio zum weltbesten Mehrkampfmeeting gekürt wurde. Das ist schon auch etwas Er­freuliches, und darauf können wir auch stolz sein.

Beim Sport gibt es aber – wie bei so vielen anderen Dingen – leider auch immer nega­tive Seiten, sogenannte Schattenseiten. Eine ganz besondere Negativseite stellen alle Vorkommnisse dar, die im Rahmen des Dopings passieren. Da wird mit unerlaubten Mitteln gearbeitet und damit eine klare Wettbewerbsverzerrung herbeigeführt. Das ist schlichtweg eine Beleidigung gegenüber all jenen, die ordentlich und fair trainieren und ordentlich und fair in die Wettkämpfe gehen, vor allem aber auch für die Zuseherinnen und Zuseher, die sich ja einen fairen Wettkampf beziehungsweise eine faire Veranstal­tung wünschen.

Als Beispiel seien hier der Radsport und die Tour de France erwähnt, wo leider recht oft etwas passiert. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass nahezu alle Sieger die­ses Radrennens mit Dopingvorwürfen konfrontiert waren – leider auch mit österreichi­scher Beteiligung. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Ein weiterer negativer Punkt sind die sogenannten Sportwetten. Auch hier kommt es zum Einsatz unlauterer Mittel. Wir haben das zum Beispiel im Bereich des Fußballs in Österreich gesehen. Ich darf hier die Vorkommnisse im letzten beziehungsweise vor­letzten Jahr erwähnen, als Spieler geschmiert wurden, wodurch Fußballspiele irgendwo entschieden wurden, jedenfalls nicht sportlich auf dem Platz. Gerade da ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass hier endlich einmal dagegen vorgegangen wird.

Damit komme ich jetzt zu dem Punkt, der mir wirklich sehr wichtig ist, nämlich zu die­sen sogenannten Lizenzen. Wenn man in Google eine ganz einfache Suche mit den Stichwörtern Lizenz und Sportwettenanbieter startet, stößt man gleich einmal auf Flos­keln, die sagen, dass rechtlich alles gedeckt sei und die Anbieter ihre Lizenz über Mal­ta hätten. Malta hat jetzt leider die Regelung gegen das sogenannte Match-Fixing nicht mitgetragen. Ich denke, dass das nicht in Ordnung ist. Malta ist ein EU-Mitglied, gehört zum Verbund der 27/28 EU-Staaten. Meiner Meinung nach wäre es an der Zeit, dass wir auf europäischer Ebene dahin gehend auf Malta einwirken, dass es diesbezüglich mit den anderen EU-Ländern mitzieht und diese Standards mitträgt.

Ich möchte noch ein weiteres negatives Beispiel bringen, das mir zu Ohren gekommen ist: Wenn unsere Polizei, die sehr vorbildlich arbeitet, in Wettlokale kommt und illegale Wettautomaten beschlagnahmt, so werden diese zwar abtransportiert, allerdings stehen dann innerhalb kürzester Zeit wieder neue Wettautomaten im gleichen Lokal. Es kann doch nicht sein, dass da so schnell so kriminell gehandelt wird!

Abschließend ist zu sagen, dass das Thema Sport von uns grundsätzlich sehr positiv gesehen wird. Selbstverständlich gehören die vielen Vereine und die ehrenamtliche Tä­tigkeit unterstützt. Wir werden diesem Bericht aber aus den vorher erwähnten Gründen nicht zustimmen.

Ganz zum Schluss erlaube ich mir auch noch eine Anmerkung: Es kann nicht sein, dass im Ausschuss, so wie es am Dienstag der Fall war, niemand vonseiten des Sport-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 37

ministeriums kommt. Es wäre schon nett, wenn da auch jemand käme, da ja der eine oder andere Kollege eventuell eine Fachfrage zu stellen hätte. Wir haben das Thema be­reits parteiübergreifend unter allen Fraktionen besprochen und sind uns einig, dass es wünschenswert wäre, dass jemand vom Ministerium anwesend wäre. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.33


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Heger das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.33.28

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wenn wir über den Bericht des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport zum Arbeitsprogramm der Eu­ropäischen Kommission und zu Vorhaben des Rates für das Jahr 2017 debattieren, dann geht es inhaltlich um zwei äußerst unterschiedliche Bereiche. Was die gemeinsame Au­ßen- und Sicherheitspolitik und die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union betrifft, sind die Verträge von Maastricht aus dem Jahr 1993, der Vertrag von Nizza aus dem Jahr 2001 und der Vertrag von Lissabon von 2007 die entsprechenden Grundlagen.

Die Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Verteidigungspolitik sind gerade jetzt beson­ders bedeutsame, ja mit Sicherheit vorrangige Bereiche. Der Vertrag von Lissabon ver­gemeinschaftet zum Teil aber auch den Politikbereich Sport. Auch wenn gerade auf­grund der Flüchtlingsbewegung diese gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ab­solut im Vordergrund steht, möchte ich mich als Sportsprecher meiner Fraktion in mei­nem Debattenbeitrag dem Schwerpunkt Sport widmen. Es geht hier nämlich um die För­derung des aktiven Sports und damit natürlich nicht nur um die Förderung des Leis­tungssports, sondern selbstverständlich auch um die Förderung des Breitensports und des Behindertensports.

Im gegenständlichen Arbeitsprogramm der Europäischen Union wird der Bereich des Sports leider wieder nicht erwähnt. Daher beschränkt sich der Ressortbericht auf das Achtzehnmonatsprogramm der gegenwärtigen Trio-Präsidentschaft und die einzelnen EU-Arbeitspläne Sport.

Das Achtzehnmonatsprogramm des Rates, auf das sich die Trio-Präsidentschaft Nie­derlande, Slowakei und Malta stützt, wird den Fokus auf Good Governance und Bil­dung im Sport und durch Sport mit besonderem Augenmerk auf internationale Großver­anstaltungen, Sportdiplomatie und ehrenamtliche Tätigkeiten im Sport legen.

Unter dem niederländischen Vorsitz wurden Schlussfolgerungen zur Erhöhung der In­tegrität, Transparenz und Good Governance im Sportsektor angenommen, unter der slo­wakischen Präsidentschaft Schlussfolgerungen zur Sportdiplomatie verabschiedet, und das Arbeitsprogramm der maltesischen EU-Ratspräsidentschaft widmet sich dem The­ma Sport als Plattform für soziale Eingliederung durch Freiwilligkeit. Abschließend wird es auch ein Seminar zu Demokratie, Jugend und Sport geben.

Leider ist in diesem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission der Sport kaum ver­treten. Alles, was wir finden, ist, wie gesagt, der Verweis auf die maltesische Präsident­schaft und das Achtzehnmonatsprogramm.

Der zweite Arbeitsplan der EU-Kommission im Bereich des Sports für die Jahre 2014 bis 2017 umfasst – in Anlehnung an die aktuellen Herausforderungen für die Themen Sport und Gesellschaft – folgende Schwerpunktthemen: gesundheitsfördernde körperliche Ak­tivität, allgemeine und berufliche Bildung im Sport, ehrenamtliche Tätigkeit im Sport so­wie Beschäftigungsmöglichkeiten im und durch den Sport, wirtschaftliche Dimensionen des Sports, bleibender Nutzen von Sportgroßveranstaltungen, nachhaltige Finanzierung


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 38

im Sport sowie die Integrität des Sports. Bei Letzterem geht es um die Bekämpfung von Spielabsprachen, Good Governance im Sport, den Schutz der körperlichen und morali­schen Unversehrtheit junger Athleten, Dopingbekämpfung und die Geschlechtergleich­stellung im Sport.

Zum Zweck der Behandlung dieser Themen wurden insgesamt fünf EU-Expertengrup­pen eingerichtet, die dem Rat assistieren und Empfehlungen sowie Leitlinien ausarbei­ten. Eine der wichtigsten Expertengruppen ist dabei für mich jene zur gesundheitsför­dernden körperlichen Aktivität und nicht die Expertengruppe gegen Spielmanipulation. Aus meiner Sicht geht es in zweitgenannter Expertengruppe ja vor allem darum, krimi­nellen Spielmanipulationen und Wettabschlüssen stark entgegenzutreten.

Gerade in Österreich, einem, wie wir alle wissen, überaus sportbegeisterten Land, schmerzt es ganz besonders, dass Sport im EU-Arbeitsprogramm keine explizite Erwähnung fin­det. Allerdings – und das ist, wenn man so will, das Gute daran – ermöglichen die EU-Handlungsempfehlungen nationale Handlungsbreite. Das ist für Österreich eigentlich be­sonders günstig, denn bei uns scheint – das ist mein Eindruck – der Stellenwert des Spor­tes doch um einiges höher zu sein als in der Europäischen Kommission.

Wie hoch der Stellenwert des Sportes und die Förderung des aktiven Bewegens im Bur­genland ist, zeigt alleine, dass hier die tägliche Turnstunde seit diesem Schuljahr lan­desweit umgesetzt wird. In einigen Gemeinden wurden Projekte wie Soccer and School mit dem Schwerpunkt Fußball in der Volks- und Hauptschule sowie in den Neuen Mit­telschulen getestet, und jetzt ist – auch dank Ihnen, Herr Minister – die tägliche Turn­stunde mit großem Erfolg im ganzen Burgenland eingeführt worden. In den Schulen und in den Gemeinden findet dieses – wenn Sie so wollen – Fitnessprogramm große Aner­kennung und die Schülerinnen und Schüler sind mit großer Begeisterung dabei.

Was den EU-Arbeitsplan Sport 2017 bis 2020 betrifft, steht, wie bereits gesagt, die Er­arbeitung des Arbeitsplans durch den maltesischen Vorsitz im Vordergrund, und hier hat sich Österreich stark in die Diskussion eingebracht. Was mit der täglichen Turnstunde erreicht wird, nämlich Gesundheitsförderung durch Bewegung, war im EU-Arbeitsplan 2014 bis 2017 ebenso Schwerpunktthema wie Integrität des Sports und die wirtschaftli­che Dimension des Sports.

Während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft 2018 werden die österreichischen Schwerpunktthemen Sport und Wirtschaft und Betriebssport als Gesundheitsförderung sein. Dazu wird das Sportministerium – das ist bereits ausverhandelt – in der intermi­nisteriellen Lenkungsgruppe vertreten sein.

Das aktuelle Arbeitsprogramm der Europäischen Union wird in Österreich auch durch die Freiwilligenarbeit im Zusammenhang mit Flüchtlingen im Sport deutlich und eigen­ständig erweitert. Damit wird der gegebene Spielraum sehr gut genützt.

Im Herbst 2017 ist auch noch die Europäische Woche des Sports geplant, die durch die Bundes-Sportorganisation als nationale Koordinationsstelle organisiert und abgestimmt wird.

Sehr geehrter Herr Minister! Meine Fraktion wird Ihren Bericht betreffend Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission und zu Vorhaben des Rates für 2017 zur Kennt­nis nehmen, auch wenn, wie ich schon gesagt habe, gerade der Sport im Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission und zu Vorhaben des Rates für das Jahr 2017 keine explizite Erwähnung gefunden hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.41


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 39

10.41.21

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Ja, der Kollege hat es schon gesagt: Es findet sich im aktuellen Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2017 unter dem Titel „Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt“ überhaupt kein Satz über Sport. Und darüber sollen wir heute abstimmen! Es gilt daher weiterhin das Achtzehnmonatspro­gramm der Trio-Ratspräsidentschaft Niederlande, Slowakei und Malta, das den Zeit­raum vom 1.1.2016 bis 30.6.2017 umfasst und den Fokus auf Bildung und Sport legt.

Wie das der Kollege von der FPÖ schon gesagt hat, macht es auch mich ein bisschen wütend beziehungsweise enttäuscht es mich, wenn im Ausschuss, im Sportausschuss, der wirklich nicht oft tagt, kein Vertreter des Ministeriums sitzt, obwohl dort auch ein Ent­schließungsantrag der Opposition vorgelegen ist, der meiner Meinung nach diskussions­würdig gewesen wäre. Wir werden dem natürlich nicht zustimmen, es wäre aber trotz­dem eine notwendige Bezeugung von Respekt gewesen, gerade weil Sie immer vom Fö­deralismus reden, vom Bundesrat und von dessen Wertschätzung. Daher werden wir die­sem Bericht im Bundesrat nicht zustimmen, auch wenn dies meine Kollegen im Natio­nalrat getan haben.

Wir hätten viele Fragen gehabt! Zum Beispiel: Welche Hauptthemen fordert denn Ös­terreich überhaupt für das neue Arbeitsprogramm? Auch: Was heißt Match-Fixing? Was bedeutet das für die sportlichen Wettkämpfe, wenn Malta diese Regelung verweigert, wenn Österreich und Malta zusammenkommen? Auch die Geschlechtergleichstellung und gesundheitsförderliche Aktivitäten sind im Arbeitsprogramm, in den Schwerpunkten an­gesprochen worden: Wie setzt Österreich das um?

Das wären also viele Fragen gewesen, die wir gerne beantwortet gehabt hätten. Sie werden sich, wie ich gesehen habe, nicht zu Wort melden. Das zeigt auch wieder Ihre Wertschätzung dem Bundesrat und dem Sport gegenüber. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Posch-Gruska: Das war jetzt wieder notwendig! – Bundes­rat Stögmüller: Schickt doch einfach wen in den Ausschuss! – Bundesrätin Posch-Grus­ka: Fragt einmal, warum er nicht kommen konnte!)

10.43


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Forst­ner. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.43.27

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2017 trägt den Titel „Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt“ und beinhaltet unter anderem Vorhaben zur Schaffung von Arbeitsplatzimpulsen und ei­ne zukunftsorientierte Klimaschutzpolitik. Nicht erwähnt wird im Programm bedauerli­cherweise, wie das im Ressortbericht des Sportministeriums zu lesen ist, der Sportbe­reich. Dementsprechend mager fällt die EU-Jahresvorschau des Sportministeriums, die dem Parlament übermittelt wurde, für das kommende Jahr auch aus.

Der fällige dritte Arbeitsplan der EU-Kommission im Bereich des Sportes für 2017 bis 2020 soll im aktuellen Halbjahr unter maltesischem EU-Ratsvorsitz erarbeitet werden. Ge­plant ist, das neue Dreijahresprogramm dann mittels Ratsbeschluss beim EU-Sportmi­nisterrat im Mai 2017 zu verabschieden. Nicht thematisieren wird Malta während sei­nes Ratsvorsitzes das Übereinkommen gegen Spielmanipulationen, das das Land auf­grund von Prüfvorbehalten nicht mittragen will.

Unter den Schlagworten Good Governance sowie Bildung im und durch Sport beschäf­tigt sich im Juni 2017 das aktuelle EU-Ratspräsidentschaftstrio Niederlande, Slowakei und Malta mit Sportpolitik. Unter niederländischem Vorsitz im ersten Halbjahr 2016 wur-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 40

den Schlussfolgerungen zur Erhöhung der Integrität, Transparenz und Good Governance von Sportgroßveranstaltungen angenommen, unter slowakischer Präsidentschaft Schluss­folgerungen zur Sportdiplomatie verabschiedet. Malta wird sich in seiner EU-Ratspräsi­dentschaft bis Juni dem Sport als Plattform für soziale Eingliederung durch Freiwilligen­tätigkeit widmen.

Zentrales Thema der Trio-Ratspräsidentschaft waren und sind Spielabsprachen. Ange­dacht war auch ein Beitritt der EU zum Übereinkommen des Europarates gegen Mani­pulation von Sportwetten, wie das bereits vom Kollegen Längle im Hinblick auf Fußball­spiele erwähnt wurde. Dafür sollte die Zustimmung aller Mitgliedstaaten eingeholt wer­den. Vorbehalte kommen von Malta. Sein Nein führt dazu, dass es bis jetzt keine Eini­gung in dieser Angelegenheit gibt.

Ein Streitpunkt für die EU-Mitgliedstaaten ist laut Bericht die Frage, ob und wie ange­sichts geteilter Kompetenzen die Europäische Kommission dem Übereinkommen im Na­men der EU beitreten kann. Schon 2012 hat Malta Schlussfolgerungen des Rates zur Entwicklung von Strategien gegen das sogenannte Match-Fixing nicht mitgetragen. Ra­tifiziert wurde das Übereinkommen des Europarates bisher von 26 Staaten, darunter na­türlich auch Österreich. Ein formeller Sportministerrat hat im Mai 2017 stattgefunden.

Herr Minister! Abschließend muss ich mich leider meinen Vorrednern ein bisschen an­schließen. Es war wirklich schade, dass seitens Ihres Ministeriums niemand im Aus­schuss anwesend war, denn wir hätten wirklich ein paar Fragen zum Abklären gehabt, wie zum Beispiel die nach den Ergebnissen der eben gerade erwähnten letzten Sport­ministerratssitzung: Gibt es Fortschritte in der Entwicklung von Strategien gegen das so­genannte Match-Fixing, die erreicht werden konnten? Vielleicht ist es ja möglich, dass in Zukunft wer anwesend ist beziehungsweise dass uns das nachgereicht wird. – Dan­ke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.47


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als vorläufig Letzter zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Weber. – Bitte.

 


10.47.30

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es heute schon gehört: Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2017 trägt den Titel „Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt“. Über den Sport haben meine Vorredner schon sehr viel gesagt, des­halb möchte ich ein bisschen auf die Punkte 7, 8 und 9 des Programms eingehen. In Summe ist in dem Programm klar dargelegt, dass sich die Kommission mit der Umset­zung der zehn zu Beginn der Amtszeit festgelegten Prioritäten befassen wird.

Punkt 7 lautet: „Auf gegenseitigem Vertrauen fußender Raum des Rechts und der Grund­rechte“;

Punkt 8: „Auf dem Weg zu einer neuen Migrationspolitik“; und

Punkt 9: „Mehr Gewicht auf der internationalen Bühne“.

Zugegeben, Europa ist derzeit an einem kritischen Punkt angelangt; das leugnet auch niemand. Die Europäerinnen und Europäer sind tagtäglich mit den Konsequenzen der Herausforderungen konfrontiert, welche das gemeinsame Europa bewältigen muss. Die wirtschaftliche Erholung ist erst im Anfangsstadium und leider bei Weitem noch nicht bei allen in unserer Gesellschaft angekommen. Die Jugendarbeitslosigkeit hat teils er­schreckende Schockzahlen; zum Beispiel in Spanien bis zu über 40 Prozent. Bei uns in Österreich ist die Arbeitslosigkeit im Mai Gott sei Dank um 2,7 Prozent gesunken, die Jugendarbeitslosigkeit erfreulicherweise sogar um 16 Prozent.


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Eine Massenmigration stellt unsere Außengrenzen und die Fähigkeit der Union zur So­lidarität auf eine harte Probe. Unsere Mitgliedsländer im Osten sind sich der Vorteile der EU, Stichwort Förderprogramme, sehr wohl bewusst. Wenn es um die europäische Solidarität in schwierigen Bereichen geht, sind diese eher sehr klein. Der Geldfluss könn­te die Solidarität, meine ich, doch ein wenig steigern. In diesem Zusammenhang würde mich im Übrigen interessieren, ob Viktor Orbán immer noch einer der Vizepräsidenten der Europäischen Volkspartei ist; zumindest wurde er 2002 dazu gewählt. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Natürlich ist auch der Terrorismus eine verstärkte Bedrohung. Unsere Investitionen und Gesetzesnovellen zum Thema Sicherheit sind darauf die passende und richtige Ant­wort. – Danke, Herr Minister!

Die anhaltende Instabilität in unseren östlichen und südlichen Nachbarregionen geht ganz Europa etwas an. Das Schicksal von Italien und Spanien ist auch das Schicksal von Europa. Dazu passt, dass Kaputtsparen nicht der richtige Weg ist, um wieder auf die Füße zu kommen. Das zeigt uns Griechenland! Im Gegensatz zum Vereinigten Kö­nigreich, wo das Ergebnis der Volksabstimmung die Unsicherheit wachsen lässt, kann und wird Frankreich neuen Schwung in die EU bringen. Diese vielversprechende Hoff­nung ist zumindest durch die Wahl des neuen Präsidenten Macron aufgekommen.

Bei all den Problemen und der großen Unzufriedenheit müssen wir klar erkennen: Es gibt auf der Welt keinen Fleck, wo Menschen demokratischer, freier, sicherer und bes­ser versorgt leben können als hier. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir müssen den Menschen zuhören und verstehen, dass sie eine Antwort auf die ak­tuellen Herausforderungen und Schutz vor diesen Bedrohungen erwarten. Sie suchen nach Mitteln und Wegen, um für sich und ihre Familien die Zukunft zu sichern, und sie wollen eine Perspektive haben, die Sicherheit, dass die öffentliche Hand auf kommuna­ler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene gemeinsam den Erwartungen der heu­tigen und der künftigen Generation gerecht werden wird. Auf diesem Weg müssen wir die Menschen mitnehmen, auch ernst nehmen und überzeugen, denn die Vollpension zum Nulltarif gibt es nicht, die gibt es nirgendwo. Wir müssen die Menschen zum Part­ner machen.

Das gemeinsame, geeinte Europa muss uns auch etwas wert sein, ein Europa, das un­sere Werte von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigt und wahrt. Si­cherheit an und innerhalb unserer Grenzen ist angesichts der gegenwärtigen Bedrohungs­lage ein wichtiges und gemeinsames Anliegen. Die Terrorgefahr war in Europa noch nie so umfassend präsent wie heute.

Ich nenne dazu auszugsweise die Antwort gebenden Maßnahmen: Umsetzung des EU-Aktionsplanes gegen Terrorismusfinanzierung; einheitliche abschreckende Sanktionen ge­gen Geldwäsche; Verbesserung der Schlagkraft von Europol; Stärkung des europäi­schen Zentrums für Terrorismusbekämpfung; Maßnahmen zur strafrechtlichen Verfolgung terroristischer Verhaltensweisen einschließlich der Reisen ausländischer Kämpfer; der Weg zu einer Sicherheitsunion.

Europa muss unsere Grenzen schützen und eine verantwortungsvolle Migrationspolitik betreiben. Einen unkontrollierten Grenzübergang wie am Samstag, dem 19. September 2015 (Bundesrat Stögmüller: Was hat das mit Sport zu tun?) – und Landesverteidi­gung, Herr Kollege! –, an der Grenze Bad Radkersburg darf es nicht mehr geben. Die Steuerung der Migrationsströme bei gleichzeitiger Gewährleistung des erforderlichen Schutzes der Schutzsuchenden bleibt eine große Herausforderung. (Bundesrat Stög­müller: Wenn wir das täten, würdet ihr schreien!) Schleuseraktivitäten und Menschen­handel, insbesondere mit unbegleiteten Minderjährigen, müssen stärker bekämpft werden.

In einem Raum, in dem der freie Personenverkehr gilt, sind wir mehr denn je gemein­sam für unsere Außengrenzen verantwortlich. Das österreichische Bundesheer leistet


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wertvolle Beiträge für eine europäische Sicherheitssolidarität. – Nochmals danke, Herr Mi­nister, für Ihre Investitionen!

Europa muss seine Interessen auch über seine Grenzen hinweg schützen und ver­stärkt verteidigen. Europa ist auf nichtmilitärischem Gebiet eine Weltmacht. Der letzte G7-Gipfel in Italien hat das ganz deutlich gezeigt; wir brauchen nur an manch bizarres und sehr merkwürdiges Auftreten des amerikanischen Präsidenten zu denken. Furcht­bar, kann ich dazu nur sagen! Europa muss sich seiner Stärken bewusst sein und die­se auch bündeln.

Alles in allem können wir sagen: Die Herausforderungen sind enorm. Europa ist derzeit zugegebenermaßen an einem kritischen Punkt angelangt, aber – und ich wiederhole – bei allen Problemen und der großen Unzufriedenheit müssen wir auch klar erkennen: Es gibt auf dieser Welt keinen einzigen Fleck, wo Menschen demokratischer, freier, si­cherer und besser versorgt leben können als hier in Europa. Darauf können wir stolz sein, darauf können wir auch sehr gut aufbauen. In diesem Sinne: Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.55

10.55.42

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.56.072. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Arbeitsmarktintegration von arbeitsfähigen Asylberech­tigten und subsidiär Schutzberechtigten sowie AsylwerberInnen, bei denen die Zu­erkennung des internationalen Schutzes wahrscheinlich ist, im Rahmen eines In­tegrationsjahres (Integrationsjahrgesetz – IJG) erlassen wird und das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (Arbeitsmarktintegrationsgesetz) (1585 d.B. und 1597 d.B. sowie 9798/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz erlassen so­wie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Frem­denpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenver­kehrsordnung 1960 geändert werden (1586 d.B. und 1631 d.B. sowie 9800/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin zu Punkt 2 ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska, Berichterstatter zu Punkt 3 ist Herr Bundesrat Forstner. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


10.56.34

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Herr Präsident! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Na­tionalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Arbeitsmarktintegration von arbeitsfähigen Asylberechtigten und subsidiär Schutz­berechtigten sowie AsylwerberInnen, bei denen die Zuerkennung des internationalen


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 43

Schutzes wahrscheinlich ist, im Rahmen eines Integrationsjahres (Integrationsjahrge­setz – IJG) erlassen wird und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (Arbeitsmarktintegrationsgesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich ersuche um den nächsten Bericht. Bitte, Herr Bun­desrat Forstner.

 


10.57.10

Berichterstatter Armin Forstner, MPA: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsver­hüllungsgesetz erlassen sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asyl­gesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für die Berichte.

Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich Herrn Bundesminister Stöger recht herzlich unter uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


10.58.05

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Ich stelle fest: Im Gegensatz zum Nationalrat geben heute nur Sie uns die Ehre. Dieses Gesetz wird heute nicht im Doppelpack behandelt. Es ist ja gut, dass wenigstens Sie da sind. (Bundesminister Stöger: Wenigstens?) – Das war nicht abwertend gemeint, nein. (Bundesrat Schennach: Es hat aber sehr danach geklun­gen!) Ja, das kann man so hören. Wenn man das möchte, dann kann man das natür­lich so hören, denn man hört ja immer das, was man hören möchte. (Bundesrat Schen­nach: Sie haben dann Ihre Wertschätzung wenigstens im Nachhinein noch ausgespro­chen! Immerhin!)

Wir haben heute hier ein Gesetz vorliegen über ein verpflichtendes Integrationsjahr für Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und Asylwerber, die gute Aussichten ha­ben, dass ihr Asylverfahren positiv abgeschlossen wird. Das lassen wir uns 140 Millio­nen € pro Jahr kosten.

Als 2015 diese Flüchtlingswelle über uns hereingebrochen ist, ist uns gesagt worden, das alles seien sehr hoch gebildete Leute, die meisten hätten zumindest einen mittle­ren Bildungsabschluss. Der damalige Integrationsminister Kurz hat sogar behauptet: Der durchschnittliche Zuwanderer ist besser gebildet als der durchschnittliche Österreicher. Von dieser Meinung hat er sich mittlerweile verabschiedet; da hat er wirklich die Linie komplett gewechselt.

Wir haben aber festgestellt – und vor allem das AMS hat das auch festgestellt –, dass dem natürlich nicht so ist. Es sind wohl einige sehr gut ausgebildete Leute dabei, wir


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haben es aber schon mit einem sehr hohen Anteil an Menschen zu tun, die nicht alpha­betisiert sind und auch keinen Bildungsabschluss haben, der mit dem im neunjährigen Bildungssystem in Österreich vergleichbar wäre. Und wir haben viele Wirtschaftsflücht­linge, die zu uns gekommen sind, die es aber zum Teil durch falsche Angaben ge­schafft haben, in diesen Status zu kommen, von dem wir heute reden.

Man hat ja bei Überprüfungen vor allem bei den Jugendlichen festgestellt, dass unge­fähr die Hälfte derer, die sich als Jugendliche ausgeben, eben keine Jugendlichen sind, sie es dann aber trotzdem geschafft haben, in diese Schiene zu kommen. Tatsache ist, dass es sich herumgesprochen hat, weltweit offensichtlich, aber vor allem im Mittleren und Nahen Osten, dass bei uns die Sozialleistungen sehr leicht zu erreichen und auch sehr gut sind. Daher – und da kann man ja den Leuten keinen Vorwurf machen – ver­suchen sie, hierher zu kommen und dafür Gründe anzugeben. Sie behaupten etwa, sie kämen aus Syrien, aus dem Kriegsgebiet, auch wenn das nicht stimmt. Wir haben es ja alle gelesen und gehört, wie viele syrische Pässe ausgestellt worden sind. Da ist schon auch sehr viel Schwindel dabei.

Dass alle, nur weil sie diesen Status bekommen haben, hier auch integriert sein wer­den, ist eine Wunschfantasie. Das zeigen uns schon all jene, die schon hier und zum Teil österreichische Staatsbürger sind, die hier geboren und aufgewachsen sind, wie es wirklich mit der Integration ausschaut. Wir haben das bei den Türken-Demonstra­tionen pro Erdoğan gehört, bei denen nicht so wenige junge Türken gesagt haben: Ich bin stolz, Türke zu sein! – Und das mit einem österreichischen Pass!? Ich verstehe bis heute nicht, dass das überhaupt möglich ist.

Wir sehen es in Studien, in denen abgefragt worden ist: Was ist für dich wichtiger, ein Gesetz oder die Scharia? Da hat auch ein sehr großer Teil gesagt: Die Scharia steht für mich selbstverständlich über dem Gesetz! – Da kann man auch nicht von Integra­tion sprechen.

Und wir haben europaweit gesehen, nicht nur in der jüngsten Zeit, sondern auch in den Jahren davor, dass alle Terroranschläge ausschließlich von Islamisten ausgeführt wor­den sind, und da waren viele dabei, die in ihrem Aufenthaltsland als bestens integriert gegolten haben, es aber in Wirklichkeit nicht waren.

Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir nicht Leute fördern, die zwar alles in Anspruch nehmen, aber mit unseren Werten letztendlich gar nichts am Hut haben, sie zum Teil so­gar verachten, aber nach außen hin so tun, als ob das für sie alles akzeptabel wäre. Wenn man in Wien herumgeht oder auch die Zeitungen liest, es sich aber auch selbst an­schaut, wie junge Tschetschenen im zwanzigsten Bezirk, in der Millennium City die Mäd­chen dort bedrängen, dass sie nicht im Kaffeehaus sitzen und einen Kaffee trinken dür­fen, weil sich das für ein muslimisches Mädchen nicht gehört – und das ist ja nur ein Bei­spiel von vielen –, dann darf schon daran gezweifelt werden, ob dieses Arbeitsmarktin­tegrationspaket wirklich dazu dienen wird, diese Leute zu integrieren. (Bundesminister Kurz nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Jetzt ist auch der Herr Außenminister da, mit leichter Verspätung. Willkommen bei uns! – Da ist dann eben die Frage: Wird es auch tatsächlich gelingen?

Ihr Argument ist natürlich: Die sollen nicht auf der Straße herumlungern, die sollen et­was zu tun haben, die sollen die Deutschkurse machen – die müssten sie meiner Mei­nung nach ohnedies auch im dazu nicht verpflichtenden Integrationsjahr machen –, und daher geben wir ihnen Arbeit. Welche Arbeit wird denn das sein? – Die wenigsten sind so hoch qualifiziert, dass sie als Ärzte oder Techniker arbeiten können. Wir haben es ja mit einer großen Gruppe von Menschen zu tun, die zum Teil eben erst alphabetisiert werden müssen oder in irgendeinem Beruf einmal angelernt werden müssen.

Die Studie des Think Tank EcoAustria sagt, die Arbeitslosigkeit insgesamt, aber vor al­lem die der Österreicher, wird bis 2020 um 0,3 Prozentpunkte steigen. Davon werden


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wieder am meisten die Ausländer betroffen sein, weil sie ja meistens gering qualifiziert sind. Es wird einen Verdrängungseffekt von 0,2 Prozent geben, weil wir natürlich auch eigene Leute haben, die gering qualifiziert sind, und die werden dann natürlich vom Ar­beitsmarkt wieder verdrängt. Und es wird sich auch durch die Migration die Lohnent­wicklung verschlechtern, und zwar um 1,5 Prozent. Das klingt jetzt als Zahl einigerma­ßen harmlos, ist aber tatsächlich sehr viel. 1,5 Prozent Verschiebung der Lohnentwick­lung ist in einem Bereich, der ja sowieso nicht hoch bezahlt ist, schon sehr massiv.

Das alles wird offensichtlich billigend in Kauf genommen. Und unsere österreichischen Ju­gendlichen oder auch schon ein bisschen ältere junge Erwachsene werden dadurch un­ter die Räder kommen, weil wir es da zu einem großen Teil mit Wirtschaftsflüchtlingen zu tun haben. Und das haben wir uns so nicht vorgestellt!

Gegen die, die tatsächliche Asylgründe haben, ist nichts zu sagen, und das betone ich jetzt noch einmal. Die sind von diesen Diskussionen immer ausgeklammert gewesen! Es geht immer um die, die versuchen, sich hier bei uns in einer gewissen Form Asyl zu erschleichen oder zu bekommen, um hier bleiben zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage halt, wir haben nicht geschaut, dass wir von einer überfallsartigen Zuwande­rung verschont bleiben, damit wir jetzt sagen: Na gut, die sollen ruhig alle kommen, ma­chen wir die Grenzen auf! Es herrscht ja bei einigen von Ihnen das Wolkenkuckucks­heim, die da sagen, die werden sowieso alle integriert, die sollen alle kommen, die sind eine große Bereicherung für die Gesellschaft.

Ich glaube, das haben wir uns nicht so vorgestellt, das hat sich die Bevölkerung nicht so vorgestellt, und vor allem die Betroffenen werden noch sehr darunter zu leiden ha­ben. (Beifall bei der FPÖ.)

11.06


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Koller. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.06.45

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lie­ber Herr Minister Stöger und Minister Kurz! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt zwei beziehungsweise drei Gesetzesbe­schlüsse zu behandeln: das Integrationsjahrgesetz, das Arbeitsmarktintegrationsgesetz und das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz.

Ich möchte zuerst auf das Integrationsjahrgesetz eingehen. Die Debatte, wie gut Inte­gration in Österreich gelingt oder funktioniert, ist vor allem seit Sommer 2015 ein Dau­erbrenner in unserer innenpolitischen Diskussion. Kaum ein Thema wurde bis heute an Stammtischen, in den Medien, in der eigenen Familie, aber natürlich auch hier im Par­lament so emotional vorgebracht, so kontrovers diskutiert. Leider machen sich aber viele zu wenig Gedanken über die Betroffenen, über ihre schrecklichen Erfahrungen im eige­nen Heimatland durch Krieg, Hungersnot oder gar Tod, über ihre Beweggründe für ei­ne Flucht, über die Flucht selbst und die spätere Erstaufnahme, hin- und hergeschoben auf beinahe allen Ebenen der österreichischen Verwaltung. Zwischen der Erstaufnah­me, der Zeit des Asylverfahrens und der endgültigen Entscheidung vergeht viel Zeit, in der man bis jetzt beinahe nur auf freiwillige Helfer angewiesen war.

Ich persönlich bin ganz ehrlich gesagt sehr erfreut über dieses Integrationsjahrgesetz, und ich bedanke mich daher sehr herzlich bei Herrn Minister Stöger, dass das ver­wirklicht werden kann. Es hat sicher zähe Verhandlungen gegeben, wie auch Frau Staatssekretärin Muna Duzdar erzählt hat, und ich bedanke mich auch bei der ÖVP, dass dieser Gesetzesbeschluss gefasst werden konnte.

Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen. Meine Familie hat selbst eine Familie aus Af­ghanistan aufgenommen, eine junge Familie, 30-Jährige mit vier Kindern. Und ich kann


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 46

Ihnen wirklich sagen: Die wollen in die Schule gehen, die wollen lernen, die wollen Deutsch lernen, die wollen arbeiten und die wollen auch Geld verdienen, um hier in unserem Staat ihren Obolus zu leisten und nicht Bittsteller zu sein. Ich darf positiv berichten, dass die 13-jährige Tochter Narges es geschafft hat, in der Neuen Mittelschule ganz normal be­urteilt zu werden; sie zählt zu den besten SchülerInnen. Es gibt also auch Positives da­zu in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Deshalb gilt es auch Danke zu sagen, Danke all jenen, die wirklich Hilfe leisten, die Staatsaufgaben übernommen haben und die bis heute diese Arbeit unterstützt haben. Es ist gelungen, diese Problemsituation, eine Völkerwanderung, ausgelöst durch krie­gerische Auseinandersetzungen oder fehlende Lebensperspektiven in den Herkunftslän­dern aufgrund der wirtschaftlichen und klimatischen Bedingungen, die unser geordne­tes Leben zugegebenermaßen etwas durcheinandergebracht hat, in geordnete Bahnen zu lenken.

Natürlich sollte man versuchen, in den Herkunftsländern Hilfestellungen zu geben, da­mit es gar nicht zu einer solchen Völkerwanderung kommt. Dies gelingt aber leider nicht immer, das brauche ich wohl nicht extra auszuführen. Für diejenigen aber, die ange­kommen sind, die anspruchsberechtigt sind, braucht es Maßnahmen, damit sie eine Chan­ce haben, Eingang in den regulären Arbeitsmarkt und in unsere Gesellschaft zu finden. Ich glaube, dafür sind dieses Integrationsjahrgesetz und das Arbeitsmarktintegrations­gesetz sehr, sehr gut geeignet.

Worum geht es in diesem Gesetz? – Flüchtlinge, die arbeitsfähig sind und nicht auf ei­nen Arbeitsplatz vermittelt werden können, haben jetzt eine Chance. Sie müssen ab Sep­tember dieses Jahres ein standardisiertes Integrationsprogramm absolvieren. Im Mittel­punkt dieses Gesetzes stehen der Spracherwerb, die Berufsorientierung und die beruf­liche Qualifikation. Wer nicht mitwirkt, dem winken auch Sanktionen.

Wer ist davon betroffen? – Wir können es aus der Einleitung der Gesetzesvorlage ent­nehmen: anerkannte Flüchtlinge, aber auch subsidiär Schutzberechtigte. Ab 2018 soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, dass Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlich­keit aufgenommen werden. Während dieser Aktion, während dieses Jahres bleiben die Berechtigten in der Grundversorgung.

Nun zu den Details: Flüchtlinge, die seit Jänner 2015 Asyl beziehungsweise subsidi­ären Schutz in Österreich erhalten haben, müssen ein modulares Programm absolvie­ren, welches vom AMS zusammengestellt wird. Voraussetzungen dafür sind Grund­kenntnisse in Deutsch auf A1-Niveau und Arbeitsfähigkeit. Das vorrangige Ziel bleibt und ist es also, den Betroffenen für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Das Integrations­jahr soll in der Regel zwölf Monate dauern, kann bei Bedarf auch verlängert werden. Jedenfalls endet das Jahr mit der Annahme einer Beschäftigung.

Zu den Inhalten insgesamt zählen neben den Deutschkursen ab A2-Niveau Kompetenz­clearing, die Unterstützung bei der Anerkennung der Qualifikationen – das ist schwie­rig, schon zwischen den einzelnen Bundesländern in Österreich gibt es Unterschiede; und dann erst zwischen den Staaten –, Werte- und Orientierungskurse, Berufsorientie­rungs- und Bewerbungstrainings und Arbeitsvorbereitungsmaßnahmen sowie Arbeits­trainings bei Zivildienstträgern.

Dieses modulare Maßnahmenpaket verlangt keine verpflichtende Reihenfolge, sondern nimmt wahr, was die Person auch an Fähigkeiten mitbringt. Manche Module können auch übersprungen werden. Die Teilnehmer an diesem Programm sind auch unfallver­sichert.

Die Werte- und Orientierungskurse werden in Kooperation mit dem Österreichischen In­tegrationsfonds durchgeführt. Dabei sollen auch umfassende Informationen über das Funktionieren des österreichischen Staates vermittelt werden. Die Arbeitstrainings müs-


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sen im Interesse des Gemeinwohls erfolgen und werden auf anerkannte Zivildienstor­ganisationen beschränkt. Der Fokus richtet sich auf die Vermittlung von Fertigkeiten, um dann in den regulären Arbeitsmarkt eintreten zu können.

Zu den Sanktionen: Kürzung der Mindestsicherung ist Landesangelegenheit, das müs­sen die Länder selbst übernehmen. Es können aber auch zuerkannte AMS-Beihilfen, wie zum Beispiel zur Deckung des Lebensunterhaltes, gestrichen werden. Dabei handelt es sich nicht – und die Grünen werden das wahrscheinlich noch einmal betonen – um Null-Euro-Jobs oder Ein-Euro-Jobs, wie es Sie, Herr Minister Kurz, zum Ausdruck gebracht haben. Das beweist schon die Tatsache, dass Arbeitstrainings keine Beschäftigung im herkömmlichen Sinn sind. Sie stellen keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung dar, son­dern haben lediglich den Charakter einer Weiterbildung, die auf die bestehenden Quali­fikationen aufbaut und zur Vorbereitung einer Integration in den regulären Arbeitsmarkt dient. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

Die Finanzierung wurde auch schon angesprochen, sie erfolgt aus den Mitteln des AMS, es wird aber aus passiven Mitteln um 100 Millionen € aufgestockt. Insgesamt rechnet man mit 141 Millionen € Kosten für rund 15 000 Personen, die daran teilnehmen.

Im Gegenzug hat der Minister aber auch angeführt, dass Einsparungen bei der Be­darfsorientierten Mindestsicherung, langfristig zusätzliche Einnahmen durch die Beiträ­ge zu den Sozialversicherungen und auch durch die Steuern, die entrichtet werden, zu erwarten sind.

Dieses Integrationsjahr soll also die Jobchancen für die Flüchtlinge erhöhen, deshalb wird unsere Fraktion diesem Integrationsjahrgesetz auch zustimmen.

Zu Tagesordnungspunkt 3, Integrationsgesetz, das ja vieles von dem beinhaltet, was hier in Ausführung gelangt: Das Gesetz legt ein Sprachfördermodell fest. Die Kursan­bieter werden, wie bereits ausgeführt, durch den Österreichischen Integrationsfonds zer­tifiziert. Weiters sieht das Gesetz, wie bereits erwähnt, verpflichtende Werte- und Orien­tierungskurse ab dem vollendeten 15. Lebensjahr vor, wo die Prinzipien der österreichi­schen Verfassung, Menschenwürde, Gleichberechtigung von Frau und Mann, Rechts­staatlichkeit und Demokratie vermittelt werden.

Es gibt eine Integrationsvereinbarung über die vorgesehenen Kurse, die mit einer er­folgreichen Integrationsprüfung enden, und es wurden Mitwirkungspflichten und Sank­tionspflichten festgelegt. Ein Expertenrat für Integration wird gesetzlich verankert und soll jährlich einen öffentlichen Bericht erstellen. Auch soll es Integrationsmonitorings ge­ben.

Dieses Gesetz regelt aber auch das Verbot der Verhüllung des Gesichtes in der Öffent­lichkeit, an öffentlichen Orten und Plätzen und in öffentlichen Gebäuden, und bietet ei­ne Grundlage, um etwaige umstrittene Koranverteilungsaktionen, die zur Verbreitung von radikalem Gedankengut missbraucht werden, untersagen zu können. Auch diesem Ge­setzesbeschluss wird die SPÖ zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

11.17


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stög­müller. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.17.24

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­te Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe das Arbeitsmarktintegrationsge­setz als Fortschritt, da es damit erstmals ein geplantes und gezieltes Instrument gibt, um Clearings, Deutschkurse, Nostrifikationen und Qualifikationschecks und so weiter be-


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reits am Beginn des Aufenthalts in Österreich strukturiert zu bewältigen. Das ist meiner Meinung nach ein Fortschritt.

Das Integrationsjahr schafft nach Maßgabe vorhandener finanzieller Mittel die Möglich­keit, anerkannten Flüchtlingen, subsidiär Schutzberechtigten sowie AsylwerberInnen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit Zugang zu Maßnahmen, „die den Erwerb von Sprach­kenntnissen beschleunigen und die Chancen einer nachhaltigen Eingliederung in den Ar­beitsmarkt verbessern, die gesellschaftliche Teilhabe und die wirtschaftliche Selbster­haltungsfähigkeit zu ermöglichen“.

Nach Maßgabe der vorhandenen finanziellen Mittel, das ist schon wieder sehr schwam­mig, Herr Minister, und Sie wissen das! Sie wissen es bereits von meinen Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, ein Rechtsanspruch auf die Maßnahme wäre für uns die bes­sere Variante gewesen. Es wäre meiner Meinung nach auch gescheit, dieses Angebot auch auf normale BMS-BezieherInnen auszuweiten.

Was mich grundsätzlich an diesem Gesetz beziehungsweise auch im Vorfeld in der De­batte massiv gestört hat – da hat Kollege Koller schon recht, ich werde das anspre­chen –, ist der Versuch des Ministers beziehungsweise jetzt ÖVP-Frontmanns Sebas­tian Kurz, der der Bevölkerung – ich hätte fast vorgegaukelt gesagt – gesagt hat, mit die­sem Gesetz würden quasi Zwangsmaßnahmen gegen Flüchtlinge ergriffen werden.

Auch wenn das Gesetz nur negativ formuliert ist und man hier mit der Wortwahl „Aus­bildungspflicht“ auch Politik machen wollte, so geht das an der Realität vorbei. So wie es Herr Kurz in der Öffentlichkeit dargestellt hat, dass Flüchtlinge in Zukunft Null-Euro-Jobs machen müssen, ist es schlichtweg falsch. Das wurde auch durch eine Aus­schussfeststellung im Sozialausschuss des Nationalrates bereits erwirkt und dadurch er­fasst und festgehalten.

Ich zitiere: „Der Ausschuss für Arbeit und Soziales stellt fest, dass Arbeitstrainings im Sinne des § 5 Abs. 3 Z 7 Integrationsjahrgesetz keine Verpflichtung zu Arbeitsleistung darstellen, sondern den Charakter einer Weiterbildung haben, die auf den bereits be­stehenden Qualifikationen aufbaut und der Vorbereitung einer Integration in den Arbeits­markt oder einer weiterführenden Ausbildung dienen.“

Damit wurde auch ganz klar im Sozialausschuss des Nationalrates mit den Stimmen der ÖVP festgemacht, dass es beim Integrationsjahr um keine Null-Euro-Jobs geht, so wie es Ihr Chef Sebastian Kurz behauptet hat und immer wieder behauptet.

Mich wundert das aber nicht, so wurde jetzt auch die Umlegung des Hartz-IV-Systems von Deutschland in Österreich von der ÖVP angedacht beziehungsweise einmal über­prüft. Damit würde das soziale System in Österreich zerstört werden. Es würden noch mehr Armut und noch mehr Ausgrenzung entstehen. – Ja, das sind die Pläne der neu­en türkisen ÖVP unter Ihnen, Herr Sebastian Kurz, aber sicher nicht mit uns! Da spie­len wir nicht mit!

Ich würde Ihnen raten, sich endlich um Ihre Integrationsaufgaben zu kümmern, Herr Minister, die nach wie vor bei Ihnen liegen, Herr Kurz! Ich bin auch froh, dass Sie heute da sind. (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer und Rösch.)  Wir können auch über Parteipolitik reden, aber reden wir einmal über Integrationspolitik! Sie sollen endlich ein­mal in den Integrationsfragen als Motor in der zersplitterten Kompetenz der Bundesre­gierung agieren! Es fehlt nach wie vor das Lehrlingsticket für Asylwerberinnen und Asyl­werber, die eine Lehrstelle haben, und zwar seit über einem Jahr. Nach wie vor gibt es aufgrund der viel zu langsam verlaufenden Personalaufstockung der Asylbehörden zu viele viel zu lange Asylverfahren. Nach wie vor hoffen wir, dass das freiwillige zehnte Schuljahr für AsylwerberInnen ermöglicht wird. Auch die Barrieren im Nostrifizierungs­verfahren müssen endlich abgestellt werden – ich sage nur Kreditkartenzahlungen –, und


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es muss endlich eine Offensive zur Integration von TschetschenInnen erfolgen. Dazu sind überhaupt keine Sondermaßnahmen von Ihnen, Herr Sebastian Kurz, angedacht. Ich könnte noch sehr viel aufzählen, was in der Integration dringend angegangen werden muss. (Bundesrat Mayer: Es reicht jetzt!)

Es gibt zumindest ein Ministerium, das sich dessen annimmt und aktiv wird. Ich bin mir sicher, dieses Arbeitsmarktintegrationsgesetz wird seinen Teil dazu beitragen, aber es ge­hört noch einiges getan.

In Ihre Richtung, Herr Kurz, in die Richtung der ÖVP: Auch Ihre Ressorts sind gefragt, Sie sollten nicht nur PR-Blasen erzeugen und irgendwelche Behauptungen aufstellen. Ich glaube, das wäre dringend angebracht!

Zum Entschließungsantrag der FPÖ möchte ich noch ein bisschen etwas sagen: Schon der Entschließungstext des Antrags selbst ist fehlerhaft: Man soll dem Nationalrat – so heißt er, nicht „National“ – zuweisen und „zuzuleiten“ – nicht „zuzuleiten“, sondern zu­leiten. Abgesehen davon hat man sich offensichtlich wieder gar nicht informiert, bevor man einen Antrag schreibt. Ein pauschales Verbot des Tragens irgendwelcher Beklei­dungsstücke, auch von Kopftüchern, im öffentlichen Raum ist verfassungsrechtlich gar nicht zulässig, weil unverhältnismäßig. Nehmen wir das Beispiel Spital: Was würde es im Detail heißen, wenn es so ein Verbot gäbe? – Jede Frau, die einen Unfall hatte und mit Kopftuch ins Krankenhaus eingeliefert wird, würde nicht behandelt werden, weil sie ein Kopftuch hat, und man lässt sie dann verbluten. Das ist menschenunwürdig!

Zudem übersieht die FPÖ wieder einmal das Offensichtliche: Die Urteile des Europäi­schen Menschengerichtshofes zu Frankreich sind schon deshalb nicht auf Österreich übertragbar, da dort die Laizität in der Verfassung steht. Wenn Sie die österreichische Verfassung aufschlagen und danach suchen, werden Sie nichts dazu finden, weil es die in Österreich nicht gibt.

Unterdrückung und Gewalt werden mit nachhaltiger Stärkung von Frauen und Einrich­tungen wie Frauenhäusern bekämpft. Da könnten Sie sich ja einbringen! Ich weiß von der FPÖ nur, dass sie immer gegen Frauenhäuser und Stärkung der Frauen ist. (Bun­desrätin Ecker: Das ist eine Unterstellung! Das stimmt nicht!) Es geht jedoch nicht mit einem symbolischen Verbot. (Bundesrat Raml: Schlecht recherchiert!) Man braucht tat­sächliche Maßnahmen zur Stärkung von Migrantinnen und Migranten, und da ist von der FPÖ überhaupt nichts zu hören. Setzen wir endlich den notwendigen Ausbau von Frauenhäusern und auch wirklich sozialpolitische Maßnahmen und nicht irgendwelche Verbote um, das wäre dringend angebracht! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.24


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat May­er. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.24.20

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben soeben einen Auszug aus dem grünen Parteiprogramm gehört, völlig daneben, voll mit Populismus und mehr oder weniger: Thema verfehlt, Herr Kollege Stögmüller! Thema verfehlt! (Bundesrat Stögmül­ler: Es geht um Integration!) Fünf, setzen!, würde man in der Schule sagen, und du bist ja noch nicht so lange aus der Schule. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe von dir eigentlich wenig zum Thema gehört, das muss man in aller Deutlich­keit sagen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) – Ja, da kann man auch applaudieren, das passt hundertprozentig. Der Populismus hat dich hier im Bundesratssaal fast weg­geschwemmt, und es ist eigentlich bedauerlich, dass man sich in einer Debatte so aus­schweifend mit Dingen auseinandersetzt, die nicht stimmen. (Bundesrat Stögmüller: Es ist eine Integrationssache!)


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Null-Euro-Jobs – vollkommen daneben! Diese Formulierung scheint nirgendwo auf, und wir haben zwei Gesetze vorliegen, die sich um Integration bemühen. (Bundesrat Stög­müller: Na geh!)

Und, Herr Kollege, du hast gesagt, dass sich dieser Minister schon als Staatssekretär nicht um Integration bemüht hat. – Das ist vollkommen daneben. (Bundesrat Stögmül­ler: Das habe ich nicht gesagt!) – Es hat sich bei der Integration noch nie mehr getan als mit Bundesminister Sebastian Kurz. Das sei in aller Deutlichkeit gesagt, Herr Kolle­ge! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stögmüller: Blasen! Blasen!)

Man kann auch sachlich und inhaltlich sein: Ich komme jetzt zum Arbeitsmarktintegra­tionsgesetz zurück, Hubsi Koller hat das wirklich in aller Form und Deutlichkeit präzise auf den Punkt gebracht. Ich habe schon fast gedacht, der Herr Minister hat dir die Re­de geschrieben. (Bundesrat Koller: Die habe ich schon selber geschrieben!) Das ist wirklich alles zum Besten, da kann ich nur gratulieren, das kann ich nur unterstützen. Ich möchte es nicht wiederholen, ich finde, es ist ein ausgezeichnetes Gesetz, denn mit diesem Integrationsjahr gehen wir auch auf die Bedürfnisse des Einzelnen ein, Ar­beitsabläufe kennenzulernen, sich praktisch damit auseinanderzusetzen. Das finde ich sehr gut.

Es ist auch ein in die Zukunft gerichtetes Gesetz, denn Integration, Herr Minister, soll wirklich am ersten Tag beginnen. Es ist insgesamt ein langwieriger Prozess, das wis­sen wir, der alle gesellschaftlichen Ebenen betrifft, und es ist deshalb auch nicht nach­vollziehbar, warum Fraktionen in diesem Bundesrat praktisch gegen die Integration stim­men, hier wohl immer der Integration das Wort reden, aber nichts dazu beitragen. Das ist bescheiden, sehr geehrte Damen und Herren, sehr, sehr bescheiden!

Ich denke, dass es bei diesen beiden Gesetzen, also beim Arbeitsmarktintegrationsge­setz und beim Integrationsjahrgesetz, wirklich um zwei Bereiche geht, in denen wir wirk­lich versuchen, anerkannte Flüchtlinge, AsylwerberInnen, subsidiär Schutzberechtigte, also Menschen, die in unserem Land bleiben können, auch zu unterstützen. Ich sehe auch eine gute Ebene bei diesen beiden Gesetzesvorlagen, das kann man hier in aller Deutlichkeit unterstreichen.

Beim Integrationsgesetz ist es auch so, dass wir fordern, aber natürlich auch fördern. Damit geht auch einher, dass es mehr Deutschkurse gibt, dass es Werteschulungen gibt, so wie beim Arbeitsmarktintegrationsgesetz. Es soll auch ermöglicht werden, sich gemeinnützig einzubringen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn Österreich ist ja auch ein Land des Ehrenamtes, ein Land, in dem das Ehrenamt einen ganz hohen Stellen­wert hat. Damit haben diese Menschen auch einen sinnvollen Tagesablauf, und das ist ein ganz, ganz wichtiger und ein sehr essenzieller Punkt.

Kurz zum Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, das auch schon von Kollegen Koller ange­sprochen wurde: Ja, das ist auch etwas, das man unterstreichen kann. Wir haben ja zur Kenntnis nehmen müssen, wie das medial mehr oder weniger breitgetreten, auch falsch interpretiert wurde. Ich habe eigentlich null Verständnis dafür, dass man bei der­artigen Hitzeperioden, wie wir sie derzeit haben, verhüllt in schwarzen Gewändern mit Gesichtsverdeckung herumläuft. Das gehört nicht nur nicht zu unserer Kultur, sondern ich finde, dass die Frauen dadurch auch sehr stark beeinträchtigt sind. Das gehört mei­ner Meinung nach wirklich abgeschafft.

Die Grünen haben das ja als Frauengefängnisse bezeichnet – das ist eure Wortschöp­fung (Bundesrat Stögmüller: Das habe ich eh gesagt! Aber unterstützt ihr den FPÖ-Antrag? Dagegen war ich!) –, es ist mir deshalb schleierhaft, warum es dagegen ein der­artiges Theater gibt. – Buchstäblich schleierhaft, Herr Kollege Stögmüller! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)


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Ich komme zu diesem Entschließungsantrag, Herr Kollege Stögmüller: Die Koalition, die beiden Regierungsfraktionen, denkt ja auch; wir reden nicht nur, sondern wir denken auch. Ein wesentlicher Punkt, den ich unterstreichen muss, ist, dass wir damit auch be­schließen, dass Flüchtlingen oder Asylwerbern, wenn sie gegen Integrationspflichten ver­stoßen – das ist wichtig –, Kürzungen bei der Mindestsicherung, bei der Notstandshilfe oder beim Arbeitslosengeld drohen. Das hat Hubsi Koller auch schon entsprechend aus­geführt.

Vorarlberg ist da Vorreiter, denn wir haben eigentlich seit längerer Zeit eine Integrations­vereinbarung. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Diese Integrationsvereinba­rung ist zu unterzeichnen und zu unterschreiben, dann gibt es auch entsprechende För­derungsmaßnahmen.

Jetzt auch noch zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen: Ihr habt euch bemüht, Kar­dinal Schönborn mit ins Spiel zu bringen. Kardinal Schönborn hat schon seine Meinung zum Islam, er hat auch seine Meinung zum Kopftuch. Zum Kopftuch hat er zum Bei­spiel gesagt, dass es für ihn nicht per se ein Thema ist, dass alle Menschen ihre Kopf­tücher ausziehen müssen, sondern er hat sich gegen den politischen Islam ausgespro­chen. (Bundesrätin Mühlwerth: Es geht ja nur um den, um den politischen Islam!) Er hat auch davor gewarnt, dass Europa das christliche Erbe verspielen wird; jawohl, das hat er gesagt.

Das jetzt da mithineinzunehmen, das sind zwei verschiedene Ebenen, Frau Kollegin Mühl­werth! Es ist ja nett, wenn man etwas zitiert, aber das Thema, das ihr angesprochen habt – Kopftuch, Kinder, Kindergarten und so weiter –, hat der Herr Kardinal in keiner Weise angesprochen. Deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag auch nicht ent­gegentreten. (Bundesrat Stögmüller: Na, stimmt ihr jetzt zu oder nicht?) Wir sind ganz klar gegen die Verpolitisierung des Islam, wir sind ganz klar gegen Radikalisierung in aller Form, wir sind auch gegen Terrorismus in aller Form. Das muss man vollkommen unterstützen, aber diesem Populismus werden wir nicht nähertreten, Frau Kollegin Mühl­werth. (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh!)

Wir haben einen sehr, sehr positiven Zugang zu diesen beiden Gesetzen, das darf ich noch einmal unterstreichen. Ich darf mich ausdrücklich beim Herrn Sozialminister und beim Außenminister für die Vorlage dieser beiden Gesetze bedanken. Wir denken, das ist in die Zukunft gerichtet. Wir bedanken uns, und meine Fraktion wird sehr gerne zu­stimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.31


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


11.32.02

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Lieber Kollege Kurz! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir ein Bedürfnis, darauf hinzuweisen, was ich in den letzten Wochen und Monaten getan habe. Ich habe mich mit der österreichischen Geschichte auseinandergesetzt, und es gibt in Österreich viele Menschen, die nach dem Krieg 1945 geflüchtet sind, die heute hier leben. Wir reden von Heimatvertriebenen. Heimatvertriebene gibt es in jedem Krieg. Ich habe mich bewusst damit auseinandergesetzt, diese Heimatvertriebenen zu fragen, wie das damals war, was denn der Grund für die Entscheidung war, das Land zu verlas­sen, anderswo hinzugehen. Das sind höchstpersönliche Entscheidungen, wo manch­mal Kinder nicht mitentscheiden können, wo Situationen quer durch die Familie gehen.

Mich macht es sehr nachdenklich, wenn wir darüber reden, wie es den österreichi­schen Heimatvertriebenen gegangen ist. Daraus können wir lernen. (Bundesrätin Mühl­werth: Aber die sind nicht freiwillig gegangen! Die wurden vertrieben!) – Die sind ver-


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trieben worden, und in jedem Krieg werden Menschen vertrieben. Ich wünsche mir, Frau Bundesrätin Mühlwerth, dass man auch hier in dieser Diskussion dieselben Maßstäbe anlegt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das sind Wirtschaftsflüchtlinge!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Integration ist natürlich ein Dauerbrenner, und dieses Thema ist emotional. Es gibt manche, die das für eine Politik, die in Europa schein­bar als überwunden gegolten hat, ausnutzen, nämlich eine Politik, die vor der Aufklä­rung liegt, wo man nicht mehr diesen Grundsatz hat, dass alle Menschen, die auf der Welt leben, gleich sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Die sind auch nicht alle gleich!) Ich sage, dass es ganz wichtig ist, dass, wenn wir eine Demokratie haben wollen, alle Men­schen als gleich an Würde und Rechten beurteilt werden müssen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Politikern, die das nicht tun, die hier bewusst Politik machen, die da Stimmung ma­chen, dient das ausschließlich ihrem Eigennutz, das dient nicht dem friedlichen Zusam­menleben in einem Europa, das wir wollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Ich habe es im Nationalrat gesagt, und es ist mir auch wichtig, es hier zu sagen: Inte­gration hat bei uns nicht so gut funktioniert, wie es diese Gesellschaft verdient hätte. Da können wir auch noch von den Heimatvertriebenen lernen, die sagen uns das auch. Wir müssen von ihnen lernen. Mir ist es auch wichtig, diese Heimatvertriebenen ernst zu nehmen, und man nimmt sie dann ernst, wenn man den jetzt Heimatvertriebenen auch anders begegnet. Das ist mir wichtig. (Bundesrat Rösch: Die einen sind Fachleute und die anderen Bettler!)

Was tun wir und was haben wir bisher getan? – Wir haben bisher auch behördlich man­che Menschen auf der Flucht zwischen den bürokratischen Ebenen der Republik hin- und hergeschoben und ihnen keine Lösung angeboten. Wir haben die Integration auch dadurch erschwert, dass wir selbst viele Systembrüche gemacht haben. Daher ist der Beschluss dieses Arbeitsmarktintegrationsgesetzes heute erstmals etwas, wovon wir sagen: Ja, wir haben jetzt geordnete Abläufe, wir müssen mit den Menschen, die zu uns kommen, umgehen. Sie sind da, sie sind berechtigterweise da – das muss man auch sa­gen –, und für diese Gruppen muss man auch schneller und effektiver die Integrations­leistung erbringen.

Ich bedanke mich auch bei Bundesrat Mayer, er hat das für mich sehr schön gesagt: Es geht schon darum, dass man die Integration am ersten Tag beginnt, und mit dem Ar­beitsmarktintegrationsgesetz ist das möglich; wir verpflichten uns dazu.

Was ist das Integrationsjahr? – Es geht darum, die Kompetenzen zu analysieren, es geht darum, die Anerkennung der Qualifikationen zu schaffen, es geht darum, auf die­se Menschen zuzugehen und ihnen durch das Erlernen der Sprache den Zugang zu un­serer Gesellschaft zu ermöglichen. Ich glaube, das ist ein Grundpfeiler, das sollen wir auch akzeptieren.

Es geht darum, auch Arbeitsmarktmaßnahmen zu machen, Ausbildung zu unterstützen. Das ist gut. Und wir wollen auch die Möglichkeiten des Arbeitstrainings, des Erlernens, wie Österreich tickt, wie die Arbeitswelt in Österreich tickt, schaffen. Das müssen sie kennenlernen, und dafür haben wir einen vernünftigen, einen menschenrechtskonfor­men Rahmen geschaffen.

Mir ist bewusst, dass die Auswirkungen nicht von heute auf morgen toll sein werden, sondern das wird einen längerfristigen Prozess bedeuten. Was mir aber so wichtig ist, und da ist ja immer der Sozialminister gefordert: Wenn es ums wirklich Konkrete geht, braucht man die konkrete Umsetzung, und bei der konkreten Umsetzung geht es um Menschen. Es geht darum, dass wir keine Symbolpolitik machen, sondern dass wir Lö-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 53

sungen erarbeiten, die sich bezahlt machen. In diesem Sinne danke ich Ihnen für die Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.38


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Her­bert. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.38.40

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, wenn Sie uns hier mitteilen, dass alle Menschen gleich sind, dann teile ich diese Meinung. Diese Meinung teilt auch unsere Fraktion. Was allerdings unsere Fraktion mit Ihnen nicht teilt, ist die Anschauung, dass sich alle Menschen, die gleich sind, hier bei uns in Österreich zum überwiegenden Teil auf Kosten des Staates und auf Kosten der österreichischen Be­völkerung niederlassen müssen. Das ist ein Unterschied, da divergieren unsere Meinun­gen durchaus.

Die menschliche Würde betreffend, von der Sie gesprochen haben, stimme ich mit Ih­nen völlig überein. Den Ausfluss Ihrer Rede, nämlich den Rückschluss daraus, dass die­se menschliche Würde, die überall zu Recht von gleicher Bedeutung sein muss, gleich­bedeutend mit einem Fass ohne Boden auf Kosten der österreichischen Steuerzahler für Flüchtlinge ist, die in unser Land strömen, kann ich leider nicht teilen.

Sie sagen, dass die Integration in Österreich nicht so gut funktioniert hat. – Da teile ich Ihre Meinung. Da haben Sie sehr recht und da haben Sie auch die Zustimmung der Freiheitlichen Partei, denn das ist ja auch der Grund dafür, dass wir uns hier heute mit diesem Integrationsgesetz auseinandersetzen müssen. Es bedarf einmal mehr einer Maß­nahme, da einen Regelbedarf zu schaffen. In der Vergangenheit war das offensichtlich nicht möglich – ein Fehler dieser Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage und in der Um­setzung. Die daraus resultierenden Probleme bedürfen eben einer neuerlichen Korrek­tur. Ob das die richtige Korrektur ist, die hier als Gesetz in Rede steht, das ist eine an­dere Sache. Darauf komme ich später noch im Detail zurück.

Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung zu Ihren Ausführungen! Ich unter­scheide bei Heimatvertriebenen persönlich sehr wohl zwischen Vertriebenen, die aus Ös­terreich abstammen und aus Österreich vertrieben wurden (Bundesminister Stöger: Na!), und Vertriebenen aus irgendeinem anderen Kontinent, die ihre wirtschaftspolitische Zu­kunft und ihr wirtschaftspolitisches Heil in Österreich suchen.

Dass die Flüchtlingskonvention zu gelten hat, da bin ich mit Ihnen durchaus auch einer Meinung. Nur der Rückschluss, dass Österreich aufgrund der geschichtlichen Wirren der Vergangenheit Heimatvertriebene hervorgebracht hat (Bundesrat Mayer: ... sind zu uns gekommen!) und dass die Rechte und die Unterstützung dieser Heimatvertriebenen gleich sein müssen wie jene irgendwelcher Flüchtlinge aus aller Herren Länder, das ist eine Gleichstellung, Herr Bundesminister, der ich nicht zustimmen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum Integrationsgesetz – dazu ist schon vieles gesagt worden. Herr Kollege Stögmüller hat seine wirren populistischen Äußerungen gegen die Freiheitliche Partei ein­mal mehr hier vorgebracht und dieses Gesetz einmal mehr mit völlig falschen Zusam­menhängen verknüpft (Heiterkeit des Bundesrates Stögmüller), aber gut, das sind wir von den Grünen schon gewohnt. Da geht es weniger um die Sache, da geht es um den linken Populismus, der uns hier entgegenbracht wird. Von den inhaltlichen Fehlern – die Sie vorgebracht haben zu sprechen, das erspare ich Ihnen jetzt.

Herr Kollege Mayer hat es schon gut ausgeführt, er hat das eigentlich schon auf den Punkt gebracht. (Bundesrat Stögmüller: ... Entschließungsantrag! Nationalrat!) Kolle­ge Stögmüller, seien Sie nicht nervös, hören Sie mir gut zu, dann können Sie noch et­was lernen!  Kollege Mayer hat das schon gut ausgeführt, also erspare ich es mir, da-


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rauf zu replizieren. Kollege Mayer hat auch gesagt, dieses Integrationsgesetz – und da darf ich gleich zur Sache kommen – ist bemüht. Das heißt im Umkehrschluss: Es ist nicht ganz genau das, was es eigentlich sein soll. Gerade deshalb, weil es nicht genau das ist, was es sein soll, weil es eben nur bemüht ist und keine Lösung darstellt, wer­den wir diesen Gesetzesbeschluss auch ablehnen und ihm keine Zustimmung erteilen. (Bundesrat Mayer: Na, na, das ist eine Fehlinterpretation! Zwischenruf der Bundes­rätin Zwazl.) – Gut, das kann ich mir vorstellen, dass das für euch bitter ist.

Warum? – Im Wesentlichen ist dieses Integrationsgesetz und dieses Anti-Gesichtsver­hüllungsgesetz eine Sache, die zwar im Ansatz richtig ist, im Wesentlichen aber einer­seits nichts Neues darstellt – das Integrationsgesetz ist eine Zusammenführung von Be­stimmungen aus vielen anderen Rechtsmaterien und wurde nunmehr in einem eigenen Gesetz zusammengefasst und ist im Wesentlichen der Integrationsvereinbarung des Nie­derlassungs- und Aufenthaltsgesetzes nachgebildet –, und andererseits beim Anti-Gesichts­verhüllungsgesetz eigentlich das Thema verfehlt.

Warum ist es eine totale Themenverfehlung? – In Österreich ist die Gesamtverhüllung von Frauen, die ständig in Österreich aufhältig sind, kaum ein Thema. Warum? – Es sind hauptsächlich Touristen (Bundesrätin Zwazl: ... Männer!) oder Touristinnen, die in die­ser Ganzkörperverhüllung einschließlich Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit auftreten.

Was aber zu regeln wert gewesen wäre, ist das Kopftuchverbot. Warum? – Dieses Kopf­tuchverbot wäre auch für das Zusammenwirken der Gesellschaft von wesentlicher Be­deutung gewesen. Warum trägt eine islamische Frau in der Regel ein Kopftuch? – Die wenigsten tun es aus religiöser Überzeugung, die meisten, behaupte ich jetzt einmal, als Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Zugehörigkeit zum islamischen Gedankengut und wohl auch oft als bewusste Darstellung einer gegenchristlichen religiös-gesellschaftli­chen Geisteshaltung.

Das schafft auch jene Probleme im Zusammenwirken mit der österreichischen Bevöl­kerung, die es eigentlich wert gewesen wären, in diesem Gesetz zu lösen. Da haben Sie leider versagt, Herr Bundesminister, aber auch die Damen und Herren Kollegen von den Regierungsparteien. Da hätten Sie wohl einen besseren Ansatz finden können. Sie hätten im Rahmen Ihres Mitwirkens bei den Parteienverhandlungen Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz nicht geben sollen, sondern Sie hätten berechtigterweise auf den Kern des Problems hinweisen können. (Bundesrat Schennach: Wir wollen doch den Bäuerinnen am Land das Kopftuch nicht wegnehmen!) – Nicht aufregen, Kollege Schen­nach, Sie dürfen nachher selbst reden! Sie dürfen nachher noch reden; jeder, der reden will, darf das, Sie dürfen auch. (Bundesrat Samt: Der weiß gar nicht, was Land ist!) Ich führe noch fertig aus und dann dürfen Sie zum Rednerpult kommen, Kollege Schen­nach! Bitte, danke! (Bundesrat Schennach: Ich weiß nicht, was Land ist?!) Danke, Kol­lege Schennach, besten Dank, Kollege Schennach! Vielen Dank. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.)

Das heißt, das Kopftuchverbot als Ausdruck der religiös-gegengesellschaftlichen Stand­ortbestimmung weiblicher Muslime im Bereich der Öffentlichkeit und im Umgang mit dem öffentlichen Leben, nämlich in öffentlichen Gebäuden und Institutionen, das wäre der richtige Ansatz gewesen.

Ich darf aus diesem Grund folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kopftuchverbot in Kindergärten, Schulen, Universitäten, im öffentlichen Dienst und öffentlichen Gebäuden

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem National eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, die ein Verbot des Tragens von Kopftüchern als Ausdruck muslimischen Glaubens für Mädchen im Kindergarten, Schülerinnen, Studentinnen, für öffentlich Bedienstete und in öffentlichen Gebäuden (wie Kindergärten, Schulen, Universitäten, Spitälern etc.) zum Inhalt hat.“

*****

Das wäre der richtige Ansatz. Das ist auch das, was sich die Bevölkerung wünscht: ein klares Bekenntnis zur christlichen Kultur in unserem Staat und weniger offensichtliche gegenkulturelle Einflussnahme durch eine vermeintliche Religionsfreiheit, die aber ei­gentlich nicht die Religion in den Mittelpunkt stellt, sondern eigentlich einen gesellschaft­lichen Umbruch herbeiführen will. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Übrigen darf ich Ihnen, Herr Bundesminister Kurz, noch eine persönliche Replik mei­nerseits mitgeben. Sie waren doch sehr lange für die Integration zuständig, nämlich von 2011 bis 2013 als Staatssekretär und nunmehr als Bundesminister. Ich muss Ih­nen sagen: Persönlich bin ich etwas enttäuscht. Ich hätte mir eigentlich nach Ihren An­kündigungen, so wie sie medial dargestellt wurden, erwartet, dass die Bewegung Kurz die Dinge jetzt wirklich in Bewegung bringt und nun das macht, was die Bevölkerung sich so sehr wünscht, nämlich ein klares Bekenntnis zu Österreich, zum Heimatland und zur christlichen Wertegesellschaft, die wir seit Generationen verfolgen, abgibt. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.)

Mit diesem Gesetz bringen Sie das nicht zustande, denn dieses Gesetz – da bin ich durch die vielen Gespräche mit der Bevölkerung gut informiert  ist meiner Meinung nach eine klassische Themenverfehlung, und zwar zum einen deshalb, weil es nur bestehen­de Gesetze zu einem neuen Gesetz subsumiert, und zum anderen deshalb, weil es in der Kopftuchfrage am richtigen, nämlich am entscheidenden Thema, das die Gesell­schaft und die Bevölkerung so bewegt, vorbeigeht.

In diesem Sinne darf ich Sie einladen, unseren Entschließungsantrag zu unterstützen. Ich hoffe, dass wir vielleicht auf diesem Weg noch korrigieren können, was die Bundes­regierung mit diesem Gesetzesbeschluss, ich sage es salopp, versemmelt hat. Dan­ke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.49


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Der von den Bundesräten Herbert, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Kopftuchverbot in Kindergär­ten, Schulen, Universitäten, im öffentlichen Dienst und öffentlichen Gebäuden ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu be­schränken.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mag. Schreyer nun das Wort. – Bitte.

 


11.49.43

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Herren Minister! Ich möchte eine tatsächliche Berichtigung beziehend auf die Aussagen des Kol­legen Mayer zum Thema Arbeitstraining vorbringen.

Zitieren möchte ich „Kurier“, „Tiroler Tageszeitung“, ORF, „Standard“ und weitere öster­reichische Medien vom 28. März 2017. In den betreffenden Artikeln wird das Arbeits-


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training erklärt: Es ist eine gemeinnützige Tätigkeit von maximal einem Jahr ohne Be­zahlung. Zitieren möchte ich daraus: „De facto sind es Null-Euro-Jobs, so Integrations­minister Kurz.“

Gegen diese Polemik hat sich mein Kollege Stögmüller ausgesprochen, und wir möch­ten feststellen, dass Integrationsmaßnahmen der Qualifikation und Weiterbildung die­nen, eben Integrationsmaßnahmen und keine De-facto-Null-Euro-Jobs sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.50


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Länderkammer freuen wir uns natürlich immer auch über Besucher aus den Ländern, und ich darf hier in unserer Runde den Abgeordneten zum Niederösterreichischen Landtag, Herrn Ing. Franz Rennhofer, begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun setzen wir die Debatte fort. Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lind­ner. – Bitte.

 


11.50.57

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Minister! Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe meinem Vorredner eigentlich mit großer Zufriedenheit zugehört, denn wenn man so händeringend Kraut und Rüben zusammen­sucht, um hier vorliegende Gesetzesbeschlüsse kritisieren zu können, dann, glaube ich, sind grundsätzlich gute Gesetze gelungen. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Wie gut oder schlecht die Integration von Menschen aus anderen Ländern bei uns funk­tioniert hat, ist ja nicht erst seit zwei Jahren, sondern eigentlich schon in den letzten 40 Jahren bei uns Thema. Das hat nicht nur mit den Ankommenden hier bei uns, son­dern auch mit unserer Einstellung als Aufnahmeland zu tun. Da denke ich an Wörter wie Gastarbeiter, mit denen wir uns eigentlich ersparen wollten, viele, die bei uns schon in den Siebziger- und Achtzigerjahren zu arbeiten begonnen haben, ordentlich in unsere Ge­meinschaft aufzunehmen.

Herr Minister Stöger hat es schon anklingen lassen: Kaum ein anderes Thema eignet sich so gut, Emotionen zu schüren und Stimmungen zu machen. Er hat auch gesagt, Stimmungsmache dient ausschließlich dem Eigennutz, aber Eigennutz ist ja seit Kur­zem noch populärer geworden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Man kann festhalten, der Herr Minister hat es auch getan, dass die Integration nicht immer so funktioniert hat, wie es sich die Menschen – nicht nur die hier Geborenen, son­dern auch die zu uns Hinzugekommenen – verdient haben. Deswegen möchte ich das noch einmal betonen und noch einmal hervorstreichen: Mit den heutigen Gesetzesbe­schlüssen starten wir in ein neues Zeitalter der Integrationsarbeit. Das Integrationsjahr ist verpflichtend, es ist flächendeckend, es gilt für Männer und Frauen, es gilt für Mäd­chen und Burschen.

Für mich ist das Entscheidende: Das Integrationsjahr geht auf die Bedürfnisse und Kom­petenzen von Asylberechtigten, von subsidiär Schutzberechtigten und auch von Asyl­werberInnen mit einer hohen Bleibewahrscheinlichkeit ein.

Möge die FPÖ auch heute wieder zynisch und herablassend über die Qualifikationen der zu uns Kommenden scherzen (Zwischenrufe der Bundesräte Herbert und Mühl­werth), gerade mit diesem Programm wird auf die verschiedenen Bildungsniveaus ein­gegangen. Das geht von Alphabetisierungen, häufig von Afghanen oder afghanischen Frauen, über mögliche Facharbeiterausbildungen bis hin zur Unterstützung von Nostri­fizierungen; es sind ja auch Akademikerinnen und Akademiker dabei. (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Das alles geschieht nicht in einer fixen Reihenfolge, sondern individuell, nach Beratung durch unsere erfahrenen Profis beim AMS. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 57

Die Probleme der Zukunft lösen wir nur, wenn wir jetzt in Integration investieren. In­tegration funktioniert über Austausch, über Sprache und Deutsch lernen, über Qualifi­zierung und vor allem über Arbeitsmöglichkeiten. Deswegen ist es so entscheidend, dass man mit diesem Arbeitsmarktintegrationsgesetz Asyl- und Schutzberechtigte mit Ar­beitstrainings, einer Art Praktikum – es ist schon genug darüber diskutiert worden –, auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, vorerst einmal arbeitsmarktneutral.

Da geht es um 15 000 Personen, denen wir eine Chance bieten können. Das Pro­gramm wird Schätzungen zufolge dazu führen, dass wir ungefähr die Hälfte in den Ar­beitsmarkt integrieren können; das wären ungefähr 7 500 Asylberechtigte. Wenn wir jetzt auch noch rasch mit der Aktion 20 000 und dem Beschäftigungsbonus zusätzliche Ar­beitsplätze bei uns schaffen können (Bundesrätin Mühlwerth: ... gibt’s ja noch nicht!), dann zeigen wir, glaube ich, dass wir miteinander für die Österreicherinnen und Öster­reicher gut arbeiten, aber auch für jene, die bei uns Schutz suchen und Schutz berech­tigterweise gefunden haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Zwei Dinge möchte ich zum Schluss noch erwähnen: Manche hier können natürlich wei­ter so tun, als würden in Österreich horrende Zustände herrschen, als würden wir im Chaos leben und von Gewalttaten und Kriminalität überschwemmt werden (Ruf bei der FPÖ: ... es ist alles super!) – das schafft keine zusätzlichen Arbeitsplätze, das schafft keine Bildungschancen für Kinder und das bringt keine höheren Löhne. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Sie könnten aber zur Kenntnis nehmen, dass der Global Peace Index für das Jahr 2016 festgestellt hat, dass Österreich das drittsicherste Land ist – nicht europaweit, sondern weltweit. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Sie könnten auch diese unzähligen Studien zur Kenntnis nehmen, die berechnet ha­ben, dass Migrantinnen und Migranten mehr in unser Sozialsystem einzahlen, als sie he­rausbekommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP. Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Samt: Genau!)

Ich bin schon dafür, dass wir bei manchen Vereinen, Moscheen und Strukturen ge­nauer hinschauen. Wir können dieses Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz heute auch be­schließen, wir werden auch mitstimmen, wenn wir aber ehrlich sind: Recht viel mehr als Symbolpolitik ist das wirklich nicht. Ich glaube, wirklich wichtig und wirklich ent­scheidend für die positive Integration sind diese 141 Millionen € jährliche, positive In­vestition in die Integration.

Machen wir doch ein Gedankenexperiment mit möglichen Schlagzeilen von „Kronen Zei­tung“, „Österreich“ und „Heute“ für die nächsten sechs Monate! Stellen wir uns einmal vor, auf diesen Titelseiten würde man nur von Gewalttaten österreichischer Männer le­sen, von den vielen Morden und Mordversuchen, die da passieren, von laufender Steu­erhinterziehung und Steuerflucht großer Konzerne und Unternehmen! Was wäre, wenn wir von Abgabenhinterziehung in der Sozialversicherung oder von den vielen arbeits­rechtlichen Verstößen lesen würden? – Würden wir uns das für die nächsten sechs Monate vorstellen, dann, glaube ich, hätten wir zu Weihnachten in diesem Land einen ganz anderen Diskurs.

Zum Abschluss möchte ich mich noch einmal bei Bundesminister Stöger und Staatsse­kretärin Muna Duzdar für dieses wegweisende Gesetz bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


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11.56


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Letzter zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich Herr Bundesminister Kurz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.56.59

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Her­ren hier im Bundesrat! Ich darf vielleicht mit einem Punkt beginnen, der mir ganz zen­tral zu sein scheint, wenn man über die Integration diskutiert: Ich möchte festhalten, dass der Erfolg der Integration sehr wohl immer damit zusammenhängt, wie hoch die Zahl der zu Integrierenden ist.

Der zweite Punkt, den ich gerne umsetzen würde: Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, die Bereiche Asyl, Migration und Integration nicht ständig miteinander zu vermischen. Wenn Sie sagen, Migranten zahlen mehr ins Sozialsystem ein, als sie herausnehmen, dann ist das eine sehr pauschale Aussage, die ich so nicht unterstützen würde. Wenn der Hochqualifizierte aus Deutschland, aus Osteuropa, aus Australien oder von an­derswo zu uns kommt, eine Rot-Weiß-Rot-Card in Anspruch nimmt, gut verdient und in Österreich im Bereich des Spitzensteuersatzes liegt, dann stimmt das sicherlich. Für die Masse der Menschen, die als Flüchtlinge in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, ist diese Behauptung sicherlich falsch. Ich glaube, insofern ist es notwendig, bei den Fakten zu bleiben und zu sagen: Es gibt einfach drei Bereiche, die auseinandergehal­ten werden müssen.

Zum Ersten: der Bereich der Migration. Es ist bitte das Recht eines jeden Staates, zu entscheiden, wer zuwandern darf und wer nicht. Es muss auch das Recht eines jeden Staates sein, zu sagen: Bei welchen Fällen ist es für uns sinnvoll, wo ist es für uns von Vorteil und bei welchen Fällen ist es eben kein Vorteil, hat es keinen positiven Nutzen für einen Staat?

Bei der Frage Asyl, bei der Frage der Aufnahme von Schutzbedürftigen, reden wir eher über die moralische Verantwortung, die wir haben. Da stellen sich schon die Fragen: Wie viele Menschen sollen und müssen wir aufnehmen? Wie helfen wir am besten? Gelingt das nicht sinnvoller mit Hilfe vor Ort als mit der unbeschränkten Aufnahme in Mitteleu­ropa? Und vor allem: Wer ist eigentlich ein Schutzbedürftiger oder, wie Minister Stöger es formuliert hat, ein Heimatvertriebener? – Da würde ich mir wünschen, dass wir ein biss­chen genauer hinsehen, als das vielleicht teilweise bei sehr emotionalen Debatten der Fall ist.

Die Masse der Menschen, die in den letzten Jahren als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, sind Menschen, die definitiv unter schlechten Lebensbedingungen gelebt haben. Da­rin, glaube ich, sind wir uns alle einig. Viele dieser Menschen kommen aus Kriegsge­bieten, darin sind wir uns hoffentlich auch einig. Viele dieser Menschen kommen aber nicht aus Kriegsgebieten und haben auch kein Recht auf Asyl im Sinne der Genfer Kon­vention. Selbst diejenigen, die aus Kriegsgebieten zu uns gekommen sind, sind im Re­gelfall durch mehrere sichere Länder gezogen, bevor sie in Österreich ihren Asylantrag gestellt haben. Das sind Fakten, die man einfach akzeptieren muss.

Wenn man diese Fakten einmal akzeptiert hat, dann stellt sich schon die Frage, ob es richtig und sinnvoll ist, dass in unserem Nachbarland Slowenien – durch das fast alle Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, durchgezogen sind – im Jahr 2015 nicht ein­mal 1 000 Menschen einen Asylantrag gestellt haben, und bei uns waren es aber rund 90 000.

Kann es auf Dauer funktionieren, dass Menschen, auch wenn sie vom anderen Ende der Welt aus einem Kriegsgebiet kommen, durch zahlreiche Länder durchziehen, um dann genau in Österreich, Deutschland oder Schweden ihren Asylantrag zu stellen? – Aus meiner Sicht kann das nicht funktionieren, und daher unterstütze ich dieses System auch nicht.

Wenn wir über Integration sprechen, dann müssen wir uns zuerst einmal im Klaren da­rüber sein, was unser Ziel im Bereich der Migration ist und was unser Ziel im Bereich


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des Asylwesens ist. Ich habe da sehr klare Vorstellungen, und das Chaos, das in den letzten Jahren geherrscht hat, die absichtliche Vermischung, das absichtliche Agieren mit Emotion und nicht mit Fakten, das bringt uns in der Integration definitiv nicht weiter. Da sollten wir endlich einmal einen Konsens über alle Parteigrenzen hinweg (Zwi­schenruf des Bundesrates Stögmüller) herstellen, dass es da um Fakten und nicht um Emotionen gehen sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Integration: Rund 20 Prozent der Menschen, die in Österreich leben, haben einen Migrationshintergrund. Allein die Integration dieser Menschen ist eine große Herausfor­derung. Die Integration der 150 000, die in den letzten Jahren zusätzlich als Flüchtlinge beziehungsweise illegale Migranten zu uns gekommen sind, ist eine noch viel größere Herausforderung. Warum? – Die Masse dieser Menschen kommt aus ganz anderen Kul­turkreisen, und ihr Ausbildungslevel ist nicht mit dem der Bevölkerung in Österreich ver­gleichbar. Viele dieser Menschen sind schlecht ausgebildet, viele dieser Menschen sind nicht einmal alphabetisiert.

Mit dem Integrationsgesetz und auch mit dem Integrationsjahrgesetz versuchen wir nun, diese schwierige Herausforderung bestmöglich zu meistern. Ich bleibe aber bei dem, was ich eingangs gesagt habe: Der Erfolg der Integration hängt von der Zahl der zu In­tegrierenden ab. Das bedeutet: Wenn wir den Zustrom nicht reduzieren, dann wird die Herausforderung bei der Integration immer größer und nicht kleiner werden, auch wenn wir uns noch so anstrengen.

Worum geht es in der Integration? – Spracherwerb, Einstieg in den Arbeitsmarkt, auch die Vermittlung unserer Grundwerte und das Pochen darauf, dass unsere Grundwerte eingehalten werden. Wir bauen mit diesem Gesetz das aus, was wir auch in der Ver­gangenheit schon getan haben, wir schaffen neue Deutschkursplätze, zusätzliche Plät­ze. Das halte ich für sinnvoll und richtig, denn die Sprache ist eine wichtige Basis.

Der zweite Punkt: Arbeitsmarkt. Wenn mein Expertenrat davon ausgeht, dass nach fünf Jahren erst ein Drittel dieser Menschen einen Job gefunden haben wird, dann ist es doch bitte sinnvoll, dass man die Menschen nicht nur mit der Mindestsicherung am Le­ben erhält und sie gleichzeitig im Park und in der Wohnung so lange herumsitzen lässt, bis sie auf dumme Gedanken kommen, sondern dass sie gemeinnützige Arbeit leisten.

Wenn Sie ein Problem mit der Definition der Ein-Euro-Jobs haben und sich besser füh­len (Bundesrat Stögmüller: Null-Euro-Jobs!), wenn man jetzt Arbeitsmarkttrainings da­zu sagt: Mir geht es nicht um die Bezeichnung. Was mir wichtig ist, ist, dass wir Men­schen nicht einfach nur mit der Mindestsicherung versorgen und sie jahrelang ohne Perspektive, ohne Aufgabe, ohne Selbstwertgefühl und ohne Respekt der Mehrheitsbe­völkerung bei uns im Land sind, sondern sie müssen beschäftigt werden. Mir ist egal, wie es heißt, aber ich halte es für gut, dass wir Menschen mit diesem Gesetz nun in eine gewisse Form der Beschäftigung bringen. Vielleicht ist es ja sogar hilfreich, um sie dann in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren, was natürlich das oberste Ziel sein muss.

Dritter Bereich: Wertevermittlung. Wir bauen nicht nur die Wertekurse aus, sondern wir sagen auch klar, was in Österreich keinen Platz hat. Symbole der Gegengesellschaft ha­ben bei uns definitiv keinen Platz. Das betrifft Koranverteilaktionen durch Salafisten ge­nauso wie die Vollverschleierung, also Burka oder Niqab. Ich halte es für gut, dass wir ein Gesetz haben, das das verbietet. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.04


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Ecker, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 60

12.04.47

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Meine Damen und Herren Bundes­räte und Bundesrätinnen hier im Plenum! Ich nütze jetzt das Rederecht, da ich vorhin mehr als wütend war. Kollege Stögmüller hat gesagt, er sei wütend und manche Vor­gangsweisen seien beschämend. Ich bin mehr als wütend, ich bin außer mir. Ich kann das nicht anders formulieren. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Zum Thema Integrationsgesetz einen Rundumschlag gegen die Freiheitlichen Frauen auf­zuführen, das finde ich mehr als enorm ... – Nein, ich spreche es nicht aus, weil man­ches ist unterstes Niveau.

Ich bin Landesobfrau der Freiheitlichen Frauen und besuche mit meinen Kolleginnen und Landtagsabgeordneten Frauenhäuser (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller) zu­letzt, und das erst vor Kurzem (Bundesrat Stögmüller: ... FPÖ-Zitat!) das autonome Frau­enzentrum in Linz –, um zu erfahren, was die Frauen dort brauchen, wie man die Orga­nisationen unterstützen kann.

Unsere Bundesobfrau, die Nationalrätin Schimanek, setzt sich für mehr Geld für Frau­enhäuser ein, setzt sich für Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen ein, und du stellst dich beim Thema Integrationsgesetz da ans Rednerpult und sagst, die Freiheitlichen sind ge­gen Frauenhäuser! (Bundesrat Stögmüller: Frauenhäuser zerstören Ehen – FPÖ Zi­tat! Das ist doch bitte ...!) – Es ist bezeichnend! Weißt du, in meinem ersten Jahr habe ich mir ja noch erklären lassen, Kollege Stögmüller sei noch jung und überlege öfter nicht, was er sagt. (Anhaltende Zwischenrufe des Bundesrates Stögmüller.) Mittler­weile habe ich die Befürchtung, das ist chronisch. Ich kann das nicht anders feststellen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von Grünen und FPÖ.)

Davon abgesehen möchte ich auch einmal darauf hinweisen, dass gerade eure Frak­tion ziemlich oft und sehr laut Toleranz von allen anderen und gegenüber allen ande­ren einfordert. Das, was du heute hier gebracht hast, sind mehr als Vorwürfe, das ist einfach Intoleranz. (Bundesrat Stögmüller: Vorwürfe? Welche denn?) Wir sind nicht ge­gen Frauenhäuser! (Bundesrat Stögmüller: Geh auf Facebook ...!)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Herr Bundesrat Stögmüller, am Wort ist Frau Bun­desrätin Ecker.

 


Bundesrätin Rosa Ecker (fortsetzend): Ich empfehle den Schülern auch nicht, in Wiki­pedia zu googeln, und Facebook ist keine Quelle, die wirklich richtig ist, ja, aber ich ver­wahre mich einfach noch einmal dagegen: Das kann es nicht sein! Man kann nicht To­leranz einfordern und dann selber hier vorn wie aus einem Mistkübel Vorurteile aus­schütten, das geht einfach nicht!

Davon abgesehen möchte ich noch etwas hinzufügen: Kollege Lindner, ich meine, es ist oft schon so, dass man die Realität verweigert, und Statistiken kann man halt auch anders lesen. An beide Herren: Ich lasse meine Brille halbjährlich kontrollieren, das för­dert oft den klaren Blick. (Bundesrat Stögmüller: Ja!) Das würde ich euch beiden auch empfehlen, um einen klaren Blick zu bekommen, dann kann man manche Statistik viel­leicht auch richtig lesen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.07


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Mag. Schreyer macht eine tatsächliche Be­richtigung. Sie haben maximal 5 Minuten Redezeit für die tatsächliche Berichtigung. – Bitte.

 


12.07.50

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Eine tatsächliche Berichtigung zu den Aussagen von Frau Kollegin Ecker, und zwar zitiere ich nicht Wikipedia, sondern den


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 61

„Kurier“ vom 10. Oktober 2016. Unter der Überschrift „Frauenhäuser zerstören Ehen“ ist Folgendes zu lesen:

Die FPÖ in Amstetten sorgt für Empörung, da sie eine Subvention für das Frauenhaus ablehnt.“ (Zwischenrufe bei der FPÖ.) „Frauenhäuser seien nämlich an der Zerstörung von Ehen beteiligt, meint die Partei.“ – „Kurier“ vom 10. Oktober 2016. Danke schön. (Beifall bei den Grünen. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

12.08

12.08.21

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit; wir kommen zur Abstimmung, die ich über je­den Antrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Arbeitsmarktintegrationsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichts­verhüllungsgesetz erlassen sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und wei­tere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Herbert, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung ei­ner Entschließung betreffend Kopftuchverbot in Kindergärten, Schulen, Universitäten, im öffentlichen Dienst und öffentlichen Gebäuden vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

Ich ersuche nun die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Rei­henfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Herbert geben die Bundesrätinnen und Bun­desräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 62

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 12.14 Uhr unterbrochen und um 12.15 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Entschließungsantrag der Bundesräte Her­bert, Kolleginnen und Kollegen bei 58 abgegebenen Stimmen 11 „Ja“-Stimmen und 47 „Nein“-Stimmen.

Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Ecker;

Herbert;

Krusche;

Längle;

Meißl, Mühlwerth;

Pisec;

Raml, Rösch;

Samt, Schererbauer.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Anderl, Arztmann;

Blatnik, Bock, Brunner;

Dziedzic;

Ebner;

Forstner, Fürlinger;

Gödl, Grimling, Gruber-Pruner;

Hackl, Hammerl, Heger;

Junker;

Kern, Köck, Köll, Koller, Kurz;

Ledl-Rossmann, Lindinger, Lindner Mario, Lindner Michael;

Mayer;

Novak;

Oberlehner;

Pfister, Poglitsch, Posch-Gruska, Preineder, Pum;


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 63

Reiter;

Saller, Schennach, Schödinger, Schreyer, Seeber, Stöckl-Wolkerstorfer, Stögmüller;

Tiefnig, Todt;

Weber, Winkler;

Zelina, Zwazl.

*****

12.15.244. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend die Rentenleistung für Opfer von Gewalt in Hei­men (Heimopferrentengesetz-HOG) erlassen und das Verbrechensopfergesetz ge­ändert wird (2155/A und 1645 d.B. sowie 9799/BR d.B.)

5. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend echte Entschädigungen für Missbrauchsopfer in Kinderheimen (222/A(E)-BR/2016 sowie 9811/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 4 und 5 der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin zu Punkt 4 ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Be­richt.

 


12.15.57

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich stelle daher gleich den Antrag.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich bitte Frau Bundesrätin Mühlwerth um den Bericht zu Punkt 5.

 


12.16.34

Berichterstatterin Monika Mühlwerth: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Beim eigenen Entschließungsantrag ist es ja nicht so leicht wie bei der Kollegin, die sagen kann, der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor und wurde angenommen.

Der Entschließungsantrag liegt Ihnen auch vor und liegt auch schon länger im Aus­schuss, weil er doch mehrmals vertagt worden ist. Er wurde eingebracht, bevor das Ge­setz kam. Es ist gut, dass dieses Gesetz gekommen ist, wiewohl wir in unserem Antrag noch ein bisschen weiter gegangen wären. Daher steht der Entschließungsantrag heu­te als Punkt 5 mit in Verhandlung, wobei ich hoffe, dass er eine Mehrheit finden wird, weil er über das Gesetz hinausgeht, denn diese Geschichte kann damit noch nicht zu Ende sein. (Beifall bei der FPÖ.) – Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumenten-


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schutz stellt nach seinen Beratungen den Antrag, dem Entschließungsantrag 222/A(E)-BR/2016 keine Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Mario Lindner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.17.42

Bundesrat Mario Lindner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Herbst des ver­gangenen Jahres durchlebten viele von uns einige ihrer wohl bewegendsten Stunden hier im Hohen Haus. Die „Geste der Verantwortung“ im historischen Sitzungssaal war ein be­rührendes, aufrüttelndes, aber vor allem wichtiges Zeichen unserer Republik. Es war ein Zeichen der Verantwortung gegenüber all jenen Menschen, denen in staatlichen und kirch­lichen Heimen furchtbare Verbrechen widerfahren sind. Das offizielle Österreich über­nahm dort Verantwortung gegenüber all jenen Menschen, die unter dem Schutz des Staa­tes unfassbares Leid erfahren haben, deren Kindheit geraubt und deren Chance auf ein selbstbestimmtes Leben beeinträchtigt wurde.

Ich möchte die Gelegenheit nützen, mich hier und heute noch einmal bei all jenen zu be­danken, die diesen Staatsakt mit viel Vorbereitung und großer Anteilnahme möglich ge­macht haben, allen voran Nationalratspräsidentin Doris Bures, ganz besonders aber auch bei all jenen Betroffenen und Opfern, die daran teilgenommen haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An diesem Tag vor knapp sechs Monaten ha­ben die höchsten Vertreterinnen und Vertreter des Staates und der Kirchen um Verzei­hung gebeten, und wir haben zugehört. Wir haben die furchtbaren Geschichten der Op­fer gehört und mit vielen von ihnen persönlich gesprochen. Ich glaube, ich spreche für alle von uns, wenn ich sage, dass die Verbrechen jener Zeit für uns alle noch mehr als zu­vor ihre Anonymität verloren haben. Wie alle anderen Rednerinnen und Redner bei die­sem Staatsakt habe ich daher eines betont: Ja, es war höchste Zeit, dass das offizielle Österreich endlich Verantwortung für seine Taten und Versäumnisse übernimmt, aber Nein, das alleine kann nicht ausreichen. Es kann und darf kein Abschluss der Aufarbei­tung dieser Verbrechen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Forderung, diesem Versprechen kommen wir heute ein Stück weiter nach. Wir entscheiden heute über ein Gesetz, das den Opfern von Gewalt in diesen Heimen eine Rente von 300 € zuerkennt. Das ist keine Wiedergutmachung, denn die Wunden an Kör­per und Seele, die durch das Wegschauen des Staates entstanden sind, lassen sich da­durch nicht wiedergutmachen. Aber es ist ein Zeichen unserer Verantwortung und da­für, dass wir diese Verantwortung nicht wie damals schlicht und einfach vergessen. Die­ses Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein weiterer wichtiger Schritt am Weg zur Aufarbeitung dieser historischen Verbrechen, ein notwendiger Schritt, um die Opfer zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Menschen haben dieses Gesetz in den vergangenen Monaten in Abstimmung mit den betroffenen Menschen vorangetrieben, ih­nen allen gilt unser Dank. Doch wie schon anlässlich des Staatsaktes im vergangenen Herbst möchte ich auch heute betonen: Dieses Gesetz ist kein Abschluss dieses The­mas. Wir schulden auch weiterhin allen Betroffenen und allen, die diese Rentenzahlung nicht mehr in Anspruch nehmen können, ein Versprechen: Die Republik Österreich kann, will und wird keinen Schlussstrich unter dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte set­zen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Mayer.)


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 65

12.22


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hammerl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.22.23

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Geschätzte Damen und Herren! Das Heimopferrentengesetz und das Verbre­chensopfergesetz sind die ersten Gesetze in der EU zum Schutz betroffener Menschen im Bereich Missbrauch und Gewalt.

Meine Damen und Herren! Als vor sechs Monaten Vertreter des offiziellen Österreich und Vertreter der Kirche mit über 300 betroffenen Männern und Frauen unter dem Titel „Geste der Versöhnung“ zusammenkamen, war das mehr als ein Akt der Erinnerung. Die Lebensgeschichten von ehemaligen Heimkindern, Geschichten von einem Leben an­gefüllt mit Gewalt und Missbrauch standen im Mittelpunkt. Diese Menschen, meist oh­nehin schon mit Nachteilen einer zerbrochenen Familie oder dem Verlust des Elternhau­ses ins Leben gestartet, fanden dort, wo sie Hilfe und Geborgenheit erwarteten, Gewalt und Missbrauch. Dabei ist es nicht nur die Zerstörung der Kindheit, die man feststellen muss, sondern auch die Hypothek für die Zukunft der Menschen, die mit diesen Gräuel­taten verbunden waren und sind. Vor allem ist es auch eine lange Zeit des Schweigens darüber, was diesen Menschen angetan wurde, die zusätzlich bedrückend wirkt.

Diese Menschen durften das, was ihr Leben zerstörte, nicht artikulieren, durften das Zer­störte in Bezug auf ihr Leben nicht benennen. Sie durften auch nicht mit dem Verständ­nis rechnen, das Opfern das Leben ein wenig erleichtert. Es war für viele eine Befrei­ung, als diese brutalen Vorkommnisse von Gewalt und Missbrauch in Heimen des Staa­tes, der Kirche und auch in Pflegefamilien ans Tageslicht kamen. Es waren in vielen Fäl­len der systematische Missbrauch und die systematische Gewalt, die so betroffen mach­ten. Die Frage, wie das geschehen konnte, stellt sich hier unweigerlich. Oft sind es Ab­hängigkeit und Hilflosigkeit, die für manche Menschen in Bezug auf Missbrauch einla­dend wirken, oft ist es auch die Überforderung der in der Erziehung tätigen Personen.

Ich durfte oft mit Waltraud Klasnic, die als Vorsitzende der Unabhängigen Opferschutz­anwaltschaft eine der Einrichtungen zur Aufarbeitung dieser Schicksale leitete, reden und dabei erfahren, wie behutsam vorgegangen werden musste, um Menschen zum Reden über das zu bringen, was ihr Leben zerstörte, und wie befreiend die Möglichkeit, darü­ber reden zu können und Gehör zu finden, wirkte. Diese Gespräche sind für mich un­vergesslich.

An diesem Punkt möchte ich allen, die in den Kommissionen und in anderen Einrich­tungen einen unverzichtbaren Beitrag zur Aufarbeitung dieser Ereignisse leisteten, mei­nen herzlichen Dank aussprechen, an der Spitze der Präsidentin des Nationalrates Do­ris Bures, dem Weißen Ring unter Professor Jesionek, Waltraud Klasnic, der möwe, dem Land Wien und stellvertretend für die übrigen Bundesländer dem Land Tirol. Es sind Institutionen, die zu einem Hearing eingeladen waren. Diese Organisationen, meine Da­men und Herren, brachten nicht nur die Erfahrung einer jahrelangen Auseinanderset­zung mit diesem dunklen Thema ein, sondern auch die Feinfühligkeit und Sensibilität, die notwendig sind, um die Opfer nicht noch weiter in ihrer schwierigen Lage zu entmu­tigen. Ihre Arbeit führte zu dem ermutigenden Zeichen, das wir jetzt mit diesem Bun­desgesetz betreffend die Rentenleistung für Opfer von Gewalt in Heimen setzen konn­ten.

Ich wiederhole: In sonst selten anzutreffender Einigkeit konnte dieses Gesetz erarbeitet werden – ein ermutigendes Zeichen für die Übernahme von Verantwortung. Mit diesem Gesetz wird den Opfern, die bis jetzt aktenkundig sind, aber auch denen, die erst in Zu­kunft ihr Schweigen zu brechen vermögen, eine Zusatzpension von 300 € monatlich zu­gesprochen. Es ist eine Zusatzpension, die wertgesichert ist und nicht gepfändet wer­den kann. Dieser Betrag ist steuerfrei, unpfändbar, wird nicht auf andere Leistungen an­gerechnet und mit der normalen Pension jährlich valorisiert. Man schätzt, dass über 7 000 Personen bezugsberechtigt sind. Diese Pension wird auch Pflegekindern in Pfle-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 66

gefamilien, die mit Gewalt und Missbrauch konfrontiert waren, zugesprochen. Dies zeigt, dass man die verschiedenen Umstände miteinbezogen hat.

Meine Damen und Herren! Die Aufmerksamkeit dieser Herausforderung gegenüber zeigt sich auch in Bezug darauf, dass bei der Volksanwaltschaft eine Rentenkommission ein­gerichtet wird, in der jene Träger Mitglieder sind, die sich bis jetzt intensiv mit der sen­siblen Thematik auseinandergesetzt haben. Bei dieser Kommission können noch bis Mit­te des Jahres Anträge gestellt werden. Opfer, die bis jetzt ihr Schweigen noch nicht bre­chen konnten, haben die Möglichkeit, nicht nur die Pension zu beantragen, sondern auch in der Bewältigung ihrer schwierigen Vergangenheit Unterstützung zu finden.

Zugleich ist dieses Gesetz eine Aufforderung, heute und in Zukunft wachsam zu sein, wenn es um Gewaltanwendung und Missbrauch besonders gegenüber Abhängigen und Unmündigen geht. Ich bin mir dessen bewusst, und es ist uns, glaube ich, allen be­wusst, dass nicht jeder Missbrauch unter der Devise „Das darf nie wieder passieren!“ ab­geschafft wird. Das zeigt sich jetzt auch im veröffentlichten Bericht der Volksanwalt­schaft in Bezug auf Missstände in Pflegeheimen. Das engagierte Pflegepersonal wurde auch ein wenig schlechtgemacht – das, meine Damen und Herren, war nicht der richti­ge Weg. In diesem Sinn ist es auch ermutigend, dass 1 Million € für Präventivmaßnah­men gegen Missbrauch und Gewaltanwendung vorgesehen sind. Die Wachsamkeit kann durch das neue Gesetz gefördert werden. Es ist ein Auftrag an uns alle, dort besonders wachsam zu sein, wo es um abhängige, unmündige und andere angewiesene Personen geht.

Meine Damen und Herren! „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es in der Grundrechtecharta der EU. Angesichts der Gefahr, dass diese Würde immer wieder nicht nur angetastet, sondern sogar auch zerstört wird, ist zu bedenken, was der Philo­soph Arno Baruzzi – Sie kennen ihn sicher alle – einmal gesagt hat: „Die Würde ist des­halb unantastbar, weil es Unmündige, Kranke, Kinder, Gebrechliche überhaupt gibt.“ Das Zerbrechliche des menschlichen Daseins muss uns immer wieder die Frage vor Augen führen, wie wir mit den Abhängigen, den Schwachen – mit denen, deren Würde so leicht antastbar ist, umgehen und welche Maßnahmen wir zum Schutz dieser Menschen treffen.

Sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren und alle Verantwortlichen! Wir sind auf dem richtigen Weg. Ich darf abschließend aber noch sagen, dass wir beim Ent­schließungsantrag der FPÖ nicht mitstimmen werden. – Danke, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.29


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.29.48

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier und vielleicht zu Hause am Livestream! Meine beiden Vorredner haben es ja wirklich schon sehr eindrucksvoll ge­schildert, wie wir alle, über die Parteigrenzen hinweg, diesen Staatsakt empfunden ha­ben.

Es ist, glaube ich, jedem von uns kalt den Rücken hinuntergelaufen und hat niemanden unberührt gelassen, so eindrucksvoll dargestellt zu bekommen, wozu Menschen fähig sein können, denen Kinder anvertraut wurden. Wie Kollege Hammerl richtig gesagt hat: Sie ha­ben gedacht, sie seien nun gut aufgehoben, nachdem sie ohnehin schon ein schwieri­ges Familienverhältnis hatten, sei es, dass die Eltern gestorben sind, oder seien ande­re Gründe dafür ausschlaggebend, dass sie in ein Heim gekommen sind. Sie haben ge­hofft, wenn sie schon nicht den Schutz der Familie genießen konnten, wenigstens dort so etwas wie eine Heimat zu finden, und wurden dann von jenen, denen sie eigentlich vertrauen wollten oder auch vertraut haben, so schändlich missbraucht.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 67

Wir haben dies auch im Bericht der Volksanwaltschaft zu den Pflegeheimen gesehen. Die Tatsache, dass wir dieses Gesetz geschaffen haben, dass die Betroffenen endlich gesprochen haben, dass man ihnen auch zugehört hat und die richtigen Schlüsse da­raus gezogen hat, feit uns nicht davor, dass es jederzeit wieder möglich sein kann, was uns in besonderem Maße erschreckt, denn wir glauben, wir hätten das alles schon über­wunden und es könne nicht mehr passieren. Irgendwann hat einmal jemand gesagt, der Mensch ist eine Bestie, und offensichtlich wohnt manchen Menschen so etwas inne, wes­halb man immer wieder damit rechnen muss, dass diese oder ähnliche Dinge wieder passieren. Daher ist es so wichtig, immer wieder hinzuschauen und die Menschen auch zu ermutigen, gleich darüber zu sprechen. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vor­sitz.)

Darum hat mich jener Teil des Berichts der Volksanwaltschaft betroffen gemacht, in wel­chem Mitarbeiter gesagt haben, sie wollten Missstände aufzeigen, haben es aber aus Angst, ihren Job zu verlieren, nicht gemacht. Wir sind also noch lange nicht so weit, dass das nicht mehr vorkommen kann. Daher ist es ganz wesentlich, dass wir jeden Tag, je­de Stunde, jede Minute hinschauen.

Herr Kollege Hammerl, dass Ihre Partei unserem Antrag nicht zustimmen kann, be­dauere ich sehr. Sie wissen ja, man ist dann immer versucht zu sagen, es ist ganz klar, ein Oppositionsantrag kann keine Zustimmung der Regierungsparteien erhalten, um uns dann hinterher zu sagen, wir sollen uns doch gefälligst einbringen und Vorschläge ma­chen, sie würden dann schon umgesetzt werden.

Überlegen Sie es sich noch einmal! Sie und Kollege Lindner haben völlig richtig ge­sagt, dieses Gesetz ist ein Schritt, es ist noch nicht das Ende, wir sind nicht am Ende des Tages angelangt. Daher ersuche ich Sie noch einmal: Überlegen Sie es sich, ge­ben Sie sich einen Ruck, setzen Sie mit uns noch einen weiteren Schritt! Wir werden dann mit Ihnen sicher auch noch andere weitere Schritte setzen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

12.33


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stög­müller. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.33.34

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Es wurde ja bereits viel über die Einführung einer Rentenleistung für Opfer von Gewalt in Heimen und Verbrechensopfer gesagt. Die­ser Staatsakt hat auch mich persönlich sehr berührt, es war sehr ergreifend, und auch bei den Zwischenrufen waren viele Emotionen dabei. Wenn sich noch jemand zurück­erinnern kann: Es war wirklich sehr berührend.

Wir Grüne sind trotz einer kleinen Panne bei der Beschlussfassung im Nationalrat mit diesem Gesetz sehr zufrieden. Nach der ersten Vorlage der Regierung wurden alle we­sentlichen Punkte und Kritiken vonseiten der Opferschutzeinrichtungen und der Oppo­sition eingearbeitet und darauf eingegangen. Dadurch wurde unter anderem sicherge­stellt, dass die Rente nicht auf die BMS angerechnet werden kann. Ebenso wurde durch die Anregung sichergestellt, dass die Rente nicht Gegenstand einer Pfändung sein kann sowie keine Pfändung anderer Teile des Einkommens auslösen kann, sprich: die Ren­te wird nicht auf das jeweilige Existenzminimum angerechnet.

Es wird in Zukunft eine Valorisierung stattfinden, das finden wir sehr positiv. Wichtig ist uns auch, dass der Kreis der AntragstellerInnen weit genug geht. So wurde jetzt sicher­gestellt, dass InternatsbewohnerInnen miteinbezogen sind.

Uns Grünen ist die Prävention natürlich ein besonderes Anliegen, für sie wird es in Zu­kunft Mittel geben. Das freut mich auch persönlich sehr, weil es wichtig ist. Im Gesam­ten ist es also eine gute und unbürokratische Lösung für die betroffenen Menschen.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 68

Ein paar Sätze noch zum Entschließungsantrag der FPÖ: Ich kann der Intention dieses Antrags folgen und finde sie gut. Aber der im Entschließungsantrag enthaltene Vorschlag einer neuerlichen Prüfung nach dem Verbrechensopfergesetz ist sehr wahrscheinlich nicht zielführend und bringt auch unserer Meinung nach erhebliche Gefahren mit sich. Ich glaube, bei einer neuerlichen Prüfung des Verfahrens ist nicht zu erwarten, dass ei­ne von derselben Behörde bei unveränderter Rechtslage durchgeführte Überprüfung zu einem anderen Ergebnis kommen würde als bei der ersten Überprüfung. Das würde kei­ne Veränderung bringen.

Die Gefahr sehe ich darin, dass bei den betroffenen Menschen durch die neuerliche Überprüfung eine neuerliche, verständliche Erwartungshaltung geweckt würde, die wie­derum aufgrund der gleichbleibenden Rechtslage – wir ändern ja nichts daran – zur Ent­täuschung führen muss und eine Retraumatisierung auslösen kann. Das darf meiner Mei­nung nach nicht passieren.

Das Sozialministerium hat bereits früher schon sehr taugliche Mittel dafür eingesetzt, um Lücken in der Opfergesetzgebung zu erkennen und zu schließen, zum Beispiel bei den Opfern des Nationalsozialismus, die als Kinder von der Ermordung oder Inhaftie­rung und Folterung ihrer Eltern betroffen waren, die nach dem Opferfürsorgegesetz, je­doch nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurden. Dies geschah nach ei­ner ersten Sichtung durch unabhängige und behördenfremde WissenschaftlerInnen. Ich glaube, so ein Review-Prozess wäre sinnvoller als eine einfache Neuüberprüfung nach dem bestehenden Gesetz, um alle Lücken und Fehler zu entdecken und zu erkennen und in Zukunft zu vermeiden.

Wir verstehen die Intention der FPÖ, aber finden den Ansatz einfach nicht zielführend. Daher werden wir zum Antrag 222/A(E)-BR/2016 betreffend echte Entschädigungen für Missbrauchsopfer in Kinderheimen einen Abänderungsantrag einbringen. Dieser lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen zum Entschließungsantrag be­treffend echte Entschädigung für Missbrauchsopfer in Kinderheimen

Der Entschließungstext lautet:

„Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Ge­sundheit, wird ersucht,

die Verfahren in Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen in Kinderheimen, sowie die mit diesen Missbrauchshandlungen in Verbindung stehenden wissenschaftlichen Arbei­ten und Kommissionsberichten einer gemeinsamen Sichtung, durch eine Gruppe nicht der Verwaltung des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Rechtsnachfolger der Heimträger angehörender fachübergreifender ExpertInnen unterziehen zu lassen, mit dem Ziel,

etwaige Lücken in der Rechtslage hinsichtlich der Erfassung, Betreuung und Entschä­digung von Opfern,

etwaige Opfergruppen, die bisher auf Grund einer mangelhaften Rechtslage, fehlender Sachkenntnis oder Erfahrung in der Materie, fehlender Mittel, fehlender Infrastruktur oder mangelhafter Ausstattung der entscheidenden Einrichtungen und/oder Behörden

festzustellen und zu benennen, hinsichtlich der Zahl der wahrscheinlich betroffenen Per­sonen erste Einschätzungen zu treffen und Vorschläge für mögliche Gesetzes-, Struktur- oder Verfahrensänderungen vorzuschlagen, um diese Lücken zu beheben.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 69

Eine erste Sichtung und daraus ableitbare Ergebnisse mit konkreten Vorschlägen ist bis Ende des Jahres 2017 vorzulegen.

Aufbauend auf die erste Sichtung sind in der Folge vorgeschlagene Gesetzesänderun­gen und Änderungen von Verfahrensabläufen vorzunehmen sowie die erkannten Feh­ler zu beheben, Fehlerquellen zu schließen und die davon betroffenen Personengrup­pen anzuerkennen und zu entschädigen.“

*****

Ich bitte Sie alle, diesem Abänderungsantrag zum Antrag der FPÖ stattzugeben und so eine Lösung für die betroffenen Menschen zu gewährleisten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.38


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Der von den Bundesräten Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Abänderungsantrag betreffend Entschließungsantrag 222/A(E) der Bundesräte Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.

 


12.39.20

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens gratuliere ich dem Abgeordneten Hammerl: Jeden Satz, den er gesagt hat, kann ich unterschreiben. Was er gesagt hat, ist sehr wichtig.

Ich bedanke mich ganz besonders bei der Frau Präsidentin des Nationalrates Doris Bu­res, die gemeinsam mit dem Bundesratspräsidenten, damals war dies Mario Lindner, die­sen Menschen, die in ihrer Kindheit Verbrechen erlitten haben, einen entsprechenden öf­fentlichen Raum gegeben hat.

Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Briefe ich als Minister bekomme, in de­nen Menschen schildern, wie es ihnen in dieser Situation gegangen ist und wie lange sie gebraucht haben, bis sie darüber sprechen konnten. Ich gehe auch davon aus, dass es noch viele Menschen gibt, die jetzt noch nicht darüber sprechen können.

Mit dem Heimopferrentengesetz haben wir versucht, eine Lösung zu finden, die rechts­staatlich korrekt ist und mit der man diesen Menschen in einem einfachen Verfahren Zu­gang zu einer Pensionsleistung gibt, die ab dem Erreichen des Pensionsantrittsalters oder ab dem Erreichen einer Eigenpension gilt.

Wir haben auch Zusatzmittel zur Prävention geschaffen. Ich denke, dass wir damit ein Zeichen der Verantwortung, der Wertschätzung gegenüber den Opfern, die lange darauf warten haben müssen, gesetzt haben.

Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie heute diesem Gesetz zustimmen, und möchte das noch einmal verstärken, was auch Bundesrat Hammerl gesagt hat, nämlich dass wir in allen Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens immer darauf achten müssen: Wer­den in bestimmten Situationen Menschenrechte verletzt? Das braucht die Sensibilität auf­rechter Demokratinnen und Demokraten, und es gibt viele Situationen, wo es dafür ei­nen ständigen Blick braucht. Auch diese Sicht soll man anlässlich dieser Beschlussfas­sung immer im Hinterkopf haben und im Alltag anwenden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

12.42



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 70

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.42.08

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Mi­nister! Gospod zvezni minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Vielleicht werdet ihr euch fragen: Wa­rum geht Ana Blatnik jetzt noch einmal ans Rednerpult und spricht zu dem Thema? (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) – Genau das ist es: weil ich glaube, dass man das Thema Gewalt immer wieder ansprechen, die Schwierigkeiten, die Ohnmacht, die Hilf­losigkeit der Opfer hervorheben muss.

Nicht nur beim Staatsakt im November 2016, sondern auch hier habe ich bei jedem ein­zelnen Redner, bei jeder einzelnen Rednerin – Monika war eine davon – eine Gänse­haut bekommen. Ich glaube, weil die Gefahr besteht, dass das immer wieder passieren kann, muss man immer wieder darauf hinweisen, denn: Was ist Gewalt? Ich möchte zi­tieren: Gewalt ist, wenn man versucht, sowohl psychisch als auch physisch etwas durch­zusetzen, mit Zwang, Macht, Aggression, Autorität und Kraft. Die Angst ist im Vorder­grund.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gewalt bedeutet für mich die letzte Zuflucht des Unfähigen. Gewalt ist absolut kein Privatdelikt. Gewalt ist keine Privatsache und auch kein Kavaliersdelikt. Und Gewalt, ganz egal, wen sie trifft, muss ganz einfach abgelehnt werden und die schärfsten Konsequenzen nach sich ziehen. Gewalt gehört geahndet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, gerade bei Gewalt ist es sehr wich­tig, dass man präventiv handelt, denn wer wird denn Opfer von Gewalt? Der- oder die­jenige, der oder die kein Selbstwertgefühl hat, keine Selbstachtung hat, der oder die An­forderungen anderer in den Vordergrund stellt und auf sich selbst einfach vergisst. Ich glaube, dass man da wirklich präventive Maßnahmen setzen muss, um Gewalt bereits an der Wurzel zu bekämpfen.

Gewalt ist eine Menschenrechtsverletzung. Gewalt ist ein Widerspruch zur österreichi­schen Rechtsordnung. Wenn dabei Kinder betroffen sind, dann ist es auch ein Verstoß gegen die Kinderrechte. Bettina Wegner hat das so gut in einem Lied ausgedrückt: Die Kinder „sind so kleine Seelen, offen und ganz frei. Darf man niemals quälen, gehen ka­putt dabei“. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Ja, singen werden wir später. – Aber dieses Kaputtgehen, diese Schwierigkeiten, diese Qualen, diese Hilflosigkeit, diese Miss­achtung, das hört nicht auf, wenn man kein Kind mehr ist, sondern dieser schwere Ruck­sack wird ins Erwachsenenalter mitgenommen, und es gibt wirklich sehr viele Betrof­fene – das hat unser Herr Minister gesagt –, die darüber noch immer nicht reden kön­nen. Deswegen ist das Reden so wichtig. Wir brauchen Zivilcourage. Wir brauchen mehr Fairness, wir brauchen Entschlossenheit, und wir dürfen nicht wegschauen. Wir müssen darüber sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen habe ich mich noch einmal ans Rednerpult gestellt und wollte zu diesem Punkt sprechen, weil ich einfach glaube, dass wir so auf die Wichtigkeit des Themas Gewalt hinweisen, darauf, dass Gewalt wirklich geahndet werden muss und dass wir hinschauen sollten und dass wir Verantwortung haben, nicht nur als Politikerinnen und Politiker, sondern als Menschen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort. – Zwischenrufe der Bundesräte Mühlwerth und Raml. – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Das ist ein österreichi­sches Parlament!)

Danke, hvala lepa! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.47

12.47.51

 



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 71

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Die nun folgende Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Heimopferrentengesetz erlas­sen und ein Verbrechensopfergesetz geändert wird.

Der gegenständliche Beschluss ist ein Fall des Artikels 44 Abs. 2 B-VG und bedarf da­her der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Ich stelle zuerst einmal die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglie­der des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertei­len.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Be­rücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundesräte Mo­nika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend echte Entschädigungen für Miss­brauchsopfer in Kinderheimen.

Es liegt mir hiezu ein Abänderungsantrag der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Abänderungsantrag der Bundes­räte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den gegenständlichen Entschließungsan­trag 222/A(E)-BR/2016 der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen be­treffend echte Entschädigungen für Missbrauchsopfer in Kinderheimen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen.

Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

12.50.536. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kon­trollsystem in Österreich für die Durchführung der operationellen Programme im


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 72

Rahmen des Ziels „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ und des Ziels „Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ für die Periode 2014–2020 (1158 d.B. und 1623 d.B. sowie 9795/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen zu Punkt 6 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. – Ich bitte um den Bericht.

 


12.51.37

Berichterstatter Christian Poglitsch: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­fassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 be­treffend Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die Durchführung der operationel­len Programme im Rahmen des Ziels „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ und des Ziels „Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ für die Periode 2014–2020.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Danke schön.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte.

 


12.52.03

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kol­leginnen und Kollegen im Bundesrat! Eingangs möchte ich die Bedeutung dieser EU-Förderprogramme für unser Land und besonders für den ländlichen Raum unterstrei­chen. Vom Burgenland bis nach Vorarlberg konnte durch diese Programme ein we­sentlicher Beitrag für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung geleistet werden. Ich bin überzeugt, dass auch das derzeit laufende Förderprogramm 2014 bis 2020 wieder mit Erfolg zur Weiterentwicklung Österreichs beitragen wird.

Der EFRE, also der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, soll Forschung, Tech­nologie und Innovation fördern. Weitere Schwerpunkte sind die Stärkung des Wettbe­werbs für KMUs und die Steigerung von Energieeffizienz sowie der Einsatz von erneu­erbarer Energie bei Unternehmungen.

In der Vorperiode, also 2006 bis 2013, wurden 6 000 Projektwerber mit 680 Millionen € an Fördermitteln bedacht. Die von der EU bereitgestellten Mittel wurden dabei mit 92 Pro­zent ausgeschöpft. Diese Förderungen haben Gesamtinvestitionen von 4,5 Milliarden € ausgelöst. Aus dem ESF, dem Europäischen Sozialfonds, wurden in der Vorperiode cir­ca 520 Millionen € für Investitionen in Bildung, lebenslanges Lernen, Armutsbekämp­fung und soziale Eingliederung ausbezahlt.

Bei den 14 Programmen für territoriale Zusammenarbeit, in welchen unter anderem der Schutz natürlicher Ressourcen, der Hochwasserschutz und der Ausbau von grenzüber­schreitender Verkehrsinfrastruktur enthalten sind, konnten die Fördermittel zu 100 Pro­zent abgeholt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich die hervorragende Arbeit und die Unterstützung der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landes-, aber ganz besonders in den Regionalentwicklungsstellen erwähnen. Für diese Hilfe bedanke ich mich vor al­lem bei den politisch Verantwortlichen und den MitarbeiterInnen ganz herzlich. Sowohl bei der Antragstellung, beim Suchen nach den wichtigen Kofinanzierungsstellen im Land oder im Bund als auch bei der Auftragsvergabe beziehungsweise bei der Ausschrei-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 73

bung und Abrechnung stehen diese Einrichtungen mit Kompetenz zur Seite. Ich bin über­zeugt, dass ohne diese institutionellen Einrichtungen der Regionalbüros nur ein Bruch­teil der EU-Förderungen abgeholt würde.

Da wir in der Gemeinde – und ich als Verwalter eines Naturparks – bereits einige Pro­jekte eingereicht und abgerechnet haben, weiß ich, dass es in Österreich ein ausge­zeichnetes Kontrollsystem für die Abrechnung der Fördermittel gibt. Durch die Vorkon­trollen in den Regionalbüros und in den Landesstellen ist die Überprüfung seitens der EU-Prüfstelle aus dem Bundeskanzleramt nicht mehr so gefürchtet.

Spannender und aufwendiger in der Abwicklung sind die grenzüberschreitenden Projek­te. Wir haben bereits einige solcher Programme erfolgreich abgewickelt, etwa mit Ita­lien oder Bayern, und konnten dabei auch wichtige Kontakte mit unseren Nachbarlän­dern, in diesem Fall mit der Schweiz, mit Deutschland und Italien, knüpfen. Ohne diese Programme wäre das nicht möglich gewesen und könnten wir in Zukunft kaum so viel Geld in die Gemeindeinfrastruktur investieren. Viele Projekte im Freizeit-, Bildungs-, Kin­derbetreuungs- sowie im Landwirtschafts- und Naturschutzbereich hätten wir nicht um­setzen können. Eine nachhaltige Ortskernentwicklung im ländlichen Raum konnte nur durch diese Fördersysteme der EU erreicht werden. Viele Arbeitsplätze wurden dadurch geschaffen und konnten auch erhalten werden.

Mit diesem heutigen Beschluss werden die weitere Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Bundesländern, die Erarbeitung der Programme, die Förderabwicklung, die Kon­trolle und die Kostentragung für die Förderprojekte 2014 bis 2020 geregelt.

Gegenüber der Vorperiode hat es ein paar Änderungen gegeben: Die neun Länderpro­gramme wurden im Bundeskanzleramt zu einem Österreichprogramm zusammenge­fasst. Die bisher 36 Förderstellen wurden auf 16 reduziert. Die Abwicklung der Förder­programme erfolgt weiterhin über die jeweiligen Ministerien, diese fungieren dabei auch als EU-Bescheinigungsbehörde. Bei grenzüberschreitenden Projekten liegt die Gesamt­verantwortung nun bei den Bundesländern. Neu ins Programm aufgenommen wurden das Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau, die Nichtdiskriminierung und die Nach­haltigkeit.

Die sozialdemokratische Fraktion stimmt daher dieser Artikel-15a-Vereinbarung sehr ger­ne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.57


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor wir in der Debatte fortschreiten, darf ich in un­serer Mitte ganz herzlich Frau Staatssekretärin Mag. Duzdar und Herrn Bundesminister Mag. Drozda begrüßen. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.57.55

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Prä­sidium! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bock hat die technischen Details und auch die Inhalte beschrieben und erklärt, dass mit diesem Beschluss eine ordnungsgemäße Abwicklung der EU-Förderprogramme auf na­tionaler Ebene gewährleistet wird.

Wichtig ist dabei auch, dass die europäischen Fonds nicht nur korrekt abgewickelt wer­den – das ist der eine wichtige Punkt –, sondern dass sie eben auch wirtschaftliche Im­pulse für ganz Österreich und insbesondere für den ländlichen Raum bringen. Das ist bedeutsam, weil EFRE, ESF, aber auch die Europäische Territoriale Zusammenarbeit sehr viele Fördermittel nach Österreich bringen.

Die Zahlen wurden bereits erwähnt: Insgesamt, wenn man die Kofinanzierungsanteile des Bundes noch dazurechnet, werden in der neuen EU-Finanzperiode fast 2,5 Milliarden €


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 74

aktiviert. Das ist also aktive Regionalpolitik der EU und – das ist vielleicht noch ein Ge­danke – ein Beitrag zur Sicherheit und Stabilität in Europa, weil strukturschwache Re­gionen in Europa, die wenige Arbeitsplätze vorweisen können, unterstützt werden, da­mit sie an das Niveau anderer Regionen herangeführt werden. Das bedeutet mehr Sta­bilität gerade auch im ländlichen Raum, und das ist eine der zentralen Aufgaben der Eu­ropäischen Union. Dafür ist sie unter anderem da, und das macht sie in dem Fall her­vorragend. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.59


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.00.27

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Es geht mir bei meinem Redebeitrag nicht so sehr darum, darzu­stellen, was EFRE, ESF und so weiter können. Dass das sehr wichtige Förderprogram­me sind, auch für die territoriale Entwicklung, ist unbestritten und wurde auch schon dar­gestellt, ebenso dass sie auch von Österreich sehr gut genutzt werden. Aber es gibt kei­ne eigene Stelle oder Institution zur Abwicklung derart umfangreicher und auch komple­xer Programme. Jetzt ist es eben notwendig, diesen Artikel-15a-Vertrag zu beschließen, dieses innerstaatliche Abkommen, weil es für Regionalpolitik weder eine umfassende Kompetenz des Bundes noch der Länder gibt, die die korrekte Programmabwicklung si­cherstellen könnte.

Die EU sieht für die koordinierte Abwicklung des Förderprogramms Institutionen und Ver­fahren vor, wobei die Mitgliedsländer selbst für eine ordnungsgemäße Vorgangsweise verantwortlich sind und auch für Unregelmäßigkeiten haften.

Es muss geprüft werden, ob bei der Durchführung nationales und EU-Recht eingehal­ten werden. Es braucht Verwaltungsbehörden, Bescheinigungsbehörden, Prüfbehörden und Begleitausschüsse, und Bund und Länder verpflichten sich nun, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die erforderlichen Stellen einzurichten und deren Funktion sicher­zustellen.

Verwaltungsbehörden sind für EFRE die Geschäftsstellen der Raumordnungskonferenz, für ESF ist es das Sozialministerium. Bescheinigungs- und Prüfbehörde sind das Bun­deskanzleramt beziehungsweise das Sozialressort. Die Kosten dafür betragen insge­samt 121,43 Millionen €, davon trägt 73,97 Millionen € der Bund, 47,46 Millionen € tra­gen die Länder. Das sind geschätzte Kosten. In den ÖROK-Daten habe ich EU-Mittel von 257 Millionen € gefunden; also das ist eigentlich sehr viel, was in Verwaltung und Umsetzung dieser Projekte fließt.

Österreich hat bisher die 14 europäischen Programme für territoriale Zusammenarbeit von 2007 bis 2013 zu 100 Prozent ausschöpfen können und über 6 000 Projekte im EFRE eingereicht.

Durch die vorliegende Reform werden 36 Förderstellen auf 16 zusammengeführt. Mei­ne Frage: Sind das nicht immer noch 15 zu viel? (Heiterkeit des Bundesministers Droz­da.) – Die Wichtigkeit dieser Programme für den ländlichen Raum, für Wachstum und Be­schäftigung ist unbestritten, aber es fehlt politisch eine wirkliche Zuständigkeit für Re­gionalpolitik. Es gibt dafür keinen Ausschuss – zum Beispiel im Nationalrat oder auch hier bei uns im Bundesrat –, und die Begleitausschüsse, die jetzt eingerichtet werden, werden von Beamten besetzt, von Sozialpartnern, von Gemeindebund, Städtebund, In­dustriellenvereinigung, aber natürlich ohne Parlamentarier.

Ebenso ist die Artikel-15a-Vereinbarung ja eigentlich etwas sehr Undemokratisches, Par­lamente können daran nicht wirklich mitwirken, sie können nur Ja oder Nein sagen. (Bun-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 75

desrat Mayer: Wenn sie Nein sagen, ist das eh ...!) Das heißt, gerade diese vorliegen­den Regelungen zeigen, dass unser Föderalismus da wirklich zu greifen ist und lebt. Je­der kann und tut alles, keiner weiß nichts. Was, wenn Haftungen schlagend werden? – Ich frage mich wirklich, was in so einem Fall passiert. Die EU wird mit eventuellen For­derungen wahrscheinlich auch an unserem Föderalismus zerschellen. (Bundesrat Mayer: Ja!)

Der Abschluss dieser Artikel-15a-Vereinbarung ist für mich Ausdruck der Reformunfä­higkeit, nämlich dass Kompetenzen in unserem System nicht klar zugeteilt werden, und zeigt auch ganz klar auf, was auch die EU-Kommission in ihrem Länderbericht kritisiert hat: dass eben nach wie vor großer Reformbedarf des Föderalismus besteht. Ich bin glü­hender Föderalist, aber das schließt eine klare Kompetenzvereinbarung, eine klare Kom­petenzzuteilung und klare Verantwortlichkeiten und damit sehr viel mehr Transparenz ja nicht aus. Ich glaube auch, dass der Bundesrat in der Reform und in der Korrektur dieser Vorgangsweisen eine viel wesentlichere Rolle spielen sollte und müsste als der­zeit.

Noch kurz ein Wort zu den Strukturfonds an sich: Es ist ja leider auf EU-Ebene zu be­obachten, dass sie gekürzt werden, und zwar massiv, zugunsten des EFSI, also des Juncker-Plans. Auch vom EFSI, glaube ich, könnte unsere Wirtschaft mehr profitieren als derzeit, insbesondere die KMUs, aber wer jetzt glaubt, dass es die gleichen erfah­renen Stellen wären, die das abwickeln würden, der irrt. So ist das eben nicht.

Im EFSI gibt es leider noch immer nicht die Qualitätskriterien, die es in der Regionalför­derung mittlerweile gibt, etwa im Bereich Klimaschutz, was die Einbeziehung der regio­nalen Ebene betrifft – dort dürfen die Mittel zum Beispiel nicht für Atomenergie verwen­det werden. Weil das so ist, ist zu befürchten, dass sich die Umschichtungen noch wei­ter in Richtung EFSI verstärken, das heißt: Förderung von Hochrisikoprojekten. Nur 4 Pro­zent der EFSI-Mittel fließen derzeit zum Beispiel in soziale Infrastruktur.

Also ich glaube, das ist ein Punkt, bei dem man, gerade auf EU-Ebene, sehr achtsam sein sollte, was sich da tut, ob diese bewährten Förderstrukturen, die auch so differen­ziert wurden, ausgebaut wurden, mit Qualitätskriterien versehen wurden, zugunsten ei­nes neuen Fonds ausgehöhlt werden, mit dem praktisch alles gefördert werden kann, auch viele Dinge, die sicherlich nicht nachhaltig sind, sondern nur undifferenziert dem Wachstum und so weiter dienen sollen.

Darum bitte ich alle Verantwortlichen gerade auch auf EU-Ebene und in Österreich, da achtsam zu sein. Vielleicht gelingt es uns doch, klarere Strukturen zu schaffen, die es möglich machen, das Know-how, das in diesen Förderungen und bei den Bewerbungen immer wieder aufgebaut wird, sozusagen zentral zu nutzen. Dieses Thema wird uns aber heute noch öfter beschäftigen, auch bei den anderen EU-Berichten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.07

13.08.00

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.08.077. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Kunst und Kultur, Ver­fassung und Medien an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Kommission


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 76

für 2017 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2016/17 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-607-BR/2017 d.B. sowie 9796/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nun kommen wir zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. – Ich bitte um den Bericht.

 


13.08.50

Berichterstatter Christian Poglitsch: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2017 und zum 18-Monatsprogramm des Ra­tes für 2016/17.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Deswegen komme ich gleich zur An­tragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 den Antrag, den genannten Bericht des Bundeskanzlers und des Bun­desministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, so wie er vorliegt, zur Kennt­nis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.09.25

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Dieser Bericht zum Arbeitsprogramm ist ja ziemlich umfassend, obwohl die ein­zelnen Kapitel unterschiedlich gewichtet sind. Ich bedanke mich für die Erstellung die­ses Berichts.

Wie so oft sind wir manchen Dingen gegenüber durchaus positiv gestimmt, anderen ge­genüber wieder weniger.

Ich möchte aber mehr den Kulturteil herausnehmen, der jedoch leider am kleinsten ge­raten ist. Da stehen Absichtserklärungen drin wie der gegenseitige Respekt, eine Zu­sammenarbeit mit der UNESCO und Ähnliches mehr, er beinhaltet aber nur ein paar Seiten. Viel mehr Raum gegeben wird natürlich dem Europäischen Semester, der Zu­kunft Europas inklusive einer vertieften und fairen Wirtschafts- und Währungsunion, der Kohäsions- und Regionalpolitik. Der Brexit ist natürlich überall ein Thema, weil man ja auch mit den Auswirkungen wird umgehen müssen.

Zur Energieunion möchte ich nur anmerken: Ja, wir sind einer Energieunion immer ein bisschen skeptisch gegenübergestanden. Wir haben das im EU-Ausschuss des Bun­desrates nicht erst einmal behandelt und auch da sehr kritisch darüber befunden, weil die Entwicklung, die hier in der EU voranschreitet, eigentlich niemandes Zustimmung ge­funden hat. Die Bundesländer haben das Subsidiaritätsprinzip eingebracht. Es hat uns auch gestört, dass sich jetzt die ganze Macht in einer Behörde konzentriert.

Wir haben, eben im Sinne der Subsidiarität, auch eine Mitteilung an Brüssel geschickt, wir haben gesagt: So wollen wir das eigentlich nicht. Die Kündigung des Abkommens mit Deutschland, was den Stromimport betrifft, ist eine Sache, zu der auch die Minis­terien durchaus positive Stellungnahmen abgegeben haben, der EU-Ausschuss des Bun­desrates aber mit Stimmeneinhelligkeit das schon etwas kritischer gesehen hat und, wie gesagt, eine entsprechende Meldung nach Brüssel gemacht hat.

Auch bei der Kohäsionspolitik – die haben wir auch schon öfter im EU-Ausschuss be­sprochen – gab es bei uns schon einige Kritikpunkte. Es ist jetzt ja noch ein Punkt hi-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 77

neingenommen worden, was die Finanzierung betrifft. Die Naturkatastrophen, vor allem die Erdbeben in Italien, haben dazu geführt, dass man wieder mehr Mittel ausschüttet. Aber wir haben gleichzeitig – das habe ich noch in Erinnerung – den Europäischen Rech­nungshofbericht: Leider ist Italien öfter von solchen Naturkatastrophen betroffen, zum Bedauern der Menschen dort, aber es zeigt sich immer wieder, dass dann die Mittel nicht ordnungsgemäß abgerechnet werden und dass die Mittel auch in Kanäle fließen, für die sie nicht gedacht waren. Das möchte ich nur zu bedenken geben.

Aber was den Kulturteil anlangt, weil es jetzt gerade so aktuell ist: Heute wird im Ge­meinderat über das Heumarkt-Projekt abgestimmt. Ich weiß noch nicht, wie die Abstim­mung ausgegangen ist; ich glaube, sie hat auch noch nicht stattgefunden, das ist alles noch im Laufen. In diesem Zusammenhang muss man schon darauf hinweisen, dass doch das Kulturerbe Österreichs immer besonders betont wird – das wird immer hoch­gehalten, und es wird gesagt, wie wichtig das ist –, und gerade gegen das Projekt Heu­markt hat es wirklich eine massive Bürgerbewegung gegeben. Die Grünen sind unter­einander nicht einig, sie sitzen aber in Wien in der Stadtregierung. Sie haben eine Ab­stimmung in den eigenen Reihen durchgeführt, so ähnlich wie Bundeskanzler Kern das bei CETA gemacht hat. Die Abstimmung ist dagegen ausgegangen. Wir wissen, wie es bei CETA ausgegangen ist: Der Bundeskanzler hat dann in Brüssel doch dafür ge­stimmt, mit einem kleinen Nebensatz. Die Grünen tun sich auch schwer, denn ihre Ab­stimmung ist auch mit einem Nein gegen dieses Hochhausprojekt am Heumarkt aus­gegangen, heute sollen sie aber die Mehrheitsbeschaffer bei der Abstimmung sein. Da­her wird sich das, denke ich, auch noch ein bisschen ziehen, weil man sich hier intern offensichtlich noch nicht einig ist.

Aber Tatsache ist – und das ist für mich völlig unverständlich –, dass eine Vizebürgermeis­terin der Bundeshauptstadt sagt: Wenn wir den Status als UNESCO-Weltkulturerbe ver­lieren – denn das droht ja beim Heumarkt-Projekt, wenn es so durchgeführt wird, wie es geplant ist –, wenn wir diesen verlieren, dann ist es mir auch wurscht. – Also das ist diese viel gepriesene, wichtige UNESCO-Sache und unser Kulturerbe, auf das wir so stolz sind!

Ja, wir müssen kein Museum werden! Das will auch niemand. Aber ich glaube, gerade Wien ist so angelegt, dass man die modernen Sachen – wie es in anderen Städten üb­rigens auch der Fall ist – durchaus an anderen Orten vielleicht besser aufstellen könn­te. Ich kann mich noch daran erinnern – das ist jetzt natürlich schon ewig her –, als das Museumsquartier gebaut worden ist. Ich verstehe es ja bis heute nicht, dass das Mu­seum moderner Kunst ausgerechnet dorthin musste. Ich war der Meinung, die moder­ne Kunst ist eine expandierende, und hätte das daher damals – und das sehe ich auch heute noch so – auf der Donauplatte errichtet, wo man sich ausbreiten kann, wo man er­weitern kann und mit der U 1 eine super Verkehrsanbindung dorthin hat. Es muss ja nicht alles, was Kultur betrifft, in der Inneren Stadt oder – im Fall des Belvedere – angrenzend an diese angesiedelt sein. Aber da, am Heumarkt, muss jetzt der hohe Turm hin, der dort eigentlich nichts zu suchen hat.

Das Gleiche gilt natürlich für den Karlsplatz. Auch da gibt es große Widerstände, weil dort die Zurich ihr Gebäude vergrößern will. Dort ist ja auch das Museum der Stadt Wien. Wenn man sich die grafischen Darstellungen anschaut, wird die Karlskirche, die ein ba­rockes Juwel ist, quasi einfach an die Wand gedrückt oder nahezu erschlagen. Auch da ist uns unser Kulturerbe der Stadt Wien nicht so wahnsinnig wichtig. Es kann offen­sichtlich nicht so ein großes Anliegen sein, wenn man diesen Plänen zustimmt.

Ich würde mir bei einem Bericht des Bundesministeriums für Kunst und Kultur erstens einmal wünschen, dass der Kulturraum ein bisschen umfassender beleuchtet wird und man nicht nur auf drei, vier Seiten Floskeln niederschreibt, die man ohnehin immer schon sagt, ohne dass sie dann mit Leben erfüllt werden. Aber es gibt, wie ich schon anfangs


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 78

erwähnt habe, einige Punkte, die ich sehr kritisch sehe oder die wir sehr kritisch sehen, und daher werden wir diesen Bericht auch nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.16


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfis­ter. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.16.28

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekre­tärin! Herr Kanzleramtsminister! Liebe Monika, wenn man dir so zuhört, habe ich den Ein­druck, dass du dich im Haus vertan hast (Bundesrätin Mühlwerth: Was?) – nämlich dass das, was du da gebracht hast, in das Wiener Rathaus gehört (Bundesrat Jenewein: Das ist hier aber schon die Länderkammer?) – und nicht hier über den Vorhabensbericht oder über den EU-Bericht sprichst, der hier heute zur Diskussion steht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte wirklich auf den Bericht eingehen, denn ich glaube auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dieser Bericht sehr, sehr wichtige Ansätze enthält, wenn es nämlich um Impulse geht, wenn es um Arbeitsplätze geht, wenn es um Wachstum geht, wenn es um Investitionen geht, wenn es um einen vernetzten digitalen Binnenmarkt geht, eine ro­buste Energieunion, Klimaschutzpolitik, einen vertieften und fairen Binnenmarkt inner­halb der Mitgliedstaaten, vernünftige und ausgewogene Freihandelsabkommen mit diver­sen Staaten, die auf gegenseitigem Vertrauen fußen, einen Raum des Rechts und der Grundrechte auf dem Weg zu einer neuen Migrationspolitik, mehr Gewicht auf der in­ternationalen Bühne und eine Union des demokratischen Wandels, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ein besonderer Schwerpunkt dieses Berichts liegt auf der Erreichung eines integrati­ven, intelligenten und nachhaltigen Wachstums von Arbeitsplätzen und auch auf der Wett­bewerbsfähigkeit. Wer sich das etwas genauer angeschaut hat, weiß, dieses Pro­gramm gliedert sich in fünf Bereiche: eine Union der Arbeitsplätze, des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit; eine Union, die jeden ihrer Bürger befähigt und schützt; auf dem Weg zu einer Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimapolitik; eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts; und vor allem: die Union als starker glo­baler Akteur.

Natürlich ist von dir auch ein zentrales Thema für, wie ich glaube, uns alle schon ange­sprochen worden, nämlich der Brexit, der Austritt des Vereinigten Königreichs, der jetzt auf den Weg gebracht wird. Hier gilt es für uns, und ich glaube, auch als Arbeitsauftrag für unsere Regierung, ganz, ganz stark zu bleiben und nicht für das Vereinigte König­reich Cherry-Picking zu betreiben, dass sie sich das heraussuchen können, was sie ger­ne hätten, und alles, was sie nicht wollen, dann einfach vom Tisch kehren.

Ich glaube, hier brauchen wir eine starke Stimme, und daher brauchen wir auch in der Europäischen Union unsere starken Vertreterinnen und Vertreter. Hier heißt es wirk­lich, alle Anstrengungen dafür zu unternehmen und auch die österreichischen Positio­nen klarzumachen. Das geht auch so weit, dass es bereits Interessenbekundungen sei­tens Österreichs gibt, Sitzstaat zum Beispiel für die Arzneimittelagentur oder für die Eu­ropäische Bankenaufsicht zu werden. Das heißt auch für uns hier, den Rahmen und das Umfeld zu schaffen und das auch zustande zu bringen.

Ein wichtiger Teil, der in diesem Vorhabensprogramm enthalten ist, ist auch die EU-Da­tenschutzvorschrift und eine Reform der EU-Datenschutzvorschrift. Es gibt bereits seit 2012, seit ihn die Europäische Kommission vorgelegt hat, einen Legislativvorschlag. Österreich hat sich da sehr konstruktiv eingebracht und durch die Vorlage der konkre­ten Textvorschläge auch intensiv in die Verhandlungen im Rat eingebracht. Es ist aber


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nun so, dass Österreich dem vorliegenden Kompromisstext nicht zustimmen konnte, und es ist für uns, lieber Herr Minister, die Frage: Was ist nun Stand der Dinge bei der EU-Datenschutzvorschrift und bei den Reformen? Wo stehen wir da und wie schaut das auch in der nahen Zukunft aus?

Wenn wir das Datenschutz-Rahmenabkommen ansprechen, das darin ebenfalls ange­sprochen wird, so betrifft dieses natürlich auch sehr, sehr stark den europäischen Raum gemeinsam mit den USA. Was Präsident Donald Trump da von sich gibt, lässt ja nichts Gutes erwarten. Daher ist es, glaube ich, für uns auch ganz, ganz wichtig, bei diesen Da­tenschutzabkommen und vor allem auch bei diesen Rahmenabkommen sehr genau zu schauen, welche Daten gespeichert werden, welche verbreitet werden, welche zur Auf­deckung oder zur Untersuchung verwendet werden, und, und, und. Wir haben in Öster­reich ein sehr strenges Datenschutzgesetz, und es ist für uns, lieber Herr Minister, auch ganz, ganz wichtig, dass wir das auch weiterhin festigen und ausbauen.

Wenn es um eine europäische Strategie der Cybersicherheit geht, ist zu sagen, es wur­de bereits eine Cybersicherheitsstrategie auf den Weg geschickt. Auch vor diesem Hin­tergrund hat es sehr, sehr viele Eingaben der österreichischen Bundesregierung und der Ministerien gegeben, und natürlich hat man auch die Möglichkeit gröberer und grö­ßerer Störfälle aufgezeigt. Wenn etwa beim Austausch von Flugdaten gröbere Störfälle passieren, dann muss es doch verpflichtend sein, dass man das auch meldet und nicht immer erst drei oder vier Tage später draufkommt, dass irgendwo wieder ein Datenleck aufgegangen ist. Dazu gibt es eine Arbeitsgruppe. Es gibt auch den Willen, vor allem auch die Richtlinie in diesem Rahmen, auch in einer legistischen Arbeitsgruppe im Bun­deskanzleramt, umzusetzen.

Wenn wir den vernetzten digitalen Binnenmarkt ansprechen, dann ist zu sagen, dass für uns auch diese drei Säulen, die hier beinhaltet sind, nämlich der bessere Onlinezu­gang zu Waren und Dienstleistungen in ganz Europa, die Rahmenbedingungen für den florierenden Handel, natürlich auch im Netz, vor allem auch die Dienste, und natürlich auch für uns in Österreich hier das bestmögliche Ausschöpfen des Wachstumspoten­zials der europäischen Digitalwirtschaft, wichtig sind.

Ein besonderes Anliegen, Herr Minister, ist mir abschließend noch die Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste. Dabei geht es darum, dass wir da zwar nicht der große Global Player sind, aber dass mit Google, Facebook, YouTube, und wie sie alle heißen, diese Player hier sehr stark auf dem Markt präsent sind. Es ist ganz, ganz wichtig, wenn es diese Plattformen mit dem persönlichen Schutz und mit den Per­sönlichkeitsrechten das eine oder andere Mal vielleicht nicht so genau nehmen, dass wir da sehr genau darauf schauen, dass wir uns nicht nur aktiv mit Textvorschlägen ein­bringen, sondern auch genau die Probleme aufzeigen, die sich durch die Verletzung der Persönlichkeitsrechte auftun.

Das Thema Kultur hat Monika schon angesprochen. Eine Frage hätte ich noch. Es gibt ja in der Halbzeitüberprüfung des EU-Programms Creative Europe 2014 bis 2020 1,5 Mil­liarden €, die von der Europäischen Union genau in diesem Programm auch zur Verfü­gung gestellt werden, und meine Frage – das habe ich noch nicht hundertprozentig he­rausgefunden, aber diese 1,5 Milliarden € gibt es – ist: Gibt es in Österreich schon kon­krete Projekte, auf die man hingewiesen hat, oder Projekte, die auch schon in Umset­zung sind, damit wir bei diesen Kulturinitiativen die Möglichkeit haben, das auch auszu­schöpfen?

Abschließend: Wir haben hier einen sehr, sehr umfangreichen Vorhabensbericht vorlie­gen, den wir von der Sozialdemokratie sehr begrüßen und natürlich auch vollauf unter­stützen werden. Wir bitten Sie beide, lieber Herr Minister, liebe Frau Staatssekretärin, auch darum, dass wir in genau diesen Punkten, die darin enthalten sind und auf die ich


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 80

auch hingewiesen habe, für Österreich das Maximum herausholen, dass wir nämlich nicht nur ein paar Krümel bekommen, sondern dass wir auch einen gerechten Anteil an diesem großen Kuchen für Österreich bekommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.24


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


13.24.23

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg)|: Hohes Präsidium! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Wie gesagt, die Bewältigung dieser Berichte ist immer relativ schwierig, weil sie wirklich so umfangreich sind, dass eigentlich schon jeder Teilbereich eine umfassende Diskussion oder Bewertung recht­fertigen würde – wenn man eben an Migrationsströme, externe Sicherheit, Verteidigungs­politik, Terrorismus und so weiter, an Brexit und so weiter denkt. Es sind aber eben auch Vorhaben der Digitalisierung, der audiovisuellen Medien, der Kultur und der Gleichbehand­lung in diesem Bericht.

Was meine Kollegen noch nicht erwähnt haben, ist ein schwieriger Bereich, der auch an­gesprochen wurde, nämlich der Beitritt der EU zur Menschenrechtskonvention. Die EU ist ja seit Lissabon dazu verpflichtet, aber es streiten sich hier offensichtlich die beiden Gerichte EuGH und EGMR über die Kompetenzen und darüber, wer dann wirklich wo­rüber entscheiden können soll, darf und so weiter. Das wird also noch länger dauern. Es ist freilich nicht die absolute Katastrophe, weil ja die einzelnen Länder alle sozusa­gen beigetreten sind, und das betrifft eben die Institutionen der EU. Aber ich glaube trotzdem, dass das allgemein oder für das gesamte Renommee wirklich notwendig und dringend wäre, und ich hoffe, dass sich da doch etwas bewegt.

Positiv ist zu vermerken, dass die Kommission eine Vereinfachung im Förderbereich, ins­besondere im Bereich der Kohäsionspolitik, ins Auge fasst. Es ist zu hoffen, dass dem auch entsprechende Taten folgen.

Es soll die Territoriale Agenda bis 2020 neu gefasst werden, ebenso wie die Urban Agen­da, wobei eben da von österreichischer Seite gefordert wird, dass der Fokus mehr auf Klein- und Mittelstände sowie auf Stadt-Umland-Kooperationen gelegt werden sollte. Diese Forderung können wir nur unterstützen. Meine Frage ist aber schon: Was tut Österreich selbst dafür? – Gerade in diesem Bereich zum Beispiel die Kooperationen zwischen Stadt und Umlandgemeinden zu unterstützen oder neu zu regeln und zu ordnen, das wäre auch in Österreich dringend notwendig. Da sollte auch in Österreich etwas passieren.

Die Strategie für den digitalen Binnenmarkt wurde schon erwähnt, wo 16 zentrale Maß­nahmen aufgelistet sind. Aber auch da würde uns konkreter interessieren, was Öster­reich selbst dafür tut, denn die Breitbandinitiative wird zwar immer wieder erwähnt, aber offensichtlich geht da nicht wirklich etwas weiter. Ich glaube, dass da wirklich konkrete­re und schnellere Maßnahmen gesetzt werden müssten.

Es gibt dann noch – es wurde auch schon erwähnt – das EU-Programm Creative Eu­rope 2014 bis 2020, dotiert mit 1,5 Milliarden €. Da werden eben die klassischen För­derschienen von Kultur und Medien zusammengeführt. Kritisiert wird, dass diese För­derschiene zu stark ökonomisch ausgerichtet ist – wir teilen diese Kritik –, dass es da­durch zu einer drastischen Verschiebung zu großen Projekten kommt und eben gerade kleine und unabhängige Projekte unter Umständen auf der Strecke bleiben oder we­sentlich schlechter gefördert werden. Es würde uns schon auch interessieren, was für konkretere Überlegungen es dazu in Österreich gibt.

Kollegin Mühlwerths Kritik war, glaube ich, berechtigt: Wie kümmern wir uns tatsächlich um das Kulturerbe? – Aber es wird ja 2018 das Jahr des Kulturerbes geben. Das heißt, dieses Jahr des Kulturerbes wird auch noch während der österreichischen EU-Präsi-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 81

dentschaft begangen. Ich habe dem Bericht aber entnommen, dass es dafür noch kein Budget gibt, und ich habe dem Bericht auch nicht entnehmen können, was in Öster­reich dazu konkret geplant ist oder welche Initiativen es dazu gibt.

Außerdem fehlt uns eine Initiative für ein effektives, zeitgemäßes Urhebervertragsrecht. Da enttäuscht auch die EU. Aber es muss ja nicht heißen, wenn die EU hier sozusagen so säumig ist, dass nicht von österreichischer Seite eine Initiative gesetzt werden könn­te, sollte, meiner Meinung nach müsste.

Bei der Diskussion im Nationalrat über diesen Bericht war Minister Drozda anwesend, nicht aber der Bundeskanzler, weshalb der Bericht dann vertagt wurde. So finden wir ei­gentlich auch eine abschließende Beurteilung dieses Berichts schwierig, eben ohne ent­sprechende Möglichkeit der Befragung und der eingehenden Diskussion mit dem Kanz­ler, wo so wichtige Teile wie Migrationsströme, Verteidigungspolitik und so weiter ent­halten wären. Da ist es schwierig, eine abschließende Beurteilung zu finden, deswegen nehmen auch wir den Bericht nicht zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.29


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Die nächste Wortmeldung liegt mir von Herrn Bun­desrat Ing. Pum vor. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.30.04

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wir würden sagen: Die Wiese ist gemäht, aber es gibt noch ein paar Halme, die übrig ge­blieben sind.

Der Bericht ist zwar umfangreich, aber er wurde auch bereits sehr intensiv und umfas­send diskutiert. Letztendlich ist das ein Bericht, der sehr wohl grundlegende Richtungs­entscheidungen vorgibt und daher meines Erachtens auch wesentliche Schritte in Rich­tung Weiterentwicklung einer Europäischen Union darstellt. Wenngleich der Titel ein we­nig verfänglich ist – Kunst und Kultur und Verfassung und Medien –, so ist der Bericht in­haltlich eigentlich sehr klar auf wesentliche strategische Zielsetzungen, in deren Rich­tung wir unsere Europäische Union weiterentwickeln sollen und müssen, begrenzt.

In Anlehnung an die zehn Punkte des Programms von Jean-Claude Juncker wird diese europäische Weiterentwicklung hier auch mit Prioritäten untermauert. Sie wurden im Grunde in diesem Rahmen ja schon dargelegt. Die Bewältigung einer Flüchtlings- und Mi­grationsentwicklung ist ein Thema, das uns mehr denn je beschäftigt, wo es darum geht, natürlich klare Grenzen zu setzen, aber auch sehr klar zu schauen, wie mit der Ent­wicklung in diesem Bereich umgegangen wird. Ich glaube, dieses Thema ist ein sehr, sehr entscheidendes, vor allem im Hinblick auf die Frage der Stabilität unserer Europäi­schen Union.

Kampf gegen Terrorismus und die Verteidigungspolitik – ein weiterer wesentlicher Punkt, da wir beinahe tagtäglich in den Medien auf sehr erschreckende Art und Weise immer wieder erfahren müssen, dass Terrorismus rund um uns zunimmt, weshalb wir auch ge­fordert sind, strategische Gegenentwicklungen zu finden, die natürlich auch immer sehr klar in der Frage von Datenerfassung, Datenschutz und nicht zuletzt auch Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern enden. Aber all das zeigt letztlich, dass es darum geht, dass jenen, die in diesem Staat Unruhe stiften wollen oder die durch modernste Vernetzungs­möglichkeiten ganz einfach staatliche Gebilde unterwandern, entgegengewirkt wird. Da­her ist, glaube ich, auch dieser Punkt, Kampf gegen den Terrorismus im Hinblick auch auf Verteidigungspolitik, ein ganz wesentlicher, der in diesem Bericht auch seinen Platz findet.

Wachstum und Kampf gegen die Arbeitslosigkeit: Das braucht man, glaube ich, nicht näher auszuführen. Wir wissen letztlich, dass Vollbeschäftigung der größte Garant ist für soziale Sicherheit, für Stabilität und nicht zuletzt auch für all das Wachstum, das wir


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 82

brauchen, um die Maßnahmen zu finanzieren, die oftmals auf der Wunschliste der ver­schiedensten Parteien stehen. Aber es geht letztendlich auch um Gelder, die wir brau­chen, um notwendige Strukturveränderungen zu finanzieren, die letztlich notwendig sind, um einer modernen Entwicklung entgegenzusehen. Daher ist auch gerade das The­ma Arbeitslosigkeit eines der führenden Themen in all den Umfragen. Ein jeder und eine jede weiß es: Wer auch immer in einer Umfrage Ergebnisse präsentiert, hat an obers­ter Stelle das Thema Arbeit stehen, und hier ist es auch ganz einfach Priorität, Gegen­maßnahmen zu setzen.

Vielleicht auch noch einmal detailliert zum Thema Datenschutz – das wurde schon an­gesprochen –: Da geht es natürlich darum, dass Österreich aufgrund der Formulierungen und der derzeitigen Entwicklungen nicht zustimmt und auch einem Kompromisstext nicht zustimmen konnte. Es wird notwendig sein, noch klarere Formulierungen zu schaffen, letztendlich im Hinblick darauf, dass gewährleistet ist, dass Datenschutz stärker denn je auch umgesetzt wird. Dabei hat Österreich, glaube ich, mit Sicherheit auch eine füh­rende Rolle zu übernehmen.

Wir haben den Brexit diskutiert, er ist Realität geworden. Aber wie weit diese Umset­zung letztendlich passiert, all das ist immer noch in Verhandlung und in Vorbereitung; auch wenn man sich die nationalen Wahlen anschaut, die vor der Türe stehen. Es wird natürlich richtungsentscheidende Ergebnisse geben. Letztendlich wird es eine Frage sein, wie weit ein Brexit auch im Land der Briten Schaden anrichtet. Ich glaube, dass das Erwachen der Bevölkerung schneller als erwartet stattfinden und mehr denn je er­kannt werden wird, dass die Europäische Union sehr, sehr viele gemeinschaftliche Funk­tionen übernommen hat, die zu Wohlstand und Weiterentwicklung beitragen. Ich glau­be daher, es ist notwendig, hier und jetzt auch bei uns in dieser Diskussion mitzudisku­tieren und sie mit zu führen, denn all jene, die immer wieder mit sehr einfacher Leich­tigkeit behaupten, wir könnten aus der Europäischen Union austreten, vergessen dabei, wie wichtig sie für all die positiven Maßnahmen, die wir damit schon geschaffen und errungen haben, ist. Daher ist auch diese Phase, die wir derzeit im Zusammenhang mit dem Brexit erleben, für uns eine sehr lehrreiche.

Abschließend darf ich vielleicht noch ein Thema einbringen, das – unter Anführungs­zeichen – „offengeblieben“ ist, das noch nicht in dieser Form erwähnt wurde. Die Be­richterstattung über diese fünf Maßnahmen, die hier schon erwähnt wurden, setzt auch sehr stark auf dem Schritt der Erklärung von Bratislava auf. Da geht es darum, Maß­nahmen zur inneren und äußeren Sicherheit zu schaffen, Migration und Außengrenzen auch zu verbinden und Außengrenzen zu stärken, natürlich die externe Sicherheit zu er­höhen und auch wirtschaftliche und soziale Entwicklung auszubauen und umzusetzen. Aufbauend auf diese Erklärung von Bratislava soll es bei diesem Thema eine Fortfüh­rung in einer Bratislava-Roadmap geben, wie das auch hier in dem Bericht dargestellt, umgesetzt und geschrieben wird. Hierbei geht es vor allem darum, dass natürlich auch die engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gefördert wird.

Ich glaube, wir haben dadurch auch die Chance, gerade im Hinblick auf die Entwick­lungen in Amerika wieder den europäischen Zusammenhalt zu stärken. Wenn Amerika auf nationale Stärken setzt, dann, glaube ich, ist es für unseren Binnenmarkt genauso angebracht, auf unsere Stärke zu setzen, indem die nationalen Interessen auch auf ei­nen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Dieser Kurs wird derzeit auch sehr offen­siv von den führenden politischen Vertretern in der Europäischen Union unterstützt. Die Aussage von Kanzlerin Merkel, die sehr klar darauf abzielt, Europa wieder in seinen ei­genen Grenzen zu stärken und sich auf den Zusammenhalt zu konzentrieren, führt zu ei­nem neuen Leitbild. Ich glaube, das sollte auch hier politisch seinen Zugang finden.

Daher abschließend: Dieser Bericht ist meines Erachtens richtungsweisend, und wir kön­nen ihm auch zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.37

13.38.00

 



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 83

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.38.258. Punkt

Datenschutzbericht 2016 (III-620-BR/2017 d.B. sowie 9797/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu Punkt 8 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich bitte um den Bericht.

13.38.41

 


Berichterstatter Christian Poglitsch: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Datenschutzbericht 2016.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Datenschutzbericht 2016 zur Kenntnis zu nehmen.

Danke schön.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.39.10

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Daten schützen: Daten produzieren wir jeden Tag, Daten zu schützen ist eine der sensibelsten und wichtigsten Aufgaben, die ein Staat zu erledigen hat. Gerade findet parallel zu unserem Plenum im Lokal VIII – darum renne ich da immer hin und her – die Aussprache mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission statt, der für die Digitalisierung des Single Market in Europa zuständig ist, wo natürlich auch die Datensicherheit, wie sie Kollege Pum vorhin angesprochen hat, und der Datenschutz auf europäischer Ebene sehr wichtige Themen sind.

Zuerst aber: Die Datenschutzbehörde ist in den Jahren 2014 und 2015 ja deutlich um­gebaut worden, und das ist jetzt der erste Bericht dieser umstrukturierten Behörde. Ich habe schon im Ausschuss gesagt: ein tiefes Kompliment! Die 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bei den anfallenden Leistungen einen nahezu hundertprozentigen Er­ledigungsstand erreicht. Diese Behörde ist wahrlich ein Vorbild für alle anderen Behör­den. Es fällt dort auch nicht gerade wenig an: allein 173 Individualbeschwerden, 330 Fäl­le, in denen die Behörde als Ombudsmann funktioniert, 1 980 diffizile Rechtsauskünfte im Datenverkehr, des Weiteren die Genehmigungen im Bereich des internationalen Da­tenaustausches. Dieser Aufgabenbereich ist explodiert, aber das hängt damit zusam­men, dass die USA kein Safe Harbor mehr sind – dadurch auch dieser hohe Anstieg.

Allein im Bereich Datenschutzregister, das diese Behörde zu führen hat – das sind Re­gistrierungen, das sind Streichungen, das sind Ablehnungen, das sind Einstellungen –, waren über 16 000 Fälle anhängig. Der Erledigungsstand liegt bei über 95 Prozent der


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 84

anfallenden Leistungen. Da kann man wirklich sagen, das ist großartig. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem hinsichtlich des Bearbeitungsaufwandes den Datenschutz betreffend, hinsichtlich dessen, was da Neues auf uns zukommt, die­se Behörde auch eine personelle Aufstockung braucht, denn dieser Bereich ist ein wach­sender Bereich. Je mehr digitalisiert wird, je mehr alles online passiert, je mehr wir in das Online Business, in die Onlinevermarktung und so weiter einsteigen, umso größer wird natürlich auch der Arbeitsanfall.

Woher kommen Beschwerden, in welchen Fällen wurden Auskunftsrechte eingefor­dert? – Zum Beispiel gegenüber Direct-Marketing-Unternehmen, Mobilfunkunternehmen, Versicherungsunternehmen, Krankenanstaltenbetreibern. Da kommt natürlich auch der öffentliche Bereich dazu, egal ob das jetzt Gemeinden sind, ob das Krankenanstalten sind, überall sind Daten tausendfach in kurzer Zeit in Umlauf; oder das AMS oder Aus­kunftsrechte gegenüber Privatpersonen. Schauen wir nur, welche Unmengen an Re­gistrierungen da anfallen, zum Beispiel allein im Bereich der ÖBB-Infrastruktur! Bei der Datenanwendung bedarf es ganz spezifischer Registrierungen. Das wurde im Jahr 2016 erledigt. Oder: Flughafen Wien, Überwachung von Straßen, was zurückgewiesen wur­de, Video Event Recording und so weiter und so fort.

Diese Behörde muss allerdings auch eine ganze Reihe von Stellungnahmen zu Geset­zesvorhaben mit Blick auf den Datenschutz abgeben. Ich möchte jetzt nur einige weni­ge Beispiele anreißen: Finanzmarkt-Geldwäschegesetz – ein sehr wichtiges Thema und eine klare Stellungnahme dazu; Jugendausbildung; zu Lohn- und Sozialdumping wer­den Daten gesammelt, die Behörde hat Auskunft zu geben. Auch zum Schulrechtspa­ket, zum Ärztegesetz werden viele Daten gesammelt und die Behörde hat entsprechen­de Stellungnahmen abgegeben.

Aus dem erfassten Berichtszeitraum möchte ich nur ganz, ganz kurz noch ein paar wichtige höchstgerichtliche Entscheidungen ein bisschen in Erinnerung rufen; so etwa das Verfahren privat gegen Google. Dabei geht es um das Google-Auto, um Namens­nennungen und so weiter, und es gab eine höchstgerichtliche Entscheidung, die be­sagt, das Google-Auto ist schon erlaubt, aber der Suchmaschinenbetreiber – in diesem Fall – haftet dafür.

Ein weiteres Beispiel – etwas, das sehr stark durch die Medien gegangen ist –: das Ver­öffentlichen von Lichtbildern beziehungsweise Daten von Minderjährigen durch Dritte, die vielleicht einer Familie nahestehen oder ein Nachbarschaftsverhältnis haben. Das, wurde in einem höchstgerichtlichen Erkenntnis klargemacht, ist unzulässig. Also muss man sich auch bei Kindergeburtstagen überlegen, was man fotografieren kann, wenn man eventuell etwas davon auf Facebook stellt.

Ebenso die Vorratsdatenspeicherung auf EU-Seite: Nach dieser Vorratsdatenspeiche­rung gibt es natürlich Begehrlichkeiten, und dazu sind jetzt zwei Dinge klargestellt wor­den: Es ist unzulässig, diese Vorratsdatenspeicherung für die Strafdatenerhebung he­ranzuziehen, aber im Falle von schweren Verbrechen, also schwerer Kriminalität, die auch klar definiert ist, ist sie zulässig.

Es gibt auch eine ganze Reihe dynamischer Internetportale, versehen mit höchstge­richtlichen Feststellungen auf europäischer Ebene.

Einen Fall noch zum Schluss: Der Verein für Konsumentenschutz ist gegen Amazon vorgegangen, und es war eine sehr wichtige Klärung, die da herbeigeführt wurde, näm­lich hinsichtlich der Frage: Wann ist ein Unternehmen ansässig? Ist ein Unternehmen ansässig, wenn es auf einem Webdienst in einem anderen Land anbietet? Ist ein deut­sches Unternehmen in Österreich ansässig, wenn auf deren Portal in Österreich etwas bestellt wird, was allerdings aus Deutschland ist? – Diese Klärungen sind wichtig, weil nämlich personenbezogene Daten, die in Österreich eingegeben werden, in Blitzesschnel-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 85

le unternehmenstechnisch in Europa zur Verfügung gestellt werden. Es wurde klarge­macht, dass nur das Anbieten über eine Grenze keine Ansässigkeit nach dem nationa­len Recht nach sich zieht, was ein sehr interessantes, auch für spätere Auseinander­setzungen sehr wichtiges höchstgerichtliches Erkenntnis ist.

Alles in allem: Wann immer Sie bei Bipa statt Katzenfutter plötzlich Nylonstrümpfe ein­kaufen, dann wird die Firma das mit Überraschung registrieren, und Sie werden in Son­derzusendungen einen Monat später Nylonstrümpfe angeboten bekommen. Wann im­mer Sie Ihre Bankomatkarte bemühen, kurz in Bratislava oder zum Weißwurstkaufen in München, das geht heute alles (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig) – beim Kollegen Tiefnig gibt es auch Weißwürste, aber das ist jetzt nur innerhalb Österreichs –, entsteht ein Bewegungsprofil und ein Verhaltensprofil von uns allen. Deshalb ist der Datenschutz so wichtig, und deshalb, Herr Minister, habe ich wirklich großen Respekt und gratuliere Ihnen, dass wir eine so gut funktionierende Behörde haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten von FPÖ und Grünen.)

13.48


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat See­ber. – Bitte.

 


13.48.27

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Datenschutzbericht 2016 liegt vor. Die Behörde gibt es, wie wir wissen, seit Jänner 2014, und die Struktur dieser Behörde wurde ab dem Jahr 2015 verändert, und zwar vor allen Dingen deswegen, weil man für die Datengrundschutzverordnung ab 2018 die Mitarbeiter entsprechend schulen muss, und dementsprechend werden die Mitarbeiter der Datenschutzbehörde auch angefragt.

Kollege Schennach hat es erwähnt, 26 Mitglieder hat die Datenschutzbehörde heute, und das ist natürlich in Zeiten der Digitalisierung, Stichwort gläserner Mensch, viel zu wenig. In allen vergleichbaren Institutionen in Europa wird der Personalstand aufgestockt, und daher kann man nur begrüßen, dass auch in Österreich geplant ist, ab Mai 2018 den Personalstand entsprechend aufzustocken.

Wir haben vorhin einige Zahlen gehört, die ich jetzt auch meinerseits beleuchten möch­te. Es hat 430 Kontroll- und Ombudsverfahren gegeben. Dazu muss ich sagen, diese Kontroll- und Ombudsverfahren haben eher mediativen Charakter, Charakterzüge einer Mediation. Die Zahlen sind dem Bericht beigelegt. Ich kann dem Bericht und der Stel­lungnahme der Leiterin, Frau Dr. Jelinek, auch entnehmen, dass die Awareness, das heißt das Bewusstsein für den Datenschutz in der Bevölkerung, allgemein gestiegen ist.

Einer der Hauptpunkte, die mich sehr interessiert haben, ist, dass ein Mobilfunkbetrei­ber den Kunden die Standortdaten des Handys nicht bekannt geben muss. Eine Kun­din hat einen Mobilfunkbetreiber auf Herausgabe der gespeicherten Standortdaten ge­klagt, und dem wurde nicht recht gegeben, weil das Gericht der Meinung war, es könn­te im angegebenen Zeitraum auch jemand anderer telefoniert haben.

Das, was für mich wichtig ist, weil ich ja auch als Unternehmer und in der Wirtschafts­kammer tätig bin, ist, dass die Datenschützer auch die Wirtschaftskammern eingebremst haben. Es ist darum gegangen, Kontrollen, was illegale Beschäftigung und Schwarzar­beit betrifft, aufzudecken. Das haben sie untersagt, mit der Begründung, es gebe keine gesetzliche Berechtigung, derartige Kontrollen durchzuführen. Das war ein Dämpfer für die Aktivitäten der Wirtschaftskammer.

Von Amts wegen wurden fünf Krankenanstalten geprüft. Dabei hat man festgelegt, dass die Verfahrensabläufe intern vollkommen okay sind, aber man hat bemängelt, dass es doch unzureichende Löschungsvorgänge beziehungsweise auch Zugriffe auf private Pa­tientendaten gegeben hat.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 86

Ein Punkt, der noch interessant ist, betrifft die Bodycams. Bei den ÖBB bedarf es der Zu­stimmung der entsprechenden Personen, sie können also ohne deren Einwilligung nicht eingesetzt werden. Dasselbe gilt für die Bodycams, die die Polizei verwendet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass der Datenschutzbericht diese Probleme aufzeigt. Es ist gut, dass die Datenschutzbehörde monokratisch organisiert ist, denn das heißt, man ist keinerlei Fachaufsicht unterworfen. Ich finde diese Unab­hängigkeit bei einem derart heiklen Thema ganz wichtig.

Zusammenfassend möchte ich sagen, die Einzelanfragen werden immer mehr, und auch die Ombudsanfragen, die mediativen Charakter haben, werden immer mehr. Da­gegen kann man im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens rechtlich natürlich entspre­chend vorgehen und man kann alle Bescheide auch beim Bundesverwaltungsgericht be­kämpfen.

Der vorliegende Bericht zeugt von einer sehr professionellen Arbeit der Datenschutz­behörde, das darf ich unterstreichen. Die Aufnahme von zusätzlichen MitarbeiterInnen ist mehr als gerechtfertigt.

Ich kann diesem Bericht zustimmen. Ich ersuche, ihn zur Kenntnis zu nehmen, und gra­tuliere. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.53


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.53.38

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Datenschutz, vor wenigen Jahren noch ein Minderheitsprogramm für wenige Interessierte oder fachkundige Personen, ist mitt­lerweile ein allgegenwärtiges Thema. Dementsprechend weist dieser Bericht nicht nur eine enorme Steigerungsrate aus, wie in den letzten Jahren auch schon, sondern zeigt auch auf, dass der Datenschutz in viele Lebensbereiche eindringt, die wir bis vor Kur­zem als Anknüpfungspunkte für den Datenschutz vielleicht in dieser Form noch gar nicht wahrgenommen haben.

Er zeigt auch Grenzen auf, sei es jetzt in privatrechtlicher Hinsicht, nämlich im Umgang von Firmen mit persönlichen Daten, sei es aber auch – und das ist das besonders In­teressante an diesem Bericht – beim Umgang mit persönlichen Daten, wenn es darum geht, Institutionen, aber auch Ämter und Behörden in die Pflicht zu nehmen.

So gesehen darf ich mich bei Frau Dr. Jelinek, der Vorsitzenden der Datenschutzbe­hörde, recht herzlich für diesen umfassenden, interessanten und sehr informativen Be­richt bedanken.

Hinsichtlich der Forderung nach mehr Personal kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen, denn dass die Herausforderungen für die Datenschutzbehörde in den zu­künftigen Jahren nicht weniger werden, das liegt wohl auf der Hand. Zum einen gibt es den bereits erwähnten laufenden Anstieg der Anzahl der Fälle. Besonders aufgefallen ist mir der internationale Datenverkehr, da gibt es eine Steigerungsrate von fast 300 Pro­zent. Also das allein zeigt schon die Dynamik, die in der Verarbeitung der Anfragen und Beschwerden bei der Datenschutzbehörde gegeben ist.

Zum anderen darf ich auch feststellen, dass mit der auf uns zukommenden neuen Da­tenschutz-Grundverordnung, die das aktuelle Datenschutzgesetz ablösen wird, auf­grund neuer Beschäftigungsfelder auch neue Herausforderungen auf die Datenschutz­behörde zukommen werden, dass aber natürlich auch die Anzahl der Beschwerdefälle sowie der Anfragen steigen wird.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 87

Abschließend zum Thema neue Datenschutz-Grundverordnung möchte ich sagen, es werden wohl auch auf die öffentliche Verwaltung, nämlich den öffentlichen Dienst, neue Herausforderungen zukommen – Stichwort: neue Datenschutzbeauftragte. Diese wer­den wohl nicht nur die einzelnen Ministerien, insbesondere Ihr Ministerium, Herr Minis­ter, vor neue Herausforderungen stellen. Ich habe schon im Ausschuss angeregt, dass man da wohl irgendwo eine Art Clearingstelle schaffen muss, denn wenn die Daten­schutzbeauftragten in den Ländern, in den Ministerien, in den verschiedenen Verwal­tungsbereichen, wo immer sie tätig sind, an sich zwar festlegen können, wie gewisse ge­setzliche Vorgaben anzuwenden sind, es mitunter aber keine Homogenität gibt, weil vielleicht der Datenschutzbeauftragte eines Landes eine andere Meinung hat als der ei­nes Ministeriums, dann haben wir nach derzeitiger Sachlage das Problem, dass zwei un­terschiedliche Rechtsmeinungen vorherrschen, die alle beide – wenn auch unterschied­lich ausgelegt – gelten.

Ich denke – und diese Anregung darf ich Ihnen, Herr Minister, mitgeben –, es wird viel­leicht sinnvoll sein, eine Art Clearingstelle oder ein Gremium zu schaffen, das sich mit solchen Problemfällen auseinandersetzt. Es wird schon so sein, dass keiner falschliegt, aber irgendjemand muss entscheiden, welche Rechtsmeinung in letzter Konsequenz zählt.

In diesem Sinne darf ich mich für diesen Bericht auch namens meiner Fraktion bedan­ken, wünsche der Datenschutzbehörde und ihren Mitarbeitern viele erfolgreiche Stun­den. Ich nehme an, es werden in Zukunft wohl arbeitsintensivere Stunden sein, wie sich aus diesem Bericht ableiten lässt.

Nichtsdestotrotz ist die Datenschutzbehörde eine wichtige Instanz geworden, die wir nicht missen wollen und die uns wohl auch zukünftig politisch als auch persönlich – be­sonders mich als stellvertretenden Vorsitzenden des Datenschutzrates – auf unserem be­ruflichen als auch privaten Weg begleiten wird. In diesem Sinne sage ich noch einmal Danke und wünsche viel Glück für die zukünftige Bewältigung ihres Arbeitsauftrages. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.58


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Bevor wir in der Debatte fortfahren, darf ich in unse­rer Mitte Herrn Bundesminister Dr. Schelling begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemei­ner Beifall.)

Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.58.43

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Da hier so großes Einverständnis herrscht, ist es als Viertrednerin schwierig, noch etwas Neues zu sagen, deshalb nur ganz kurz: Diese Be­hörde ist eine, die offensichtlich von einer Umstrukturierung in die nächste geht und sich auch gerade jetzt wieder umstrukturiert, um eben den EU-rechtlichen Vorgaben Folge zu leisten. Ab 25. Mai 2018 tritt ja die Datenschutz-Grundverordnung der EU in Kraft. (Präsidentin Ledl-Rossmann übernimmt den Vorsitz.)

Eine andere Frage ist, ob die dazugehörigen gesetzlichen Bestimmungen noch in die­ser Legislaturperiode fertig werden. Das ist ungewiss, und das finde ich traurig. Der ent­sprechende Gesetzentwurf ist zwar, glaube ich, schon seit einem Jahr fertig, aber jetzt erst seit drei Wochen in Begutachtung. Er hat den Ministerrat so lange nicht erreicht, weil die ÖVP große Befürchtungen hatte, dass es da ein Golden Plating geben könnte. Ich möchte schon hoffen, dass sich dieser Gesetzesbeschluss vielleicht doch noch in dieser Legislaturperiode ausgeht.

Wir haben gehört, dass die Verhandlungen, was Personalaufstockungen und Änderun­gen betrifft, in Gang sind. Leider war von der Behörde selber niemand im Ausschuss.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 88

Ich hätte es sehr gut gefunden, wenn die Möglichkeit bestanden hätte, jemanden direkt von der Behörde befragen zu können oder dargestellt zu bekommen, wie die Lage da nun tatsächlich ist.

Ich möchte nur noch erwähnen, dass es einen quartalsmäßig erscheinenden Newslet­ter der Behörde gibt. Damit kann man sich einen guten Überblick über Neuerungen, über die Judikatur und auch sonstige interessante Bereiche aus der nationalen und in­ternationalen Welt des Datenschutzes verschaffen. Also ich kann nur jedem, der mit die­sem Bereich befasst ist oder an diesem interessiert ist – und das ist mittlerweile schon fast jeder –, diesen Newsletter empfehlen.

Auch ich danke abschließend für diesen Bericht, den wir gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

14.01


14.01.05

Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.01.20Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des ehemaligen Vizekanzlers und Außenministers Dr. Alois Mock

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich mitteilen, dass uns soeben die traurige Nach­richt erreicht hat, dass unser ehemaliger Vizekanzler und Außenminister Dr. Alois Mock verstorben ist.

Gerade in seiner Funktion als Außenminister war er durch seinen Einsatz maßgeblich am EU-Beitritt Österreichs beteiligt, und ich meine, mit dem heutigen Tag hat uns ein wirklich großer Europäer und Staatsmann verlassen.

Unsere Gedanken und Gebete sind bei seiner Familie, und ich darf Sie nun ersuchen, sich von den Sitzen zu erheben, um seiner zu gedenken. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stummer Trauer.)

Ich danke Ihnen. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

14.02.369. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen (Kommunalinvestitionsgesetz 2017 – KIG 2017) (1583 d.B. und 1618 d.B. sowie 9801/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter zu diesem Punkt ist Herr Bundesrat Heger. Ich bitte ihn um den Be­richt.

 


14.02.52

Berichterstatter Peter Heger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz zur Un­terstützung von kommunalen Investitionen.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 89

Mit dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates werden zusätzliche Investi­tionen in Höhe von 175 Millionen € für Städte und Gemeinden zur Modernisierung der Infrastruktur, abzüglich der Abwicklungskosten, in Form eines Zweckzuschusses be­reitgestellt. Die maximale Höhe des Zweckzuschusses liegt bei 25 Prozent der Gesamt­kosten eines Projekts.

Die Anträge auf Gewährung eines Zweckzuschusses sind vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018 einzubringen. Die Anträge werden von einer Abwicklungsstelle geprüft, die Zuer­kennung und Auszahlung des Zweckzuschusses an die jeweilige Gemeinde erfolgt durch das Bundesministerium für Finanzen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Bericht keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


14.04.23

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin selber in einer klei­nen oberösterreichischen Stadt Gemeinderat, und ich bin nicht wirklich glücklich mit die­sem Gesetz. Und ich werde Ihnen, Herr Minister, gerne sagen, warum ich damit nicht glücklich bin.

Man stellt jetzt 175 Millionen € aus Bundesmitteln insbesondere zur Sanierung und Er­richtung kommunaler Infrastruktur bereit: beispielsweise für Senioreneinrichtungen, Sport- und Freizeitanlagen, für Schulen, Kindergärten, öffentlichen Wohnbau, Wasser und Ab­wasser und so weiter. Diese Unterstützung hätte man auch anders organisieren kön­nen. Dazu wird meine Kollegin Heidelinde Reiter dann noch etwas sagen. Das Pro­blem, das ich und wir Grüne mit diesem Gesetz haben, ist, dass diese Förderung an keine sinnvollen quantitativen und vor allem an keine qualitativen Kriterien geknüpft ist, an gar nichts. Es reicht ein Ansuchen und ein Nachweis bis 2021 vom Bürgermeister.

Wir haben aber große Probleme in unserem Land, gerade was die Baukultur angeht: Wir haben eine massive Zersiedelung in den Dörfern und Orten, wir haben haufenwei­se Leerstände, gerade in den Zentren der Städte und Gemeinden. Genau mit solch ei­ner Sonderausschüttung wäre es möglich gewesen, Gemeinden an Kriterien für die Ab­holung der Gelder zu binden, und das auch noch ganz einfach und ohne viel Aufwand.

Wir brauchen in Österreich endlich eine flächensparende, vorausschauende und inno­vative Bodenpolitik. Es kann nicht mehr so weitergehen. Da möchte ich auch auf die Ös­terreichische Raumordnungskonferenz Ende 2016 verweisen, die genau das eingefor­dert hat. Sehr kritisch sieht auch die Plattform Baukulturpolitik dieses Gesetz, und die­se Plattform wird von vielen Fakultäten und Institutionen für Architektur und Raumpla­nung getragen. Ich zitiere aus der Stellungnahme, Herr Minister:

„Es ist unverständlich, wie es im Jahr 2017, parallel zur Ausarbeitung der baukulturel­len Leitlinien des Bundes, möglich ist, ein solches Gesetz zu formulieren, ohne die ge­ringsten Vorkehrungen zu treffen, um die Mittelverwendung an raumplanerische und ar­chitektonische, mit einem Wort baukulturelle Qualitätskriterien zu binden.“

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte David Stögmüller, Freundinnen und Freunde betreffend Kommunalin­vestitionsgesetz 2017 – KIG 2017


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 90

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, im Zuge der Umsetzung des Kommunalinvesti­tionsgesetz 2017, bei der Mittelvergabe, die aktuell in Ausarbeitung befindlichen bau­kulturellen Leitlinien des Bundes bestmöglich zu berücksichtigen.“

*****

Wir brauchen in Österreich ein Bewusstsein für Flächensparen. Wir brauchen ein Flä­chenmanagement und eine aktive Bodenpolitik. Wir müssen hier im Bund damit begin­nen und müssen alle gemeinsam, alle, die wir hier sitzen, dieses Bewusstsein hinaus in die Gemeinden tragen, denn dort muss ein Umdenken in den Köpfen der Bürger­meisterInnen und GemeinderätInnen beginnen, denn es geht um unsere nachkommen­den Generationen.

Ich war bei einem Workshop des Bundeskanzleramtes – Bundesminister Drozda ist jetzt leider nicht mehr da – zum Thema Baukultur in der Tabakfabrik in Linz und habe selber erlebt, wie viel Engagement und Ideen es da gibt, aber es braucht Engagement auf al­len Ebenen in der Politik.

Deutschland ist da schon weiter. Herr Minister, schauen Sie sich bitte die Städtebau­förderung in Deutschland an. Da gibt es inhaltlich definierte Programme auf Basis qua­litativer Ziele wie die Stärkung der Innenstädte und Ortsteilzentren, Maßnahmen der So­zialen Stadt, Stadtumbaumaßnahmen, Wiedernutzung von Flächen und Sicherung der Da­seinsvorsorge von kleineren Städten und Gemeinden. Und so in etwa hätten wir Grüne uns das auch erwartet.

Österreich ist EU-Spitzenreiter bei der jährlichen Flächeninanspruchnahme, sprich: der Verbauung von Grünflächen. Mehr als 22 Hektar an Grünfläche werden täglich in Ös­terreich verbaut! Damit sind wir wie gesagt EU-Spitzenreiter. Eigentlich sollten wir auf 2 Hektar pro Tag herunterkommen, das wäre irgendwann einmal das Ziel gewesen, das würden wir auch einfordern, und genau dafür wäre, wenn schon so ein Gesetz sein muss, so eine Sonderausschüttung ein Anfang gewesen.

Ich werde auch weiterhin mein Bestes geben, egal ob im Gemeinderat oder auf Bun­desebene, denn es geht irgendwann einmal auch um meine Enkelkinder, und diese sol­len sich nicht mit Leerständen, Straßen und Infrastruktur auseinandersetzen müssen, die sich die Städte und Orte jetzt schon nicht mehr leisten können. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Heiterkeit.) – Vielleicht habe ich ja schon ein Kind, ich bin schon alt ge­nug! – Jeder von euch weiß, wie viel Kosten durch Straßenbau, Straßensanierung und Straßenerhaltung entstehen, wie viel Geld da aufgewendet werden muss – und wie viel Grünflächen und Natur dadurch zerstört werden.

Abschließend möchte ich noch einen Satz zu der Aufteilung der Finanzmittel sagen. Die größeren Gemeinden und Städte wie Wien, Linz, Graz, Salzburg werden durch die Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels zur Hälfte relativ mehr Mittel er­halten als die kleinen, und es wird dadurch die Chance vergeben, besonders finanz­schwache Gemeinden gezielt zu unterstützen, eben bei den dringend notwendigen In­vestitionen, wie zum Beispiel Daseinsvorsorge oder Ortsteilentwicklung. Die brauchen das Geld, nicht Wien, das hat genug! Kleine Gemeinden bekommen bloß 10 000 oder 7 000 €.

Wir werden also dem Gesetz in dieser Form keine Zustimmung geben. Ich hoffe auf eu­re Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag im Sinne der Weiterentwicklung des ländlichen Raumes und der Baukultur in unserem Land, dann könnten wir dem Ganzen doch noch etwas mehr abgewinnen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.09



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 91

Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Der von den Bundesräten Stögmüller, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Kommunalinvestitions­gesetz 2017 ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Oberlehner. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.10.13

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Lieber Vorredner, Kollege David Stögmüller, vielleicht werden deine Enkelkin­der einmal sehr froh sein, dass es auch andere Menschen gegeben hat, die Dinge ent­schieden haben, und nicht nur du hier die Entscheidungen zu treffen gehabt hast. (Hei­terkeit bei ÖVP und SPÖ.) Ich glaube nämlich, dass viele Dinge auf einen sehr guten Weg gebracht worden und auf einem sehr guten Weg in Österreich sind. Ich habe schon zwei Enkelkinder und ich bin mir sicher, dass sie einmal froh sein werden, dass wir vie­le Dinge sehr verantwortungsvoll und gut entschieden haben, in Zeiten, in denen es auch möglich war, Dinge zu entwickeln.

Zu deinem Entschließungsantrag: Es ist ja nicht überraschend, dass man als Opposi­tion an allem und jedem etwas finden muss, was einem nicht gefällt, es kann ja gar nichts so gut sein, dass man nicht dann doch irgendetwas Schlechtes daraus machen muss. Und das ist halt auch hier der Fall, denn es ist schon auch die Frage, ob und in welche Richtung man steuern will. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) In die­sem Fall geht es auch darum, dass der Bedarf in den Gemeinden sehr, sehr unter­schiedlich ist und dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Gemein­derätinnen und Gemeinderäte entscheiden sollen, was sie tatsächlich brauchen. Die Pro­jekte, für deren Umsetzung man sich entscheidet, müssen ohnedies im Rahmen von Richtlinien, die es seitens des Bundes, der Länder und Gemeinden gibt, abgewickelt wer­den. Daher meine ich, es gibt genug Richtlinien, die dafür sorgen, dass auch diese As­pekte im entsprechenden Ausmaß berücksichtigt werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Natürlich wäre ich ein schlechter Bürgermeister und ein schlechter Gemeindebündler, wenn ich dieses Kommunalinvestitionsgesetz nicht grundsätzlich begrüßen und für gut halten würde. Die Aufgaben der Gemeinden sind gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten in vielen Bereichen enorm gestiegen, und die finanzielle Belastung und die Belastungen insgesamt haben sich zum Teil überdurchschnittlich erhöht und entwickelt. Ich denke nur an den Bereich Soziales, man braucht nur zu vergleichen: Was haben wir vor 10, 15 Jahren in Prozenten unseres Budgets im Bereich Soziales gebraucht, um das alles abzudecken, und was brauchen wir heute? Es ist notwendig, es ist wichtig, aber es bringt uns an die Grenzen der Finanzierbarkeit.

Oder: Im Bereich Gesundheit, aber auch im Bereich der Umweltmaßnahmen und im Bereich der Daseinsvorsorge gibt es natürlich hohe Ausgaben, ob Kanal, Wasser und alle sonstigen notwendigen Einrichtungen. Aber auch die Raumordnung beschäftigt uns sehr und kostet uns viel Geld, weil wir heute auch in diesem Bereich viele Maßnahmen setzen, die wesentlich aufwendiger sind, als das früher der Fall gewesen ist. Dazu kommt natürlich die gesamte Gebäudeinfrastruktur, Schulen, Kindergärten, Senioreneinrich­tungen, Straßen, Sportplätze, aber vor allem auch die neue Infrastruktur, die moderne Infrastruktur, das Breitband, die Einführung der neuen Technologien am Land, die ganz wichtig sind, damit der ländliche Raum auch in Zukunft funktionieren kann und auch at­traktiv genug bleibt. Das alles fordert die Gemeindebudgets enorm, und daher ist es wichtig, da auch seitens des Bundes mitzuhelfen.

In vielen Gemeinden bleibt kaum noch eine oder oft nur eine sehr geringe Finanzspitze übrig für notwendige Investitionen in die Infrastruktur und die notwendigen Projekte zur Attraktivierung des ländlichen Raumes, sie haben oft zu wenig Kraft sozusagen, weil eben das Geld fehlt. Die Gemeinden sind aber der Lebensraum der Menschen, das


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 92

wissen wir, und jede und jeder von uns lebt in einer Gemeinde. Zwei Drittel aller Ös­terreicherinnen und Österreicher leben in sogenannten Landgemeinden, und es ist des­halb ganz wichtig, die Qualität dieser Lebensräume zu erhalten beziehungsweise zu schaf­fen, denn die Menschen sind in den Gemeinden zufrieden oder unzufrieden, erleben Le­bensqualität oder nicht, fühlen sich wohl oder nicht. Und wenn sich die Menschen in den Gemeinden wohlfühlen, hat das eine Wirkung auf den gesamten Staat. Wenn ich mich bei mir zu Hause in meiner Gemeinde wohlfühle, dann fühle ich mich auch in un­serem Land wohl. Das ist eine ganz wichtige Botschaft und ein ganz wichtiger Wert.

Es ist daher sehr wichtig, einerseits die Gemeinden, wie das auch in der Vergangen­heit geschehen ist, bei Finanzausgleichsentscheidungen oder mit dem Fonds für be­nachteiligte Gemeinden und anderen Maßnahmen dabei zu unterstützen, die notwendi­ge Qualität des Zusammenlebens im öffentlichen Raum zu erhalten und auch zu ver­bessern. Andererseits ist dieses Investitionspaket für die Gemeinden auch deshalb so wichtig, weil es auch für die Wirtschaft eine enorme Bedeutung hat. Wenn nämlich die Gemeinden nicht mehr in dem Ausmaß investieren können, wie wir es gewöhnt sind – und wir sind letztlich der größte Investor in ganz Österreich –, dann wird das auch die Wirtschaft entsprechend spüren, wodurch es in vielen Bereichen, aber vor allem im wirt­schaftlichen Bereich maßgebliche Einbrüche geben wird.

Auch wenn es mit diesen 175 Millionen € – in Oberösterreich sind es beispielsweise 28 Millionen €, die durch diese Maßnahme ins Land kommen – nicht gelingen wird, alle Wünsche zu erfüllen und alle Infrastrukturprobleme in ganz Österreich zu lösen, so ist es doch sehr beachtlich, dass mit dieser Summe an Förderung ein Gesamtinvestitions­paket von 760 Millionen € losgetreten wird. Das sind immerhin 0,38 Prozent des BIP, und das darf man nicht unterschätzen, welche Größenordnung das insgesamt darstellt. Und natürlich hat das auch eine sehr große und bedeutende Wirkung auf den Arbeits­markt. Laut einer Studie werden dadurch zirka 8 500 Arbeitsplätze in Österreich sicher­gestellt.

Wichtig ist auch, dass man im Rahmen dieser Förderung nur für neue Projekte Geld be­kommen kann. Projekte, die zwischen 1. Juli 2017 und 30. Juni 2018 gestartet werden, können gefördert werden. Das heißt, es wird mit diesem Investitionspaket ein Impuls in Richtung neuer Projekte gesetzt. Die Wirtschaft wird das also entsprechend spüren, weil es nicht Projekte sind, die ohnehin schon geplant waren, sondern es sich um neue und zusätzliche Projekte handelt. Ich denke, dass das auch eine sehr gute Strategie ist, die Investitionen grundsätzlich voranzutreiben, und mit diesem Paket maßgeblich da­zu beigetragen wird, dass auch die Investitionen in der Zukunft auf einem guten Niveau bleiben.

Dieses Geld wird – und da bin ich mir ganz sicher – zweifellos eine sehr gute und sehr positive Wirkung auf den ländlichen Raum haben, und ich bin davon überzeugt, dass es gut angelegt ist, denn wer wüsste es besser als die Bürgermeisterinnen und Bürger­meister, die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, was in den Gemeinden tatsächlich notwendig ist, wo Handlungsbedarf besteht?! Die Nähe zum Bürger zeichnet diese Funk­tionäre aus, und ich bin mir sicher, dass man da gute Projekte auf den Weg bringen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Sehr wichtig ist es mir aber auch zu erwähnen, dass mit diesem Kommunalinvesti­tionsgesetz eben nur neue bauliche Investitionen mit 25 Prozent der Baukosten ins­gesamt gefördert werden und dass dabei eine Aufteilung zum Tragen kommt, durch die tatsächlich alle Gemeinden Geld bekommen werden. Es gibt also eine fixe Aufteilung dieses Geldes, es gibt auch eine Liste, die bereits erstellt ist und die man auch im In­ternet finden kann, aus der hervorgeht, wie viel Geld jede Gemeinde aus dieser För­derung lukrieren kann. Dass diese Förderung auf den wirtschaftlichen Eigentümer und nicht auf den zivilrechtlichen abgestimmt ist, ist eine wichtige Maßnahme, damit auch


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 93

Gemeindeverbände diese Förderung in Anspruch nehmen können. Es bestehen hier also viele Möglichkeiten, die entsprechend wahrgenommen werden können.

Ebenfalls wichtig ist, und das möchte ich auch noch erwähnen: Sollte dieses Geld nicht von allen Gemeinden in Anspruch genommen werden, wird das Geld im Gemeindetopf bleiben und über die normale Verteilung des Finanzausgleiches wieder den Gemein­den zukommen. Das halte ich auch für sehr wichtig: Die Gemeinden sind aufgerufen, zu schauen, wie sie zu guten Projekten kommen können, um dieses Geld zu lukrie­ren – und wenn nicht, dann bleibt es im Gemeindebereich und dann werden sich ande­re Gemeinden freuen, dass sie noch mehr bekommen können.

Natürlich wird es wichtig sein – diesen Einwand verstehe ich auch –, auch darauf zu achten, dass diese Gelder tatsächlich zu 100 Prozent bei den Gemeinden ankommen. Es soll nicht passieren, dass durch diese Gelder vielleicht Landeszuschüsse verringert werden und sich die Länder unter Umständen einen Teil ihrer Förderungen sparen könn­ten. Ihr könnt euch sicher sein, wir als Gemeindebundvertreter werden sehr genau da­rauf schauen, dass das nicht passiert.

Als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde darf ich aber vielleicht noch eine kleine Kri­tik anbringen, die auch mein Vorredner schon geübt hat, nämlich dass durch die ge­mischte Berechnung – 50 Prozent nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel und 50 Prozent nach der Bevölkerungszahl – bei der Aufteilung der Gelder größere Gemein­den etwas mehr bekommen als kleinere. Aber – und das muss man auch dazusagen – nichtsdestotrotz ist auch das eine wesentliche Verbesserung zu bisherigen Aufteilungs­mechanismen im Finanzausgleich, denn da gibt es Bereiche, wo der Unterschied zwi­schen größeren und kleineren Gemeinden wesentlich größer ist. So gesehen kann man sagen, dass eigentlich auch diese Maßnahme ein richtiger Schritt in die richtige Rich­tung ist, die uns vielleicht generell zu neuen Verteilungsmechanismen bringt.

Abschließend bedanke ich mich bei dir, sehr geehrter Herr Finanzminister, sehr herz­lich, möchte aber in den Dank auch noch unseren Vizekanzler außer Dienst Reinhold Mitterlehner einschließen. Ihr beide gemeinsam habt dieses Kommunalinvestitionspa­ket auf den Weg gebracht, habt es durchgesetzt und damit zweifellos für die gesamte Gemeindeebene eine ganz wichtige und wesentliche Hilfe ermöglicht, um die Attrakti­vität des ländlichen Raumes zu erhalten und weiter auszubauen, und vielleicht auch mit­gewirkt, dass die Abwanderung aus den ländlichen Bereichen in die urbanen Bereiche ein­gedämmt werden kann und die Menschen auch in Zukunft gerne am schönen Land, wo wir so gerne zu Hause sind, leben werden.

Seitens meiner Fraktion werden wir dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Natio­nalrats jedenfalls sehr gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der SPÖ.)

14.19


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Reiter. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


14.20.34

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Es ist wunderbar, welch ein Segen sich da über die Gemeinden und über uns alle mit diesen 175 Millionen € ergießt! Es sind ja dann nur 172,8, denn 2,2 Millionen € Verwal­tungskosten sind ja abzuziehen. Da heißt es: Wir werden uns also noch wohler fühlen in unseren Gemeinden, die Abwanderung aus den kleinen Gemeinden wird gestoppt, und so weiter. Also es ist schon sehr faszinierend, was durch diese Zuwendungen, die jetzt kommen werden, alles ausgelöst wird, wobei ich schon sagen muss, dass auch wir es für dringend geboten halten, das Investitionsklima generell zu verbessern und die be­reitschaft zu erhöhen. Ich glaube, dass die Wirtschaft das dringend braucht.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 94

Da geht es also jetzt um kommunale Investitionen, 25 Prozent können maximal geför­dert werden. Es müssen zusätzliche Projekte sein, sie dürfen aber auch anderweitig ge­fördert werden. Mehrfachförderungen sind eben möglich; wie man da dann Mitnahme­effekte wirklich ausschließen will, erschließt sich mir nicht.

Um das Ganze ein bisschen in Relation zu bringen: Die durchschnittlichen Investi­tionen von Gemeinden ohne Wien betragen im Jahr 2 Milliarden €, Wien allein hat im Jahr 2016 1,6 Milliarden € investiert. Insgesamt sollen eben Investitionen im Ausmaß von 760 Millionen € ausgelöst werden, um das ein bisschen in Relation zu setzen. Das auf 18 635 Jahresbeschäftigungsverhältnisse – wie ich den Zahlen entnommen habe – hochzurechnen erscheint schon sehr optimistisch, aber okay.

Verteilt wird das Ganze – auch das wurde schon erwähnt – nach Einwohnerzahl und ab­gestuftem Bevölkerungsschlüssel, wodurch kleine Gemeinden, die ja häufig Finanzie­rungsprobleme haben, doch massiv benachteiligt werden. So erhält Gramais in Tirol 944 €, für Wien sind es über 40 Millionen €.

Unserer Meinung nach bräuchte es da einen anderen Aufteilungsschlüssel, nämlich ei­nen nach Bedarf und nicht nach Gießkanne. Man soll nicht sagen, dass das nicht geht. Beim Finanzausgleich wurde ja auch schon davon gesprochen, ihn aufgabenorientiert zu gestalten, also den Gemeinden jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie zur Er­füllung ihrer Aufgaben auch tatsächlich brauchen, und die Mittel, die man da verteilt, auch an Qualitätskriterien zu binden. Im Bereich Kinderbetreuung wird es dazu erste Schritte geben. Im Sinne dieser Überlegungen, die wir nur unterstützen können, halten wir die­se Form der Ausgestaltung dieser Förderung für einen Rückschritt. Das geht nicht nach Bedarf.

Ich möchte aber auch sagen, wir wissen wahrscheinlich alle, dass die finanziellen Mi­ttel, die die Gemeinden zur Verfügung haben, sehr unterschiedlich sind. Ich denke zum Beispiel an Wals, eine Stadtumlandgemeinde, Speckgürtelgemeinde in Salzburg, und daran, welche Projekte dort unter dem langjährigen Bürgermeister Bieringer verwirklicht wurden, auch aufgrund der sehr großen finanziellen Möglichkeiten: etwa ein riesiges Ein­kaufszentrum (Bundesrat Längle: Kaserne!), vorbei an allen Raumordnungsgrundsätzen, das sich nicht bewährt hat, sondern nach zehn Jahren wieder komplett abgerissen wur­de. Auch solche Dinge sind möglich. Ich meine also, dass es sehr unterschiedlich finan­zierte Gemeinden gibt und dass nicht immer alles, was dort realisiert oder finanziert wird, das Gelbe vom Ei ist und dass es doch möglich sein müsste, Gelder bedarfsorientierter zu verteilen.

Was die Abwicklung betrifft: Es ist eben nicht so, dass es für regionale, kommunale För­derungen eine zentrale Abwicklungsstelle gäbe – ich habe das schon erwähnt beim Auf­bau der Struktur für EFRE und ESI –, das heißt, dass es für die Gemeinden so etwas wie einen One-Stop-Shop gäbe, wo sie sich das Know-how über Förderungen und so weiter holen könnten, in einer gemeinsamen Anlaufstelle mit entsprechender Beratung.

Und jetzt wird für diese 172,8 Millionen € etwas Neues gemacht: Die Buchhaltungs­agentur des Bundes wird die Abwicklungsstelle. Dort gibt es sicher kein Know-how zur Prüfung der Sinnhaftigkeit oder der Nachhaltigkeit eines Projektes, aber solche Überle­gungen sind ja in diesem Fall offensichtlich egal, Hauptsache, es wird investiert. Und eines ist sicher: Das Know-how zur Prüfung der Abrechnungsunterlage gibt es dort be­stimmt.

Zu den Qualitätskriterien: Ich glaube, wir führen uns alle nicht vor Augen, dass der Bo­denschutz gerade in Österreich ein dringendes Problem ist. Wir verbrauchen doppelt so viel Boden wie Deutschland. Das heißt, wir sind absolutes Schlusslicht innerhalb der EU, also Spitzenreiter, was den Bodenverbrauch betrifft. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Schelling sowie Zwischenrufe der Bundesräte Mayer, Längle und Stögmüller.)


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 95

Und das bei unserer Struktur: Obwohl wir so viel Ödland haben, so viel Grund und Bo­den, der gar nicht bebaubar ist, verbrauchen wir von allen EU-Staaten am meisten Bo­den. Da müsste es zu Maßnahmen kommen. Und es kann nicht sein, dass sich solche Dinge ... (Bundesrat Längle: Ihr seid in der Landesregierung!) – Wir haben ein neues Raumordnungsgesetz gemacht, mit dem wir versuchen gegenzusteuern. Aber, wie ge­sagt, wenn wieder versucht wird, Investitionen auszulösen, was ich auch wichtig und rich­tig finde, muss es dazu auch Qualitätskriterien geben, die solchen Dingen wirksam ge­gensteuern und das kontrollieren.

Wir halten das für eine verpasste Chance, eigentlich für ein Aufflammen des alten Den­kens der Finanzausgleichspartner, und wir glauben, dass diese alten Muster endlich über­wunden werden müssten. (Bundesrat Mayer: ... schon alles wurscht!) Wir brauchen ei­ne Investitionspolitik von morgen, die sich an geeigneten Kriterien orientiert, Kriterien, die transparent sind, so etwas wie einen One-Stop-Shop, wo die Gemeinden die Informa­tionen, die Hilfestellungen und auch die Abrechnung vorfinden, wo sie qualifiziert bera­ten werden, um einen Weg durch den Förderdschungel, der er ja inzwischen ist, ge­wiesen zu bekommen. (Bundesrat Mayer: ... neue Bürokratie auch!) – Nein, nein, nein! Ich möchte eben, dass die Bürokratie, die wir bei allen EU-Regionalprojekten, Regio­nalförderungen und was es da alles gibt, haben, sozusagen konzentriert wird (Bundes­rat Pisec: Kennt sich eh keiner aus!), und dass damit das Service auch für die Ge­meinden ganz wesentlich verbessert, aber die Qualität eingehalten wird. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

14.28


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Schelling. – Bitte, Herr Minister.

 


14.28.45

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling|: Frau Präsidentin! Ge­schätzte Damen und Herren! Da ich auf der Liste gesehen habe, dass nach mir nur noch Pro-Redner kommen, will ich Ihnen viele Möglichkeiten geben, das entsprechend zu loben. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Daher erscheint es mir jetzt wichtig, die Dinge hier einmal aufzuklären.

Herr Bundesrat Stögmüller, ich habe bereits eine Enkelin, und die wird mir irgendwann danken, dass ich die Steuerreform gemacht habe, weil die uns ins Wachstum zurück­gebracht hat. Zu unterstellen, dass immer falsche Entscheidungen getroffen werden, und diese Kritik an Einzelbeispielen festzumachen – das muss ja schon körperlich wehtun, die­se Beispiele zu suchen (Zwischenrufe der Bundesräte Stögmüller und Reiter) –, statt das große Ganze im Überblick zu sehen, ist Punkt 1.

Punkt 2: Sie sind doch, glaube ich, Vertreter der Länder, wenn ich das richtig sehe. Wer macht denn die Raumordnungen? Der Bund? – Nein. Wer genehmigt die Projek­te? – Die Baubehörde ... (Bundesrat Stögmüller: ... vom Bundeskanzleramt gemacht!) – Sie können sich gerne noch einmal zu Wort melden, dann werden wir ja ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Ach so, völlig in Ordnung, können Sie ger­ne machen, disqualifiziert sich ohnehin selbst.

Was heißt das konkret? Sie werfen hier Dinge vor, die der Bund gar nicht beeinflussen kann, denn die Verfassungsregelungen sind so, wie sie sind, und die Raumordnung liegt auf Länderebene, und die Gemeindeordnung sagt, dass der Bürgermeister Baubehör­de erster Instanz ist. Das müsste man als Gemeinderat eigentlich wissen.

Zur Frage der Baukulturleitlinien: Ich habe das nicht verhindert – damit da kein falscher Eindruck entsteht –, da haben Sie den völlig falschen Ansprechpartner. Es gibt seit Sep­tember 2016 Konsultationen zur Baukulturleitlinie, die hätte längst beschlossen sein können. Sie ist aber nicht beschlossen, und sie liegt auch nicht vor. (Zwischenruf des


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 96

Bundesrates Stögmüller.) – Sie liegt nicht vor, und ich kann nicht etwas, das nicht vor­liegt, als Bedingung in ein Investitionsprogramm aufnehmen. Es wäre zwar visionär wün­schenswert, spekulativ über etwas nachzudenken, das wir dann ändern müssen, aber es gibt sie nicht. Also wenn Sie Kritik äußern wollen, auch mit Ihrem Entschließungs­antrag, dann müssen Sie sich, statt einen Entschließungsantrag einzubringen, an jene Stelle wenden, die für die Baukulturleitlinien zuständig ist.

Schaut man sich die Wirtschaftsentwicklung an, so stellt man fest, dass wir derzeit Gott sei Dank in einer Situation sind, in der es ein leichtes Wachstum gibt. Die Wachstums­prognosen sind leicht nach oben gesetzt worden. Aber wenn Sie sich das Wachstum im Detail anschauen, dann sehen Sie, dass gerade bei den Investitionen im ersten Quar­tal bereits wieder ein leichter Rückgang zu verzeichnen war. Was tun wir daher? – Wir haben gesagt: Beschäftigung und Wachstum sind eine besondere Zielsetzung. Daher haben wir ein Investitionsförderprogramm für klein- und mittelständische Unternehmen installiert. Jetzt kommt eines für große Unternehmen. Und wir haben gesagt, der wich­tigste Investor im lokalen, regionalen Bereich sind die Kommunen, also geben wir doch den Kommunen auch die Möglichkeit, solche Investitionsanreizprogramme zu bekommen.

Jetzt möchte ich Ihnen einfach einmal aus meiner Erfahrung sagen: Es wird niemand – kein Bürgermeister, kein Gemeinderat, keine Bürgermeisterin, keine Gemeinderätin – un­sinnige Projekte beschließen, weil die Gemeinden 75 Prozent davon selbst aufbringen und finanzieren müssen. Dieser Beschluss wird so nicht kommen. Damit würden Sie ja jetzt unterstellen, dass in der Vergangenheit von den Kommunen lauter nicht sinnvolle Projekte beschlossen worden sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das, sage ich Ihnen, ist nicht so. Sie dürfen auch nicht vergessen: Das ist eine ergän­zende Maßnahme, die ja über viele andere Maßnahmen hinaus im Kommunalbereich bereits durch die Kommunen selbst entschieden ist, und wir wollen das verstärken. Aber es ist keine Ersatzmaßnahme für das, was ohnehin auf der kommunalen Ebene pas­siert und durch den Finanzausgleich auch zum Großteil finanziert wird.

Schaut man sich also dann diese Dinge an, dann gibt es natürlich sehr wohl qualitative Kriterien, die festlegen, was gefördert wird. Das ist ja das Qualitätskriterium, das dafür sorgt, dass keine Dienstautos gekauft, sondern sinnvolle Investitionen getätigt werden. Daher glaube ich schon, dass es richtig ist, die Verantwortung zu einem beträchtlichen Teil dort zu lassen, wo sie hingehört: nämlich in den Gemeindestuben und bei den Bür­germeisterinnen und Bürgermeistern. Die sind dafür verantwortlich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Natürlich ist es – es ist schon erwähnt worden – eine deutliche Verbesserung, wenn man nicht nur den abgestuften Bevölkerungsschlüssel zum Ansatz nimmt, sondern auch die Bevölkerungszahl. Dann muss ja eine Gemeinde auch imstande sein, diese 75 Prozent Eigenfinanzierung aufzustellen.

Was die Mehrfachförderungen anbelangt, so haben wir ja im Finanzausgleich den Struk­turtopf geschaffen, damit strukturschwächere Gemeinden zusätzlich unterstützt werden können. Und wir lassen klarerweise mit dieser Richtlinie auch zu, dass im Gemeinde­verband agiert wird. Eine Gemeinde, die 1 000 € bekommt, wird zwar nicht imstande sein, große Investitionen zu machen, aber zu dritt, viert oder fünft werden Gemeinden durch­aus kommunale Investitionsmöglichkeiten haben. Daher haben wir auch gesagt, wir wollen diese interkommunale Zusammenarbeit damit auch unterstützen und fördern. Das halte ich für eine wirklich zukunftsweisende Sache. Dort werden wir noch viel mehr tun müs­sen, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Die Frage, die sich natürlich auch stellen wird, ist: Wie setzen die Kommunen diese Pro­jekte um? Deshalb haben wir gesagt, nur neue Projekte dürfen gefördert werden, und es darf keine Mitnahmeeffekte von bereits bestehenden oder budgetierten Projekten ge-


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ben. Damit soll ja gerade der Anreiz geschaffen werden, dass wir das Wachstum, das wir jetzt generieren können, durch Investitionen absichern. Beim Konsum kann sich sehr schnell wieder etwas verändern. Derzeit bildet das Hauptwachstum der Konsum, aber das kann sich schnell ändern. Aber wenn wir es schaffen, das Wachstum durch die verschiedenen Investitionsprogramme für klein- und mittelständische und große Un­ternehmen und für die Kommunen nachhaltig abzusichern – und Investitionen sind der bedeutendste Schritt für nachhaltiges Wachstum –, dann ist das genau die richtige Maß­nahme, die wir setzen.

Es bleibt die Frage: Wer wickelt das ab? – Wir haben ein Riesenprogramm, das wir über die aws abwickeln. Das hat die Buchhaltungsagentur übrigens schon gemacht, die hat ausreichende Expertise, auch bei der thermischen Sanierung. Und die Vorgehensweise ist ja die, dass wir fachlich prüfen und dann eventuell an die Länder zurückspielen, wenn es um Investitionen geht, die möglicherweise nicht dem entsprechen, was auf anderer Ebene schon entschieden ist.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern: Angenommen, ein Bundesland hat ent­schieden, dass Kleinstschulen zusammengelegt werden. Da ist es ja nicht sinnvoll, wenn dann die einzelne Gemeinde eine Investition in ein vor der Schließung stehendes Gebäude tätigt. Daher haben wir gesagt, wenn es um diese Projekte geht, wird das selbstverständlich zu den Ländern zurückgespielt, damit man nicht vor vollendete Tat­sachen gestellt wird mit der Aussage: Jetzt haben wir es so schön saniert, jetzt muss es auch erhalten bleiben. Das, glaube ich, wäre jetzt auch nicht gerade der Zweck die­ser Maßnahme.

In Summe ist es daher ein gutes Paket, das helfen soll, durch Investitionen nachhaltig Wachstum zu generieren. Ich glaube, wenn wir das abgewickelt haben, wird sich auch mit den Zusagen, die wir gemacht haben, herausstellen, dass es eine richtige und gute Entscheidung war. Es kann auch sein, dass Mittel durch die budgetären Situationen im ersten Jahr nicht abgerufen werden. Das wird wahrscheinlich sogar der Fall sein, weil wir aktuell für die nächsten Mittel nur noch ein halbes Jahr zur Verfügung haben. Der Rest wird übertragen und bleibt in den Töpfen drinnen, sodass wir dann auch die Mittel für die Kommunen entsprechend ausschütten können.

Es ist auch mit den Ländern klargestellt worden, dass es keinerlei Einschränkungen von bereits zugesagten Mitteln auf der Länderebene im Bereich der Bedarfszuweisung geben darf. Keine Einschränkungen heißt, dass die Länder nicht zulasten dieses Pro­grammes ihre Mittel einsparen können. Das ist nicht der Sinn und Zweck, und das ist auch einer der Gründe, warum wir Mehrfachförderungen zulassen; die übrigens auch noch deshalb wichtig sind, weil wir noch eine große Anzahl von Projekten haben, die auch noch EU-gefördert sind, und es ist ja sinnvoll, dass wir da Unterstützungsleistung geben.

Ich würde mir wünschen – was vielleicht vom Finanzminister nicht erwartet wird –, dass dieser Topf zu 100 Prozent ausgeschöpft wird, um Österreich nachhaltig im Wachstum zu halten. Das brauchen wir, und das wird für die Zukunft ein entscheidender Schritt sein.

Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben. Ich bedanke mich auch bei al­len, die diesem Projekt zustimmen. Ich glaube, es gibt sogar für die Grünen gute Argu­mente, um vielleicht auch noch zuzustimmen, denn sobald die Baukulturleitlinie da ist, nehmen wir sie gerne auf, aber noch gibt es sie nicht. Also mit dieser Zusage können Sie jetzt über den grünen Schatten springen und ebenfalls zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

14.37


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Lindinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



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14.38.00

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Herr Kollege Stögmüller, lieber David! (Bundesrat Mayer: ... Bürgermeister! – Zwi­schenruf des Bundesrates Stögmüller.– Ich darf feststellen, der Finanzausschuss war mit vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern besetzt; so viele habe ich noch nie in dem Ausschuss gesehen wie an diesem Tag. Bei dieser Sitzung habe ich als Vor­sitzender festgestellt – und das hat mich gefreut –, dass sich viele Bürgermeister für die­ses Investitionsprogramm für die Kommunen interessieren.

David, du kritisierst – und ich nehme selten oder nie das Handy mit ans Rednerpult –, dass für die Kommunen nichts vorgesehen ist. (Bundesrat Stögmüller: Was?!) Es gibt so viele Programme im Rahmen der Europäischen Union, wie EFRE, die nicht abgeru­fen werden, weil das Geld nicht in Anspruch genommen wird, weil keine Projekte ein­gereicht werden. Ich darf nur auf ein Projekt im Rahmen des EFRE-Programms Inves­titionen in Wachstum und Beschäftigung 2014 bis 2020 hinweisen (auf das Smartphone blickend): Es gibt das Stadt-Umland-Programm.

Wir haben uns zusammengetan, um für Stadtumlandgemeinden ein Förderprogramm auf­zustellen, die Region zu durchleuchten und raumordnungsfachliche Schwerpunkte zu setzen. Da geht es zum Beispiel um stadtregional bedeutsame Wirtschafts-, Siedlungs- und Freiraumfunktionen (Bundesrat Stögmüller: ... Bürgermeister ...!), stadtregional be­deutsame technische und soziale Infrastruktur, Schutz-, Beschränkungs-, Freihaltege­biete, Optimierung der Standort- und Siedlungsstrukturen, Verbesserung des städtischen Umfeldes. An wirtschaftlichen Schwerpunkten sind zum Beispiel enthalten: Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, Standortentwicklung und Mobilisierung und Neunut­zung von leerstehenden Industrie- und Gewerbebetrieben und Gewerbebrachen.

Das haben wir alles in dem Programm drinnen. Wir sind eine kleine Region, 15 000 Ein­wohner, und wir haben uns zum Ziel gesetzt, das Programm gemeinsam in Koopera­tion mit fünf Gemeinden umzusetzen. (Bundesrat Stögmüller: Das ist eh super!) Das kann jede Region machen. Das kann auch Braunau machen; bei Braunau würde es zum Beispiel eine Investitionssumme von circa 1,2 Millionen € auslösen, wenn die Gemein­de Braunau in den nächsten eineinhalb Jahren ein Projekt macht. (Bundesrat Stögmül­ler: Ist eh schon längst geplant, seit Jahren!) – Ja, das ist ja toll! 311 000 € stehen der Gemeinde Braunau in diesem Programm zur Verfügung, meiner Gemeinde zum Beispiel über 100 000 €, bei Kollegen Oberlehner ist es ein bisschen weniger, 9 900 €, aber wenn wir kooperieren würden, könnten wir noch ein bisschen etwas kriegen.

Geschätzte Damen und Herren! Intelligente Projekte in den Gemeinden fördern die ört­lichen Gewerbebetriebe, fördern die örtlichen Strukturen, denn jeder Euro, den die Ge­meinde in der Region investiert, bleibt ja fast immer in der Gemeinde und sichert Ar­beitsplätze. Mit dem Programm, hat man geschätzt, werden insgesamt 8 500 Arbeits­plätze gesichert oder neu geschaffen. (Ruf bei der FPÖ: Wertschöpfung!)

Morgen ist ein Feiertag in meiner Gemeinde, da wird ein Kindergarten eröffnet, ein sa­nierter Kindergarten. Ein alter Vierkanthof ist saniert worden. Er war in den Neunziger­jahren ein Flüchtlingsheim, dann eine Polytechnische Schule, ein Kinderheim – das The­ma hatten wir heute auch schon auf der Tagesordnung –, und jetzt ist es ein Kindergar­ten und eine Krabbelstube. Das war eine Investition – mit dem Ankauf – von 2 Millionen €.

Geschätzte Damen und Herren! Der örtliche Tischler hat das eingerichtet, der örtliche Installateur hat die Heizung installiert, der örtliche Elektroinstallateur hat die Elektroins­tallation gemacht (Zwischenruf des Bundesrates Samt) – das ist Wertschöpfung in der Region, und diese Investitionen bleiben im Ort. In einem Monat, liebe Kolleginnen und Kollegen, eröffnen wir den Neubau des Gemeindeamtes. Ich habe es hinter mir, ich ha­be über ein Jahr in einem Containerdorf gelebt. (Bundesrat Längle: Schlafen Sie im Rat-


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haus?) Den Mitarbeitern dieses Hauses steht das noch bevor. Wir sind mit genau so ei­nem Programm übersiedelt, wie wir es gestern gehört haben, hin und zurück.

Geschätzte Damen und Herren! In den Kommunen ist es ganz wichtig, dass investiert wird und dass die Gemeinden unterstützt werden. Da muss ich schon sagen, es war gut, dass die Bundesregierung das Kommunalinvestitionsgesetz initiiert hat und 175 Millio­nen € direkt den Gemeinden zur Verfügung stellt. Ich glaube doch, dass für alle Ge­meinden etwas dabei ist, auch Kollege Bock wird für seine Gemeinde etwas für die Infrastruktur unter der Erde aus diesem Investitionsprogramm bekommen. (Bundesrat Bock: Barrierefreiheit!) – Ja, alle Gemeinden können etwas davon haben! Am meisten können die Gewerbebetriebe davon profitieren, zur Sicherung der Arbeitsplätze in den Regionen.

Ich glaube, dass das ein gutes Programm ist, unkonventionell und kurzfristig, das die Gemeinden motiviert, etwas zu investieren. In diesem Sinne freuen wir uns auf die nächs­ten eineinhalb Jahre. Herr Finanzminister, ich verspreche Ihnen: Wir haben nichts zu ver­schenken, wir werden den vollen Betrag abholen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.44


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Bevor wir in der RednerInnenliste fortsetzen, darf ich die Vertreter der Gemeinden, die im Rahmen des Mitarbeiterausflugs der Gemein­den Wörterberg und Hackerberg hier bei uns sind, begrüßen, stellvertretend für alle: Frau Bürgermeisterin Karin Kirisits aus Hackerberg und Amtsleiterin Gertrude Loipers­böck aus Wörterberg. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Samt. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.45.15

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer aus den Gemeinden hier im Saal und vor den Bildschirmen! Wie wir von den Vorrednern, vor allem von Kollegen Lindin­ger, gehört haben: Alles bleibt besser.

Ich werde anders anfangen, als ich gedacht habe: Wir werden diesem Projekt klarer­weise zustimmen und auch diesem Gesetz, weil angesichts der Wahl zwischen Gar-nichts-Kriegen und 175 Millionen € österreichweit für die Gemeinden, in einem neuen, nicht ganz konventionellen oder nicht den bisherigen Konventionen entsprechenden Ver­fahren, Letzteres immer noch besser ist. Das kann man unterstützen, und das werden wir auch tun.

Ein Kollege hat es aber schon gesagt: Mit 175 Millionen € österreichweit für die Ge­meinden, genau nach dem Schlüssel abgestuft, wo man ja schon nachlesen kann, wel­che Gemeinde was kriegen wird, werden wir natürlich nicht alles niederreißen. Ich bin auch nicht ganz so euphorisch, was die geplanten oder in den Raum gestellten Ar­beitsplatzzahlen betrifft; aber noch einmal: Jede Maßnahme, die gesetzt wird, ist im Ver­gleich zu keiner Maßnahme eine gute Maßnahme, und deswegen kann man das auch durchaus unterstützen.

Betreffend diesen Zweckzuschuss brauche ich eigentlich gar nicht mehr näher zu er­klären, worum es da genau geht, das sind diese 175 Millionen € mit eigenem Control­ling. Ich glaube auch, dass für diese Art von Controlling – und da auch meine Botschaft an die Grünen – keine Baufachleute vorgesehen werden müssen. Auch wenn ich in vie­len Punkten nicht mit dem Herrn Finanzminister übereinstimme, hat er da völlig recht: Die Länder sind verantwortlich. Die Baugesetzgebung liegt bei den Ländern, und ich kann es nur für die Steiermark sagen: Da gibt es wirklich ernsthafte Bemühungen, die­sen Wildwuchs, den wir haben, einzudämmen. Ich weiß – Sie haben recht, Frau Kol­legin Reiter –, dass wir bisher mit Grundstücksflächen oder mit Flächen überhaupt lie-


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derlich umgegangen sind, aber es sind wirklich – ich glaube, meine Kollegen aus der Steiermark werden mir das bestätigen – maßgebliche Bestrebungen im Gange, diese Din­ge zu ändern.

Außerdem hat auch bei uns in der Steiermark die Bildung von Regionalzentren und Re­gionalbüros schon dazu geführt, dass nicht mehr jede Gemeinde versucht, ihr eigenes Abfallwirtschaftszentrum zu bauen, nur weil man gerade Geld dafür kriegen würde, egal aus welcher Richtung, ob vom Land, vom Bund oder von der EU, sondern dass man doch über die Nutzung von Gewerbeflächen und so weiter miteinander redet und tat­sächlich nur mehr sinnvolle Projekte daherkommen.

Dass das immer so war, das will ich jetzt nicht unterstreichen, und wir waren – da bin ich schon wieder nicht mehr ganz Ihrer Meinung, Herr Bundesminister – in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit teilweise völlig sinnlosen Geschichten in den Gemeinden konfrontiert. Ich glaube, ich brauche Ihnen jetzt nicht die steirischen Gemeinden aufzu­zählen, die vor allem in den letzten sieben bis zehn Jahren völlig falsch geführt wurden, und da müssen wir die Bürgermeister, die das betrifft, leider schon in die Pflicht neh­men und, wie ich hoffe, auch in die Haftung. Was da an Geld verschossen worden ist, das ist unglaublich.

Damit sind wir beim nächsten Thema, das ist ein länderspezifisches Thema, das hat nicht unmittelbar mit dem Bund zu tun: die freihändige Vergabe von Bedarfszuweisungs­mitteln. In der Steiermark machen sie in etwa diesen Betrag aus, der jetzt vom Bund freigegeben wird. Es gab 2013 in etwa 140 bis 150 Millionen € in Form von freihändi­gen Vergaben durch die Gemeindereferenten, also Landeshauptleute und Stellvertre­ter. Diese vergeben noch immer völlig intransparent, völlig ohne Kontrolle an Gemein­den Gelder, eben in dieser Größenordnung. Wenn ich es jetzt auf die Steiermark mit 286 Gemeinden rückrechne, da ist der Aufteilungsschlüssel schon ein ganz anderer. Das bekommt aber nicht jeder, so wie bei diesem Projekt, sondern das bekommen eben nur – unter Anführungszeichen – „bevorzugte Gemeinden“. Also der, der es am besten kann und beim Landeshauptmann das beste Standing hat, der bekommt dann auch entsprechend Geld.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es in den anderen Bundesländern ist, aber das muss schnellstens abgeschafft werden. Das gehört wirklich neu struktu­riert, es muss da objektive Möglichkeiten geben, solche Summen transparent zu verge­ben, damit nicht genau das passiert, was man mit diesem Projekt schon ein wenig in den Griff bekommt und verhindern kann, nämlich dass in sinnlose Dinge investiert wird oder dass Gemeinden oder deren Bürgermeister oder deren Gemeinderäte und Ge­meindeführungen für ihr Fehlverhalten alle Steuerzahler in Geiselhaft nehmen und mit Bedarfszuweisungen – die ja eigentlich auch für Infrastrukturmaßnahmen in den Län­dern gedacht sind – nicht mehr zahlbare Sozialhilfeleistungen oder sonstige Dinge ab­decken, bei denen die Gemeinde ins Minus gekommen ist. Das muss auf jeden Fall schnellstens abgeschafft werden.

Dass wir da keine Beispiele haben, das würde ich jetzt auch nicht unterstreichen. Es gibt ja Beispiele wie eben das sogenannte Salzburger Modell oder auch das Kärntner Modell. Das sind zwei unterschiedliche Möglichkeiten, Bedarfszuweisungen zu vergeben.

In Salzburg sind es Projektförderungen, die allerdings auch von einer gewissen Finanz­kraft der Gemeinde ausgehen. Auch da ist es so, wie bei diesem 175-Millionen-€-Pro­jekt, dass die Gemeinde zumindest einen Großteil der Leistung selbst aufbringen muss, das heißt: 75 Prozent plus irgendeine Bedarfszuweisung oder Förderungsmittel; min­destens die Hälfte, würde ich einmal sagen, muss aufgebracht werden.

Es gibt aber auch einen anderen Aufteilungsschlüssel, wie zum Beispiel beim Kärntner Modell, das sich ganz eindeutig nach den Bevölkerungszahlen richtet und bei dem alle Gemeinden, ähnlich dem jetzigen Verfahren, gleich viel Geld bekommen.


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Ich glaube, das sind praktikable Verfahren, und da wir in der Länderkammer sind, er­wähne ich das auch. Das sollte man auch für andere Bundesländer, wo dies – wie in der Steiermark – nicht der Fall ist, überlegen. Das hier loszuwerden war für mich wich­tig.

Noch einmal wiederhole ich meinen Eingangssatz: Wir werden diesem Gesetz zustim­men, weil wir der Meinung sind, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist. Alles werden wir nicht machen können, aber es stellt in jedem Fall doch eine Hilfe für die Gemeinden dar. Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.52


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


14.52.53

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gleich zu Beginn: Ich freue mich als Bur­genländerin natürlich sehr, dass Vertreter einer burgenländischen Gemeinde da sind, wenn wir diesen wichtigen Punkt besprechen.

Ich möchte ganz am Anfang auch sagen, dass es nicht sein kann, dass es irgendwo in Österreich eine Gemeinde gibt, die sagt: Das ist aber wirklich nichts, das kann es nicht sein! Man kann bei allem, das wir neu machen, bei jedem Gesetz, das wir neu schaf­fen, natürlich irgendwo ein Haar in der Suppe finden; das ist unbestreitbar, das wird so sein, das passiert uns im Privaten genauso, wie es in der Politik passiert. Wenn aber die Bundesregierung ein Paket mit 175 Millionen € schnürt und diese 175 Millionen € so aufgeteilt werden, dass von Anfang an jede Gemeinde eine Chance hat, einen Teil dieses Geldes zu bekommen – nämlich wirklich jede Gemeinde, egal, ob die Gemein­de zehn Angestellte hat, von denen einer vielleicht eh nur dafür abgestellt ist, zu schau­en, wo es Förderungen gibt, oder nur zwei Angestellte wie in meiner Gemeinde –, wenn man weiß, es gibt einen fixen Betrag, mit dem man Projekte, die man schon lange ma­chen möchte, leichter umsetzen kann, so kann das nur zu befürworten sein.

Klar, David, du hast prinzipiell recht damit – das hat auch der Herr Minister gesagt –, dass diese Richtlinien mit hineinkommen sollten, aber sie sind noch nicht fertig. (Bundesrat Stögmüller: Die gibt es schon seit 2007!) – Nein, ich habe extra noch einmal nachge­sehen, David, 2011 gab es die Richtlinien noch immer nicht; ich habe wirklich nachge­sehen, bitte glaube es mir!

Jede Gemeinde kann also mit einem fixen Förderbetrag rechnen. Noch dazu kommt, dass wir diesmal auch zusätzliche Förderungen in Anspruch nehmen können. Sonst ste­hen Gemeinden immer vor der Situation, dass sie eine Förderung bekommen, die Hälf­te aber selbst aufstellen müssen und eh nicht wissen, wie sie zu dem Geld kommen. Nun gibt es einmal die Möglichkeit, zusätzlich eine Förderung in Anspruch zu nehmen. Das heißt, auch das ist ein sehr positives Zeichen.

Dann kommt noch dazu, dass diese Förderung nicht über die Länder geht. Ich gebe meinem Vorredner recht, wenn er sagt, dass es für Gemeinden manchmal schwer ist, von den Ländern den Betrag, der ihnen zusteht, auch wirklich zu bekommen. Jetzt gibt es diese Schiene nicht, die Bundesregierung gibt das Geld direkt den Gemeinden. Auch das ist eine sehr positive Maßnahme. Das heißt, mit diesem Gesetz schaffen wir als Länderkammer für die Gemeinden eine sehr, sehr wichtige und fortschrittliche Sache.

Es wurde von Minister Schelling auch schon das gemeindeübergreifende Arbeiten an­gesprochen, das Burgenland ist da sicherlich ein Vorreiter. Ich will jetzt nicht die Steier­mark kritisieren oder so, aber ich bin gegenüber gemeindeübergreifender Zusammen­arbeit aufgeschlossener, wenn die Gemeinden selbst bestimmen können, in welchen Be-


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reichen sie zusammenarbeiten wollen, als wenn Gemeinden nach einer Fusionierung zu­sammenarbeiten müssen, sich dann aber vielleicht gar nicht so gut verstehen.

Meine Gemeinde war einmal mit einer anderen kleinen Gemeinde zusammen, sie ha­ben von der Struktur her nicht zusammengepasst, sind jetzt wiederum getrennt; wir ar­beiten aber mit sehr vielen anderen Gemeinden im Umfeld in den Bereichen zusam­men, in denen wir zusammenpassen. Auch das fördert dieses Gesetz: die Eigenstän­digkeit der Gemeinden, die Möglichkeit, als Gemeinde auszusuchen, in welchem Be­reich man wo zusammenarbeitet. Also noch einmal: ein sehr guter Ansatz.

Ich weiß nicht, Herr Kollege Oberlehner, ich glaube, du hast gesagt, dass der Rest im Gemeindetopf bleibt. Das heißt, wenn eine Gemeinde das Geld nicht gleich ausschöp­fen kann, geht es nicht zurück in ein großes Universum, sondern bleibt für die Gemein­den erhalten. – Da gibt es wirklich sehr vieles, das klug gemacht und für die Gemein­den sehr gut durchdacht wurde, vor allem im Hinblick auf all die Herausforderungen, die die Gemeinden haben und bewältigen müssen, und das sind ja nicht wenige, denn Gemeinden sind von der Geburt bis zum Sterben für alles verantwortlich. Manchmal bin ich wirklich der Überzeugung, dass die Gemeindemitarbeiterinnen und Gemeinde­mitarbeiter auch eine psychologische Ausbildung bräuchten, denn Gemeinden sind nicht nur Servicestelle für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Anlaufstelle betreffend Behörden, wir sind auch die oberste Bauinstanz. Wir sind in alles, was das Leben der Mitbürger betrifft, involviert und wollen und müssen als Gemeinde für sie da sein; da­her: ein herzliches Dankeschön.

Eine Anmerkung hätte ich noch: Herr Minister Schelling, Sie haben gerade gesagt, dass es ein Investitionsprogramm für kleine und mittlere Unternehmen gibt – was sehr gut und sehr wichtig ist, wir haben schon besprochen, dass dies sehr notwendig ist  und dass es auch noch ein Investitionsprogramm für größere Unternehmen geben wird. Es gibt jetzt dieses Kommunalinvestitionsgesetz, und das, was ich mir wirklich noch wün­sche, ist, dass wir die Aktion 20 000 für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ös­terreich umsetzen, denn das ist etwas, womit wir nicht nur für 20 000 Menschen einen Arbeitsplatz schaffen, sondern neben diesem Arbeitsplatz auch Werte vermitteln und den Menschen und ihren Familien sehr, sehr viel geben können.

Ich glaube, dass es für diese Regierung sehr gut wäre, die Aktion 20 000 für alle Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich noch zu beschließen. Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.58

14.58.24

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundes­räte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kommunalinvestitionsgesetz 2017.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

14.59.1610. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Mai 2017 betreffend Protokoll zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Ab-


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änderung des am 8. November 1999 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (1609 d.B. und 1619 d.B. sowie 9802/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir gelangen nun zu Punkt 10 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Heger. Ich bitte um den Bericht.

 


14.59.45

Berichterstatter Peter Heger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kol­legInnen des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses; dieser liegt in schriftlicher Form vor.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates hat das Ziel, mehr Transparenz und Amts­hilfe auf dem Gebiet des Informationsaustausches nach dem OECD-Standard sowie Amts­hilfe auf dem Gebiet der Vollstreckung von Steuern in der steuerlichen Zusammenar­beit mit Indien zu schaffen.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergän­zend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder ge­regelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG erforderlich.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.01.13

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Geschätzte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Indien ist eines jener Länder, das weltweit das stärkste Wirtschaftswachstum hat. Gestern konnte man in den Medien in Deutsch­land verfolgen: Präsident Modi war bei Angela Merkel und hat ein großes wirtschaftli­ches Geschäft abgeschlossen. Deutschland hat großes Interesse an Indien.

So ist es auch für Österreich wichtig, im steuerlichen Bereich mit Indien entsprechende Abkommen zu schließen. Mit diesem Vertrag und mit dieser Vertragsänderung wird ei­ne Verbesserung der steuerlichen Begutachtung von indischen Investitionen, aber auch von Einkommen ermöglicht, und dementsprechend wird es erschwert, den Fiskus zu um­gehen. Somit hat Österreich die Möglichkeit, auf steuerliche Maßnahmen in Indien zuzu­greifen, was vielleicht in der Vergangenheit nicht so einfach gewesen wäre. Zum Bei­spiel können jetzt Betriebsprüfungen, wenn sie als notwendig empfunden werden, auch im Ausland stattfinden. Somit hat unser Finanzministerium die Möglichkeit, dies geltend zu machen.

Wir erfüllen damit, entsprechend einem Revisionsprotokoll, das Österreich ja vorbildlich unterzeichnet hat und das für uns auch gilt, auch OECD-Standards.

Wir, die ÖVP-Fraktion, stimmen diesem Abkommen natürlich zu und wünschen uns auch, dass in Zukunft sachgerechte Abkommen mit anderen Ländern zustande kommen, denn in einer global vernetzten Wirtschaft wird es auch immer wichtiger sein, dass die Steu­erabkommen und die Steuerflüsse so transparent sind, dass sie auch den Ländern zu­geordnet werden können, denen sie zugeordnet werden müssen.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 104

In diesem Sinne, Herr Finanzminister Schelling: Danke schön dafür, dass Sie diese Mög­lichkeit geschaffen haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.03


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat We­ber. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.03.31

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit Indien stammt aus dem Jahr 1999 und wird nun durch ein Abänderungsprotokoll aktua­lisiert. Wir erneuern das Abkommen jetzt und passen es dem hohen OECD-Standard zum Informationsaustausch in steuerlichen Angelegenheiten an. Wir ermöglichen eine – wenn auch eingeschränkte – Amtshilfe zur Vollstreckung der Steuern.

Der neue Artikel 26 betrifft den Informationsaustausch für jene Daten, die voraussicht­lich erheblich sind. Die Daten sind geheim zu halten und können in den Verfahren bei Verwaltungsbehörden und Gerichten, die mit der Veranlagung oder Erhebung bezie­hungsweise Vollstreckung befasst sind, verwendet werden.

Das Bankgeheimnis steht dem Informationsansuchen eines anderen Staates nicht ent­gegen. Die eingeschränkte Vollstreckungshilfe zielt auf die nicht gerechtfertigte Inan­spruchnahme von Abkommensvorteilen, zum Beispiel der Befreiung von Steuern oder ei­nem reduzierten Quellensteuersatz, ab.

Die Änderungen treten drei Monate nach dem Protokollaustausch in Kraft.

Diese Novelle unterstreicht die erfreuliche Zusammenarbeit und das Weiterwirken Ös­terreichs an den Programmen der OECD. Wir erreichen mit den Änderungen im Dop­pelbesteuerungsabkommen mit Indien die Umsetzung – entsprechend der Empfehlun­gen – eines besseren Informationsaustausches.

Dieses Abkommen mit Indien stellen wir hiermit auf neue Füße. Die Änderung ist, wie gesagt, zu begrüßen, und ich hoffe, ebenso wie mein Kollege Ferdinand Tiefnig, dass noch viele weitere Doppelbesteuerungsabkommen beschlossen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.05


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Läng­le. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.05.46

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Zu Indien wurde schon viel gesagt: Indien ist sicherlich ein sehr, sehr wichtiger Partner, gerade hinsichtlich der Situation in der Welt­wirtschaft beziehungsweise der immer stärker zunehmenden Vernetzung und Globali­sierung.

Das 21. Jahrhundert ist ja mittlerweile ein Jahrhundert, in dem es aufgrund des techni­schen Fortschritts recht einfach geworden ist, nicht nur Daten, sondern auch Materia­lien, Pakete und dergleichen von Kontinent zu Kontinent zu verschieben. Daher ist es umso wichtiger, dass wir auch gewisse Standards haben. Diese Standards sind die so­genannten OECD-Standards; dazu kommen die angesprochenen Amtshilfebefugnisse.

Von unserer Seite kann man diesem Beschluss nur beipflichtend zustimmen, da er in sich schlüssig und sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung ist. – Danke. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

15.06



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Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.06.57

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Nur noch einen Satz dazu; im Pro­tokoll ist unter Ziffer 3 Folgendes vereinbart:

„Es besteht Einvernehmen darüber, dass Artikel 26 Absatz 5 des Abkommens die Ver­tragsstaaten nicht dazu verpflichtet, Informationen [...] auf automatischer oder sponta­ner Basis auszutauschen.“

Da ist es mir unverständlich, warum man weiter darauf beharrt, keinen automatischen Datenaustausch zuzulassen, obwohl inzwischen das Bankgeheimnis de facto abgeschafft ist und sowohl EU als auch OECD den automatischen Datenaustausch zum Standard machen möchten. In diese Richtung sollten wir verstärkt gehen und das nicht sozusa­gen hemmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.07

15.07.54

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG erforderlich.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

15.09.1111. Punkt

EU-Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Finanzen (III-617-BR/2017 d.B. sowie 9803/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter zu diesem Punkt ist Herr Bundesrat Weber. – Ich bitte ihn um den Be­richt.

 


15.09.15

Berichterstatter Martin Weber: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Finanz­ausschusses über die EU-Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Finanzen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, die EU-Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Finan­zen zur Kenntnis zu nehmen.

 



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 106

Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pisec. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.09.52

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Also manchmal kom­men in Bezug auf die Privatwirtschaft – und das ist für mich von Interesse – von der Euro­päischen Kommission auch ganz gute Sachen.

Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben es in Ihrer Jahresvorschau angeführt, ich darf das erwähnen: die Kreditversorgung von KMUs ist sicherzustellen – wieder eine Inves­titionsoffensive für kleine und mittlere Unternehmen –, die Verbesserung des unterneh­merischen Umfeldes und das Wachstum für Beschäftigung, all das sind Paradigmen, die wir von der FPÖ natürlich unterstützen.

Interessant ist auch der Hintergrund, dass heute, gerade zu dieser Stunde, der Vize­präsident der Europäischen Kommission, der aus Estland stammende Andrus Ansip, hier im Haus weilt und – nur als Vergleich zu den ökonomischen Rahmenbedingungen in Österreich sehr stolz auf sein Land ist. Er weiß, wie man Industriebetriebe und Wirt­schaft anziehend gestaltet. In Estland gibt es eine Körperschaftsteuer von 0 Prozent und eine Gewinnentnahme von 20 Prozent. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass das Wachstum permanent zwischen 1 und 3 Prozent herumwandert, denn das schafft natür­lich Beschäftigung und Wachstum.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe mir erlaubt, Ihre Jahresvorschau mit Ih­rem Pakt für Österreich zu fusionieren. Diese Programme, die von der Europäischen Kom­mission vorbereitet werden, müssen natürlich in nationales Recht umgesetzt werden. Daran hapert es ja in Österreich. Wir sind – unter Anführungszeichen – „stolz“ auf un­ser Höchststeuerland, wir wollen ja unsere Höchststeuer für alle Leidenden das ist ei­gentlich das Paradigma, das ist die richtige Begrifflichkeit dafür  erhalten. (Bundesrat Mayer: Steuerreform nicht vergessen!) – Das ist nicht das Thema hier, aber ich kann gerne darauf auch noch einmal replizieren.

Bleiben wir einmal bei der Kreditversorgung: Gerade jetzt, in der Konjunktur, die von Chi­na und Asien ausgeht aber das konnten Sie nicht wissen, sehr geehrter Herr Minis­ter, Sie hatten Stichtag Jänner, da war das noch nicht so klar –, geht es darum, mit Um­sätzen mitzuschwimmen und mitzugestalten. Da braucht man natürlich eine Finanzie­rung, damit man in die Produktion einsteigen kann. Und das ist ein Hauptproblem, das funktioniert hier in Österreich nicht. Wir brauchen Finanzintermediäre, die dies auch schaffen. Wir alle kennen die restriktiven Vorgaben bei Basel II, Basel III für die Ban­ken, die in der Kreditvergabe nicht wie gewünscht mithalten können. Daher ist es ge­fragt, Fonds, Private Equity, Wagniskapital nach Österreich zu holen und bei der un­glaublichen Geldschwemme, die die Europäische Zentralbank produziert, das Kapital mit attraktiven Steuersätzen nach Österreich zu lenken, so wie es der estnische Vize­präsident der Europäischen Kommission vorgezeigt hat.

Es ist auch nicht verwunderlich, und das ist eigentlich ein Alarmsignal – ich glaube zu wissen, dass Sie es in Ihrer Rede zum Pakt für Österreich indirekt erwähnt haben –, dass wir bereits im ersten Quartal 2017 Sie haben 2016 gemeint, aber 2017 ist es ganz of­fensichtlich – mit einem Kapitalabfluss konfrontiert sind. Das ist halt schon erwähnens­wert, dass offensichtlich internationales Kapital überhaupt nicht nach Österreich fließt, weil eben der Standort nicht interessant ist. Dazu gehört auch die Wiener Börse als traditionelle Handelsplattform, in der Eigenkapital und Fremdkapital gehandelt werden, und dazu gehört auch, sehr geehrter Herr Minister, der Dritte Markt für unsere KMU-Betriebe, so wie er zurzeit gerade in Deutschland mit dem Scale-Markt eingerichtet wur-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 107

de. Diese Finanzierung benötigen wir. Diese Finanzierung brauchen wir gerade in einer Konjunktur, um die Umsätze, um die Produktion zu schaffen und mit der internationalen Konjunktur, mit der Weltwirtschaft, die sich jetzt günstig zeigt, mitzuschwimmen. Nichts anderes ist da gefragt, nichts anderes wird von uns, von der FPÖ, auf jeden Fall gefor­dert.

Ich zitiere den exzellenten Ökonomen Christian Keuschnigg, bekanntlich Ex-IHS-Vor­sitzender, der in einer Finanzanalyse, in einem Bericht im Sommer 2016 gemeint hat – ich zitiere –: „[...] ist der heimische Kapitalmarkt faktisch nicht existent, so dass staatli­che Institutionen wie die AWS die Lücke schließen müssen.“

Sehr geehrter Herr Minister! Wir Unternehmer, die österreichischen KMU-Betriebe wol­len frei sein, sie wollen unabhängig sein, sie wollen nicht von Gnadenakten und irgend­welchen bürokratischen Apparaten abhängig sein – vielleicht erhalten sie Geld, vielleicht erhalten sie kein Geld –; vor allem die innerbetriebliche Finanzierung ist da gefragt.

Da komme ich auch gleich zum nächsten Punkt, zur Investitionsoffensive für KMUs, die auch von der Europäischen Kommission eingefordert wird: Wir, die österreichischen Un­ternehmen, benötigen Kapital, um Investitionen zu tätigen. Das haben Sie in einer Re­de zuvor schon selbstverständlich richtig erkannt, Sie wissen natürlich auch, dass die Investitionen das Wichtigste sind, um Wirtschaftswachstum zu generieren, um Innova­tionen ausleben zu können, damit sich dieser berühmte Unternehmensgeist präsentie­ren kann, umgesetzt werden kann.

Daher müssen diese standortschädlichen Faktoren unbedingt beseitigt werden. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) Die KMU-Betriebe in Österreich benötigen Investi­tionsfreibeträge, benötigen die Senkung der Körperschaftsteuer, der Kapitalertragsteu­er. Diese Erhöhung aus der Steuerreform, die du, lieber Kollege Mayer, angesprochen hast, war das absolut falsche Signal, ein falscher Anreiz, der den Standort Österreich weiter geschädigt hat. Das darf ich hier einmal festhalten. (Bundesrat Mayer: ... Ein­kommensteuer!) Wir benötigen eine Senkung der viel zu hohen Lohnnebenkosten, der viel zu hohen Lohnzusatzkosten, damit wir Beschäftigung schaffen können.

Sehr geehrter Herr Minister! Jetzt darf ich zu Ihrer Rede zum Pakt für Österreich kom­men, die ich hochinteressant fand und die ich mir noch einmal durchgelesen habe. Jetzt gibt es ja keine Koalition mehr, Bundeskanzler Kern hat das Spiel der freien Kräfte aus­gerufen, aber bitte, Herr Minister, Sie kommen aus einer Wirtschaftspartei – es wird noch immer gesagt, die ÖVP sei die Wirtschaftspartei –, setzen Sie Ihre Forderungen aus dem Pakt für Österreich hic et nunc um! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich werde jetzt nur drei herausnehmen (Zwischenrufe bei der ÖVP):

Schaffen wir die kalte Progression ab! – Forderung Nummer eins, Ihre Forderung!

Schaffen wir einen Investitionsfreibetrag! – Ihre Forderung, sehr geehrter Herr Minister!

Senken Sie die Körperschaftsteuer! – Ihre Forderung, sehr geehrter Herr Minister!

Sie haben die Chance, Ihr Wirtschaftsprogramm in den nächsten Monaten durchzuset­zen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Tun Sie es, tun Sie es, damit Sie wirklich Realität, Faktizität schaffen und nicht rhetorische Künste, die wir von der FPÖ von Re­gierungsseite gewöhnt sind! Wir wollen die Umsetzung sehen, das ist uns wichtig. (Bun­desrat Mayer: Da müsst ihr aber mitstimmen! Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth.Probiert es aus!

Zum Schluss: Europa wird über die EZB, eine Verursacherin der Geldschwemme, re­giert. Mario Draghi, ein italienischer Nationalist, hält praktisch Italien am Tropf. Der kran­ke Mann in der Wirtschaft ist nicht der kranke Mann am Bosporus, der kranke Mann Eu­ropas ist mittlerweile Italien. Das ist ein Damoklesschwert, das über uns allen schwebt.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 108

Daher ist es wichtig, die Wirtschaft in Österreich fit for life zu machen, damit wir in Zu­kunft angesichts des mit Spannung zu erwartenden Falls Italiens reüssieren können und uns letztlich nicht dieses ganze System und die Währung der EU, mit der wir praktisch alle in einem Boot sitzen, auf den Kopf fallen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.18


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Köck. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.18.27

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte KollegInnen! Liebe Gäste! Ich weiß nicht, ob wir uns wirklich so sehr an Estland orientieren sollen. Mir ist es lieber, wir sind in allen Rankings betreffend Bruttoinlandsprodukt, Wohlstand und alles andere dort, wo wir sind, und nicht dort, wo Estland ist. Deshalb denke ich, wir sollten unsere Probleme mit unseren Leuten hier lösen, die machen das gut. (Beifall des Bundesrates Mayer. Zwischenruf des Bundesrates Pfister.)

Zur EU-Jahresvorschau für Finanzen: Ich meine schon, dass diese Vorschau auch sehr positive und unterstützende Maßnahmen enthält, vor allem den Europäischen Fonds für strategische Investitionen, wodurch mit 60 Milliarden € in drei Jahren 315 Milliarden € an Investitionen ausgelöst werden sollen und versucht werden soll, riskante Investi­tionen zu unterstützen. Das derzeit anspringende Wirtschaftswachstum wird damit si­cherlich unterstützt werden und um einiges höher ausfallen als vielleicht in den letzten Jahren.

Der Bericht beschäftigt sich vor allem auch mit Steuerflucht und Steuervermeidung. Das wird wichtig sein. Wir alle kennen Panama Papers, Luxemburg Leaks und Ähnli­ches, und es wird sicher notwendig sein, da aktiver als im letzten Jahrzehnt zu sein. Ös­terreich hat ja auch die Forderung, dass eine Liste mit nicht kooperativen Drittstaaten erstellt werden soll, damit man möglicherweise früher eingreifen kann und den Tätern letzt­endlich nicht immer hinterherläuft.

Diese bilateralen Abkommen, wie das zuvor mit Indien, tragen ja auch dazu bei, dass man da Stück für Stück nach vorne kommt und die Steuerflucht und die Steuervermei­dung eben hintanhalten kann. Österreich ist in diesem Bereich auch sehr aktiv. Wir ha­ben ja den Vorsitz in der Gruppe, die die Finanztransaktionssteuer ausarbeitet, und wir hoffen auch, dass es bald zu einer guten Lösung kommt, damit mehr als die zehn Län­der, die bisher mitarbeiten wollen, mittun.

Der Bericht enthält auch eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, die vor allem von den Deutschen und den Franzosen in den letzten Tagen medial auch immer wieder gefordert wurde. Diese Forderung ist sicherlich grundsätzlich positiv zu sehen, aber ich meine, dass es auch da zuerst einmal gilt, die bestehenden Regeln umzuset­zen und erst dann die nächsten Schritte zu setzen.

Ich würde schon sagen, dass die Eurozone die Finanz- und Schuldenkrise eigentlich sehr gut bewältigt hat, wenn wir uns das Ausmaß von 2008 ansehen; sehr viele Volks­wirtschaften sind ins Wanken geraten und konnten doch relativ gut aufgefangen wer­den, jetzt ist vor allem auch Griechenland auf einem guten Weg. Es muss sicherlich da­rauf geachtet werden, dass die Forderungen des europäischen Schutzmechanismus letz­ten Endes auch eingehalten werden. Wir können nicht dazu übergehen, dass alle an­deren Länder die Schulden von einem Land zahlen sollten, das würde beispielgebend sein und Tür und Tor öffnen. Wir müssen weiter wie bisher arbeiten, und es war gerade unser Finanzminister – das haben wir einige Male gesehen –, der in der EU darauf strikt geachtet hat.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 109

Die Bankenunion soll weiter forciert werden. Wir müssen aufpassen, dass die Auflagen für unsere Banken nicht zu hoch werden, um weiterhin auch unsere Unternehmen fi­nanzieren zu können. Da ist vielleicht in den letzten Jahren zu viel getan worden. Den­ken wir an die Eigenkapitalquoten und an alle anderen Maßnahmen, da werden man­che Banken doch sehr gefordert.

Der Bericht sieht auch vor, dass KMUs einfachere Möglichkeiten zur Finanzierung ha­ben, und es ist ganz interessant, dass da auch die Finanzierungsmöglichkeit Crowdfun­ding ins Spiel gebracht wird. Da sind wir offensichtlich der EU schon zuvorgekommen und haben in Österreich ein positives Beispiel gegeben.

Ein zentrales Thema ist aber auch die Bewältigung der Migrationskrise, die uns in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich in allen Bereichen beschäftigen wird. Diesbezüg­lich muss es natürlich finanzielle Vorsorge geben, man muss aber auch auf politischer Ebene anders als in den letzten Monaten agieren. Gerade vor zwei Tagen habe ich in ei­ner Tageszeitung einen Bericht gelesen, wonach die afrikanischen Länder gefordert ha­ben sollen, die Mittelmeerroute zu schließen, weil ihnen die jungen Menschen wegren­nen. Sie sagen, solange es diese Möglichkeit gibt, werden die Menschen gelockt, wer­den sie ihr ganzes Geld hergeben und sehr viele werden im Mittelmeer sterben. Wenn diese Forderung auch einmal von dort kommt, dann muss letzten Endes auch jedem bei uns klar werden, dass es eine wichtige Maßnahme sein muss, im nächsten Jahr die Mittelmeerroute zu schließen, um diese Migrationskrise in den Griff zu bekommen.

Ich möchte mich aber auch der Halbzeitüberprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens der EU widmen. Wir haben diesen am 10. Mai im EU-Ausschuss behandelt, und dort ist auch über die Aufstockung vieler Fonds diskutiert worden. In dem Bericht ist die Auf­stockung vieler Fonds angeführt, vor allem in die Richtung der Bewältigung der Krise der Migration. Es ist aber nirgendwo beziffert, woher diese Mittel kommen werden. Ich habe daher die Befürchtung, dass sie aus den Töpfen der Agrarpolitik oder der Regio­nalförderung kommen werden, da das ja die größten Töpfe in der EU sind. Ich fände es sehr bedenklich, sollten jetzt die Landwirte oder die ländlichen Regionen die Migrations­krise finanzieren oder bewältigen müssen. Ich denke schon, dass wir aufpassen müs­sen, dass es andere Wege geben muss, diese Dinge zu finanzieren. Vielleicht kannst du Klarheit schaffen, Herr Minister; ich hoffe da schon auf deine gewohnte Sachlichkeit und Standhaftigkeit, damit es nicht dazu kommen wird.

Wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.25


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Rei­ter. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.25.35

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Der Bericht um­fasst eigentlich fünf Punkte: „Förderung von Wachstum und Beschäftigung“, „Verbesse­rung der makrofinanziellen Stabilität“, „Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion“ – damit wird es wahrscheinlich in der nächsten Zeit in Anbetracht der globalen Lage nichts werden –, „Errichtung der Banken- und Kapitalmarktunion“ und „Vertiefung der Zusam­menarbeit in Steuerfragen“.

Zum ersten Punkt, „Förderung von Wachstum und Beschäftigung“: Aus dem Bericht geht hervor, dass das Ministerium die genannten Schwerpunktsetzungen vornimmt beziehungs­weise den Ansatz hat, „wonach im Hinblick auf eine nachhaltigere Wachstumsentwick­lung in allen drei Bereichen (Investitionen, Strukturreformen, Budgetkonsolidierung) gleich­zeitig Maßnahmen umgesetzt werden müssen.“ In der Praxis passiert bei uns wenig bis nichts. Es sind nach wie vor wichtige Reformschritte ausständig, wie auch die Euro-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 110

päische Kommission in ihrem aktuellen Länderbericht deutlich macht. Dieser Länder­bericht ist im Februar 2017 herausgekommen, und es zahlt sich aus, ihn zu lesen.

Zum Bereich Budgetkonsolidierung: Es wird auf den Finanzausgleich Bezug genom­men. Dieses neue finanzielle Agreement zwischen den verschiedenen Regierungsebe­nen ist ein Schritt vorwärts, aber das ganze Rahmenwerk bleibt komplex, mit sehr schwachen Incentives für eine wirkliche Kosteneffizienz. Der Finanzausgleich ist also nach wie vor zu wenig effizient.

Zu Strukturreformen: Obwohl die Steuerreform 2016 anerkannt und auch gelobt wird, bleibt die Belastung der Arbeit in Form von Steuern und von Sozialabgaben doch re­lativ hoch, und zwar deshalb, weil mehr wachstumsfreundliche Steuerquellen „underuti­lised“, also untergenutzt sind. Da stellt sich für uns schon die Frage, wo die aufkom­mensneutrale ökosoziale Steuerstrukturreform bleibt. Österreich ist hinsichtlich der Be­lastung von Arbeit nach wie vor eines der Höchststeuerländer in Europa; das wurde auch schon erwähnt.

Ebenfalls zur Strukturreform gehört der gesamte soziale Bereich mit der sozialen Wohl­fahrt. Da sind die Standards nach wie vor hoch – das steht in dem Bericht und wird auch anerkannt –, aber einige Gruppen haben eben ein höheres Armutsrisiko, und die Un­gleichheit wächst. Da wird besonders auf den Gendergap in der Bezahlung und auch bei den Pensionen verwiesen, was ganz klar heißt, dass Frauen, die 65 und älter sind, ein sehr viel höheres Armutsrisiko haben als Männer im gleichen Alter und dass das sehr stark zu der allgemeinen Ungleichheit und Ungerechtigkeit beiträgt. Da ist die Fra­ge, wann man diese Ungleichheit in diesem Land endlich wirklich ambitioniert angeht.

Ein weiterer Punkt beim Thema Strukturreform ist die Bildung. Auch diesbezüglich wird bemängelt, dass Österreich nach wie vor nur in der Mitte rangiert. Es stellt sich die Fra­ge, wie lange die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft durch eine fehlende Bildungs­reform noch weiter aufs Spiel gesetzt werden soll.

Beim Thema Strukturreform sind auch die Verkrustungen oder Starrheiten im Dienst­leistungsbereich und bei den regulierten Berufen erwähnt, die den Wettbewerb ein­schränken und die vor allem auch Investitionen hintanhalten und Investoren entmuti­gen – Stichwort: Gewerbereform, die diesen Namen auch verdienen würde.

Zu Investitionen wird noch erwähnt, dass kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups in Österreich diverse Finanzoptionen nicht haben, dass es also auch da deutlichen Handlungsbedarf gibt, und dass die derzeitigen „fiscal rules“, also die derzeitigen Fi­nanzgesetze, nicht genügend zu einem wirklichen Investitionsklima beitragen.

Es gibt also viele Hausaufgaben, und wenn man sich den Vorhaben der EU in diesem Bericht anschließt, sollte man diese machen und zügig machen.

Nur ein Wort noch zum Bereich Geldwäsche: Es fehlt auch in Österreich noch die kom­plette Umsetzung der 4. Geldwäscherichtlinie. Im Dezember 2016 wurde der erste Teil­aspekt umgesetzt, und derzeit fragt man sich natürlich, wo der zweite Teil davon bleibt.

Zu den Steuern ist schon anzumerken, dass wir es wirklich gut finden, dass der Be­reich Mehrwertsteuer auch auf EU-Ebene angegangen wird und dass sich die EU-Kom­mission an diese doch sehr komplizierte Umsatzsteuergesetzgebung heranwagt. Um­satzsteuerbetrug verursacht einen zweistelligen Milliardenverlust in den EU-Staatskas­sen. Es ist absehbar, dass das sehr schwierig wird, was aber doch umgesetzt werden könnte und sollte, ist eine bessere Zusammenarbeit der Steuerbehörden bei der Krimi­nalitätsbekämpfung. Das könnte eigentlich sofort in Angriff genommen werden, dann bräuchte man die Klärung der Frage betreffend den grenzüberschreitenden Einzug der Umsatzsteuer, was schwierig sein wird, nicht abzuwarten, sondern eine verbesserte Zu­sammenarbeit der Steuerbehörden könnte da sehr viel zum Besseren wenden.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 111

Das Thema Finanztransaktionssteuer wird leider kontinuierlich verschoben und ausge­höhlt. Die Bemessungsgrundlage wird eben zunehmend ausgehöhlt, weil Anleihen nicht hineinfallen sollen. Es wird also nur mit einem Bruchteil der Einnahmen zu rechnen sein, wenn man sich vielleicht doch endlich darauf einigt. Das ist schon sehr enttäu­schend. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.33


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat He­ger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.33.23

Bundesrat Peter Heger (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wir haben jetzt sehr viel über diesen Bericht gehört, und ich habe bemerkt, dass er sehr genau gelesen worden ist. Ich möchte allerdings auch als letzter Redner noch ein paar Anmerkungen dazu ma­chen, denn im Arbeitsprogramm für 2017 kündigt die Europäische Kommission ja zahl­reiche weitere Maßnahmen und Initiativen zur Umsetzung der am Beginn ihrer Amts­zeit festgelegten politischen Leitlinien an. Inhaltliche Schwerpunkte wurden bereits sehr deutlich ausgeführt und sehr ausführlich besprochen. Der vorliegende Bericht des Bun­desministeriums ist aber aus vielen Blickwinkeln heraus sehr interessant, wenn man die Schwerpunkte der EU-Jahresvorschau näher betrachtet.

Obwohl sich die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren stabilisiert hat und rund 8 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden sind, liegt die Arbeitslosig­keit und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit nach wie vor auf einem inakzeptabel hohen Niveau. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission bereits in ih­ren politischen Leitlinien ein ehrgeiziges Projekt zur Förderung von Arbeitsplätzen, Wachs­tum und Investitionen angekündigt und als Ziel die Mobilisierung zusätzlicher Investi­tionen in einer Größenordnung von rund 300 Milliarden € innerhalb von drei Jahren ge­nannt.

Im steuerlichen Bereich kündigt die Europäische Kommission in ihrem Arbeitspro­gramm einen Vorschlag für eine gemeinsam konsolidierte Körperschaftsteuerbemes­sungsgrundlage an, wobei in einem ersten Schritt eine einheitliche Bemessungsgrund­lage eingeführt und erst im Anschluss über die Konsolidierung verhandelt werden soll.

Ferner will die Europäische Kommission weitere Maßnahmen gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung präsentieren, darunter eine Liste mit Drittstaaten und Gebieten, die gegen internationale Transparenzstandards beziehungsweise internationale Abkommen gegen Gewinnverlagerungen und Aushöhlung von Steuerbemessungsgrundlagen ver­stoßen.

In der Herbstprognose vom November 2016 geht die Europäische Kommission davon aus, dass die europäische Wirtschaft nunmehr im bereits fünften aufeinanderfolgenden Jahr moderat wachsen wird, obwohl weiterhin mit erheblichen Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu rechnen ist. Im Durchschnitt dürfte das reale Wachstum 2017 und 2018 in der Eurozone bei 1,5 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent sowie in der EU insgesamt bei 1,6 Prozent beziehungsweise 1,8 Prozent liegen.

Wachstumstreiber bleiben, durch steigende Beschäftigungszahlen und Reallöhne so­wie niedrige Finanzierungskosten begünstigt, Privatkonsum und Investitionen, während sich die schwache Entwicklung der Weltwirtschaft beziehungsweise des Außenhandels negativ auf die Wachstumsperspektiven auswirken wird.

Die Europäische Kommission weist auch darauf hin, dass sich die europäische Wirt­schaft in den kommenden Jahren nicht mehr auf die begünstigenden externen Fakto­ren wie Ölpreissenkung und Euroabwertung wird stützen können. Die Beschäftigung dürfte infolge der relativ günstigen Konjunktur sowohl 2017 als auch 2018 um jeweils


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 112

knapp unter 1 Prozent wachsen, die Arbeitslosenrate wird trotz steigender Erwerbsbe­völkerung auf voraussichtlich rund 9,5 Prozent in der Eurozone sowie rund 8 Prozent in der EU insgesamt sinken.

Die Europäische Kommission sieht aber auch Wachstumsrisiken, insbesondere infolge der Auswirkungen des EU-Austritts von Großbritannien. Schließlich gehen trotz der Sta­bilisierungs- und Reformfortschritte während der letzten Jahre auch weiterhin Risiken vom Bankensektor aus, unter anderem aufgrund der Vielzahl notleidender Kredite in meh­reren Mitgliedstaaten, wodurch die Kreditvergabe beeinträchtigt wird.

Der Kampf gegen Geldwäsche steht in direktem Zusammenhang mit dem Kampf ge­gen Terrorismus und dessen Einnahmequellen, das versteht sich eigentlich von selbst. Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission im Februar des vergangenen Jah­res einen Aktionsplan vorgelegt, der darauf abzielt, Terroristen aufgrund von Geldbe­wegungen aufzuspüren und die Verschiebung von Vermögen zu verhindern. Als kon­krete Maßnahme hat die Europäische Kommission dann Anfang Juli 2016 Änderungen bei der 4. Antigeldwäscherichtlinie vorgeschlagen; im Zusammenhang mit der Bekämp­fung der Terrorismusfinanzierung unterstützt das Finanzministerium diese Maßnahmen.

Die 4. Antigeldwäscherichtlinie ist in Österreich weitgehend umgesetzt. Die Umsetzung der noch verbleibenden Elemente, unter anderem die Einrichtung des Registers der wirt­schaftlichen Eigentümer, soll bis Sommer 2017 abgeschlossen sein.

Im Zusammenhang mit Steuerfragen ist vor allem die Bekämpfung von Steuervermei­dungspraktiken wesentlich. Die Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung soll da­für sorgen, dass Unternehmen ihre Steuern dort bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirt­schaften, und dabei gleichzeitig verhindern, dass insbesondere große Konzerne Unter­schiede zwischen nationalen Steuersystemen ausnutzen, um ihre Steuerbelastung zu verringern. Steuervermeidung ist ja mittlerweile ein weltweites Problem geworden, und daher hat die Europäische Kommission Anfang 2016 auch eine Mitteilung im Hinblick auf die Entwicklung einer externen Strategie zur Sicherstellung einer effektiven Besteue­rung vorgelegt.

Sehr geehrter Herr Minister! Ein wichtiges Thema bleibt neben Unternehmensbesteue­rung und Mehrwertsteuer aber auch weiterhin die Einführung einer Finanztransaktions­steuer. Dazu haben sich die zehn teilnehmenden Mitgliedstaaten unter österreichischem Vorsitz im vergangenen Jahr auf wesentliche Kernelemente in Bezug auf die Territo­rialität bei Aktien, den Anwendungsbereich und die Bemessungsgrundlage für Derivate sowie die Ausnahmeregelungen für Market Maker verständigt. Grundsatz ist eine breite Bemessungsgrundlage, verbunden mit einem sehr niedrigen Steuersatz. Die noch offe­nen Detailfragen, darunter insbesondere die Besteuerung von Pensionsfonds sowie die Auswirkung auf die Realwirtschaft, sollen allerdings im Laufe des ersten Halbjah­res 2017 – das wir, so nebenbei gesagt, schon fast hinter uns haben – geklärt werden.

Herr Minister! Meine Fraktion wird der Kenntnisnahme der EU-Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Finanzen zustimmen, obwohl doch bemerkenswert ist, dass es zu dem Berichtspunkt Finanztransaktionssteuer als einzigem Punkt keine Position des Bundesministeriums für Finanzen gibt. Gestatten Sie mir daher von dieser Stelle aus abschließend eine Frage: Wie ist die Position des Bundesministeriums zum Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission beziehungsweise des Rates zur Thematik der Fi­nanztransaktionssteuer? (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.41


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Schel­ling. – Bitte, Herr Minister.

 


15.41.17

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Finanztransaktionssteuer ist die Position sehr klar. Wir sind


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 113

sehr weit, es fehlt noch die Entscheidung zweier beziehungsweise dreier Länder, das sind Belgien, Slowakei und Slowenien. Bei Slowenien ist es umgekehrt wie bei den zwei anderen; bei Slowenien ist es zu wenig, bei den anderen ist es zu viel. Die Slowa­kei und Slowenien werden nach meinem Informationsstand dem Kompromissvorschlag aus Österreich zustimmen. Die letzte Sitzung wurde vertagt, weil der neue französi­sche Finanzminister gebeten hat, sich erst einarbeiten zu können und zu dürfen. Eine Entscheidung wird daher im Rahmen der nächsten Eurogruppe tatsächlich stattfinden.

Es gibt eine bemerkenswerte Initiative, die Wolfgang Schäuble und ich initiiert haben, nämlich diese Finanztransaktionssteuer, die ja von ganz oben gekommen ist und dann unten angekommen ist, wieder hinaufzuheben und zu schauen, dass man eine europa­weite Finanztransaktionssteuer einführt, die möglicherweise auch die erste europäische Steuer sein könnte, die dann die Mitgliedstaaten entsprechend entlastet und auch kei­nen Wettbewerbsnachteil für Europa herstellt. Minister Schäuble hat mir auch zuge­sagt, dass er mit der G20 in Gespräche eintreten wird, um das doch auf eine breitere Ebene zu setzen.

Würden jetzt zumindest zwei Länder abspringen, was ich nicht vermute, dann wäre die Sache beendet; bleiben sie dabei, werde ich vermutlich nach der nächsten Sitzung die Kommission darum ersuchen, die sogenannte Core Engine, das ist diese von Ihnen zi­tierte Maßnahme, die Kernelemente der Finanztransaktionssteuer, tatsächlich in einen legistischen Text zu gießen und dann wieder den Ministern vorzulegen; das wird einige Monate dauern, und dann kann die endgültige Entscheidung fallen.

Sie haben die zwei kritischen Themen angesprochen, die hauptsächlich aus Belgien kom­men, das sind die Pensionsfonds und die Implikationen auf die Realwirtschaft. Zu den Pensionsfonds gibt es auch eine klare Stellungnahme von Italien, wo das schon unter­sucht worden ist. Grundsätzlich habe ich bei der letzten Sitzung der Eurofinanzminister mit meinem Kollegen aus Belgien gesprochen. Es gibt dort von der Regierung noch keine Entscheidung, während Slowenien und die Slowakei mit der sogenannten Alter­native 2, die von uns vorgeschlagen wurde, einverstanden sind. Ich gehe daher davon aus, wenn das jetzt nicht durch andere Maßnahmen wie zum Beispiel Wahlen in allen möglichen Ländern wieder in Verzug kommt, dass wir tatsächlich diese Beauftragung zur Erstellung eines legistischen Textes durchführen können und damit die Aufgabe der vertieften und verstärkten Zusammenarbeit dieser Gruppe vorerst beendet werden kann, bis die Texte vorliegen.

Das ist der aktuelle Status, daran hat sich auch nichts geändert. Wir haben auch von uns aus alle Maßnahmen gesetzt, ununterbrochen neue Vorschläge gemacht, damit das Projekt am Leben bleibt. Das ist die Position Österreichs. Ich bitte um Verständnis, dass offensichtlich niemand die Notwendigkeit gesehen hat, das im Bericht anzuführen, weil es für alle selbstverständlich war, was unsere Position ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.44


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte schön, Herr Bundesrat Zelina.

 


15.44.47

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Zwei kurze Anmerkun­gen noch:

Die Staatsschuldenkrise in Europa ist keinesfalls beendet, sie ist am Leben. Die Ver­schuldung ist um 50 Prozent höher als damals im Krisenjahr 2008/2009, wir haben nur aufgrund des Kaufprogrammes der Europäischen Zentralbank extrem niedrige Zinsen.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 114

Sollte das auslaufen, fehlt die Nachfrage nach Staatsanleihen und die Zinsen werden sich wieder nach oben bewegen.

Wir haben derzeit im Euroraum ein Volumen von 10 000 Milliarden € an Schulden. Das heißt, wenn wir einen Zinssatz von 1 Prozent haben, sind das 100 Milliarden € Zinsauf­wand pro Jahr, steigt der Zinssatz auf 2 Prozent, erhöht sich der Zinsaufwand um wei­tere 100 Milliarden €, und bei einem historisch vernünftigen Zinsniveau von 3 Prozent, 4 Prozent geht das dementsprechend in die Höhe. Das gilt auch für Österreich fürs Ge­samtschuldenvolumen.

Die zweite Anmerkung betrifft den Kapitalmarkt: Selbstverständlich unterstütze ich die Förderung einer Kapitalmarktunion. Die Unternehmen sollen sich vermehrt bankenun­abhängig über Kapitalerhöhungen durch Ausgabe neuer Aktien oder auch durch Plat­zierung von Unternehmensanleihen selbst finanzieren können. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass über die Kapitalmarktunion auch der Verbriefungsmarkt wieder belebt wird, und Verbriefung heißt, dass man versucht, die faulen Kredite aus den Bankbilan­zen herauszubekommen, diese in Risikoklassen zu bündeln und dann zu verkaufen. Wo­hin zu verkaufen? – An institutionelle Investoren, und das sind in erster Linie Versiche­rungen und Pensionskassen. Das heißt, dass man Risiko aus den Bankbilanzen in die Pensionskassen und Versicherungen transferiert; dessen soll man sich bewusst sein.

Dieser Verbriefungsmarkt war damals auch Ursache für die große Bankenkrise 2008, als man schlechte US-Kredite gebündelt hat, faule Kredite gebündelt hat, mit einer zu­sätzlichen Versicherung versehen hat, dadurch die Bonität gesteigert hat und dann als Paket an europäische Banken verkauft hat. Das ist ein Risiko, das angesprochen ge­hört, und auch die Risikotransformation aus den Bankbilanzen in die Pensionskassen gehört angesprochen. – Danke.

15.47

15.47.31

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, begrüße ich recht herzlich den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Harald Mahrer bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

15.48.1812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 geändert wird (1584 d.B. und 1624 d.B. sowie 9808/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 12 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


15.48.32

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 115

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.49.15

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Mitglieder des Bundesrates! Von der hohen europäischen Fi­nanzpolitik hin zur Einfachheit des Pflanzgutes in Österreich: Es geht um die Novelle des Pflanzgutgesetzes aus 1997. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Pflanzgut, Saatgut ist immer der Schlüssel für die Ernährung der Menschen und des Vol­kes und ist daher auch durchaus mit Emotionen behaftet. Daher sind wir froh, dass hier eine sehr gute Lösung gefunden werden konnte. Es war nämlich notwendig, drei EU-Richtlinien umzusetzen: zum einen die Anforderungen an Etikettierungen und Plombie­rungen des Vermehrungsmaterials, vor allem für Obstarten, die der Fruchtgewinnung die­nen. Weiters ging es um die Registrierung von Versorgern und um die Eintragung von Sorten in ein gemeinsames Sortenregister beziehungsweise um spezifische Anforderun­gen an Versorger sowie ausführliche Bestimmungen für die amtlichen Prüfungen des Pflanzgutes.

Mit der Umsetzung hat es etwas länger gedauert. An sich hätte man am 1. Jänner die­ses Jahres fertig sein sollen, aber was lange dauert, wird manchmal gut – und das kann man in diesem Fall auch sagen. Es ist immerhin gelungen, einen breiten Kompromiss zu erzielen, eine breite Basis bei der Meinungsfindung einzubinden und damit eine Ein­stimmigkeit herzustellen.

Was ist das Ziel der Novelle? – Zum einen die Umsetzung der einschlägigen EU-Richt­linien, zum anderen wird das höherwertige Pflanzgut, das Vorstufenpflanzgut, das zur Vermehrung dient, jetzt strenger geregelt und besser kontrolliert, was eine strengere und bessere Kontrolle von Großbetrieben und internationalen Konzernen zur Folge hat.

Zum Gegengleichen: Es bedeutet auch eine Sicherstellung der Zulassung von traditio­nellen, heimischen, regionalen Sorten, was uns vor allem in Österreich als Produzen­ten und Konsumenten durchaus wichtig ist. Es geht auch um eine Maßnahme, die man korrekt und praktikabel vollziehen kann. Festzuhalten ist, dass bei der Zulassung unter­schieden wird, wer zuständig ist. Bei den kommerziellen Sorten ist das die AGES, die Agentur für Ernährungssicherheit, bei den traditionellen Sorten wird es das Bundesamt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg sein, weil es die regionale Expertise liefern kann.

Was wird kommen? – Vorgabe ist eine verlängerte Aufbewahrungspflicht der Aufzeich­nungen. Sie war bisher auf ein Jahr festgelegt und wird nun auf drei Jahre verlängert. Eine Neuregelung verschafft den Behörden ein besseres Durchgriffsrecht. Ebenfalls neu ist die Höchstdauer der Zulassung, die mit 30 Jahren begrenzt ist.

Im Prinzip liegt uns ein Beispiel für einen praktikablen Weg vor, wie man eine EU-Richt­linie durchaus sinnvoll umsetzen kann: Wenn es gilt, Schutz vor Großkonzernen zu bie­ten, sind durchaus europaweit klare Regeln aufzustellen, wenn es aber um die Bewah­rung regionaler, heimischer Sorten geht, sind die Regelungen dem Regelungsbedarf vor Ort anzupassen. Damit ist, glaube ich, eine gute Lösung gefunden worden, um die re­gionale Produktion sicherzustellen.

Regionale Produktion bietet Chancen für Landwirtschaft und Produzenten, sie bietet aber auch einen höheren Genuss für Konsumenten. Wir werden daher dieser Vorlage gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

15.53



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 116

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.53.35

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Preineder hat schon sehr viel über das Neue in der Novelle zum Pflanzgutgesetz berichtet hat, und ich möchte auch noch ein paar Ergänzungen machen.

Neu ist die Automatik, dass Versorger, welche in der Pflanzenerzeugung nicht mehr tä­tig sind, automatisch gelöscht werden, das heißt, die automatische Karteileichenbesei­tigung ist jetzt auch mitgeregelt.

Die Anbringung von Etiketten und diversen Begriffsbestimmungen wurde im Text ver­ändert. Es wurde auch neu festgelegt, welche Schadorganismen der Behörde anzuzei­gen sind und welche – das ist sicher interessant – Bekämpfungsmaßnahmen auch in Zukunft notwendig sein werden. Die Zuständigkeit wurde neu geregelt, worauf Kollege Preineder bereits hingewiesen hat.

Die 30-jährige Frist wurde auch schon genannt. Interessant ist vielleicht auch, dass bei gentechnisch veränderten Sorten die Eintragungslaufzeit mit jenem Zeitraum beschränkt wird, der in der Genehmigung dieses Saatguts festgelegt wurde.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, derzeit sind beim Bundesamt für Wein- und Obst­bau circa 570 Obst- oder Apfelsorten und 200 Birnensorten verzeichnet. Es ist wichtig, dass unsere Qualitätsstandards nicht gesenkt werden, denn das Vertrauen der Konsu­menten in die von öffentlichen Stellen überwachten Pflanzen und Obstsorten ist sehr hoch. Sie sind auch bereit, dafür höhere Preise zu zahlen und entsprechend gute Qua­lität zu erhalten.

Mit diesem Gesetz wird ein Beitrag geleistet, dass alte Obstsorten und heimische Pflan­zen in Österreich weiterhin produziert werden und die Ernten in Österreich und für den internationalen Markt zur Verfügung stehen. Probleme wie jene mit absichtlich oder un­absichtlich importierten Ziersträuchern und Forstpflanzen – ich nenne da den Götterbaum und die Robinie, die sogenannten Neophyten – sollten damit auch zu umgehen sein.

Gemeinsam sollten wir auch verhindern, dass nur wenige global agierende Konzerne den Markt für Obst für sich einnehmen. Da werden alle gemeinsam auf der Hut sein, dass die Großkonzerne nicht wie beim Getreide das Erbgut derart verändern, dass der Bau­er das jährlich benötigte Saatgut nicht mehr wie früher aus eigener Ernte beziehen kann, sondern es von den Saatguterzeugern in Großkonzernen kaufen muss – und zwar je­des Jahr neu kaufen muss.

Mit dieser heute zu beschließenden Novelle sollten wir das sicherstellen. Wir stimmen ihr auch sehr gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.56


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ecker. – Bitte.

 


15.57.09

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätztes Präsidium! Sehr geschätzter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon sehr viel zu diesen neuen Regelungen im Bereich Pflanzgutgesetz und dem Novellierungsbe­darf gehört, der aufgrund der EU-Richtlinie gegeben war beziehungsweise ist. Die An­gelegenheit hätte seit 31.12.2016 erledigt werden sollen. Schlussendlich geht es um die Vermehrung von Pflanzen, welche durch Teilen erfolgt, indem man zum Beispiel Knol­len, Stecklinge oder Zwiebel im besten Fall in Erde einlegt, woraus wieder neue Pflan-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 117

zen wachsen. Dieses Gesetz betrifft genau diese Pflanzenteile, die man dann auch Mut­terpflanzen nennt.

Wir haben es schon gehört, es geht um neue Etikettierungsvorschriften, um neue Vor­schriften zur Registrierung von Sorten, besonders beim Obstpflanzgut, und um die Be­stimmung, dass die Schadorganismenliste mindestens drei Jahre aufliegen muss; wel­che Verbesserungen auch immer damit erreicht werden.

Für mich und uns sehr wichtig ist, dass im Begleitdokument eine Kennzeichnung ange­führt werden muss, ob die Sorte genetisch verändert ist. Die eingegangenen Stellung­nahmen der Länder und auch der Arbeiterkammer Oberösterreich dazu sind positiv ge­halten. Ein wenig kritisch zu sehen ist der Eintragungszeitraum von 30 Jahren – wie wir schon gehört haben – beziehungsweise die nicht zum ersten Mal genannte rückwirken­de Änderung, wie wir sie nun im Zuge einer EU-Richtlinie umsetzen.

Wir befürworten auch den Erhalt der traditionellen Sorten – unserer Sorten aus unse­rem Land – und befürworten die Richtlinie. (Bundesrätin Schreyer: Es freut mich, dass ihr dem zustimmen könnt!) – Ja, es freut mich, dass dich das auch freut. Wir befürwor­ten, dass man mit dieser Richtlinie die Qualität sicherstellt, und hoffen natürlich auch, dass die Aussagen von Minister Rupprechter stimmen, dass sich die Kosten nicht auf mehr als 10 000 € belaufen und die Bürokratie in den Betrieben dadurch nicht noch mehr wird. Wir werden heute natürlich auch zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.59


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.59.16

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte ZuseherInnen hier und via Livestream! Ich werde mich als Viert­rednerin sehr kurzhalten.

Durch die vorliegende Novelle sind drei Durchführungsrichtlinien in nationales Recht um­zusetzen. Inhaltlich ist darauf schon von meinen VorrednerInnen eingegangen worden, ich werde dem nichts mehr hinzufügen.

Die Umsetzungsfrist für diese drei Durchführungsrichtlinien wäre zwar jedes Mal der 31.12.2016 gewesen, mit der Novelle des Landwirtschaftsministeriums sind wir mit ei­nem halben Jahr Verspätung aber ohnedies recht früh dran, deswegen werden wir uns daran nicht stoßen.

In der Begutachtung sind alle Stellungnahmen von Ländern und Kammern positiv ge­wesen, und auch wir haben keine Einwände. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.59


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mah­rer. – Bitte, Herr Minister.

 


16.00.00

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Nachdem inhaltlich alles gesagt wurde, dass es eine Umsetzung von drei EU-Richtlinien ist, die fristge­recht erfolgt, möchte ich diese Gelegenheit dazu nutzen, mich speziell im Namen des Bundesministers bei den Mitarbeitern des Ressorts zu bedanken, genauso bei den Mit­arbeitern des Bundesamts für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg und des Bundes­amts für Ernährungssicherheit, die mit der Vollziehung und Umsetzung, zum Beispiel bei der Sortenbezeichnung, Verantwortung tragen.

In diesem Sinne freuen wir uns auf eine Umsetzung der drei Richtlinien. – Danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)

16.00

16.00.57

 



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 118

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.01.1313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Seveso III) (1615 d.B. und 1632 d.B. sowie 9809/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen zu Punkt 13 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


16.01.48

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich erstat­te den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 ge­ändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.02.31

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Diese Novellierung des Abfallwirtschaftsgeset­zes hat die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren durch schwe­re Unfälle mit gefährlichen Stoffen zum Schwerpunkt, Kurzbegriff dafür ist Seveso III. Wir alle haben diese Katastrophe in Italien damals noch in Erinnerung. Weiters soll eine Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme von Abfällen – das betrifft hauptsächlich Fahr­zeuge –, um illegale Abfalltransporte zu verhindern, umgesetzt werden.

So weit, so gut, jetzt aber wird es pikant. Wenn man sich Artikel 31 der zitierten EU-Richt­linie ansieht, erfährt man: Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Vorschriften bis 31.5.2015. Die Anwendung erfolgt ab 1.6.2015. Das muss irgendwo in Verschütt ge­raten sein, weil da jetzt zwei Jahre dazwischen liegen. Die Schuld dafür scheint offen­sichtlich nicht beim Bundesministerium zu liegen, denn das Ende der Begutachtungs­frist des ministeriellen Entwurfes war bereits mit 31. Mai 2015 – also noch einigerma­ßen zeitnah. Eingelangt ist diese Regierungsvorlage dann allerdings erst am 26. April des heurigen Jahres.

Auf diesem langen Weg im ministeriellen Regierungsdschungel ist es zu gewissen Mu­tationen des ministeriellen Entwurfes gekommen. So war im Ministerialentwurf noch von Deregulierungsmaßnahmen und Verwaltungsvereinfachung die Rede. Die sind in der Regierungsvorlage verschwunden. Im Ministerialentwurf ist auch von Kosteneinsparun­gen gesprochen worden. Auch die hat es in der Regierungsvorlage nicht mehr gegeben.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 119

Die offenen Punkte, die vor allem aus Ländersicht interessant sind, wurden im Begut­achtungsverfahren vorgebracht – hauptsächlich von Niederösterreich und Vorarlberg. Es gibt hier doch einige Bedenken hinsichtlich Kostentragung und Kostensituation, vor allem was die Beschlagnahmungen betrifft, aber auch in Bezug darauf, wie die Lager­kosten aufgeteilt werden und welcher Aufwand den Bezirksverwaltungsbehörden aus die­ser Abwicklung erwächst.

Zahlreiche Unklarheiten gibt es darüber hinaus rund um die Abwicklung und die diver­sen Fristen, die damit verbunden sind.

Das einzig Positive in diesem Entwurf ist, dass die Mitwirkung von NGOs gemäß Aar­hus-Konvention nicht umgesetzt wird. Zumindest aus unserer Sicht ist das das einzig Positive, aber das, meine Damen und Herren, ist zu wenig für eine Zustimmung zu die­sem Gesetz. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.06


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Die nächste Wortmeldung liegt mir von Herrn Bun­desrat Ing. Pum vor. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.06.20

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Vorsitzende! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Abfallwirtschaftsgesetz ist ein The­ma, das immer wieder hohe Brisanz besitzt, alleine deswegen, weil Altlasten zu den kon­trolliertesten Stoffen unserer Zeit gehören und die Erkenntnis, wie damit umgegangen wird, immer wieder zu neuen Regelungen führt.

Die neue Gesetzeslage wurde in ihren Grundzügen bereits dargestellt: Seveso III-Richt­linie, Abfallrahmenrichtlinie und deren Umsetzung. Es gelangt auch der Klimakorrektur­faktor zum Einsatz. Die Energieeffizienzformel, die im Anhang II dieser Richtlinie ent­halten ist, wurde um einen neuen Klimakorrekturfaktor ergänzt, der nun umgesetzt wer­den soll. Somit wird hier ein zusätzlicher Faktor für die Abfallrahmenrichtlinie gesetzt.

Weiters zur Abfallende-Verordnung für EU-Kupferschrott: Hier geht es um ein speziel­les Verfahren, vor allem zur Festlegung des Abfallendes, sprich: Wann ist es so weit, dass man auch tatsächlich über die Endverwertung von Stoffen gesetzlich geregelte Si­cherheit hat? Dazu bedarf es immer wieder des Erlassens von Verordnungen, welche die neue Auslegung regeln. Die Abfallende-Diskussion hat uns bereits in vielen ande­ren Bereichen wiederholt beschäftigt.

Vielleicht auch interessant: Diese Veränderungen sind natürlich auch mit Kosten ver­bunden. Wir haben es gehört: Dokumentation über die vom Betriebsinhaber ergriffenen Maßnahmen, um die immer wieder eintretenden schwereren Unfälle zu vermeiden und Unfallfolgen zu begrenzen. Behördliche Inspektion: Auch hier gibt es immer wieder die Diskussion, inwieweit Behörden einen Zugang und Zugriff zu diesen Unternehmen ha­ben, bis hin zur Beschlagnahmung von Abfällen als Sicherungsmaßnahme. Das wird in dieser neuen Richtlinie ebenfalls geregelt.

Unterm Strich geht es aktuell um rund acht Betriebe, die von der Gesetzesänderung be­troffen sind, zukünftig wird es natürlich neue Betriebe und neue Investitionen betreffen.

Vielleicht noch praktische Beispiele dieser Veränderungen: Wo spüren wir das oder wo gibt es auch im Umfeld Anwendungsveränderungen? – Hierzu zählt zum Beispiel die Ver­ringerung des Verbrauchs von leichten Kunststofftragetaschen, die nun verpflichtend im Gesetz umzusetzen ist. Ein anderes Beispiel ist das Anbieten einer Tätigkeit des Sam­melns oder Behandelns von Abfällen, wie es zum Beispiel über Postwurfsendungen, Flug­zettel, Visitenkarten, in Form von Zeitungsinseraten oder übers Internet üblich ist. Hier ist nun neu geregelt, dass für solche Tätigkeiten das Vorliegen einer Erlaubnis nach § 24 er­forderlich ist.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 120

Insgesamt gesehen stellt diese Gesetzesanpassung eine Notwendigkeit dar, die nach EU-Recht umzusetzen ist. In diesem Sinne gibt es eine sehr klare Zustimmung seitens der ÖVP. Wir werden diesem Gesetz natürlich auch weiterhin unsere Unterstützung ge­ben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.09


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.10.08

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr verehrte ZuseherInnen hier und die via Livestream diese Debatte mitverfol­gen! Ich werde mich kurzhalten. Wir haben zum Inhalt der vorliegenden Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes schon viel gehört. Ihr Schwerpunkt ist die Umsetzung der Se­veso III-Richtlinie, also der EU-Richtlinie zur Beherrschung von Gefahren schwererer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, im Abfallrecht. Ziel der Seveso III-Richtlinie ist die Ver­hütung schwererer Unfälle mit gefährlichen Stoffen und die Begrenzung der Unfallfol­gen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt.

Diesem Teil und den weiteren Inhalten dieser Novelle wie der Umsetzung einer Ergän­zung der EU-Abfallrahmenrichtlinie sowie den Begleitmaßnahmen zur Umsetzung der EU-Kupferschrott-Verordnung stimmen wir natürlich auch gerne zu.

Ich habe zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt gesagt: Mit einem halben Jahr Ver­spätung in der Umsetzung im Landwirtschaftsministerium sind wir ohnedies schon sehr zufrieden. Es ist jetzt leider der Herr Minister Mahrer hier und nicht der Herr Minister Rupprechter, der zuständig wäre. Die AWG-Novelle ist wieder einmal ein ganz typi­sches Beispiel dafür, wie man vorgeht: Sie ist Ende April vor über zwei Jahren in Be­gutachtung geschickt worden und war bis jetzt blockiert, weil es keine Einigung über die Umsetzung der Aarhus-Konvention im Abfallwirtschaftsgesetz gibt, obwohl das von Mi­nister Rupprechter schon lange versprochen wurde. Und genau wegen der fehlenden Umsetzung der Aarhus-Konvention lehnen wir diese Vorlage ab.

Das Ergebnis dieses verzögerten Gesetzwerdungsprozesses ist es, dass es mittlerwei­le zwei fortgeschrittene Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich gibt: eines we­gen der Nicht-Umsetzung der Seveso III-Richtlinie, eines wegen Nicht-Umsetzung der Abfallrichtlinien-Anpassung.

Jetzt ist die Novelle doch noch vorgelegt worden, allerdings ohne die Aarhus-Anpas­sungen. Ich möchte daher noch kurz auf die Aarhus-Konvention eingehen und sie noch einmal ein bisschen näher erklären. Die Aarhus-Konvention ist bereits 1998 beschlos­sen worden. Österreich und auch die Europäische Union sind Mitglieder. Ziel der Aar­hus-Konvention ist es, die Durchsetzung von Umweltrecht mit Hilfe von BürgerInnen so­wie mit Hilfe von Umweltschutzorganisationen zu verbessern.

In der Konvention gibt es drei Säulen: erstens das Recht auf Umweltinformation, zwei­tens die Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Entscheidungsverfahren und drit­tens der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.

Artikel 9 der Aarhus-Konvention regelt den Zugang zu Gerichten für Umweltschutzor­ganisationen und für Einzelpersonen im Umweltbereich, und nach Meinung der Aar­hus-Vertragsstaatenkonferenz verstößt Österreich gegen diesen Artikel 9. Das sieht auch die Europäische Kommission so. Deswegen gibt es seit Juli 2014 ein Vertragsverlet­zungsverfahren gegen die Republik Österreich wegen Nicht-Umsetzung der Aarhus-Kon­vention.

Somit haben wir hier einen Tagesordnungspunkt und schon drei Vertragsverletzungs­verfahren.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 121

Die Kommission fordert Österreich auf, die Aarhus-Konvention vollständig umzusetzen. Österreich hat für NGOs und Einzelpersonen keine Klagebefugnisse eingeräumt, um Hand­lungen oder Unterlassungen, die in diesem Fall gegen die EU-Abfall-Rahmenrichtlinie ver­stoßen, von einem Gericht überprüfen zu lassen.

2014 hat es nach diesem Vertragsverletzungsverfahren, das wegen der Aarhus-Konven­tion eingeleitet wurde, ein ExpertInnen-Hearing im Parlament gegeben. Herr Bundes­minister Rupprechter, der ja heute leider nicht da ist, hat gesagt – ich darf es kurz zitie­ren –:„Ich werde mich in meinem Zuständigkeitsbereich dafür einsetzen, dass bei in mei­nem Kompetenzbereich betroffenen Materien– Stichwort: Wasserrechtsgesetz, Forstge­setz, Abfallrecht, Luftgesetz, Umweltinformationsgesetz – die entsprechenden Anpassun­gen, wo dies erforderlich ist, zügig angegangen werden. Diesbezüglich werde ich auch entsprechende Gesetzesinitiativen vorschlagen.“

Genau das ist aber leider nicht passiert. Es fehlt vor allem die Parteienstellung von NGOs bei Verfahren, bei Anlagengenehmigungen – in diesem Fall im Abfallwirtschafts­gesetz –, bei Anzeigeverfahren, bei grenzüberschreitenden Mülltransporten. Es fehlt die Rechtssicherheit, und es fehlt auch die Möglichkeit zur Anfechtung des Bundesabfall­wirtschaftsplanes. Das fehlt auch noch in anderen Rechtsmaterien, nämlich zum Bei­spiel im Wasserrechtsgesetz, im Emissionsgesetz-Luft und im UVP-Gesetz.

Da geht es nicht um etwas, was wir uns hier ausgedacht haben, sondern um eine Kon­vention, die Österreich unterzeichnet hat. Das Mindeste, was ich mir folglich erwarte, ist, dass auch die Umsetzung passiert. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.14


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat No­vak. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.14.54

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Ich halte es einmal so damit: Was in den zwei Jahren pas­siert ist – und Gott sei Dank ist es in zwei Jahren passiert –, ist gut so, auch wenn es ein bisschen länger gedauert hat. Wenn es Vertragsverletzungsverfahren gibt, dann wer­den wir abwarten müssen, was dabei herauskommt.

Da ich Obmann des Umweltausschusses des Bundesrates bin und bei Umweltsitzun­gen mit dabei war, habe ich mir das angesehen und muss feststellen, dass bei diesen Sitzungen einvernehmliche, sehr große Übereinstimmungen mit dem Herrn Bundesmi­nister Rupprechter gefunden wurden. Natürlich ist auch diskutiert worden. Dann hat mich doch ein bisschen überrascht, Frau Kollegin Schreyer, dass bei der Sitzung im Natio­nalrat die Vorsitzende des Umweltausschusses von Ihrer Seite gefehlt hat und dass man jetzt so viel Kritik daran übt. Also da würde ich schon ein bisschen hintanhalten. (Bundesrätin Schreyer: Sie ist verspätet zur Diskussion gekommen!) – Na ja, sie war einfach nicht da, und es ist ein Umweltgesetz beschlossen worden. Wie auch immer, da geht es nicht nur um irgendein Gesetz, sondern wir reden immerhin über Seveso, einen schrecklichen Chemieunfall, der die schwersten Folgen für Menschen verursacht und auch die Umwelt belastet hat.

Jetzt haben wir die Regelungen der Seveso III-Richtlinie umgesetzt. Ich glaube, wir Kärnt­ner können auch davon sprechen, allein wenn wir daran denken, was in jüngster Zeit bei uns mit der HCB-Geschichte und der unsachgemäßen Verbrennung von Kalkschläm­men passiert ist. Zu niedrige Temperatur hat diese Umweltverschmutzung verursacht. Bis heute wissen wir nicht, wie wir diesen Klärschlamm weiterbringen; wir wissen, dass wir den versiegeln müssen, dass ihn dann keiner abnimmt. Ich denke doch, dass rund­herum wieder normales Leben möglich ist. Nur: An diesem Standort wieder etwas zu ver­brennen, ist sicher nicht mehr möglich.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 122

Ich möchte auch noch hinzufügen, dass diese Seveso III-Richtlinie umfangreich in die nationale Gesetzgebung eingreift. Herr Krusche hat es angesprochen, dass es eine um­fassende Geschichte ist. Alleine wenn ich mir anschaue (der Redner blickt in seine Un­terlagen) – ich habe mir das aufgeschrieben –, welche Materien mit beeinflusst worden sind: die Gewerbeordnung 1994, das Mineralrohstoffgesetz, das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen 2013, das Gaswirtschaftsgesetz, das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Umweltinformationsgesetz sowie das Eisenbahn- und Luftfahrtgesetz.

Es sind alles Dinge, die in diesem Bereich geregelt worden sind, und Rom ist auch nicht in einem Jahr gebaut worden, das hat auch ein bisschen länger gedauert. Irgend­wann wird es wieder eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes geben, die dann Seve­so IV heißen wird, jetzt heißt sie Seveso III, und dann wird es auch zur Zufriedenheit aller erledigt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.18


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mah­rer. – Bitte, Herr Minister.

 


16.18.26

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ich wollte mich eigentlich gar nicht zu Wort melden, Frau Präsidentin! Aber zu den jüngs­ten Entwicklungen rund um die Aarhus-Konvention kann man vielleicht doch etwas sa­gen, denn es betrifft ja mehrere Ministerien, nicht nur das Landwirtschafts- und Um­weltressort. Was vielleicht nicht alle Bundesräte wissen: Im April ist eine lang erwartete Mitteilung der EU-Kommission bezüglich des angesprochenen Zugangs zu den Gerich­ten in Umweltangelegenheiten gekommen. Es handelt sich natürlich um eine interpreta­tive und nicht legislative Mitteilung, die aber immerhin Aufschluss darüber gegeben hat, wie man die Sache als Leitfaden verstehen und die einschlägige EuGH-Judikatur als Hilfestellung für die nationalen Gerichte und Behörden aufarbeiten kann.

Das Landwirtschaftsressort – darüber bin ich im Nachgang informiert worden, weil in der Sitzung auch Vertreter anderer Ministerien anwesend waren – ist gerade dabei, diese Mitteilung recht umfassend zu analysieren und hat meines Wissens am 24. Mai zu ei­ner Sitzung eingeladen, unter Einbindung der anderen Ministerien, der Landesbehörden, auch der Umwelt-NGOs und eines Vertreters der Generaldirektion Umwelt, der die Mit­teilung dort auch erläutert hat. Im Anschluss sind umfangreiche Ideen ausgetauscht wor­den, wie man denn die Konvention nun umsetzen könnte.

Es ist also ein Prozess im Laufen, was ich sehr gut finde. Dafür muss man das Land­wirtschafts- und Umweltressort auch lobend erwähnen. Herr Bundesminister Rupprech­ter bemüht sich wirklich sehr, das sehr transparent und partizipativ zu machen. Da nun dieser Leitfaden von der Kommission vorliegt, darf man die Sache nicht zu sehr kriti­sieren, manchmal braucht eben gut Ding Weile. Es wird aber, wie gesagt, sehr trans­parent, sehr offen und sehr partizipativ unter Einbindung der Umwelt-NGOs und aller be­troffenen Behörden gemacht.

In diesem Sinne ein kleines Update. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.20

16.20.11

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 123

16.20.3514. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend Übereinkommen von Mi­namata über Quecksilber (1614 d.B. und 1633 d.B. sowie 9810/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist wieder Frau Bundesrätin Ebner. Ich bitte um den Bericht.

 


16.21.12

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend Übereinkommen von Mi­namata über Quecksilber.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 BV-G die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 BV-G den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.22.12

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dass Quecksilber ein sehr stark toxisches, sehr giftiges Schwermetall ist, wissen wir alle. Dass Quecksilber Auswirkun­gen auf unser Nervensystem haben kann, hat sich auch schon in unseren Köpfen fest­gesetzt. Wo entsteht aber Quecksilber? – Quecksilber entsteht auf natürliche Weise bei Vulkanausbrüchen, aber auch bei industriellen Prozessen. Und bei diesen Prozessen kann es durch unsachgemäße Entsorgung zu Umweltkatastrophen kommen.

Methylquecksilber stellt die gefährlichste Form dar. Wenn dieses ins Meer, ins Grund­wasser gelangt und über die Nahrungskette, seien es Fische, seien es andere Meeres­früchte oder sei es durch Trinken, in den menschlichen Körper kommt, sind Krankhei­ten, und zwar nachhaltige Krankheiten, Vergiftungen, chronische Vergiftungen nicht aus­geschlossen. Bei einzelnen Fischsorten sind die Quecksilberwerte weit über den ge­sundheitlich unbedenklichen Werten, die Grenzwerte werden bei Weitem überschritten.

Ausschlaggebend für dieses Übereinkommen war eine Fabrik in Minamata in Japan, die das mit Quecksilber angereicherte Abwasser ins Meer geleitet hat. Damals, 1956, starben mehr als 2 000 Menschen und Zigtausende wurden vergiftet. Die Auswirkungen sind noch bis heute spürbar.

Die Minamata-Konvention ist das erste weltweite Regelungsinstrument, mit dem zu­künftig der Primärabbau von Quecksilber eingedämmt werden kann, verunreinigte Stand­orte erhoben und die Herstellung von und der Handel mit quecksilberhaltigen Produk­ten wie Batterien, elektronischen Bausteinen, Seifen, Pestiziden und Messinstrumenten sowie diverse Quecksilber verwendende Prozesse wie die Chloralkali-Elektrolyse und die wichtigsten Emittenten eingeschränkt werden können. Auch bezüglich Zahnamalgam sind Maßnahmen zu setzen.


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Bestimmungen zur sicheren und umweltgerechten Zwischenlagerung, zum fachgerech­ten Management und zur Entsorgung von Abfällen, Elemente eines Erhaltungsmecha­nismus sowie die multilaterale Finanzierung mit der Globalen Umweltfazilität im Zen­trum in Kombination mit weiteren Finanzierungselementen werden zum Erfolg des Über­einkommens beitragen.

Österreich hat dieses Übereinkommen als einer der ersten Staaten weltweit am 10. Ok­tober 2013 in Kumamoto in Japan unterzeichnet. Am 18. Mai 2017 haben die Europäi­sche Union und sieben Mitgliedstaaten ihre Ratifikationsurkunden für das Minamata-Ab­kommen beim UN-Hauptquartier in New York hinterlegt. Damit ist die notwendige An­zahl der Ratifikationen, nämlich 50, überschritten, und das Übereinkommen wird am 16. Au­gust 2017 in Kraft treten.

Die erste Vertragsstaatenkonferenz der Minamata-Konvention wird vom 24. bis 29. Sep­tember 2017 in Genf stattfinden. Damit Österreich als Vertragsstaat teilnehmen kann, muss die österreichische Ratifikationsurkunde bis spätestens 23. Juni 2017 hinterlegt wer­den.

Die ÖVP-Fraktion stimmt aus Überzeugung dem Übereinkommen von Minamata über Quecksilber zu. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

16.26


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.26.37

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Im Grunde genommen ist alles gesagt. Frau Junker hat es schon perfekt präsentiert. Vielleicht noch einen Satz: Wenn man das mit dieser Se­veso-III-Richtlinie vergleicht, die ihren Namen einem extrem gefährlichen Chemieunfall zu verdanken hat, so erinnert Minamata ebenso an eine von Menschenhand verursachte Umweltkatastrophe mit schwersten Folgen für Mensch und Natur.

Wir haben gehört, dass Quecksilber ein äußerst toxisches Schwermetall ist, das sich in der Umwelt ablagert und in Mensch und Tier anreichert. Es wirkt auf das zentrale Ner­vensystem und kann sehr schwere akute und chronische Vergiftungen hervorrufen.

Ab 2020, so ist es festgeschrieben, ist es verboten, quecksilberhaltige Produkte – und ich denke, das ist richtig – wie bestimmte Leuchtmittel oder Thermometer zu produzie­ren und zu verkaufen. Zudem dürfen Quecksilberabfälle, das wurde auch schon erwähnt, nur unter strengen Auflagen gelagert und in entsprechenden Zentren entsorgt werden.

Die österreichische Bundesregierung, sprich das Bundesministerium für Land- und Forst­wirtschaft, hat schon im Jahre 2007 mit der Apothekerkammer und privaten Unterneh­men eine Aktion gestartet, um Hg-haltige Fieberthermometer einzusammeln. Es waren rund 464 000, die in den Apotheken abgegeben worden sind. Eine Tonne Quecksilber wurde daraus gewonnen. Das hat Kosten von insgesamt 762 000 € verursacht. Und wir haben jetzt immer noch die Möglichkeit, diese Dinge bei Apotheken oder bei Pro­blemstoffsammelzentren abzugeben.

Österreich kann in diesem Bereich durchaus als Vorbild gelten, speziell was die Metall­produktion der voestalpine in Linz betrifft. Die Reduktion und Überwachung von Queck­silberemissionen ist dort auf einem weltweit vorbildlichen Niveau.

Derzeit haben – das hat Frau Junker auch schon gesagt – über 50 Länder das Über­einkommen ratifiziert, und 50 sind für ein Inkrafttreten notwendig. Das heißt, dass wir diesem Gesetz natürlich zustimmen werden. Es ist ja ein Verfassungsgesetz, und es geht um die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Ein Abschluss dieses dafür not-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 125

wendigen Staatsvertrages liegt in unser aller Interesse und sollte außer Streit gestellt werden.

Ich nutze aber auch die Gelegenheit, da Herr Bundesminister Mahrer jetzt da ist, eine Bitte auszusprechen; eigentlich hätte ja Landwirtschaftsminister Rupprechter da sein sollen. Ich habe es das letzte Mal schon erwähnt und mich dafür bedankt: Gerade bei uns in Oberkärnten haben wir mit großem Interesse wahrgenommen, dass er angeregt hat, Bundesinstitute auch in ländlichen Bereichen anzusiedeln, wo es Arbeitslosigkeit gibt.

Da die Leute schon gesehen haben, was heute auf der Tagesordnung steht, hat mir der Bürgermeister von Lurnfeld ein Anliegen mit auf den Weg gegeben. Die landwirt­schaftliche Fachschule Drauhofen wurde mit der Fachschule Litzlhof zusammengelegt. Dadurch ist dort jetzt ein wunderbares Gebäude frei geworden. Es wäre schön, wenn diese Landesimmobilie, diese Liegenschaft vom Bundesministerium vielleicht angekauft werden könnte, um nach der Auflösung des Schulbetriebs dort unter Umständen eine Initiative für erneuerbare Energie zu starten.

Das ist nur eine Bitte. Der Herr Bundesminister hat ja selbst gesagt, dass er mehr ins Land hinausgehen will. Ich würde mir das auch wünschen, und ich soll das heute über­geben. Der Herr Bürgermeister hat mir das mitgegeben. Ich habe gesagt: Natürlich ma­chen wir das! Sie als Bundesminister, der ja nur ein paar Kilometer entfernt in der Um­gebung seine Freizeit verbringt, wissen genau, wovon ich rede. Gerade im ländlichen Raum haben wir Probleme mit der Abwanderung. (Bundesrat Mayer: Wenn er wieder kommt!) Der kommt wieder! Ja, das denke ich mir, dass er wieder kommt. Ich kenne ihn ja diesbezüglich sehr gut, und ich bitte, dass man das weitergibt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Novak übergibt Bundesminis­ter Mahrer ein Schriftstück.)

16.32


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.32.04

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Bezüglich des Quecksilbers wurde schon viel gesagt. Es liegt auf der Hand, es ist nachweisbar, dass es schädlich ist. Wir alle kennen die Vorfälle, die damals, vor 60, 70 Jahren, in Japan passiert sind. Zu betonen ist auch, dass dieses Quecksilber nicht nur eine Schädigung für uns Menschen darstellt, sondern natürlich auch für die gesam­te Tierwelt, die gesamte Flora und Fauna.

Seien wir froh und unterstreichen wir das, dass die Menschheit allgemein immer einen Fortschritt macht, einen Prozess durchläuft und wir von Jahr zu Jahr, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr wissen. Man hätte auch vorher schon wissen können, nämlich damals, als von der EU verordnet wurde, dass man Energiesparlampen verwenden soll und die klassische alte Glühbirne damit abgeschafft wurde, dass Energiesparlampen Quecksilber enthalten und somit auch schädlich sind. Seien wir froh, dass es jetzt LED-Lampen gibt. Man darf aber nicht vergessen, dass auch vonseiten der EU – unter An­führungszeichen – „Giftstoffe“ in Form von Quecksilber verordnet worden sind.

Andere Produkte, die häufig Quecksilber beinhalten, wurden erwähnt. Hervorzuheben ist hier noch einmal das Zahnamalgam. Ein springender Punkt ist, dass Quecksilber in Haushalten massenhaft Eingang gefunden hat, und zwar mit den Fieberthermometern, die früher auch mit Quecksilber ausgestattet waren.

Ja, was kann man jetzt tun, um die Quecksilbermenge, die sich noch in dem einen oder anderen Haushalt befindet, zu reduzieren? – Man kann Sammelaktionen machen. Wir


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 126

hatten schon einmal eine Sammelaktion, und zwar gab es im Jahr 2007 die Aufforde­rung, dass alte Fieberthermometer abzugeben sind. Diese Sammelaktion war auch sehr erfolgreich. Da wurden sehr viele Fieberthermometer abgegeben, und insgesamt konn­te man dadurch eine Tonne Quecksilber sammeln und eine geordnete Rückführung be­ziehungsweise eine geordnete Entsorgung dieses Stoffes erreichen.

Im Bericht, den wir alle vorliegen haben, steht auf Seite 10 drinnen, dass man diese Maßnahme durchaus wieder durchführen könnte, und daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Umtausches von quecksilberhaltigen Fieberthermometern

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, mit geeigneten Unternehmen und Ein­richtungen, insbesondere mit der österreichischen Apothekerkammer, in Verhandlungen zu treten, um als Beitrag zum Umweltschutz ein Förderprogramm zu entwickeln, das den Umtausch von quecksilberhaltigen Fieberthermometern gegen quecksilberfreie Fieber­thermometer beinhaltet.“

*****

Ich denke, dass das eine gute Sache ist. Ich denke, dass das eine Maßnahme ist, die ohne große Probleme umzusetzen ist, und ich denke auch, dass es im Sinne des Um­weltschutzes, im Sinne des Schutzes von uns allen, im Sinne des Schutzes der ganzen Tier- und Pflanzenwelt eine geeignete Maßnahme wäre, um unseren Beitrag hiezu zu erhöhen. Daher hoffe ich auf eine große Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.36


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Der von den Bundesräten Längle, Kolleginnen und Kol­legen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Förderung des Umtausches von quecksilberhaltigen Fieberthermometern ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Kol­legin.

 


16.36.22

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr verehrte ZuseherInnen hier und vor dem Livestream! Das Übereinkom­men von Minamata ist 2013 in Kumamoto in Japan unterzeichnet worden, und es ist das erste weltweite Abkommen zur Reduktion der Quecksilberbelastung. Es ist, wie fast al­le internationalen Abkommen, nicht perfekt, aber trotzdem ist das Minamata-Abkom­men über Quecksilber ein Meilenstein der internationalen Umweltpolitik. Wir freuen uns auch sehr, dass seit zwei Wochen 50 Länder die Konvention ratifiziert haben und die Konvention somit im August dieses Jahres in Kraft tritt und dass da endlich wirklich et­was weitergeht.

Wir werden auch dem Antrag der FPÖ zustimmen. Wir glauben aber, dass das in Ös­terreich kein großes Problem mehr ist. Damals, als diese Aktion das erste Mal durch­geführt worden ist, waren Quecksilberthermometer noch sehr stark verbreitet. Jetzt ist es, glaube ich, nicht mehr das große Problem, aber ja, machen wir.

Ich möchte nur noch ein wenig auf die sozialen Herausforderungen bei der Umsetzung dieser Konvention eingehen. In Industrieländern mache ich mir da wenig Sorgen, da kön-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 127

nen wir Technologien zur Quecksilberverminderung einsetzen, und das wird schon ge­macht, aber in Entwicklungsländern wird es wirklich eine große Herausforderung sein. Fast 40 Prozent der weltweiten Quecksilberemissionen kommen aus dem Goldabbau. Große Abbaugesellschaften verwenden Quecksilber nicht mehr oder eben nur mit Rück­gewinnung, sodass es dann keine Quecksilberemissionen mehr gibt. Vor allem in den armen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas wird es immer noch verwendet, al­so arme Goldschürfer verwenden Quecksilber, weil es einfach billig und leicht beschaff­bar ist – bis jetzt dann eben. Der Goldpreis ist hoch, sodass die gesundheitlichen Risi­ken einfach in Kauf genommen werden.

Nach der Goldgewinnung wird das Quecksilber einfach verdampft, gerät in die Luft, mit dem Niederschlag in Wasser, Boden, Pflanzen, reichert sich in der Nahrungskette an und verseucht ganze Regionen. Eine wichtige Aufgabe der Konvention wird es sein, Pro­gramme auszuarbeiten, die genau in diesen Ländern die Emissionen verringern, Ände­rungen im Abbau unterstützen, vorzeigen und auch kontrollieren, aber trotzdem den Men­schen vor Ort, die es bis jetzt benutzen, die Lebensgrundlage nicht nehmen.

Wir freuen uns sehr, dass wir diese Konvention unterzeichnet haben, und werden sehr gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.38

16.38.44

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungsberei­che der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Weiters lasse ich nun über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenom­men.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Längle, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung ei­ner Entschließung betreffend Förderung des Umtausches von quecksilberhaltigen Fie­berthermometern vor.

Ich lasse über den Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menminderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 128

16.41.0815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2017 (2142/A und 1641 d.B. sowie 9804/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (1611 d.B. und 1642 d.B. sowie 9805/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen zu den Punkten 15 und 16 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Hackl. Ich bitte um die Be­richte.

 


16.41.44

Berichterstatterin Marianne Hackl: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammer­gesetz 1998 geändert wird – WKG-Novelle 2017.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum zweiten Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.43.06

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Um es gleich vorauszuschi­cken: Dem Maß- und Eichgesetz stimmen wir zu – um mit dem Positiven zu starten. (Bun­desrätin Zwazl: Aber geh!) Was die Novelle des Wirtschaftskammergesetzes betrifft, die­ser stimmen wir nicht zu.

Ganz kurz zusammengefasst: Wir glauben, dass dadurch die Kopfgeldjagd der Wirt­schaftskammer auf Pfuscher legalisiert wird, dass die Datenbeschaffungsbefugnis der Wirtschaftskammer über unter anderem die Sozialversicherungsträger massiv erweitert wird, auch auf potenzielle Gründer ausgedehnt wird – und das sind schließlich wir alle –, die Verwendung dieser Daten zu Werbezwecken auch legalisiert wird, dass die Grund­umlage erst ab 2019, aber auch nur für viel zu wenige Wirtschaftskammermitglieder ge-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 129

senkt wird und dass beim Umbau der Kammerumlage die großen Mitglieder bevorteilt werden und auch das zu wenig ist. (Bundesrat Schennach: Sollen sie noch mehr be­vorteilt werden?)

Das Begutachtungsrecht, wenn ich damit starten darf, finden wir inhaltlich grundsätz­lich nicht dramatisch. Die Wirtschaftskammer darf alles begutachten und lässt sich das auch im Gesetz so versichern: Verordnungen, Artikel-15a-Vereinbarungen und, und, und. Ich glaube, nur die Verordnungen für die mittelbare Bundesverwaltung sind rausgenom­men worden, aber sonst ist die Wirtschaftskammer überall dabei.

Ich finde es aber ziemlich zynisch, dass ausgerechnet dieses Gesetz als Initiativantrag gekommen ist, also niemand Begutachtungsmöglichkeiten gehabt hat, und das betrifft, wie gesagt, die Wirtschaftskammer selbst. Das ist Wasser predigen und Wein trinken.

Zur Grundumlage: Die Grundumlage ist für die Mitgliedschaft je Fachgruppe zu entrich­ten. Das gilt auch, wenn die Mitgliedschaft zu mehreren Fachgruppen durch nur eine Berechtigung begründet ist. Ich habe mir die Mitgliederstatistik 2016 angesehen, da gibt es 500 282 Einfach-Mitgliedschaften. Diese sind davon nicht betroffen, da gibt es keine Senkung, weil es ohnehin nur um Einfach-Mitgliedschaften geht. Zweifach-Mitgliedschaf­ten in mehreren Fachgruppen gibt es 131 704. Da gibt es auch keine Senkung, weil sie in mehreren Fachgruppen sind. Zweifach-Mitgliedschaften in einer Fachgruppe gibt es nur 58 404. Diese erleben also tatsächlich eine Senkung.

Darüber hinaus gibt es noch rund 125 000 mit drei bis 27 Fachgruppenzugehörigkei­ten. Da kann es zu einer Reduktion kommen. Wenn man zum Beispiel zurzeit vier Ge­werbescheine in drei Fachgruppen hat, dann zahlt man künftig eben für drei statt vier Scheine. Das heißt, es profitiert ein großer Teil der Mitglieder nicht von dieser Grund­umlagenänderung und viele nur in einem geringen Maß.

Es ist so, dass zum Beispiel die Gruppe der Unternehmen mit Sechsfach-Mitgliedschaf­ten stark gestiegen ist, von 4 668 auf 4 860 Unternehmen. Die Notwendigkeit dieser vie­len Mitgliedschaften ist für die Unternehmen also schon ein Problem.

Wir wollen, dass man für einen Gewerbeschein nur eine Grundumlage bezahlt. Dazu kommt aber auch noch, dass man über die Höhe der Grundumlagen reden muss, die ja ganz unterschiedlich ist, was auch in vielen Bereichen nicht verständlich ist. (Bun­desrat Schennach: Die Wirtschaftskammer will eben auch Geld!) Ein Fahrradkurier in Wien zahlt 190 € Grundumlage, ein Kfz-Kuriertransport gar nichts.

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind sehr groß. Die Werbeagenturen im Burgenland zum Beispiel zahlen 247 €, in Wien zahlen sie nur 85 €. Bestatter zah­len Grundumlage je Geschäftsfall, also je Todesfall, bei 450 Beerdigungen sind das in Salzburg 325 €, im Burgenland – die haben Wahnsinnseinnahmen im Burgenland – 2 025 € Grundumlage.

Wir glauben, dass es doch das Ziel sein sollte, einen Universalgewerbeschein für freie Gewerbe zu haben, eine Deckelung der Grundumlage und dass sie eben nur einmal fällig wird, ob je Betriebsstätte oder je Unternehmen, das ist dann weniger wichtig.

Zur Kammerumlage: Diesen Paragrafen zu verstehen, ist wirklich schwierig, darum le­se ich ihn jetzt auch nicht vor. Ich glaube nicht, dass die Aufmerksamkeit jetzt noch so hoch ist. (Bundesrat Schennach: O ja!) Doch? – Nein, das tue ich nicht.

Es ist so, dass damit tendenziell Großunternehmen entlastet werden und Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 150 000 und 2 Millionen € weiterhin bei der KU 1 den vol­len Satz bezahlen. Ein ähnliches System wird für die Kammerumlage 2 gelten, sie wird dann ab 16 Millionen € Bemessungsgrundlage gesenkt. Die KU 2 wird auf 0,41 Prozent gedeckelt – auch das wieder eine großartige Errungenschaft! Derzeit liegt sie im Bur­genland bei 0,44, in Tirol bei 0,43 und in Salzburg bei 0,42 Prozent, also knapp darü-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 130

ber, alle anderen Bundesländer liegen sowieso unter dieser Deckelung. Es ist also ein gewisses Befriedungsprogramm für Großunternehmen, aber den vielen KMU in Öster­reich bringt diese Senkung kaum etwas.

Wir fordern eine schrittweise Abschaffung der Kammerumlage 2, und als ersten Schritt könnte man sie zumindest dramatisch reduzieren. Wir sind nämlich davon überzeugt, dass die Wirtschaftskammer kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem hat.

Die Wirtschaftskammer macht es sich mit diesem Gesetz zu einer Kernaufgabe, Pfu­scher zu bekämpfen. Bisher war diese Aufgabe ja nur mit etwas Kreativität aus den Be­stimmungen herauszulesen. Jetzt steht im Gesetz zur Definition des eigenen Wirkungs­bereichs der Wirtschaftskammer insbesondere das Verhindern unbefugter Gewerbe­ausübung.

Da erscheint es uns schon angebracht, kritisch anzumerken, dass die Wirtschaftskam­mer sich das Recht herausnimmt, zukünftig potenzielle Verdachtsfälle in einer Datei zu speichern, also in einer Verbrecherdatei. (Bundesrat Schennach: Geh, Verbrecherda­tei!) Das heißt, die Wirtschaftskammer erhält dann zu jeder Anzeige eine Info, ob sie weiterverfolgt wurde und wie das Verfahren ausging. Da wird es also in der Wirt­schaftskammer dann eine Böse-Unternehmen-Datei geben.

Die Wirtschaftskammer ist auch berechtigt, zur Erfüllung der ihr gesetzlich übertrage­nen Aufgabe personenbezogene Daten zu erfassen und auch aufzubewahren.

Was die Daten betrifft, gibt es noch ein weiteres Problem. Dass die Wirtschaftskammer Mitgliederverzeichnisse führt, ist okay, aber sie führt eben auch Verzeichnisse über po­tenzielle Gründer, und da ist schon die Frage: Wer ist ein potenzieller Gründer? Jeder, der einmal wegen einer Auskunft kommt? Wozu werden diese Daten dann verwendet? Um alle potenziellen Gründer mit entsprechenden Informationen zu füttern oder auch um die Unternehmen der Wirtschaftskammer wie das WIFI in eine bessere Stellung brin­gen zu können?

Das WIFI stellt natürlich in weiten Bereichen für private Weiterbildungsanbieter eine Konkurrenz dar, und diese Konkurrenz wird auch noch durch die Möglichkeit der Aus­stellung von Bestätigungen und so weiter durch die Wirtschaftskammer positiv unter­stützt, sage ich einmal so. (Bundesrat Mayer: Irgendwann muss man dann zur Vernunft zurückkehren! Das ist NEOS-Kammerjägerpartie!) – Ja, eine vernünftige Lösung stellen wir uns eigentlich schon so vor ... (Bundesrat Mayer: NEOS-Kammerjägerpartie, was ich da höre, NEOS-Kammerjägerpartie!) – Nein.

Wir glauben, dass man in Bezug auf die Landeskammern wirklich massiv reduzieren könnte, auf entsprechende Mitgliederbetreuung auf Landesebene und Bezirksbetreuung, dass aber die Interessenvertretung sozusagen zentralisiert gehört und nicht in so viele Bereiche aufgeteilt werden sollte. Interessenvertretungen sollten nach Betriebsgrößen und Rechtsformen stattfinden und nicht nur nach Branchen und Interessen. (Vizepräsi­dentin Winkler gibt das Glockenzeichen.) – Ja, ich bin gleich fertig.

Die Wirtschaftskammer bräuchte dringend eine Demokratiereform, das heißt eine Wahl­rechtsreform, denn wer das einmal in der Praxis mitgemacht hat, der wird mir in die­sem Punkt sicherlich zustimmen. Und ich habe das in der Praxis mitgemacht. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit des Bundesrates Mayer.)

16.54


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Präsi­dentin Zwazl. – Bitte.

 


16.54.09

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin es


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 131

gewohnt, dass man über die Wirtschaftskammerorganisation spricht und dass man die Betroffenen eigentlich nicht zu Wort kommen lässt, sondern dass man ihnen erklärt, welche Bedeutung ihre Vertretung für sie hat. Ich kenne niemanden außer der Wirt­schaftskammerorganisation, der die Wirtschaft so gut vertritt und überhaupt der Think­tank für sie ist. Wir haben alle Branchen unter einem Dach, wir haben alle Größen der Betriebe unter einem Dach, und wir haben auch den Interessenausgleich zu machen – das ist etwas Wesentliches.

Wir reden immer davon, dass die kleinen und mittleren Betriebe Unterstützung brau­chen, dass die Industrie eine Lobby hat und sich sowieso gut vertreten kann, dabei ha­ben wir die ja natürlich auch. Und wenn man über die Einsparungen, über die Mitglieds­beiträge spricht, dann vergisst man vollkommen, dass mehr als die Hälfte nur die Grund­umlage bezahlen, und die Grundumlage beträgt bei den Einpersonenunternehmen, die wir haben, zwischen 36 € und 180 € im Jahr.

Ich denke, das ist ein Beitrag, der wirklich eine großartige Unterstützung für unsere Be­triebe darstellt, denn ich glaube, diese Serviceleistungen, die man bekommt, sind sehr wichtig. Und wichtig für uns ist auch, dass ich punktgenau in meiner Branche und für meine Branche das Service und auch die Auskünfte bekomme. Wenn ich einen einheit­lichen freien Gewerbeschein habe, dann weiß ich ja nicht, wie ich die einzelnen Mitglie­der betreuen soll, weil ich gar nicht weiß, wo die hingehören. Das ist ja für unsere Mit­glieder ein Nachteil.

Und wenn du von Demokratie sprichst, Kollegin Reiter, dann muss ich sagen, dass ge­rade wir eine sehr demokratische Organisation sind. Nur ist es immer ein Problem: Wir reden von Demokratie, aber leben will sie keiner, weil das nämlich kompliziert ist. Wir wählen unsere Branchenvertreter. Wir wählen Teamleute, die Ahnung von ihrer Bran­che haben und die uns auch dementsprechend vertreten können. Und dann geht es weiter in die einzelnen Gremien, also in die einzelnen Ebenen, Sparten. Ich denke, was das betrifft, sind wir wirklich sehr gut unterwegs. (Zwischenrufe der Bundesräte Mühl­werth und Samt.)

Ich bin Unternehmerin. Ich stehe hier nicht als Präsidentin der Wirtschaftskammer, weil das mein Karrierewunsch war, sondern ich stehe deshalb hier – ich komme aus einem kleinen Unternehmen und weiß, wie wichtig es ist, eine gute Vertretung zu haben –, weil ich zu den Veranstaltungen der Wirtschaftskammer gegangen bin und gefragt habe: Wie schaut das aus, welche Unterstützung bekomme ich? – Und so ist das entstanden.

Ich habe unsere Organisation kennen- und auch wirklich lieben gelernt. Ihr könnt mir er­zählen, was ihr wollt, aber ich bin Unternehmerin, ich vertrete Unternehmer. Und wenn es jetzt hier um Politik geht, dann muss ich ganz einfach sagen: Einen Unternehmer kannst du nur durch Leistung überzeugen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Und wenn es politische Organisationen gibt, die halt relativ wenige Leute haben, die sich ein­bringen und ihre Mitglieder vertreten, dann tut es mir leid.

Es ist ja so, dass dieser Novelle natürlich auch eine breite Diskussion in unseren Rei­hen vorausgegangen ist. Wir haben im Jahr 2000 eine große Kammerreform gemacht, und jetzt haben wir uns wieder hingesetzt und haben gesagt: Was können wir tun, um eine effiziente, starke Vertretung für die Wirtschaft zu haben und gleichzeitig Service­leistungen zu bieten, die an die Herausforderungen, die wir in der Wirtschaft haben, an­gepasst sind, natürlich mit dem sparsamen Einsatz von Mitteln?

Ich denke nicht, dass es ein Klacks ist, wenn wir uns hingesetzt und nachgedacht ha­ben, wie wir sparsam mit unserem Geld umgehen und wo wir etwas einsparen können, mit dem Ergebnis, dass wir insgesamt 100 Millionen € einsparen. Ich kann ja nicht nur sagen: Wir sparen diese Summe ein!, ich muss ja auch schauen, wie man das macht. Und da sind wir schon sehr gut vorgegangen.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 132

Wir haben die KU 1 angesprochen, die degressive Staffelung. Ich muss schon sagen: Bei Großbetrieben, die wirklich sehr viel beitragen, weil sie eben sehr viele Mitarbeiter haben – ich habe es schon gesagt, über 50 Prozent zahlen weder KU 1 noch KU 2 –, müsste man schauen, ob man einen Deckel einziehen kann, wie weit wir uns da bewe­gen können. Wir sollten auch überlegen, dass natürlich Investitionen, die gemacht wer­den, dabei auch berücksichtigt werden; ich glaube, das ist gut.

Bei der KU 2 ist es so, dass wir 5 Prozent einsparen, denn da geht es um die Lohnne­benkosten.

Bei der Grundumlage macht die Reduktion durch den Wegfall der Mehrfachgrundumla­gen auch einen ganz schönen Betrag aus. Ich denke auch, dass wir Neugründern ent­gegenkommen, indem sie das erste Jahr keine Grundumlage zahlen müssen.

Ich habe mir das in Niederösterreich angeschaut. Ich habe im Ausschuss gesagt, wir ha­ben 1,6 Prozent mit Mehrfachmitgliedschaften. Ich habe 125 000 Mitglieder und 186 000 Be­rechtigungen. Das sind durchschnittlich 1,51 Berechtigungen pro Mitglied, österreich­weit sind es 1,5. Es gibt schon einige, die mehr Berechtigungen haben, aber der Groß­teil hat nur eine. Da muss man schon die Kirche im Dorf lassen.

Was die Daten zu den potenziellen Gründern betrifft, dazu muss ich sagen: Ich habe in Niederösterreich über 16 000 Gründungsberatungen, und es machen sich ungefähr 8 000 jedes Jahr selbständig. Ich habe gar keine Daten, die ich weitergeben kann. Wenn ei­ner nicht gründet, habe ich ihn ja nicht als Mitglied erfasst, sondern ich habe nur in der Datenbank, dass er oder sie da war, aber sonst gar nichts. Also ich verstehe nicht, wo diese Angst herkommt – keine Ahnung!

Wir haben potenzielle Gründer oder Leute, die beabsichtigen, eine Firma, ein Unter­nehmen zu gründen, zu beraten. Das ist ja selbstverständlich. Schau dir das jetzt ein­mal an! 16 000 berate ich im Jahr, und davon machen sich 8 000 selbständig. Da sieht man, wie viele ganz einfach noch kein gutes Konzept haben und wie vielen man noch sagen muss: Überlegt euch das, bevor ihr den Schritt in die Selbständigkeit wagt! – Uns ist es nämlich wichtig, dass die, die den Schritt in die Selbständigkeit machen, auch ei­ne hohe Überlebenschance haben.

Das ist für den Betroffenen wichtig, aber auch für die anderen in der Wirtschaft, weil man bei einem Unternehmercrash ja auch die anderen touchiert. Es ist schon nett, wenn man von redlichem Scheitern redet, das ist schon okay, und man soll jedem eine Chance geben, aber man darf nicht vergessen, dass es für den Einzelnen oft sehr schwierig ist, aufzustehen, weil er einen Riesenbinkel an Schulden mitschleppt. Das muss man schon dazusagen.

Was die Vorwürfe zur Pfuscherbekämpfung betrifft: Da kenne ich mich schon gar nicht mehr aus. Pfuscher zu sein, heißt: Ich bin unseriös, ich mache Arbeiten, zahle aber kei­ne Steuern. – Na, Gott soll abbitten, dass das jeder macht; das schaue ich mir aber an! Ich muss doch eine Handhabe haben. Ich habe zum Beispiel auch Kontakt mit der Fi­nanzpolizei. Wenn wir Meldungen bekommen, dann geben wir die weiter, und dann wird uns erklärt: Okay, Angelegenheit überprüft – und aus.

In Tirol hat es das leider gegeben, dass Daten irgendwie an die Öffentlichkeit geraten sind. Bei uns gibt es das ganz einfach nicht. Und die Pfuscherbekämpfung hat man jetzt ganz einfach geregelt, indem man sagt, die Erhebung der Daten und die Übermitt­lung an die Strafbehörde dürfen wir bis zur Erledigung des Verfahrens machen. Und das ist meiner Meinung nach schon eine Aufgabe, die ich habe: dass ich meine Betriebe, meine redlichen Unternehmer vor Pfuschern schütze. Ich glaube schon, dass das je­mand verlangen kann und dass das auch wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bun­desräten der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 133

Ich muss aber jetzt auf noch etwas eingehen – es tut mir leid, das Lamperl übersehe ich jetzt (Heiterkeit) –: Neben den finanziellen Auswirkungen haben wir in der Reform drei zentrale Themen, die du angesprochen hast, Kollegin Reiter, und ich glaube, da tref­fen wir uns sehr gut.

Wir schaffen eine klare Aufgabenteilung zwischen Wirtschaftskammer Österreich und den Landeskammern. Durch einen gelebten kooperativen Föderalismus wollen wir die An­gelegenheiten, die gemeinsam gelöst werden können, auch gemeinsam erledigen, und wir überprüfen unser gemeinsames und unser gesamtes Leistungsspektrum in Richtung Digitalisierung. Es gibt ganz einfach eine klare Aufgabentrennung.

Was sind die Aufgaben einer Landeskammer, was sind die Aufgaben der Wirtschafts­kammer Österreich? – Wir als Landeskammer sind näher beim Mitglied. Wir haben un­sere Bezirksstellen. Wir haben die mitgliederorientierten Aktivitäten und Services, und die werden ganz einfach bei uns auf der Landesebene durchgeführt. Die Wirtschafts­kammer Österreich ist zuständig für die Interessenvertretung auf Bundes- und auf EU-Ebene und das internationale Service und auch die Außenwirtschaftskammerorganisa­tion, die auch ausgebaut wird, für eine internationale Netzwerkagentur für Innovationen.

Es werden auch Innovationscenter etabliert, um den Mitgliedern ganz einfach interna­tionale Entwicklungen und Trends zugänglich zu machen. Wir werden natürlich schau­en, welche Möglichkeiten wir durch die Digitalisierung noch haben, besser und vernetz­ter zusammenzuarbeiten.

Ein Wort möchte ich noch zum WIFI sagen: Das WIFI ist eine wirklich tolle Erwachse­nenausbildungseinrichtung. Wir bieten Ausbildungen an, die man auf dem freien Markt noch nicht bekommt. Wir haben derzeit im WIFI 400 neue Ausbildungen, Kurse, eben in Richtung Digitalisierung, zu einem Betrag, den sich unsere Unternehmer leisten kön­nen. Wenn es in der freien Wildbahn jemanden gibt, der das anbieten möchte, dann soll er das tun. Natürlich bieten wir auch Berufsmatura an und verleihen Zertifikate. Ich glaube, das ist wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, dass ich hier nicht die Gele­genheit habe, einmal ein bisschen mehr über die Wirtschaftskammer zu erzählen und auch zu erklären, welche Bedeutung sie hat, wie wichtig sie für uns ist und wie wichtig sie auch für die gesamte Wirtschaft ist, auch in unserer Zusammenarbeit mit den So­zialpartnern, denn eines dürfen wir nicht vergessen: Wir, die Wirtschaftskammer, und auch die Arbeitnehmervertreter, wir arbeiten sehr gut zusammen, es ist aber wichtig, dass wir unsere Unternehmer unterstützen, genauso wie die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter mitnehmen auf den Weg in die Zukunft, in die Ausbildung.

Ich würde mir schon wünschen, dass man sich zuerst einmal mit den Leistungen einer Organisation auseinandersetzt, bevor man ihr immer wieder vorwirft, dass sie nicht effizient ist und dass sie keine gute Arbeit für die Mitglieder macht und dass sie auch nicht sorgsam mit den Mitteln umgeht. Und ich muss noch etwas dazusagen: Es han­delt sich um die Mittel der Wirtschaftskammerorganisation. Wir bekommen von nieman­dem eine Unterstützung. Es gibt andere Organisationen, die sehr wohl am Leben er­halten werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.06


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir erwarten die nächste flammende Rede von Frau Bundesrätin Vizepräsidentin Anderl. – Bitte.

 


17.06.59

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt, glaube ich, muss ich einiges weglassen, was auf meinem Zettel steht, denn dass im ersten Jahr nach der Gründung


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 134

die Pflicht zur Zahlung der Grundumlage entfällt, wurde von der Präsidentin der nieder­österreichischen Wirtschaftskammer schon angesprochen. (Präsidentin Ledl-Rossmann übernimmt den Vorsitz.)

Zur Einführung eines degressiven Staffeltarifs wurde auch schon alles gesagt, und zwar sehr, sehr ausführlich, glaube ich. Ich kann das jetzt wahrscheinlich ein bisschen kürzer formulieren.

Worin ich der Präsidentin auf jeden Fall wirklich recht geben möchte, ist, dass man ei­ne finanzielle Unterlage braucht, wenn man eine effiziente und starke Interessenvertre­tung haben will, für die Mitglieder da sein und für sie aktiv etwas bewegen will – da können wir jetzt lange hin und her diskutieren. Natürlich ist es so, dass man über Re­formen sprechen kann, darüber, wo man etwas verändern kann, und das passiert ja auch heute hier mit dieser Vorlage, mit diesem Gesetzesbeschluss.

Für mich ist es schon ein Fortschritt, dass damit auch eine bessere Handhabe, eine Re­gelung gegeben ist, um das Pfuscherwesen zu bekämpfen, denn ich glaube, dass wir auch da auf einer Seite sind. Für mich ist Pfuscherwesen nach wie vor Betrug am So­zialstaat (Bundesrätin Mühlwerth: Fragen Sie sich vielleicht einmal, warum das so ist!), und ich denke, dass es unser gemeinsames Anliegen sein sollte, uns dagegen einzu­setzen.

Da auch immer wieder die Sozialpartnerschaft infrage gestellt wird, möchte ich hier an dieser Stelle sagen, dass wir in Österreich eine Sozialpartnerschaft haben, die lebt – auch wenn einige vielleicht manchmal glauben, dass sie tot ist – und vor allem beweist, dass wir gut unterwegs sind. Auch das hat ja Präsidentin Zwazl schon angesprochen.

Ich möchte noch ganz kurz dazusagen, wenn wir schon bei dem Thema sind: Es ist ei­ne Sozialpartnerschaft, um die uns viele Nachbarländer beneiden, eine Sozialpartner­schaft, die jährlich mehr als 850 Kollektivverträge für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer abschließt, aber auch für die Wirtschaft, weil wir genau wissen, wo wir uns tref­fen können.

Jetzt ist ja der kollektivvertragliche Mindestlohn von 1 500 € in aller Munde, in allen Me­dien, und auch dazu, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, möchte ich euch sagen: Die So­zialpartnerschaft ist auf einem ganz guten Weg, denn allein in der GPA, in der Gewerk­schaft der Privatangestellten, wurden bereits im Frühjahr mehr als 19 Kollektivverträge auf 1 500 € umgestellt. Das betrifft weit mehr als 30 000 Beschäftigte. Weitere 16 Kol­lektivverträge haben wir mithilfe eines Stufenplans umgestellt; auch diese haben bald den Mindestlohn von 1 500 €.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin davon überzeugt und sehr zuversichtlich, dass wir in Kürze keine Beschäftigte, keinen Beschäftigten mehr haben werden, die oder der bei Vollzeit unter 1 500 € verdient. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Das, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zeigt die Wirksamkeit der Sozialpartnerschaft.

Wenn es vielleicht einmal ein Thema gibt, über das man länger gemeinsam diskutiert – und auch das schätzen wir natürlich, dass wir uns eben öfter an den Verhandlungstisch setzen, dass wir gemeinsam diskutieren, um gemeinsam für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen das Beste herauszuholen –, wenn es einmal ein bisschen länger dauert, dann redet man gleich davon, dass die Sozialpartnerschaft tot sei. Das ärgert mich dann immer. (Bundesrätin Mühlwerth: Das Beste?! Den kleinsten gemeinsamen Nenner vielleicht!)

Ich glaube, allein mit unseren Kollektivverträgen beweisen wir, dass die Sozialpartner­schaft nicht tot ist und dass wir gemeinsam viel für die Beschäftigten, für den Standort Österreich erreichen können. (Beifall des Bundesrates Schennach. – Ironische Heiter­keit der Bundesrätin Mühlwerth.)


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 135

Ich bin für Fairness und Wettbewerb, aber mir ist vor allem sehr wichtig, dass der Wett­bewerb nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird.

Ein paar Punkte, die heute ein bisschen untergegangen sind, möchte ich noch anspre­chen. Es steht ja heute noch ein anderes Gesetz auf der Tagesordnung, nämlich das Maß- und Eichgesetz. Mit dieser Novelle des Maß- und Eichgesetzes schaffen wir eine deutliche Verwaltungsvereinfachung. Damit ist auch eine merkbare Kostenersparnis im Bereich der Eich- und Messgeräte verbunden. Durch die vorliegende Novelle kommt es ja aufgrund der permanenten Weiterentwicklung vor allem im technischen Bereich zu einer Streichung der Eichpflichten bei einer Reihe von Messgeräten, aber auch zu ei­ner Ausdehnung von Eichfristen. Im Ausschuss wurde uns versichert, dass es mit die­ser Änderung, mit dieser Ausdehnung von Eichfristen, zu keiner Verschlechterung der Messgenauigkeit kommen wird. Dennoch, denke ich, sollte diese Verlängerung der Eich­fristen evaluiert werden, und dazu haben wir im Ausschuss auch die Bestätigung erhal­ten. Ich halte es für wirklich sehr positiv, dass bereits jetzt ein Evaluierungsplan vor­liegt, um genau diese Bedenken zu berücksichtigen, damit es auf keinen Fall zu Ver­schlechterungen kommt.

Meine Fraktion wird diesen beiden vorliegenden Gesetzesbeschlüssen die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.12


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Pisec. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.13.08

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eine Lex Leitl, keine Frage, und in der Wirtschaftskammer gibt es das Votum der Stimmenthaltung. Das wäre für unsere Fraktion das passende, das gibt es im Parlament aber nicht. Es ist al­so der geringste gemeinsame Nenner, dass wir uns hier zur Zustimmung durchgerun­gen haben.

Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Anderl, beschreibt die Kammer als Kollektivvertrags­maschine. Meine andere Vorrednerin, Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederöster­reich, beschreibt die Kammer als Serviceorientierungsmaschine. Wir Freiheitlichen wol­len eine Kammer, die sich um Interessen der Mitglieder und der Unternehmenslandschaft und um die Durchsetzung der Interessen im Nationalrat kümmert. Wir wollen keine Wirt­schaftsbundfunktionäre haben, die sechs Abgabenänderungsgesetzen zugestimmt ha­ben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Kammer als solche ist nicht so schlecht. (Bundesrat Mayer: Ja, eh!) Ich habe dir etwas mitgebracht, speziell für dich, liebe Frau Präsidentin der niederösterreichischen Wirt­schaftskammer. Sie wurde, wie du sicherlich weißt, 1850 gegründet und hat damals Han­dels- und Gewerbekammer geheißen. Die haben sich damals etwas dabei gedacht, das war das Goldene Zeitalter der österreichischen Wirtschaft. Das Haus hier ist noch ge­prägt von damals. (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer und Zwazl.)

Die Wirtschaftskammer Österreich wurde 1945 gegründet, bis 1945 hat es keine Wirt­schaftskammer Österreich gegeben. Du hast einen richtigen Ausspruch getätigt, und den möchte ich hier wiedergeben: Die Landesmitglieder sind näher bei der Basis. Die Kammer war immer näher bei der Basis, bis dieser Wasserkopf WKO in der Wiedner Hauptstraße gegründet worden ist. In § 2 des Gesetzes von 1850 heißt es: „Jeder Kam­mer wird ein bestimmter Bezirk zugewiesen.“ – Das war gültig bis 1945; gemeint ist der Bezirk Wien. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Was den Wahlmodus betrifft, gebe ich Frau Kollegin Reiter recht, werde aber noch ge­nauer ausführen, warum die Demokratie in der Kammer eigentlich nicht funktioniert; des­halb habe ich mir das Gesetz von 1850 auch zurechtgelegt:


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 136

Drei Jahre waren eine Wahlperiode, nicht drei oder vier Perioden wie bei Präsident Leitl. Der wurde übrigens sogar von Präsidenten Putin als Diktator bezeichnet. (Heiterkeit der Bundesräte Mühlwerth und Mayer.) – Ja, ja, das ist legendär. Das Wahlrecht hat eine direkte Wahl vorgesehen, und das Wichtigste: One man – oder one woman, wie man heu­te sagen würde –, one vote. Das ist das Entscheidendste.

Was passiert denn bei einer Wahl? – Bei einer Wahl fängt zwei bis drei Monate vorher das große Gewerbescheinsammeln an, weil jeder weiß, es gibt Unternehmer, die am Wahltag sieben bis zehn Stimmen abgeben. Sieben bis zehn Stimmen! Das ist ja total skurril. Wenn man sich dann noch die Wahlbeteiligung anschaut, die mit 30 Prozent eh sehr, sehr hoch gegriffen ist (Bundesrätin Zwazl: Na entschuldige!), und wenn man die einmal abzieht, ist man wahrscheinlich bei 20 Prozent und nicht einmal das; dann stellt man schon die Existenzberechtigung infrage. Ich rede jetzt nicht von der Länderkam­mer, ich rede immer von der Bundeswirtschaftskammer in der Wiedner Hauptstraße. Das ist Kritikpunkt Nummer eins.

Man sollte sich überlegen, ob man ... (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Nein, Mo­ment, lass mich einmal ausreden! Du hast lange genug geredet, du hast sogar überzo­gen; ich rede 10 Minuten, ich werde es auf den Punkt bringen. (Oh-Rufe bei ÖVP und SPÖ.)

Man sollte überlegen, ob man diese Präsidentschaft überhaupt braucht, ob man das nicht wie bei der Landeshauptleutekonferenz handhaben kann, mit einem rotierenden Län­dersystem, in dem alle neun Länder einmal den Präsidenten stellen. So war es hundert Jahre lang und so hat es auch funktioniert. Und die Länder, wie du richtig gesagt hast, sind wesentlich näher bei der Basis als die Bundeswirtschaftskammer.

Wir Unternehmer wollen Interessen vertreten haben. Und ich frage mich – weil die So­zialpartnerschaft hier so hochgelobt worden ist –: Wer ist denn verantwortlich dafür, dass wir heute bei einer Abgabenquote und Steuerquote von an die 50 Prozent ste­hen? – Das ist immer mit Zustimmung der Wirtschaftskammer erfolgt, permanent! Und das Fatale ist: Präsident Leitl hatte ein Renommee als Unternehmer, und er hat sein Re­nommee als guter Industrieller dafür eingesetzt, die Unternehmerschaft zu verkaufen, er hat sie geopfert auf dem Altar der Kompromisshandlungen der großen Koalition, die jetzt endlich, Gott sei Dank, den Bach runtergeht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Wir Unternehmer wollen eine wahre Interessenvertretung haben, und das sind die Län­der, vollkommen richtig, und noch andere Organisationen. Da gibt es viele. Es gibt den Handelsverband, es gibt den Verband der Wirtschaftstreuhänder, es gibt natürlich die Industriellenvereinigung, die mittlerweile sogar KMU vertritt, weil auch 80 Prozent aller 8 000 österreichischen Industriebetriebe KMU sind, die sich nicht, wie du gesagt hast, von der Industrie, von der Kammer vertreten fühlen.

Wir, die Industrie, zahlen zwar ein Viertel aller Beiträge, haben aber dort überhaupt kei­ne Mitsprache- oder Stimmrechte. Wir, die Industrie, hätten diesem Kammergesetz nie­mals so zugestimmt, wie zugestimmt wurde. Wir haben uns hier praktisch großzügig ge­zeigt und ein Votum dafür abgegeben. Das gehört anders organisiert.

Eine Stimme für drei Kammern, wie es derzeit der Fall ist – Fachgruppe, Landeskam­mer, Bundeskammer –, das geht nicht. Da geht klarerweise der Kontakt verloren, denn die Stimme gibt man in seiner Fachgruppe ab, die wählt die Landeskammer, und die wählt als Dritter die Bundeskammer. Ein Bundeskämmerer kennt gar keinen Wahlkampf. Der kennt den gar nicht, weil er mit der Basis nur geringen Kontakt hat. Das ist aber keine Kritik von meiner Person an der Wirtschaftskammer per se, denn die ist wichtig, keine Frage, aber nicht in dieser Organisation und schon gar nicht in der Organisation der Bun­deswirtschaftskammer.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 137

Wir wollen eine komplette Neufassung, Neuorientierung der gesamten Gesetzgebung. Das betrifft auch die Sozialpartnerschaft, weil wir nicht einsehen, dass die Bundeswirt­schaftskammer zur Kollektivvertragsmaschinerie und zur Servicemaschinerie degradiert wird und dass die Interessen der Bürger und Bürgerinnen und der Unternehmer dieser Politik geopfert werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

17.19


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Samt. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.19.44

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuhörer! Nach so emotionalen Geschichten, die ja einen Hintergrund haben, wird ja wohl doch bitte hoffentlich jeder herausgehört haben, dass wir der Wirtschaftskammer durchaus etwas abgewinnen kön­nen. (Bundesrätin Grimling: Aber!) Über die Form kann man streiten. Und nicht verges­sen: Wir stimmen ja zu. (Bundesrat Mayer: Das haben wir uns erkämpft!) – Das stimmt auch.

Kollegin Zwazl hat mich wahrscheinlich schlecht oder falsch verstanden, weil sie dann ein bisschen aufgeregt worden ist. Ich bin seit dem Jahr 2011 in dem Landesgremium meiner Fachvertretung und ich bin auch im Bundesgremium. Frau Kollegin, ich weiß schon, wie demokratisch es in diesem Bereich zugeht, und dass das gar nicht unpoli­tisch ist, das wissen Sie, glaube ich, genauso. Das war das, was ich gesagt habe, du hast das irgendwie anders verstanden, denn du warst ja böse, du hast ja dann richtig böse darauf reagiert.

Der Kollege hat es ja schon ausgeführt, es geht eindeutig darum, dass wir hier wei­tergreifende Reformen brauchen und auch fordern werden. Es ist ganz komisch: Wenn man in einem Landesgremium sitzt, geht es sehr fachorientiert zu und es wird disku­tiert, aber wenn man dort das einfordert, was ein Landesgremium auch tun sollte, näm­lich die politischen Forderungen von Dingen, die längst auch von der Wirtschaftskam­mer seit Jahren oder Jahrzehnten gefordert werden, wie zum Beispiel die Vorsteuerab­zugsberechtigung für normale Pkws – da gebe ich dem Kollegen Pisec schon recht –, wird das auf dem Altar dieser Koalitionsregierung geopfert. Dazu hört man von euch nichts, man gibt immer nur Broschüren heraus, in denen dann drinsteht, was wir alles fordern. Wir fordern das aber seit 15 Jahren, und da frage ich mich auch, was diese Ins­titution wirklich macht. Deswegen ist die Kritik durchaus berechtigt.

Ich habe mich eigentlich zu dem Tagesordnungspunkt betreffend die Novelle des Maß- und Eichgesetzes zu Wort gemeldet, der wir auch zustimmen werden – das will ich gleich vorweg sagen. Das ist eine klare Angelegenheit, die brauche ich hier gar nicht aus­zuführen. Auch da kann ich aus persönlichen Gründen zustimmen. Als Techniker und Inhaber eines technischen Büros, der über Messgeräte verfügt und der Gutachten er­stellt, weiß ich, dass es sowohl für die Wirtschaft als auch für den Auftraggeber von Vorteil ist, wenn diese doch relativ hohen Kosten bei komplizierten Gerätschaften für die Nacheichung oder Eichung der Geräte an sich entfallen oder teilweise auch, wie es jetzt hier vorgegeben wird, die Streichungen von Eichpflichten oder Nacheichverpflich­tungen beschlossen werden.

Deswegen gibt es auch in diesem Bereich unsere Zustimmung, weil wir das als durch­aus sinnvoll empfinden, weil es auch wirtschaftlich wirksam ist und weil sich nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Auftraggeber etwas ersparen können. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 138

17.23


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mah­rer. – Bitte, Herr Minister.

 


17.23.09

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Bundesräte! Vielleicht eine kurze Kommentierung zur Novelle des Maß- und Eichgesetzes: Das ist tatsächlich ein Musterbeispiel dafür, wie man Deregulierung sehr vernünftig betreiben kann.

Es gilt natürlich zuerst einmal der Dank allen Mitarbeitern des eigenen Hauses, den Mit­arbeitern des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen und den jeweiligen Fach­verbänden und Fachvereinigungen im Gas-Wärme-Bereich und darüber hinaus, die in sehr umfangreicher Arbeit die gesamten Legistikmaterialien durchforstet und festge­stellt haben, was man nämlich in mustergültiger Weise, wenn man das machen möch­te – da kann man sich ein Beispiel für die Arbeitnehmerschutzrechte oder Bauordnungs­bestimmungen und so weiter nehmen –, im Sinne einer vernünftigen Deregulierung tat­sächlich erzielen kann. Und das liegt nun vor.

Bei 700 000 Messungen pro Jahr kann man dann sagen, dass man bei den Geräten zu 164 000 weniger Eichungen kommt, das sind in dem Fall rund 25 Prozent. Das ist schon ein ordentlicher Deregulierungsschritt. Wir reden dann ungefähr von Einsparun­gen in Höhe von 15 Millionen €. Würde man das auf viele andere Bereiche umlegen, könnte man im Sinne eines vernünftigen Entbürokratisierungsansatzes tatsächlich ech­te Fortschritte erzielen.

Im Detail ist das ja schon angesprochen worden. Man wollte noch einmal die Syste­matik hervorheben, sich zusammensetzen, sich mit allen Experten wirklich Schritt für Schritt alle Legistikmaterialien im Detail ansehen, analysieren und dann zu einem ge­meinschaftlichen Entschluss kommen: So kann man es machen, das ist eigentlich ein mustergültiger Prozess.

In diesem Sinne noch einmal Dank an das gesamte Haus, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die damit befasst waren und die in Wirklichkeit jetzt einen vernünftigen Ent­bürokratisierungsschritt für die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer re­spektive die betroffenen Mitarbeiter in diesen Unternehmen auf den Tisch gelegt ha­ben. – Herzlichen Dank.

Ein paar Gedanken, die ich mir trotzdem zur Debatte rund um die Novellierung des Wirt­schaftskammergesetzes, die zum Teil sehr emotional geführt worden ist, nicht verknei­fen kann: Wir waren damit ja nicht befasst, wir nehmen das als Aufsichtsbehörde zur Kenntnis. Die Tradition war ja immer so, dass das via Initiativanträge geht. Ich glaube, was man nicht vergessen sollte, ist, dass das die Grundlage dafür ist, dass eine Orga­nisation, die in ihrer Grundgesamtheit schon seit längerer Zeit besteht und die einer be­stimmten historischen Etappe der österreichischen Geschichte entstammt, vielleicht in diesem Gesamtkontext betrachtet immer wieder große Innovationen gesetzt hat. Wenn etwas im Zeitraum 1850, also am Beginn der Gründerzeit, unmittelbar nach dem 1848er-Vormärz, gegründet worden ist, dann muss man im historischen Kontext sehen, was das eigentlich bedeutet hat.

Mit dem Ende der Aufklärung herauskommend, im ersten großen Schritt hat man wirk­lich gesagt, dass man versucht, sich vom staatlichen Vorschriftsdiktat zu lösen. Es hat ein sehr freiheitsorientiertes Bürgertum, dort vor allem diejenigen, die im Zunftbereich selbst organisiert waren, im Handel und im damals aufstrebenden Gewerbe, am Be­ginn der ersten industriellen Revolution gesagt: Wir wollen uns eigentlich selbst organi­satorisch zusammentun, frei von staatlichem Zwang, mit großen Freiheitsräumen selbst organisieren, wie wir denn unsere Zusammenarbeit verbessern können.

Das war damals eine große Errungenschaft für den bürgerlich orientierten Mittelstand mit mehr und mehr aufkommender Bildung. Man hat geschaut, dass man sozusagen das Rückgrat einer vernünftigen staatlichen Organisation, das natürlich immer die Wirtschaft


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 139

darstellt, immer in Zusammenarbeit der risikoorientierten Unternehmerinnen und Unter­nehmer mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, voranbringt. Das ist der histo­rische Kontext. Und wenn man sich die Entwicklung anschaut, muss man schon fest­halten, dass die Organisation immer wieder sehr positiv dazu beigetragen hat, Innova­tion in Österreich möglich zu machen.

Ich möchte zwei Beispiele nennen – eines, das ein bisschen älter ist, und eines, das ganz aktuell ist –, die im Zusammenhang mit der Arbeit unseres Ministeriums stehen. Man erinnert sich an die unglaublichen Erfolge der Exportoffensive und an die wahn­sinnig tolle Wirkung, die die Außenwirtschaftsorganisation mit dieser Offensive für die gesamtösterreichische Wirtschaft sichergestellt hat. Das ist etwas, was unser Ministe­rium mitentwickelt, finanziell auch massiv unterstützt hat, getragen aber durch die Wirt­schaftskammerorganisation.

Da besteht jetzt der Vorteil, dass es österreichweit zentral koordiniert wird, da gibt es die Partnerschaft mit – unter Anführungszeichen, von euch immer so angesprochen – der „Wiedner Hauptstraße“, die das konzipiert, dann in der Ausrollung der Information aber auf die jeweiligen Landeskammern und die Bezirksstellen zurückgreifen kann, weil es ei­ne Verankerung tief in die Regionen hinaus gibt, wo man ganz nah am Unternehmer, an der Unternehmerin ist und dort auch sehr niedrigschwellig für Neuerungen, für Mög­lichkeiten zum wirtschaftlichen Erfolg Werbung machen kann, informieren kann, Bewusst­seinsbildung herbeiführen kann. Das hat in den letzten Jahren sehr gut funktioniert, und wir wissen, wir leben ja alle gemeinschaftlich – alle, die gesamte österreichische Bevöl­kerung – von dieser wahnsinnig großen Exportorientierung unserer Wirtschaft.

Jetzt komme ich zum aktuellen Beispiel, und darum finde ich die Innovationsorientie­rung hier sehr gut; Sie gestatten meine persönliche Kommentierung. Wir wissen, dass sich die Wirtschaftskammer selbst neu aufstellen wird – die Frau Präsidentin hat es an­gesprochen –, um im Bereich Innovation und Digitalisierung mehr zu tun. Es ist jetzt der nächste Schritt nach der Internationalisierung durch die Exportoffensive, zu sagen, wie ich die Transformation der österreichischen Wirtschaft – wir haben es hier auch schon einmal im Rahmen einer Enquete angesprochen –, und zwar der Unternehmerinnen und Unternehmer mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemeinsam, in dieses di­gitale Zeitalter schaffe.

Auch da haben wir wieder partnerschaftlich eine Konzeption vorgenommen. Die Initia­tive heißt KMU Digital, wir kennen sie alle, nur können wir sie nicht als Ministerium oder Länder ausrollen, da brauchen wir die Partnerschaft mit der Organisation, die wirklich vor Ort niedrigschwellig, möglichst einfach und simpel informieren kann: Wie hinterfra­ge ich als Unternehmer mein Geschäftsmodell? Wie muss ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – erneut Stichwort lebenslanges Lernen – schulen, welche Möglichkei­ten muss ich ihnen anbieten, sich weiterzuentwickeln? – Genau diese Dinge werden mit diesem neuen Programm absolviert.

Das wäre für uns als Republik gar nicht möglich – wir hätten einen unfassbar großen Aufwand, das zu tun –, weder als Republik noch mit den Bundesländern gemeinsam. Da setzen wir natürlich auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Wirtschafts­kammer. Und wenn diese ihre Strukturen selbst hinterfragt und sagt, es muss anders werden, es muss dynamischer werden, wir müssen auf neue digitale Modelle zugrei­fen, dann ist das etwas, bei dem man, glaube ich, einmal ganz emotionslos anerken­nen kann, dass da wahnsinnig viel Zukunftsorientierung und Reformbereitschaft da ist, und auf die hoffen wir natürlich auch. Ich glaube, auf die hoffen auch alle Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer in dem Land, weil sie ja wissen, dass in der Zusammen­arbeit in der Sozialpartnerschaft, wenn es eine Art Standortpartnerschaft ist, natürlich ein Erfolgsschlüssel liegt.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 140

Jetzt schließt sich für mich wieder der Kreis. Es wurde diese Tarifpartnerschaft infrage gestellt, es wurde 1850 angesprochen: Ich persönlich – das ist meine private Meinung, die mir auch gestattet sei, kundzutun – halte sehr viel von der eigenverantwortlichen, selbstorganisatorischen Verhandlung auf dieser Ebene und relativ wenig vom staatli­chen Zwang und großer staatlicher Verordnung. Ich glaube, das ist ein Modell, um das uns viele andere Länder in der Zusammenarbeit und Partnerschaft eigentlich beneiden. Entscheidend ist, dass man diese Modelle immer wieder selbst hinterfragt. Es ist wich­tig – das gilt für alle Kammerorganisationen, für alle Interessenvertretungen –, auf der Höhe der Zeit zu sein, das zu hinterfragen und dann in ein neues Zeitalter zu tragen.

Wenn eine Organisation kommt und sagt: Dieses Statut ist das richtige, ändert bitte die gesetzlichen Rahmenbedingungen für uns!, ist es im Sinne der Republik Österreich und, ich glaube, aller politischen Verantwortungsträger, das zu ermöglichen. Es geht um die Ermöglichung einer demokratiepolitischen Weiterentwicklung, und die sehe ich hier ge­geben.

In diesem Sinne freue ich mich, wenn das neu aufgestellt wird, auf eine gute Zusam­menarbeit! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.30

17.30.51

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend eine Wirtschaftskammergesetz-Novelle 2017.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Mai 2017 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.31.4517. Punkt

EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft (III-614-BR/2017 d.B. so­wie 9806/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Nunmehr gelangen wir zum 17. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter zu diesem Punkt ist Herr Bundesrat Seeber. Ich bitte um den Bericht.

 


17.32.00

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über die EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor und wurde im Wirtschaftsausschuss des Bun­desrates mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Ich stelle daher den Antrag, die EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesmi­nisteriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wirtschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 



BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 141

Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pisec. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.32.51

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, lieber Wirt­schafts- und Wissenschaftsminister, dass du uns die Crème de la Crème deines Minis­teriums in den Ausschuss geschickt hast. Unter der Vorsitzführung der immer exzel­lenten Frau Sonja Zwazl, die jetzt leider abwesend ist (Bundesrätin Zwazl: Nein, ich bin da!) – Entschuldigung, Entschuldigung –, hat es eine wunderbare Diskussion gege­ben, und wir haben den Ausführungen der perfekt vorbereiteten Expertinnen und Exper­ten auch zugehört.

Ein Thema, das natürlich von Interesse ist, ist die Investitionszuwachsprämie, weil das wieder zu diesem gesamten Kontext der Unternehmensfinanzierung, Innovation und In­vestition – das sind diese Zusammenhänge, diese Kette der Wertschöpfung – gehört. Die Investitionszuwachsprämie wurde mit 80 Millionen € dotiert und war sage und schrei­be nach sechs Wochen über das aws erschöpft. Das ist ein Beispiel dafür, wie ausge­hungert unsere Betriebe bereits sein müssen, beinahe skelettiert. Das Ministerium war, glaube ich, über diese Nachfrage selbst überrascht. Das zeigt eigentlich, dass unsere Betriebe ja funktionieren würden, dass sie ja gut aufgestellt sind – wenn sie nur dürf­ten, wie sie könnten!

Da ist doch die innerbetriebliche Finanzierung anzudenken, die ich jetzt ansprechen möch­te, also den Unternehmen, die jetzt an der Konjunktur mitnaschen und mitschwimmen dürfen, sich im Wettbewerb behaupten können, auch die Möglichkeit zu geben – und An­erkennung dafür zu zollen –, Eigenkapital zu thesaurieren, ihre Gewinne zu behalten und nicht gleich wieder eine Körperschaftsteuer auszahlen zu müssen, sondern, wie ge­sagt, die innerbetriebliche Finanzierung zu thesaurieren, um dann, wenn die Konjunk­tur wieder eine Delle bekommt, bereit zu sein und die Geschäftsmodelle auch auszu­weiten, zu expandieren. Viele österreichische Unternehmen, viele gute junge Unterneh­men werden von größeren aufgekauft, weil sie dieses Kapital nicht haben.

Man merkt auch, wie sehr es an dieser innerbetrieblichen Finanzierung hapert, weil sich die Lieferantenkredite verlängern, die Forderungen verlängern. Früher erfolgte eine promp­te Bezahlung innerhalb von 14 Tagen, heute versteht man unter prompter Bezahlung ei­ne Bezahlung innerhalb von 30 Tagen. Die Zahlungsziele werden mittlerweile auf 90 Ta­ge ausgeweitet, also sind das eigentlich italienische Verhältnisse. Der Lieferantenkredit ist immer der billigste Kredit. Natürlich fehlt dann den Produzenten wieder das Geld. Irgendjemandem in dieser Wertschöpfungskette fehlt das Geld. Am Ende müssen es wieder die Banken hergeben, die aber auch nicht mehr so wie früher funktionieren. Der Kapitalmarkt in Österreich – in meiner Rede zuvor durfte ich Keuschnigg zitieren – ist eigentlich nicht existent.

Irgendetwas muss man also tun. Hohe Steuern, keine Finanzierung, mangelnde Wett­bewerbsfähigkeit – das wird nicht funktionieren! Es ist dir, lieber Minister, hoch anzu­rechnen, dass du dich um die innovativen Start-ups kümmerst. Das zeigt auch, dass du mit deinem Ministerium auf dem richtigen Weg bist, die Zusammenarbeit mit dem Fi­nanzministerium aber offensichtlich nicht so funktioniert. Das sieht man übrigens auch in diesem Bericht, der sehr schön und strukturiert verfasst ist, im Unterschied zu jenem des Finanzministeriums, der mir eher so runtergehudelt erscheint, obwohl sich die The­men überschneiden. Das ist so, das muss man sagen. Im Bericht kommt auch Öster­reich vor. Beide Berichte heißen EU-Jahresvorschau, in dem einen Bericht kommt Ös­terreich vor, in jenem des Finanzministeriums habe ich das Wort Österreich auf den 24 Seiten – sind es, glaube ich – begrifflich gesucht und zweimal gefunden. Das sind lei­der die Fakten.


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Vollkommen zu Recht wurde vom Wirtschaftsminister auch der Außenhandel angespro­chen. Die Außenhandelsorganisationen sind schon ein Asset der Kammer, aber wir könnten sie auch an die Länder binden, dazu braucht man nicht die WKO. Es ist aber natürlich ein Asset, dass Exporteure, dass die Exportwirtschaft vor Ort dann Hilfe- oder Serviceeinrichtungen aufsuchen kann. Oft ist es aber leider der geschützte Bereich, muss man auch sagen, der darum ansucht, weil er offensichtlich nicht weiter weiß.

Wenn sich nichts geändert hat, sitzt Bundeskanzler Kern mit Präsidenten Leitl jetzt ge­rade im Flieger nach Russland, nach St. Petersburg, zum International Economic Fo­rum. Dort kann sich Präsident Leitl, wenn er zu seiner Meinung steht – dieser Beschluss, der in der Kammer gefasst worden ist, ist vollkommen richtig: Wir Unternehmer wollen die Sanktionen gegen Russland nicht haben! –, gleich gegen diese Sanktionen ausspre­chen. Österreich ist nach wie vor ein neutrales Land, auch durch die Verfassung ge­schützt. Also ich bin gespannt, ob das der Fall sein wird.

Vor allem Wien war immer eine Osthandelsdrehscheibe, und der gesamte infrastruk­turelle Verkehr von Russland über die Ukraine nach Österreich und vice versa ist mit den Exporten nach Russland zusammengebrochen, der Import ist um 60 Prozent ge­sunken. Irgendwann war einmal – bis vor einem Jahr noch –, glaube ich, die Idee, die Breitspurgleise in der russischen Dimension nach Wien zu bringen. Von diesem Projekt ist man in der Realität kilometerweit entfernt. Daran sieht man, wie sich die Politik von der Wirtschaft entfernt hat.

Russland habe ich deswegen erwähnt, weil es ganz schlimm ist, wenn sich die Politik der Wirtschaft bemächtigt, weil die Politik offensichtlich nicht weiterkommt. Handel hat immer verbunden, Handel schafft Freundschaften. Exportwirtschaft ist ein angenehmes Gewerbe, um es einmal so zu umfassen. Diese Sanktionen stören, und ich bin ge­spannt, ob sich Präsident Leitl wirklich offensiv gegen diese Sanktionen einsetzt.

Die Kapitalmarktunion wird auch erwähnt, gehört aber eigentlich zum Finanzministe­rium.

Ganz zum Schluss noch zum COSME: Wenn man sich das COSME-Projekt durch­rechnet, so sind das ein, zwei Milliarden Euro auf sechs, sieben Jahre. Wenn man es pro Jahr und auf 27 Länder durchdividiert, kommt man Pi mal Daumen auf 20 Millio­nen €. Das ist lächerlich, das sind Peanuts. Wenn die 80 Millionen Investitionszuwachs­prämie nach sechs Wochen weg waren, werden die 20 Millionen wahrscheinlich nach zehn Tagen weg sein. Nicht einmal KMU-Betrieben kommen sie zugute, sondern nur in­termediären. Damit braucht man sich nicht so lange zu beschäftigen, und wenn man sich im Bericht damit beschäftigt, dann hat man schon auch als Minister das Recht, ohne dass man die EU jetzt so kritisiert, das Ganze mit dem Satz zu relativieren: Die­ses COSME-Projekt ist eigentlich keine zwei Zeilen wert. Hier erwarten wir schon mehr Realitätsbezug und Authentizitätsbezug, dass wir Unternehmen auch etwas davon ha­ben.

Zusammenfassend ist zu sagen, jede Steuersenkung, jede Abgabensenkung hat einen x-fachen Multiplikatorwert dieser ganzen Förderungen, die immer nur neue Schreibtisch­plätze nach dem Murphyschen Prinzip produzieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.40


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Hackl. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.40.30

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Unternehmerin weiß ich auch, dass Wachstum und Beschäftigung die wichtigsten wirtschaftlichen Ziele sind,


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die es zu erreichen gilt. Das aber nicht nur bei uns im Land, danach wird sich auch die Europäische Union in der Wirtschaftspolitik richten und ausrichten.

Wie bereits unser ehemaliger Bundesminister Reinhold Mitterlehner bekräftigte, gilt es für Österreich dabei vor allem, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes wei­terzuentwickeln. Dabei kommt dem von Brüssel eingerichteten Europäischen Fonds für strategische Investitionen große Bedeutung zu. Positive Erwartungen verbindet Öster­reich auch mit der Europäischen Energieunion im Zusammenhang mit der angestreb­ten Energiewende, dies alles aber unter den Voraussetzungen einer Ausgewogenheit der Ziele Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit.

Offen zeigt sich das Wirtschaftsressort auch hinsichtlich der Ziele von Verhandlungen über Freihandelsabkommen, entscheidend ist dabei aber vor allem, dass diese Verträ­ge auf Fairness und Transparenz basieren.

Der Juncker-Plan soll 315 Milliarden € an Investitionen auslösen, gezielte Investitionen sollen Stabilität und Wachstum bringen. Im Zentrum der europäischen Wirtschaftspoli­tik steht deshalb der von Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker ins Leben ge­rufene Europäische Fonds für strategische Investitionen. Dieser ist mit 315 Milliarden € für drei Jahre ausgestattet und soll, so wollen wir es jedenfalls hoffen, öffentliche und private Investitionen in die Realwirtschaft heben. Österreich unterstützt diese Politik aus­drücklich und sieht den Juncker-Plan vor allem auch als Signal, das Vertrauen der Un­ternehmen und Investoren wiederherzustellen. Das erachte ich als Unternehmerin als besonders wichtig.

Im Sinne des EU-Vorhabens hat Österreich auf nationaler Ebene bereits insgesamt 24 Projekte angemeldet. Sie kommen vorwiegend aus den Bereichen Verkehr, Ener­gie, Forschungsinfrastruktur, Breitband, Hochwasser- und Lawinenschutz. Das sind al­les Themen, die auch mein Heimatbundesland – Stichwort Breitband – sehr betreffen, und das freut mich ganz besonders. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hatten wir schon vor zwei Jahren! Du hast heuer was davon!)

Das Emissionshandelssystem muss auch energieintensive Industriebetriebe berücksich­tigen. Neben der Vertiefung des Binnenmarktes, insbesondere der Umsetzung der Stra­tegie für einen immer wichtiger werdenden digitalen Binnenmarkt, wird 2016 die Ener­gieunion breiten Raum einnehmen. Auch dieses Projekt kann zum Glück auf die Unter­stützung von Österreich bauen.

Die Bundesregierung setzt sich bei der Erreichung der 2030er-Ziele allerdings ausdrück­lich dafür ein, dass alle EU-Staaten unter Berücksichtigung von Vorleistungen einen an­gemessenen Beitrag einbringen müssen. Das Emissionshandelssystem nach 2020 soll jedenfalls so gestaltet werden, dass eine drohende Abwanderung der Industrie aufgrund erhöhter CO2-Kosten vermieden wird.

Positiv ist auch die Vollendung des Energiebinnenmarktes zu sehen. Ein liberalisierter Strom- und Gasmarkt sichert die Energieversorgung und bringt Vorteile für viele Unter­nehmen, Konsumentinnen und Konsumenten.

Aber jetzt zum Standort Burgenland, der muss auch fit gemacht werden: Fakt ist, dass nur eine starke Wirtschaft Arbeitsplätze schafft und vor allem auch sichert. Das burgen­ländische Wirtschaftswachstum ist beachtlich und ein Verdienst unserer innovativen bur­genländischen Betriebe und ihrer fleißigen, motivierten Mitarbeiter. Laut WIFO-Studie lag das burgenländische Wirtschaftswachstum im Vorjahr bei 1,9 Prozent, in Österreich waren es 1,4 Prozent. Wir stehen also nicht so schlecht da, Spitzenreiter ist allerdings Vorarlberg mit 2 Prozent. (Bundesrat Mayer: Das war zu erwarten!) Der Standort Bur­genland muss also noch zukunftsfit gemacht werden.

Für die positive Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Burgenland müssen Schritte in die richtige Richtung gesetzt werden. Wir müssen etwa Verfahren vereinfachen und be-


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schleunigen, da darf die Politik der Wirtschaft keinesfalls Steine in den Weg legen. Eben­so braucht es flexiblere Arbeitszeiten, eine Entrümpelung der Gesetzgebung und mehr Freiheit für unsere Betriebe. Nur dann stärken wir den Wirtschaftsstandort und können Arbeitslosigkeit langfristig abbauen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.46


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Reiter. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.46.34

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Es ist heute ein langer Berichtetag, und diese Berichte überschnei­den sich ja auch in vielen Bereichen. So hat dieser Bericht Stabilität und Wachstum, Binnenmarkt und Digitalisierung, Wettbewerbsfähigkeit und Industrie, Energie und Außen­wirtschaft zum Thema, also wieder eine breite Palette. Aus diesem Grund ist er auch in vielen Bereichen eher oberflächlich, was bei dieser Fülle an Themen auch nicht wirk­lich verwundert. Viele der Themen würden natürlich eine sehr eingehende Debatte ver­dienen, zum Beispiel CETA, TTIP, der Bereich Energie oder die Digitalisierungsoffen­sive.

Der Verfasser dieses Berichtes fehlt mittlerweile, und damit sozusagen der direkte An­sprechpartner, nämlich Vizekanzler Mitterlehner. Irgendwie fehlt momentan auch eine Regierung, von der man als Konsequenz dieser Berichte, etwa was eben wirklich un­ternommen wird, damit Österreich zum Beispiel stärker vom EFSE profitiert, einfordern könnte. Laut Medienberichten profitiert von diesem Juncker-Fonds vor allem Großbri­tannien, die haben inzwischen die meisten Projekte und die höchsten Summen abho­len können. Wir haben nur drei Projekte gefunden, im Ausschuss ist uns aber mitgeteilt worden, dass es inzwischen mehr gibt.

Oder: genauer darzulegen, wie die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt der öster­reichischen Wirtschaft dabei helfen kann, den Rückstand im EU-weiten Vergleich, was den Anteil der IKT-Branche am BIP betrifft, aufzuholen. Da liegen wir nämlich unter dem Mittel im Vergleich zu den anderen EU-Staaten.

Oder: wie KMUs und Start-ups tatsächlich verstärkt in den Fokus gerückt werden kön­nen. Die Europäische Kommission hat inzwischen ein Dienstleistungspaket verabschie­det, und da wäre es schon interessant, eine genauere Analyse zu haben, wie sich die­se Regelungen auf die österreichische Gewerbeordnung auswirken werden und wann eben in diesem Bereich die Anpassung erfolgt.

Auf EU-Ebene wurde ein Multi-Stakeholder-Dialog im Bereich der Digitalisierung auf­gebaut, und es soll eben Innovation Hubs in sämtlichen Regionen der EU geben. Ich frage mich, ob das Teil dieser Initiative ist, die das Ministerium zusammen mit der Wirt­schaftskammer macht, solche Innovation Hubs – was immer man sich genau darunter vorzustellen hat – auch in Österreich zu etablieren, und wer diese Multi-Stakeholder tat­sächlich sind, die diesen Dialog miteinander führen, also wer in welcher Weise einge­bunden ist.

Eine wichtige Frage für die unmittelbare Zukunft ist aber schon die Qualifizierung von Arbeitskräften in diesem Bereich. Es ist so, dass den Unternehmen in vielen Bereichen die Arbeitskräfte fehlen, dass das auch ein Hemmschuh für die weitere Entwicklung ist und dass es vielleicht neben Start-up-Förderung und -Finanzierung sogar noch wichti­ger ist, da entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen zu setzen.

Zum Energieunionspaket: Da wäre es schon interessant, welche Interessengruppen in welcher Form bei der Ausarbeitung der österreichischen Position zu den Legislativvor­schlägen aus dem Energieunionspaket eingebunden sind.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 145

Wir finden es ja sehr bedenklich, dass bei der Umsetzung der EU-Klima- und Energie­politik in Österreich dieses Schreckgespenst von Carbon Leakage gepflegt wird. Das heißt, es wird immer wieder so getan, als seien Klimaschutz und erfolgreiche Standort­politik ein Gegensatz, als würde Klimaschutz erfolgreiche Standortpolitik gefährden. Die­ser Gegensatz wird auch in diesem Bericht gepflegt und immer wieder aufgebaut.

Eine ambitionierte Klima- und Energiepolitik wird dem Industriestandort Österreich kei­nesfalls schaden, sondern im Gegenteil ein Wettbewerbsvorteil sein und die Industrie bei uns voranbringen. Ein Verharren in dieser Politik – dass das sozusagen schaden wird – wird dazu führen, dass wir den Anschluss an effizientere internationale Mitbe­werber verlieren. Wir verlieren schon derzeit durch die Säumigkeit der Regierung im Be­reich erneuerbarer Arbeitsplätze.

Know-how: Ich darf an die Novelle des Ökostromgesetzes erinnern, wo es tatsächlich zur Gefährdung der Betriebe, zu Schließungen von Betrieben und damit natürlich zum Verlust von Know-how kommt. Es wird in diesem Bereich auch eine Vertrauensbasis zerstört, die sehr schwer wieder aufgebaut werden kann. Wir hatten im Bereich Biogas wirklich tolle technische Entwicklungen und könnten darin führend sein.

Windenergie: Wenn ich nur daran denke, was wir da für eine Warteschleife haben, wie viele Projekte in den Startlöchern stehen, schon fertig entwickelt sind, und es nur noch diesen Startschuss der Ökostromnovelle braucht! Es gibt hierzu, glaube ich, dringen­den Handlungsbedarf. Wenn das nicht passiert, so ist das in diesem wichtigen Bereich der erneuerbaren Energie ein Rückschlag auf Jahre und das wird es für Österreich sehr schwierig machen, seine Klimaschutzziele tatsächlich zu erreichen.

Ich bezweifle, dass über CETA derzeit noch sinnvoll im Parlament diskutiert werden kann.

Ein Manko ist, dass über TiSA gar nichts im Bericht steht, es nicht einmal erwähnt wird. Dieses Dienstleistungsabkommen hätte sicher massive Auswirkungen auf Österreich und auf die gesamte Politik.

Was den Außenwirtschaftsbereich betrifft, glaube ich, überholt die Realität derzeit ein­fach jeden Bericht – sei es im Bereich der Türkei oder der USA. Das ist Realität, und ich glaube auch nicht, dass es jetzt angebracht ist, darüber eine eingehende Diskus­sion zu führen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.53


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.53.41

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Wirtschafts­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungs­punkt habe ich es natürlich etwas schwerer, da schon alle alles abgegrast haben.

Ich möchte daher nur zwei Punkte ganz kurz ansprechen. Wir reden über Energieef­fizienz und darüber, dass im Vorhabensbericht zu lesen ist, dass bis 2020 20 Prozent der Energie, die wir beziehen, aus erneuerbaren Energiequellen kommen wird. Ich glau­be, nächstes Jahr, im Jahr 2018, wenn Österreich die EU-Ratspräsidentschaft innehat, werden wir den großen Vorteil haben, dass wir Druck machen können, damit da etwas weitergeht.

Das 18-Monatsprogramm umfasst natürlich, wie gesagt, sehr viele Punkte, und einen die­ser Punkte, der mir sehr wichtig ist, möchte ich aufgreifen. Ich glaube, sehr viele, die hier im Raum sitzen, wissen, wenn es um Jugendinitiativen, Ausbildung, Lehrlingsmobilität geht, gilt es, unseren Jugendlichen in Ausbildung beziehungsweise unter 25-Jährigen im Berufsleben die Möglichkeit zu bieten, sich über Erasmus+-Programme in Kooperation mit der Wirtschaftskammer, der Lehrlingsstelle und vor allem auch dem Wirtschaftsmi-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 146

nisterium fit für die Zukunft, fit für den zukünftigen Arbeitsmarkt und vor allem auch für den europäischen Arbeitsmarkt zu machen.

Der Herr Wirtschaftsminister hat es schon angesprochen: Man beneidet uns in Europa um unsere Sozialpartnerschaft. Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Ar­beitgebern funktioniert. Man beneidet uns in Europa, wo immer wir unterwegs sind, ganz egal, wohin wir als Expertinnen oder Experten eingeladen werden, wenn es um Ju­gendausbildung oder um Berufsausbildung geht. In Europa werden wir um unser du­ales Berufsausbildungssystem sehr beneidet, weil der überwiegende Teil der Ausbil­dung – nämlich 80 Prozent – im Unternehmen passiert. Dieses Training on the Job, näm­lich Hands-on, und das Lernen vor Ort, sind genau das, worum uns viele Länder benei­den.

Dabei geht es auch darum, dass wir diese Initiativen gemeinsam mit der Arbeiter­kammer und der Wirtschaftskammer setzen. Ich darf nur ein positives Beispiel bringen, eines aus Niederösterreich: Dort haben wir uns gemeinsam committed, die Projekte auf­zustocken und mehr als den geplanten 150 – mittlerweile sind es knapp über 700 – Ju­gendlichen die Chance zu geben, an solchen Projekten teilzunehmen, denn wir wissen heute auch eines: Digital Natives – also diejenigen, die sich mit Handys und Tablets aus­kennen – sind unser Nachwuchs, das ist unsere Zukunft. Sie verständigen sich in einer Sprache, die nicht nur aus Emojis besteht, sondern in englischer Sprache, was sehr be­grüßenswert ist.

Ich möchte meinen Beitrag mit folgendem Gedanken abschließen: Ich habe das Vor­wort mit sehr viel Akribie gelesen. Dabei ist mir vor allem der letzte Satz aufgefallen, den wir uns, glaube ich, alle zu Herzen nehmen sollen und den der Herr Ex-Vizekanz­ler in diesen EU-Vorhabensbericht geschrieben hat. Er schreibt: „Die vielseitigen He­rausforderungen, die vor Österreich und der Europäischen Union liegen, können wir nur lösen, wenn alle gemeinsam in eine Richtung ziehen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vorhabensbericht wird von uns natürlich sehr ger­ne zur Kenntnis genommen, und ich glaube, dieser Satz bedeutet auch, auch für die Zukunft Österreichs zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Mahrer. – Bitte, Herr Minister.

 


17.57.22

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Bundesräte! Nur ein paar kurze Kommentare: Der Vorhabensbericht heißt ja Vorhabensbericht, weil er eine Art Pla­nung für die Aktivitäten unseres Hauses im Verwaltungsbereich Wirtschaft im Zusam­menhang mit den jeweiligen Gremien respektive Programmen der Europäischen Union im Jahr 2017 darstellt. Natürlich muss man in diesem Bereich auf die österreichische Si­tuation Bezug nehmen, weil sie nicht losgelöst betrachtet werden kann.

Ein paar zentrale Punkte sind von einigen Bundesräten angesprochen worden, lassen Sie mich daher vielleicht noch auf Punkte eingehen, die im Raum unbeantwortet ge­blieben sind. Frau Dr. Reiter hat einige Dinge angesprochen. Es wäre gut, ein bisschen Licht in die Dunkelheit zu bringen.

Tatsächlich gibt es weitgehende Bestrebungen auf europäischer Ebene, einiges im In­novationsbereich für den gesamten europäischen Wirtschaftsraum voranzubringen. Die Digitalisierung ist auch da der zentrale Treiber. Die beiden Kommissare Öttinger und Bieńkowska sind in der Kommission diejenigen, die sie massiv vorantreiben. Der Vize­präsident der Europäischen Kommission Ansip ist heute und morgen in Wien. Er ist ehe­maliger estnischer Ministerpräsident – die Esten sind im Bereich Digitalisierung füh-


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 147

rend – und der Hauptverantwortliche in der Kommission dafür. Wir sind mit ihnen in sehr engem, regen Kontakt. Warum? – Österreich ist unter anderem ständig zum Teil Innova­tionsgeber und, wenn Sie so wollen, Pilotprojektanreger.

Diese berühmten Digital Innovation Hubs waren eine Idee von uns, die wir gemeinsam mit Kommissar Öttinger entwickelt haben und die er in dieses Spezialprogramm einge­baut hat. In Deutschland sind bereits die ersten Pilotprojekte vorhanden. Mitarbeiter un­seres Hauses waren auch dort und haben sich das angesehen, damit wir zu den ersten Ländern gehören können, die das implementieren. Wenn Sie so wollen, ist das die letzte Ausbaustufe des KMU-Digitalisierungsprogrammes. Das hat jedoch mit der Wirt­schaftskammer an sich nichts zu tun.

Die Wirtschaftskammer ist, wie ich vorhin erwähnt habe, primär dafür zuständig, im Be­reich Bewusstseinsbildung, Schulung, Hinterfragung von Geschäftsmodellen tätig zu werden. Es wird durch die FFG ein eigenes Programm mit einem eigenen Call geben, der gerade vorbereitet wird, um solche regionalen Hubs zu schaffen.

Wir sind unter anderem intensiv bemüht, dass das Hubs sind – also Netzwerkzentren –, die nicht nur rein auf Österreich konzentriert sind. Da sie regionale Zentren sind, sollen sie natürlich auch versuchen, mit den umliegenden Ländern intensiv in Kontakt zu tre­ten. Ich kann berichten und mache kein Geheimnis daraus, dass dieser Tage der Süd­tiroler Landeshauptmann in Wien ist. Ich habe ihn gestern getroffen und mit ihm ein sehr interessantes Gespräch auch zu diesem Thema geführt. Er zeigte sich an einer mögli­chen Zusammenarbeit mit so einem Hub zum Beispiel in Westösterreich sehr interes­siert. Ähnliche Gespräche führen wir auch mit den Kollegen in Baden-Württemberg und Bayern. Warum? – Weil diese Kooperationsprojekte und Netzwerke sinnvollerweise im europäischen Raum grenzüberschreitend angedacht sind.

Sie sehen, wir als Haus sind da sehr führend, vollkommen unabhängig davon, ob Wah­len stattfinden oder nicht. Unsere Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bür­gern gilt – unabhängig von den Wahlen. Ich glaube, wir haben da eine gewisse Trei­berfunktion, da wir auch in den Ratsgremien diejenigen sind, die immer ordentlich aufs Gaspedal steigen und versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Transfor­mation der Wirtschaft zu ermöglichen.

Sie haben auch das Winterpaket, das Energiepaket, angesprochen. Ich sehe auch in die­sem Bereich in gar keiner Art und Weise irgendeine Dramatik, dass wir da zurückfallen würden, ganz im Gegenteil. Wir haben ständig internationale Delegationen da, nicht nur aus Asien, auch aus Südamerika, aus Nordamerika, die sich unsere Alternativenergie­branche ansehen und sagen: Wie toll seid ihr denn da aufgestellt! Es gibt internationale Weltstars mit Österreichbezug wie Arnold Schwarzenegger, der, glaube ich, seinen Mer­cedes G mit Batterietechnologie von Kreisel Electric fährt. Aus dem Kreis dieser Unter­nehmen, die internationale Weltmarktführer sind, mit ganz tollen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern, mit denen wir gemeinsam immer wieder neue Produkte und produktorientier­te Dienstleistungen gerade im Umweltschutz- und Alternativenergiebereich vorantreiben, gibt es jede Menge wunderbarer Beispiele.

Das heißt: Man muss immer beide Seiten sehen, nicht nur die klimapolitischen Vorga­ben, bei denen wir alle uns anstrengen müssen, diese auch mit dem Paris-Vertrag zu erreichen. Dazu gibt es ein klares Bekenntnis, im Gegensatz vielleicht zu anderen Re­gierungen, wo gerade über Vertragsaufkündigungen diskutiert wird.

Die zweite Geschichte ist: Wie machen wir denn das? – Der zentrale Treiber ist natür­lich zwingend die Innovationskraft, sich immer wieder neu zu überlegen, welchen tech­nologischen Beitrag ich ermöglichen kann. Darum spielen auch Forschung und Ent­wicklung in diesem Bereich eine so zentrale Rolle, um zu neuen Produkten und pro­duktorientierten Dienstleistungen zu kommen, die uns helfen. Es gibt auch da natürlich


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 148

den Versuch auf europäischer Ebene, weshalb die Vorhaben auch derart gestaltet sind, uns massiv einzubringen, neue Wege zu gehen.

Damit kommen wir zum zentralen Punkt: Am 1. Juli 2017 startet die estnische Ratsprä­sidentschaft. Das ist jetzt die erste im Trio mit uns: Esten, Bulgaren und Österreicher. Wir sind zurzeit in einem intensiven Abstimmungsprozess, wie wir die Schwerpunkte un­serer eigenen Ratspräsidentschaft gestalten werden.

Es ist zu erwarten, dass mehrere zentrale Dossiers auf europäischer Ebene während der österreichischen Ratspräsidentschaft abzuschließen sind, unter anderem das Win­terpaket, Energiepaket, die Energieunion betreffend – von Ihnen angesprochen –, aber auch ein weiteres großes Vertiefungspaket im Bereich des Binnenmarkts, des digitalen Binnenmarkts und viele andere Dossiers in unterschiedlichen Ratsformationen.

Das heißt, die österreichische Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 wird eine Arbeitspräsidentschaft sein. Es ist nicht davon auszugehen, dass in der Präsidentschaft der Rumänen nach uns – sie fällt mit den EU-Parlamentswahlen zusammen – noch groß­artige Dinge passieren werden. Wir werden ganz zentral dafür verantwortlich sein – da­rum blicken auch alle anderen europäischen Länder gerade auf unsere Vorbereitungs­arbeiten –, ob wir für die nächsten Jahre entscheidende Weichenstellungen in der Eu­ropäischen Union herbeiführen können oder nicht. Und da sind wir in intensiven Vorbe­reitungsarbeiten. – Also keine Sorge: Weder in meinem Ressort noch in irgendeinem anderen Ressort schlafen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pendeluhr, son­dern ganz im Gegenteil, sie leisten ausgezeichnete Vorbereitungsarbeiten in Öster­reich und auf europäischer Ebene, in Abstimmung mit allen anderen Mitgliedsländern. Die Teams sind top vorbereitet. Ich habe totales Vertrauen, wer auch immer nach einer Wahl Ressortverantwortung politisch übernimmt, die Häuser sind perfekt aufgestellt.

Ich bedanke mich an dieser Stelle explizit bei der Leiterin der EU-Koordination im Wirt­schaftsministerium, Frau Mag. Janisch, und ihrem Team, der gesamten Abteilung so­wie bei allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller anderen Sektionen, beim Verwaltungsbereich Wirtschaft, die zum Teil anwesend sind, für das Zusammenführen der Daten, für das regelmäßige Tracken. Unser Haus ist da ganz ausgezeichnet und agiert sehr verantwortungsvoll. Sie wissen, die Präsentationen werden immer dement­sprechend gemacht.

Vielleicht noch einmal eine Klarstellung: Es ist ein Vorhabensbericht, den wir Ihnen gerne im Sinne einer Rechenschaft immer wieder vorlegen. Sollten Sie darüber hinaus laufen­de Fragen zu den Programmen, welche auch immer, haben, wenden Sie sich vertrauens­voll an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit großer Kompetenz ausgestattet sind, immer einen hohen Informationsstand haben – ich möchte fast sagen: im Vergleich zu anderen Ländern ganz top informiert sind, weil sie sehr gut vernetzt sind. Sie kön­nen Ihnen bei Fragen sicher immer wieder weiterhelfen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

18.04


18.04.10

Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 149

18.04.3318. Punkt

EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung
(III-609-BR/2017 d.B. sowie 9807/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Nun gelangen wir zum 18. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter zu diesem Punkt ist Herr Bundesrat Pum. – Ich bitte um den Bericht.

 


18.04.47

Berichterstatter Ing. Andreas Pum: Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über EU-Vor­haben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Mai 2017 den Antrag, den Bericht über EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2017 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für den Bericht.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.05.32

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Dasselbe, was wir vorhin für die Wirt­schaft diskutiert haben, diskutieren wir jetzt für die Wissenschaft. Dieser Bericht glie­dert sich in vier Schwerpunkte: erstens: Umsetzung Horizon 2020; zweitens: Weiterent­wicklung des Europäischen Forschungsraums; drittens: Modernisierung der Hochschul­bildung; und viertens: Umsetzung Erasmus+.

Herr Bundesminister, Sie haben betont, dass es sich um einen Vorhabensbericht han­delt. Davon – nämlich von den Vorhaben – habe ich in diesem Bericht nicht wirklich viel gefunden. Es sind mehr oder weniger alles schon eher ältere Hüte, die da drinnen ste­hen. Da ist also nicht wirklich Neues drinnen, was etwas enttäuschend ist. Ich beziehe das jetzt nicht auf das Ministerium, sondern auch auf die EU. In Anbetracht der Tat­sache, dass die Wichtigkeit von Forschung, Entwicklung und Wissenschaft so gerne in Sonntagsreden aller möglichen Politiker europaweit betont wird, ist das, was in diesem Bericht steht, eher öde und weitgehend eine Wiederholung bekannter Phrasen.

Offene Fragen, die sich uns stellen, oder heiße Eisen werden in diesem Bericht kaum oder gar nicht angefasst. Um einige Beispiele zu nennen: Wie sieht die europäische Strategie für die Zukunft angesichts der Herausforderung durch andere Räume – ich denke da speziell an Asien und in ganz besonderem Maße an China – aus? Wie wol­len wir uns da im Innovationsbereich positionieren und behaupten? – Das, was man frü­her so salopp gesagt hat, die Chinesen kopieren nur, das hat schon lange seine Be­rechtigung verloren. Wir wissen, dass die Chinesen an und für sich keine schlechten In­genieure sind. Sie haben ja durchaus gezeigt – man braucht nur an die Hochgeschwin­digkeitseisenbahnen zu denken –, dass sie sehr wohl zu kreativen wissenschaftlichen Leistungen fähig sind. Es ist das also durchaus eine interessante Situation, um nicht zu sagen, auch eine Herausforderung für den europäischen Raum.

Wir wissen, dass das Forschungspaket Horizon 2020 mit 27,2 Milliarden € im Zeitraum von 2014 bis 2020 das größte bisher ist. In dem Bericht wird zudem positiv hervorge­hoben, dass die österreichische Beteiligung überdurchschnittlich ist. Ich würde sagen, al-


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les andere wäre eigentlich eine Katastrophe, denn wenn ich mir den europäischen Durch­schnitt anschaue, dann muss Österreich besser als der Durchschnitt sein.

Vom 9. Forschungsrahmenprogramm, das ab dem Jahr 2020 das Programm Horizon 2020 ersetzen soll, und wie es ausschauen soll, weiß man nicht wirklich viel. Es ist mir schon klar, dass im Laufe des nächsten Jahres etwas vorgelegt werden soll. Sie, Herr Minis­ter, haben zum vorhin besprochenen Bereich schon gesagt, es geschehe auf österrei­chischer Ebene einiges. Das ist durchaus auch in diesem Bereich der Fall, nur habe ich ein bisschen das Gefühl, das wird im Verborgenen gehalten.

Es gibt die zehn Thesen von diesem RP9 Think Tank, die im Bericht nur erwähnt sind. Da stehen ja durchaus interessante Sachen drinnen, aber ich glaube, viel mehr Perso­nen als einige Mitarbeiter in Ihrem Haus und die Projektersteller werden von diesem Papier keine Kenntnis haben. Da steht schon die These 4 im Widerspruch zur gelebten Praxis, nämlich dass die Wissenschaft näher zu den Menschen gebracht werden soll.

Besonders interessant habe ich die These 5 gefunden. Da heißt es nämlich, es soll – und das wird ja dann auch ein Schwerpunkt im europäischen Ratsvorsitz sein – der Fo­kus auf eine begrenzte Zahl von prioritären Räumen gelegt werden. Dazu, glaube ich, wird es sicherlich zu vielen Diskussionen kommen, denn es wird das Gerangel darum beginnen, was diese prioritären Räume sind, wer da dabei ist und wer sozusagen durch die Finger schaut. Das wird sehr spannend.

Weniger Bürokratie ist, glaube ich, eine Forderung, die man gerade auf europäischer Ebene nur ständig wiederholen kann – ob es etwas bringt, wird man sehen. Auch der strategisch bessere, praxisorientiertere und nachhaltigere Zugang ist ein bisschen eine No-na-Feststellung, wie überhaupt sehr viele No-na-Feststellungen in dem Bericht ste­hen. Auch im zweiten Abschnitt betreffend den Europäischen Forschungsraum gibt es einige Punkte, die nicht viel aussagen.

Es gibt aber durchaus einen Punkt, der unseren Widerspruch grundsätzlich erregt, näm­lich jener, der sich mit Gender-Mainstreaming befasst, meine Damen und Herren. Es geht ja in Wirklichkeit schon lange gar nicht mehr um Gleichstellung der Geschlechter. Im Prinzip hat sich die Diskussion verselbständigt und führt zu teilweise wirren und wil­den Auswüchsen. Ich muss mit Bedauern feststellen, dass gerade die Universitäten an vorderster Front bei dieser Verhunzung – bis zur Unkenntlichkeit – der deutschen Spra­che mitmachen. Wer sich an diesem Unsinn nicht beteiligt, wird dann auch noch be­straft, sei es durch schlechtere Noten oder indem eine Arbeit gar nicht zugelassen wird. Also da sind wir sicherlich nicht dabei.

Der Punkt Modernisierung der Hochschulbildung ist in diesem Bericht sehr undifferen­ziert dargestellt. Das Problem wird auf ein Missverhältnis zwischen Kompetenzen und dem Bedarf der Wirtschaft zurückgeführt. Bezug auf Österreich wird in diesem Bericht eigentlich kaum oder gar nicht genommen, etwa zu den Fragen: Wie sieht die Situation in Österreich aus? Welche Studien sind davon betroffen? Sind auch die technischen Stu­dien gemeint oder nur die geisteswissenschaftlichen?

Die Frage der Freiheit von Lehre und Forschung wird überhaupt nicht angesprochen. Ich glaube, es ist durchaus zu diskutieren, ob sich eine universitäre Ausbildung ausschließ­lich an den Interessen der Wirtschaft zu orientieren hat oder ob da nicht vielleicht doch noch ein bisschen mehr dahinterstehen soll. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann nur auf das Beispiel hinweisen, das ich von der Montanuniversität kenne; da sagt jeder Absolvent, 90 Prozent dessen, was er gelernt habe, brauche er im Berufs­leben nicht. Allerdings unterscheiden sich die Einzelnen in weiterer Folge in Bezug auf die verbliebenen 10 Prozent: Der eine braucht die einen 10 Prozent, der andere die an­deren 10 Prozent. Wenn man sich nur ansieht, in welchen Sparten Montanisten tätig sind,


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zeigt sich, dass die breite, solide und grundlagenorientierte Ausbildung sehr wohl ih­re Berechtigung hat.

Erasmus+: Es ist im Ausschuss bestätigt worden, dass es grundsätzlich etwas sehr Posi­tives ist, nur leider viel zu bürokratisch, viel zu lange Zeiten, die da gefordert werden; ge­rade für Lehrlinge ist das sehr problematisch.

Abschließend sage ich, man gewinnt, wenn man den Bericht durchliest, den Eindruck, dass er von allen Beteiligten eher unambitioniert und ein bisschen lustlos gemacht wor­den ist – nämlich auch vonseiten der EU. Wir werden ihn daher nicht zur Kenntnis neh­men. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.14.48

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn man Bundesrat Krusche fra­gen würde, ob ein Glas halb voll oder halb leer ist, würde er immer sagen, halb leer (Bun­desrat Krusche: Na, weil ich durstig bin!), und genauso negativ hat er auch den Be­richt gelesen.

Tatsache ist, dass sich die Europäische Union im Moment in einer schwierigen Phase befindet. Ausgangspunkt war die Wirtschaftskrise 2009, deren Auswirkungen bis jetzt noch spürbar sind. Des Weiteren hat die Uneinigkeit der Europäischen Union beim Flücht­lingsthema ihren Beitrag zum Unbehagen gegenüber der EU geleistet. Die Auswirkun­gen des Brexit können noch gar nicht wirklich eingeschätzt werden. Umso wichtiger ist es, die Vorteile der Europäischen Union stärker zur Entfaltung zu bringen.

Ein wichtiger Faktor sind dabei die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Innovation. Die Beteiligung Österreichs an Horizon 2020 entwickelt sich weiterhin sehr gut. Der nach Österreich gehende Anteil der Fördermittel des Programms ist leicht gestiegen und liegt derzeit bei 2,9 Prozent der bisher insgesamt vergebenen Mittel. Da Österreichs Anteil am EU-Budget bei circa 2,5 Prozent liegt, zählt das Land zu den Nettoempfängern bei Horizon 2020. Besonders stark schnitten die österreichischen Unternehmen ab. Sie konn­ten 3,3 Prozent der insgesamt an Unternehmen vergebenen Fördermittel lukrieren – das hat ja sogar Herr Bundesrat Krusche als positiv empfunden.

Im Ausschuss konnten wir auch erfahren, dass bis 2016 640 Millionen € für 1 550 Pro­jekte nach Österreich geflossen sind. Die Gemeinsame Forschungsstelle der EU, der Wis­senschaftliche Dienst der Europäischen Kommission, arbeitet im Rahmen von Horizon 2020 erfolgreich und in zahlreichen Kooperationen mit den österreichischen Forschenden zu­sammen. Österreich ist laut Datenstand November 2016 an 28 Projekten – das sind 41 Prozent der insgesamt 68 Projekte – mit der JRC beteiligt und liegt daher über dem EU-Durchschnitt.

Der europäische Verbund ermöglicht es, jene großen Herausforderungen und Zukunfts­chancen offensiv anzugehen, die ein Land alleine nicht bewältigen kann. Daher setzt sich Österreich für die Stärkung des gemeinsamen Forschungsprogrammes ein. Im Ar­beitsprogramm der EU-Kommission für 2017 findet auch eine zentrale Herausforderung, der Einsatz gegen das geringe Wachstum und die hohe Arbeitslosigkeit, Platz.

Im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung wird die EU-Kommission die Umsetzung der Agenda für neue Kompetenzen mit dem Ziel vorantreiben, dass jeder Jugendliche Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungs­chancen bekommt. Vorrangige Maßnahmen sind die Umsetzung eines Qualitätsrah­mens für Berufsausbildung und ein Vorschlag zur Verbesserung der Mobilität von Aus­zubildenden.


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Die Umsetzung des Programms Erasmus+ ist eine wahre Erfolgsgeschichte, was wahr­scheinlich jeder bestätigen wird. Ich glaube, jeder von uns kennt Jugendliche, die da­ran teilgenommen haben oder noch teilnehmen werden. Erasmus+ bietet die Chance, in einem anderen europäischen Land zu lernen, zu unterrichten, ein Praktikum zu ab­solvieren oder grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. 2017 findet die Halbzeitüber­prüfung des Programms Erasmus+ statt. Ziel ist es, eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf­zustellen, um seine Wirksamkeit noch weiter zu verbessern. Am Ende soll jeder Schü­ler, jeder Studierende und jeder Lehrling, der am Erasmus+-Programm teilnimmt, einen Mehrwert für sich verbuchen können.

Innovationen sind unsere Zukunftsvorsorge; sie entscheiden über den langfristigen Er­folg im globalen Wettbewerb, davon hängen Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand ab. Die ÖVP nimmt die EU-Jahresvorschau 2017 im Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.19


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


18.20.12

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Jahresvorschau 2017 über die EU-Vorhaben im Verwaltungsbereich Wissenschaft und Forschung hat uns der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung eine übersichtliche Publikation vorge­legt. Es wurde schon sehr viel besprochen. Die vier Schwerpunkte wurden schon ange­sprochen, zwei davon sind die Umsetzung von Horizon 2020 und die gemeinsame Mo­dernisierung der Hochschulbildung in Europa.

Ich möchte noch auf das Thema Erasmus+ eingehen, bei dem es um die Förderung der Mobilität, wie meine Vorgängerin schon gesagt hat, österreichischer Studierender und die künftige Dotierung internationaler Aktionen im Hochschulbereich geht. 2016 wurden rund 14 000 Stipendien für Bildungsaufenthalte im Ausland gewährt, das waren Finanz­mittel von 26,5 Millionen € für Österreich. 2017 stehen rund 32 Millionen € zur Verfü­gung. Für 2020 rechnet die Nationalagentur mit einem Budget über 42 Millionen € für Eras­mus+. Damit ist Erasmus+ eines der wenigen Programme, das 100 Prozent der EU-Mit­tel abholt.

Die beliebtesten fünf Zielländer für Studienaufenthalte außerhalb der EU waren Russ­land, Israel, Serbien, Chile und die USA. Innerhalb der Europäischen Union waren die Top-5-Länder im Hochschulbereich Spanien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Schweden.

Die Darstellung der Aufgaben erleichtert auch die Nachvollziehbarkeit der budgetären Maßnahmen bei diesen Förderungsprogrammen.

Ich möchte abschließend noch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesmi­nisteriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, insbesondere dem Verwaltungs­bereich Wissenschaft, zu diesem gelungenen Bericht beziehungsweise zu dieser Jah­resvorschau 2017 gratulieren; und Ihnen, Herr Bundesminister, gratuliere ich ebenfalls zu dieser Publikation.

Meine Fraktion wird diese Jahresvorschau zustimmend zur Kenntnis nehmen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)


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18.23


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

 


18.23.46

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es schaut ja tatsächlich so aus, als wäre meine Wort­meldung die letzte heute, das würde mich freuen.

Ich schließe mich der Meinung des Kollegen Krusche nicht an, das heißt, wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen. Ich finde ihn gut und aussagekräftig, und ich finde es eigentlich auch sehr gut, was sich in diesem Bereich in Österreich tut. Für 2017 wa­ren ja keine neuen legislativen Initiativen geplant, sondern eben vor allem die Umset­zung von Horizon 2020. Es wurde schon erwähnt, dass Österreich da Nettoempfänger ist und unsere Erfolgsrate über dem EU-Durchschnitt liegt, das finde ich sehr erfreulich.

Wir hoffen, dass die Vorbereitungen auf das 9. Forschungsrahmenprogramm nicht ver­nachlässigt werden, besonders auch im Sinne unserer Ratspräsidentschaft, wodurch wir doch eine ganz wichtige Rolle haben.

Synergien mit dem ESIF, dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, sind sicher­lich noch ausbaufähig, also sozusagen die Richtung in die Praxis.

Erasmus+ bleibt das Erfolgsprogramm und das Vorzeigekind. Es wurde schon erwähnt, dass die Kommission bis Ende 2017 eine Zwischenevaluierung vorlegen wird. Ich glau­be, in diesem Bereich eine Kosten-Nutzen-Rechnung zu erstellen ist schwierig. Also ich stelle mir da nicht eine Kosten-Nutzen-Rechnung vor, um das zu evaluieren; das halte ich nicht wirklich für möglich.

Ich habe mit der Frau Präsidentin gerade besprochen, dass dieses Programm Schwä­chen im Bereich der Lehrlinge hat, und das geben auch die Zahlen so her, obwohl ich glaube, dass es gerade auch für Lehrlinge sehr wichtig wäre, von diesen Programmen profitieren zu können. Wahrscheinlich ist der Grund dafür, dass ja nur Deutschland und Österreich die Lehrlingsausbildung in diesem Sinn kennen und die anderen EU-Länder nicht; deshalb ist es wahrscheinlich auch schwierig, das entsprechend zu etablieren, aber ich denke, wir sollten nicht nachlassen und es auch für Lehrlinge entsprechend er­öffnen und ausbauen.

Beunruhigend finde ich die besondere Unterstützung der Forschungs- und Innovations­tätigkeit im Verteidigungsbereich der EU. Das Verteidigungsforschungsprogramm soll mehrere Milliarden schwer sein, dieses Geld wird woanders abgehen. Das im Verteidi­gungsbereich in diesem Rahmen unterzubringen – diese Dinge müssen dann auch im­mer in der Praxis ausprobiert werden, et cetera – finde ich beunruhigend, und zwar ... – (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Das läuft aber nicht unter militärischer For­schung, wir haben ein eigenes Digital-Kapitel! Ich finde das jedenfalls beunruhigend; wenn es andere beruhigt – gut.

Wir würden uns mehr Fortschritte und Ambitionen im Bereich Open Science wünschen. Ich glaube, das wäre ein wichtiger Bereich. Und wir halten es für dem Gedanken der Internationalisierung der wissenschaftlichen Gemeinschaft abträglich, dass man es aus­ländischen Absolventen österreichischer Universitäten, in die wir ja investiert haben, viel Geld investiert haben, so besonders schwer macht, in Österreich zu bleiben und zu ar­beiten.

Über die Auswirkungen des Brexit, ja, das stimmt, kann nach wie vor nur spekuliert wer­den, aber wir müssen uns allein die zentrale Rolle vorstellen, die England im europäi­schen Forschungsraum spielt. An rund 40 Prozent der EU-Forschung sind britische For­schungseinrichtungen beteiligt. 30 000 Forscher vom Kontinent arbeiten in England. Laut Berechnungen des Teams um André Martinuzzi vom Institut für Nachhaltigkeitsmanage­ment an der WU und Harald Katzmair von FASresearch sind an rund 54 Prozent aller EU-


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Projekte mit Österreich-Beteiligung auch Organisationen aus Großbritannien beteiligt. Das betrifft vor allem Informations- und Kommunikationstechnologien, Gesundheitsfor­schung, Umweltforschung und Nanotechnologie.

Das aufzudröseln und auseinanderzudividieren wird, glaube ich, schon ein sehr großes Projekt werden und sollte wirklich nicht unterschätzt werden. Das ist nicht nur zum Schaden von England, sondern auch zu unserem Schaden und zum Schaden der EU. Der Anteil industrieller Partner österreichischer Forschungseinrichtungen in Großbritan­nien beträgt rund 65 Prozent – 65 Prozent!

Gut, damit möchte ich schließen. Wie gesagt, wir werden den Bericht zur Kenntnis neh­men. (Beifall bei den Grünen.)

18.28


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mah­rer. – Bitte, Herr Minister.

 


18.28.54

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Vielleicht als tat­sächlich allerletzte Wortmeldung des heutigen Tages inhaltlicher Natur: Auch da han­delt es sich um einen Bericht über die Vorhaben.

Weil Herr Bundesrat Krusche gesagt hat, dass der Bericht ein bisschen dünn ist oder vielleicht zu wenig Jahresvorhaben drinnen sind: Im Forschungs- und Innovationsbe­reich auf europäischer Ebene ist es so, aufgrund der jeweiligen Kompetenzverteilun­gen, dass es sehr stark um das Management von mehrjährigen Rahmenprogrammen geht, das heißt, um strategische Ausrichtungen. Die Vertreter der Generaldirektion auf Kommissionsebene sind mit den jeweiligen Mitgliedsländern strategisch-konzeptiv tä­tig – darum heißt es ja auch immer Rahmenprogramm, Rahmenvorhaben, strategische Leitlinien und nicht Jahresprogramme oder sozusagen Jahresminivorhaben.

Sie haben selbst das Forschungsrahmenprogramm angesprochen, die mehrjährigen Eva­luierungszyklen, wie zum Beispiel bei Erasmus+, wo wir gerade ein 30-jähriges Jubi­läum feiern. Es ist ein wunderbares Programm, das uns bei der Weiterentwicklung und Vertiefung der europäischen Kooperation in den unterschiedlichen Komponenten enorm hilft. Österreich ist eigentlich seit Beginn mit dabei und hat davon wirklich sehr, sehr gut profitiert.

Ja, es stimmt, man kann natürlich im Bereich der Lehrlinge noch mehr machen. Die Bun­desregierung hat sich auch dazu bekannt, und wir setzen das ja jetzt auch um; vor allem was die Sprachkompetenzen betrifft, wird es finanzielle Unterstützung geben. Ich muss sagen, das ist eine ganz wichtige und gute Geschichte. Jeder, der einmal im Aus­land war, egal, in welchem Bereich, egal, in welchem anderen europäischen Land, nimmt einen positiven Effekt, eine Horizonterweiterung mit nach Hause. Also das ist etwas, was sicher zu loben ist.

Zur Schwerpunktsetzung der maltesischen Präsidentschaft im ersten Halbjahr: Wir hat­ten gerade den Bereich Skills/Qualifikationen mit einem großen strategischen Programm als Schwerpunktsetzung. Die estnische Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt, wird sich ganz stark mit der Evaluierung der Programme beschäftigen. Das sind die beiden großen Themen auf der Forschungsebene. Wir stehen an vorderster Stelle – das Hohe Haus, vor allem auch der Bundesrat, hat einen Beitrag dazu geleistet –, wenn es um die Weiterentwicklung neuer Innovations- und Forschungsansätze geht, weil wir sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat die Open-Innovation-Strategie beschlossen haben. Das ist übrigens das mustergültige Beispiel auf europäischer Ebene, wie man in diesem


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Bereich agiert. Kommissar Moedas wird nicht müde, Österreich überall als Musterschü­ler in diesem Bereich anzupreisen, selbst im außereuropäischen Ausland.

Es gibt drei strategische Weichenstellungen: in Richtung Exzellenzorientierung der For­schung, Grundlagenforschung und angewandte Forschung; in Richtung Impact-Orien­tierung, also nicht nur Forschung um ihrer selbst willen, sondern diese muss natürlich auch einen Impact, eine Wirkung erzielen; und die dritte Komponente ist die Offenheit. Sie haben Open Science angesprochen, wo wir an und für sich Vorreiter sind und die Kommission auf unsere Ideen referenziert und diese in die anderen Mitgliedsländer trägt. Wir werden Open Innovation gemeinsam mit der Kommission sicher auch zu einem Schwer­punkt unserer Ratspräsidentschaft machen.

Ich darf mich abschließend auch hier bei Frau Mag. Ringhofer und allen MitarbeiterIn­nen aus den unterschiedlichen Bereichen des Verwaltungsbereichs Wissenschaft für die Koordinierung dieses Berichtes bedanken und hoffe auch da auf weitere gute Ko­operation.

Wir werden regelmäßig darüber berichten, wenn es entweder österreichische Geset­zesinitiativen oder andere wichtige europäische Initiativen gibt. Wir denken in Vorberei­tung der Ratspräsidentschaft darüber nach, zum gegebenen Zeitpunkt auch die jeweils zuständigen Kommissare und Kommissarinnen nach Österreich einzuladen, um allen Mitgliedern des Hohen Hauses, sowohl den Abgeordneten zum Nationalrat als auch den Bundesrätinnen und Bundesräten, die Möglichkeit zu bieten, einmal mit den Kom­missarinnen und Kommissaren in den einzelnen Fachbereichen gemeinsam darüber zu debattieren, was denn die mittel- bis langfristigen Vorhaben auf europäischer Ebene sind und welche Auswirkungen, Impacts damit verbunden sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.32


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.33.16Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen, 3242/J-BR/2017 bis 3247/J-BR/2017, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hilfen für junge Erwachsene, der dem Kinderrech­teausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin wird der 22. Juni 2017, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


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Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchs­recht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 20. Juni 2017, 14 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.34.16Schluss der Sitzung: 18.34 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

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