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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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41. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 5., und Donnerstag, 6. Dezember 2007

 

 


Stenographisches Protokoll

41. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 5., und Donnerstag, 6. Dezember 2007

Dauer der Sitzung

                                  Mittwoch, 5. Dezember 2007: 9.04 – 24.00 Uhr

                                  Donnerstag, 6. Dezember 2007: 0.00 –   1.23 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geän­dert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Asylgerichtshofgesetz erlassen wird und das Asylgesetz 2005, das Verwaltungs­gerichts­hofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Bundesminis­terien­gesetz 1986, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrens­geset­zen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Fremdenpolizei­ge­setz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz und das Waffengesetz 1996 geändert werden (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird (E-GovG-Novelle 2007)

4. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz, das Ziviltechnikergesetz, das Rezeptpflichtgesetz sowie die Gewerbeordnung 1994 geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­ver­fahrens­gesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Ver­wal­tungsstrafgesetz 1991 und das Zustellgesetz geändert werden (Verwaltungs­ver­fahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007)

7. Punkt: Bericht über den Antrag 482/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Michael Spindelegger, Dr. Alexander Van der Bellen, Heinz-Christian Strache, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Nationalen Sicherheitsrates geändert werden


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8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen von Verwaltungsbehörden im Rahmen der Europäischen Union (EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz – EU-VStVG) erlassen wird und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert werden

9. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B‑VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die EU-Strukturfonds in der Periode 2007–2013

10. Punkt: Änderungen des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, die den Europäischen Gemeinschaften den Beitritt ermöglichen

11. Punkt: Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten betreffend Kontrollstellen und grenzüberschreitenden Datenverkehr

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozess­ord­nung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugend­gerichts­gesetz 1988 geändert werden, und

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafrechtsänderungs­gesetz 2008)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG), das Straf­ge­setzbuch, die Strafprozessordnung 1975 und das Gesundheits- und Ernährungs­sicher­heitsgesetz geändert werden (SMG-Novelle 2007)

14. Punkt: Bericht über den Antrag 141/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die bedingte Ent­lassung aus dem Strafvollzug im Strafgesetzbuch ausgeweitet wird

15. Punkt: Bericht über den Antrag 147/A(E) der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuständigkeit zur bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bun­desgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Mediengesetz, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das Militärstrafgesetz, das Pornographiegesetz, das Strafregistergesetz, das Tilgungs­gesetz, das Bundesgesetz über die Amtshilfe der Sozialversicherungsträger für die Sicherheitsbehörden, das Sozialbetrugsgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, die Straf­prozessordnung, das OGH-Gesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Geschwo­renen- und Schöffengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutz­gesetz, das Ärztegesetz 1998, das Apothekerkammergesetz, das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahn­ärztekammergesetz und das Weingesetz geändert werden (Strafprozessreform­begleitgesetz II)

17. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Außenhandelsgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugs­gebühren­gesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2008 – EO-Nov. 2008)

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und


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Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichts­kommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwalts­tarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichi­schen Schulwesens erlassen wird und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz sowie das Schulorganisationsgesetz geändert werden (BIFIE-Gesetz 2008)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

24. Punkt: Bericht über den Antrag 464/A der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schul­organi­sationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG) geändert wird

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird

26. Punkt: Bericht über den Antrag 165/A(E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Vereinheitlichung der schulautonomen Tage

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz geändert wird

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (11. Führer­scheingesetz-Novelle)

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle)

30. Punkt: Siebentes Zusatzprotokoll zur Satzung, Allgemeine Verfahrensordnung, Vertrag und Abkommen des Weltpostvereins (Bukarest 2004)

31. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinar­gesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001 und das Militärauszeichnungs­ge­setz 2002 geändert werden

32. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Auslandseinsatzgesetz 2001 und das Militärbefugnisgesetz geändert werden

33. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindestlohns (Mindestlohngesetz) (337/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 21

Ordnungsrufe ..............................................................................................  108, 183, 304


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 4

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 11/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „gläserne Parteikassen“ gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 29. Jänner 2008 zu setzen ............................................................................................. 40

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 40

Redner:

Michaela Sburny ..................................................................................................... ... 190

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ... 192

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 194

Harald Vilimsky ....................................................................................................... ... 196

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 197

Franz Morak ............................................................................................................. ... 198

Ablehnung des Fristsetzungsantrages ........................................................................ 199

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 41

Antrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 435/A der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Heizkostenausgleichsfonds eingerichtet wird (Heizkostenausgleichsfondsgesetz), gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 24. Dezember 2007 zu setzen – Zurückziehung (siehe Amtl. Prot.)

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (314 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird (370 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfas­sungssausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ............................................................................  108, 108


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 5

Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kollegin und Kollegen, den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (314 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird (370 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungs­ausschuss rückzuverweisen – Ablehnung ............................................................................  108, 108

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Asylgerichtshofgesetz erlassen wird und das Asylgesetz 2005, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungs­gerichtshofgesetz 1953, das Bundesministeriengesetz 1986, das Einführungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwal­tungs­verfahrensgesetz 1991, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz und das Waffen­gesetz 1996 geändert werden (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz), (371 und Zu 371 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfas­sungssausschuss rückzuverweisen – Ablehnung  108, 108

Antrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kollegin und Kollegen, den Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Asylgerichtshofgesetz erlassen wird und das Asylgesetz 2005, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungs­ge­richtshofgesetz 1953, das Bundesministeriengesetz 1986, das Einführungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwal­tungs­ver­fahrensgesetz 1991, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005, das Staatsbürger­schafts­gesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz und das Waffen­gesetz 1996 geändert werden (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz), (371 und Zu 371 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfas­sungsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung  108, 108

Unterbrechung der Sitzung ...............................................................................  137, 370

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 350

Fragestunde (4.)

Frauen, Medien und öffentlicher Dienst .................................................................. 21

Barbara Riener (13/M); Ursula Haubner, Wolfgang Zanger, Mag. Brigid Weinzinger, Sonja Ablinger

Mag. Brigid Weinzinger (19/M); Dr. Elisabeth Hlavac, Maria Rauch-Kallat, Herbert Scheibner, Lutz Weinzinger

Harald Vilimsky (21/M); Dieter Brosz, Mag. Elisabeth Grossmann, Werner Amon, MBA, Ing. Peter Westenthaler

Otto Pendl (23/M); Dr. Gertrude Brinek, Josef Bucher, Leopold Mayerhofer, Mag. Birgit Schatz

Franz Morak (25/M); Ing. Peter Westenthaler, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Dieter Brosz, Dr. Josef Cap

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 21

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  39, 373

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betref­fend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwen­dung und Missbrauch (491/A)(E) ...... 137

Begründung: Heinz-Christian Strache ....................................................................... 142

Bundesministerin Dr. Maria Berger ......................................................................... 148

Debatte:

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 152

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................ ... 155

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 157

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 159


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 6

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 162

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 164

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 164

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 168

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 170

Barbara Zwerschitz ................................................................................................ ... 171

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ....................................................................... ... 174

Laura Rudas ................................................................................................................ 179

Anna Höllerer .............................................................................................................. 180

Sabine Mandak ........................................................................................................... 182

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 184

Bettina Stadlbauer .................................................................................................. ... 186

Barbara Riener ........................................................................................................ ... 188

Entschließungsantrag der Abgeordneten Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr – Ablehnung ..  154, 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kollegin­nen und Kollegen betreffend chemische Kastration von Personen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden – Ablehnung      166, 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichung von Daten von nach § 206 StGB rechtskräftig verurteilten Personen – Ablehnung          167, 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Barbara Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende ärztliche Untersuchungen  Ablehnung ....................................  173, 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie betreffend Rückfall­quoten und Resozialisierung von Sexualstraftätern – Ablehnung ............................................................................................................  176, 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spitalstourismus – Ablehnung .............................................................................  185, 190

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 491/A(E) .............................. 189

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (314 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird (370 d.B.) ...................... 41

2. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Asylgerichtshofgesetz erlassen wird und das Asylgesetz 2005, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungs­gerichts­hofgesetz 1953, das Bundesministeriengesetz 1986, das Einführungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz und das Waffen­gesetz 1996 geändert werden (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz) (371 und Zu 371 d.B.) ..................................................................................................... 41


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Redner/Rednerinnen:

Dr. Josef Cap .......................................................................................................  42, 107

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 44

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 47

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ..... 50

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 52

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................ ..... 59

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ..... 62

Mag. Helmut Kukacka .................................................................................................. 64

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 66

Dr. Robert Aspöck .................................................................................................. ..... 68

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 73

Bundesminister Günther Platter .......................................................................... ..... 75

Rudolf Parnigoni ..................................................................................................... ..... 78

Dr. Peter Sonnberger ............................................................................................. ..... 79

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ..... 81

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ..... 82

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ..... 84

Josef Broukal .......................................................................................................... ..... 86

Dr. Reinhold Mitterlehner ...................................................................................... ..... 87

Barbara Zwerschitz ................................................................................................ ..... 89

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ..... 91

Josef Bucher ........................................................................................................... ..... 93

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ..... 94

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ..... 96

Astrid Stadler .......................................................................................................... ..... 97

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 98

Ing. Norbert Kapeller .............................................................................................. ..... 99

Otto Pendl ................................................................................................................... 101

Maria Grander ............................................................................................................. 102

Dr. Elisabeth Hlavac ................................................................................................... 102

Walter Murauer ....................................................................................................... ... 103

Alexander Zach ....................................................................................................... ... 104

Dr. Johann Georg Schelling .................................................................................. ... 105

Hannes Fazekas ...................................................................................................... ... 106

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nicht-Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung des Ver­trages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durch den österreichischen Bundeskanzler – Ableh­nung           70, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung einer nationalen Volksabstimmung in Öster­reich über die Ratifizierung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein­schaft – Ablehnung ...................................................................................  72, 111

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung ......................................  74, 111

Entschließungsantrag des Abgeordneten Alexander Zach betreffend Abschaf­fung der Pflichtmitgliedschaft in Kammern – Unterstützungsfrage – nicht genü­gend Unterstützung .......  105, 105, 105


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 8

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 370 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend das Recht des Bundesministers für Inneres, Grundsatz­entscheidungen des Asylgerichtshofes zu erwirken (E 49) ....................................................................................................................................... 111

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 370 und 371 d.B. ......................................... 109

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (290 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird (E-GovG-Novelle 2007) (362 d.B.) ... 112

4. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (363 d.B.) ............................................. 112

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (293 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz, das Ziviltechnikergesetz, das Rezeptpflichtgesetz sowie die Gewerbeordnung 1994 geändert werden (364 d.B.) .......................................................................................... 112

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (294 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­verfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Zustellgesetz geändert werden (Ver­waltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007) (365 d.B.)                   112

Redner/Rednerinnen:

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 112

Dr. Günther Kräuter ............................................................................................... ... 113

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ... 115

Franz Morak ............................................................................................................. ... 116

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 116

Staatssekretärin Heidrun Silhavy ......................................................................... ... 117

Dr. Johann Georg Schelling .................................................................................. ... 119

Dr. Peter Sonnberger ............................................................................................. ... 120

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 362, 363, 364 und 365 d.B. .............................. 120

7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 482/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Michael Spindelegger, Dr. Alexander Van der Bellen, Heinz-Christian Strache, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Nationalen Sicherheitsrates geän­dert werden (366 d.B.) ................. 121

Redner/Rednerinnen:

Stefan Prähauser .................................................................................................... ... 122

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 122

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 123

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 123

8. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (46 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen von Verwaltungsbehörden im Rahmen der Euro­päischen Union (EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz – EU-VStVG) erlas-


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sen wird und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungs­voll­streckungsgesetz 1991 geändert werden (373 d.B.) ...................................................................................................................... 124

Redner/Rednerinnen:

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 124

Hannes Fazekas ...................................................................................................... ... 126

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ... 127

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 128

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 129

Mag. Helmut Kukacka ............................................................................................ ... 129

Michael Praßl ........................................................................................................... ... 130

Staatssekretärin Heidrun Silhavy ......................................................................... ... 131

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kollegin­nen und Kollegen betreffend die Sicherstellung einer effizienten Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen – Ablehnung .........................................................................  125, 132

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 131

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 373 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend einen Bericht über die Erfahrungen auf dem Gebiet der Halter- und Lenkerauskunft von den österreichischen Behörden (E 50) ........................................................................................................... 132

9. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (74 d.B.): Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B‑VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die EU-Strukturfonds in der Periode 2007–2013 (374 d.B.) ................. 132

Redner/Rednerinnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 133

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 133

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 134

Staatssekretärin Heidrun Silhavy ......................................................................... ... 134

Genehmigung der Vereinbarung .................................................................................. 135

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (42 d.B.): Änderungen des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, die den Europäischen Gemeinschaften den Beitritt ermöglichen (375 d.B.) .........              135

11. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (147 d.B.): Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten betreffend Kontroll­stellen und grenzüberschreitenden Datenverkehr (376 d.B.) ......... 135

Redner/Rednerinnen:

Peter Marizzi ............................................................................................................ ... 136

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 136

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 199

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 200

Dr. Elisabeth Hlavac ............................................................................................... ... 201

Staatssekretärin Heidrun Silhavy ......................................................................... ... 201

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 375 und 376 d.B. .................................... 201


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 10

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (302 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozess­ordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden, und über die

Regierungsvorlage (285 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafrechtsänderungsgesetz 2008) (331 d.B.) ........................................................... 202

13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG), das Straf­ge­setzbuch, die Strafprozessordnung 1975 und das Gesundheits- und Ernäh­rungssicherheitsgesetz geändert werden (SMG-Novelle 2007) (332 d.B.)                       202

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 141/A der Abge­ordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug im Straf­gesetzbuch ausgeweitet wird (333 d.B.) ..................................... 202

15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 147/A(E) der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuständigkeit zur bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug (334 d.B.) ...................................................................................................................... 202

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 202

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 204

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ... 205

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 207

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ... 208

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 211

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 216

Anna Franz .............................................................................................................. ... 219

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 219

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ... 220

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 221

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ... 223

Dr. Kurt Grünewald ................................................................................................ ... 224

Mag. Johann Maier ................................................................................................. ... 225

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ... 226

Michael Praßl ........................................................................................................... ... 227

Ridi Steibl ................................................................................................................ ... 227

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ... 228

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Erbringung gemeinnütziger Leistung – Ableh­nung .............................................  203, 230

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 331 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der bestehenden „Kronzeugenregelung“ (E 51) ...................................... 230

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 331 und 332 d.B. ......................................... 229

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 333 und 334 d.B. .............................. 231

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 11

16. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (299 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Mediengesetz, das Verbandsverant­wortlichkeits­gesetz, das Militärstrafgesetz, das Pornographiegesetz, das Strafregistergesetz, das Tilgungsgesetz, das Bundesgesetz über die Amtshilfe der Sozialversiche­rungsträger für die Sicherheitsbehörden, das Sozialbetrugsgesetz, das Staats­anwalt­schaftsgesetz, die Strafprozessordnung, das OGH-Gesetz, das Rechts­praktikantengesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz, das Lebensmittel­sicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Apo­thekerkam­mergesetz, das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungs­sicherheitsgesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz und das Weingesetz geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz II) (335 d.B.) ........................................................... 231

17. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Außenhandelsgesetz geändert wird (336 d.B.) ............................................................ 231

Redner/Rednerinnen:

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 232

Bettina Stadlbauer .................................................................................................. ... 232

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 233

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 234

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 237

Gerhard Köfer ......................................................................................................... ... 237

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ... 238

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 335 und 336 d.B. ......................................... 239

18. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (295 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugs­gebüh­rengesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Exekutions­ordnungs-Novelle 2008 – EO-Nov. 2008) (337 d.B.) ................................ 240

Redner/Rednerinnen:

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 240

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 241

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 242

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 242

19. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (303 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariats­ordnung, das Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechts­anwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommis­särsgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisations­gesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechts­an­walts­prüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebühren­anspruchs­gesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufs­rechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008) (338 d.B.) ....................................................... 242

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 243

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 246

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................ ... 249

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 251

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ........................................................................... ... 251

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 254


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 12

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Abteilung für Ge­richtliche Medizin (DGM) der MedUni-Wien („Sensengasse“)  Ablehnung ..............................................................................  244, 256

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Heri­bert Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Pauschalabgeltung für Ärzte nach den Tarifen des Gebührenanspruchsgesetzes (Gebühr für die Mü­hewaltung der Gerichtsgutachter in § 43 GebAG 1975) – Annahme (E 52)      250, 256

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 255

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 338 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit der Änderung der studienmäßigen Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts und des Notars (E 53) ................................................ 256

20. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (259 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird (379 d.B.) ............................ 257

Redner/Rednerinnen:

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 257

Christian Faul .......................................................................................................... ... 259

Anna Franz .............................................................................................................. ... 261

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 261

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 262

21. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (306 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des öster­reichischen Schulwesens erlassen wird und das Bundes-Schulauf­sichtsgesetz sowie das Schulorganisationsgesetz geändert werden (BIFIE-Gesetz 2008) (380 d.B.) ..... 263

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 263

DDr. Erwin Niederwieser ....................................................................................... ... 264

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................ ... 265

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 266

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 270

22. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (307 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (381 d.B.) ..................................... 270

Redner/Rednerinnen:

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 271

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ... 274

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 274

Fritz Neugebauer .................................................................................................... ... 279

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 280

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 281

Silvia Fuhrmann ...................................................................................................... ... 282

Barbara Zwerschitz ................................................................................................ ... 283

Mag. Peter Eisenschenk ........................................................................................ ... 284

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 286


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 13

Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer ................................................................................. ... 287

Dr. Robert Rada ...................................................................................................... ... 288

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Kompetenz und Qualität der Lehrer – Ablehnung ................................................  278, 289

Entschließungsantrag der Abgeordneten Barbara Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung der Modellversuche zur Neuen Mittelschule – Ablehnung .............  285, 289

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die echte Demokratisierung im Schulwesen – Ablehnung .......................................  287, 289

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 288

Gemeinsame Beratung über

23. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (281 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (382 d.B.) ......................................... 289

24. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 464/A der Abge­ordneten DDr. Erwin Niederwieser, Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG) geändert wird (383 d.B.) ........................ 290

25. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (282 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (384 d.B.) ............................................ 290

26. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 165/A(E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verein­heit­lichung der schulautonomen Tage (385 d.B.)                     290

Redner/Rednerinnen:

Sabine Mandak ........................................................................................................ ... 290

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................ ... 291

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 292

Mag. Peter Eisenschenk ........................................................................................ ... 293

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 293

Franz Riepl ............................................................................................................... ... 297

Dieter Brosz ............................................................................................................. ... 298

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 302

Elmar Mayer ............................................................................................................ ... 303

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 304

Mag. Christine Muttonen ....................................................................................... ... 304

Beate Schasching ................................................................................................... ... 305


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 14

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betref­fend verpflichtendes, kostenloses Kindergartenjahr vor dem Schuleintritt – Ableh­nung ......................  295, 306

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betreffend die Begrenzung des Anteils von Schülerinnen und Schülern, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, mit maximal 30 Prozent pro Klasse – Ablehnung .....................................................  296, 306

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betref­fend Umsetzung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung der Kindergarten­päda­goginnen und -pädagogen sowie Schaffung eines nationalen Bildungs­planes für den Kindergarten mit Schwerpunkt auf Sprachförderung – Ablehnung      296, 306

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis-Kindergarten – Ablehnung ...................................................................................  300, 306

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 382, 383 und 384 d.B. ...................................... 305

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 385 d.B. ..................................................... 307

27. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (280 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz geändert wird (328 d.B.) ............................ 307

Redner/Rednerinnen:

Mag. Peter Eisenschenk ........................................................................................ ... 307

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ... 308

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ....................................................................... ... 308

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 309

28. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (230 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (11. Führerscheingesetz-Novelle) (329 d.B.)                     309

Redner/Rednerinnen:

Dr. Gabriela Moser ................................................................................................. ... 309

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ... 310

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 310

Hermann Gahr ............................................................................................................ 310

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 311

29. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (305 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle) (330 d.B.) ....................... 311

Redner/Rednerinnen:

Harald Vilimsky .......................................................................................................... 311

Anita Fleckl .............................................................................................................. ... 312

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 313

Mag. Helmut Kukacka ............................................................................................ ... 315

Bernhard Themessl ................................................................................................... 315

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 316

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ....................................................................... ... 320

Gerhard Steier ......................................................................................................... ... 321

Bundesminister Werner Faymann ....................................................................... ... 321

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ... 323

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 323

Franz Glaser ............................................................................................................ ... 324

Peter Marizzi ............................................................................................................ ... 326

Thomas Einwallner ................................................................................................. ... 326

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 327

Johann Rädler ......................................................................................................... ... 327

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ... 328

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 328


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 15

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kollegin und Kollegen betreffend verbesserte Sicherheitsbestimmungen bei der Kinderbeför­derung in Omnibussen – Ablehnung               314, 329

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend sichere Schülertransporte auch im Kraftfahrlinienverkehr – Ablehnung ..........................  318, 329

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kol­legen betreffend zügigen Ausbau des Lkw-Kontrollstellennetzes – Ableh­nung ............................  319, 329

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 328

30. Punkt: Regierungsvorlage: Siebentes Zusatzprotokoll zur Satzung, Allge­meine Verfahrensordnung, Vertrag und Abkommen des Weltpostvereins (Buka­rest 2004) (265 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) ............................................................................................... 329

Genehmigung des Vertragswerkes .............................................................................. 329

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG ........................................... 329

Gemeinsame Beratung über

31. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über die Regierungs­vorlage (65 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeres­disziplinargesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001 und das Militäraus­zeich­nungsgesetz 2002 geändert werden (399 d.B.)   ............................................................................................................................. 330

32. Punkt: Bericht und Antrag des Landesverteidigungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Auslandseinsatzgesetz 2001 und das Militärbefugnisgesetz geändert werden (400 d.B.) ...................................................................................................................... 330

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Pilz ......................................................................................................  330, 367

Stefan Prähauser .................................................................................................... ... 332

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................................... ... 333

Walter Murauer ....................................................................................................... ... 336

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 337

Bundesminister Mag. Norbert Darabos ............................................................... ... 350

Mag. Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 354

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 355

Mag. Ulrike Lunacek (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 355

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ... 356

Katharina Pfeffer ..................................................................................................... ... 357

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ... 358

Bettina Stadlbauer .................................................................................................. ... 359

Peter Haubner ......................................................................................................... ... 360

Rudolf Parnigoni ..................................................................................................... ... 361

Jochen Pack ............................................................................................................ ... 361

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ... 362

Karl Freund .............................................................................................................. ... 364

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 365

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Verträge über die Beschaffung von Kampf­flugzeugen – Ablehnung ............  332, 368


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 16

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Verträge und Unterlagen betreffend die Beschaffung von Kampfflugzeugen – Ablehnung ............................................................................................................  335, 368

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung .....................  338, 369

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtentsendung von österreichischen Soldaten in den Tschad – Ablehnung (namentliche Abstimmung)           344, 369

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 399 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Kostenübernahme eines qualifizierten Rechtsschutzes für Militärpiloten im Luftraumüberwachungsdienst (E 54) ............................................................................................................................ 369

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 399 und 400 d.B. ......................................... 368

33. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Höhe des existenz­sichernden Mindestlohns (Mindestlohngesetz) (337/A)    ............................................................................................................................. 372

Redner/Rednerinnen:

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 372

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 372

Zuweisung des Antrages 337/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ............... 373

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Verbes­serung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Missbrauch (491/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erstellung einer Studie, die die Abfrage und den Vergleich der Kompetenz und Qualität der Lehrer an österreichischen Volks- und Hauptschulen, allgemeinbildenden und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen mit vergleichbaren ausländischen Schulen und Bil­dungseinrichtungen zum Inhalt hat (492/A)(E)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­ver­fassungsgesetz über die Offenlegung von Einkommen und Vermögen im öffentlichen Bereich (493/A)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universi­tätsgesetz 2002) geändert wird (494/A)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universi­tätsgesetz 2002) geändert wird (495/A)

Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterschied Valutadatum – Buchungsdatum (496/A)(E)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 17

Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überweisungsdauer und Wertstellungspraxis (497/A)(E)

Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz geändert wird (498/A)

Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsumentenschutzgesetz geändert wird (499/A)

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend frühere Auszahlung von Familienleistungen sowie monatliche Auszahlung der Familienbeihilfe (500/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderungsbedarf des Kriegs­materialgesetzes (501/A)(E)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Infrastrukturinvestitionsplan für die Weststeiermark (502/A)(E)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ökologisierung der Lkw-Steuer (503/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umwandlung der Pendlerpau­schale und des Verkehrsabsetzbetrages in einen Fixbetrag (504/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Impfaktion und Aufnahme der HPV-Impfung in das Kinderimpfprogramm (505/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Interessenvertretung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen (506/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Wasserkraft (507/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verpflichtung der Hersteller von Mobiltelefonen zur Angabe des SAR-Wertes (508/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitsverhältnis am zweiten Arbeitsmarkt (509/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung eines Plans zum Abbau baulicher Barrieren für die vom BMLV genutzten Gebäude (510/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Diskriminierung behinderter Menschen bei privaten Versicherungen (511/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 11. Dezember 1969 über die Einstellung und Beschäftigung Behinderter (Behinderteneinstellungsgesetz – BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, geändert wird (512/A)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnungspflicht für Fleisch, Milchprodukte und Eier von Tieren, die mit GVO gefüttert wurden (513/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Versehen der Etap­penpläne zum Abbau baulicher Barrieren mit Zeitplänen (514/A)(E)

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) geändert wird (515/A)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 18

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Pauschalierung der Verwaltungsaufwendungen für das Pflegegeld (516/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeldleistungen mit Auslandsbezug (517/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Prüfung der wid­mungsgemäßen Verwendung des Pflegegeldes durch Gesundheitsmanager (518/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Beschränkung der Dauer des Pflegegeldverfahrens (519/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes-Umwelt­haftungs­gesetz (B-UHG) (520/A)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundrecht auf Pflege (521/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer Pflegelehre (522/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterschreitung des Existenzminimums bei Exekutionen wegen Unterhaltsansprüchen (523/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Erhöhung des Beitrags Österreichs zur Europäischen Weltraumorganisation ESA (524/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die echte Demo­kratisie­rung im Schulwesen (525/A)(E)

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (414/A) (Zu 414/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Sabine Oberhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend „detaillierte Aufschlüsselungen der Kam­pagnenkosten der Kampagne KA’TSCHICKISTAN“ (2590/J)

Dr. Sabine Oberhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend „Gesundheitspass für Jugendliche“ (2591/J)

Dr. Gertrude Brinek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pflegeförderung (2592/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Platter weiß nichts von Personalmangel“ bei Wiener Polizei (2593/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verkehrsbehinderungen auf der A 21 am 15. und 16. November 2007 (2594/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 19

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Todesfälle mit Taser-Waffen“ (2595/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Glücksspiel- und Wettangebote: Illegales Glücksspiel/Glücksspielbetrug – Vollziehung des Glücksspielgesetzes 2006 und 2007“ (2596/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (1578/AB zu 1579/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen (1579/AB zu 1588/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Jochen Pack, Kolleginnen und Kollegen (1580/AB zu 1594/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Leopold Mayerhofer, Kolleginnen und Kollegen (1581/AB zu 1610/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer, Kolleginnen und Kollegen (1582/AB zu 1621/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (1583/AB zu 1578/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (1584/AB zu 1604/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolle­ginnen und Kollegen (1585/AB zu 1640/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolle­ginnen und Kollegen (1586/AB zu 1643/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolle­ginnen und Kollegen (1587/AB zu 1703/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (1588/AB zu 1740/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen (1589/AB zu 1909/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Kolle­ginnen und Kollegen (1590/AB zu 1944/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (1591/AB zu 1956/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1592/AB zu 1582/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (1593/AB zu 1584/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (1594/AB zu 1585/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen (1595/AB zu 1587/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 20

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen (1596/AB zu 1569/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen (1597/AB zu 1570/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen (1598/AB zu 1571/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen (1599/AB zu 1572/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen (1600/AB zu 1573/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen (1601/AB zu 1574/J)


09.03.44


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 21

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Dr. Michael Spindelegger, Dritte Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Knoll, Mag. Wurm, Dr. Pilz und Mag. Hauser.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung gebe ich die Mitglieder der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein wird durch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek vertreten.

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger wird durch Frau Bundesministerin Dr. Maria Berger vertreten.

09.04.24Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich gebe bekannt, dass die Sitzung bis 13 Uhr vom ORF live übertragen wird.

Ich beginne jetzt – um 9.04 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

 


Frauen, Medien und öffentlicher Dienst

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur 1. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Riener an die Frau Bundesministerin für Frauen, Medien und öffent­lichen Dienst. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

13/M

„In welcher Form werden die seit 2004 von der früheren Bundesministerin Maria Rauch-Kallat initiierten, erfolgreichen Mentoring-Programme für Frauen von Ihnen weitergeführt?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich wünsche auch einen schönen guten Morgen. Ich halte sehr viel von Projekten, wo es darum geht, dass Frauen Frauen fördern. Diese sind ganz wichtig. Daher habe ich mit großer Freude das Pilotprojekt, das Bundesministerin Maria Rauch-Kallat initiiert hat, fortgesetzt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 22

Ein Pilotprojekt hat es an sich, dass man die Ergebnisse, die es daraus gibt, auch einfließen lässt. Wir wollen uns in Zukunft auch eine andere Schwerpunktsetzung geben. Wir wollen vor allem mit dem Projekt „Frauen fördern Frauen“ jene Frauen unterstützen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben. Das heißt, das wird der neue Schwerpunkt sein, Frauen zu unterstützen, die nach der Babypause wieder in den Beruf zurückkehren, Wiedereinsteigerinnen. Wir wollen junge Frauen bei der Berufsorientierung und der Berufswahl unterstützen, weil wir ja alle wissen, dass es ein Problem ist, wenn sich 70 Prozent der Mädchen, die eine Lehre machen, auf nur fünf Berufe konzentrieren. Diesen wollen wir zeigen, wie vielfältig die Berufswahl sein kann. Und wir wollen einen Schwerpunkt setzen bei Frauen mit Migrationshintergrund, die es auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls besonders schwer haben.

Wir haben diese Initiative, diese Weiterentwicklung bereits auf den Weg gebracht und haben am 1. Oktober eine große Veranstaltung mit weit über hundert Frauen durch­geführt, um dieses Projekt zu optimieren und fortzuführen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.

 


Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Vor Kurzem fand eine Podiumsdiskussion, veranstaltet vom Managerinnennetzwerk, in der TU Graz statt. Dabei haben Top­managerinnen berichtet, dass sie in ihrem Werdegang sehr stark die Männer gefördert haben. Meine Frage dazu: Haben Sie vor, in diesen Mentoring-Programmen verstärkt Männer als Mentoren einzusetzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich glaube, der Schwerpunkt liegt da bei „Frauen fördern Frauen“, aber ich habe so ein Mentoring-Projekt auch im Bundesdienst, und da habe ich auch die Männer eingeladen, Frauen in ihren Karrierechancen mit zu unterstützen, also zu begleiten. Das heißt, wir werden uns dieses Projekt im Bundesdienst, der ja Vorbildwirkung haben soll, genau ansehen.

Beim Mentoring-Projekt, das ich jetzt optimiert und fortgeführt habe, geht es um „Frauen unterstützen Frauen“. Das ist, wie ich meine, ein positiver Ansatz.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haubner, bitte.

 


Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Bundesministerin! Ich möchte eine etwas konkretere Antwort, und zwar: Welche Programme und Projekte für die Chancen­gleichheit von Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben Sie in den letzten sechs Monaten initiiert beziehungsweise ganz konkret auch unterstützt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Was die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt betrifft, ist das Hauptproblem, dass Frauen vor allem in jenen Berufen tätig sind, wo sie sehr geringe Einkommen haben. Daher war in den letzten sechs Monaten eine ganz wesentliche Maßnahme, in Österreich erstmals einen Mindestlohn von 1 000 € einzuführen, wodurch wir dafür sorgen, dass es gerade in Branchen, in denen viele Frauen tätig sind, mehr Fairness beim Einkommen gibt.

Wir haben, was die Frauen auf dem Arbeitsmarkt betrifft, ein weiteres Problem, näm­lich dass viele Frauen unfreiwillig, weil sie keine andere Möglichkeit haben, auf Teilzeitjobs zurückgreifen müssen. Vier von fünf Frauen sagen, sie arbeiten nicht freiwillig Teilzeit, sondern weil sie entweder keinen geeigneten Kindergartenplatz für ihre Kinder haben oder weil es auch keinen anderen Job gibt. Eine weitere Maßnahme


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 23

ist, dass, auch wenn man Teilzeit arbeitet, aber trotzdem Überstunden leisten muss, diese besser abgegolten werden sollen. Das heißt, Überstunde ist Überstunde, egal, ob ich einen Vollzeitdienstvertrag habe oder einen Teilzeitdienstvertrag, den 7 500 Frauen in Österreich haben. Und auch da soll es mehr an Einkommen für diese Frauen geben. Das heißt: Mehr Einkommensgerechtigkeit durch einen Mindestlohn, und Zu­schlag bei Überstunden auch bei Teilzeitarbeit.

Das Dritte, was mir ganz wesentlich ist, sind die jungen Frauen und die Frage der Chancen in der Lehrausbildung von Mädchen in technischen, zukunftsorientierten Berufen. Und ich bin sehr froh, dass die Sozialpartner einen Vorschlag gemacht haben, wonach wir die Lehrlingsförderung, die eine sehr positive Entwicklung eingeleitet hat und durch die zusätzliche Lehrplätze geschaffen wurden, jetzt auch mit Qualitäts­kriterien versehen, wobei wir sagen, ein Lehrplatz, der dazu führt, dass Mädchen Chancen in einem technischen und zukunftsorientierten Beruf bekommen, soll auch noch zusätzlich eine Qualitätsförderung erfahren.

Wir haben das im Regierungsübereinkommen vereinbart, wir haben das jetzt auf Schiene gestellt. Ich glaube, das sind drei ganz konkrete Maßnahmen, die für Frauen auf dem Arbeitsplatz, also im Job ganz wichtig sind.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zanger, bitte.

 


Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Bundesminister! In Ihrem Mentoring-Projekt „frauen.kompetenz.netz“ geht es im Gesamten um das Feld Frauen und Arbeit. Welche Lösungen bieten Sie allerdings jenen Frauen an, die Kinderwünsche hegen, auch selbst zu Hause die Betreuung übernehmen möchten, sich dies aber nicht leisten können und somit zum Nachteil der Gesellschaft auf ihren Kinderwunsch verzichten müssen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Mir ist ganz wichtig, dass wir Frauen und Familien unterstützen, damit sie sich, wenn sie den Wunsch nach Kindern haben, diesen auch erfüllen können. Ich weiß aus vielen Gesprächen, wir wissen es aber auch aus Untersuchungen, das Ja zum Kind erleich­tert sich dann für die Familien, wenn sie wissen, dass Beruf und Familie auch vereinbar sind. Daher werden wir mit 1. Jänner mit den Ländern gemeinsam eine Kindergarten­offensive starten, den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen forcieren, um ein breiteres und vielfältiges Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen für die Familien zu ermöglichen.

Ich glaube, dass es auch für jene Frauen, die sich ein Kind wünschen oder jetzt auch vorhaben, ein Kind zu bekommen, ganz wichtig war, dass wir das Kindergeld reformiert haben, dass der Staat nicht mehr vorschreibt, wie lange man zu Hause bleiben muss, was sehr unflexibel ist, und dass wir gesagt haben, die Familien sollen sich ent­scheiden, wie lange sie zu Hause bleiben wollen. Es gibt drei Varianten: Je kürzer man zu Hause ist, umso höher ist auch der Kindergeldbezug. Und die Familien entscheiden selbst, was für sie gut ist, was für ihre Kinder gut ist, auch was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft. Es ist somit eine positive Maßnahme, wie ich meine, den Familien die Möglichkeit zu geben, selbst zu entscheiden, wie lange man in der Babypause auch tatsächlich bleibt. Das sind meiner Meinung nach ganz wesentliche Maßnahmen.

Was mir auch wichtig war, ist, dass das Hohe Haus jetzt beschließen wird, dass es dort, wo es mehr Kinder gibt, zusätzlich noch Unterstützung geben soll, das heißt, wir werden beim Zuschuss für Mehrkinderfamilien noch zusätzlich Geld in die Hand


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 24

nehmen, um eben jenen Familien, die mehr Kinder und somit höhere Belastungen haben, auch finanziell einen Ausgleich zu geben. Wir werden daher eine Erhöhung bei der Mehrkinderstaffel vornehmen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Sie haben die Einkommensschere angesprochen, die es ja nicht nur bei den ganz schwachen Einkommen gibt, sondern querdurch, gerade auch in technischen Berufen, gerade auch bei relativ guten Jobs oder topausgebildeten Frauen, die um ein Drittel weniger verdienen als gleichwertig eingesetzte Männer. Da wird „Frauen fördern Frauen“ nicht reichen. Was tut die Regierung, was tun Sie, um die Einkommensschere quer durch alle Lebensbereiche von Frauen zu reduzieren und Frauen zu fördern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Die Bundesregierung hat vor einigen Tagen einen großen Innovationsgipfel durchgeführt, wo wir uns mit Innovationsstrategien für Österreich beschäftigt haben. Und ich glaube, dass es ein ganz wesentlicher neuer Schritt war, dass dort völlig außer Streit gestan­den ist, dass es notwendig ist, dass, wenn wir investieren, die Wirtschaft fördern, auch die Frage der Gleichstellung ein ganz zentrales Element ist, ebenso die Unterstützung von Frauen in Unternehmen hinsichtlich Einkommen und Karrierechancen. So wie die Wirtschaftsförderung in den achtziger und neunziger Jahren ökologisiert worden ist und es zusätzliche Mittel gegeben hat, wenn Betriebe in Umweltschutz investiert haben, bin ich der Auffassung, rechnet es sich auch für Unternehmen, jetzt zu investieren, Frauen die gleichen Chancen in einem Unternehmen zu geben und nicht auf die klugen Köpfe und das Potential der Frauen zu verzichten.

Daher habe ich auch bei diesem Innovationsgipfel der Bundesregierung klargestellt, dass es ganz wesentlich ist, dass wir im Rahmen der Wirtschaftsförderung auch das Element der Frauenförderung verankern. Es sollte damit sichergestellt sein, dass jene Unternehmen, die Frauenförderpläne haben, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen, die mehr Transparenz, was die Einkommensverteilung zwischen Män­nern und Frauen in ihren Unternehmen betrifft, an den Tag legen, auch mehr an Wirt­schaftsförderung bekommen. Also finanzielle Anreize, um Frauen in Unternehmen zu fördern. In Wirklichkeit rechnet es sich für die Unternehmen, auf die ganz vielen tollen, gut ausgebildeten und leistungsbereiten Frauen nicht zu verzichten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Ablinger, bitte.

 


Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Frau Bundesministerin, Sie haben jetzt kurz das Mentoring-Projekt angesprochen. Wie und mit welcher Schwerpunktsetzung werden Sie das Cross-Mentoring-Projekt im Bundesdienst weiterführen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich bin ja der Auffassung, dass der Bundesdienst eine große Vorbildwirkung für die Privat­wirtschaft haben muss, dass wir im Bundesdienst beweisen sollten, dass es in einem Unternehmen, was die Betriebskultur, was das Klima, was die Arbeitszufriedenheit betrifft, ganz wesentlich ist, wie die Fairness beiden Geschlechtern gegenüber ist. Daher ist für mich die Unterstützung von „Frauen fördern Frauen“ im Bundesdienst etwas ganz Wesentliches.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 25

Wir haben im Bundesdienst – und das habe ich in die Wege geleitet – nicht nur ein Projekt Frauenmentoring, sondern wir haben das als fixen Bestandteil der Personal­entwicklung vereinbart, das heißt, wir haben im gesamten Personalmanagement fix verankert, dass es Mentoring- und Unterstützungsprogramme geben muss, und wir haben vereinbart, dass wir das ressortübergreifend, also Cross Mentoring, im Bun­des­dienst machen, wo weibliche Führungskräfte junge Kolleginnen und Kollegen be­gleiten, unterstützen und auch fördern. Wir haben den Startschuss im November dieses Jahres dazu gegeben. Nächstes Jahr werden wir Bilanz legen, wie sich das entwickelt hat. Aber, wie gesagt, ich glaube, dass es ganz wesentlich ist, dass der Bundesdienst Vorbild hinsichtlich Frauenförderung ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 19/M der Frau Abgeordneten Mag. Weinzinger. – Bitte, Frau Abgeordnete, um Ihre Frage.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Ministerin, meine Frage lautet:

19/M

„Welche konkreten Maßnahmen haben Sie als für den öffentlichen Dienst zuständige Ministerin geplant, damit im Bundesdienst mehr Frauen in Führungspositionen (z.B. Sektionsleitungen) kommen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich habe im Zusammenhang mit „Frauen fördern Frauen“ im Bundesdienst schon darauf hingewiesen, dass es mir wirklich ein ganz großes Anliegen ist, dafür zu sorgen, dass wir im Bundesdienst die gläserne Decke durchstoßen. Es stimmt, die Entwicklung geht dahin, dass wir sehr viele Frauen beschäftigt haben, wobei der Anteil der Frauen in höheren Positionen auch im Bundesdienst dem hinten nachhinkt. Und auch da gilt, dass der Bundesdienst Vorbildfunktion für die Privatwirtschaft haben muss.

Ich habe bereits ganz konkrete Schritte gesetzt, die im Hohen Haus auch schon beschlossen wurden. Das eine war eine Änderung des Ausschreibungsgesetzes, wo mir ganz wesentlich war, dass wir mehr Transparenz bei der Ausschreibung erreichen, dass wir die Kriterien, die Gewichtung, welche Fähigkeiten und welche Kompetenzen notwendig sind, um eine Führungsfunktion im öffentlichen Dienst zu bekommen, gleich vorweg transparent und öffentlich machen, damit es nicht im Nachhinein womöglich zu einer Verschiebung der Bewertung der notwendigen Kompetenzen kommen kann.

Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Im Bereich der Exekutive hat es zwei Anfor­derun­gen gegeben. Das eine war ein Wissenstest, der zu erfüllen war, und das Zweite war körperliche Eignung für diese Funktion. Es ging aber nicht um eine Führungsfunktion in einer Sondereinheit der Exekutive, sondern um eine Führungsfunktion im Verwaltungs­bereich. Im Nachhinein war plötzlich die körperliche Eignung viel wesentlicher als die Beantwortung der Wissensfragen. Das muss der Vergangenheit angehören, denn da ist es dann plötzlich so gewesen, dass Frauen nicht mehr zum Zug gekommen sind.

Als ich von dem Beispiel erfahren habe, habe ich gesagt, es muss Transparenz bei der Bewertung auch der Aufgaben geben. – Das war das eine. Und es wird auch im Internet veröffentlicht, welche Kompetenzen mit welcher Bewertung einzubringen sind. Das Zweite ist, dass wir ja auch eine Bewertungskommission haben, die die berühmten Dreiervorschläge legt, wer mit welcher Reihung sich für eine Funktion als geeignet erweist. Da haben wir oft das Problem, dass sich wenig Frauen wiederfinden. Die Bewertungskommissionen waren in der Vergangenheit großteils männlich besetzt. Ich als zuständige Ministerin kann zwei Vertreter, Vertreterinnen nominieren. Wir haben


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eine gesetzliche Änderung dahin gehend vorgenommen, dass das paritätisch zu beset­zen ist. Also ab Jänner müssen in der Bewertungskommission ein Mann und eine Frau sein. Davon erhoffe ich mir, dass sich die Chance von Frauen, in den Vorschlag für Führungspositionen im Bundesdienst aufgenommen zu werden, dadurch auch tatsächlich erhöht.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Weinzinger, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Ministerin! Dass Ausschrei­bungs­kriterien nicht nur im Nachhinein, sondern schon im Vorhinein verzerrt werden können, wissen wir hinlänglich, darum gibt es ja in vielen Bereichen – auch inter­national – stattdessen verbindliche Frauenquoten.

Können Sie uns sagen, wie viele Sektionschefs und wie viele Sektionschefinnen es heute im Staatsdienst gibt und welchen Frauenanteil, welche Quote Sie in den nächsten zwei Jahren erreichen wollen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Erfreulicherweise haben wir in Österreich ja das Gleichbehandlungsgesetz des Bun­des, das die Bevorzugung von Frauen bis zur Erreichung einer bestimmten Quote vorsieht. Das heißt, die gesetzliche Basis für eine Quotenregelung haben wir im Gleichbehandlungsgesetz des Bundes. Wir müssen es nur mit Leben erfüllen, aber es mangelt nicht an den gesetzlichen Voraussetzungen.

Was die konkrete Zahl der Sektionschefs und -chefinnen im Bundesdienst betrifft, kann ich Ihnen die erfreuliche Nachricht überbringen, dass es uns gelungen ist, von Ende 2006 bis heute den Anteil der Frauen an den SektionsleiterInnen von 10,6 Pro­zent auf 16 Prozent zu erhöhen. (Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Zahlen!) Ende 2006 haben wir sieben Sektionsleiterinnen gehabt. Ich glaube, mit dem heutigen Tag haben wir, nachdem Justizministerin Berger heute wieder eine Frau als Sektionschefin nominieren wird, von sieben auf elf Frauen als Sektionschefinnen aufgestockt. Das ist ein guter Weg, und diesen werden wir rasch weitergehen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Hlavac, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Welche weiteren Maßnahmen gibt es im Bundesdienst oder planen Sie, dass Frauen bei der Weiter- und Ausbildung unterstützt werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ein wesentlicher Bestandteil, Frauen in ihren Karrierechancen zu fördern, ist natürlich, ihnen die Möglichkeit zu Qualifizierungsmaßnahmen zu geben. Daher sind Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen wirklich ganz wesentlich.

Wir haben im Bundesdienst einen Managementlehrgang mit dem Thema „Frauen im Management“, in dessen Rahmen wir vor allem Frauen mehr Chancen geben wollen, im Zuge von Ausschreibungen in ihren Karrierechancen gefördert zu werden.

Wir veranstalten Trainings, Interviewtrainings, Führungskräftetrainings an der Verwal­tungsakademie des Bundes speziell für Frauen.

Wir haben vor allem auch – das ist mir sehr wichtig – Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen, die nach Karenzzeiten, nach der Babypause in den Bundesdienst zurück­kehren, ein eigenes Programm zur Qualifizierung der Wiedereinsteigerinnen. Und wir


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bieten jenen Frauen, die in der Babypause sind, an, in dieser Zeit mit e-Learning-Programmen sozusagen den Kontakt zum Unternehmen Republik Österreich zu halten und sich über Internetkurse der Verwaltungsakademie auf dem Laufenden zu halten.

Wie gesagt, ich meine, das ist ein ganz wesentlicher Bereich, durch den wir Frauen die Basis dafür geben, die gleichen Karrierechancen im öffentlichen Dienst zu haben wie die Männer.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, bitte.

 


Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Frau Bundesministerin, Sie haben vorhin gesagt, dass der Bundesdienst besondere Vorbildwirkung hat. Dieser Meinung bin ich auch.

Vor etwa sechs Monaten hat Ihre Amtskollegin Justizministerin Berger bei der Beset­zung der Justizanstalt in Eisenstadt einen schlechter qualifizierten Mann einer ein­deutig besser qualifizierten Frau vorgezogen. Sie haben dabei nichts getan! (Abg. Binder-Maier: Frage!)

Meine Frage ist: Werden Sie sich in Zukunft in ähnlich gelagerten Fällen ebenso passiv verhalten, oder was werden Sie in Zukunft tun?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Ich habe gerade erwähnt – ich glaube, das wäre auch eine Unterstützung wert –, dass es Frau Bundesministerin Berger jetzt gelungen ist, im Justizbereich erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik eine Frau als Sektionschefin zu nominieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde meinen, damit ist klar zum Ausdruck gekommen, dass die Förderung von Frauen in Spitzenfunktionen des Bundes in der neuen Bundesregierung Aufgabe von allen ist. Meine Aufgabe als Frauenministerin ist es nicht, in einzelnen Fällen die Beurteilung vorzunehmen – das müssen die Regierungskolleginnen und -kollegen der einzelnen Ressorts verantworten –, aber was ich machen möchte, ist, Mechanismen zu schaffen, durch die Frauendiskriminierung ausgeschlossen ist und Frauenförderung im Mittelpunkt steht.

Mit allen dienstrechtlichen Maßnahmen, die mir als Frauen- und Beamtenministerin zur Verfügung stehen, werde ich dafür sorgen, dass wir die gläserne Decke für Frauen im öffentlichen Dienst durchbrechen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Die Frau Bundesministerin dürfte ihren Koalitionspartner nicht ausreichend von der Objektivität ihrer Maßnahmen überzeugt haben.

Frauen in Führungspositionen, das erfordert auch entsprechende Möglichkeiten, Rah­menbedingungen, wie zum Beispiel Kinderbetreuungsplätze. Sie waren es ja auch, Frau Ministerin, die immer wieder mehr Kinderbetreuungsplätze für Frauen gefordert haben, um ihnen ein Berufsleben, vor allem auch Führungspositionen zu ermöglichen.

Meine Frage: Wenn das so ist, warum ist dann eine vorgesehene Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zum Ausbau der Kinderbetreuungsplätze noch immer nicht abgeschlossen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 28

Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Die österreichische Bundesregierung hat vergangene Woche diese Artikel-15a-Vereinba­rung im Ministerrat beschlossen. Das ist eine Art Staatsvertrag, den der Bund mit den Ländern abschließt, in dem wir uns gemeinsam dazu verpflichten, endlich dafür zu sorgen, dass es ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen auch in Österreich gibt. Jetzt ist dieser Vertrag auch von den Landtagen aller neun Bun­desländer zu unterzeichnen.

Sie wissen, ich habe mit den Ländern viele Gespräche geführt, und ich habe überall die Botschaft mitbekommen, dass das auch für die Länder wichtig ist und dass sie uns jetzt dabei unterstützen, die Betreuungseinrichtungen, die Kindergärten in Österreich auszubauen, vor allem für die kleinsten Kinder, für die wir leider noch immer nur sehr wenige Plätze zur Verfügung haben.

Eine Ergänzung noch zur Vorbildwirkung des Bundesdienstes, weil wir schon so oft davon gesprochen haben: Das Bundeskanzleramt hat einen eigenen Betriebs­kindergarten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Weinzinger, bitte.

 


Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Frau Bundesminister! Wie hoch ist der finan­zielle Aufwand für die verschiedenen Gender-Mainstreaming-Maßnahmen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Da könnte man eigentlich sagen, das Volumen müsste das halbe Budget sein, denn Gender-Mainstreaming soll sich ja durch alles durchziehen. Das ist nicht ein Budgetposten, sondern es geht bei Gender-Mainstreaming darum, dass man das Budget, die Gesetze durchleuchtet, wie sie sich auf die Männer und wie auf die Frauen auswirken.

Grundsätzlich würde ich, wenn Sie mich so fragen, sagen, den Frauen gebührt die Hälfte des Budgets, weil sie auch die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sind mehr als die Hälfte!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur Anfrage 21/M des Herrn Abgeordneten Vilimsky. – Herr Abgeordneter, die Frage, bitte.

 


Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Guten Morgen! Frau Bundesministerin, Sie sind ja auch zuständig für den Bereich Medien, und in diesem Zusammenhang meine Frage:

21/M

„Aktuellen Medienberichten ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung an eine Umwandlung der ORF-Gebühren in eine allgemeine ,Mediengebühr‘ denkt, wonach künftig auch Privatsender wie ATV und Privatradios ihre Beiträge daraus erhalten sollen. Wann soll dies konkret verwirklicht sein, und wie sieht die Regelung im Detail aus?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Herr Abgeordneter, gleich vorweg: Es ist nicht geplant, eine Umwandlung der ORF-Gebüh­ren vorzunehmen. Was allerdings schon geplant ist, ist, eine neue Medien­förderung einzuführen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 29

Wir haben im Regierungsübereinkommen auch klar festgehalten, dass es uns wichtig erscheint, aufgrund der technologischen Entwicklung und aufgrund der Notwendigkeit, Meinungsvielfalt zu fördern, und dass es wichtig wäre, ein neues Instrument der Medien­förderung zu haben. Finanziert soll es aus dem Budget werden. Daher bin ich auch in engen Verhandlungen mit dem Finanzminister.

Das heißt: eine neue Förderung, die über vorhandene Gebühren finanziert wird, die aber in Wirklichkeit keine zusätzliche Gebühr auslösen sollte.

Die neue Medienförderung ist, wie gesagt, vor allem deshalb wichtig, damit wir mehr an Meinungsvielfalt fördern können, damit wir den österreichischen Film stärker fördern können, was mir auch sehr wichtig ist, Produktionen, die einen Österreichbezug haben, und diese Förderung soll vor allem dem privaten Radio und dem privaten Fernsehen zugute kommen.

Also eine neue Förderung, die für mehr Pluralität und mehr Vielfalt in der Medien­landschaft sorgen soll.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Vilimsky, bitte.

 


Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Meine Zusatzfrage betrifft auch den Bereich der ORF-Gebühren, die jetzt erhöht werden sollen. Unter dem Titel ORF-Gebühren findet ja ein Etikettenschwindel statt, weil die rund 20 €, die von Bundesland zu Bundesland ein bisschen variieren, zu einem Drittel in die Landesbudgets fließen.

Meine Frage daher: Inwieweit denken Sie aus medienpolitischer Sicht daran, diese Einnahmen quasi in die Einnahmenhoheit der Länder zu überantworten und, was die ORF-Gebühren anlangt, nur zwei Drittel der unter dem Titel ORF-Gebühren einge­hobenen Summe tatsächlich auch von den Gebührenzahlern einzuheben?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie haben recht. Der Begriff „ORF-Gebühren“ inkludiert mehrere Förder- oder Abgabenposten. Es ist so, dass einen Teil – so in der Wahrnehmung – die tatsächliche ORF-Gebühr darstellt – das ist das berühmte Programmentgelt des ORF. Der zweite Teil ist die Rundfunkgebühr, aus der auch die neue Medienförderung finanziert werden soll. Und dann gibt es noch die Länderabgaben.

Wir haben seit dem Jahr 1947 ein Finanz-Verfassungsgesetz, das den Ländern Auto­nomie hinsichtlich der Abgabenregelung gibt. Das bedeutet in Wirklichkeit, dass, wenn die Forderung erhoben wird, dass die Länder da keinen Anteil haben sollen, aufgrund des Finanz-Verfassungsgesetzes, das seit 1947 in Österreich Gültigkeit hat, diese Forderung an die Länder gerichtet werden müsste und nicht an mich als zuständige Bundesministerin.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte.

 


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Die prekäre Situation in budgetärer Hinsicht beim ORF ist, glaube ich, allen bekannt. Die Diskussion um die Gebührenerhöhung ist momentan auf der Tagesordnung.

Daher meine Frage: Welches Konzept verfolgen Sie als zuständiges Regierungs­mitglied, um dieser Situation zu begegnen, weil laufende Gebührenerhöhungen auf wenig Freude stoßen werden, gleichzeitig aber die rechtlichen Rahmenbedingungen in vielen Bereichen für den ORF ein Korsett darstellen, wodurch es offenbar für das Unternehmen schwierig ist, zusätzliche Einnahmen zu erzielen? Sind Sie also der


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Meinung, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Werbebeschränkungen bei­spiels­weise, verändert werden sollten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Die Diskussionen der letzten Tage haben ja gezeigt, dass sich beim Österreichischen Rundfunk die Frage der wirtschaftlichen Führung dieses Unternehmens stellt. Ich glaube, es ist wichtig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es Mitte der siebziger Jahre eine richtige Entscheidung war, die Unabhängigkeit des Rundfunks – nicht nur, was die Programmgestaltung betrifft, sondern auch, was die Finanzierung des Unternehmens ORF betrifft – sicherzustellen.

Einigen wird vielleicht noch in Erinnerung sein: Es hat das große Rundfunk-Volks­begehren mit über 800 000 Unterschriften gegeben, das ja Grundlage für die Unab­hängigkeit des ORF war. Ich glaube, es war damals richtig, dafür zu sorgen, dass nicht so wie vorher das Parlament die Gebühren beschließt und Einfluss auf das Programm nimmt, sondern dass der ORF unabhängig ist. Das war damals richtig und ist es meiner Ansicht nach auch heute.

Wir müssen auch die Vorgaben an einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehen, wo es darum geht, dass er die Funktion hat, dafür zu sorgen, dass auch österreichisches Programm angeboten wird, dass wir nicht von einem deutschen Einheitsfernsehen überschwemmt werden, sondern dass auch in die Bereiche österreichischer Sport, österreichische Kultur, österreichischer Film investiert wird. Ich meine, das ist der politische Auftrag, der auch finanziert werden muss, weshalb es auch um die Dis­kussion geht, wie der ORF als Unternehmen auch wirtschaftlich arbeiten kann.

Ich glaube, die Regelungen und Beschränkungen bei der Werbung sind diskussions­würdig, aber nicht, was die Zeiten und eine Ausweitung betrifft – es ist gut, dass bei uns Filme nicht durch Werbung unterbrochen werden; die Fernseherinnen und Fern­seher lieben es nicht sehr, ich auch nicht, beim Fernsehen alle 15 Minuten einen Werbeblock vorgesetzt zu bekommen –, sondern Einschränkungen im Zusammenhang mit Printmedien und Werbung im Fernsehen, dass das zu überdenken und einer Veränderung zu unterziehen wäre.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Grossmann, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Bundesministerin! Wie stehen Sie zur Einhebung von Gebühren für mobile Endgeräte – Stichwort „Handy-TV“?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Frau Abgeordnete! Grundsätzlich fällt die gesamte Frage der Rundfunkgebühren, das möchte ich jetzt einmal vorausschicken, in den Zuständigkeitsbereich des Finanz­minis­ters. Daher kann ich nur eingeschränkt antworten, weil das nicht direkt in meinem politischen Einflussbereich liegt.

Wie Sie wissen, haben wir vor geraumer Zeit die Radiogebühr für Autoradios abge­schafft – ich denke, das ist richtig so. Heute gibt es in fast jedem Haushalt in Österreich einen Fernseher, weshalb auch Fernsehgebühren bezahlt werden. Ich halte das für ausreichend und bin daher erstens dagegen, für Autoradios womöglich wieder eine Gebühr einzuheben, und zweitens auch der Auffassung, dass für mobiles Fernsehen, ob das das Internet ist oder das Handy-TV sein wird, keine Rundfunkgebühren eingehoben werden sollen. Also ein klares Nein zu zusätzlichen Rundfunkgebühren für mobile Endgeräte.

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Amon, bitte.

 


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Bundesministerin! Herr Bundeskanz­ler Gusenbauer hat noch im Sommer dieses Jahres gesagt, dass er keinen Anlass für eine Gebührenerhöhung sehe. Er halte es für nicht gescheit, in einer Reformphase eine solche Diskussion zu führen, man müsse schauen, dass das Produkt stimme.

Sind Sie als zuständige Ressortministerin angesichts der derzeitigen intensiven De­batte um eine Gebührenerhöhung der Meinung des Herrn Bundeskanzlers?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Was mir ganz wichtig ist, ist, dass es von mir ein ganz klares Bekenntnis zu einem öffent­lichen Rundfunk gibt. Das ist mir deshalb so wichtig, weil es für ein kleines Land wie Österreich mit einem großen Nachbarn, nämlich Deutschland, zu dem es keine Sprachbarrieren gibt, ganz besonders wichtig ist, auch einen Rundfunk zu haben, der auf die österreichische Identität eingeht. Daher haben wir alles dafür zu tun, dass dieses Unternehmen wirtschaftlich geführt werden kann und wird.

Ein Beispiel: die Diskussionen im Zusammenhang mit der Auslosung für die EURO 2008, wie die Deutschen die Zusammensetzung der Gruppe kommentiert haben – da bin ich froh, dass wir in Österreich eine eigene Sportberichterstattung haben, eine österreichische, und dass nicht alles überschwappt. – Für Fernsehserien gilt das im Übrigen auch.

Wenn wir das wollen, wenn wir eigene Kultur-, Nachrichten-, Sportsendungen haben wollen – ich glaube, das ist wichtig, auch demokratiepolitisch wichtig – und nicht sozu­sagen deutsches Einheitsfernsehen alles bestimmen soll, dann müssen wir auch die finanzielle Situation im Auge haben. Sie wissen, dass nicht, wie gesagt, das Parlament die Gebühren erhöht, sondern dass der ORF Allgemeingut ist (Abg. Dr. Schüssel: Sind Sie jetzt dafür oder nicht?), weil er auch von der Allgemeinheit finanziert wird. Aber was die Frage der Gebührenerhöhung betrifft, halte ich es so, wie man es bei der letzten im Jahr 2004 gemacht hat, als Dr. Schüssel noch Bundeskanzler war und man davon gesprochen hat, dass man, wenn man 2004 die Erhöhung nicht vornimmt, ein eigenes österreichisches Fernsehen gefährdet. Das, was für 2004 gegolten hat, gilt für mich auch für 2008. (Abg. Dr. Schüssel: Gusenbauer gilt nicht mehr?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Klubobmann Westenthaler, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Medienministerin, ich darf Sie und meine Vorfragesteller auf den aktuellen Stand bringen: Vor wenigen Minuten hat die ORF-Geschäftsführung mittels Presseaussendung veröffentlicht, dass sie eine Gebührenerhöhung beantragen wird. Das heißt, wir diskutieren nicht über eine fiktive Gebührenerhöhung, sondern sie liegt seit jetzt auf dem Tisch.

Daher machen wir es ganz einfach: Frau Ministerin, Sie sind Medienministerin, und daher stelle ich Ihnen eine sehr einfache Frage: Sind Sie für oder gegen eine Gebüh­renerhöhung in einer Zeit, in der es eine hohe Teuerung gibt und viele, viele einkom­mensschwache Frauen betroffen sind? Für oder gegen eine Gebührenerhöhung? – Wir sind jedenfalls dagegen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich bin für einen starken Österreichischen Rundfunk. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist nicht die Frage!) Ich bin für eine starke eigenständige, österreichische kulturelle Identität,


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Sportberichterstattung, Nachrichtenberichterstattung (Abg. Ing. Westenthaler: Sind Sie für die Gebührenerhöhung, ja oder nein? Eine ganz einfache Frage!) und dage­gen, dass man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziell aushungert (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe eine Frage gestellt!), weil das dazu führt, dass es in Zukunft dieses eigenständige österreichische Fernsehen nicht mehr gibt, und das will ich nicht. (Abg. Ing. Westenthaler: Das heißt, Sie sind für die Gebührenerhöhung!)

Daher ist es ganz einfach: Die Frage der Finanzierung dieses Unternehmens obliegt nicht der Medienministerin, aber meine persönliche Meinung, die Sie auch in Presse­aussendungen nachlesen können, ist, dass es – wie bei vielen anderen Gebühren auch – nicht gut ist, wenn es große Sprünge bei Gebührenerhöhungen gibt. (Abg. Ing. Westenthaler: 10 Prozent Erhöhung!) Ich war immer der Auffassung, dass wir die ORF-Gebühren der Inflationsrate anpassen sollten. Das wäre eine faire Rege­lung – anstatt wie im Jahr 2004, als die Gebühren um 8 Prozent erhöht wurden, wieder hohe Sprünge zu machen, um das österreichische Fernsehen finanziell abzusichern.

Ich bin also dafür, ORF-Gebühren jährlich der Inflationsrate anzupassen. Ich glaube, dann trifft das die kleinen Einkommensbezieher nicht in diesem Ausmaß, wobei gleichzeitig sichergestellt wäre, dass wir in Österreich einen starken ORF haben und kein deutsches Einheitsfernsehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Also dafür?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 23/M des Herrn Abge­ordneten Pendl. – Bitte.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Erfreu­licher­weise hat die Bundesregierung auch auf die Ausbildung von jungen Menschen ein großes Augenmerk gelegt, nicht nur der schulischen, sondern auch 

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, die Frage, bitte!

 


Abgeordneter Otto Pendl (fortsetzend): Daher die konkrete Frage:

23/M

„Wie ist der aktuelle Stand im Zusammenhang mit Aufnahmen von Lehrlingen in den Bundesdienst?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass uns die Frage der Ausbildung der jungen Menschen, die Frage der Chancen auf eine Beschäftigung und Qualifizierung ganz besonders wichtig sind. Daher haben wir es auch in der Bundesregierung als gemein­sames Ziel vereinbart, die Anzahl jener jungen Menschen, die im öffentlichen Dienst eine Lehre absolvieren, um 5 Prozent zu erhöhen. Ich werde heute im Ministerrat den Bericht darüber vorlegen, ob wir unser Ziel erreicht haben und die Anzahl der Lehrlinge mit dem heurigen Herbst tatsächlich um 5 Prozent steigern konnten.

Es ist ein sehr erfolgreicher und erfreulicher Bericht, den ich da vorlegen kann. Wir beschäftigten im Oktober 2007 im öffentlichen Dienst 1084 Lehrlinge in 50 Lehr­berufen. Es wurde ein Schwerpunkt darauf gelegt, dass mehr junge Frauen technische Berufe erlernen und beispielsweise Kfz-Mechanikerinnen, Tischlerinnen oder Tapezie­rerinnen werden.

Wie gesagt, wir haben im Bundesdienst über 1 000 Lehrlinge in 50 Lehrberufen. Nur durch die Unterstützung aller Ressorts in der Bundesregierung ist es uns gelungen, Lehrlingen diese vielen Ausbildungsmöglichkeiten im Bundesdienst zur Verfügung zu


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stellen. Die 5 Prozent sind nicht nur erreicht, sondern wir haben im Jahr 2007 um 16 Prozent mehr Lehrlinge im öffentlichen Dienst als noch im Jahr davor. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Pendl.

 


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Bundesministerin, gibt es im Rahmen der Lehrausbildung auch zusätzliche Ausbildungsangebote?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Wir haben eine Reihe von zusätzlichen Ausbildungsmöglichkeiten, die während der Lehre absolviert werden können. Ich bin dafür, dass wir Initiativen zur Berufsmatura starten, weil ich es für wichtig halte, jungen Menschen, die eine Lehre absolvieren, den Weg zur Matura zu erleichtern. Im Bundesdienst tue ich dies in dem Ausmaß, wie es derzeit gesetzlich möglich ist.

Wir bieten den Lehrlingen im Bundesdienst an, bereits während ihrer Lehre eine der ersten Hauptprüfungen für einen Maturaabschluss abzulegen, nämlich die in der Fremdsprache Englisch. Diese jungen Menschen haben schon während der Lehraus­bildung sozusagen einen Teil der Matura abgelegt. Im September sind zu dieser Prüfung zwölf Lehrlinge angetreten, und alle zwölf haben sie auch geschafft. Ich glaube, daran sieht man, wie wichtig es wäre, diese Berufsmatura für Lehrlinge allen Lehrlingen zugänglich zu machen – auch jenen, die in der Privatwirtschaft tätig sind.

Zusätzlich haben wir noch zwei Elemente. Einerseits kann parallel zur Lehre der Europäische Computerführerschein erworben werden – etwas, das im Verwaltungs­bereich heute überall erforderlich ist –, andererseits bieten wir auf der Verwaltungs­akademie Kommunikationstrainings an – weil auch die soziale Kompetenz im Berufs­leben immer wichtiger wird. Ich glaube, es ist bei einer guten Lehrausbildung wichtig, jenen, die es wollen, Zusatzkurse anzubieten. Im Bundesdienst wird das von den jungen Menschen in ganz großem Ausmaß in Anspruch genommen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Brinek, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Bundesministerin, Sie haben gerade von den erfolgreichen Lehrlingszahlen gesprochen. Daher meine Frage: Wie schaut das Geschlechterverhältnis aus? Gibt es gleich viele Buben und Mädchen bezie­hungsweise Männer und Frauen? Was noch wichtiger wäre: Haben diese Lehrlinge auch eine Chance, in Zukunft im Bundesdienst einen Beruf auszuüben? Das heißt: Werden sie auch behalten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Zum ersten Punkt: Ich halte das Thema Geschlechterverteilung für ganz wesentlich. In der Vergangenheit wurden da gar nicht zwei Statistiken geführt, aber seit heuer können wir das tun. Wir haben derzeit in der Lehrausbildung 60 Prozent Mädchen und 40 Prozent Burschen, das heißt, wir haben eine – würde ich sagen – gute Quote, wir haben eine 40-Prozent-Quote für die Burschen in der Lehrlingsausbildung eingehalten. Es sind aber mehr Mädchen unter den Lehrlingen im öffentlichen Dienst.

Der zweite Punkt, der mir auch sehr wichtig ist, betrifft die zukünftigen Berufschancen von jungen Menschen, die eine Lehre im Bundesdienst absolvieren. Wir haben gesagt, dass wir mehr jungen Menschen die Chance auf eine Ausbildung geben wollen, wobei wir die Lehrlinge aber natürlich in Berufen ausbilden wollen, von denen wir wissen,


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dass es da im Bundesdienst noch entsprechenden Bedarf gibt und die Chance besteht, dass sie im Bundesdienst angestellt werden.

Daher bestehen gute Chancen, dass wir zwei Drittel dieser Lehrlinge im Bundesdienst weiter beschäftigen können. Für das andere Drittel, also für Menschen, die im Bun­desdienst selbst keine Weiterbeschäftigung finden werden, haben wir auch Pro­gram­me, in deren Rahmen wir vom Bundesdienst mit der Privatwirtschaft einen Lehrlings­austausch vornehmen. Dadurch ermöglichen wir jungen Menschen, die im Bund hervorragend ausgebildet werden und in der Privatwirtschaft in vielen Bereichen sehr gefragt sind, sozusagen das Schnuppern in der Privatwirtschaft.

Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass junge Menschen, die eine hoch qualifizierte Lehrausbildung im öffentlichen Dienst absolviert haben, großteils im öffentlichen Dienst beschäftigt werden und die anderen in der Privatwirtschaft sehr gefragt sein werden.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bucher, bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Bundesministerin, die Lehrlinge und somit Facharbeiter von morgen müssen uns am Herzen liegen. Wann werden der Bundes­regierung die Lehrlinge gleich viel wert sein wie beispielsweise die Schüler? (Demonstrativer Beifall des Abg. Hörl.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich habe jetzt davon gesprochen, welche zusätzlichen Ausbildungs- und Qualifizierungs­möglichkeiten für Lehrlinge wir im öffentlichen Dienst noch zusätzlich anbieten.

Ich glaube, was im Rahmen einer gesetzlichen Lehrlingsausbildung – die mir sehr wesentlich ist – möglich ist, ist, dass der Bund den jungen Menschen gegenüber hohe Verantwortung übernimmt. Er gibt ihnen alle Chancen, auch auf Weiterbildung bis zur Matura, um nochmals auf den Vergleich mit den Schülern zurückzukommen.

Aber wenn Sie noch einmal, sozusagen insgesamt, die Frage der Lehrlingsausbildung im Bund aufwerfen, dann möchte ich Folgendes erwähnen: Es ist mir sehr wichtig, dass wir nicht nur den lernstarken Jugendlichen zusätzliche Qualifikationen bieten, sondern auch soziale Verantwortung übernehmen, indem wir eine integrative Lehr­lings­ausbildung anbieten, bei der junge Menschen, die Lernschwächen oder Defizite haben, beim Bundesdienst auch die Chance auf einen Lehrplatz erhalten. Es ist wichtig, den jungen Menschen, die aufgrund von Lernschwächen die Lehre nicht nach drei, sondern erst nach vier oder fünf Jahren abschließen können, diese Möglichkeit zu geben.

Das heißt, es gilt einerseits, die Lernstarken so gut es geht mit zusätzlichen Qualifizie­rungsmaßnahmen zu fördern, andererseits aber die soziale Verantwortung auch denjenigen Jugendlichen gegenüber zu übernehmen, die es besonders schwer haben, und daher diesen Menschen im öffentlichen Dienst spezielle Programme anzubieten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mayerhofer, bitte.

 


Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister, warum werden im Jahr der EURO 2008 bei der Sicherheitsexekutive – sprich: Polizei – anstelle zusätzlichen Personals 398 Planstellen eingespart? (Abg. Brosz: Hat das etwas mit Lehrlingen zu tun?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



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Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Der österreichische Nationalrat hat im Zuge des Doppelbudgets 2007/2008 auch den Stellen­plan beschlossen. Die Bundesregierung und mit Beschlussfassung auch der österreichische Nationalrat haben festgehalten, dass wir eine gute, leistungsfähige öffentliche Verwaltung brauchen, die den Dienst an Herrn und Frau Österreicher zu leisten hat.

Dabei wurde aber auch festgehalten, dass die öffentliche Verwaltung sehr effizient und sparsam ausgerichtet sein muss. Daher haben wir im öffentlichen Dienst im Stellenplan vereinbart, dass jede zweite Pensionierung nicht nachbesetzt werden soll. Was nicht stimmt, Herr Abgeordneter, ist, dass das mit der Gießkanne erfolgen soll. Das wäre völlig falsch.

Einsparungen im öffentlichen Dienst sollen nicht dort erfolgen, wo Mitarbeiter unbe­dingt gebraucht werden. Bei der Euro 2008 ist die Exekutive einerseits gefordert aufgrund dieses Ereignisses, andererseits aufgrund des Schließens der Schengen-Grenze während des Ereignisses.

Wir können aber auch nicht im Bildungsbereich sparen, weil wir gesagt haben, dass wir mehr in diesen Bereich investieren wollen. Wir brauchen nicht weniger Lehrer, sondern kleinere Klassen und daher mehr Lehrer. – Das heißt, für diese zwei Bereiche gilt das nicht, aber grundsätzlich hat der Nationalrat zu Recht beschlossen, dass im Bereich des Personalstandes im öffentlichen Dienst nicht alle durch Pensionierung frei gewordenen Planstellen nachzubesetzen sind, sondern an sich nur jede zweite.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Mag. Schatz. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Frau Ministerin, es gibt eine Reihe von Jugendlichen, die aufgrund von Schwierigkeiten in der vorschulischen beziehungs­wiese schulischen Ausbildung mit Defiziten in eine Lehre einsteigen. Mich würde inter­essieren, ob Sie diesbezüglich Programme haben, die es besonders Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen ermöglichen, die Lehre auch wirklich abzu­schließen? Sind diese Programme so gestaltet, dass auch die Eltern einbezogen werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich habe vorhin erwähnt, dass wir diese integrative Lehrlingsausbildung anbieten, die in enger Zusammenarbeit mit dem Sozialminister stattfindet. Da geht es genau um diese Frage, dass nämlich auch junge Menschen aus sozial schwierigen Familien, insbeson­dere aber junge Menschen, die aufgrund von Lerndefiziten oft keinen Hauptschulab­schluss haben, die Chance bekommen sollen, eine Lehre abzuschließen.

Diesen jungen Menschen, die es aufgrund ihrer Lerndefizite nicht rechtzeitig schaffen, die Lehre abzuschließen, bieten wir im öffentlichen Dienst an, die Lehre in vier bis maximal fünf Jahren zu absolvieren. Das Bundesministerium für Soziales, das Bundes­kanzleramt und das Justizministerium haben auch solchen jungen Menschen, die es besonders schwer im Leben haben, die Chance gegeben, zu einer guten und qualifizierten Ausbildung zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur Anfrage 25/M des Herrn Abgeordneten Morak. – Bitte.

 


Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Frau Bundesministerin, meine Frage:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 36

25/M

„Welche Schlüsse leiten Sie aus dem Verfahren der EU-Kommission gegen die Republik Deutschland im Zusammenhang mit der Finanzierung des öffentlich-recht­lichen Rundfunks für die Situation des ORF ab?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Herr Abgeordneter Morak, die Situation in Deutschland mit ARD und ZDF ist mit der österreichischen Situation nicht direkt vergleichbar – vor allem deshalb nicht, weil ARD und ZDF ganz andere rechtliche Rahmenbedingungen haben, als wir, wie Sie wissen, im ORF-Gesetz haben. Das Verfahren der EU-Kommission gegen Deutschland, das ja im Frühjahr 2007 mit einem Kompromiss beendet wurde, hat vor allem zwei Probleme aufgeworfen.

Erstens: ARD und ZDF brauchen mehr Transparenz, was die Finanzgebarung betrifft. Die Abrechnungen und Finanzierungen über Beihilfen und Gebühren müssen einer Regelung zugeführt werden, um bei den Finanzströmen mehr Transparenz zu schaffen. Das Zweite, das die EU-Kommission in Deutschland beanstandet hat, war, dass es keine gesetzlichen Regelungen für neue Medien gibt. – Das waren die zwei Punkte, die die EU-Kommission in Deutschland beanstandet hat.

Beide Punkte treffen, was die Vergleichbarkeit betrifft, beim ORF nicht zu. In Österreich ist im Unterschied zu Deutschland die europäische Transparenzrichtlinie umgesetzt, auch was die Finanzkontrollen und Finanzläufe des ORF betrifft. Es war ein Versäum­nis, dass die Deutschen die europäische Transparenzrichtlinie nicht umgesetzt hatten. Österreich hat diese Richtlinie umgesetzt – was eben die Trennung von öffentlichen und kommerziellen Aufgaben betrifft.

Das Zweite, das in Deutschland beanstandet wurde, war das Fehlen klarer gesetzlicher Regelungen für neue Medien. Auch da, was Online-Dienste betrifft, haben wir in Österreich im Unterschied zu Deutschland klare gesetzliche Regelungen, wie Sie wissen – so weit, dass wir im Bereich der neuen Medien und Technologien schon Vorreiter in ganz Europa sind, was zum Beispiel auch die Entwicklung des Handy-Fernsehens betrifft.

Ich habe die Entwicklung in Deutschland sehr genau beobachtet und würde ab­schließend zu der Erkenntnis kommen – das ist auch die Meinung meiner Experten –, dass die Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. Ich denke, dass wir konkrete Schritte – nämlich auch, was EU-rechtliche Rahmenbedingungen betrifft – erst dann setzen können, wenn diese konkreten Vorschläge oder Maßnahmen seitens der EU-Kom­mission an Österreich herangetragen werden.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Morak, eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Frau Bundesministerin, da Sie sich in dieser Sitzung als jemand geoutet haben, der eine 10-prozentige Erhöhung bei den ORF-Gebühren befürwortet, das heißt 10 Prozent mehr für immer weniger österreichisches Programm: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang insbesondere die Fragen der Überkompensierung und Quersubventionierung kommerzieller Tätigkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gebührengelder?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Herr Abgeordneter Morak, wenn Sie der Auffassung sind, dass es bei der Gebarung des


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ORF zu Überfinanzierungen, Ungereimtheiten oder Regelungen kommt, die zu Recht zu beanstanden wären, dann würde ich Ihnen empfehlen, von einem Instrument, das das Parlament hat, Gebrauch zu machen. (Abg. Ing. Westenthaler: Empfehlen Sie uns als Regierungsmitglied nicht, was das Parlament zu tun hat!) Wenn es den Vorwurf gibt, dass es bei den Finanzströmen zu Ungereimtheiten kommt – die Kontrolle der Gebarung des ORF unterliegt dem Rechnungshof.

Ich glaube, es ist gut, dass der Rechnungshof den ORF kontrollieren kann. Es ist gut, dass das österreichische Parlament über den Rechnungshof diese Kontrollmöglichkeit besitzt. Daher würde ich meinen, wenn solche Verdächtigungen im Raum stehen, sollte man keine Vorwürfe erheben, sondern Maßnahmen setzen und sich des Rech­nungshofs als Kontrollorgan bedienen. Das kann der österreichische Nationalrat tun. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Medienministerin! Da wir soeben erfahren haben, dass der ORF eine unglaubliche Gebührenerhöhung von 10 Prozent beantragen und durchziehen wird, die im Übrigen sofort eine durchschnittliche Min­destpensionserhöhung auffrisst (Abg. Parnigoni: Falsch!), stelle ich Ihnen jetzt eine Frage, anknüpfend an Ihre Beantwortung der letzten Frage – Sie haben gesagt, Sie wollen, dass die Gebührenerhöhung jährlich stattfindet –: Wie hoch soll die Gebühren­erhöhung jährlich sein, und meinen Sie ernsthaft, dass die Menschen jährlich durch eine Gebührenerhöhung belastet werden sollten? (Abg. Parnigoni: Ist das eine Frage oder ein Festvortrag?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ich stehe wirklich dazu, dass wir ein starkes, eigenständiges öffentlich-rechtliches Fern­sehen in Österreich haben. Von dieser Ausgangslage aus möchte ich, dass der ORF für die Allgemeinheit da ist und daher – das ist die Schlussfolgerung – über die Allgemeinheit finanziert wird – ein ORF, durch den wir sicherstellen, dass es in dieser Meinungsvielfalt, in dieser Nachrichtenflut, die es gibt, auch Objektivität gibt.

Ich wünsche mir hier Objektivität, vielleicht im Unterschied zu Ihnen. Damit wir in der Medienlandschaft Objektivität und Meinungsvielfalt haben, brauchen wir einen starken ORF. Ich will keinen deutschen Einheitsbrei, das sage ich Ihnen jetzt zum dritten Mal, Herr Abgeordneter Westenthaler.

Was die Frage der Finanzierung des ORF betrifft, ist der Vorschlag offensichtlich, der, während ich in der Fragestunde war, gekommen ist, ... (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr wollt alle Gebührenzahler belasten! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.) – Ich würde gerne Ihre Frage beantworten, Herr Abgeordneter. Aber wenn Sie tratschen, ist das sehr schwierig.

Was die Meldung über die Gebührenerhöhung betrifft, die offensichtlich jetzt über die APA gekommen ist, während ich dem Hohen Haus in der Fragestunde zur Verfügung gestanden bin, möchte ich Ihnen sagen: Sie sprechen vom Auffressen der Pensions­erhöhungen, Sie arbeiten immer mit Angstargumenten. 10 Prozent betragen in diesem Fall 1,3 € im Monat. Auch diese Anhebung halte ich für zu hoch, wenn sie so sprunghaft erfolgt – die letzte Anhebung fand ja 2004 statt.

Ich halte es für wichtig, dass es ein Sparpaket innerhalb des ORF gibt. Ich halte es für wichtig, dass dort strukturelle Maßnahmen gesetzt werden. Es ist aber auch wichtig, dass der ORF finanziert werden kann. Mein Vorschlag war, nicht alle fünf, sechs Jahre sprunghafte Erhöhungen der Gebühren um bis zu 1,30 € pro Monat vorzunehmen


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(Abg. Ing. Westenthaler: Am besten jeden Monat!), sondern alle Jahre die Inflations­rate abzugelten; das wären jährlich ein paar Cent.

Ich würde Sie daher ersuchen, diese Angstargumente, die völlig jeder Basis und Grundlage entbehren, hier im Hohen Haus nicht mehr vorzubringen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Bundesministerin, Sie sprechen dauernd vom „deutschen Einheitsbrei“.

Ich frage Sie: Sehen Sie nicht auch vermehrt einen „amerikanischen Einheitsbrei“ aufgrund der Überschwemmung mit amerikanischen Serien im ORF?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Ja, ich teile Ihre Ansicht. Was das deutsche Fernsehen betrifft, so gibt es da ja – in allen Bereichen, ob das Kultur, Sport und so weiter betrifft – keine Sprachbarrieren, und ich möchte, dass in der Sprache und auch in der kulturellen Identität das Österreichische erhalten bleibt. Deshalb, glaube ich, ist das wichtig.

Aber es trifft auch den amerikanischen Film, und daher, denke ich, ist es ja so wichtig, dass wir diese eigenständige österreichische Identität auch mit Leben erfüllen. Ich bin dafür, dass es Serien gibt, wo man Österreichs Landschaften in den Vordergrund stellt. Sie sollen Werbung für den Tourismus in Österreich, für den Fremdenverkehr sein. Es ist wichtig, dass wir auch mehr in den österreichischen Film investieren. Das ist ganz wesentlich.

Aber Sie haben recht, das trifft auch amerikanische Serien, die oft sozusagen mit der österreichischen Identität und unserem Leben wahrlich nichts zu tun haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Bundesministerin! ÖVP-Abgeordnete Ridi Steibl hat gestern hier in der Plenardebatte den ORF als „Rotfunk“ bezeichnet, weil die Leistungen der ÖVP offenbar zu wenig in den Mittelpunkt der ORF-Berichterstattung gestellt werden.

Ich möchte Sie fragen: Sind Sie auch der Meinung der ÖVP, dass der ORF verpflichtet ist, Regierungspropaganda, wenn sie von einer Partei eingefordert wird, automatisch betreiben zu müssen? (Abg. Ing. Westenthaler: Und dafür noch die Gebühren erhöht!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Es steht mir nicht zu, mich im Nachhinein in eine Debatte, die ich nicht verfolgen konnte, einzubringen, aber grundsätzlich: Wenn es eine Berechtigung für einen öffentlichen Rundfunk gibt, dann sind das die Unabhängigkeit und die Objektivität, und das gilt für alle Bereiche.

Daher: Es kann nicht darum gehen, den ORF, was die Programme und die Bericht­erstattung, aber auch die finanzielle Unabhängigkeit betrifft, jetzt zum Spielball irgend­welcher Parteizentralen oder populistischer Aussagen zu machen, sondern es muss uns gemeinsam darum gehen, dass wir einen unabhängigen, objektiven ORF haben, aus dem sich in Bezug auf Berichterstattung, Programmgestaltung und Finanzen die Politik so weit wie möglich heraushält; sie hat dort nichts verloren.

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage: Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Ministerin, stimmt es, dass der eigentliche Hintergrund dafür, dass es überhaupt eine Gebührendebatte gibt, unter anderem darin liegt, dass die Regierung aus ÖVP und BZÖ damals den Ersatz für die Befreiung von Gebühren für die sozial Schwachen – genau diejenigen, die Kollege Westenthaler vorhin angesprochen hat – gestrichen hat und dass dadurch natürlich auch eine Schwächung im Kampf gegen diese Vermantschung – amerikanisch, Eigenidentität zu wenig österreichisch – eingetreten ist, sodass sich der öffentlich-rechtliche Bereich nicht in entsprechender Form entwickeln kann? Stimmt das so?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Herr Klubobmann Cap, es stimmt schon, dass ich diese Diskussion als sehr eigenartig empfinde (Abg. Ing. Westenthaler: Wir auch!), wenn man nämlich auf der einen Seite permanent Maßnahmen setzt, die einem Unternehmen die wirtschaftliche Basis entziehen, und dann, wenn es darum geht, Maßnahmen zu setzen, um sicherzustellen, dass das Unternehmen ORF den Auftrag, den wir an ihn haben, auch erfüllen kann, sagt: Nein, das kommt nicht in Frage! – Zuerst die wirtschaftliche Grundlage zu ent­ziehen und dann zu allen Maßnahmen, um diese wieder sicherzustellen, Nein zu sagen, das ist eine Zerstörungsstrategie für den ORF, die, wie ich glaube, die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher wirklich nicht haben möchte.

Es stimmt, Herr Klubobmann Cap, dass es einen Beschluss im österreichischen Nationalrat – ich glaube auch, mit überwiegender Mehrheit beschlossen – gegeben hat, im Übrigen mit Zustimmung der ÖVP, Herr Abgeordneter Morak, in dem vereinbart wurde, dass es unsere gemeinsame soziale Verantwortung ist, die Gebühren für jene Menschen, die kleine Pensionen haben, die ein geringes Einkommen haben, die behindert sind, die gehörlos sind, zu übernehmen und dem ORF zu refundieren. – Wir hätten wahrscheinlich diese Diskussion um die Gebührenerhöhung heute nicht, wenn die blau-schwarze Regierung damals dieses schon vorhandene Gesetz nicht wieder abgeschafft hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich bedanke mich. Es sind alle Fragen aufge­rufen worden. Die Fragestunde ist somit beendet.

10.05.52Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 1578/AB bis 1601/AB;

2. Initiativanträge: Zurückziehung: 414/A.

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird – Glücksspielgesetz-Novelle 2007 (GSpG-Novelle 2007) (318 d.B.);


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 40

Gesundheitsausschuss:

Antrag 490/A(E) der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkaufs-, Handels- und Importverbot von Stopfmastprodukten;

Ausschuss für Konsumentenschutz:

Antrag 488/A(E) der Abgeordneten Laura Rudas, Silvia Fuhrmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Verbot von „Mosquito Sound System“ in Österreich;

Umweltausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (AWG-Novelle Batterien) (327 d.B.);

Verfassungsausschuss:

Antrag 489/A der Abgeordneten Anita Fleckl, Maria Rauch-Kallat, Dieter Brosz, Ing. Norbert Hofer, Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mit­arbeiter (Parlamentsmitarbeitergesetz) geändert wird;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird (326 d.B.).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der freiheitliche Parlamentsklub hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 491/A(E) der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Missbrauch dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass Frau Abgeordnete Sburny beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 11/A(E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gläserne Parteikassen“ eine Frist bis zum 29. Jänner 2008 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durch­zuführen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss dieser Debatte erfolgen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 41

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 3 bis 6, 10 und 11, 12 bis 15, 16 und 17, 23 bis 26 sowie 31 und 32 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt. Es wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wie­ner Stunden“ vorgeschlagen, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 131 Minuten, Grüne und Freiheitliche je 108 Minuten sowie BZÖ 63 Minuten.

Für die Zeit der Fernsehübertragung bis 13 Uhr ist folgende Redezeitvereinbarung getroffen: eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten, sodann ein Regierungs­mitglied mit 12 Minuten, danach je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 7 Minuten, anschließend ein Regierungsmitglied mit 10 Minuten, weiters eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten sowie eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 4 Minuten.

Weiters wurde folgende RednerInnen-Reihenfolge innerhalb der Fernsehzeit ver­einbart: SPÖ, ÖVP, Grüne, FPÖ, BZÖ.

Der/die den Vorsitz führende Präsident/Präsidentin wird vor Beginn der letzten Runde nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden die allenfalls verbleibende Restzeit auf die Fraktionen gleichmäßig verteilen. Tatsächliche Berichtigungen werden erst nach Beendigung der Fernsehübertragung aufgerufen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung, und ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.09.001. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (314 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird (370 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem ein Asylgerichtshofgesetz erlassen wird und das Asylgesetz 2005, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungs­gerichts­hofgesetz 1953, das Bundesministeriengesetz 1986, das Einführungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwal­tungs­verfahrensgesetz 1991, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz-Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz und das Waffen­gesetz 1996 geändert werden (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz) (371 und Zu 371 d.B.)

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 42

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Cap; 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


10.10.08

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben heute sehr viel Wichtiges und einen großen Berg an Gesetzen zu beschließen. Es hat im Vorfeld so manche Stimmen gegeben, die gemeint haben, das eine oder andere hätte man vielleicht im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens noch gründlicher diskutieren können. (Abg. Öllinger: „Noch gründlicher“? – Nicht einmal gelesen!) Ich habe schon einmal an diesem Ort gesagt, dass das richtig ist. Das wäre sicherlich auch in Zukunft eine Überlegung, dass man das künftig selbstverständlich so macht.

Umgekehrt muss ich aber sagen, dass das, was wir heute diskutieren, in vielen Bereichen ja schon seit Monaten, Wochen und manches seit Jahren diskutiert wird, und dazu gehört unter anderem auch die Frage der Einführung des Asylgerichtshofes. Wir alle wehren uns dagegen, dass es da immer eine Vermischung von Dingen gibt, die nicht zusammengehören. Wir sind natürlich gegen jede Form von illegaler Ein­wanderung. Wir sind natürlich der Auffassung, dass Gesetze einzuhalten sind, dass Recht Recht bleiben muss. Und wir sind selbstverständlich der Meinung, dass dort, wo Kriminalität entsteht, ob es In- oder Ausländer sind, das mit den Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen ist. Damit das einmal klar ist! Oft wird in dieser ganzen Asyldebatte nämlich unterstellt, es ginge darum, dass mit Augenzwinkern irgendeine heimliche Form von Zuwanderung, Einwanderung oder sonst irgendetwas akzeptiert wird.

Asyl oder der Antrag auf Asyl ist etwas ganz anderes. Man muss sich einmal vorstellen, was das bedeutet, wenn man ein Flüchtling ist: dass man aus der Umge­bung, in der man aufgewachsen ist, wo man seine sozialen Wurzeln hat, wo man die Bekanntenkreise hat, wo man vielleicht sogar einen Job gehabt hat, entrissen ist, weil man dort nicht mehr leben kann, weil Leib und Leben bedroht ist, weil man aus religiösen, politischen oder sonstigen Gründen verfolgt wird, und man dann in ein anderes Land flüchtet, um einfach leben zu können.

Da muss man streng unterscheiden zwischen jenen, die dieses Schicksal erleiden, die daher auch das Recht haben und denen gegenüber wir die Pflicht haben, einen Asyl­antrag ernst zu nehmen und diesen im Sinne des Rechtsstaates und der Menschen­rechte zu behandeln und Recht zu geben – und das womöglich auch in einem Zeitrahmen, der menschlich ist.

Und dann gibt es natürlich so manche, die sich das ansehen und die ohne Bedrohung auf Leib und Leben das Land verlassen, weil sie dort einfach nicht mehr leben wollen und in die Wohlstandszonen auswandern möchten. Diese gibt es auch. Diese ver­suchen natürlich, alle Möglichkeiten des Rechtsstaates zu verwenden und einzusetzen. Das ist auch richtig.

Wer aber diese Immigration nicht will, muss sich an einer Diskussion über eine Weltwirtschaftsordnung und eine Veränderung der Weltwirtschaft beteiligen, da viele Menschen beispielsweise aus Afrika, um nicht an Hunger zu sterben, in die Wohl­standszonen nach Europa zu wandern beginnen. Dann muss man aber dafür eintreten, dass es da andere Regeln gibt, dass die Weltwirtschaft, dass die Weltbank, dass alle diese Einrichtungen Schritte setzen – auch die mächtigen, großen Industrieländer –,


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damit es eine Ordnung, eine Handelsordnung, eine Weltwirtschaftsordnung gibt, die ermöglicht, dass viele, die in diesen Kontinenten oder in diesen Ländern leben, einen Sinn sehen, dort auch weiterzuleben, dort zu bleiben.

Wer diese Probleme nicht löst, der ist mit verantwortlich dafür, dass es diese Immigrations- und Wanderungsströme gibt. Ich selbst gehöre zu jenen, die sagen: Wenn diese Wanderungen einsetzen, kann man im eigenen Land die Fehler, die global gemacht werden, letzten Endes nicht lösen.

Das, was wir heute hier zu diskutieren haben, ist die Frage des Asylgerichtshofes. Ich meine, dass das eine gute Lösung ist. Es bietet in der Tat mit einer Art Sonder­verwaltungsgerichtshof den gleichen, wenn nicht sogar mehr Rechtsschutz, als das bisher der Fall war. Ein Asylwerber soll die Möglichkeit haben, dass er fair, aber schnell und zügig behandelt wird, damit es nicht zu diesem Stau im Bereich der Asylbewerber kommt und manche auf eine Entscheidung fünf, sechs, sieben, acht, neun Jahre warten. Da kommt es dann in der Tat dazu, dass man sagt: Jetzt sind die schon integriert, jetzt leben die schon hier, die Verwaltung und der Rechtsstaat waren nicht imstande, ihnen rechtzeitig einen Bescheid zu geben. Und ganze Dörfer stehen dann auf und sagen: Wir wollen, dass die dableiben! – Dann sollen sie auch dableiben, das ist ja keine Frage.

Wir aber haben mit der Einrichtung des Asylgerichtshofes dafür zu sorgen, dass es endlich einmal ein Verfahren gibt, das menschlich ist, das rasch abgefertigt wird, das fair ist, das gerecht ist – im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher genauso wie natürlich im Interesse der Asylwerber. Die Einführung, dass dann vor Senaten verhandelt wird, dass ein Zwei-Richter-Senat mit mündlicher Verhandlung das behandelt – und wenn sich diese nicht einigen, behandelt das ein Fünf-Richter-Senat mit mündlicher Verhandlung, von Antlitz zu Antlitz –, halte ich für eine neue Qualität, halte ich für eine neue, würdige Form von Rechtssicherheit und Rechtsschutz für diejenigen, die diesen Antrag stellen.

Das halte ich für den Kern. Die Grundsatzentscheidungen, die mithelfen sollen, dass es schneller geht, die gleich gelagerte Fälle bündeln, die dafür Entscheidungsgrund­lagen bilden, finde ich selbstverständlich in Ordnung. Wir haben nach wie vor zwei Instanzen – das wurde immer angekündigt, und das ist übrigens ein Wahlversprechen, das die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten getätigt haben, das heute mit diesem Beschluss eingelöst wird! Es ist auch insofern ein Beitrag, damit diese Diskussion – Stichwort „Arigona“ –, die wir im letzten Spätsommer miterlebt haben, endlich eine wirkliche Lösung im Fall des Asylgerichtshofes findet, dass solche Fälle nicht mehr auftreten und dass es einfach vorher eine Entscheidung gibt.

Es ist das Recht des Asylwerbers auf anwaltliche Vertretung oder Vertretung durch die berühmten NGOs gewahrt. Es sollen die Entscheidungen des Asylgerichtshofes gesetzlich verpflichtend in anonymisierter Form umgehend veröffentlicht werden. Da ist nichts heimlich, das ist öffentlich. Das finde ich auch richtig so, dass es in dieser Form letztendlich präsentiert wird. Es soll auch durch massiven Ausbau des Personals dafür gesorgt werden, dass auch die erstinstanzlichen Entscheidungen eine andere Qualität haben. Bis jetzt war es so, dass es im Endeffekt mit den Aufhebungen, mit einer gewissen Schludrigkeit (Abg. Öllinger: Die Schludrigkeit ist in der Regierung!), die auch aufgrund dieses Arbeitsdrucks entstand, und aufgrund der Tatsache, dass so viele Fehler vorgelegen sind, natürlich auch mit zu einer Verzögerung kam, dass alle Instanzen ausgenützt wurden – klar: Wenn der Rechtsstaat das anbietet, haben ganze Rechtsanwaltskanzleien das selbstverständlich ausgenützt, keine Frage! Aber jetzt soll hier Ordnung hineinkommen: Ordnung, Rechtssicherheit, Menschlichkeit und natürlich auch eine Beschleunigung der Verfahren im Interesse derer, die diesen Antrag stellen und die als Asylwerber auftreten.


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Noch etwas: Es wird natürlich auch eine Evaluierung nachher geben. All diejenigen, die heute noch immer eine gewisse Sorge haben, müssen wissen, dass es nachher, wenn dieser Asylgerichtshof zu arbeiten beginnt, wenn diese neue Form – meiner Meinung nach menschlichere Form, mit mehr Rechtssicherheit – im Rahmen dieses Asylgerichtshofes tätig ist, auch noch eine Evaluierung geben wird, ob all das, was wir hier fordern, auch wirklich erfüllt ist und erfüllt wird.

Zu allen anderen Auseinandersetzungen, die im Hintergrund zwischen den Gerichts­höfen und bei vielen der Beteiligten und Betroffenen stattgefunden haben, möchte ich mich gar nicht äußern. Wichtig ist, dass wir hier eine Lösung finden, die darauf eine Antwort gibt.

Zum zweiten Punkt – wir reden heute ja nicht nur über den Asylgerichtshof –: Es wird ja heute beschlossen, dass die Sozialpartnerschaft in die Verfassung kommen soll. (Abg. Ing. Westenthaler: „Bravo“!) Ich möchte dazu nur ganz kurz etwas sagen: Seit über 50 Jahren gibt es diese Sozialpartnerschaft. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber nicht in der Verfassung!) Seit über 50 Jahren gibt es die Kritik – bei allen Erfolgen der Sozialpartnerschaft –: Wir haben in der Verfassung das Parlament geregelt, die Regierung, den Bundespräsidenten, all diese Institutionen. Warum bewegt sich die Sozialpartnerschaft außerhalb der Verfassung? – Immer wieder haben wir das gehört.

Jetzt gibt es das Bemühen – und das werden wir heute zu einem Abschluss bringen –, dass die Sozialpartnerschaft, die so viel Gutes für Österreich getan hat, ebenfalls Ein­gang in die Verfassung findet. (Abg. Ing. Westenthaler: Kammerzwang in der Verfas­sung!) Damit ist es geregelt, das ist ein sauberer Vorgang. Ich denke, dass das sicherlich ein Beitrag ist, um diese Kritik, die immer wieder geäußert wurde, zum Verstummen zu bringen. Es ist auch demokratisch: Es wird hier diskutiert, es wird hier beschlossen. Es ist nicht eine neue Einrichtung, die Gesetze beschließt – um da gleich Irrtümer vorwegzunehmen –, aber die Sozialpartner haben immer sehr viel Einfluss und Macht in Österreich gehabt, und ich finde schon, dass auch sie einer gewissen Regelung bedürfen, so wie wir alle geregelt sind und so wie hier die Demokratie in Österreich im Endeffekt geregelt ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Verfassungsknebelung! Unfreiheit der Menschen ...!)

Da soll niemand unter Zwang gesetzt werden, da soll niemand irgendwie unter Druck gesetzt werden, sondern es ist eine Realverfassung, die Eingang in die For­mal­verfassung findet. (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie die „Presse“ heute gelesen?) Das, so denke ich, ist ein Vorgang, der ebenfalls berechtigt ist und wo wir auch im Zuge dieser vielen Erfolge, die diese Sozialpartnerschaft in den letzten 50 Jahren zu verzeichnen hatte, hier damit einen Abschluss finden.

Das ist ein demokratischer Vorgang! Ich weiß, es hat eine zweite Denkschule gegeben, die gesagt hat: Realverfassung, was ist das überhaupt? – Ich finde, es ist gut, dass wir das heute beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner kommt Herr Klubobmann Dr. Schüssel zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.20.23

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung und die die Regierung unterstützenden Parteien haben sich entschlossen, die umfangreiche Verfassungsreform, die geplant ist, zu portio­nieren. Ein Teil ist ja schon beschlossen: Die Verlängerung der Legislaturperiode, die Einführung der Briefwahl, Wählen mit 16 sind schon Gesetz.


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Der zweite Teil kommt jetzt, wo immerhin eine sehr umfangreiche verfassungs­rechtliche Bereinigung mit einer Streichung von rund 1 000 Verfassungsbestimmungen stattfindet. Ich gehe jetzt nicht im Detail darauf ein. Das ist ein Ergebnis des Konvents und ist ja auch im Wesentlichen zwischen den politischen Parteien unbestritten.

Es sind darüber hinaus einige wichtige neue Elemente enthalten: Die Staats­anwalt­schaft wird in der Verfassung verankert. Der Weisungszug bleibt davon unberührt.

Die Volksanwaltschaft, die schon bisher die Justizverwaltung kontrollieren konnte, erhält die Möglichkeit, auch Fristsetzungsanträge dort zu stellen, wo dies objektiv not­wendig ist, greift aber nicht in die Rechtsprechung ein, weil auch über diese Fristsetzungsanträge natürlich die Justiz in eigener Macht, in eigener Entscheidung letztlich entscheiden wird.

Die Selbstverwaltungskörper und die Sozialpartner werden in die Verfassung mit aufgenommen. Eine riesengroße Aufregung! Interessanterweise sind die Sozialpartner relativ still in dieser Frage. Ob man das in der Verfassung gebraucht hätte, ist eine Geschmacksfrage. Ich glaube, die Rolle der Sozialpartner war in all den Jahrzehnten, als es keine verfassungsrechtliche Verankerung gegeben hat, nicht kleiner und gerin­ger. Aber es ist so auch nicht schlecht, weil manche Juristen dies immer wieder bemängelt haben. Daher ist es jetzt verankert. Übrigens sind auch das Kontrollrecht über die Sozialpartner im Rahmen der ministeriellen Verantwortung und auch be­stimmte Prinzipien, etwa die demokratische Zusammensetzung der Selbstver­waltungs­körper verankert. Das finde ich gar nicht schlecht, dass diese Prinzipien verankert sind. Eine Garantie im Bestand gibt es, und zwar nicht nur für drei, sondern für alle Selbstverwaltungskörper, was sicherlich eine Verbesserung ist. Insgesamt, so denke ich, wird sich in der praktischen Substanz wenig ändern. Die Aufregungen – „zurück zum Ständestaat“ und so weiter – sind, so meine ich, unangebracht.

Was mich persönlich schon gestört hat, war Folgendes: Einen Tag, nachdem wir das mit großer Mehrheit im Verfassungsausschuss beschlossen haben, hat dann Ihr Geschäftsführer es der Mühe wert gefunden, einen Sozialpartner, nämlich die Bauern­vertretung, als ständestaatliches Relikt zu kritisieren. Meine Damen und Herren, entweder – oder! (Abg. Neugebauer: Ungeheuerlich!) Das geht nicht! Wir anerkennen die Rolle der Sozialpartner, aber das gilt für alle, auch für die Bauern, auch für die Arbeitnehmer, auch für die Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist auch ein interessanter Punkt drinnen, der jetzt erst kritisiert wird: Der Artikel 50 wird neu gestaltet. Wir haben damit die Möglichkeit, auch Staatsverträge nicht mehr in einem zweistufigen, sondern in einem einstufigen Verfahren, allerdings natürlich mit qualifizierter Mehrheit, zu beschließen. Das Interessante ist – ich sage das in Richtung auch der Abgeordneten des BZÖ –: Dieser Punkt ist natürlich begutachtet worden. Das ist ein Thema, das im Konvent diskutiert wurde. Es ist im Juli zwei Monate, acht Wochen lang zur Begutachtung ausgeschickt worden. Es hat 101 Stel­lungnahmen gegeben. Keine einzige Stellungnahme war negativ. Es haben einige sogar ausdrücklich positiv dazu Stellung genommen. Es ist ja auch sinnvoll, ehrlich gesagt, dass man eine solche Ratifizierung in einem Verfahren abwickeln kann. Keine Sorge: Wer Volksabstimmungen will, kann den bisherigen Weg gehen, dass man eben ein Verfassungsgesetz macht, wie das beim Beitritt Österreichs etwa der Fall gewesen ist. Ich glaube also, auch dieser Punkt ist absolut in Ordnung.

Der strittigste Punkt in der Öffentlichkeit war natürlich die Frage, wie es mit dem Asyl­gerichtshof weitergehen wird. Ich denke, dass die Fremdenpakete insgesamt und jetzt auch die Reform der asylrechtlichen Rechtsprechung sehr sinnvoll sind. Österreich war immer ein offenes und ein tolerantes Land. Wir haben seit dem Jahr 1945 über zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Die meisten Flüchtlinge sind aber weitergegangen


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in andere Länder oder zurück in ihre ursprüngliche Heimat. Das hat sich natürlich jetzt auch geändert. Es gibt viele, die bei uns Asyl beantragen, ohne Flüchtlinge zu sein. Wie Josef Cap zu Recht gesagt hat: Österreich ist natürlich im Herzen Europas eine kleine Wohlstandsinsel, und viele kommen auch aus wirtschaftlichen Gründen – nicht unverständlich! – zu uns, aber sie sind keine Flüchtlinge.

Eines muss man schon dazu sagen: Wir haben im Jahr 2006, voriges Jahr zum Beispiel nur ein Drittel weniger Asylanträge gehabt als das von der Bevölkerung her zehnmal größere Deutschland oder das zwanzigmal größere Kanada, was die Land­fläche betrifft. Wir haben einen Überhang von 34 000 Verfahren, davon 6 000 in der ersten, 28 000 in der zweiten Instanz. Wir haben schon im vorigen Jahr massiv auf­gestockt: über 50 Mitarbeiter in der ersten Instanz, 82 Mitarbeiter beim UBAS.

Es ist einfach nicht wahr, dass es jetzt weniger rechtsstaatliche Kontrolle gibt oder dass insgesamt hier der Rechtsstaat abgeschafft wird. Was wir alle wollen, ist natürlich eine Beschleunigung der Asylverfahren, eine Verkürzung der Verfahrensdauer, die schnellere Gewissheit auch für die Asylwerber über den Verfahrensausgang. Und letztlich: So schlecht wurde nicht geurteilt. Es sind über 70 Prozent der Entscheidun­gen des Asylsenates bei den Höchstgerichten immerhin bestätigt worden. Wir wollen haben, dass diese Entwicklung sich in jedem Fall fortsetzt.

Meine Damen und Herren, daher volle Unterstützung seitens der Volkspartei für dieses Gesetz. Wir hoffen, dass es auch mit Klugheit und Umsicht und verantwortungsvoll umgesetzt werden wird.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang gibt es aber einen heiklen Punkt, auf den ich schon auch aufmerksam mache, weil da der Innenminister, der hinter mir sitzt, im europäischen Rat ziemlich isoliert ist. Da braucht er die volle Unterstützung dieses Hauses. (Beifall bei der ÖVP.)

Da geht es um die zirkuläre Migration. Dahinter steht natürlich in Wahrheit eine Auf­teilung der Migrationsströme. Da sage ich wirklich ganz offen: Ich weiß, du bist da ziemlich allein, weil andere Minister, die in Wahrheit die gleiche innenpolitische Diskussion haben, sich bereits damit abgefunden haben. Ich sage ganz offen: Ich halte es für notwendig, dass man auch im Interesse der Subsidiarität, die wir immer hochhalten, dieses Prinzip sehr nachhaltig hinterfragt und nicht hier eine Entwicklung öffnet, wo wir dann in einigen Jahren womöglich die gleichen Probleme haben, die wir heute in der Folge der Balkankriege sehen. Daher volle Unterstützung dieses Hauses für dich, lieber Innenminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Erlauben Sie, dass ich zu einem Punkt auch noch Stellung beziehe, der nicht drinnen ist, obwohl das von einigen, auch von der Nationalratspräsidentin gefordert wurde und auch im politischen Zusammenhang vom Regierungschef angeregt wurde, nämlich die Offenlegung der Bezüge der Abgeordneten. Ich sage Ihnen ganz offen – und das hat nichts mit Parteipolitik zu tun –: Ich bin der Auffassung, dass wir uns und unsere Arbeit ernster nehmen müssen als bisher. Es ist eine prinzipielle Frage, ob man frei gewähl­ten Volksvertretern etwa die Entscheidungskompetenz abspricht, im Namen des Vol­kes über einen internationalen Vertrag, der wichtig, aber nicht besonders revolutionär ist, wie etwa diese Lissabonner Verträge, abzustimmen.

Das ist aber die gleiche Linie, die dahinter steht, wenn sozusagen öffentlich gefordert wird, es muss den gläsernen Abgeordneten geben. – Ja, es muss die gläserne und die volle Transparenz geben, wo öffentliche Bezüge gezahlt werden. Jeder soll das wissen, keine Frage. Aber die privaten Einkünfte und die Privatsphäre der Damen und Herren Abgeordneten sind genauso schützenswert wie die Privatsphäre aller anderen Bürger. Ich sage das mit dem Wissen, dass das vielleicht nicht überall populär sein mag. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fichtenbauer.)


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Gestern hat sich Kurt Eder hier von uns verabschiedet. Frau Präsidentin Prammer und Herr Bundeskanzler Gusenbauer sind hier gesessen und haben fest applaudiert. Sind wir jetzt wirklich besser dran, wenn ein erfahrener Parlamentarier wie er das Handtuch wirft? Ich sage das: Mir wird er fehlen. Er ist von einer anderen Fraktion, aber ich habe immer seine Beiträge in der Sache geschätzt, weil ich gewusst habe, dass sie aus einer tiefen Verantwortung für das Haus, für die Gesellschaft, für die Politik kommen und im Wissen, was in der Wirtschaft vorgeht. Ich sage Ihnen ganz offen – und das spreche ich hier auch offen aus, auch wenn es nicht populär sein mag –: Manche Journalisten jagen im Moment Abgeordnete dieses Hauses mit Druck, mit Erpressung, dass sie ihre privaten Bezüge offenlegen sollen. Ich halte das nicht für richtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek.)

Wer das tut, der soll sich auch nicht wundern, dass er dann am Ende eine Volks­vertretung hat, die zwar frei gewählt ist, aber nicht mehr alle Schichten des Volkes vertritt.

Daher stehe ich dazu, dass manche Dinge, die sich der eine oder der andere ge­wünscht hat, nicht in dieser Verfassungsnovelle enthalten sind. – Es lebe das Hohe Haus! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


10.30.36

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Her­ren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem Klubob­mann Schüssel soeben seine Rede mit den Worten „Es lebe das Hohe Haus!“ abgeschlossen hat, kann ich mit diesem Thema beginnen.

Das Hohe Haus ist im Moment in einem Zustand, in dem es, glaube ich, noch nie gewesen ist. Wir befinden uns in der tiefsten Zeit rot-schwarzer Packelei (lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP), in der tiefsten Phase von Fledderei an der österreichi­schen Bundesverfassung (Beifall bei den Grünen) und in der tiefsten rot-schwarzen Zeit, in der die Bundesverfassung mit Füßen getreten wird und auch dieses Parlament und seine parlamentarische Arbeit mit Füßen getreten werden. (Neuerliche Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Sie wissen es ganz genau, denn seit Tagen sagen es uns die Verfassungsrechtler und richten es uns die Medien aus, dass der Umgang hier im Hohen Haus mit Verfassungsgesetzen beispiellos ist in der Geschichte der Zweiten Republik.

Ich darf Ihnen einen Satz aus dem Regierungsübereinkommen vorlesen, Herr Kollege Schüssel:

„Die beiden Regierungsparteien suchen auf Basis des Regierungsprogramms den Dialog mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Dazu gehört auch, dass über deren Vorschläge sachlich und konstruktiv beraten wird ...“

Wann haben Sie das letzte Mal den Dialog mit einem in diesem Haus vertretenen Abgeordneten zu Verfassungsfragen gesucht? – Keine einzige dieser Verfassungs­bestim­mungen, die wir heute beschließen, hat hier in diesem Haus auch nur einen Beistrich oder ein i-Tüpfelchen, einen i-Punkt geändert bekommen! – Ich werde Ihnen das noch einmal vor Augen führen, zuerst nochmals die Vorgangsweise und dann auch das, was inhaltlich tatsächlich herausgekommen ist.

Gegen lauten und schweren Protest aller betroffenen Gruppen, gegen die Präsidenten der Höchstgerichte, des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes, die


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Präsidenten der österreichischen Oberlandesgerichte, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofes – Sie führen mit niemandem mehr einen Dialog, nicht einmal mit denen, die betroffen sind, und Sie führen schon gar nicht mit der Bevölkerung einen Dialog! Und ich glaube, bei Verfassungsfragen ist das die wesentliche Messlatte. (Beifall bei den Grünen.)

Die Verfassung verkommt zur privaten Spielwiese von unserem Altpräsidenten Andreas Khol mit ein paar SPÖ-Verfassungsjuristen, die, ich weiß nicht was, im Bun­deskanzleramt „ausbaldowern“ und es dann überfallsartig in den Verfassungs­aus­schuss bringen, teilweise eine Stunde vor Beginn des Ausschusses. (Zwischen­bemerkung von Vizekanzler Mag. Molterer.)

Es ist heimlich, weil es nicht mehr in Begutachtung geht. Kollege Wittmann hat zwar gesagt: Es gibt keine Verfassungsnovelle mehr ohne Begutachtung in meinem Aus­schuss! – Es bleibt aber heimlich, es gibt keine Begutachtungen mehr.

Es ist überfallsartig, wenn sogar die Justizministerin sagen muss: Ich hatte keine Zeit mehr, die Vorlage zu lesen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja auch unglaublich, eigentlich!) – Das ist eine unglaubliche Aussage einer Justizministerin, die sagt: Ich bekam es 24 Stunden vor der Ministerratssitzung in Form einer Tischvorlage. –Mittlerweile werden also rechtsstaatliche Prinzipien in Form einer Tischvorlage abgeschafft! Ich weiß nicht, was man noch schlimmer machen kann in diesem Bereich. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Es kommt zu verkürzten parlamentarischen Verfahren, wo selbst der Klubobmann der SPÖ dann sagt, er versteht den Protest. – Ja, nur seltsamerweise ist es der Aus­schussobmann von der SPÖ, der genau diese verkürzten Verfahren zulässt und der damit die Information der Bevölkerung vor Beschlussfassung ausschließt. Die Bevöl­kerung erfährt erst nach der Beschlussfassung des Verfassungsausschusses, dass es überhaupt einen Abänderungsantrag gibt, in dem die Sozialpartnerschaft et cetera verankert sind.

Die Höchstgerichte müssen offene Briefe an den Bundeskanzler schreiben. Der Prä­sident des Verfassungsgerichtshofes bittet in einem Schreiben:

Es war bisher eine Selbstverständlichkeit, wenn unser Verfahren geändert worden ist, dass das im Zuge der Vorbereitungen zumindest mit uns besprochen wird. – Zitatende.

Ist das nicht ein wirkliches Treten der Bundesverfassung mit Füßen, meine Kollegen auf der Regierungsbank, wenn man das so macht? (Abg. Ing. Westenthaler: Der Klubobmann Cap müsste eigentlich jetzt rot werden, wenn er es nicht schon ist!) – Und es geht noch weiter: Die Richter müssen offene Briefe schreiben. Betroffene müssen offene Briefe schreiben.

Wenn sich dann die SPÖ herstellt und sagt, wir verstehen den Protest, dann verstehe ich etwas nicht mehr. Ich weiß nicht, wie sich das bei Ihnen zu Hause am Abend abspielt, Herr Klubobmann Cap. Stellen Sie sich vor den Spiegel und sagen Sie sich: Du böser Josef Cap, du böser Klubobmann der SPÖ, heute hast du wieder die Opposition mit Füßen getreten, damit du dich bei der Stelle beschweren kannst, die dafür zuständig ist!? – Ist das nicht eine gewisse gespaltene Persönlichkeit, wenn der Klubobmann der stärksten Fraktion in diesem Haus, der Regierungsführungspartei SPÖ, sagt: Wir deponieren das bei der Stelle, die dafür zuständig ist!? – Wer ist da die zuständige Stelle, wenn nicht der SPÖ-Klubobmann Cap?

Das würde mich wirklich interessieren, wie sich das bei Ihnen zu Hause am Abend dann abspielt. Stehen Sie dann mit dem Bußgürtel und schlagen sich selbst (Heiterkeit), weil Sie wieder einmal Ihre Versprechen nicht wahrgemacht haben und


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dann hier im Haus sagen: Ich werde mich beschweren!? – Bitte ersparen Sie uns das in Zukunft. Ich meine, das ist nicht lustig. (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

Und was die Krokodilstränen betrifft, die von einzelnen MinisterInnen und Abgeord­neten dann hier geweint werden – das ist schon noch erwähnenswert –: Wenn man so einen maßgeblichen Einschnitt in das rechtsstaatliche System macht, wie den Weg zum Verwaltungsgerichtshof für eine bestimmte Gruppe von Menschen in Österreich grundsätzlich auszuschließen, zum Verwaltungsgerichtshof, den es unabhängig seit mehreren Jahrzehnten – bis auf die Nazi-Zeit, da war er ausgeschaltet – in einer Form gibt, wo von niemandem und nirgendwo Kritik an seiner Unabhängigkeit geübt worden ist – und das für Asylwerberinnen und Asylwerber einfach mit einem Federstrich außer Kraft zu setzen, ist ein massiver Einschnitt in unser rechtsstaatliches System –, dann ist es ganz „schrecklich“ und ganz „furchtbar“, wenn dann einzelne Abgeordnete Krokodilstränen weinen. – Im Ausschuss hat kein Einziger dieser Abgeordneten auch nur eine Frage an die Experten gestellt, sich beim Hearing beteiligt, und es ist von ihrer Seite keine einzige kritische Wortmeldung gekommen, daher: Bitte ersparen Sie sich auch diese Krokodilstränen! – Zur Erinnerung: Dieser Ausdruck, dieses Bild kommt nämlich daher, dass die Krokodile, wenn sie ihre Opfer zerbeißen, aus Kraftan­stren­gung Tränen zerdrücken. Ich glaube, das können Sie sich in Zukunft auch sparen. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt schauen wir uns noch einmal an, was da inhaltlich herausgekommen ist. – Die Vorgangsweise ist, glaube ich, unter jeder Kritik, und das Hohe Haus wird massiv kritisiert von Kommentatoren, von Juristen, von Höchstgerichtspräsidenten. Aber schauen wir uns einmal an, was inhaltlich herausgekommen ist.

Versprochen war Folgendes: Zeitgemäße Grundrechtsreform – ich habe noch nichts davon gesehen –, insbesondere soziale Grundrechte – ich habe noch nichts davon gesehen –, Neuordnung der Kompetenzen, eine der größten Herausforderungen, vor denen die Republik steht, eine Neuordnung des Föderalismus – ich habe noch nichts davon gesehen, gibt’s nicht; ich bin auch sicher, dass da nichts kommen wird –, Ausbau des Rechtsschutzes – es gibt keinen Ausbau des Rechtsschutzes, es gibt vielmehr einen Abbau des Rechtsschutzes –, und Ausbau der demokratischen Kon­trolle – es gibt keinen Ausbau der demokratischen Kontrolle; der Ausbau der demo­kratischen Kontrolle ist abgesagt, sogar hier im Hohen Haus! Im Geschäfts­ord­nungskomitee ist der Ausbau der Kontrolle abgesagt, die Gespräche sind für beendet erklärt worden.

Ich darf nur zitieren, wie das medial beurteilt wird:

„Ganz hurtig hat die Regierungsmehrheit kürzlich die Verlängerung der Legislatur­periode auf fünf Jahre beschlossen. Eine Maßnahme, die vor allem der Regierung nützt. Die aber, so hat man uns hoch und heilig versprochen, durch einen Ausbau der Minderheitenrechte im Parlament kompensiert werden sollte.

Nun stellt sich heraus, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wird. Mit dem Ergebnis, dass die Regierung mächtiger ist als je zuvor, ...“ – „Es lebe das Hohe Haus“, Herr Klubobmann Schüssel! – „Eine jämmerliche demokratiepolitische Bilanz“, so schreiben die „Salzburger Nachrichten“ in einem sehr treffenden Kommentar.

Was haben also inhaltlich die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich von diesem Verfas­sungspaket bekommen? – Die Verlängerung der Legislaturperiode, keine einzige Aufwertung einer direktdemokratischen Möglichkeit. Sogar Volksbegehren, die kurz vor Ende einer Legislaturperiode eingebracht werden, verfallen weiterhin. Nicht einmal diese winzige, kleine Aufwertung von direktdemokratischen Instrumenten gibt es, ge­schweige denn Kontrollrechte des Parlaments, geschweige denn Kontrollrechte des Rechnungshofes, geschweige denn „gläserne Parteikassen“.


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Herr Klubobmann Schüssel, Sie stellen sich jetzt hier her und verteidigen Intrans­parenz. – Ich bin sehr wohl der Meinung, dass die Bevölkerung ein Anrecht darauf hat zu wissen, was Abgeordnete in ihrer Freizeit von welchem Unternehmen für welche Tätigkeit bekommen. Ich glaube, dass es tatsächlich ein Interessenkonflikt sein kann, wenn man für einen großen Energieriesen tätig ist und dann hier im Hohen Haus für erneuerbare Energien aufstehen soll. Wenn Sie da keinen Interessenkonflikt sehen, dann tut mir das leid. (Beifall bei den Grünen.)

Und die wirklich entscheidende Frage ist auch abgesagt. Diese ist nämlich nicht die Frage der Nebeneinkünfte der Abgeordneten, sondern das sind die „gläsernen Partei­kassen“. Da sind Beträge von 1,5 Millionen € im Jahr, wo niemand weiß, woher diese kommen, wo immer gesagt wird, der Rechnungshof kontrolliert das. – Der Rech­nungshof kontrolliert da gar nichts! Der Rechnungshof ist da so etwas wie ein Postamt: Der bekommt die Liste und kann nicht einmal nachprüfen, ob das stimmt, was da drinnen steht, und gibt das weiter an die „Wiener Zeitung“.

Niemand kann das kontrollieren, und ich glaube, hier liegt vieles im Argen, wo die Untersuchungsausschüsse, die ja leider abgewürgt worden sind – auch so ein „Es lebe das Parlament!“-Beispiel –, noch viel zur Aufklärung hätten beitragen können.

Ich fordere Sie in aller Form auf: Wenn Sie wirklich daran Interesse haben, dass das Ansehen der österreichischen Politik nicht weiter sinkt (Vizekanzler Mag. Molterer: Dann halten Sie gute Reden!), dann machen Sie Ihre Parteikassen öffentlich! Dann sagen Sie, von welchen Unternehmen Sie für welchen Zweck welche Summe bekom­men haben! – Ich glaube, das wäre ein guter Beitrag für demokratische Kontrolle und für Transparenz. (Beifall bei den Grünen.)

10.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichten­bauer zu Wort. Ebenfalls 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.40.09

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im heutigen „Morgenjournal“ war Professor Mayer zu hören, der treffsicher die heutige Verfas­sungsdebatte a priori denkend und würdigend so bezeichnet hat:

Das, was heute zur Debatte steht, ist ein „Eselstritt gegen den Rechtsstaat“.

Ich kann das nur unterstreichen: Ja, es ist ein Eselstritt gegen den Rechtsstaat! Aber nicht deswegen, ... (Ruf bei der ÖVP: ... Rechtsanwalt!) – Sie können vielleicht eines Tages froh sein über einen Rechtsanwalt, wenn Sie einen solchen brauchen. Das wissen Sie nicht! Genauso, wie man vielleicht morgen einen Zahnarzt braucht. Das kann man alles nicht sagen! – Aber lenken Sie nicht von der Hauptsache ab, Herr Kollege.

Der Eselstritt gegen den Rechtsstaat – wo Sie ein Mitreiter dieses Esels sind, darf ich nur sagen –, ist ein solcher nicht wegen des Asylgerichtshofes, den wir Freiheitliche sehr unterstützen. Aber was verbirgt sich in dieser „grandiosen“ Novelle, die hier eingebracht wurde, und zwar überfallsartig und ohne Begutachtungsverfahren und ohne substantielle Auseinandersetzung? – Eine Menge von Übeltaten, die hier leider nur in aller Kürze beschrieben werden können.

Erstens, es wird verfügt:

„Personen können zur selbständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die in ihrem ausschließlichen oder überwiegenden gemeinsamen Interesse gelegen und geeignet sind, ...“ zur Selbstverwaltung „... zusammengefasst werden.“


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann Sie künftig also als die sogenannten Zusammengefassten bezeichnen. Allein dieser terminologische Ausdruck ist etwas, dass einem die Grausbirnen aufsteigen.

Dann der Abs. 2 von Artikel 120a: 

„Die Republik anerkennt die Rolle der Sozialpartner.“ – Na, das ist eine „großartige“ Verfassungsnorm! – „Sie achtet deren Autonomie und fördert den sozialpartner­schaftlichen Dialog durch die Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern.“

Ich habe im Verfassungsausschuss schon Ursache gehabt zu erwähnen: Kelsen und auch Renner würden sich bei solchen Verfassungsformulierungen im Grabe um­drehen! – Diese Verfassungsrechtschreibungskultur ist mit diesem einen Satz wieder mit einem Eselstritt versehen worden.

Nun, auch im Verfassungsausschuss habe ich schon – zur Empörung der dortigen Regierungsvertretung – Anlass gehabt, darauf zu verweisen, dass diese Implemen­tierung Ursache gibt, an die ständische Verfassung des Jahres 1934 zu denken. Ich verstehe schon, dass seitens der ÖVP Protest dagegen erhoben wird, denn das Bundesgesetzblatt Nummer 239/1934 trägt schließlich die Unterschrift des Herrn Dollfuß, der in diesem Haus nicht allseits beliebt ist. Und wenn Sie noch dazu beden­ken, dass der Bericht des Verfassungsausschusses auf das Vorblatt der Regierungs­vorlage verweist, dass „entsprechend dem Regierungsprogramm ... zur Formulierung der notwendigen Rechtstexte beim Bundeskanzleramt eine Expertengruppe einge­richtet“ worden ist, so lässt das auch an das Jahr 1934 mit dieser Verfassung denken (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner), denn auch dort ist im Kommentar über die dort eingerichteten Organe der Bundesgesetzgebung zu lesen, dass der zweite Abschnitt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner) – Herr Kollege, lassen Sie sich doch etwas erzählen!; Sie wissen manche Sachen nicht, die Sie von mir hören können! – nähere Bestimmungen enthalte, von denen Artikel 50 hervorzuheben sei, demzufolge die Sitzungen der vorberatenden Organe nicht öffentlich seien. – Das war nämlich alles nicht öffentlich, was wir von dieser Expertengruppe bekommen haben.

Damit solle das bisher beliebte Zum-Fenster-hinaus-Reden verhindert werden, wie schon der Kanzler bei der Kundgebung am Trabrennplatz gesagt habe – das ist übrigens jene Kundgebung gewesen, bei der die Korneuburger Eide erneuert worden sind – :

„Wir haben nicht die Absicht, auch in der neuen Verfassung Möglichkeiten für Dema­gogie und parteipolitische Hegemonie“, wie sie bisher gewesen sei, „frei zu lassen.“

Dieser Geist atmet – Sie können dagegen protestieren, wie Sie wollen –, denn: Wenn man in eine Verfassung die Sozialpartnerschaft implementiert, so hat das in Wahrheit nichts mit Selbstverwaltung zu tun, sondern mit Ausübung politischer Herrschafts­strukturen, die wir kennen! (Beifall bei der FPÖ.)

Nächster Punkt: Es wird berühmt, dass aus dem Vorhaben, einen Justizanwalt zu schaffen, ein Residuum übrig geblieben ist, demzufolge die Volksanwaltschaft bei Beschwerden in einem bestimmten Fall oder aus Anlass eines bestimmten Falles berechtigt wäre, einen auf Beseitigung eines Säumnisses gerichteten Fristsetzungs­antrag zu stellen sowie Maßnahmen der Dienstaufsicht anzuregen.

Bitte, der Protestbrief der Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und der Präsidenten der Oberlandesgerichte ist nicht vom Tisch zu wischen, der ist sehr berechtigt, denn: Mit dieser Verfassungsbestimmung räumen Sie einer Stelle, einer Dienststelle, die kraft Verfassung eingesetzt ist, Parteienrechte ein – und das ist ein Verstoß gegen die Trennung der Gewalten! Und wer etwas anderes sagt, sagt bewusst die Unwahrheit. Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren. Das ist ein Eingriffsrecht, das hiermit


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eingeräumt wird. Und wenn man sich damit beschäftigt, bestünde die Pflicht, nicht camouflierend drüberzufahren.

Schließlich und vor allem soll natürlich der Artikel 50 Abs. 2 erwähnt werden, das vereinfachte Verfahren:

„Sieht ein Staatsvertrag seine vereinfachte Änderung vor, so bedarf eine solche Änderung nicht der Genehmigung nach Abs. 1, sofern sich diese der Nationalrat nicht vorbehalten hat.“

Das steht im direkten korrespondierenden Zusammenhang mit dem Vorhaben des EU-Reformvertrages, wo ja die vereinfachte Vertragsänderung an den Rat delegiert werden soll. Das steht also in einem eindeutigen Zusammenhang, und damit erfolgt eine klare Aushöhlung der Verfassung und Verletzung des demokratischen Prinzips.

Schließlich und vor allem wird großer Ruhm auf die Vorlage gegossen, weil sie zu einer Verfassungsbereinigung führt. – So weit, so gut. Aber was mich stört und was eigentlich die Sozialdemokratische Partei viel stärker stören sollte, ist als § 1 Abs. 1 vorgesehen, dass nämlich der § 6 des Adelsaufhebungsgesetzes aufgehoben werden soll.

Ich frage Sie: Wozu soll das dienen? – Das ist ein politisches Signal, dem wir schärfs­tens entgegentreten (Beifall bei der FPÖ), weil erstens das gesamte Adelauf­hebungs­gesetz verfassungsgesetzlichen Inhalt hat, das ist ein gesamtes Verfas­sungsgesetz. Und jetzt wieder aus diesem Gesamtverfassungsgesetz, das aus sieben Paragraphen besteht, den § 6 – welcher lautet: „Alle mit diesem Gesetz in Widerspruch stehenden Vorschriften treten außer Geltung“ – herauszulösen und für aufgehoben zu erklären, das ist ein seltsames politisches Signal, das nach Auffassung republikanischer Überzeugungen nicht nachvollziehbar ist.

Ich fasse zusammen: Das ist kein Freudentag, geschweige denn ein Jubeltag für die Verfassungsentwicklung Österreichs. Es sind diverseste schwerste Eingriffe, die schwer zu kritisieren sind und deren Diskussion mit dem heutigen Tag, an dem die große Koalition das durchpeitschen wird, nicht ihr Ende finden wird. Ich halte noch einmal fest: Dass der den Asylgerichtshof betreffende Teil ein wertvoller ist, ist von uns zu unterstreichen, aber das Übrige hätten Sie sich sparen können. (Beifall bei der FPÖ.)

10.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.49.33

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat schon sehr klar und verständlich auf einige Probleme in diesem Gesetz beziehungsweise bei dieser Vor­lage hingewiesen. Kollege Cap hat Selbstkritik geübt und eingestanden, dass hier bei der Vorinformation einiges falsch gelaufen ist.

Ich fürchte nur, Kollege Cap, dass diese Selbsterkenntnis in diesem Fall nicht der erste Weg zur Besserung ist, denn wir haben ja das schon mehrfach gehabt. Sie haben zwar in der Zeit der vorigen Regierung immer wieder kritisiert, dass kurzfristig – das war aber sehr, sehr selten – Abänderungsanträge gekommen sind, und jetzt ist das schon an der Tagesordnung, und sogar bei diesen wichtigen Fragen der Bundesverfassung.

Ich erinnere daran, wie wir damals, 2000 und folgende Jahre, an diese Materie heran­gegangen sind. Wir haben einen Verfassungskonvent eingesetzt, wo alle gesellschaft­lich relevanten Gruppen vertreten gewesen sind – alle, auch die Opposition, die Ver-


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treter der Höchstgerichte, private Organisationen, die Sozialpartner –, und wir haben 19 Monate in sehr intensiven Debatten über diese Verfassungsreform diskutiert, auch viele Lösungsvorschläge erarbeitet. Es ist leider am parteipolitischen Veto der SPÖ-Parteizentrale gescheitert, weil man gesagt hat: Das ist ein Vorteil für die Regierung, da können wir nicht zustimmen; wir machen das dann schon selber, wenn wir in der Regierung sind.

Ja, und wie Sie das machen, sehen wir jetzt: Es gibt keinen Konvent mehr. Es gibt keine Ausschussbehandlungen mehr, die diese Bezeichnung auch wirklich verdienen, sondern es wird im stillen Kämmerlein in einem Expertenkreis hier etwas ausver­handelt, was dann scheibchenweise zum Teil fünf Minuten vor Ende der Debatten in den Ausschüssen als Anträge dort eingebracht und vorgelegt wird.

Ich sage Ihnen ganz offen, wir werden bei den Abstimmungen sehr differenziert agieren, denn manches ist positiv, wie etwa die Verfassungsbereinigung, nur: Das ist kein großes Kunstwerk, denn der Verfassungskonvent hat das schon vorgelegt. Es ist ja interessant: Fast 1 000 Verfassungsbestimmungen haben große Koalitionen mit Verfassungsmehrheit unter Missbrauch der Bundesverfassung in dieser verankert, um die Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes auszuschließen. Das wird jetzt bereinigt. – Positiv!

Aber eines fehlt wieder einmal, nämlich dass es auch für die Zukunft ausgeschlossen ist, dass, so wie wir es jetzt wieder haben, eine Regierung mit Zweidrittelmehrheit Ein­fachgesetze in den Verfassungsrang hebt, damit der Verfassungsgerichtshof nicht prüfen kann. (Abg. Parnigoni: Mehrheit ist Mehrheit!) – Herr Kollege, wunderbar, danke für diese Offenheit! Für die Fernsehzuschauer zu Hause: Herr Abgeordneter Parnigoni von der SPÖ sagt: „Mehrheit ist Mehrheit!“ – Aha. Also wenn wir hier eine Zweidrittelmehrheit haben, dann interessiert uns keine Kontrolle mehr, dann inter­essiert uns kein Verfassungsgerichtshof. (Abg. Ing. Westenthaler: Da fahren wir drüber!)

„Mehrheit ist Mehrheit!“ – wunderbar, ein größeres Eingeständnis einer Uraltpolitik einer großen Koalition hätte es gar nicht mehr gebraucht. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und FPÖ.)

Zum Asylgerichtshof. Ja, meine Damen und Herren, wir sind für diesen Asylgerichts­hof. Er ist notwendig. 4 000 Fälle liegen derzeit beim Verwaltungsgerichtshof uner­ledigt, und das ist ja mit ein Grund für die lange Dauer der Asylverfahren. Es sind ja nicht die Asylanten, die dafür verantwortlich sind, sondern die werden ja gut beraten. Gut beraten werden sie von Anwälten, wie wir schon gehört haben, aber vor allem die NGOs, die sich jetzt über den Asylgerichtshof so aufregen, beraten hier – ich nehme an, dass sie das auch finanzieren – in der Weise, dass die Asylanten, die wissen, dass sie keinen Asylgrund haben, alle Instanzen durchlaufen, um möglichst lange hier­bleiben zu können. Und zum Schluss sagt man dann: Jetzt sind sie schon so lange da, jetzt müssen sie dableiben, auch wenn sie keinen Asylgrund haben.

Nein, meine Damen und Herren! Der Grundsatz muss durchgesetzt werden: Asyl jenen, aber nur jenen, die es wirklich brauchen, die Asylgründe haben, und ein absolutes Nein zum Missbrauch des Asylrechtes, auch wenn das Verfahren über eine lange Dauer geht! (Beifall beim BZÖ.) Und das Asylgericht soll diese Verkürzung der Verfahren bringen.

Wenn dann gesagt wird, das ist eine Beschneidung der Rechte: Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs hat es sehr offen dargestellt, dass nur 14 Prozent der Asyl­bescheide aufgehoben werden, und von denen führt dann nur ein Bruchteil zu einem wirklich positiven Asylbescheid.


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Wir haben nur einige Kritikpunkte, etwa beim Anforderungsprofil für die Asylrichter.

Deshalb bringe ich auch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Westenthaler ein, der verteilt wird und den ich im Zuge meiner Rede in seinen Grundzügen erläutern werde.

Für die Richter beim Asylgerichtshof etwa wollen wir ein schärferes, ein stärkeres Anforderungsprofil.

Nächster Punkt: der Artikel 50 B-VG, der schon angesprochen wurde. Die Regie­rungs­parteien sagen, das vereinfachte Verfahren in EU-Angelegenheiten ist keine Be­schneidung. Das ist sehr kompliziert, ich werde versuchen, das verständlich hier darzu­legen: Bis jetzt war es so, dass es vor jeder Ratifizierung eines EU-Vertrages hier im Parlament ein Ermächtigungsgesetz gegeben hat. (Abg. Dr. Schüssel: Nicht nur EU, Staatsverträge allgemein!) Ja, ja, über Staatsverträge, richtig. Und Sie, Herr Klubobmann, wissen im Gegensatz zum Klubobmann Strache, der immer sagt: Volks­abstimmung über den Reformvertrag!, dass es in der österreichischen Bun­des­verfas­sung nicht möglich ist, über Staatsverträge eine Volksabstimmung durch­zufü­hren, sondern nur über Gesetzesbeschlüsse.

Aber genau diese Möglichkeit nehmen Sie jetzt, dass es vor Ratifizierung eines jeden Staatsvertrages fünf Abgeordneten möglich ist, über dieses Gesetz, über dieses Ermächtigungsgesetz, eine Volksabstimmung zu verlangen. Genau das steht jetzt in dieser Änderung der Bundesverfassung. Sie nehmen vor allem der Opposition die Möglichkeit, nach Ende des Gesetzgebungsverfahrens eine Volksabstimmung zu beantragen.

Sie fragen immer nur: Was haben Sie an Alternativen? – Ja, wir haben eine Alter­native, auch in diesem Abänderungsantrag, um das zu bereinigen. Wir wollen den Artikel 43 B-VG dahin gehend ändern, dass es in Zukunft auch möglich sein soll, über völkerrechtliche Verträge, deshalb auch über EU-Verträge, auf Antrag des Hohen Hauses direkt Volksabstimmungen durchzuführen. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn Sie so für die Rechte der Bevölkerung sind – und das hat nichts mit der repräsentativen Demokratie zu tun, sondern das ist nur eine Ausweitung der Möglichkeiten in der Bundesverfassung, Volksabstimmungen zu beantragen, nämlich eine Ausweitung auf völkerrechtliche Verträge –, dann werden Sie diesem Vorschlag auch zustimmen.

Ein kleiner Nebenaspekt für unsere Neutralitätsverteidiger, die das zumindest immer wieder behaupten zu sein: In dieser Verfassungsnovelle ist auch eine kleine Adap­tierung des Artikels 23f B-VG aus dem Jahr 1998 enthalten. Was steht da drinnen, meine Damen und Herren vor allem von der SPÖ? Da geht es letztlich darum, dass Österreich berechtigt ist – und das gilt schon seit fast zehn Jahren, meine Damen und Herren –, an Kampfeinsätzen bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaf­fender Maßnahmen, also gegen den Willen einer der Streitparteien, teilzunehmen, auch ohne UNO-Mandat.

Wenn Sie den Kommentar zur Bundesverfassung lesen – was ab und zu ganz gut ist, die Bundesverfassung auch zu lesen –, sehen Sie, dass der Verfassungsrechtsexperte Mayer sagt: Mit diesem Artikel 23f wird dem Neutralitätsgesetz materiell weitgehend derogiert. Das heißt, die Neutralität wird weitgehend aufgehoben. – Vor zehn Jahren haben Sie das gemacht, meine Damen und Herren, Kampfeinsätze zur Friedensschaf­fung auch ohne UNO-Mandat als Möglichkeit in der österreichischen Bundesverfas­sung verankert. Wo da Ihre so wichtige Neutralität geblieben ist, das wage ich hier zu fragen – ich werde keine befriedigende Antwort bekommen. (Beifall beim BZÖ.)


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Und letztlich, meine Damen und Herren, die Sozialpartner in der Bundesverfassung. Ja, da waren Sie auch sehr offen, und ich bedanke mich wirklich bei Ihnen, Herr Abge­ordneter Cap, weil Sie das sehr offen gesagt haben: Da gab es die Realverfassung, und die schreiben wir halt jetzt in die Verfassung hinein. – Ja, aber da hätten wir uns doch wenigstens gewünscht, dass Sie sagen, wer denn diese Sozialpartner sind. Das steht nämlich nicht in der Verfassung drinnen. Wer ist das? Die sollen Rechte haben, verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte, es steht aber nur drinnen: die Sozial­partner.

Ich habe dann danach gefragt. Frau Staatssekretärin Silhavy hat mir keine Antwort gegeben, und Kollege Cap hat gesagt, das sind vier oder fünf. – Also wir wissen nicht, wer es ist, aber wir wissen, es gibt vier oder fünf. Und das steht in unserer Bundes­verfassung drinnen, eingekleidet in die Bestimmung über Selbstverwaltungskörper, wo übrigens auch nicht dabei steht, wer das sein soll. Da steht nur: Personen können zu Selbstverwaltungskörpern zusammengefasst werden – wer das ist, weiß man nicht –, und die können auch mit Vollzugsaufgaben, Kontrollaufgaben bedacht werden. Also man könnte zum Beispiel den Herrschaften auf der Anklagebank im BAWAG-Prozess Aufgaben der Bankenaufsicht übertragen, wenn man diese als Selbstverwaltungs­körper definiert. Laut Bundesverfassung möglich, Herr Kollege Cap.

Also das kann doch wirklich nicht sinnvoll sein. Sie verankern aus irgendwelchen Gründen Sozialpartnerschaft in der Bundesverfassung, damit wahrscheinlich auch die Zwangsmitgliedschaft, ohne überhaupt einmal zu definieren, wer denn das überhaupt ist. Es können hier Rechte an Personenverbindungen gegeben werden, ohne dass definiert ist, wer denn das überhaupt ist. Ich will nicht so weit gehen zu sagen, dass das Ständestaat ist, aber das ist ein Rückschritt ins Mittelalter zu den Zunftordnungen, die es damals gegeben hat. Das haben Sie in dieser großen Koalition geschaffen. „Großartig“, da kann man wirklich nur gratulieren. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben hier einen Abänderungsantrag eingebracht, um auch diesen Sozialpartner­schaftsparagraphen herauszunehmen. Man hat immer gesagt, Lösungen großer Probleme brauchen große Mehrheiten im Parlament. Also wenn das die Lösung großer Probleme ist und das Ihre Lösungskompetenz, dann sage ich Ihnen, Herr Kollege Parnigoni, dann ist diese Regierungsmehrheit in diesem Hohen Haus zu groß und gehört reduziert. (Beifall beim BZÖ.)

10.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Scheib­ner eingebrachte Abänderungsantrag wurde in seinen Kernpunkten erläutert. Ich lasse ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung zur Verteilung bringen; er steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Ing. Westenthaler und Kollegen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 betreffend Bericht des Verfassungs­ausschusses über die Regierungsvorlage (314 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungs­rechtsbereinigungsgesetz erlassen wird (370 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (314 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechts­bereinigungsge-


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setz erlassen wird in der Fassung des Berichts des Verfassungsausschusses (370 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 werden nach Z. 12 folgende Z.12a und 12b eingefügt:

„12a. Der bisherige Wortlaut von Art. 43 erhält die Absatzbezeichnung ,(1)‘.

12b. In Art. 43 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 2 eingefügt:

,(2) Einer Volksabstimmung ist jeder gemäß Art. 50 Abs. 1 Z. 2 genehmigte Staats­vertrag vor Abschluss des Verfahrens nach Art. 50 Abs. 4, jedenfalls aber vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten zu unterziehen, wenn es der Nationalrat beschließt oder die Mehrheit der Mitglieder des Nationalrates es verlangt.‘

2. Artikel 1 Ziffer 22 bis 25 entfallen. Die bisherigen Ziffern 26 bis 42 erhalten die Ziffernbezeichnungen ,22‘ bis ,38‘.“

3. Artikel 1 bisherige Ziffer 28 (Z 24 neu) lautet:

„24. Abschnitt B des sechsten Hauptstückes lautet:

,B. Asylgerichtshof

Artikel 129c. Der Asylgerichtshof erkennt nach Erschöpfung des Instanzenzuges

1. über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen,

2. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten der Z 1.

Artikel 129d. (1) Der Sitz des Asylgerichtshofes ist die Bundeshauptstadt Wien; die Errichtung von Außenstellen ist zulässig.

(2) Der Asylgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern. Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder des Asylgerichtshofes ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung. Die Bundesregierung erstattet ihre Vorschläge, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder des Vizepräsidenten handelt, auf Grund von Dreiervorschlägen der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofes.

(3) Alle Mitglieder des Asylgerichtshofes müssen das Studium der Rechts­wis­senschaften oder die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien abgeschlossen haben und zumindest über eine zehnjährige juristische Berufserfahrung verfügen. Wenigstens der dritte Teil der Mitglieder muss die Befähigung zum Richteramt haben, wenigstens der vierte Teil soll aus Berufsstellungen in den Ländern, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder oder aus dem Bereich des Asyl-, Fremden- oder Ausländerbeschäftigungsgesetzes entnommen werden.

(4) Die Mitglieder des Asylgerichtshofes sind Richter. Art. 87 Abs. 1 und 2 und Art. 88 Abs. 1 und 2 sind sinngemäß anzuwenden.

Artikel 129e. (1) Der Asylgerichtshof erkennt durch Einzelrichter oder in Senaten, die von der Vollversammlung oder einem aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, in dem der Präsident den Vorsitz führt, aus den Mitgliedern des Asylgerichtshofes zu bilden sind. Rechtsfragen, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen werden würde, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beant­wortet wird, sowie Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von Verfahren stellen, sind auf Antrag des Einzelrichters oder Senates in einem verstärkten


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Senat zu entscheiden (Grundsatzentscheidung). Auf Antrag des Bundesministers für Inneres ist eine Grundsatzentscheidung zu treffen.

(2) Die Geschäfte sind durch die Vollversammlung oder deren Ausschuss auf die Einzelrichter und die Senate für die durch Bundesgesetz bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen. Eine nach dieser Geschäftsverteilung einem Mitglied zufallende Sache darf ihm nur im Fall seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden, wenn es wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.

(3) Art. 89 gilt sinngemäß auch für den Asylgerichtshof.

Artikel 129f. Die näheren Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des Asylgerichtshofes werden durch Bundesgesetz getroffen.‘“

4. Artikel 1 bisherige Ziffer 42 (Z 38 neu) lautet:

„38. Dem Art. 151 werden folgende Abs. 38 bis 40 angefügt:

,(38) Art. 2 Abs. 3, Art. 3 Abs. 2 bis 4, Art. 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3 zweiter und dritter Satz, Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 23f Abs. 1 letzter Satz und Abs. 3, Art. 43 Abs. 1 und 2, Art. 50, Art. 52 Abs. 1a, der sechste Unterabschnitt des Abschnittes A des dritten Hauptstückes, Art 67a, Art. 88 Abs. 1, Art. 90a, Art. 134 Abs. 6, Art 148a Abs 3 bis 5 und Art. 148c letzter Satz in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xx/200x treten mit 1. Jänner 2008 in Kraft.

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des sechsten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundes­verfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xx/200x treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

1. Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asyl­gerichtshof.

2. Bis zur Ernennung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der sonstigen Mitglie­der des Asylgerichtshofes üben der bisherige Vorsitzende, der bisherige Stell­vertretende Vorsitzende und die bisherigen sonstigen Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates deren Funktionen aus. Die für die Ernennung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der sonstigen Mitglieder des Asylgerichtshofes erforderlichen Maßnahmen sowie die Aufnahme von nichtrichterlichen Bediensteten können bereits mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xx/200x erfolgen.

3. Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die sich um die Ernennung zum Mitglied des Asylgerichtshofes bewerben und die persönliche und fachliche Eignung für die Ernennung aufweisen, haben ein Recht auf Ernennung; die Voraussetzungen des Art. 129d Abs. 3 gelten für solche Bewerber als erfüllt. Über die Ernennung solcher Bewerber entscheidet die Bundesregierung nach Anhörung der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofes.

4. Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfas­sungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

5. Mit Ablauf des 31. Dezember 2007 ist in Verfahren, die beim unabhängigen Bundes­asylsenat anhängig sind, eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht


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nicht mehr zulässig. Beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängige Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den unabhängigen Bundesasylsenat gelten mit Ablauf des 30. Juni 2008 als eingestellt; die Verfahren, auf die sich die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht bezieht, sind vom Asylgerichtshof weiter­zuführen.

(40) Art. 27 Abs. 2, Art. 92 Abs. 2, Art. 122 Abs. 5, Art. 134 Abs. 4 und 5 sowie Art. 147 Abs. 4 erster Satz und Abs. 5 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xx/200x treten mit Beginn der XXIV. Gesetzgebungsperiode in Kraft. Auf Personen, die am Beginn der XXIV. Gesetzgebungsperiode bereits eine Funktion im Sinne des Art. 92 Abs. 2, Art. 122 Abs. 5, Art. 134 Abs. 4 und 5 sowie Art. 147 Abs. 4 erster Satz und Abs. 5 ausüben, sind diese Bestimmungen in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.‘“

Begründung:

Zu Ziffer 1:

In den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage wurden die, bislang die Grundlage für eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union bildenden besonderen Bundesverfassungsgesetze als entbehrlich bezeichnet, weil hiefür mit Art. 50 Abs. 2 iVm Abs. 4 eine generelle Ermächtigung geschaffen wurde.

Nach Ansicht des unterzeichneten Abgeordneten wird damit dem Nationalrat aber die Möglichkeit genommen, Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, im Bedarfsfall einer Volksabstimmung zu ent­ziehen.

Mit dem ggstdl. Abänderungsantrag soll diese Möglichkeit gewahrt bleiben.

Zu Ziffer 2.:

Aus Sicht der unterzeichneten Abgeordneten stellen die vorgeschlagenen Bestim­mungen einen bedenklichen und demokratisch unlegitimierten Anschlag auf die Selbst­bestimmungsfähigkeit und Freiheit der Österreicherinnen und Österreicher dar. Ihre Einführung erinnert an ein längst überwunden geglaubtes mittelalterliches Zunftwesen.

Sie sollen daher entfallen.

Zu Ziffer 3.:

Die Vorlage wird durch den ggstdl. Abänderungsantrag in folgendem wesentlichen Punkt abgeändert bzw. ergänzt:

Verschärfung der Ernennungskriterien der Asylrichter.

Die vorliegende Neuregelung der Ernennungskriterien ist im wesentlichen jenen Kriterien nachgebildet, welche für die Ernennung der Richter des Verwaltungs­gerichtshofes selbst gelten. Da der Asylgerichtshof eine ähnliche Aufgabe wie der Verwaltungsgerichtshof wahrnehmen soll, und sohin offensichtlich dessen Entlastung dient, ist nicht einsichtig, warum bei der Ernennung seiner Mitglieder andere Kriterien gelten sollen. Insbesondere das Vorschlagsrecht der Vollversammlung des Verwal­tungsgerichtshofes bietet nach Ansicht des unterzeichneten Abgeordneten Gewähr für die Einhaltung jener hohen Standards, die für den Verwaltungsgerichtshof gelten.

Zu Ziffer 4:

Die Vorlage wird durch den ggstdl. Abänderungsantrag in folgendem wesentlichen Punkt abgeändert:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 59

Mitwirkungsrecht der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofes bei der erst­maligen Ernennung der Mitglieder des Asylgerichtshofes.

In Weiterverfolgung des vorgeschlagenen Ernennungsmodus unter Beteiligung des Verwaltungsgerichtshofes scheint es nur konsequent, diesen auch anlässlich der erstmaligen Ernennung der Asylrichter einzubinden. Durch die vorgeschlagene Rege­lung werden die sonst unverändert von der Regierungsvorlage übernommenen Anwart­schaftsrechte der Mitglieder des Bundesasylsenates systemkonform gewahrt.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Bundeskanzler Dr. Gusen­bauer zu Wort. Die vereinbarte Redezeit beträgt 12 Minuten. – Bitte, Herr Bundes­kanzler.

 


11.00.05

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein umfassendes Verfassungspaket, das im Wesentlichen das Ergebnis der Diskussionen des Konvents ist, denn der Konvent hat ja seine Arbeit abgeschlossen, und es gibt daher eine Expertengruppe, die versucht, aus diesem Konventergebnis Vorschläge zu erarbeiten, die dann der parlamentarischen Behand­lung zugeleitet werden. Klarerweise hat vor dieser Zuleitung ein Begutachtungs­verfahren stattgefunden, bei dem sich allerdings herausgestellt hat, dass eine grund­sätzliche Reform der Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit zumindest noch über zwei Jahre dauern würde.

Daher hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, den Bereich des Asylgerichts­hofes vorzuziehen, um genau jene Situation zu bewältigen, vor der wir stehen: dass es einen Rückstau von zirka 34 000 offenen Asylverfahren gibt, davon allein 4 000 beim Verwaltungsgerichtshof. Diese Verfahren dauern mehrere Jahre, und die dadurch entstehende Situation ist unerträglich. Daher wollten wir nicht bis zum Jahr 2010 warten, sondern sind sofort eine Lösung dieser Frage angegangen.

Der Rückstau an offenen Asylverfahren soll bis zum Jahr 2010 abgebaut werden. Die Asylverfahren sollen von der Antragstellung bis zum endgültigen Abschluss, wenn mög­lich, nicht länger als 18 Monate dauern. Es wäre auch möglich gewesen, mit einer Personalaufstockung zu operieren, aber nach genauerer Analyse haben wir fest­gestellt, dass das alleine nicht ausreichen wird. (Präsident Dr. Spindelegger über­nimmt den Vorsitz.)

Worum geht es denn eigentlich bei einem Asylverfahren? – In diesem Bereich kommt der Beweiswürdigung eine bedeutend größere Bedeutung zu als in allen anderen Verfahren, weil es letztendlich darum geht, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers zu beurteilen. Daher geht es darum, ein Verfahren zu gewährleisten, das zum einen den rechtsstaatlichen Standards standhält und zum Zweiten auch dazu führt, dass es in dementsprechenden Zeiträumen abgewickelt wird.

Die Asylverfahren – und es ist nichts Besonderes, das festzustellen – sind von sehr hohen Berufungsquoten gekennzeichnet. Man muss wissen, dass derzeit die Berufungs­quoten 90 Prozent betragen. Und 50 Prozent der Asylwerber, die einen negativen Bescheid des UBAS haben, erheben dann Beschwerde beim Verwaltungs­gerichtshof. Nun kann bisher der Verwaltungsgerichtshof nur so weit gehen, dass durch die Aufhebung wieder ein Ersatzbescheid des UBAS hervorgerufen wird. Das heißt, rein theoretisch kann es mehrfach zwischen UBAS und Verwaltungsgerichtshof hin- und hergehen, ohne dass es zu einer endgültigen Entscheidung kommt.


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Was sind denn eigentlich die Gründe, die meistens zu diesen Aufhebungen der UBAS-Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof führen? – Die Gründe für die Aufhebung sind vor allem Formalfehler beim Verfahren, und das bedeutet daher keineswegs, dass alle Aufhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof dazu führen, dass dann ein Asyl­werber auch tatsächlich Asyl bekommt.

Ich kann Sie gerne auch mit den Zahlen vertraut machen. In den Jahren 2006 und 2007 stellt sich das wie folgt dar: Im Jahr 2006 betrafen 1 227 Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes Beschwerden gegen UBAS-Bescheide. 77,1 Prozent wurden bestätigt, 22,9 Prozent aufgehoben. Dies bedeutet, es gab im Jahr 2006 281 Bescheid­behebungen. Das sind 2,4 Prozent aller vom UBAS getroffenen Entscheidungen. Es ist im Jahr 2007 im Übrigen nicht viel anders. Die Zahlen liegen vor.

Nun ein Wort zu den Entscheidungen, bei denen aufgrund der Erkenntnisse des Ver­waltungsgerichtshofes Asyl gewährt wurde. Dies waren in den Jahren 2004 bis 2007 genau 41 Fälle, und zwar 41 von 4 740 entschiedenen Fällen. Von diesen 41 Fällen wurde in 23 Fällen zuvor bereits ein Abschiebeschutz ausgesprochen. Das heißt, die Per­sonen sind nicht abgeschoben worden. In einem Fall war die Asylgewährung aufgrund einer Amtsbeschwerde aufgehoben worden, und dann wurde neuerlich Asyl gewährt. Und in 14 Fällen wurde die Würdigung des Sachverhaltes, wie die Situation im Iran oder im Kosovo ist, vom Verwaltungsgerichtshof anders beurteilt, als das beim UBAS der Fall war. (Zwischenruf der Abg. Mag. Brigid Weinzinger.)

Es ist daher meiner Meinung nach nicht korrekt, darauf hinzuweisen, dass mit der neuen Konstruktion bewusst eine Absenkung der Anerkennungsquote betrieben wird, wenn man weiß, wie viele Fälle es in der Realität waren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Novelle, die hier vorliegt, mit der Schaf­fung des Asylgerichtshofes versucht in verschiedensten Bereichen, Bedenken Rech­nung zu tragen. Der Asylgerichtshof wird grundsätzlich in Kammern entscheiden, und zwar in Kammern zu je zwei Richtern. Das ist eine wesentliche Verbesserung zum gegenwärtigen System. Und die gerade im Asylrecht so wesentliche Frage der Beweiserhebung und der Würdigung des Sachverhaltes wird daher hinkünftig nicht mehr von einem Einzelrichter durchgeführt, sondern von einem Senat. Einigen sich die beiden Richter nicht, wird diese Rechtssache an eine Kammer verlagert; diese besteht aus fünf Personen, und die haben dann die Beweiswürdigung und Sachverhalts­ermittlung durchzuführen.

Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommt zu einer echten Ver­bes­serung der rechtlichen Qualität der Verfahren.

Um die Frage gleich gelagerter Fälle besser lösen zu können, haben wir das Institut der Grundsatzentscheidung eingeführt. Diese Grundsatzentscheidung hat der Asyl­gerichtshof immer dann zu erlassen, wenn er von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichende Entscheidungen treffen will. Ich halte das für eine ganz wesentliche Vereinfachung der Verfahren. Und eine Grundsatzentscheidung ist vom Asylgerichtshof in einem aus fünf Personen bestehenden Senat zu be­schließen und anzufordern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit bleibt der Verwaltungsgerichtshof das für Asylrechtsfragen maßgebliche Höchstgericht. Das ist von entscheidender Bedeu­tung. (Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist wohl ein Scherz! Jetzt reicht es aber langsam!) Der Bundesminister für Inneres hat das Recht, eine solche Grundsatzentscheidung beim Asylgerichtshof zu beantragen, wobei wichtig ist, dass diese Antragstellung keine Auswirkung auf den Einzelfall haben wird. Es ist daher völlig unrichtig, davon zu sprechen, dass es hier zu einem Ungleichgewicht im Verfahren kommen wird.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverständlich bleibt, so wie in der Ver­gangenheit, der Instanzenzug auch zum Verfassungsgerichtshof uneingeschränkt aufrecht. Ich bin daher überzeugt, dass wir durch die Aufnahme des Sachverhaltes, durch die Beweiswürdigung in Kammern und die Zuständigkeit des Verwaltungs­gerichtshofes für grundsätzliche Rechtsfragen das Rechtsschutzniveau in Asylfragen nicht nur gehalten, sondern darüber hinausgehend auch gesteigert haben.

Nun zu den Personen und Persönlichkeiten, die dort tätig sind. Die Richter des Asyl­gerichtshofes sind Richter, ausgestattet mit allen richterlichen Garantien, die unsere Bundesverfassung vorsieht: Sie sind unabhängig, unabsetzbar und unversetzbar. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Schon wieder falsch!) Diese Rechtsstellung unter­scheidet sie in keiner Weise von den Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes, des Verwaltungsgerichtshofes oder anderer Gerichte in der Republik Österreich. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Selbstverständlich!)

Es ist richtig, dass wir nicht ausschließlich Justizrichter als Richter im Asylgericht vorsehen. Es ist der Bundesregierung aber wichtig, folgenden Punkt klarzumachen, und den sollten Sie sich merken, Frau Präsidentin Glawischnig, nämlich dass wir der Meinung sind, dass auch Verwaltungsbeamte, die zu Richtern ernannt werden, die­selbe Qualifikation aufweisen wie ihre Kollegen, die im Justizbereich tätig sind. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Aber Ihr Minister sucht sie sich aus!)

Das möchte ich Ihnen auch noch sagen: Es ist im Übrigen noch niemand auf die Idee gekommen, und ich würde es auch nicht raten, dem Präsidenten des Verwaltungs­gerichtshofes die Qualifikation abzusprechen, nur weil er vorher in der Verwaltung tätig war, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Leute, die von der Republik als Richter, ganz gleich wo, ernannt werden, bringen die Qualifikation, damit sie ihrer Arbeit auch tatsächlich nachkommen können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das ist nicht der Punkt! Die Unab­hängigkeit ist die Frage!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Mitglieder des Asylgerichtshofes werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt. Für die Mit­glieder des UBAS ist eine Übernahme in den Asylgerichtshof vorgesehen. Sollten einzelne Mitglieder des UBAS die Qualifikationen nicht erfüllen, so entscheidet darüber die Bundesregierung. Dieser Bescheid kann im Übrigen sowohl beim Verwaltungs- als auch beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Merken Sie nicht, wie skurril das ist?)

Ja, Frau Präsidentin, so ist der Rechtsstaat: Es werden Entscheidungen getroffen, und Menschen, die davon betroffen sind, können sich bei den Gerichten dagegen zur Wehr setzen. – Ich halte das für eine sinnvolle Vorgangsweise. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Außer die Asylwerber!)

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Vertretung der Asylwerber vor dem Asyl­gerichtshof. Hier haben wir die Vertretungsregelung in Abstimmung mit den Nicht­regierungsorganisationen bewusst niederschwellig angesetzt. Wie bisher ist nämlich nicht nur die Vertretung durch Anwälte möglich, sondern auch die Vertretung durch Nichtregierungsorganisationen. Darüber hinaus wird im Asylgerichtshof ein eigenes Kontaktbüro eingerichtet, sodass sich unvertretene Asylwerber dort eine Vertretung im Verfahren suchen können und beraten werden.

Wir werden im Übrigen die Dokumentation über die Herkunftsstaaten im Asylgerichts­hof wesentlich verbessern und planen auch diesbezüglich Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 62

Darüber hinaus wird auch der Personalaufwand im gesamten Asylbereich erheblich erhöht werden. Der Asylgerichtshof wird um 24 Richter aufgestockt und ist somit der größte Gerichtshof der Republik Österreich.

Der Verwaltungsgerichtshof erhält einen zusätzlichen Senat. Insgesamt werden im Asylbereich 160 Personen zusätzlich aufgenommen. Und sollte es einen zusätzlichen Bedarf an wissenschaftlichen Mitarbeitern beim Verfassungsgerichtshof geben, so werden wir uns auch dieser Herausforderung stellen.

Wir haben also nicht nur die von vielen geforderte Aufstockung des Personals durchgeführt, sondern auch die Strukturen entsprechend verändert.

Und ich bin davon überzeugt, dass mit dieser Neukonstruktion des Asylgerichtshofes ein seit langen Jahren ungelöstes Problem, das zu vielen Auseinandersetzungen und zu vielen Konflikten in der österreichischen Gesellschaft geführt hat, entschärft und gelöst werden wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.12


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Witt­mann. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.12.14

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Innenminister! Hohes Haus! Zunächst einmal gilt es, glaube ich, festzuhalten, dass in dieser Legislaturperiode bereits derart viele Verfassungsreformen gemacht worden sind, dass man, wenn man sie im Paket betrachtet – mit der morgigen Änderung des Haushaltsrechtes, mit dem Wahlrecht, das verändert wurde, mit der Verlängerung der Legislaturperiode, mit dem heutigen Pa­ket –, sagen kann, dass diese Periode bisher eine der reformfreudigsten Perioden im Hinblick auf die Verfassung ist. (Abg. Öllinger: Das war ein Scherz!)

Kommen wir nun zu den Inhalten dieses Verfassungspakets. – Ich glaube, dass das Rechtsbereinigungsgesetz an sich eine sehr zweckdienliche Sache ist. Ich gehe da nicht konform mit Ihnen, Herr Kollege Fichtenbauer, wenn Sie das nun kritisieren. Denn: All diese Punkte, die hier herausfallen beziehungsweise wegfallen, sind im Kon­vent mehr als zwei Jahre hindurch besprochen worden, und auch Vertreter Ihrer Partei hatten die Möglichkeit, bei diesen Gesetzen, die hier bereinigt werden, mitzuwirken, und sie haben auch davon Gebrauch gemacht. Daher sollte man eine Diskussion lange nach einer Diskussionsphase auch abschließen.

Ich glaube, dass es auch wichtig ist, die Sozialpartnerschaft in der Verfassung zu verankern, weil sie in der österreichischen Realität schon eine ganz andere Rolle gespielt hat, als sie laut der Verfassung gehabt hat.

Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass man einer Überprüfung der Länge der Ver­fahren, und zwar über eine Fristsetzung der Volksanwaltschaft an die Gerichte, nähertreten soll, weil manchmal die Verfahrensdauer überzogen wird und daher ein Korrektiv eingeführt gehört. Ich glaube, all diese Bestimmungen gehen in die richtige Richtung.

Kommen wir nun zum wesentlichen Punkt, und zwar zu der in den Medien am häufigsten diskutierte Frage des Asylgerichtshofs! – Wir müssen uns die grund­sätzliche Frage stellen, welche rechtliche Ordnung uns wichtiger ist. Österreich wurde mehrmals vom Europäischen Gerichtshof wegen überlanger Verfahrensdauer, wegen Verletzung des Artikels 6 der Menschenrechtskonvention verurteilt.

Im Artikel 6 der Menschenrechtskonvention heißt es, dass ein Menschenrecht verletzt wird, wenn die Verfahren zu lange dauern, wie das auch in Österreich der Fall ist. Das


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heißt: Wir haben auf der einen Seite ein Menschenrecht, das verletzt wird, und auf der anderen Seite versuchen wir durch die Beschleunigung von Verfahren, den inner­staat­lichen Rechtszug, der nach wie vor internationalen Standard hat, zu verändern. Also: Kein Menschenrecht angreifen, sondern ausschließlich den innerstaatlichen Rechtszug verändern!

Hier muss zwischen zwei Dingen abgewogen werden: zwischen den Menschenrechten auf der einen Seite, die durch zu lange Verfahrensdauer verletzt werden, auf der anderen Seite der Veränderung des innerstaatliche Rechtszugs.

Meiner Meinung ist es leichter, den innerstaatlichen Rechtszug in eine Ordnung zu bringen, wo die internationalen Standards und auch unser eigenes Rechtsschutz­bedürfnis gewahrt bleiben, als wir lassen uns weiterhin wegen der Dauer der Verfahren vom Europäischen Gerichtshof verurteilen. – Das ist, glaube ich, die erste Abwägung, die zu treffen ist.

Dann muss man sagen: Wenn ich mich für die Verkürzung des Verfahrens entscheide, dann muss ich die rechtsstaatlichen Standards einhalten. Daher muss ich eine Verbes­serung in den beiden bestehen bleibenden Instanzen herbeiführen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Das heißt: Es kommt zu einer Verbesserung dadurch, dass ich das Parteienverfahren in der ersten Instanz und in der zweiten Instanz habe, und wenn ich eine Rechtsfrage von großer Bedeutung habe, habe ich nochmals ein Parteienverfahren vor einem verstärkten Senat von fünf Personen.

Das ist meiner Meinung nach eine wesentlich größere Verbesserung als der Rechts­schutz durch ein Aktenverfahren, da dieses nicht die direkte Beweisaufnahme machen kann, während in der zweiten Instanz die Beweisaufnahme direkt vor dem verstärkten Senat erfolgen kann.

Das heißt: Wir haben auf der einen Seite eine Veränderung des Instanzenzuges mit einem verbesserten Rechtsschutzsystem und mit einem verbesserten direkten Zugang der Parteienstellung und auf der anderen Seite eine Verletzung der Menschenrechte. (Abg. Öllinger: Wie ein Versicherungsvertreter reden Sie daher!)

Der Verwaltungsgerichtshof wurde nicht ausgeschlossen, sondern er wurde nur als direkte Instanz nicht vorgesehen, aber in Rechtsfragen, die sich im verstärkten Senat als schwierig oder uneinheitlich herausstellen, wird der Verwaltungsgerichtshof nach wie vor mit Grundsatzentscheidungen eingebunden.

Das heißt: Die Argumentation, dass der Instanzenzug gekappt wird, gilt nur sehr einge­schränkt. Es ist wichtiger, das zur langen Verfahrensdauer in Relation zu setzen, womit der Artikel 6 der Menschenrechtskonvention verletzt wird.

Darüber hinaus glaube ich, dass die langen Verfahren auch zu Rechtsmissbrauch führen. Wir brauchen doch nicht so zu tun, als ob alle Asylwerber Heilige wären, son­dern müssen zur Kenntnis nehmen, dass da auch viel Rechtsmissbrauch betrieben wird, weil es ein zu langes Verfahren gibt. Das muss man auch sehen! (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)

Ich möchte dafür nur ein Beispiel bringen: Die Georgier, die jetzt verhaftet worden sind, haben aufgrund drei Jahre dauernder Asylverfahren diese Gelegenheit ausgenützt, um Tresore aufzubrechen. Die lange Verfahrensdauer bringt auch Rechtsmissbrauch mit sich. Da brauchen wir uns nicht anzulügen, das ist so! Daher muss man darauf auch reagieren. Man muss den wirklich Betroffenen Rechtssicherheit möglichst rasch geben, ganz unabhängig davon, ob sie in unserem Land bleiben können oder nicht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 64

Zuwanderungspolitik über Asylrecht zu betreiben, das wird nicht möglich sein. Asyl ist ein ganz bestimmt definiertes Recht für Leute, die einer Verfolgung ausgesetzt sind, und nicht für Leute, die versuchen, eine Verfolgung vorzugeben, um Asyl zu erhalten. (Abg. Mag. Brigid Weinzinger: Woher wissen Sie das vorher?) Von diesen Verfahren gibt es, wie man an der Menge der Verfahren sieht, eigentlich nur eine geringe Anzahl.

Aber noch einmal: Der wichtigste Punkt für die rechtliche Situation ist, Folgendes abzu­wägen: Ist die Verletzung eines Menschenrechtes hinzunehmen, oder ist eine Verän­derung des innerstaatlichen Instanzenzuges angebracht, um zu einer Beschleunigung und damit zu Erfüllung der Menschenrechtskonvention zu kommen?

Ich glaube, da muss man sich dafür entscheiden, eine Verkürzung der Verfahren in Kauf zu nehmen. Natürlich gibt es da Ansatzpunkte zur Kritik. Aber wenn ich einerseits höre, dass die Asylwerber von den obersten Gerichten abgeschnitten sind, und wenn ich andererseits die Kritik des Verfassungsgerichtshofpräsidenten höre, der sagt: Ich brauche mehr Leute, weil mehr Leute zum Verfassungsgerichtshof gehen werden!, dann muss ich sagen: Diese Kritik kann in sich nicht stimmen!

An die Adresse der Frau Präsidentin Glawischnig möchte ich sagen: Sie haben hier öffentlich ganz falsch argumentiert, weil Sie gesagt haben, dass das Gesetz nicht verändert wurde.

Richtig ist: Das Gesetz wurde in wesentlichen Belangen hier im Haus verändert. Der Innenminister wurde anders eingebunden, nämlich nicht mehr direkt in das Verfahren, aber auch die einfachgesetzliche Festschreibung der Zulassung zum Verwaltungs­gerichtshof ist herausgefallen. – Das ist falsch gewesen, was Sie da gesagt haben! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Eine einzige Tragik!)

11.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Ebenfalls 7 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.20.01

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Bundesminister! Auch die überzogene Kritik der Opposition kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Beschlussfassung des Fremden­rechtspakets 2005 sowohl als sinnvoll als auch als richtig erwiesen hat, denn schon im ersten Jahr des Vollzugs desselben gab es bei den Asylwerbern einen Rückgang von 40 Prozent. Im heurigen Jahr gab es einen weiteren Rückgang von 10 Prozent. An­hand dieser Entwicklung innerhalb dieser 20 Monate können wir feststellen, dass diese Fremdenrechtsgesetzgebung in die richtige Richtung geht: Wir haben weniger Asylwerber! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist richtig, dass wir einen Rückstau bei den offenen Verfahren haben, aber wir arbeiten vehement daran, dass sich dieser Rückstau vermindert. Zu diesem Zweck wurde bereits im letzten Jahr viel neues Personal aufgenommen: im Bundesasylamt 54 Personen, im UBAS 82 Personen. Und das Ergebnis ist: Wir haben eine Trend­umkehr erreicht. Es gibt um 5 800 offene Verfahren weniger als am Ende des Jahres 2006. Das ist eine positive Entwicklung, die auch mit der Politik von Bundesminister Platter zu tun hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist genau der richtige Weg, meine Damen und Herren. Und heute machen wir den nächsten Schritt, damit wir ab Juli 2008 operativ den Asylgerichtshof zur Verfügung haben, um schnellere Verfahren im Bereich des Asyls umzusetzen. Dazu ist es notwendig – und das muss man immer wieder sagen –, die ständige Vermischung von


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 65

Asyl und Zuwanderung auseinanderzuhalten, wie das in der Vergangenheit stets passiert ist.

Menschen, die verfolgt werden, die echte Asylgründe haben, bekommen selbst­verständlich weiterhin Asyl. Die Zuwanderung muss aber rechtlich anders behandelt werden. Wir alle haben Verständnis dafür, dass Menschen außerhalb der Euro­päischen Union gerne in Österreich leben wollen. Wir haben einen hohen Lebens­standard. Wir haben ein optimales Gesundheitssystem. Wir haben ein exzellentes Sozialsystem. Das alles kann aber letztlich kein Grund dafür sein, dass all jene zu uns kommen, die aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen eben zu uns kommen wollen. All denen können wir nicht Asyl gewähren. Das wäre völlig falsch! Wir dürfen auch keine falschen Hoffnungen bei den Bürgern in Europa und darüber hinaus wecken. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dem Fremdenrechtspaket ist es uns gelungen, eine klare Abgrenzung zu machen, eine klare rechtliche Trennung zwischen Asyl und Zuwanderung: Es gibt Schutz und Hilfe für jene, die diese Hilfe benötigen und die auch die richtigen Asylgründe dafür haben, und es gibt eine klare Absage an den Asylmissbrauch. Auch das war und ist selbstverständlich notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Die wirklichen Asylgründe werden vom neuen unabhängigen Asylgerichtshof ent­sprechend zu bewerten sein.

Es ist eine Tatsache, dass Asylverfahren lange dauern. Die Gründe – das wissen wir alle in der Zwischenzeit – liegen nicht allein beim Staat und bei den Behörden, sondern auch im extensiven Ausnutzen der bisherigen alten Rechtslage durch die Asylwerber und auch im bestens organisierten Netz der Asylhilfsorganisationen und ihrer Rechts­vertreter. Das darf man auch nicht unter den Tisch kehren, meine Damen und Herren. (Zwischenruf der Abg. Mag. Brigid Weinzinger.)

Wir bedauern in diesem Zusammenhang, Kollegin Weinzinger, vor allem die man­gelnde Bereitschaft der Grünen, aber auch mancher NGOs und mancher kirchlicher Organisationen, in der Asyldiskussion klar zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und echten Asylanten, zwischen tatsächlichen Opfern und kriminellen Tätern ausreichend zu differenzieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Das halten wir für falsch, und das ist auch eine der Ursachen für die vielen Miss­verständnisse, die es in diesen Fragen auch in der Öffentlichkeit gibt. Hier müssen die Fakten in der Zukunft besser auseinandergehalten werden.

In diesem Zusammenhang ist die Asylpolitik des Innenministers als zu hartherzig, ja von manchen sogar als unchristlich kritisiert worden. Das, meine Damen und Herren, weisen wir ganz entschieden zurück!

Auch die Forderung nach Kirchenasyl, die hier von manchen Personen ins Spiel gebracht wurde, sozusagen für jene, die ungerechtfertigt abgeschoben wurden, lehnen wir selbstverständlich ab. In einem demokratischen Rechtsstaat kann es keine Son­derasylformen aus Gewissensgründen geben. In einer Demokratie und in einem Rechtsstaat gilt die Mehrheitsentscheidung. Und eine politische Instrumentalisierung quasi der christlichen Beistandspflicht nach dem Motto: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zu Pflicht!, wie das von der Vorsitzenden der „Katholischen Aktion“ Luitgard Derschmidt bei der „Bleiberechtsdemonstration“ in Wien ausgedrückt wurde, ist jedenfalls inakzeptabel, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sage ich auch als überzeugter Christdemokrat, denn der Grundsatz der Gewis­sensfreiheit berechtigt in der Demokratie noch lange nicht zum Rechtsbruch. Der Rechtsstaat kann nicht hinnehmen, dass jeder gerade nur jene Gesetze anerkennt, die ihm persönlich gefallen.


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Deshalb lehnen wir auch kategorisch ab, wenn die Frau Glawischnig, immerhin Präsi­dentin dieses Hauses und auf die Gesetze dieses Hauses vereidigt, im Zusam­menhang mit dem § 15 des Fremdenrechts, der die Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt unter Strafe stellt, zu zivilem Ungehorsam gegen dieses Gesetz aufruft und sogar meint, dass ziviler Ungehorsam in diesem Punkt extrem wichtig und notwendig ist. – Das lehnen wir ganz entschieden ab, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Petrovic versteigt sich sogar dazu, anzukündigen, dass sie Asyl­werber gesetzwidrig trotz Strafdrohung verstecken will. – Das ist eine völlig unvertret­bare Haltung, die wir nicht akzeptieren können, insbesondere dann, wenn diese Haltung von auf die Gesetze dieser Republik vereidigten Abgeordneten gefordert und vertreten wird, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Es ist inakzeptabel, wenn jene, die illegal beim Untertauchen von Asylanten behilflich sind und die sich bewusst gegen Gesetze stellen, keine Konsequenzen zu erwarten hätten. Das würde den Rechtsstaat in Frage stellen, meine Damen und Herren. Das ist mit uns ganz sicher nicht zu machen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Broukal.)

11.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger zu Wort. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.27.27

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Hohes Haus! Eine einzige Vorbemerkung zu meinem Vorredner: Wenn die Regierung mit ihrer Politik Menschenrechte verletzt, bin ich stolz darauf, dass es in diesem Land Menschen gibt, die Zivilcourage haben und sagen: Wir spielen da nicht mit! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Tut sie aber nicht!)

Im Übrigen: Wenn jemand nicht einmal den richtigen Paragraphen zitieren kann, hat sich die Qualität der Ausführungen schon selbst entlarvt. (Abg. Mag. Kukacka: Welchen denn?)

Stellen Sie sich vor, Sie kriegen einen Strafzettel oder einen Baubescheid und meinen, Ihnen sei damit Unrecht geschehen. Sie haben gar nicht falsch geparkt, Sie waren ganz woanders, oder der Balkon ist gar nicht so breit. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dann haben Sie natürlich die Möglichkeit, gegen einen solchen Bescheid in einem Verwal­tungsverfahren Protest einzulegen, zum UVS zu gehen. Auch wenn Sie dort nicht Recht bekommen, haben Sie noch immer die Möglichkeit, zum Verwaltungs­gerichtshof zu gehen, um zu Ihrem Recht als Staatsbürger oder Staatsbürgerin zu kommen. Das steht einem jeden Menschen in Österreich zu – egal, ob der Strafzettel zu Recht oder zu Unrecht ausgestellt wurde. Das soll ja das Verfahren klären. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Aber Sie würden sich schön bedanken, wenn diese Regierung herginge und sagte: Pech gehabt, das dürfen Sie nicht mehr, Sie brauchen nicht zu einem Höchstgericht zu gehen, wir sehen es Ihnen an der Nasenspitze an, Sie missbrauchen diese Möglich­keit! – Würden Sie sich nicht alle völlig zu Recht aufregen? Und da geht es nicht um viel, sondern da geht es um einen Strafzettel oder um einen Baubescheid.

Aber jetzt stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sind Asylwerberin und sitzen in der ersten Instanz einem Beamten gegenüber, der laut der politischen Order, die wir ja jetzt von der Regierungsbank aus vorgeführt bekommen haben, die Aufgabe hat, möglichst wenig Asylgenehmigungen auszustellen. Der ist an diesem Tag vielleicht überfordert, hat einen schlechten Tag, und er stellt einen negativen Bescheid aus. Sie gehen in das Asylgericht, um sich zu beschweren und zu sagen: Es wurden noch nicht einmal meine


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Unterlagen seriös angeschaut, man hat sich noch nicht damit auseinandergesetzt, wie es bei mir in meinem Heimatland zugeht, wovor ich geflüchtet bin!

Man kann nur hoffen, dass Dr. Josef Cap, Klubobmann der SPÖ, dort nicht sitzt, denn der erkennt schon an der Nasenspitze der Leute, ob sie tatsächlich einen Fluchtgrund haben oder nur aus Jux und Tollerei nach Österreich gekommen sind. (Abg. Dr. Mit­terlehner: Aber Sie wissen es!)

Meine Damen und Herren, das ist nämlich der Unterschied! Wir sagen: Wer flüchtet, wer einen Asylantrag stellt, hat ein Recht auf ein anständiges, korrektes Verfahren, um zu klären, ob er diesen zu Recht oder nicht stellt – so wie jeder Strafzettel­beschwerde­führer. Sie sagen: Nein, wir wissen ja schon vorher, 90 Prozent, 95 Prozent – was Ihnen immer politisch opportun erscheint – ermogeln sich das, das ist Missbrauch. Die haben noch nicht einmal das Recht auf ein Verfahren.

Wer seriös ist, wer sich auf dem Boden des Rechtsstaates bewegen will – und das sage ich im Besonderen Ihnen von der ÖVP und Ihnen von der SPÖ –, der kann nicht vor Ende des Verfahrens wissen, ob jemand recht bekommt oder nicht. Das ist politische Kaffeesudleserei. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt sind Sie diese Asylwerberin, die auch in der zweiten Instanz nicht Recht bekom­men hat, die bislang so wie jeder Strafzettelbeschwerdeführer die Chance hatte, bis zum Verwaltungsgerichtshof zu gehen, und wir wissen, dass jeder fünfte Mensch dort recht bekommen hat. 20 Prozent der Bescheide des UBAS wurden vom Verwal­tungs­gerichtshofs aufgehoben, weil das Verfahren nicht korrekt geführt war. (Abg. Parni­goni: Das ist völlig falsch! – Abg. Broukal: Aber recht haben die Leute nicht bekom­men!)

Ja, darum geht es doch beim Verwaltungsgerichtshof, zu überprüfen ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Broukal.) – Herr Abgeordneter Broukal! Sie wissen es in Wirk­lichkeit wesentlich besser, als Sie jetzt tun. Sie wissen genau, es geht beim Verwal­tungsgerichtshof darum, die Korrektheit des Verfahrens zu überprüfen. (Abg. Broukal: Wie gehen die Verfahren weiter?) Haben wir uns darauf geeinigt? (Beifall bei den Grünen.)

Diese Möglichkeit nehmen Sie den Leuten jetzt weg. AsylwerberInnen haben nicht mehr die Möglichkeit, beim Verwaltungsgerichtshof überprüfen zu lassen, ob das Ver­fahren auch wirklich korrekt war. Das nennt man Rechtsstaat, was Sie hier abbauen.

Die Frage ist jetzt: Sie erklären uns, das ist in Zukunft nicht mehr möglich, denn in Zukunft gibt es ja im Asylgericht, also auf der zweiten Ebene, zwei Richter. – Faktum ist: Es stimmt nicht. Nur für 60 Prozent, also nicht einmal für zwei Drittel der Fälle ist vorgesehen, dass zwei Richter das in Form von einem Verhandlungsführenden und einem Beisitzer machen. Und Sie sagen, es ist ausgeschlossen, dass sich die jemals wieder irren werden. Im Asylgericht sitzen nur lauter Leute, die sich nie wieder irren. Es wird nie wieder zu einem Fehler im Verfahren kommen. Daher braucht der Asylwerber oder die Asylwerberin keinen Verwaltungsgerichtshof mehr.

Ich frage Sie: Warum gibt es praktisch keinen namhaften Experten, keine Expertin in Österreich, die sagen, ja, das ist super? Seit Wochen haben wir in den Medien Meldungen, wer aller ernsthaft davor warnt. Aber Ihnen ist das egal.

Die klare Absicht ist eine böse; von der ÖVP wissen wir seit langem, dass sie ganz weit nach rechts gerückt ist, sich dort blau-orange positioniert hat und das Wort „christlich-sozial“ nicht einmal mehr das Papier wert ist, auf dem es steht. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 68

Von der SPÖ gab es immer wieder noch einige Leute, die gedacht haben, die Aussagen in der Oppositionszeit waren ernst gemeint. Wir wissen es inzwischen besser. Es ist die Partei von Löschnak und Schlögl, die Partei von Gusenbauer oder Parnigoni, die sagt: Rechtsstaat interessiert uns nicht. Dr. Cap sagte: Ich weiß schon vorher, wer ein echter Asylwerber ist oder nicht.

Sie handeln aus Überzeugung gegen Menschenrecht und gegen Rechtsstaatlichkeit! (Abg. Parnigoni: Wie kommen Sie zu dieser Annahme? Das ist ungeheuerlich!)

Die Beschleunigung, die Sie predigen, haben Sie bei einer jeden Verschlechterung des Fremdenrechts noch immer gepredigt. Allein, sie ist nie gekommen. Sie wird auch diesmal nicht kommen. Wenn Sie wirklich schnellere Verfahren haben möchten, wür­den Sie substantiell in der ersten Instanz in Personal, in Ressourcen und in Ausbildung investieren. Seit Jahren sagen Ihnen das alle Expertinnen und Experten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Broukal: Genau das passiert aber jetzt!)

Wenn Sie wirklich den Aktenberg abbauen möchten, würden Sie hergehen und sagen, alle Asylverfahren, die länger als drei oder fünf Jahre dauern, und die den Kriterien der Mitwirkung, der Unbescholtenheit und so weiter entsprechen, da bekommen die Antragsteller ein Bleiberecht. Das ist ein Menschenrecht; das Einzige, was schnell und tatsächlich wirken würde. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es Ihnen tatsächlich um Beschleunigung ginge, dann würden Sie nicht dem Innenminister Rechte zugestehen, nämlich zum Verwaltungsgerichtshof zu gehen, und dem Asylwerber nicht. Sie wollen Recht abbauen, Rechtsstaatlichkeit aushöhlen, und Menschenrechte damit noch weiter in Frage stellen in Österreich.

Als Grüne sagen wir, das ist unwürdig. (Abg. Rädler: Es genügt!) Das ist einer Regierung unwürdig, und das ist vor allem Österreich unwürdig. Die Menschen in diesem Land sind zum Glück anders, und sie haben es sich wirklich nicht verdient, durch diese Regierung in Misskredit gebracht zu werden, dass hier Menschlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und die Verfassung mit Füßen getreten werden. (Beifall bei den Grünen.)

11.34


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Aspöck. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.34.46

Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Innenminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn ich die bisherige Debatte so verfolge, dann wundert mich eigentlich eines: In 98 Pro­zent der Beiträge wird überhaupt grundsätzlich nur von den Asylanten geredet – von der österreichischen Bevölkerung, die Millionen und Abermillionen Kosten für Asylan­ten und falsche Asylwerber trägt, redet überhaupt niemand. (Beifall bei der FPÖ.)

Die größte, die auflagenstärkste Tageszeitung in Österreich schreibt auch heute zum wiederholten Male, dass 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag beziehungsweise den Vertrag von Lissabon wünschen. Da diese 70 Prozent, meine Damen und Herren, natürlich keine direkte Stimme in diesem Hause haben, sondern nur einige privilegierte Abgeordnete, übernehmen es wir Freiheitliche, entsprechende Anträge (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Immer noch gewählt!) – natürlich gewählt, Frau Präsidentin, aber trotzdem ganz schön privilegiert; das eine schließt das andere nicht aus – im Namen dieser 70 Prozent einzubringen.

Ich darf den ersten Antrag einbringen:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 69

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Aspöck, Strache und weiterer Abgeordneter betreffend Nicht-Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durch den österreichischen Bundeskanzler

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der österreichische Bundeskanzler wird aufgefordert, die für den 13. Dezember 2007 in Lissabon geplante Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein­schaft, kurz ,EU-Reformvertrag‘ oder ,Vertrag von Lissabon‘ genannt, nicht durchzu­führen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Tagesordnung!) – Das gehört schon zum Tages­ordnungspunkt 1, zum Artikel 50, meine Herrschaften! (Abg. Rädler: Falsche Rede erwischt!)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, da ich annehme, dass Ihre Parteifreunde im Klub der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion zum Teil wohl nicht zu 100 Prozent aus Überzeugung, wohl aber aus Parteidisziplin unserem Antrag nicht zustimmen werden (Abg. Parnigoni: Sind Sie Hellseher, Herr Kollege?), bringe ich einen weiteren Ent­schließungsantrag ein (Abg. Rädler: Darum war er gestern nicht da!) – ich war den ganzen Tag gestern da –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Aspöck, Strache und weiterer Abgeordneter betreffend Durch­führung einer nationalen Volksabstimmung in Österreich über die Ratifizierung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regie­rungsvorlage vorzulegen, die für die Ratifizierung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Euro­päischen Gemeinschaft, kurz ,EU-Reformvertrag‘ oder ,Vertrag von Lissabon‘ genannt, in Österreich die Durchführung einer nationalen Volksabstimmung vorsieht.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Das ist die Aufforderung an die Regierung, das so zu gestalten, dass eine Volks­abstimmung möglich ist, anstatt hier Diskussionen, juristische Spitzfindigkeiten über die Bühne laufen zu lassen, die keinen Menschen vor dem Fernseher interessieren.

Nun zum Tagesordnungspunkt 2. (Abg. Rädler: Ah so!?) Aus grundsätzlichen Über­legungen – das hat mein Kollege Fichtenbauer schon ausgeführt – sind wir natürlich für die Einrichtung des Asylgerichtshofes als grundsätzlich oberste Instanz in einem in Österreich durchaus üblichen zweistufigen Rechtsverfahren. Das hat seinen guten Grund. Einerseits soll der Asylwerber möglichst rasch erfahren, ob die von ihm ange-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 70

gebenen Gründe als richtig und echt erkannt wurden, oder ob er sich bei genauerer Prüfung als Scheinasylant darstellt.

Viel wichtiger ist aber, dass die österreichische Bevölkerung, die Steuerzahler ein Recht auf eine rasche Abwicklung von Asylverfahren haben. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Kürze meiner Redezeit kann ich nur auf einen von mehreren Aspekten ein­gehen, und das sind die Kosten, die ich eingangs bereits angesprochen habe, nämlich die Belastung für die österreichische Bevölkerung.

Hier einige Zahlen: Allein aus dem Grund Versorgungsvertrag haben wir derzeit jährliche Kosten von mehr als 200 Millionen € für die Asylanten, das sind mehr als 2,8 Milliarden Schilling. Aus dem Rechnungshofbericht ergeben sich Extrakosten für den Rückstau von 325 Millionen € und Kosten für Begleitlehrer von jährlich 60 Mil­lionen €.

Meine Damen und Herren, ich finde, es ist ein Skandal, dass wir für – zu einem sehr großen Teil – doch Scheinasylanten Millionen zum Fenster hinauswerfen und uns weder für unsere älteren Mitbürger, vor allem für die Mindestrentner anständige Pen­sionen leisten und auch nicht genügend Geld für eine entsprechende Familienpolitik zur Verfügung stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss noch ein Punkt: Die Regierungskoalition will uns weismachen, dass jetzt alles ganz anders wird. – Da ist aber ein großer Fehler dabei. Das ist der § 40 des Asylgesetzes 2005, auf den sich Herr Innenminister Platter stets beruft. Dieses Neu­erungsverbot in diesem Gesetz ist löchriger als ein Schweizer Emmentaler! Das ist der Grund dafür, dass wir überlange Asylverfahren haben, und dass mit der fünften, sechsten und siebten Neuerung der Asylwerber, der nur Scheinasylant ist, in das siebte und achte Jahr hineinkommt.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Schreiben Sie ein anstän­diges, striktes hundertprozentiges Neuerungsverbot in Ihre Regierungsvorlage und Sie haben die Stimmen der Freiheitlichen! (Beifall bei der FPÖ.)

11.41


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die beiden von Herrn Abgeordnetem Dr. As­pöck eingebrachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Aspöck, Strache und weiterer Abgeordneter betreffend Nicht-Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durch den österreichischen Bundeskanzler

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 1 in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007

Durch die Regierungsvorlage 314 d. B. soll Artikel 50, B-VG dahingehend geändert werden, daß künftig im Falle dessen, daß „ein Staatsvertrag seine vereinfachte Änderung“ vorsieht, solch eine Änderung nicht mehr der Genehmigung des National­rates bedarf.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 71

Diese Änderung der österreichischen Bundesverfassung korrespondiert mit dem im sogenannten „EU-Reformvertrag“ vorgesehenen „vereinfachten Änderungsverfahren“ nach Art. 33 Abs. 6 des Vertrages über die Europäische Union (EUV).

Das „vereinfachte Änderungsverfahren“ wiederum kritisiert der Experte für öffentliches Recht, Prof. Karl Albrecht Schachtschneider, in seiner von der FPÖ in Auftrag gege­benen Expertise über die Notwendigkeit einer Volksabstimmung über den „EU-Reformvertrag“ auf das Schärfste wie folgt:

„Die Einrichtung des „vereinfachten Änderungsverfahrens“ durch Art. 33 Abs. 6 EUV ist eine ‚Gesamtänderung der Bundesverfassung‘ im Sinne des Art. 44 Abs. 3 B-VG, die „einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen“ ist. Nach Art. 33 Abs. 6 EUV kann der Europäische Rat durch Beschluß nach Anhörung des Euro­päischen Parlamentes und der Kommission sowie, bei institutionellen Änderungen im Währungsbereich der Europäischen Zentralbank, auf Initiative der Regierung jedes Mitgliedstaates, des Europäischen Parlaments und der Kommission einstimmig „die Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen des Dritten Teiles des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ beschließen. Dieser Dritte Teil umfaßt alle wichtigen Politiken der Union außer der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Be­schluß tritt zwar nach Unterabs. 2 S. 3 des Art. 33 Abs. 6 EUV ‚erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrecht­lichen Vorschrif­ten in Kraft‘, aber der Beschluß ist kein ‚politischer Staatsvertrag‘ im Sinne des Art. 50 B-VG [Anm.: Nach dessen derzeitiger Fassung, in seiner zukünftigen – wie oben dargelegt – ebenso wenig], welcher der Zustimmung des Nationalrates und gege­benen­falls des Bundesrates und der Ratifikation durch den Bundespräsidenten (Art. 65 Abs. 1 B-VG) bedarf. Die Gesetzgebungsorgane Österreichs müssen somit an dem Verfahren nicht beteiligt werden. An diesen Änderungen wirkt für Österreich, wie dargelegt, maßgeblich nur der Bundeskanzler mit, weil der Europäische Rat einstimmig entscheiden muß. Das vereinfachte Änderungsverfahren ist der Sache nach eine Diktaturverfassung, die kaum noch einen demokratischen Rest aufweist.“

Darüber hinaus würden durch ein Inkrafttreten des „EU-Reformvertrags“ grundlegende Bausteine unserer Bundes-Verfassung laut Schachtschneider geändert: So etwa durch eine Generalermächtigung zu Mittelbeschaffung nach Art. 269 Abs. 1 im Vertrag über die Arbeitsweise der Union (VAU), durch die „Flexibilitätsklausel“ des Art. 308 Abs. 1 VAU, durch die bundesstaatliche Zuständigkeit der Union, durch den Vorrang des Unionsrechts aufgrund einer Erklärung der Regierungskonferenz und nicht zuletzt durch die De-Facto-Abschaffung der „immerwährenden Neutralität“ Österreichs.

Am 13. Dezember 2007 soll im Rahmen des Europäischen Rates in Lissabon dieser „EU-Reformvertrag“ von den Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten feierlich unter­zeichnet werden, um danach in den einzelnen Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene ratifiziert zu werden.

Aufgrund der genannten Gefahren stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der österreichische Bundeskanzler wird aufgefordert, die für den 13. Dezember 2007 in Lissabon geplante Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 72

schaft, kurz „EU-Reformvertrag“ oder „Vertrag von Lissabon“  genannt, nicht durch­zu­führen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Aspöck, Strache und weiterer Abgeordneter betreffend Durchführung einer nationalen Volksabstimmung in Österreich über die Ratifizierung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 1 in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007

Durch die Regierungsvorlage 314 d. B. soll Artikel 50 B-VG dahingehend geändert werden, daß künftig im Falle dessen, daß „ein Staatsvertrag seine vereinfachte Ände­rung“ vorsieht, solch eine Änderung nicht mehr der Genehmigung des National­rates bedarf.

Diese Änderung der österreichischen Bundesverfassung korrespondiert mit dem im sogenannten „EU-Reformvertrag“ vorgesehenen „vereinfachten Änderungsverfahren“ nach Art. 33 Abs. 6 des Vertrages über die Europäische Union (EUV).

Das „vereinfachte Änderungsverfahren“ wiederum kritisiert der Experte für öffentliches Recht, Prof. Karl Albrecht Schachtschneider, in seiner von der FPÖ in Auftrag gege­benen Expertise über die Notwendigkeit einer Volksabstimmung über den „EU-Reformvertrag“ auf das Schärfste wie folgt:

„Die Einrichtung des „vereinfachten Änderungsverfahrens“ durch Art. 33 Abs. 6 EUV ist eine ‚Gesamtänderung der Bundesverfassung‘ im Sinne des Art. 44 Abs. 3 B-VG, die „einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen“ ist. Nach Art. 33 Abs. 6 EUV kann der Europäische Rat durch Beschluß nach  Anhörung des Europäischen Parlamentes und der Kommission sowie, bei institutionellen Änderungen im Währungs­bereich der Europäischen Zentralbank, auf Initiative der Regierung jedes Mitglied­staates, des Europäischen Parlaments und der Kommission einstimmig „die Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen des Dritten Teiles des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ beschließen. Dieser Dritte Teil umfaßt alle wichtigen Politiken der Union außer der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Beschluß tritt zwar nach Unterabs. 2 S. 3 des Art. 33 Abs. 6 EUV ‚erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft‘, aber der Beschluß ist kein ‚politischer Staatsvertrag‘ im Sinne des Art. 50 B-VG [Anm.: Nach dessen derzeitiger Fassung, in seiner zukünftigen – wie oben dargelegt – ebenso wenig], welcher der Zustimmung des Nationalrates und gegebenenfalls des Bundesrates und der Ratifikation durch den Bundespräsidenten (Art. 65 Abs. 1 B-VG) bedarf. Die Gesetzgebungsorgane Österreichs müssen somit an dem Verfahren nicht beteiligt werden. An diesen Änderungen wirkt für Österreich, wie dargelegt, maßgeblich nur der Bundeskanzler mit, weil der Europäische Rat ein-stimmig entscheiden muß. Das vereinfachte Änderungsverfahren ist der Sache nach eine Diktaturverfassung, die kaum noch einen demokratischen Rest aufweist.“

Darüber hinaus würden durch ein Inkrafttreten des „EU-Reformvertrags“ grundlegende Bausteine unserer Bundes-Verfassung laut Schachtschneider geändert: So etwa durch eine Generalermächtigung zu Mittelbeschaffung nach Art. 269 Abs. 1 im Vertrag über die Arbeitsweise der Union (VAU), durch die „Flexibilitätsklausel“ des Art. 308 Abs. 1 VAU, durch die bundesstaatliche Zuständigkeit der Union, durch den Vorrang des


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 73

Unionsrechts aufgrund einer Erklärung der Regierungskonferenz und nicht zuletzt durch die De-Facto-Abschaffung der „immerwährenden Neutralität“ Österreichs.

Am 13. Dezember 2007 soll im Rahmen des Europäischen Rates in Lissabon dieser „EU-Reformvertrag“ von den Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten feierlich unter­zeichnet werden, um danach in den einzelnen Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene ratifiziert zu werden.

Aufgrund der genannten Gefahren stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regie­rungsvorlage vorzulegen, die für die Ratifizierung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Euro­pä­ischen Gemeinschaft, kurz „EU-Reformvertrag“ oder „Vertrag von Lissabon“ genannt, in Österreich die Durchführung einer nationalen Volksabstimmung vorsieht.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Ing. Westenthaler. 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.42.07

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ):Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Innenminister! Frau Justizministerin Berger hat heute ein beachtenswertes Inter­view im „Falter“ gegeben, das auch vom „Standard“ zitiert worden ist. Sie wird da mit der Äußerung konfrontiert: Beim Asylgerichtshof sind Sie mir Ihrer Kritik abge­blitzt. – Antwort der Frau Ministerin Berger: Der Kanzler hat anderen mehr vertraut.

Eine weitere Frage: Sie haben dem Asylgerichtshof im Ministerrat zugestimmt und dann dagegen protestiert. Wie ist das zu erklären? – Antwort der Justizministerin Berger: Ich hatte keine Gelegenheit, die umfangreiche Tischvorlage genau zu lesen.

Das ist eine Ministerin, die Gesetze, Tischvorlagen, die sie betreffen, auch ihr Ressort betreffen, nicht liest, abnickt, zustimmt, dann hinausgeht und das kritisiert. Das kann ja wohl nicht die Vorgangsweise sein, die ein verantwortungsvoller Minister an den Tag legt!

Der Schluss daraus kann ja nur sein, dass diese Ministerin, die keine Gesetze und keine Tischvorlagen liest, offensichtlich auch das Haftentlassungspaket nicht gelesen hat, das wir heute noch dank Ihrer Stimmen beschließen werden, und gar nicht weiß, dass Tausende Straftäter früher freigelassen werden. Das ist der Schluss daraus!

Ist das der Schluss daraus, oder ist das die neue Verhaltensregel im Ministerrat – vielleicht die Begründung dafür, warum der heutige Ministerrat nur wenige Minuten gedauert hat und sich alle wundern, was dort überhaupt passiert ist? Statt abstimmen ist die neue Verhaltensweise dieser Regierung durchwinken, in Deckung gehen und dann, wenn sie gefragt wird, Achselzucken und sagen, wir wissen nichts. – Das ist unverantwortlich, das ist keine Regierungspolitik, sondern eine Verhöhnung der Gesetzgebung und auch des Parlaments, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Was ich spannend finde, ist, dass ich mit dieser Kritik nicht allein bin. Ich habe schon zitiert, dass der Kanzler anderen mehr vertraut hat als der Justizministerin. Vor weni-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 74

gen Minuten hat der Sicherheitssprecher der ÖVP Donnerbauer in einer Aussendung mit dem Titel „Glaubwürdigkeit von Ministerin Berger massiv in Frage gestellt“ ebenfalls dazu Stellung genommen.

Ich zitiere ihn jetzt wortwörtlich: „Es ist ein Wahnsinn, dass die Justizministerin Geset­zesvorlagen, die noch dazu ihr Ressort betreffen, nicht genau liest und einfach zustimmt ... Wo kommen wir denn hin, wenn eine Ministerin ein Gesetz einfach abnickt, ohne es zu kennen?“ Die Glaubwürdigkeit Bergers sei massiv in Frage gestellt. „Können wir künftig die Zustimmung Bergers im Ministerrat ernst nehmen?“

Jawohl, Herr Donnerbauer! Bingo! Hundertprozentig Ihrer Meinung!

Der ÖVP-Generalsekretär Missethon, auch Abgeordneter in diesem Haus, hat vor we­ni­gen Minuten eine Aussendung gemacht mit dem Titel „Was ist los mit Gusen­bauers SPÖ-Regierungsteam?“, um dann Berger und Co „Dilettantismus der Gusenbauer-Truppe“ vorzuwerfen.

Sehr interessant, Herr Bundeskanzler, das ist Ihr Koalitionspartner! Dilettantismus in dieser Regierung – sehr, sehr interessant. (Beifall beim BZÖ.)

Der Herr Innenminister hofft heute, bevor er in den Ministerrat hineingeht, dass die Justizministerin mittlerweile – im Nachhinein, das muss man sich vorstellen! – das Gesetz gelesen hat und, er fügt zynisch hinzu, auch verstanden hat. Denn das ist ja die entscheidende Frage, ob eine Ministerin das Gesetz auch versteht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei so viel Misstrauen, vom Kanzler Miss­trauen gegen die eigene Ministerin, vom Innenminister Misstrauen gegen die Justiz­ministerin, vom Sicherheitssprecher der ÖVP Misstrauen, vom Generalsekretär des Koalitionspartners ÖVP Misstrauen, da ist es eigentlich ganz verständlich und selbst­verständlich, dass auch wir heute unser Misstrauen gegen diese Ministerin aus­drücken, die dort, wo sie etwas tun sollte, alles stehen lässt, etwa bei Gewalt gegen Kinder wegschaut, bei Gesetzesinitiativen gegen die Gewalt gegen Kinder wegschaut (Abg. Parnigoni: Sie versteigen sich da sehr! Das ist unglaublich!), die aber dafür Strafhäftlinge freilässt und dann betreffend Asylgerichtshof einfach Gesetze nicht liest.

Diese Ministerin ist rücktrittsreif, diese Ministerin hat in einer Bundesregierung nichts verloren. (Beifall beim BZÖ.) Daher stellen wir vom BZÖ heute gemäß § 55 Geschäfts­ordnungsgesetz einen Misstrauensantrag in diesem Hohen Haus.

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen folgenden

Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesministerin für Justiz wird gemäß Art. 74/1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Zeigen Sie Mut, meine Kollegen von der ÖVP, Herr Donnerbauer, Herr Missethon! Diese Ministerin hat nichts in einer Regierung verloren, sie ist gescheitert, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, Gesetze zu lesen und diese auch zu bewerten. Das muss


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 75

einmal klar gesagt werden, daher fordern wir den Rücktritt dieser gescheiterten Minis­terin. (Beifall beim BZÖ.)

Aber wir kommen auch zum Gesetz selbst, zum Asylgerichtshofgesetz, dem wir grund­sätzlich zustimmen, wo wir nur der Meinung sind – da schließen wir uns der Op­positionskritik an –, dass das hier durchgepeitscht wird, und wir nicht einverstanden sind damit, wie hier im Hohen Haus zum Teil mit solchen Anträgen umgangen wird. Schnelle Abänderungsanträge – das ist schon eine gewaltige Sache, daher wollen wir über diese Materie noch einmal ordentlich diskutieren, wie das auch Klubobmann Cap gesagt hat.

Wir werden daher gemäß § 73 der Geschäftsordnung einen Antrag betreffend Rück­verweisung einbringen. Wir wollen, dass die beiden Tagesordnungspunkte an den Verfassungsausschuss rückverwiesen werden, damit sie ordentlich, so wie sich das für ein Hohes Haus, für ein Parlament gehört, diskutiert und auch beschlossen werden können. Das ist eine Vorgangsweise, wo wir der Meinung sind, dass sie dem Hohen Haus auch gerecht wird. (Beifall beim BZÖ.)

Zum Schluss noch zum künftigen Verfassungskammerstaat. Es ist jetzt ja nicht mehr ein normaler Kammerstaat, es ist ein Verfassungskammerstaat. Was Ihnen da Ihre Kollegen heute in der „Presse“ ausrichten: „Kammer-Zwang im Verfassungsrang“! Das geht vom Böhler-Uddeholm-Chef bis hin zum Herrn Haselsteiner, bis hin zum Vize­präsidenten der steirischen Industriellenvereinigung, der tatsächlich vom Ständestaat spricht, der hier zusammengemeißelt wird.

Ein völlig empörter Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl spricht von einer „Katastrophe“, das sei „demokratiepolitisch höchst bedenklich“. Er sagt: „Hier nimmt sich eine Kammer-Nomenklatura aus dem Wettbewerb und sichert sich auf Kosten ihrer Beitragszahler ab.“

Das ist die Wahrheit und wir werden diese Kritik auch nicht verstummen lassen. Es gibt auch eine Unterschriftenliste innerhalb der börsenotierten Unternehmen, die sich alle dagegen wehren, dass diese Regierung per Verfassungsgesetz den Kammerzwang auch noch festschreibt und die Freiheit abschafft.

Dagegen wehren wir uns auch massiv, das hat nichts mit Freiheit zu tun. Österreich ist frei (Abg. Dr. Schüssel: Bleibt frei!), um auch einen sehr historisch belegten Spruch zu verwenden, und es sollte auch frei bleiben. Es sollte jeder Mensch frei entscheiden können, welcher Gruppierung, welcher Interessenvertretung er sich anschließt oder nicht. (Beifall beim BZÖ.)

Das in den Verfassungsrang zu erheben erachte ich wirklich für skandalös, und Sie sollten sich das noch einmal gut überlegen! (Beifall beim BZÖ.)

11.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der soeben vom Herrn Klubobmann Westen­thaler eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Bundesminister Platter zu Wort gemeldet. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie ist das jetzt mit der Justizministerin? Hat sie es schon verstanden oder nicht?)

 


11.49.32

Bundesminister für Inneres Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dieser heutige Tag ist die


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Ver­vollständigung des neuen Fremdenrechtspakets, denn mit dem Fremdenrechts­paket 2005 haben wir eine bedeutende Entlastung für Österreich erreicht.

Mit dieser heutigen Beschlussfassung des neuen Asylgerichtshofes ist gewährleistet, dass die Verfahren nun so rasch wie möglich abgeschlossen werden. Das ist gut für jene, die um Asyl werben, weil sie relativ rasch wissen, ob sie hier bleiben können oder nicht, aber letztlich ist es auch gut für Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, zum Fremdenrechtspaket 2005, das wir in einer breiten Mehrheit hier im Parlament beschlossen haben, das aber doch immer wieder kritisiert wird, ist Folgendes zu sagen: Ich bin froh darüber, dass es darin gelungen ist, dass wir eine eindeutige Trennung zwischen Asyl und Zuwanderung gemacht haben.

Zuwanderung kann nur im Interesse unseres Arbeitsmarktes passieren, und es kann nicht sein – ich denke da an die Bestrebungen der Europäischen Union, wo die zirku­läre Migration installiert werden sollte, wodurch eigentlich Zuwanderung innerhalb der Europäischen Union über die Hintertür ermöglicht wird –, dass wir die Zuwanderungs­frage zu leicht nehmen. Das darf nur eine Möglichkeit sein, aber es muss nationales Recht sein, sich zu überlegen, wie viel Zuwanderung es im Interesse unseres Arbeits­marktes gibt.

Da heute schon der Ministerrat strapaziert wurde: Wir haben bedeutende Beschluss­fassungen durchgeführt, zum Beispiel die Niederlassungsverordnung, wo wir die Antwort geben. (Abg. Scheibner: Geburtstagswünsche!) Wir werden im Bereich der qualifizierten Arbeitsplätze mehr Zuwanderung ermöglichen, denn das ist gut für den Arbeitsmarkt, das ist letztlich auch gut für Österreich. Aber diese Möglichkeit muss eine nationale Entscheidung sein und keine Entscheidung innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, was das Asyl betrifft, ist auch klargestellt: Selbst­verständlich bekommen all jene Asyl, die diese Unterstützung und diese Hilfe benöti­gen! Ich habe keine Sorge, wenn wir uns in diesem Zusammenhang den inter­nationalen Vergleich anschauen, wo wir mit der Anerkennungsquote stehen: Da wird sehr großzügig und sehr sensibel entschieden, da können wir uns auf die Behörden und Gerichte verlassen.

Was aber natürlich nicht sein kann, ist, dass wir unter dem Deckmantel des Asyls Zuwanderung gestatten, denn dadurch würden wir dem Tür und Tor öffnen, und Öster­reich ist bekannt dafür, dass es einen hohen Lebensstandard hat, dass es ein gutes Sozial- und ein gutes Gesundheitssystem hat. Es würde einen Pull-Effekt haben, wenn wir unter dem Deckmantel des Asyls Zuwanderung gestatten würden, wie das einige, insbesondere die Grünen, meinen.

Geschätzte Damen und Herren, ich muss auch Folgendes sagen: Mir bereitet es tatsächlich Sorge, dass ein Teil der Asylwerber das Asyl als Deckmantel benützt und sogar gerichtlich strafbare Handlungen in Österreich begeht. Das hat nichts damit zu tun, dass alle Asylwerber kriminalisiert werden, nein – es gibt viele Asylwerber, die sich entsprechend unserer Rechtsordnung verhalten –, aber wenn ich mir die Entwicklung der letzten Jahre anschaue, so bereitet mir diese große Sorge. Und da darf es keine Toleranz geben, hier müssen wir effizient arbeiten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Scheibner und Dr. Fichtenbauer.)

All jene, die dieses Fremdenrechtspaket immer wieder kritisieren, sollen sich die Zah­len des Jahres 2005 anschauen. Im Jahr 2005 hatten wir 22 500 Asylanträge; Deutsch­land hatte 28 000 Asylanträge, ist aber zehnmal so groß wie Österreich, und die USA, die weltweit an der Spitze sind, hatten 48 000 Asylwerber. – Wir hatten 22 500: Da stimmt doch etwas nicht! Deshalb war es wichtig und richtig, dass wir dieses Frem-


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denrechtspaket beschlossen haben. Wir hatten um 40 Prozent weniger Asylanträge und dieses Jahr um 10 Prozent weniger. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Was bedeutet dieses Paket? – Letztlich bedeutet es, dass wir für Asylmissbrauch und „Asylshopping“ weniger attraktiv geworden sind, aber auch weniger attraktiv, was die Geschäfte im Bereich der Schleppermafia betrifft. Man schaue sich an, was sich da abspielt! Wenn man glaubt, dass das noch unterstützt werden soll, so kann ich nur sagen: Mit mir mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Worum geht es darüber hinaus? – In weiterer Folge geht es auch darum, dass Öster­reich nicht die Gesamtlast zu tragen hat, da braucht es einen Ausgleich innerhalb der Europäischen Union. Schaut man sich in diesem Zusammenhang an, dass wir in den letzten 20 Jahren 800 000 Menschen die Möglichkeit gegeben haben, in Österreich zu bleiben, dann muss ich Folgendes ganz klar sagen: Wenn jemand behauptet, dass wir nicht hilfsbereit sind, muss ich das auf das Schärfste zurückweisen. Das Gegenteil ist der Fall: Österreich hat sehr viel geleistet im humanitären Bereich! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.)

Aber eines sei auch gesagt: Zwischen Hilfsbereitschaft für jene, die sie benötigen, und jenen blind Unterstützung zu gewähren, die das System missbrauchen, gibt es einen klaren Unterschied, und den möchte ich unterstreichen. Wir müssen ganz klar feststellen: Blauäugigkeit hat in der Familienpolitik natürlich nichts verloren.

Die Grünen bezeichnen den heutigen natürlich als einen schlechten Tag, was ich verstehe, denn sie haben ja nur ein Interesse: dass die Verfahren so lange wie möglich dauern, damit man letztlich ein Bleiberecht begründen kann, was aber der falsche Weg ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten des BZÖ. – Abg. Öllinger: Widerlich, widerlich! – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das ist eine ganz ...!)

Sie wollen das Mittel Asyl haben, damit all diese Menschen in Österreich bleiben können. Schauen wir uns doch an, wie wir dann in einigen Jahren dastehen würden! – Mit Ihrer Politik habe ich nichts am Hut. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten des BZÖ. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: So einen unseriösen Minister habe ich schon lange nicht gehört! Der redet von der Ministerbank wie die FPÖ!)

Meine Damen und Herren, klar ist – ein Punkt ist offen geblieben, und der wird heute geregelt –: Wir haben zu lange Verfahren und wir haben einen Rückstau abzubauen. Ich bin froh darüber, dass meine Vorgängerin, Innenministerin Liese Prokop, letztes Jahr einen Personalzuwachs verzeichnen konnte, weil 54 Mitarbeiter im Bundes­asylamt und 86 im UBAS dazugekommen sind, und damit haben wir erstmals eine Trendwende erreicht, was die Verfahren betrifft: Wir haben in diesem Jahr 6 000 offene Verfahren abgebaut.

Jenen, die da oder dort die Behörden und jene, die jetzt für Asyl zuständig sind, kritisieren, sei Folgendes gesagt: Das Bundesasylamt, das viele immer wieder in Bezug auf die Qualität kritisieren, wurde von der Europadirektorin des UNHCR bei einer Rede in Genf im März ganz besonders gelobt und als Vorbild bezeichnet, weil die Qualitätssicherung so ernst genommen wird. – Und was den UBAS betrifft: Wenn man sieht, wie viele Verfahren vom Verwaltungsgerichtshof dann anders beurteilt werden, ist das ein ganz geringer Prozentsatz. – Ich möchte jenen Beamtinnen und Beamten gegenüber, die diese schwierige Aufgabe erfüllen, meinen herzlichen Dank zum Ausdruck bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Dr. Bösch.)

Was jetzt wichtig ist, ist, dass die Verfahren rasch abgearbeitet werden. Deshalb war es mein Vorschlag, dass wir den Asylgerichtshof, diese wichtige Materie, aus der


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Staats- und Verwaltungsreform herausnehmen – herzlichen Dank, Herr Bundeskanzler und Herr Vizekanzler, dass das auch so gesehen wurde –, und dass das notwendige Personal zur Verfügung gestellt wird. 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden im Asylbereich arbeiten, damit wir diese Aufgaben effizient erfüllen können.

Geschätzte Damen und Herren! Mit dem Asylgerichtshof werden wir deutliche Verbes­serungen haben: zum Ersten eine Beschleunigung der Asylverfahren, zum Zweiten eine Verkürzung der Gesamtverfahrensdauer, zum Dritten schnellere Gewissheit für die Asylwerber, was aber letztlich auch gut für Österreich ist, zum Vierten werden die Kosten der Grundversorgung deutlich sinken, zum Fünften gibt es verbesserten Rechtsschutz in der zweiten Instanz durch das Asylgericht, zum Sechsten kommt es zu einer Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes und darüber hinaus zu einem Verfah­rens­abbau bis zum Jahre 2010.

Wenn hier jetzt argumentiert wird, wie das wieder passiert ist, dass man diesen Rich­tern nicht zutraut, dass sie, so wie das vorher gesagt wurde, anständige Verfahren abwickeln, dass zwei Richter keine Entscheidung über Asyl ja oder nein treffen kön­nen, und, wenn diese sich uneinig sind, ein Fünfersenat einberufen wird, dann kenne ich mich nicht mehr aus. Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass hier exzellent gearbeitet wird, so wie es im Rechtsstaat Österreich richtig und wichtig ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

11.58


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe bekannt, dass von den Abgeordneten Scheibner, Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen sowohl ein Verlangen auf getrenn­te Abstimmung als auch ein Rückverweisungsantrag eingebracht wurde. Beide sind ausreichend unterstützt und werden im Abstimmungsvorgang berück­­sichtigt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Parnigoni. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Parni­goni –: „Mehrheit ist Mehrheit!“ „Mehrheit ist Mehrheit!“)

 


11.59.06

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Ich denke, es ist ein großer Fortschritt, dass mit dem heutigen Beschluss dieser neue Asylgerichtshof mit 1. Juli 2008 zu arbeiten beginnen kann. Dieser Asylgerichtshof garantiert, Hohes Haus, auf höchster rechtsstaatlicher Ebene, dass die Asylwerber in Österreich rasch Bescheid bekommen, ob sie Asyl erhalten oder nicht.

Damit verbunden ist auch eine neue Qualität der Anhörung der AsylwerberInnen. War es in der zweiten Instanz bis jetzt so, dass nur eine Einzelrichterentscheidung getroffen wurde, so wird es in Zukunft so sein, dass man das Recht hat, diese Anhörung vor zwei Richtern zu bekommen, und für den Fall, dass sich diese nicht einigen, persönlich sein Schicksal vor einem Fünfersenat darlegen kann.

Meine Damen und Herren, auch die Anregungen der NGOs sind aufgegriffen worden, zum Beispiel dass der Asylwerber entscheiden kann, ob ein Rechtsanwalt oder ein Vertreter einer NGO ihn bei diesem Verfahren begleitet.

Der rasche Abbau der offenen Verfahren und die Sicherstellung der hohen Qualität der Bescheide sind ganz wichtige Prämissen dieser Vorlage, daher wird diese auch von einem umfangreichen Personalpaket begleitet, das sowohl der ersten Instanz, also dem Bundesasylamt, als auch dem neuen Asylgerichtshof mehr Richter und auch juristisches Personal in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stellt.

Wichtig ist mir auch, dass – in Zusammenarbeit auch mit deutschen Behörden – diese völlig neue, qualitativ hochwertige und tagesaktuelle Staatendokumentation geschaffen


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wird, ganz einfach um die Entscheidungsträger zu entlasten, damit diese sich verstärkt um die Einzelschicksale kümmern können und darüber hinaus auch die Entschei­dungen und Rechtsfragen, die hier von besonderer Bedeutung sind, entsprechend konzentriert bearbeiten können.

Meine Damen und Herren! Grundsatzentscheidungen – das sind in der Regel sensible Rechtsfragen – werden von einem Fünfersenat getroffen und müssen dem Ver­waltungs­gerichtshof vorgelegt werden. Das letzte Wort bei diesen Grundsatzent­scheidungen hat also der Verwaltungsgerichtshof, und der kann diesen Entscheid in jede Richtung abändern.

Ich möchte Frau Kollegin Weinzinger schon sagen, dass – das ist ein Faktum! – der Verwaltungsgerichtshof in Wirklichkeit knapp über 2 Prozent der Entscheidungen des UBAS generell behoben hat, und nicht 22 Prozent. Und, meine Damen und Herren, Faktum ist auch, wie das der Herr Bundeskanzler schon gesagt hat, dass in den Jahren von 2005 bis einschließlich 2007 lediglich 41 Fälle positiv erledigt werden konnten. Daher meine ich, dass der UBAS auch jetzt schon mit durchaus hoher Qualität gearbeitet hat, und es ist den Damen und Herren des UBAS und auch dem Asylamt herzlich für ihre Tätigkeit zu danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einen zweiten Punkt eingehen. Es ist bereits gesagt worden, dass mit dieser Novelle die Sozialpartner in den Verfas­sungs­rang gehoben werden beziehungsweise Berücksichtigung finden. Hier möchte ich Kollegem Scheibner, der jetzt nicht anwesend ist ... (Abg. Scheibner – in den Reihen der ÖVP sitzend –: Oja!) – Entschuldigung! Ich konnte ja nicht wissen, dass sich hier eine neue Koalition bildet (Abg. Scheibner: Das ist die alte!), oder die alte, ja. (Abg. Ing. Westenthaler: Seid ihr nervös?!)

Kollege Scheibner, genau diese alte Koalition hat es nämlich, weil wir von „Mehrheit ist Mehrheit“ reden, ... (Abg. Scheibner: Nein, mit mir nicht!) – Moment! Darf ich es erklären? Diese alte Koalition hat es so weit gebracht, dass sie mit der Mehrheit, die sie gehabt hat, zumindest 66 Sozialbestimmungen für die Menschen in diesem Land massiv verschlechtert hat. Das müssen Sie schon zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Aber der Verfassungsgerichtshof konnte kontrollieren!)

Meine Damen und Herren, ich halte es für richtig, dass die Realverfassung und damit die Mitwirkung der Sozialpartner in diesem Land hier ganz einfach nachvollzogen wird. Allein heuer sind sieben Sozialpartnerabkommen beschlossen worden, die eine sehr gute zukunftsorientierte Basis für die Politik in diesem Land darstellen.

Ich möchte für die Arbeiterkammer Folgendes festhalten: 92 Prozent ihrer Einnahmen aus der Umlage werden für Leistungen für die Mitglieder zur Verfügung gestellt, 50 Pro­zent der Beiträge allein für den Rechtsschutz – Kollege Rossmann von den Grünen kann das ganz bestimmt bestätigen.

Ich kenne niemanden, meine Damen und Herren, der abstreiten könnte, dass Sozial­partner einen wesentlichen Beitrag zur positiven Entwicklung dieser Republik geleistet haben, wir werden daher der Novelle zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.04


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.04.19

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Zur Frage der verfassungsrechtlichen Verankerung der Sozialpartner erwarte ich, geschätzter Herr Bundeskanzler Gusenbauer, von Ihnen eine Entschuldigung für die Aussage von


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Parteisekretär Kalina, der die Bauern als „Vertreter des Ständestaates“ bezeichnet hat. – Das ist ein Skandal! Damit hat Kalina viele Persönlichkeiten, die aus dem Bau­ern­stand kommen und Österreich mit aufgebaut haben, tief verletzt! (Abg. Grillitsch: Herr Bundeskanzler, eine Entschuldigung ...!)

Mir ist zu Beginn meiner Ausführungen ganz wichtig, zwischen Asyl und Zuwan­derung zu unterscheiden. Viele haben in den letzten Jahren unter dem Deckmantel Asyl illegal zuzuwandern versucht. Das müssen wir unterbinden. Das ist uns in der Vergangenheit schon ganz gut gelungen, aber hier müssen wir in Zukunft noch zusetzen.

Hier unterscheiden die Grünen nämlich nicht: Sie unterscheiden nicht zwischen Asyl und Zuwanderung! – Österreich war bei der Gewährung von Asyl immer vorbildlich. Ungarn, Slowaken, Tschechen, Polen, Bosniern, Kroaten und Kosovo-Albanern wurde Asyl gewährt. Viele sind wieder zurück in ihre Heimat ab- oder in Drittländer zuge­wandert.

Wir wollen eine Beschleunigung der Asylverfahren und eine Verkürzung der Gesamt­verfahrensdauer, daher wird der Personalstand des Bundesasylamtes um weitere 50 Personen aufgestockt – dieser wurde bereits im Jahr 2005 um 50 Personen erhöht –, und auch der unabhängige Asylgerichtshof, den es ab 1. Juli 2008 geben soll, wird mit 54 Personen bedacht. Dann haben wir 75 Juristen, die in richterähnlicher Funktion in der Sache selbst unabhängig und weisungsfrei sind, nur in verwaltungs­organisatorischen Abläufen sind sie gebunden.

Ziel ist es auch, dass die Asylwerber schneller Gewissheit über den Verfahrens­ausgang haben, darauf haben sie ein Recht! Und durch den unabhängigen Asyl­gerichtshof erfolgt auch eine Verbesserung des Rechtsschutzes in der zweiten Instanz, in Zukunft werden nämlich als letzte Instanz zwei Juristen über Beschwerden des Bun­desasylamtes entscheiden. Die Entscheidung der zwei Juristen muss im Einver­nehmen erfolgen – das ist auch ein Qualitätssprung –; gibt es kein Einvernehmen, so wird ein fünfköpfiges verstärktes Richtergremium damit beauftragt. Bisher gab es in der Regel jeweils nur eine Einzelentscheidung im Rahmen des Bundesasylsenats oder eine Dreiersenatentscheidung in Abweichung von der geltenden Rechtssprechung. – Es ist zweifellos ein Qualitätssprung, wenn in Zukunft bei Vorliegen von Einvernehmen von zwei Juristen in letzter Instanz entschieden wird.

Ziel ist es auch, den Verwaltungsgerichtshof zu entlasten: Im Tätigkeitsbericht des VwGH für das Jahr 2006 führt dieser selbst an, dass das Berichtsjahr durch eine beträchtliche Zunahme der Belastung vor allem durch Beschwerden in Angelegen­heiten des Asylrechts gekennzeichnet ist. – Allein im September 2007 wurden 57 Proz­ent der Entscheidungen des Bundesasylsenats beim VwGH angefochten!

Der Verwaltungsgerichtshof, der in Zukunft generell im Einzelfall nicht mehr angerufen werden kann, hat auch bisher keine materiellen Entscheidungen getroffen, sondern hat lediglich kassatorisch entschieden, wobei Formalfehler und Verfahrensmängel Haupt­grund für die Aufhebung von Urteilen durch den Verwaltungsgerichtshof waren.

Das vorgesehene Vier-Augen-Prinzip und die Möglichkeit, den Sachverhalt in einer Verhandlung zu erörtern, sind für mich zweifellos Verbesserungen gegenüber dem bisherigen System. (Beifall bei der ÖVP.)

In grundsätzlichen Rechtsfragen oder bei Rechtsfragen, die für viele Verfahren relevant sind, fällt in Zukunft ein Fünfersenat des Asylgerichtshofes eine sogenannte Grund­satzentscheidung, die verpflichtend dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen ist, der dann seinerseits innerhalb von sechs Monaten darüber zu befinden hat. Entscheidet dieser nicht innerhalb der Frist, gilt die Grundsatzentscheidung als bestätigt. Der


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Verwaltungsgerichtshof bekommt dadurch eine inhaltliche materielle Entscheidungs­kompetenz, die er eigentlich bis jetzt nicht gehabt hat.

Die Möglichkeit der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes wegen Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes bleibt bestehen.

Ein weiteres Ziel ist der Abbau des Verfahrensrückstaus bis Ende 2010. Seit 2004 wird der Rückstau bei Asylverfahren abgebaut: 2005 hatten wir zum Beispiel noch 42 000 offene Verfahren, jetzt sind es mittlerweile 33 000 Verfahren. Durch all diese Maß­nahmen werden auch die Verfahrenskosten und die Kosten für die Grundversorgung reduziert.

Es ist richtig: Es ist schwieriger geworden, dass sich Wirtschaftsmigranten über Asyl­verfahren einen Aufenthalt sichern, der ihnen gesetzlich nicht zusteht. Asylanten werden auch in Zukunft, so wie in der Vergangenheit, immer Platz in Österreich haben.

Herr Bundesminister Platter! Gehen Sie diesen Weg geradlinig und konsequent weiter! – Das erwartet die Bevölkerung von Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.09.33

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Was heute im Parlament passiert, ist einzigartig – und zwar einzigartig im negativen Sinn: Asylwerbern soll einfach die Möglichkeit genommen werden, Rechtsschutz beim Verwaltungsgerichtshof zu suchen.

Wer ist der Nächste, dem der Rechtschutz genommen wird? – Das ist meine Frage. (Ruf bei der ÖVP: Wer ist die Nächste?) Herr Dr. Schüssel, Frau Staatssekretärin, wir stehen am Beginn der Verwaltungsreform: Wem noch wollen Sie noch den Zugang zum Verwaltungsgerichtshof nehmen? Sagen Sie das hier? Ist dies das Versuchslabor der Verwaltungsreform, oder was ist das? – Wenn Sie „niemand“ sagen, und wenn Sie sagen, das ist eine Ausnahme, dann sage ich Ihnen: Das ist perfide! (Beifall bei den Grünen.)

Jedem soll also in Zukunft das Recht zustehen, Bescheide am Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen, nur nicht Asylwerbern, die sich in einer Ausnahmesituation befinden – das ist ein Skandal! Das ist eine diskriminierende verwaltungsrechtliche Sonder­gesetzgebung. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Was sind von Rot-Schwarz die Argumente dafür? Schauen wir uns das einmal genauer an! Die Asylverfahren dauern zu lange. – Ja, das ist richtig, Asylverfahren dauern zu lange. Aber wenn Sie das sagen, dann ist das zynisch, weil man mit Ihrer Argumen­tation den Rechtsstaat gleich abschaffen kann: Die schnellste Entscheidung ist diejenige, die nur eine Instanz trifft, wenn der Rechtsschutz gleich gekappt wird. Das ist offensichtlich Ihre Ideologie und Ihre Mentalität. (Abg. Kainz: Ist das Ihr Zugang?)

Es ist aber auch so, dass Sie verschweigen, warum die Verfahrensdauer so lang ist. Die Verfahrensdauer ist deswegen so lang, weil es eine chronische personelle Unter­besetzung der ersten und zweiten Instanz gibt. Zuerst gab es das Problem beim Bundesasylamt, dann beim Bundesasylsenat. Sie haben diese Instanzen jahrelang, chronisch personell unterbesetzt.

Das Zweite, was Sie verschweigen, ist: 40 Prozent der Bescheide der ersten Instanz werden durch die zweite Instanz aufgehoben, weil die Qualität nicht passt. – Ja, das kostet Zeit, wenn nicht ordentlich gearbeitet wird! (Beifall bei den Grünen.)


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Das Dritte, was Sie verschweigen, ist: 25 Prozent der Beschwerden beim Verwal­tungsgerichtshof sind Amtsbeschwerden des Innenministers. (Ruf bei der ÖVP: 20!) – Ja, das kostet Zeit! Wir haben gehört, in einem Fall war er erfolgreich.

Das ist der Grund dafür, warum die Verfahren so lang dauern! Sie tragen mit Ihren Versäumnissen die Verantwortung, und Ihre Lösungen sind halbherzig. Besonders ... (Abg. Parnigoni: Die halbe Regierung!) – Sie mit, weil Sie die falschen Lösungen präsentieren! (Beifall bei den Grünen.)

Besonders zynisch ist es, wenn dann der Vorwurf kommt, die Anwälte würden zu viele Verfahren führen und die Rechtsmittel ausschöpfen. Das zeigt, welches Rechts­staats­verständnis Sie haben. Es ist ja gerade die Aufgabe von Anwälten, alle Rechtsmittel auszuschöpfen!

Wir haben das im Ausschuss lange diskutiert. Doch offensichtlich gilt bei Ihnen: Jeder Häuselbauer darf bis zum Exzess streiten, aber der Asylwerber, für den es nach­weislich um alles oder nichts geht, soll aufhören, er hat keinen Instanzenzug, und die Anwälte dürfen sich nicht für ihn einsetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Ihre Argumentation ist aber auch falsch, und das muss hier deutlich gesagt werden. Verwaltungsgerichtshofspräsident Jabloner war beim Hearing im Ausschuss, und er hat klargelegt, dass der überwiegende Teil der Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof innerhalb eines halben Jahres erledigt wird, der allergrößte Teil innerhalb eines Jahres. Es stimmt also nicht, dass das zeitliche Problem beim Verwaltungsgerichtshof liegt, und daher ist Ihre Maßnahme schlichtweg falsch. Hätten Sie dem Rechtsstaat etwas Gutes tun wollen, dann hätten Sie auf allen drei Ebenen das Personal aufgestockt.

Aber was heißt das jetzt? – Es wird immer so getan, als hätte das keine Auswirkungen; es wird so getan, als beträfe es nur einige wenige Fälle. Es geistern viele Zahlen herum. Eine Zahl wurde von allen drei Experten im Hearing bestätigt, nämlich die Zahl, dass zwischen 14 und 22 Prozent der Bescheide im Asylverfahren beim Verwaltungs­gerichtshof aufgehoben wurden.

Jetzt werden Sie sagen: Na ja, die wenigsten haben sozusagen irgendwelche inhalt­lichen Entscheidungen betroffen. – Auch das lässt wieder tief blicken. Das Wesen eines Rechtsstaates ist ja geradezu Rechtsschutz und das Recht auf eines faires Ver­fahren!

Sie haben den Rechtsstaat nicht verstanden, das kann man so sagen. Nach Ihrer Mentalität bräuchten wir uns hier auch nicht an die Geschäftsordnung zu halten, weil ohnehin nichts anderes herauskommt, wenn wir uns an die Geschäftsordnung halten.

Ein Wort noch zum Chaos in der Regierung: Bundesministerin Berger hat gesagt, sie habe keine Zeit gehabt, das zu lesen, weil es eine Tischvorlage war. Das lässt tief blicken – aber nicht nur bei Bundesministerin Berger! Es ist, wenn es eine Tischvorlage war, davon auszugehen, dass sie niemand gelesen hat, außer vielleicht die zustän­digen Bundesminister. Ich gehe davon aus, dass die gesamte Bundesregierung (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen) bei ihrem Ministerrat nicht gewusst hat, was sie abstimmt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.14


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haimbuchner. 5 Minuten Redezeit auch für Sie. – Bitte.

 


12.14.52

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Herr Bundesminister! Hier im Hohen Haus soll heute das Bundesverfas-


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sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bun­desverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, beschlossen werden.

Unter Verfassungsrechtsbereinigung versteht der Jurist, dass die Verfassung von unnötigen, überholten Bestimmungen entrümpelt wird. Was macht die Regierung? Entrümpelt die Regierung wirklich? – Ja, in Teilbereichen muss man der Regierung recht geben, das stimmt sicherlich.

Aber was sehen wir dann? Die Verankerung der Sozialpartner in der Verfassung? – Das ist das, bitte, was Universitätsprofessoren seit Jahrzehnten schwer kritisieren: die Verankerung einer Schattenregierung in der österreichischen Bundesverfassung, meine sehr verehrten Damen und Herren! Von einem freiheitlichen, demokratischen Standpunkt aus gesehen ist das absolut abzulehnen! So etwas hat in einer demo­kratischen Verfassung überhaupt nichts zu suchen! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition! (Abg. Parnigoni: Die Freiheitlichen ...!) Werden Sie nicht immer so nervös, Herr Parnigoni, ich komme ohnehin noch zu Ihnen! Sie wissen ja nicht einmal, was die Sozialpartner sind! (Abg. Parnigoni: Wir wissen das genau!) Angeblich sind es zwischen vier und fünf; das schreiben Sie nicht einmal fest. Wer ist denn, bitte, Sozialpartner? Ist das der ÖGB? Ist es die Arbeiterkammer? Oder sind es die vier Bünde der ÖVP? Schreiben wir das dann auch einmal in der Verfassung fest, dass man dann auch die Pflichtmitgliedsbeiträge einheben kann? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist schon sehr durchschaubar. Die Hauptsache für Sie ist die Zwangsmitgliedschaft und dass Sie Beiträge einheben können! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung! Das zieht sich bei Ihnen durch wie ein roter Faden: Zwangsbeglückung Pflichtmitgliedschaft. Man kann ja auch bei der EU schon sagen: Das ist eine Pflichtmitgliedschaft. Jetzt werden Sie den soge­nannten EU-Reformvertrag ratifizieren. Da wird man das Volk nicht befragen, man wird es wieder zwangsbeglücken. Das macht man so wie bei den Sozialpartnern: Zwangs­beglückung, und das schreibt man dann irgendwann einmal einfach fest.

Ich frage mich: Wenn die EU-Verfassung angeblich so toll ist, wenn die Europäische Union so toll ist, warum lassen Sie nicht jene, die es betrifft, darüber abstimmen? Warum machen Sie das nicht? Ist das jetzt doch nicht so toll?

Da ist immer die Rede von Grundrechten, das wird immer wieder erwähnt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir in der Zweiten Republik keine Grundrechte gehabt, bis wir der Europäischen Union beigetreten sind? (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kennen Sie nicht das Staatsgrundgesetz von 1867, mit dem zum ersten Mal Grundrechte in einer Verfassung festgeschrieben worden sind? – Das macht mich schon sehr bestürzt!

Nun komme ich zu dem heute doch sehr wichtigen Thema des Asylwesens. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, es macht einen bestürzt, mit welchem esoterischen Fanatismus Sie sich hier dafür einsetzen! Das ist wirklich nicht mehr verständlich.

Grundrechte zählen für Sie grundsätzlich nur bei Asylwerbern. Sie haben nämlich eine ethnisch sehr selektive Wahrnehmung. Ich darf Sie einmal daran erinnern: Ich habe von Ihnen noch nie ein kritisches Wort zu den AVNOJ-Bestimmungen oder zu den Beneš-Dekreten gehört.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir hatten vor einigen Monaten eine gemeinsame Pressekonferenz der Vertriebenensprecher. Die einzige


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Fraktion, die nicht anwesend war, war die grüne Fraktion. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Skandal! Sich hierher ans Rednerpult zu stellen und zu sagen: Da wird der Rechtsstaat ausgehebelt, wir schaffen Instanzenzüge ab, und das ist eine Beschneidung von irgendwelchen Grundrechten!, das ist schon sehr verwegen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wenn Sie so tun, als ob man einen Strafzettel bekämpfen könnte, aber ein Asylwerber in diesem Rechtsstaat nicht ordentlich behandelt werden würde, dann kennen Sie das Verwaltungsgerichtshofgesetz nicht. Dann kennen Sie nämlich den § 33a des Verwal­tungsgerichtshofgesetzes nicht, wonach bis dato der Verwaltungsgerichtshof Be­schwer­den ablehnen konnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was für einen österreichischen Staatsbürger recht und billig ist, dass muss auch für einen Asylwerber genügen. (Beifall bei der FPÖ.) Wir müssen uns auch Gedanken um die österreichische Bevölkerung machen. Wir müssen die österreichische Bevölkerung vor kriminellen Asylwerbern schützen. Was fällt Ihnen dazu ein? – Nichts, kein einziger Satz!

Zum Instanzenzug generell: Wissen Sie denn nicht, dass wir im österreichischen Sys­tem grundsätzlich einen zweigliedrigen Instanzenzug haben? – Wir haben grundsätz­lich im Zivilverfahren einen Zwei-Instanzen-Zug, wir haben ihn im Strafverfahren. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Hier geht es um sehr wichtige Rechte, aber das sehen Sie nicht.

Wir werden uns weiterhin für die österreichische Bevölkerung einsetzen. Dafür stehen wir Freiheitliche – und das weiß die Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

12.20


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Dar­mann zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.20.23

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn auf das Thema Asylgerichts­hof eingehen und kann gleich einmal dem Herrn Innenminister zustimmen. Ja, die Einrichtung dieses Asylgerichtshofes ist ein zweiter Schritt, folgend auf die Implemen­tierung des Fremdenrechtsgesetzes 2005, das wirklich gute Arbeit leistet und beste Zahlen nach sich zieht, wenn man weiß, dass im Jahr 2006 die Asylanträge bereits um 40 Prozent zurückgegangen sind. Dennoch gibt es einen Anstau von vielen Anträgen, die abgearbeitet werden müssen, und dieser Asylgerichtshof wird sicherlich dazu beitragen können, hier schneller weiterzuarbeiten. (Beifall beim BZÖ.)

Ich möchte jedoch auch dem SPÖ-Abgeordneten und Kollegen Dr. Wittmann zu der späten, aber richtigen Erkenntnis gratulieren (Abg. Scheibner: Sehr spät, ja!), dass es, wie er gesagt hat, viele Asylwerber gibt, die Asylmissbrauch im Sinn haben. Ja, das sagen wir schon lange, das sehen wir in Österreich schon lange – interessant, dass jetzt im Zuge der Debatte um den Asylgerichtshof auch die SPÖ draufgekommen ist.

Tatsache ist aber, dass wir schon seit jeher gefordert haben, dass es in diesem Bereich ein schnelles und korrektes Asylverfahren geben muss, und dies nicht nur im Sinne der Asylwerber, sondern vor allem auch im Sinne der Österreicher. Denn wer gewährt dieses Recht auf Zeit? Asyl ist ein Recht auf Zeit; wer gewährt das? – Das gewähren die Österreicher. Und wer finanziert das? – Das finanzieren die Österreicher. Aus diesem Grund muss es ein schnelles und korrektes Asylverfahren geben, und dafür wird der Asylgerichtshof verantwortlich sein. (Beifall beim BZÖ.)

Einen leichten Kritikpunkt müssen wir dennoch bei der Besetzung des Asylgerichts­hofes anbringen. Wir haben heute schon kurz erwähnt – ich möchte das jetzt etwas


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detaillierter ausführen –, wie wir uns das Vorschlagsrecht bezüglich der Besetzung des Asylgerichtshofes vorstellen. In der Regierungsvorlage ist geplant, dass die Bundes­regierung einen Vorschlag bezüglich der Besetzung macht und sodann eine Ernen­nung durch den Bundespräsidenten erfolgt.

Wir vom BZÖ meinen: Um auch in den Asylgerichtshof die hohe Qualität des Verwal­tungsgerichtshofes hineinzubringen, muss das Besetzungsverfahren betreffend Asyl­gerichtshof der Besetzung des Verwaltungsgerichtshofes nachvollzogen werden. Aus diesem Grund schlägt das BZÖ vor, nicht die Bundesregierung einen Vorschlag machen zu lassen, sondern es soll der Verwaltungsgerichtshof einen Vorschlag machen, wer in diesem Asylgerichtshof arbeiten wird. (Beifall beim BZÖ.)

Weiters ist das BZÖ der Meinung, dass es ein strengeres Anforderungsprofil für diese Asylrichter geben muss. Es kann nicht so sein wie von der Regierung vorgeschlagen, dass es – unter Anführungsstrichen – „nur“ Juristen mit fünf Jahren an Berufserfahrung sein werden. Wir meinen, dass es dafür zumindest eine zehnjährige juristische Berufs­erfahrung in Kombination mit einem juristischen Studium geben muss.

Außerdem – und das ist aus dieser Regierungsvorlage auch nicht herauszulesen – muss wenigstens ein Drittel, also der dritte Teil der Mitglieder des gesamten Asyl­gerichtshofes, die Befähigung zum Richteramt haben. Es kann ja nicht sein, dass dort – das ist bei Gott kein Vorwurf an irgendeinen Beamten – „nur“ Beamte drinsitzen werden, die keine richterliche Befähigung haben, keine richterliche Ausbildung haben und dann im Asylgerichtshof als „Richter“ eingesetzt werden. Das heißt, es muss eine Befähigung zum Richteramt bei zumindest einem Drittel der Mitglieder vorhanden sein.

Weiters ist uns aber auch wichtig, dass der vierte Teil aus den Berufsstellungen der Länder kommt, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder oder – und das wird vielleicht sogar den Grünen gefallen – aus dem Bereich des Asyl-, Fremden- und Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Das heißt, es sollen wirklich Juristen sein, die mit diesen Gebieten zu tun haben. Ich glaube, dass das ein vernünftiger Vorschlag ist, der auch von Ihnen mitgetragen werden kann.

Nun zum Thema Artikel 50 B-VG, Abschaffung des zweistufigen Verfahrens bei der Ratifizierung von Staatsverträgen: Wir sehen hierin wirklich eine Niederschrift der Vorgangsweise, wie wir sie auch schon in Bezug auf den EU-Reformvertrag von dieser Bundesregierung gesehen haben. Das Volk hat bei dieser Bundesregierung einfach nicht mehr mitzubestimmen! Beim EU-Reformvertrag – auch wenn es noch so wichtige Bereiche sind, wo das Vetorecht gestrichen wird – soll es einfach nicht mitentscheiden, weder durch Volksabstimmung noch durch Volksbefragung. Das Volk in Österreich hat anscheinend keine Meinung.

Wir sind anderer Meinung. In Kärnten werden wir daher alles daransetzen, die Mei­nung der österreichischen beziehungsweise der Kärntner Bevölkerung durch eine Volksbefragung zu eruieren, und dann die Meinung des Landes Kärnten kundtun, die hier nämlich genauso wichtig ist wie die Meinung aller anderen Bundesländer. Die Stellungnahmen aller Bundesländer ... (Zwischenruf des Abg. Reheis.) Kollege, bitte passen Sie auf, denn die Bundesregierung hat das verschlafen – da gehören Sie auch dazu –: Die Stellungnahmen aller Bundesländer sind gefordert bei der Ratifizierung dieses Vertrages. (Beifall beim BZÖ. – Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glocken­zeichen.)

Ich komme zum Schlusssatz: Aus diesem Grund appelliere ich an alle Kärntnerinnen und Kärntner, diese Volksbefragung zu unterstützen und daran teilzunehmen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

12.26



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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur letzten Runde innerhalb der Fernsehübertragung. Im Einvernehmen mit den Frak­tionen lege ich die Redezeit der verbleibenden Redner mit je 6 Minuten fest.

Nun gelangt Herr Kollege Broukal zu Wort. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.26.08

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin in den letzten Wochen öfters von Journalistinnen und Journalisten angerufen worden mit der Frage: „Broukal, wie werden denn Sie in Sachen Asyl abstimmen?“ – Es ist mir „leider“ nicht gelungen (Zwischenrufe bei der ÖVP) – unter Anführungszeichen –, auch nur ein einziges Mal erwähnt zu werden, weil ich die erhoffte Antwort: Ich werde auf alle Fälle und ohne tiefe Prüfung gegen den Asylgerichtshof stimmen, nicht gegeben habe.

Herr Klubobmann Schüssel, Sie haben heute davon berichtet, wie der Journalismus manches Mal sehr frei mit uns umgeht. Obwohl ich glaube zu wissen, wie man mit JournalistInnen redet, war es mir in den letzten Wochen nicht möglich, auch nur ein Mal Gehör dafür zu finden, dass es auch Argumente gibt, die für die Einrichtung eines Asylgerichtshofes sprechen können.

Jetzt kann ich sagen: Es ist mir das Zweitbeste passiert, ich bin überhaupt nicht erwähnt worden. Das ist immer – das weiß ich mittlerweile auch schon (Abg. Mag. Kukacka: Das Ärgste für Broukal!) – die zweitbeste Sache, die einem bei den Medien passieren kann. Und wenn das so ein alter Medienmann wie ich sagt, dann wird es wohl stimmen. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, es gibt Gesetze, die wir alle gerne und ohne viel Zögern beschließen: kleinere Schulklassen, Obergrenzen bei Rezeptgebühren, eine Verbes­serung bei den Pensionen, Wirtschaftsförderungen, Förderungen für die Landwirt­schaft. Dann gibt es andere, da ist das nicht so einfach, und da gilt es abzuwägen. Da gibt es zwei Seiten der Waagschale, und auf jeder Seite der Waagschale finden wir Argumente, die an und für sich schwer wiegen. Man muss dann lange und doch sorgfältig prüfen, was am Ende des Tages das eigene Argument sein wird. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Es ist unbestreitbar, dass Asylverfahren in Österreich sehr lange dauern, weil es unsere bisher geltenden Gesetze AsylwerberInnen möglich machen, immer neue Argumente für Asyl vorzubringen. Wenn man mit den Richtern und Richterinnen des UBAS spricht, dann sieht man, dass zum Beispiel Menschen, deren Asylverfahren bis hinauf zum Verwaltungsgerichtshof erledigt sind und die bis jetzt politische Verfol­gungsgründe genannt haben, dann, von Anwälten beraten, umschwenken und sagen: Aber eigentlich werde ich aus religiösen Gründen verfolgt. – Und dann geht das Spiel von vorne wieder weiter.

Ich denke, dass hier eine gewisse Beschleunigung einfach an der Zeit war. Wir sehen ja heute wieder in der „Kronen Zeitung“ – auch wenn es dort sehr sensationell aufge­macht ist –, dass unter jenen, die Zutritt zu Österreich wollen, nicht nur Menschen sind, die das in berechtigter, wenn auch vielleicht objektiv nicht ganz so gegebener Angst tun, sondern auch Menschen, die das in kalter krimineller Berechnung machen.

Die Dauer der Verfahren, die Unmöglichkeit, auch kriminellen Asylwerbern Einhalt zu gebieten, das – und nicht Ausländerfeindlichkeit oder Wegschauen, wo man hin­schauen müsste – war der Grund dafür, jetzt den Asylgerichtshof einzurichten. Es gibt mehr Personal, mehr Richter als bisher. Asylverfahren werden in Zukunft sehr viel schneller abgeschlossen sein, im Interesse Österreichs, aber auch im Interesse der


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Menschen, die in Österreich leben wollen, aber oft keine ausreichenden Gründe dafür vorbringen können.

Für viele von uns in der SPÖ war diese Entscheidung schwierig, auch für mich. Auf der einen Seite der Waagschale wog ziemlich schwer, dass der Weg zum Verwaltungs­gerichtshof abgeschnitten würde. Auf der anderen Seite der Waagschale wog, dass dieses neue Asylgericht zweifellos eine substanzielle Verbesserung des Verfahrens mit sich bringen würde: das Parteiengehör; zwei Richter, die entscheiden, und wenn auch nur einer entgegen ist, geht es in den Fünf-Richter-Senat; der Verwaltungsgerichtshof, der bei grundsätzlichen Entscheidungen immer noch die völlig freie letzte Instanz ist.

Eine große offene Frage war dann die Möglichkeit, dass der Innenminister einen Asylbescheid, mit dem er nicht zufrieden ist, vor den Verwaltungsgerichtshof bringen kann. Letztendlich, Herr Innenminister, haben Sie dann selbst davon Abstand genom­men, dass Sie im Einzelfall intervenieren können. Sie können das nur in Grund­satzfällen, die aber ganz ausdrücklich auf den Anlassfall keinen Einfluss mehr haben können.

Ich habe mich nach langen Gesprächen und langer Überlegung dafür entschieden, zu sagen, dass ich glaube, dass die neue Konstruktion des Asylgerichtshofs so viel besser ist, dass sie das Manko des Wegfalles der dritten Instanz mehr als aufwiegt. Und ich habe mich zu dieser Anschauung auch deshalb entschließen können, weil ich mir genau angesehen habe, in wie vielen Fällen das Einschreiten des Verwal­tungs­gerichtshofs in den letzten drei Jahren dazu geführt hat, dass Asyl gewährt wurde, das die zweite Instanz verweigert hatte: In 41 von mehr als 4 000 Fällen!

Am Ende des Tages war die Frage, die ich mir gestellt habe: Ist das neue Verfahren vor dem Asylgerichtshof so viel besser, so viel menschlicher, so viel mitfühlender, so viel objektiver als das alte, dass das mehr als diese 41 Fälle aufwiegen wird, und dafür habe ich mich entschieden.

Was ich kritisch anmerken will, und das tut mir wirklich sehr leid, ist, dass es nicht gelungen ist, den UNO-Flüchtlingshochkommissar dazu zu bringen, die Rolle anzu­nehmen, so wie der Innenminister Grundsatzentscheidungen an den Verwaltungs­gerichts­hof herantragen zu können. Wir haben alle mit Interesse und sehr viel Hochachtung die Kritik des UNO-Flüchtlingshochkommissars am neuen Asylgerichts­hof zur Kenntnis genommen, aber ich sage: Wer solch grundsätzliche Kritik hat, der darf sich dann auch nicht zu fein sein, die Einladung anzunehmen, an diesem Ver­fahren auf Seiten der Flüchtlinge und im Interesse der Flüchtlinge teilzunehmen. Mir tut das sehr leid! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitter­lehner. Auch für Sie gilt: 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.31.40

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde die vorgelegten Änderungen, was die Verfassungsbereinigung anbelangt, richtig. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das glaube ich!) Sie werden nicht überrascht sein. Ich finde auch die Ergänzungen, die vorgenommen werden, richtig.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen in einem Punkt recht geben. Ich habe in letzter Zeit durchaus ruhig geschlafen, weil ich nicht beobachtet habe, dass unsere Organisation, die Wirtschaftskammer, besonders bedroht wäre und dass man daher bestimmte rechtliche Absicherungen treffen müsste. Das ganz einfach deswegen, weil wir uns reformiert haben. Wir haben im Jahr 2000 die Mitgliedsbeiträge um 30 Prozent


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gesenkt. Wir haben bei den Mitgliedern eine Zustimmung mit besonders positiven Werten von 70 Prozent. Wir brauchen also eigentlich keine besondere verfassungs­rechtliche Erwähnung. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Dann streichen wir das doch!) – Herr Westenthaler, passen Sie auf, bis ich fertig bin, und lachen Sie dann!

Wenn man daher so etwas ins Auge fasst, dann muss das einen besonderen Hinter­grund haben. Und dieser Hintergrund war der Konvent. Der Konvent hat gearbeitet. Es gibt zwei Formen von Verfassung: Entweder habe ich eine Spielregelverfassung oder eine institutionelle Verfassung. Man hat sich für eine institutionelle Verfassungs­regelung und Klärung entschieden, und daher sind die Kammern beziehungsweise die Selbstverwaltungskörper, denn die Kammern sind ja gar nicht erwähnt, also in dem Sinne die Sozialpartnerschaft, entsprechend verfassungsmäßig vorgesehen.

Jetzt sage ich Ihnen auch noch etwas zu Ihrer Aufregung: Das ist bereits im Regie­rungsprogramm drinnen gestanden. Wahrscheinlich haben Sie es nicht gelesen. Wenn man nicht mehr dabei ist, liest man nicht alles so genau. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Deswegen ist es ja auch nicht besser!) Das ist also im Regierungs­programm gestanden und war ein Vorschlag des Konvents.

Jetzt zitiere ich Ihnen jemanden, der an sich auch wissenschaftlich ausgewiesen ist und dessen Haltung in Widerspruch steht zu der des Herrn Mayer oder wer auch immer da als Verfassungsrechtler zitiert wird, nämlich den Herrn Bundespräsidenten. Ich zitiere aus dem „Neuen Volksblatt“ vom vergangenen Freitag die Antwort auf die Frage: „Halten Sie die geplante Verankerung der Sozialpartner in der Verfassung für richtig?“

Ich zitiere: „Das trägt einer Realität Rechnung, auf die wir in Österreich stolz sind. Wenn man Verfassungspurist ist, wird man vielleicht jede Bestimmung, die über die Spielregeln staatlicher Willensbildung hinausgehen, ablehnen. Wenn man aber auch bestimmte Grundsatzpositionen in die Verfassung aufnimmt, gibt es keinen prinzi­piellen Einwand, warum man nicht auch diese Institutionen entsprechend ihrer gesell­schaftlichen Bedeutung in der Verfassung festschreiben soll und ihnen damit ein höheres Maß an Rechtssicherheit gibt.“ (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Warum dann nicht auch Greenpeace und die Caritas?)

Meine Damen und Herren, jetzt frage ich Sie: Was haben Sie für eine Angst, wenn damit eigentlich nur der Status quo bestätigt wird? Was haben Sie für eine Angst vor Rechtssicherheit, die jetzt festgeschrieben wird, vor Selbstverwaltungen, die festge­schrieben werden, vor Weisungsunabhängigkeit, die festgeschrieben wird?

Ich denke, dass ich die Angst durchaus entsprechend einordnen kann. Es gibt immer noch bestimmte Herren (Abg. Ing. Westenthaler: Claus Raidl!) – auf diesen Herrn werde ich noch zu sprechen kommen –, die heute noch meinen, dass die Pflicht­mitgliedschaft eigentlich nicht in unser Land gehört.

Dazu muss ich Ihnen sagen, wir leben in einem Rechtsstaat. Herr Dr. Fichtenbauer! (Abg. Dr. Fichtenbauer: Ja!) Schauen Sie sich einmal europäische Entscheidungen an! Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Urteil zum Fall Le Compte aus dem Jahr 1981 ausgesprochen, dass die obligatorische Mitgliedschaft bei Berufs­kam­mern konventionskonform ist. Das entspricht also der Europäischen Menschen­rechtskonvention.

Der EuGH hat im Jahr 1983 entschieden, dass die Rechtsvorschriften der Mitglied­staaten, die die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer vorschreiben, als solche nicht unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht sind. Der Verfassungs-


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gerichtshof hat in Österreich ebenso eindeutig entschieden. (Abg. Dr. Fichtenbauer: Das bestreitet ja keiner!)

Und jetzt, meine Damen und Herren, können Sie sagen: Ja, das interessiert mich alles nicht. Was ist schon Recht? (Abg. Dr. Fichtenbauer: Das hat ja keiner behauptet!) – Sie sollten sich vielleicht damit auseinandersetzen, wie Sie zur Verfassung stehen und wie Ihre Partei dazu steht (Abg. Dr. Fichtenbauer: Hervorragend! Ich stehe aus­gezeichnet zur Verfassung!), wenn Leute in Uniform Wehrsportübungen durchführen, ohne dass sie beim Bundesheer sind. (Abg. Dr. Fichtenbauer: Wer hat das gemacht? Ich vielleicht? Meinen Sie mich?) Das wäre einmal eine andere Auseinandersetzung. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher bleibt mir noch eine Frage: Schauen Sie, wenn es für Sie schon unerheblich ist, wenn etwas mit dem Rechtssystem im Einklang steht, dann sollten Sie es wenigstens demokratisch nehmen. Bei uns haben sich 90 Prozent der Mitglieder für die Pflicht­mitgliedschaft entschieden.

Und jetzt möchte ich auch noch fragen: Wo ist Herr Zach? Jetzt sitzt er zufällig da. Heute redet er nicht einmal in der Debatte! Sie sagen, wir haben ein „Artenschutz­abkommen“ für Funktionäre, das in der Verfassung verankert werden muss. – Sie haben ein Artenschutzabkommen als Liberales Forum! Sie kommen nicht einmal beim Wähler vor. Sie dürfen da nicht einmal reden. (Abg. Dr. Cap: Er redet!)

Dann gehen Sie, Herr Zach, heute hinaus, machen eine Veranstaltung gegen diese verfas­sungsrechtliche Regelung. Wissen Sie, wer gekommen ist? – Einer! Der war von Ihnen bestellt und organisiert, dem haben Sie eine Zwangsjacke angelegt! Sonst niemand! Ich kann Ihnen sagen, Herr Zach: Das kann man noch toppen. Legen Sie sich selbst die Zwangsjacke an! Dann ist das die richtige Ausrichtung! (Beifall bei der ÖVP.)

So, und damit zum Schluss, meine Damen und Herren. (Abg. Ing. Westenthaler: Zu Raidl wollten Sie noch etwas sagen!) Der Raidl sagt zu allem etwas. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Er war aber immerhin Berater des Bundeskanzlers!)

Ich verstehe die Aufregung nicht, und die „Presse“ sollten Sie sich auch einmal anschauen. Wer so für den Wettbewerb eintritt wie die Zeitung „Die Presse“, meine Damen und Herren, der sollte sich auch einmal die Presseförderung anschauen und auch das, was von Seiten der Wirtschaftskammer immer an Geldern notwendig war. Das ist ein ganz anderes Thema, aber über das sollten wir auch einmal reden.

Und zum Schluss: Das ist der Aufregung zu viel. Ich finde, die Wirtschaft hat doch ganz andere, wichtigere Probleme. Diese Absicherung schadet niemandem, sie dient nur der Klärung. Widmen wir uns daher den wichtigen Themenstellungen, denn das interessiert die Bürger! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.37

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Zwerschitz. 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.37.48

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zum Thema Rechtssicherheit und zu den Ausführungen des Vorredners: Es wird jetzt zahlreiche Dissertationen geben. Insofern darf ich Ihnen im Namen aller möglichen Studentinnen und Studenten herzlich danken, denn die Rolle der SozialpartnerInnen in der Verfassung wird sie einiges an Kopfzerbrechen kosten, ihnen die Möglichkeit geben, ihre Studien abzuschließen. Es ermöglicht einen weiten Interpretationsspielraum und fällt schlichtweg unter Verfassungsschotter. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich möchte jedoch auf ganz etwas anderes eingehen, wie wahrscheinlich auch zu erwarten war. Minister Platter hat von einer Vervollständigung des Fremden­rechts­paketes gesprochen. Das fällt unter gefährliche Drohung. Wenn man sich anschaut, was das Fremdenpaket angerichtet hat und welche Möglichkeiten zur Renovierung es im Fremdenrechtsbereich gegeben hätte, dann ist das Asylgericht sicherlich nicht die passende Maßnahme.

Wir haben große Probleme bei den Versorgungen von Familien, wir haben große Probleme bei kindgerechter Unterbringung. Die Mindesterfordernisse werden nicht erfüllt, Kinder haben ganz wenig Möglichkeiten, Sprachkurse zu machen, Freizeit zu erleben, konstant eine Schule zu besuchen, weil sie herumgeschickt werden. Es gibt bereits 16-Jährige, die in Schubhaft genommen werden. Es braucht dringend eine einheitliche Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, von denen 2006 immerhin 488 gekommen sind.

Und was machen Sie? Was machen Sie angesichts der Probleme? – Sie führen ein Asylgericht ein, weil Sie meinen, dass das irgendwie hilft. Sie nehmen das Recht auf korrekte Verfahren, und Sie behaupten wieder einmal, die Verfahren zu verkürzen. Das haben wir schon öfters gehört, dass die Verfahren angeblich verkürzt werden.

Schauen wir uns die Fremdenrechtsfälle an, die in den Medien waren. Ich darf Sie zum Beispiel an die Familie Sharifi aus Leoben erinnern, für die sich auch ein Abgeordneter Missethon oder auch ein Abgeordneter Westenthaler eingesetzt hat. Das ist eine Familie, die, wenn es den Instanzenzug nicht gegeben hätte, heute nicht mehr in Österreich wäre. Die haben nämlich einen Instanzenzug gebraucht. Die haben ihn gebraucht, weil die Erstentscheidung einfach nicht richtig war. (Abg. Scheibner: War das der Verwaltungsgerichtshof?)

Was bedeutet das? Hat sich die erste Instanz geirrt, oder haben wir uns das einfach anders überlegt? (Abg. Scheibner: War das der Verwaltungsgerichtshof?) Waren die vorangegangenen Entscheidungen falsch, oder gibt es vielleicht doch auch eine Berechtigung in einem Rechtsstaat, Entscheidungen auch zu prüfen?

Der Verwaltungsgerichtshof ist zuständig für alle Bürgerinnen und Bürger und alle Men­schen in Österreich. Der Verwaltungsgerichtshof kann wegen Kleinstdelikten ange­rufen werden, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Und gerade im Men­schenrechtsbereich soll das nicht gelten? Gerade in einem so wichtigen Bereich, wo es um Existenzen geht?

Wenn es so unwichtig wäre, diese dritte Instanz, wie kann es denn dann sein, dass im Hearing die Fachleute davon reden, dass über 20 Prozent der Verfahren nicht ordnungs­gemäß waren? (Abg. Scheibner: Das stimmt ja nicht! Das ist auch falsch!) Dass diese 20 Prozent unnotwendig sind, das können Sie doch nicht ernsthaft glauben!

Es geht Ihnen um Einsparungen, es geht Ihnen darum, Geld zu sparen. (Abg. Dr. Haim­buchner: Die österreichische Bevölkerung zu schützen!) Das machen Sie auf Menschenrechtskosten. Das hat in der Zwischenzeit in Österreich schon eine gewisse Kultur. Wie könnten Sie sonst noch einsparen? Sie könnten auch einsparen, indem wir einfach eine bessere Ausstattung hätten, indem wir eine bessere Ausbildung hätten, mehr Ressourcen.

Weil Ihre Novelle so „hervorragend“ ist und weil Sie so überzeugt davon sind, dass das so etwas Tolles ist, deswegen machen Sie dann im Parlament nur ein verkürztes Verfahren, deswegen gibt es keine Begutachtung, deswegen gibt es die Vorlagen schnell, deswegen gibt es im Ausschuss weitreichende Abänderungsanträge, weil Sie


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so davon überzeugt sind, dass Ihr Gesetz hervorragend ist, weil Sie es nicht zulassen wollen, dass zu viele Instanzen vielleicht etwas dazu sagen?

Die haben sich aber das Recht dazu nicht nehmen lassen. Sie haben sich trotzdem zu Wort gemeldet. Leider wird das nichts helfen, denn Sie werden das heute durch­peitschen. Sie werden das Fremdenrecht wirklich „vervollständigen“, dieses Fremden­rechtspaket, aber es ist unwürdig, es ist unserer Verfassung unwürdig. Das tut mir irrsinnig leid, denn es wird weiterhin dazu beitragen, dass auch Kinder und Jugendliche nicht verstehen werden, warum sie im Gefolge der Wahlaltersenkung solche PolitikerInnen wählen sollten. (Beifall bei den Grünen.)

12.43


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.43.15

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn man einen ganzen Vormittag lang der Debatte folgt, ist das schon spannend, und ich bin sehr dankbar, dass der Herr Präsident mir jetzt 6 Minuten Redezeit zuteilt. Alleine das ist ja schon ein Zeichen oder letztlich eine Demonstration, wie mit den Rechten der Bürger, der Parlamentarier insgesamt umgegangen wird.

Begonnen hat der Weg der Beschneidung der Rechte in den letzten beiden Jahr­zehnten mit der Änderung der Geschäftsordnung 1997, mit der die Rechte der einzelnen Abgeordneten massiv eingeschränkt wurden, dank der nicht einmal mehr Redezeit für alle Abgeordneten im Plenum zur Verfügung steht und Ähnliches mehr. (Abg. Dr. Stummvoll: Sehr viele Minderheitenrechte!)

Diese Geschäftsordnungsreform ist sehr überfallsartig von der großen Koalition damals beschlossen worden. Das passiert immer unter einer großen Koalition. Daher muss man vorsichtig sein, wenn man dafür ist – es gibt ja immer noch Leute in Österreich, die dafür sind, eine große Koalition zu implementieren –, denn die schadet letztlich dem Ansehen des Parlamentarismus, der Demokratie, dem republikanischen Prinzip und vielem anderen mehr.

Damals hat man also schon begonnen, überfallsartig die Rechte zu beschneiden. Ich habe damals in meiner Rede – das ist nachzulesen – gesagt: Man darf sich dann nicht wundern, wenn sich Mehrheitsverhältnisse ändern, dass auch andere Mehrheits­verhältnisse dann diese Geschäftsordnung so leben, wie sie die große Koalition vorge­geben hat.

Im Jahr 2000 ist dann das große Aufschreien seitens der Sozialdemokratie gekommen. Die Geschäftsordnung ist ein Wahnsinn! Keine Rechte mehr! Gleich daran angehängt wieder das Versprechen: Wenn wir in die Regierung kommen, wird alles gut und besser. Nichts wird! Die Geschäftsordnungsreform ist abgesagt worden. Das Komitee, das eingesetzt worden ist, ist vorgestern gescheitert. Da kommt nichts! (Abg. Dr. Kräuter: Daran ist nicht die SPÖ schuld!)

Wenn man die Rechte der Abgeordneten einschränkt, schränkt man auch die Rechte der Bürger ein, denn wer soll für die Bürger letztendlich Partei ergreifen, wenn es schon die Rechtsordnung per se nicht mehr vorsieht? (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie jetzt den Stufenbau der Rechtsordnung umdrehen und den Abgeordneten vier bis sechs Minuten Redezeit geben, innerhalb von acht Tagen etwas durch­peitschen, was fundamental und grundsätzlich unser Zusammenleben in diesem Lande ändern wird, dann können Sie nicht von Verfassungsbereinigung sprechen, wie das Kollege Mitterlehner getan hat.


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Ich weiß auch nicht, bei welchem Konvent er war, denn das, wovon er hier gesagt hat, dass das im Konvent besprochen worden sei, stimmt nicht. Wahrscheinlich war er beim CV auf irgendeinem Konvent, und dort ist das besprochen worden. Vielleicht kommt ja auch noch unter der nächsten großen Koalition die Festschreibung des CV und der Sozialistischen Jugend in der Verfassung als Bestandsschutz. Das würde ja noch fehlen. Das wird man wahrscheinlich auch noch brauchen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Dort haben Sie das vielleicht ausgemacht, aber sicherlich nicht hier im Hohen Haus. Mehrheitswahlrechtsvorbereitung nenne ich das. Was macht es für einen Sinn, derartige Dinge in der Verfassung festzuschreiben? Das geschieht doch nur, wenn man die Angst hat, dass einmal eine einfache Mehrheit etwas anderes beschließen könnte. Und wie könnte das am einfachsten passieren? – Wenn man ein Mehrheits­wahlrecht einführt zum Beispiel. Diese Option gibt es ja. Es gibt hier ja genug Befürworter in beiden Regierungsparteien. Dann braucht man natürlich eine verfas­sungs­mäßige Absicherung von derartigen Schattenregierungen, damit man seinen Einfluss behält.

Sie machen hier nicht Verfassung, Sie schreiben nur Ihre persönlichen Rechte in die Verfassung mit Dauerbestandsgarantie hinein, und das ist verwerflich. Wer sind die Sozialpartner? Es fehlt die Legaldefinition dazu. Die Sozialpartner bestehen nach üblichem Verständnis aus vier ... (Abg. Parnigoni: Nein, mehr!) Vier! Es gibt schon mehr, die noch dabei sind. Auf der einen Seite waren das die Arbeiterkammer und der ÖGB, denn damals bei der Entstehung der Sozialpartnerschaft hat es eben nur eine der linken Reichshälfte zugehörige Sozialpartnerkammer gegeben, und so hat man den ÖGB mit hineingenommen, der übrigens seit Jahren und Jahrzehnten immer mehr hoheitliche Rechte zugewiesen erhält, wogegen wir uns auch verwahren. (Abg. Parnigoni: Welche hoheitlichen Rechte hat der ÖGB?) Was passieren kann, wenn man einem Verein permanent hoheitliche Rechte in Gesetzen festgeschrieben zuordnet, haben wir ja gesehen. Auf der anderen Seite waren das die Wirtschafts­kammer und die Bauernkammer. Jetzt werden es ein bisschen mehr.

Ganz en passant wird von Hahn und der SPÖ das nächste Versprechen gebrochen. Es wurde gesagt, dass man das passive Ausländerwahlrecht auf den Hochschulen frühestens nach einem ausführlichen Diskussionsprozess im Wissenschafts­aus­schuss behandeln wird. Jetzt kommt es hinein! Man braucht dazu eine Verfas­sungs­änderung. Das ist die Bereinigung! Jetzt kommt das passive Ausländerwahlrecht hinein, weil für diese Kammern, insbesondere auch für die Österreichische Hoch­schülerschaft hoheitliche Mitwirkungsrechte normiert sind. Am Ende sind diese jedoch österreichischen Staatsbürgern vorbehalten.

Was Sie heute hier machen, ist, dass Sie wieder ein Staatsbürgerrecht wegnehmen. Was bleibt denn in Österreich von der Staatsbürgerschaft noch übrig außer der Wehrpflicht? Und die dürfen sie dann im Tschad ausüben. Das kann es nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man so mit der Verfassung umgeht, einen derart schludrigen Umgang damit hat und nur mehr persönliche Interessen, parteipolitische Interessen hineinschreibt (Prä­sident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen), wenn man die Parteien, die Kammern, den Proporzstaat mit Zweidrittelmehrheit in der Verfassung festschreibt, dann hat man damit keine Verfassung geändert, sondern dann hat man sich um 70 Jahre zurückkatapultiert, in eine Zeit, die wir alle nicht mehr erleben wollen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scheibner.)

12.49



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 93

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.49.42

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Verehrte Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als positiv denkender Mensch bin ich eigentlich von der Vorstellung ausgegangen, dass eine so große und von so vielen Menschen unterstützte Regierung aus SPÖ und ÖVP auch einmal darangehen wird, den ganzen Verfassungsschutt beiseitezuräumen und wirklich eine Verwaltungsreform zu machen. Vorschläge dafür gibt es ja genug. Viel ist diskutiert worden im Österreich-Konvent, und viele Vorschläge hat der Rechnungshof gemacht, 207 an der Zahl, Einsparungspotential 4 Milliarden €, nicht wenig, viel für eine kleine Demokratie wie Österreich. Viel gilt es zu reformieren und einzusparen.

Sie gehen einen völlig anderen Weg. – Unverständlich für jene, die sich der Wirtschaft sehr verbunden fühlen, unverständlich für sehr viele in diesem Land, die es mit diesem Staat ernst meinen, die sehr viel Steuern zahlen, damit das Gemeinwohl eine Balance erhält.

Ich muss es nicht selber kommentieren, sondern ich lasse einfach gewisse sehr wichtige Persönlichkeiten aus der Wirtschaft sprechen. Heute sagt laut „Presse“ beispielsweise ein nicht unbedeutender Berater der ÖVP, würde ich sagen, ein gewisser Herr Raidl – viele sagen Santa Claus –: „Die Kammern treten die Flucht in den geschützten Bereich und in die Unangreifbarkeit an.“

Oder ein gewisser Herr Werner Tessmar-Pfohl, Vizepräsident der Industriellen­vereinigung, sagt: „Man kann den Präsidenten der Kammern nur gratulieren, dass mit dieser Verfassungsänderung der Ständestaat eingeführt wurde.“ 

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, kümmert Sie das überhaupt nicht?

Herr Klubobmann Schüssel! Herr Parteichef Schüssel! Wollen Sie diesen Ansichten des Herrn Kollegen Raidl, der Sie immer berät, nicht auch Beachtung schenken? (Abg. Dr. Schüssel: Sonst immer, aber da nicht!) – In keinster Weise Beachtung schenken. Sie bleiben dabei, dass Sie eine Verstaatlichung der Sozialpartnerschaft in unserem Land durchführen.

Ich frage mich ja schon die längste Zeit: Wovor haben Sie eigentlich Angst? Warum machen Sie das? Warum schützen Sie die Sozialpartnerschaft? Warum stellen Sie sie in den Verfassungsrang? Was steckt da dahinter?

Wenn man länger überlegt, kommt man darauf, dass die Sozialpartnerschaft in den letzten Jahren etwas gescholten wurde. Wir haben sie zur Zeit der ÖVP-BZÖ-Regie­rung etwas auf die Seite gestellt, weil wir gesagt haben, viele sozialpartnerschaftliche Vorschläge lähmen unsere Demokratie, lähmen unseren Staat. Wir brauchen einen freien Zugang zu einer wirklich konstruktiven, aufgeschlossenen Regierungsarbeit in unserem Land. – Jetzt wird wieder gelähmt und zugedeckt. Da wir sie sträflich vernachlässigt haben in diesem Land, ist das die späte Rache der Sozialpartnerschaft. Sie hat Ihnen in sehr vielen Bereichen auch die Gefolgschaft verweigert.

Ich sage nichts Neues, wenn ich in Erinnerung rufe, dass beispielsweise die Wirt­schaftskammer wie der ÖGB und die Arbeiterkammer in ihren Gremien eine Steuer­senkung beschlossen haben. In all ihren Gremien fordern die Präsidenten Leitl, Tumpel, wie sie alle heißen, dass die Steuern in unserem Land gesenkt werden sollen, damit diese Teuerungswelle, die auf die Bevölkerung zurollt oder über die Bevölkerung drüberrollt, einigermaßen aufgefangen werden kann.


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Nichts wird gemacht. Sie stellen die Sozialpartner ruhig, indem Sie sagen: Warten wir ein bisschen, wird nicht so schlimm werden, ihr bekommt eine verfassungsrechtliche Verankerung, euch kann nichts passieren! Ihr könnt in eurem geschützten Bereich tun und machen, was ihr wollt. Ihr könnt Beiträge einheben, euch muss niemand mehr fragen, euch muss niemand mehr wählen, ihr könnt dort machen, was ihr wollt. Ihr könnt natürlich auch beschließen, was ihr wollt, denn wir müssen das im Hohen Haus nicht mittragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Geringschätzung des Volkes in unserem Land. Das ist eine Geringschätzung auch der Fleißigen und Tüchtigen in unserem Land. Was Sie hier machen, ist eine sträfliche Vernachlässigung der Demokratie. (Beifall beim BZÖ.) Eine im Verfassungsrang stehende Sozialpartner­schaft hat sich unser Land nicht verdient. Wir sind für Freiheit und nicht für Sozialismus!

Ich denke nur an einen berüchtigten Spruch des von mir immer geschätzten Herrn Kollegen Molterer, der immer gesagt hat: Markt plus Marx ist Murks. – Meine Damen und Herren! Genau das kommt mit dieser Gesetzgebung zum Ausdruck. – Danke sehr. (Beifall beim BZÖ.)

12.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, ich gebe bekannt, dass die TV-Direktübertragung jetzt beendet wird.

Wir gehen jetzt ganz normal in der Rednerreihenfolge fort und kommen wieder zu den freiwilligen Redezeitbeschränkungen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Weinzinger. 4 Minuten freiwillige Redezeitbe­schrän­kung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.55.00

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Tagesordnung haben wir als 1. Punkt den Bericht des Verfassungsausschusses betreffend ein B-VG-Ände­rungs­gesetz und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz. – Ken­nen Sie vielleicht dieses Spiel, das Aufhängen, wo man vorne einen Buchstaben hinstellt, dann macht man lauter Punkte entsprechend der Anzahl der Buchstaben und schreibt dann hinten den letzten Buchstaben? In Zukunft werde ich dieses Spiel immer gewinnen, wenn ich dieses Wort einsetze.

Was mich an diesem Bericht noch besonders irritiert, ist der Umstand, dass hier steht: Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz. Erstes! Das ist eine Drohung, da kommen offensichtlich noch mehrere. Sie nützen Ihre Verfassungsmehrheit offen­sichtlich recht ordentlich aus.

Meine Damen und Herren! In diesem Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz haben Sie einige Bereinigungen durchgeführt zu Ihrem Wohl, zum Wohl der Regie­rungs­parteien, und zum Wohl all jener Bereiche, die Sie für Ihre Zwecke für richtig halten. Sie haben aber eine Bereinigung offensichtlich vergessen. Warum haben Sie nicht von vornherein die Verfassungsbestimmung herausgenommen: Das Recht geht vom Volk aus? Hätten Sie das doch auch bereinigt entsprechend Ihren Maßnahmen! Dass das Recht vom Volk ausgeht, ist eine Verfassungsbestimmung, ein verfassungs­mäßig geschütztes Recht. Aber Sie geben unserem Volk, Sie geben der Bevölkerung von Österreich nicht das Recht, über eine ganz maßgebliche, wichtige Angelegenheit abzustimmen. Das Recht geht vom Volk aus – das müssten Sie auch noch bereinigen.

Meine Damen und Herren, wir haben in Punkt 2 dieser Tagesordnung die Einführung des Asylgerichtshofes im Rahmen eines Gesetzes. Jetzt muss ich sagen, ich habe seit


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der Früh mit großem Interesse alle Wortspenden dazu angehört. Da waren Wortmel­dungen, die ausgesprochen interessant waren, da waren Wortmeldungen, die höchst kritisch waren, insbesondere von den Grünen. Und ich habe versucht, die charmanten Damen von den Grünen zu verstehen. Ich habe es wirklich versucht. Ich verstehe es nicht! Ich verstehe es einfach nicht. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt den Vorsitz.)

Da ist ganz offensichtlich, dass ein unglaublicher Asylmissbrauch betrieben wird. Da ist ganz offensichtlich, dass rund um Österreich lauter sichere Länder sind, dass also ein Asylwerber eigentlich gar nicht bis zu uns vordringen kann, weil er vorher schon in einem sicheren Land ist, höchstens er kommt mit einem Flugzeug. Es scheint für mich aber eigentlich unwahrscheinlich zu sein, dass ein Asylwerber aus seinem Land, wo er verfolgt wird, wo Leib und Leben bedroht sind aufgrund seiner politischen Anschauung, aufgrund seiner Religion, aufgrund seiner Rasse, aber sicher nicht aufgrund von kriminellen Taten, denn das ist kein Asylgrund, dann mit dem Flugzeug wegfliegt. Das ist eigentlich kaum anzunehmen.

Also jeder, der hereinkommt, kommt schon einmal im Bewusstsein, dass er kein echter Asylwerber ist, weil er vorher schon in einem sicheren Land außerhalb der Grenzen Österreichs – und dort sind nur sichere Länder – schon längst Sicherheit gefunden hätte. Er kommt also so herein und weiß, dass er zu Unrecht hier ist. – Punkt eins.

Punkt zwei: Er kommt hierher, großteils auch illegal. Er eröffnet und beginnt seine Karriere in Österreich als künftiger Bewohner Österreichs, der er sein will, mit einer illegalen Tat, mit dem Überschreiten eines Rechtes, mit dem Setzen einer Straftat.

Meine Damen und Herren, und da soll man nicht die Verfahren, in denen man das aufklärt und die wiederum zurückschickt, verkürzen? – Na selbstverständlich! Und wenn die rechtliche Möglichkeit gegeben ist, dann kann man das nur begrüßen. Und daher verstehe ich die Damen und Herren von den Grünen in diesem Einsatz absolut nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

13.00


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Abänderungsantrag der Abgeord­neten Weinzinger, Dr. Aspöck und anderer Abgeordneter ist ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Weinzinger, Dr. Aspöck, Dr. Haimbuchner und anderer Abgeord­neter

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (31  d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein erstes Bundesverfassungsrechts­bereinigungs­gesetz erlassen wird (370 d.B.).

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die dem Bericht (370 d.B.) angeschlossenen Regierungsvorlage (314 d.B.) betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 in der Ziffer 28 lautet der Artikel 129c wie folgt:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 96

„Artikel 129c (1) Der Asylgerichtshof erkennt nach Erschöpfung des Instanzenzuges

1. über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen,

2. über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Asylsachen.

(2) In den Verfahren vor dem Asylgerichtshof dürfen neue Tatsachen und Beweise nicht vorgebracht werden.“

Begründung

Die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung kann nur auf der Grundlage von zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Sachanträgen und Tatsachenvorbringen erfolgen. Das führt letztlich dazu, dass dem Verfahren erster Instanz, speziell was den Sach­verhalt betrifft, besondere Bedeutung zukommt.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.00.07

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man muss Kriminalität bekämpfen, und zwar überall dort, wo es geht. Aber man kann, wie ich meine, auf der anderen Seite Asylsucher nicht insgesamt kriminalisieren. Herr Kollege, darüber würde ich mir schon eine sachliche Diskussion wünschen.

Was die Sache selbst betrifft, glaube ich, dass die Zustände im Asylbereich, insbe­sondere die enorm hohe Zahl von nicht entschiedenen Fällen ein echtes Problem darstellen, das wissen wir alle. Es ist völlig inakzeptabel, dass wir Verfahren haben, die bereits sechs, sieben, acht, neun, ja bis zu zehn Jahre anhängig sind, wo sich also Kinder, Familien entwickeln und dann am Ende des Verfahrens mitgeteilt wird, dass das Asyl nicht gewährt wird. Ich glaube, das verstehen wir alle. Daher ist es notwendig, hier für eine Verbesserung zu sorgen.

Man darf allerdings auch nicht vergessen, warum das so entstanden ist. Herr Bun­desminister, Herr Innenminister, Sie waren es nicht, aber Ihre Vorgänger haben ja eigentlich sehenden Auges nichts gemacht, um die Überflutung des UBAS wirklich entsprechend zu bekämpfen, indem man die Personalausstattung zumindest in einem Mindestausmaß erhöht hätte und damit eigentlich das, was jetzt eingetreten ist, zu einer Zeit, zu der das noch steuerbar war, verhindert hätte. Daher muss man eine Änderung durchführen.

Ich darf auch in Erinnerung rufen, dass im Rahmen des Konvents ja besprochen wurde, einen Bundesverwaltungsgerichtshof zu schaffen, der auch Asylfragen jetzt klären sollte. Diese Verfassungsänderung ist nicht zustande gekommen. Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, wissen auch, warum. Und daher besteht jetzt die Notwendigkeit, eine Alternative zu suchen.

Dass die Art und Weise, wie das Gesetz jetzt umgesetzt wird, alles andere als glücklich ist, wissen wir, glaube ich, alle, weil es natürlich nicht sehr sinnvoll ist, in einem sehr kurzen Verfahren mit Tischvorlagen zu agieren. Das ist eine Maßnahme, die auch von allen Klubs mehr oder weniger als verbesserungsfähig und notwendig dargestellt worden ist. Die Frage ist nur: Was könnte man an der derzeitigen Situation noch verbessern?


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 97

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Korinek hat ja selbst auch dargelegt, der Zwei-Instanzen-Zug, der ja auch im Konvent eigentlich das Ziel gewesen wäre, könne durchaus bleiben. Ich frage mich, Herr Innenminister, warum man, wenn Sie das Recht haben, eine Grundsatzentscheidung herbeizuführen, das nicht auch einer Gruppierung um die Asylwerber hätte geben können. Der UNHCR hat das begründet, er könne es nicht machen, weil das üblicherweise nur in Entwicklungsstaaten gehe, dass er seine Personalkapazitäten zur Verfügung stellt. Man könnte einen Anwalt, eine Anwaltschaft schaffen und diese damit betrauen. Ich glaube, dass hier in der weiteren Entwicklung die Diskussion noch fortgeführt werden kann.

Ein ganz Letztes noch. Ich hätte mir eigentlich erwartet, dass der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Korinek – er wurde ja eingeladen – von seinem Recht, von der Möglichkeit, im Verfassungsausschuss Stellung zu nehmen, Gebrauch macht. Er hat das nicht gemacht, er hat auch keinen Vertreter geschickt. Ich habe das eigentlich als einigermaßen desavouierend empfunden, und ich finde es besonders dann ärger­lich, wenn ich im „Standard“ von gestern und heute lese, dass Herr Professor Korinek sich jetzt nunmehr massiv über diese Novelle ärgert. Allerdings hat er auf der anderen Seite von der Möglichkeit, dass ein Vertreter des Verfassungsgerichtshofes hierher kommt, was wohl außer Streit steht, nicht Gebrauch gemacht hat. Ich glaube, wenn man sich zu Wort meldet, nachdem bereits entschieden worden ist, dann sollte man wirklich davor auch von dem Recht Gebrauch machen, hier seine Stellungnahme abzugeben. Das sei an die Adresse des Herrn Gerichtshofpräsidenten gerichtet. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.03


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stadler. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.04.07

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Durch die vorliegende Verfassungsänderung wird ein Unabhängiger Asylge­richts­hof anstelle des UBAS eingerichtet, der als Letztinstanz in Asylansuchen ent­scheiden wird. Und diese Verkürzung des Instanzenzuges wird eine Beschleunigung der Verfahren bewirken. Aber es wird nicht so sein, dass es dadurch eine Verschlech­terung geben wird, wie viele Kritiker behaupten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind dieselben Kritiker, die uns ständig vorgeworfen haben, dass die Verfahren zu lange dauern und dass die Behörden daran schuld seien. Es sind auch dieselben Kritiker, die ein generelles Bleiberecht fordern, wenn Verfahren über Jahre dauern. Und es sind auch dieselben Kritiker, die von politi­scher Kaffeesudleserei reden, wenn wir Maßnahmen zur Beschleunigung von Ver­fahren setzen.

Ich glaube, dass diese Kritiker auch einmal hinterfragen sollten, worum es ihnen eigentlich geht, ob es ihnen wirklich um die Menschen geht, die da in Not sind. Denn: Auch für einen Asylwerber ist es von Vorteil, wenn rasch geklärt wird, ob Asyl gewährt wird, ob ein Asylgrund anerkannt wird. Entsprechend dem Vieraugenprinzip müssen bei dem Verfahren im Asylgerichtshof zwei Richter gemeinsam entscheiden, und wenn es keine Einstimmigkeit gibt, wird es ein Fünfersenat werden. So wird Recht verstärkt und nicht minimiert. Und es wird auch weniger Verfahrensmängel, die auch die Verfahren in die Länge ziehen, geben.

Ich bin auch froh darüber, dass im Ausschuss unser Bundesminister klar festgehalten hat, dass es in Grundsatzfragen weiterhin Anrufungen an den Verwaltungsgerichtshof geben wird. Und ich bin auch überzeugt davon, dass wir alle gemeinsam sehr genau diesen neuen Asylgerichtshof beobachten werden. Und wenn es da und dort noch


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 98

Mängel geben sollte, werden wir dies bei der Evaluierung berücksichtigen, und zwar im Sinne der Menschen und auch der Menschenrechte. (Beifall bei der ÖVP.)

13.06


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Mag. Grossmann mit 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.06.30

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden heute mit jahrelangen Versäumnissen in der Asylpolitik konfrontiert. Der Rückstau von 34 000 anhängigen Verfahren wurde heute schon mehrmals thematisiert. Verfahren dauern oft wirklich bis zu zehn Jahre. Und in dieser Zeit kommen Kinder zu Welt, wachsen hier auf, haben oft keinen Bezug zu ihren Herkunftsländern und lernen auch nie deren Sprache. Und plötzlich halten dann die Eltern eine letztinstanzliche abschlägige Entscheidung in den Händen und wissen natürlich weder ein noch aus, nachdem ihnen von Rechtsver­tretern hier auch jahrelang Hoffnungen gemacht wurden. (Abg. Dr. Haimbuchner: Jetzt sind auf einmal die Anwälte schuld!)

Was das dann für eine menschliche Katastrophe ist, haben die prominenten Fälle in der letzten Zeit wirklich mehr als deutlich vor Augen geführt, nämlich auch für jene, meine Herren da in der letzten Reihe, die Asylwerber automatisch mit Kriminellen gleichsetzen wollen. Denn: Wenn nämlich politische Probleme ein Gesicht bekommen, dann ändert sich für viele die Perspektive. Und deshalb ist auch ganz besonders den Medien zu danken, die konkrete Fälle so anschaulich darstellen. (Abg. Steibl: Den Hintergrund!)

Diese Fälle, meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Steibl, haben auch aufgezeigt, wie unmenschlich es ist, Menschen ewig lang in Rechtsunsicherheit zu halten. Ellenlange Verfahren in diesem Bereich sind verantwortungslos. Hier war wirklich akuter Handlungsbedarf gegeben. Und jetzt wurden endlich Handlungen gesetzt, um die Verfahrensdauer zu verkürzen. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) – Ich weiß nicht, warum Sie sich da jetzt so darüber aufregen. Es ist ja unser gemeinsamer Beschluss. Es geht nicht auf Kosten der Qualität, denn nur weil etwas länger dauert, muss es deshalb nicht besser sein. Das sage ich vor allem an die Adresse der Grünen.

Wesentliches Qualitätsmerkmal ist die Qualifikation der entscheidenden Personen. Deshalb muss hier wirklich besonderes Augenmerk auf die fachliche und vor allem menschliche Qualifikation des richterlichen Personals gelegt werden. Hier sind natür­lich intensive politische Kenntnisse, Kenntnisse der politischen Verhältnisse der Her­kunftsstaaten besonders notwendig. Es muss auf internationale Zusammenarbeit mehr Wert gelegt werden, und die Staatendokumentation muss und wird auch deutlich verbessert werden. Und das sind ganz, ganz wichtige Rahmenbedingungen für eine gute Asylpolitik.

Überhaupt möchte ich betonen, dass Flüchtlingsproblematik, aber auch Migration in erster Linie eine Folge verfehlter Entwicklungspolitik sind und eine Folge nicht wahr­genommener internationaler Verantwortung. Natürlich kann ein kleines Land wie Österreich nicht die Probleme der ganzen Welt lösen, aber wir können im Rahmen der Europäischen Union in organisierter Weise das Elend auf der Welt lindern helfen.

Flüchtlingspolitik muss zunehmend solidarisch auf europäischer Ebene gemacht wer­den, weil kleine Länder und Länder an den südöstlichen Außengrenzen einfach heillos überfordert sind. Und die beste Politik ist eine, die ein Fliehen aus einem Land erst gar nicht notwendig macht. Flüchtlinge führen uns dramatisch vor Augen, dass uns der „Rest“ der Welt einfach nicht egal sein kann. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 99

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.10.12

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Kurz Inhaltliches, dann ein Abänderungsantrag.

Ich war einst als Erstentscheider beim Bundesasylamt in Linz tätig und weiß um die Notwendigkeit der Verfahrensbeschleunigung durch Änderung des Instanzenzuges.

Jeder von uns weiß, dass bei Asylwerbern, die in die Berufung gehen, am Ende eine negative Bescheinigung des Asylantrages herauskommen wird. Und so kann es doch nicht sein, dass Asylwerber aus wirtschaftlichen Gründen um Asyl bei uns ansuchen und allein aufgrund des langen Verfahrens, der langen Verfahrensdauer quasi ein Bleiberecht ersitzen. Genau deswegen wird hier eine entsprechende Änderung durch­geführt, damit sich am Ende nicht die Katze in den Schwanz beißt.

Nun zum Abänderungsantrag, den ich hiemit einbringe:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht (370 d.B.) über die Regierungsvorlage (314 d.B.) betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

1. In Art. 1 Z 19 lautet Art. 90a letzter Satz:

„Durch Bundesgesetz werden die näheren Regelungen über ihre Bindung an die Wei­sungen der ihnen vorgesetzten Organe getroffen.“

2. In Art. 1 Z 42 wird dem Art. 151 Abs. 38 folgender Satz angefügt:

„Die zur Anpassung an die Art. 20 Abs. 2 letzter Satz und Art. 120b Abs. 2 erforder­lichen Bundes- und Landesgesetze sind spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2009 zu erlassen.“

3. In Art. 2 wird in § 2 Abs. 4 Z 7 der Punkt am Ende der Ziffer durch einen Strichpunkt ersetzt.

4. In Art. 2 wird in § 2 Abs. 4 Z 9 der Punkt am Ende der Ziffer durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 10 wird angefügt:

„10. § 22 Abs. 3 und 4 des Bundesgesetzes, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz), BGBl. I Nr. 149/2002, mit Ablauf des 30. September 2006.“

5. In Art. 2 entfällt in § 5 Abs. 1 Z 20 die Wortfolge „und § 22 Abs. 3“.

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.12


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Abänderungsantrag der Kollegen Wittmann und Sonnberger wurde soeben ordnungsgemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 100

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen zum Be­richt (370 d.B.) über die Regierungsvorlage (314 d.B.) betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bun­desverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

1. In Art. 1 Z 19 lautet Art. 90a letzter Satz:

„Durch Bundesgesetz werden die näheren Regelungen über ihre Bindung an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe getroffen.“

2. In Art. 1 Z 42 wird dem Art. 151 Abs. 38 folgender Satz angefügt:

„Die zur Anpassung an die Art. 20 Abs. 2 letzter Satz und Art. 120b Abs. 2 erfor­derlichen Bundes- und Landesgesetze sind spätestens bis zum Ablauf des 31. Dezem­ber 2009 zu erlassen.“

3. In Art. 2 wird in § 2 Abs. 4 Z 7 der Punkt am Ende der Ziffer durch einen Strichpunkt ersetzt.

4. In Art. 2 wird in § 2 Abs. 4 Z 9 der Punkt am Ende der Ziffer durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 10 wird angefügt:

„10. § 22 Abs. 3 und 4 des Bundesgesetzes, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz), BGBl. I Nr. 149/2002, mit Ablauf des 30. September 2006.“

5. In Art. 2 entfällt in § 5 Abs. 1 Z 20 die Wortfolge „und § 22 Abs. 3“.

Begründung

Zu Z 1(Art. 1 Z 19 [Art. 90a letzter Satz B-VG]):

Inhaltliche Präzisierung.

Zu Z 2 (Art. 1 Z 42 [Art. 151 Abs. 38 zweiter Satz B-VG]):

Der in Art. 1 Z 9 vorgeschlagene Art. 20 Abs. 2 letzter Satz B-VG und der in Art. 1 Z 24 vorgeschlagene Art. 120b Abs. 2 B-VG erfordern eine Anpassung der einfachen Gesetze. Dafür soll eine zweijährige Frist gesetzt werden.

Zu Z 3 (Art. 2 [§ 2 Abs. 4 Z 7 1. BVRBG]):

Korrektur eines Schreibfehlers.

Zu den Z 4 und 5 (Art. 2 [§ 2 Abs. 4 Z 9 und 10 und § 5 Abs. 1 Z 20 1. BVRBG]):

Bereinigung eines Redaktionsversehens. Die Verfassungsbestimmungen des § 22 Abs. 3 und 4 des Ökostromgesetzes, BGBl. I Nr. 149/2002, sind bereits durch die mit Art. 1 Z 21 der Ökostromgesetz-Novelle 2006, BGBl. I Nr. 105, erfolgte Neufassung des § 22 des Ökostromgesetzes einfachgesetzlich „aufgehoben“ worden. Um eine


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 101

verfassungsmäßige Rechtslage herzustellen,soll diesen Bestimmungen durch § 2 Abs. 4 Z 10 1. BVRBG endgültig derogiert werden; die Erwähnung des § 22 Abs. 3 in § 5 Abs. 1 Z 20 1. BVRBG wiederum hätte zu entfallen.

*****

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 102

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.13.07

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staats­sekretärin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ein bisschen verwundert bin ich seit Tagen, um nicht zu sagen, seit Wochen, weil nach 19 Monaten Diskussion im Konvent, nach monatelangen Diskussionen über die eine oder andere Materie in den unterschiedlichsten Bereichen das von einigen Rednerinnen und Rednern hier so dargestellt wird, als handle es sich um eine Nacht- und Nebelaktion.

Im Juli 2005: Fünf-Parteien-Entschließungsantrag Asylgerichtshof; ich erinnere nur daran. Wir alle haben geglaubt, dass wir ihn gleich Anfang 2006 haben – einstimmige Meinung.

Aber bevor ich zwei, drei Bemerkungen zum Asylgerichtshof mache, möchte ich noch auf die Sozialpartner, die heute so oft angesprochen wurden, zu sprechen kommen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Zur Erfolgsstory Zweite Republik Österreich gehören die Sozialpartner dazu! (Abg. Grillitsch: Gehören wir auch dazu!) Wir sind ihnen dankbar dafür, dass sie gemeinsam mit unseren Vorfahren dieses wunderbare Land so gestaltet haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Also tun wir nicht so, als gäbe es die Sozialpartner nicht, als gäbe es das realverfassungsmäßig nicht. (Abg. Grillitsch: Sagen Sie das dem Cap!)

Ich möchte mich heute hier bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des UBAS sehr herzlich bedanken. Wir haben in langen Diskussionen – gerade ich habe das immer wieder angeschnitten – hier zum Ausdruck gebracht, dass wir zwar eine gesetzliche Änderung brauchen, dass das aber ohne Ressourcen, ohne Personal und ohne Geld nicht gehen wird. Ich meine, dass die Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich Hervorragendes geleistet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gab Konsens im Konvent über ein zwei­stufiges Verfahren in allen Bereichen. Heute oder die letzten Tage so zu tun, als wäre das etwas ganz Neues, ist nicht richtig. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der neue Asylgerichtshof stellt doch gegenüber der derzeitigen Regelung eine wesentliche rechtliche Verbesserung dar. Das wird nicht besser? – Da könnt ihr noch so viel zwischenrufen, wir haben das auch schon im Verfassungsausschuss diskutiert. (Abg. Dr. Haimbuchner: Übelster Proporz!)

Hier ist hohe Qualität gegeben, nach unserem Dafürhalten ein höherer Rechtsschutz als in der Vergangenheit. Ich habe immer geglaubt, meine geschätzten Damen und Herren, dass wir alle uns darin einig sind: rasche Verfahren im Interesse der Betroffenen, im Interesse der Menschlichkeit, aber auch im Interesse – das sage ich ganz offen – unseres geliebten Österreich. Auf einmal aber habe ich den Eindruck, dass manche wirklich Interesse daran haben, dass die Verfahren lange dauern. Ich kann dem nicht nähertreten und meine, dass wir mit den heutigen Beschlüssen eine gute Lösung für die Zukunft haben, auch im Namen der Humanität. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Grillitsch. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

13.16


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Grander. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.16.10

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Vorlage nehmen wir eine wichtige Hürde der großen Staats- und Verwal­tungs­reform, die auch ein zentraler Punkt unseres Regierungsprogramms ist. Wenn auch noch viel zu tun ist, ist dies doch ein wichtiger Schritt zur Verfassungs­bereinigung. Ich denke, die Verfassung wird lesbarer und verständlicher. (Abg. Dr. Haimbuchner: Im Gegensatz zum EU-Reformvertrag!)

Ich möchte den Mitgliedern des Österreich-Konvents für die umfangreichen Vorar­beiten danken, insbesondere unserem Nationalratpräsidenten außer Dienst Dr. Khol.

Wie auch im Vorfeld diskutiert, wird die Sozialpartnerschaft in die Verfassung aufge­nommen. Ihre Autonomie wird geachtet, der Sozialpartner-Dialog wird durch Errichtung von Selbstverwaltungskörpern gefördert. – Mir als ehemaliger Betriebsratsvorsitzenden tut das natürlich wohl!

Es wird auch ausdrücklich klargestellt, dass sich die künftig verfassungsrechtlich verankerte Sozialpartnerschaft nicht nur auf die Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Landwirtschaftskammer beschränkt.

Ich werde täglich in meiner Arbeit aus meiner Berufsgruppe der Pflegeberufe bezie­hungsweise auch aus den Berufsgruppen der nichtärztlichen Berufe mit der Forderung nach einer Pflegekammer beziehungsweise nach einer Kammer für nichtärztliche Berufe angesprochen. Es wird immer wieder von mir eingefordert, mich hier dafür einzusetzen, dass es da in Zukunft eine eigene Kammer gibt.

Argumente dafür wären: Das Problem der Registrierung dieser Berufsgruppen wäre gelöst, auch der Experten beziehungsweise Spezialisten. Es gäbe einen flächen­deckenden Zugriff auf Personal in Krisensituationen, zum Beispiel bei Pandemien, Epidemien. Die Kammer wäre ein ernst zu nehmender politischer Verhandlungspartner und Systempartner und wichtig für inhaltlich komplexe Strukturen und Prozesse in der Gesundheitsversorgung – ich denke dabei nur an EUNETPAS, MEDSAFE. Pflege­kennzahlen beziehungswerte Pflegewerte wie Klassifikationen nach ICNP oder auch ICN-Programme könnten in dieser Kammer gut umgesetzt werden. Der interdis­zipli­näre Teil würde belebt und effizienter – Ärzte, Physiotherapie, Ergotherapie et cetera. Es wäre ein Fortschritt für die Bildungsorientierung, zum Beispiel Pflegeöko­nomie, Pflegeinformatik, und es käme zu kontinentübergreifenden Vergleichbarkeiten bezüg­lich Personal- und Patientenmobilität.

Ich werde mich in meiner Arbeit weiterhin für die Umsetzung dieser Forderung dieser Berufsgruppen einsetzen. Wir sehen, dass diese Sozialpartnerschaft in England und in den skandinavischen Ländern bereits funktioniert. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.19.14

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte unsere Position zum Asyl­gerichts­hof noch einmal zusammenfassen: Die SPÖ hat anlässlich der Beschluss­fassung über das Fremdenrechtspaket die Errichtung eines Asylgerichtshofes verlangt, um die Verfahren zu beschleunigen, aber gleichzeitig auch sicherzustellen, dass sie


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 103

fair und korrekt durchgeführt werden. Das war einer der Hauptgründe dafür, dass wir letztlich dem Fremdenrechtspaket mit großer Mehrheit zugestimmt haben.

Die letzte Regierung hat dieses Vorhaben – es hat ja einen Entschließungsantrag gegeben – nicht umgesetzt, aber nun liegt der diesbezügliche Gesetzentwurf vor uns, und ich bin überzeugt davon, dass der Asylgerichtshof als zweite Instanz eine wesentliche Verbesserung mit sich bringen wird.

Es werden statt einer Person zwei das Verfahren führen, und wenn sich diese nicht einig sind, wird ein Fünfersenat zusammentreten. Der Asylwerber wird damit also das Recht auf eine mündliche Verhandlung vor zwei beziehungsweise, wenn sich diese nicht einig sind, sogar fünf Richtern haben. Ich halte das für eine ganz wesentliche Sache. Dieses mündliche Verfahren ist ganz zentral und entscheidend, weil es eben darauf ankommt, die Glaubwürdigkeit des Asylwerbers zu überprüfen, und da ist ein Mehraugenprinzip sicher besser als das, was wir bis jetzt gehabt haben.

Auch die Grundsatzentscheidungen, die in der Diskussion im Vorlauf zur Entstehung dieses Gesetzes sehr viel diskutiert worden sind, schützen den Asylwerber. Bei wichtigen offenen oder strittigen Verfahren hat der Fünfersenat zusammenzutreten und eine Grundsatzentscheidung zu treffen, die dann ausnahmslos dem Verwaltungs­gerichtshof vorzulegen ist, der sie dann bestätigen oder auch abändern kann. Also nicht nur der Innenminister kann das verlangen.

Der UNHCR hätte für sich auch das Recht bekommen können, eine Grundsatz­entscheidung zu erlangen, aber er hat dieses Recht, das wir ihm einräumen wollten, leider abgelehnt.

Selbstverständlich sind die unteren Instanzen an diese Entscheidungen des Verwal­tungsgerichtshofes gebunden.

Damit komme ich zu etwas ganz Entscheidendem und Wichtigem, nämlich der ersten Instanz. Über 40 Prozent der Entscheidungen werden aufgehoben, daher ist es von ganz zentraler Bedeutung, die erste Instanz zu verbessern. Das wird jetzt geschehen: erstens durch eine massive personelle Aufstockung – es wird mehr Juristen geben – und zweitens durch die Staatendokumentation, die tagesaktuell zur Verfügung gestellt wird. Dadurch können sich die Entscheidungsträger besser auf die individuellen Asylwerber konzentrieren.

Das heißt, sowohl die erste als auch die zweite Instanz werden entscheidend verbes­sert, und das System der Grundsatzentscheidungen wird ebenfalls dazu beitragen, die Verfahren zu beschleunigen und zu verbessern. Das ist im Interesse der Asylwerber und überhaupt im Interesse des Rechtsstaates. Ich habe mir all das sehr gut überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass auch ich persönlich diesem Gesetz zustim­men kann. (Beifall bei der SPÖ.)

13.22


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.23.08

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Staats­sekretärin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann im Zusammenhang mit dem Unabhängigen Asylgerichtshof nicht oft genug erwähnen, dass wir in Österreich eine gute und lange Tradition haben, Flüchtlingen, asylberech­tigten Menschen unser Angebot, unsere humanitären Leistungen, Aufenthalt in unse­rem Land zu gewähren. Es wurde heute darauf aufmerksam gemacht, dass es Hundert­tausende, ja in etwa zwei Millionen Menschen sind, die Österreich aufgenom­men hat – wir können darauf durchaus stolz sein.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 104

Derzeit haben wir allerdings einen „Überhang“ von Asylberechtigten, etwa 34 000. Tatsache ist, dass es zu lange dauert, bis die um Asyl Ansuchenden eine Ent­scheidung bekommen und dass der Instanzenzug Möglichkeiten gibt, die Asylbewer­bung zu verlängern, über Jahre zu verlängern, sodass sich jene Bürger, die zu uns kommen und um Asyl ansuchen, in der Zwischenzeit hier etablieren und einleben.

Im Prinzip wäre das ja gut so, aber es kann nicht sein, dass dann ein Bleiberecht daraus resultiert, wenn jemand nach Österreich kommt, um Asyl ansucht und lang genug hier ist, sein Ansuchen entsprechend verlängert. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn das die Grünen fordern, müssen wir diese Forderung zurückweisen! – Unser Anliegen ist es, dass jeder, der berechtigterweise um Asyl ansucht, dieses zuge­sprochen bekommen muss, aber alle anderen sicher nicht Asyl in unserem Land bekommen können – und diese Entscheidung muss rasch erfolgen.

Der Asylgerichtshof wird dies ermöglichen, auch rechtliche Sicherheit für alle Betrof­fenen. Der Herr Minister hat darauf aufmerksam gemacht, dass auch die Österreicher davon betroffen sind, und ich möchte das unterstreichen.

Dieser Asylgerichtshof wird uns rasche Entscheidungen bringen, und zwar aufgrund eines richterlichen Vieraugenprinzips oder – wenn es notwendig ist – durch einen Fünfersenat, wenn vorher keine Entscheidung getroffen werden konnte.

Mit diesem neuen Gesetz beschließen wir also Rechtssicherheit – es ist wirklich zu befür­worten. (Beifall bei der ÖVP.)

13.25


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zach. – Bitte, Sie haben das Wort für 2 Minuten.

 


13.25.53

Abgeordneter Alexander Zach (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein Etikettenschwindel, es steht nämlich Verfassungs­bereinigung drauf, drinnen ist allerdings ein Artenschutzprogramm für Kammerfunk­tionäre.

Herr Mitterlehner hat heute hier ja schon einen Auftritt absolviert, und ich muss ganz ehrlich sagen: Herr Abgeordneter, es ist Ihrer nicht würdig und es ist auch der Wirtschaftskammer nicht würdig, wie Sie heute hier Ihre Meinung vorgebracht haben. Ich schätze sonst Ihre Ausführungen zu anderen Themen.

Ich glaube, der Grund dafür, dass Sie so nervös geworden sind, liegt darin, dass die Wirtschaftskammer ihren Mitgliedern keine Leistung mehr bietet. Es gibt Umfragen – ich habe hier den „Kurier“ vom 22. September, eine Umfrage in Einpersonenunter­nehmen: Sind Sie mit der Zwangsmitgliedschaft zufrieden? – Mehr als die Hälfte sagt nein!

Die vielleicht interessantere Frage war: Wo rufen Sie an, wenn Sie Probleme haben? (Abg. Grillitsch: Beim Herrn Zach!) – Die Frage wurde Unternehmern gestellt! – Rufen Sie eher bei der Arbeiterkammer oder bei der Wirtschaftskammer an? – Da gibt die Mehrheit, und zwar 56 Prozent, an: Wir rufen bei der Arbeiterkammer an, weil wir bei der Wirtschaftskammer nichts bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist das wahre Problem der Wirtschaftskammer, und deshalb bin nicht nur ich dafür, diese Zwangsmitgliedschaft aufzuheben, sondern unzählige Mitglieder, die mir in den letzten Tagen gemailt haben. Wir haben eine Homepage eingerichtet, nämlich „www.rausausderkammer.at“, und wir machen noch mehr.

Ich bringe heute hier folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 105

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Zach betreffend Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in Kammern

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat spricht sich gegen die Pflichtmitgliedschaft in berufsständischen Interes­senvertretungen (Kammern) aus.

*****

Jetzt sind die Herrschaften von BZÖ und FPÖ gefordert, nicht nur zu reden, sondern auch  zu handeln. Unterstützen Sie diesen Antrag, damit er hier zur Abstimmung ge­bracht werden kann, oder schweigen Sie für immer! – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Zach gestellte Entschließungsantrag trägt nur eine Unterschrift und ist somit nicht ausreichend unterstützt.

Ich stelle daher die Unterstützungsfrage und bitte jene Damen und Herren, die diesen Antrag zusätzlich unterstützen wollen, dies also nicht bereits durch die Unterschrift getan haben, um ein entsprechendes Zeichen. – Die Unterstützung ist nicht aus­reichend. Daher ist dieser Entschließungsantrag auch nicht ordnungsgemäß eingebracht.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Schelling. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.28.22

Abgeordneter Dr. Johann Georg Schelling (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanz­ler! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Eine der heute zu beschließen­den Änderungen im Bereich der Bundesverfassung wurde weder im Verfassungs­ausschuss mit besonderen Wortspenden versehen noch in der Öffentlichkeit themati­siert, nämlich das Thema Verfassungsbereinigung. Jedoch verdient aus meiner Sicht dieses Thema ganz besondere Beachtung. Das Getöse über den Asylgerichtshof und das etwas kleinere Getöse über die sonstige Selbstverwaltung haben diese Leistung eigentlich nicht richtig zur Geltung kommen lassen.

Diese Verfassungsbereinigung ist aus dem Österreich-Konvent entstanden, und die große Zahl von fast 1 000 Bereinigungen zeigt, wie notwendig dieser Prozess ist – und daraus sollten wir auch lernen, nämlich dass dieser Prozess nur ein erster Schritt ist und weitergeführt werden sollte, dass die Bereinigung in regelmäßigen Abständen erfolgen sollte und nicht erst wieder nach Jahrzehnten.

Ich möchte meinen Dank all jenen aussprechen, die sich im Österreich-Konvent und in der Expertengruppe aktiv eingebracht und damit die Voraussetzungen für diesen ersten Reformschritt tatsächlich geschaffen haben.

Nun noch zum Thema der sonstigen Selbstverwaltung: Herr Zach, wenn Sie davon sprechen, dass die Kammern in die Verfassung flüchten würden, dann kann ich nur sagen: Sie sind der Einzige hier im Hohen Haus, der vor seiner Gesinnung geflüchtet ist. Und wenn Sie sich noch schwarze Hörner aufsetzen würden, gingen Sie am heutigen Krampustag vielleicht sogar noch als Krampus durch. Bekanntlich fürchten sich ja wenige Menschen davor. (Beifall bei der ÖVP.)


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Diese sonstige Selbstverwaltung ist im Ausschuss 7 im Jahr 2004 angestoßen worden, steht im Regierungsprogramm und war vom 23. Juli bis 17. September in Begutach­tung. Der Verfassungsgerichtshof sieht tatsächlich die gesetzliche Mitgliedschaft als Wesenselement der Selbstverwaltung, und die Formulierung zum Thema der Sozialpartner lehnt sich an Artikel 136a des neuen EU-Vertrages an.

Selbstverwaltungskörperschaften – Herr Zach, das werden Sie auch noch wissen – sind Solidargemeinschaften. Vor allem im Bereich der Wirtschaftskammer ist es so, dass wir da vor allem den Klein- und Kleinstbetrieben damit sehr stark nützen. Interessenvertretungen sind so stark wie es ihre Mitglieder sind.

Zu Ihrer Erinnerung: Die gesetzliche Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer wurde am 10. Oktober 1946 durch dieses Hohe Haus begründet. Es ist keine Zwangs- oder Pflichtmitgliedschaft, sondern eine gesetzliche Mitgliedschaft. Die Frage der Organi­sation und der Finanzierung bleibt einfachgesetzlich geregelt. – Also, um mit ihren Worten zu sprechen, viel Lärm um nichts! (Beifall bei der ÖVP.)

13.30


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zum Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Fazekas. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.31.04

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Vizekanz­ler! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich, bevor wir diese Runde abschließen und nun zur Abstimmung gelangen werden, noch einmal auch an jene wenden, die sich bis jetzt wahrscheinlich nicht dazu durchringen konnten, diesem Gesetz ihre Zustimmung zu geben.

Wenn wir das Rad der Zeit ein wenig zurückdrehen, so darf ich noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir die Diskussionen deshalb heute in dieser wichtigen Form abhalten, weil allen klar war, dass wir die Verfahren – was das Thema Bundes­asylgerichtshof betrifft – schneller durchziehen müssen, zum Schutze der Menschen, die betroffen sind.

Die Tatsache, dass viele Tausende Asylwerberinnen und Asylwerber auf der Warteliste stehen, ist einfach nicht zu akzeptieren. Die Verfahren konnten nicht in angemessener Zeit abgewickelt werden. Das ist, glaube ich, Anlass genug, jetzt und hier einzugreifen und dafür zu sorgen, dass nicht nur die Verfahrensdauer massiv verkürzt wird, sondern dass diese Verfahren auch in der Qualität verbessert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass gerade Sie von den Oppositionsparteien offenbar nicht gerade ein Interes­se daran haben, dass das Asylverfahren in Bezug auf Qualität und Menschlich­keit verbessert wird. Was soll denn daran schlecht sein, wenn ein Gerichtshof geschaffen wird und im sechsten Hauptstück der Verfassung, das den Titel „Garantien der Verfassung und Verwaltung“ trägt, angesiedelt ist?

Ich stelle natürlich fest, dass jede Fraktion ihren ideologischen Zugang hat, außer bei den Herren des BZÖ, denn Sie, Herr Klubobmann Westenthaler, haben heute zu die­ser Diskussion nicht viel beigetragen. Ich hätte gerne Ihre Meinung dazu gehört, aber das war nicht möglich. Sie haben daraus eher einen Misstrauensantrag gegen die Justizministerin konstruiert, was eine klare Themenverfehlung wäre, also kein wirklich wichtiger Beitrag.

Die Vorteile des neuen Verfahrens liegen auf der Hand und sind heute ja schon mehr­mals erwähnt worden. So wird zum Beispiel gerade bei der Frage der Glaubwürdigkeit der Asylwerberin oder des Asylwerbers weit mehr auf die Umstände des Asylgrundes


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eingegangen werden können, nicht nur, weil auch die Staatendokumentation auf wissenschaftliche Basis gestellt wird und vor allem auch allen gleich zugänglich sein wird, sondern weil auch das Recht auf eine mündliche Verhandlung vor zwei und vor fünf Richtern eingeräumt wird – ein Instrument, das bisher in dieser Form nicht möglich war.

Jetzt zu behaupten, das wäre eine Verschlechterung, ist doch nur ein Vorwand. Zudem erhalten die Asylwerber jetzt das Recht, sich nicht nur von einem Anwalt, sondern auch von einer NGO vertreten zu lassen – das war doch auch ein sehr wesentlicher Aspekt, der immer wieder eingefordert wurde. Glauben Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich bin selbst Bürgermeister, das wissen Sie –, wir haben oft mit diesen Fällen zu tun. Daher meine ich, es darf nicht sein, dass Menschen jahrelang darauf warten. Es ist unfair, wir müssen hier mehr Fairness hineinbringen.

Es ist aber auch unfair jenen gegenüber, die kein Recht erhalten haben, hier zu bleiben, und hier muss eine rasche Entscheidung fallen. Daher gilt es, Verantwortung zu zeigen und Entscheidungen zu treffen. Es ist kein Durchpeitschen, meine sehr geehrten Damen und Herren – das ist heute auch schon gefallen –, sondern es ist eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung wird heute hier und jetzt getroffen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.34.50

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Wenn heute im Laufe der Debatte so eine „machtvolle“ Fraktion wie das BZÖ einen Misstrauensantrag gegen eine der erfolg­reichsten Ministerinnen dieser Regierung einbringt, dann verdient diese Initiative natürlich eine Replik. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

In jener Zeit, als das BZÖ Minister gestellt hat, war es schwierig, einen Misstrauens­antrag zu stellen. Wenn wir einen gestellt haben, war der oder die Betreffende meist schon wieder ausgewechselt. Wir haben damals schon gesagt, das ist fast wie bei einer Drehtür: ein Minister kommt, ein anderer Minister geht. Also das war damals nicht ganz einfach.

Ich möchte schon sagen, dass das heute ein vorgeschobenes Argument war und dass Sie ehrlicher sein sollten, Herr Klubobmann Westenthaler. Ihnen geht es ja in Wahrheit um etwas ganz anderes. (Abg. Ing. Westenthaler: Na bitte, um was geht es mir?)

Hier ist eine Ministerin, die wirklich versucht, mit einem Mehr an Rechtsstaatlichkeit und einem besseren Zugang zum Recht und zur Justiz selbst einen Beitrag zu mehr Bürgernähe und Rechtssicherheit zu leisten, die aber immer – im Gegensatz zu dem, was Ihresgleichen oft unterstellt haben, nämlich ein Täter sei wichtiger als das Opfer; natürlich absolut falsch! – den Opferschutz und die Opferrechte in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt und sogar auch ausgebaut hat. Wenn heute ein Strafrechtspaket mit drei strafrechtlichen und zwei zivilrechtlichen Gesetzen beschlossen wird, dann beweist das doch, dass wirklich viele Gesetzesinitiativen in das Parlament eingegangen sind.

Allein im Strafrechtspaket ... (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn sie es nicht liest! Sie liest es nicht! – Sie soll es lesen!) Ich muss Ihnen das deswegen erzählen, weil Sie sich damit gar nicht auseinandersetzen. (Abg. Öllinger: Das BZÖ hat ein ganz anderes Problem mit der Justiz!) Sie sollen hier ja inhaltlich argumentieren. – Damit verbunden ist ein Mehr an Sicherheit für die Bevölkerung, ein Weniger an Kriminalität, eine niedrigere Anzahl an Opfern. Das ist die Intention, die dahintersteht.


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Und ganz wichtig: die Schritte gegen Korruption in Wirtschaft und Bürokratie; ein ganz zentrales Element. – Eigentlich Themen für so selbst ernannte Ordnungsparteien wie die Ihre, Herr Klubobmann Westenthaler; eigentlich Themen für Sie, weil Sie immer aufstehen und sagen, hier werde der Korruption Vorschub geleistet, es werde nicht genug getan, der Täter sei wichtiger als das Opfer, und was weiß ich, was Sie uns noch alles erzählen.

Aber im Hintergrund all dieser Dinge, glaube ich, steht auch ein grundsätzlich anderes Verständnis von Recht und Rechtsstaatlichkeit. Ich glaube, Ihr Rechtsverständnis ist immer noch irgendwo ein bisschen von diesem mittelalterlichen Racheprinzip geprägt. In Wirklichkeit wäre es Ihnen gar nicht so unrecht, wenn man wieder zurückginge zur Daumenschraube, zum Bäckerschupfen und was eben damals im Mittelalter noch so üblich war. Aber das, sage ich Ihnen, hat mit einem modernen Rechtsverständnis nichts zu tun!

Da eben diese Justizministerin – eine mutige Justizministerin – eine ist, die wirklich einem modernen Rechtsverständnis verbunden ist, im Interesse der Bevölkerung, im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher, wird sie unsere volle Unterstützung auch in Zukunft haben – und ganz besonders dann, wenn hier ein Pharisäer wie Sie auftritt und mit vorgeschobenen Argumenten agiert. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.37


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Herr Klubobmann Dr. Cap, für den Begriff „Pharisäer“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Zunächst ist über die eingebrachten Rückverweisungsanträge abzustimmen.

Hinsichtlich des Gesetzentwurfes in 370 der Beilagen liegt je ein Rückverweisungs­antrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek sowie der Abgeordneten Scheib­ner, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde über diese Anträge unter einem abstimmen lassen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, den Entwurf betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, in 370 der Beilagen, an den Verfassungsausschuss rückzuverweisen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Weiters liegt hinsichtlich des Gesetzentwurfes in 371 der Beilagen je ein Rückver­weisungs­antrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek sowie der Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde auch über diese Anträge unter einem abstimmen lassen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, den Entwurf betref­fend ein Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz in 371 der Beilagen an den Verfassungs­ausschuss rückzuverweisen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir gelangen somit zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 109

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, in 370 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Des Weiteren liegt ein Verlagen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Dr. Graf vor.

Schließlich haben die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen ein Verlan­gen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungs­anträgen sowie von den Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, der Reihe nach, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf sowie bei den eingebrachten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen jeweils um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Absatz 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgese­henen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung neuer Ziffern 12a und 12b in Artikel 1 bezieht.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist nicht die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit und somit abgelehnt.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffer 15 in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 Ziffer 19 bezieht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag eingebracht, der sich auf die Streichung der Ziffern 22 bis 25 sowie die sich daraus ergebende Änderung der Ziffernbezeichnung in Artikel 1 bezieht.

Wer sich dafür ausspricht, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist nicht die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit und somit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenom­men.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 110

Die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 1 Ziffer 28 eingebracht, und ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist nicht die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit und somit abgelehnt.

Die Abgeordneten Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 Ziffer 28 bezieht.

Wer diesem Abänderungsantrag beitritt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist nicht die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit und somit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Artikel 1 Ziffer 28 in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffern 38, 39 und 40 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dazu seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag eingebracht, der sich auf Artikel 1 Ziffer 42 bezieht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist nicht die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit und somit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 Ziffer 42 eingebracht.

Ich lasse sogleich über Artikel 1 Ziffer 42 in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des eben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Wer dazu seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 2 §§ 2 und 5 bezieht.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 2 in der Fassung des Ausschuss­berichtes unter Berücksichtigung des eben erwähnten Abänderungsantrages der Abge­ordneten Dr. Wittmann, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 111

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 370 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 49.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nicht-Unterzeichnung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durch den österreichischen Bundes­kanzler.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung einer nationalen Volksabstimmung in Österreich über die Ratifizierung des Vertrages zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz samt Titel und Eingang in 371 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte auch hier jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 112

13.48.293. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (290 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird (E-GovG-Novelle 2007) (362 d.B.)

4. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (363 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (293 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz, das Ziviltechnikergesetz, das Rezeptpflichtgesetz sowie die Gewerbeordnung 1994 geändert werden (364 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (294 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­verfahrens­gesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwal­tungs­strafgesetz 1991 und das Zustellgesetz geändert werden (Verwaltungs­verfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007) (365 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als erster Redner Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser mit 4 Minuten freiwilliger Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.49.28

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Das E-Government-Gesetz beschäftigt sich mit der Bürgerkarte. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Projekt „Bürgerkarte“ ist gescheitert. In den letzten drei Jahren haben 20 000 BürgerInnen die Bürgerkarte genutzt; das ehrgeizige Ziel war eine 100-prozentige Nutzung. Das Beispiel FinanzOnline zeigt, wie desaströs die Bilanz der Bürgerkarte ausfällt.

FinanzOnline ist ein absolut gelungenes Online-Behördenprojekt. Eine Million Öster­reicherInnen machen ihre Steuererklärungen online, aber nur 3 500 davon mit Bürgerkarte, der Rest ganz normal über Benutzernamen und Codes. Das sagt schon alles. Das sagt schon, dass die Bürgerkarte ein massives Akzeptanzproblem hat. Es wurde auch versprochen, dass der Bürgerkartenzugang barrierefrei für Sehbehinderte und Blinde gestaltet wird. – Auch das ist nicht gelungen.

Das Akzeptanzproblem ist das eine, das andere ist: Die Bürgerkarte funktioniert technisch nicht. Erst letzten Freitag haben sich die Befürworter bei einer Presse­konferenz wieder aufgrund von Anwendungsschwierigkeiten blamiert und dokumen­tiert, dass das Projekt eigentlich zu vergessen ist.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch datenschutzrechtliche Probleme. Das Projekt ist nichts anderes als ein Portalverband von Behörden. Es gibt bereichsspezifische Per­sonenkennzeichen, die weitreichende Verknüpfungsmöglichkeiten der Bürgerdaten


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 113

zwischen Behörden schaffen. Das heißt, die Gefahr – es ist nicht intendiert – des „gläsernen Bürgers“ ist durch die technische Gestaltung dieses Projektes durchaus möglich. Es ist wichtig, heute nein zu sagen, denn sonst werden wir in Zukunft – und wir wissen auch nicht, in welchem Rahmen – über Grundrechtseinschränkungen diskutieren, die auf Basis dieses technischen Systems dann durchgeführt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Beenden wir daher dieses teure und praxisuntaugliche Bürgerkartenprojekt! Bauen wir lieber die bestehenden Online-Angebote der Behörden auf Basis von Benutzernamen, Codes und Passwörtern aus! Diese funktionieren und werden auch angenommen. Klubobmann Josef Cap, der leider nicht da ist, hat 2006 gesagt: Wenn die SPÖ einmal etwas zu reden hat, dann wird es dieses Gesetz nicht mehr geben. – Gemeint war das E-Government-Gesetz. Das Gesetz gibt es immer noch. Jetzt wissen wir das, was wir ohnehin schon immer vermutet haben: Die SPÖ hat nichts zu reden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


13.52.20

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meinem Vorredner kann ich nur in einem einzigen Punkt zustimmen: Das Projekt „Bürgerkarte“ ist tatsächlich verbesserungsfähig. Insgesamt ist es aber schon erfreu­lich, dass es, was das Verwaltungsverfahren und das Zustellrecht betrifft, Verbesserun­gen und Erleichterungen gibt. Das ist etwas im Dienste, im Interesse des Bürgers: E-Government.

Bei zwei Bereichen sind aber auch Konkretisierungen und Änderungen notwendig. Ich glaube, so ziemlich alle Verkehrsteilnehmer kennen die sogenannte Anonymverfügung. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Es stellt sich heraus, dass mit dem neuen § 18 AVG in Zukunft gewisse Probleme verbunden sein werden: Soll das jetzt eine Unterschrift von Beamten in Hunderttausenden Ausfertigungen tragen oder die Amtssignatur nach § 19 E-Government-Gesetz, die dann nicht am Ausdruck ist und wo die Frage des Telebanking noch ungeklärt ist?

Hier ist noch einiges an Arbeit notwendig, und daher gibt es zu diesem Bereich auch eine Ausschussfeststellung. Es wird noch einen intensiven Beratungsprozess gemein­sam mit der Verwaltung dazu geben. Und das ist, denke ich, gut.

Ein zweiter Punkt ist problematisch, wo es Änderungen geben wird. Im Entwurf, was den § 13 AVG betrifft, ist etwas drinnen, was zu sehr kritischen Situationen führen könnte. Wenn beispielsweise jemand eine Demonstration an einem Samstag um 8 Uhr elektronisch bei einem unbesetzten Amt anmeldet und nach einem Zeitablauf von 24 Stunden mangels Widerspruch diese Demonstration als genehmigt gilt (Abg. Öllinger: Demonstration ist nicht genehmigungspflichtig!), dann wüsste das kein Mensch, und am Sonntag um 8 Uhr in der Früh stünde unter Umständen eine Gruppe Demonstranten auf der Straße. Niemand hat es gewusst, auch die Polizei nicht.

Das sind Sicherheitsprobleme, und daher ist es ja sinnvoll, dass es einen Abän­derungsantrag gibt. Übrigens: Es wird so viel gesprochen, wie mit dem Parlament umgegangen wird. Diesen haben wir, Kollege Dr. Sonnberger und ich, hier im Parlament erarbeitet.

Ich bringe diesen Antrag jetzt ein.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 114

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kräuter, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen

„Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

1. In Art. 2 Z 5 wird in § 13 Abs. 5 folgender Satz angefügt:

‚Bei Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden eingebracht werden, beginnen behörd­liche Entscheidungsfristen erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden zu laufen.‘

2. In Art. 2 Z 31 wird folgender § 82 Abs. 16 angefügt:

‚(16) § 13 Abs. 5 letzter Satz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2010 außer Kraft.‘“

*****

Das heißt, es gibt jetzt hier Zeit, zwei bis drei Jahre. Es wird Fortschritte geben. Es wird einfacher, sparsamer und bürgernäher werden, und das ist, glaube ich ... (Abg. Öllinger: „Bürgernäher“?) – Herr Kollege Öllinger, ich hoffe, dass sich auch die Grünen da engagieren und mithelfen und nicht einfach sagen: Nein, zurück ins Mittel­alter, wir brauchen das alles nicht!

Ich bedanke mich auch ausdrücklich für das Engagement der Praktiker der Landes­verwaltungen, denn diese haben sehr wesentlich dazu beigetragen, dass wir zu einer sehr sinnvollen Regelung kommen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.55


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Abänderungsantrag der Abgeord­neten Kräuter, Sonnberger ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kräuter, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht (365 d.B.) über die Regierungsvorlage (294 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allge­meine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Zustellgesetz geändert werden (Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungs­gesetz 2007)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

1. In Art. 2 Z 5 wird in § 13 Abs. 5 folgender Satz angefügt:

„Bei Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden eingebracht werden, beginnen behördliche Entscheidungsfristen erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden zu laufen.“

2. In Art. 2 Z 31 wird folgender § 82 Abs. 16 angefügt:

„(16) § 13 Abs. 5 letzter Satz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2010 außer Kraft.“

Begründung

Es soll im Hinblick auf den Beginn der behördlichen Entscheidungsfristen die geltende Rechtslage noch für einen Übergangszeitraum von drei Jahren aufrecht erhalten werden, um die in den Verwaltungsvorschriften nach Kalendertagen bemessenen


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Fristen zu überprüfen und auf Werktage umzustellen, was die Vorschrift überflüssig macht.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haimbuchner. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.55.42

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Damen und Herren Kollegen! Hohes Haus! Selbstverständlich ist es wichtig, dass die Verwaltung modernisiert wird, dass sie vereinfacht wird. Inso­fern stimmen wir von der freiheitlichen Fraktion dem E-Government-Gesetz zu.

Die Regierung schlägt dem Nationalrat hier eine Novellierung des E-Government-Gesetzes vor. Ziel ist es, durch praktikablere Bestimmungen den Einsatz der Bürgerkarte bei Behördenwegen zu forcieren und gleichzeitig deren Verwendung im Bereich der Privatwirtschaft zu erleichtern. Das sind grundsätzlich Intentionen, die von der freiheitlichen Fraktion mitgetragen werden können.

Es wird immer sehr viel vom Wirtschaftsstandort Österreich gesprochen. Natürlich ist es wichtig, dass die Verwaltung effizient und effektiv abläuft, wobei es hier durchaus auch sehr viele positive Beispiele gibt. Ich kann aus meiner eigenen beruflichen Praxis sagen, dass ich der Meinung bin, dass sehr viele Verwaltungsbehörden sehr ordentlich arbeiten, sehr rasch arbeiten. Es gibt hier durchaus manchmal auch Lob anzubringen. Man muss ja auch nicht alles schlechtreden. (Ruf bei der ÖVP: Bravo!)

Wir werden auch dem Signaturgesetz zustimmen. Ich möchte aber insbesondere hinsichtlich der Regierungsvorlage betreffend das Zustellgesetz Kritik anbringen. Ers­tens einmal, Herr Kollege Kräuter, verstehe ich nicht, warum man jetzt einen Abän­derungsantrag einbringt und vorher eigentlich eine absolut bürgerfeindliche Regelung getroffen hat. Warum haben Sie es nicht einfach beim alten Zustellgesetz belassen? Auf der einen Seite sagt man, elektronischer Rechtsverkehr, Fax, E-Mails, das ist alles zu befürworten. Natürlich ist es so, dass das richtig anlaufen muss. Das ist ja auch in der Anwaltschaft so: Durch das neue „Archivium“ braucht man gewisse Zeit.

Ich verstehe aber nicht, wenn man eine Verwaltungsvereinfachung machen will, wenn man bürgernäher sein will, dass man dann durch die Verwendung neuer Medien eigentlich eine Bürgerfeindlichkeit wieder einführt, gerade was die Zustellung von Schriftstücken, gerade was die Zustellung von Behördenstücken betrifft – ganz egal, ob das jetzt im Bereich der Verwaltung oder im Bereich der öffentlichen Gerichte ist. Dort ist mit der Zustellung der Fristenlauf verbunden. Da geht es um sehr wichtige Rechte des Einzelnen. Ich verstehe nicht, dass die Faxgeräte abgestellt werden und es dann so ist: Wenn man es einbringt, wird der Fristenlauf gehemmt. Da muss man einmal kontrollieren in der Praxis: War das Faxgerät eingestellt? War es nicht eingestellt? Habe ich eine Bestätigung vorzuweisen? Bekomme ich dann irgendeine Rückmeldung, dass das Fax nicht gesandt werden konnte? Dann muss ich es halt noch einmal senden. Das ist meines Erachtens wirklich zu kompliziert, und das geht auch an der Praxis völlig vorbei.

Wieso machen Sie das nicht so, dass man sagt: Wenn ich ein Anbringen habe und das fristgerecht einbringe und eine Bestätigung habe, dann gilt es als eingebracht? Ich glaube, dass man mit der Verkomplizierung des Zustellgesetzes auch dem Bürger einen wirklichen Bärendienst erweist.


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Man muss sagen, dass das nicht wirklich durchdacht worden ist. Insofern werden wir diesem Bereich seitens der freiheitlichen Fraktion nicht zustimmen, obwohl wir grund­sätzlich so wie beim E-Government-Gesetz natürlich die Verwaltungsvereinfachung, Bürgernähe, Raschheit befürworten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


13.59.31

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Alles, was hier behauptet wurde, ist wahr – und wieder unwahr. Wahr ist aber auch, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Wahr ist aber auch, dass wir noch einige Anstrengungen unternehmen müssen, um diese Bürgerkarte attraktiv für alle zu machen, so wie wir das bei anderen Karten auch schon haben, wo die Digitalisierung im Grunde keine Hürde darstellt.

Ich glaube, dass gerade bei den personenspezifischen Kennzeichen hier einige Ver­besserungen passiert sind. Aber noch einmal an die Verantwortlichen der Bundes­regierung: Wir müssen hier noch etwas zulegen. Denn wenn wir uns ansehen, wie richtig vom Kollegen Steinhauser bemerkt, wie die FinanzOnline, natürlich der Banken­verkehr mit der Bankomatkarte und so weiter funktionieren, dann ist durchaus zu hinterfragen: Wieso sind wir hier nicht auf einem besseren Wege?

Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass wir Weltmeister im E-Government sind – oder zumindest Europameister –, dass hier im Grunde das Angebot stimmt. Aber Angebote sind nur so gut, so gut sie genützt werden. Und hier haben wir auf der einen Seite durchaus Angebote, auf die von den Notaren, von den Steuerberatern und von dem Einzelnen, der seine Steuererklärung macht, zurückgegriffen wird. Aber ich glaube, dass hier noch einiges aufzuholen ist.

Ich muss aber auch sagen: Die Grünen betätigen sich da schon seit Beginn der Bürgerkarte als Kassandra. Ich mache nur auf eine Sache aufmerksam: Als wir das seinerzeit beschlossen haben – ich glaube, es war im Jahr 2004 –, wurde ein Antrag von den Grünen eingebracht. Wir haben gesagt, wir werden diesen Rechtsakt im Grunde von Beginn bis Ende transparent online handhaben, und er wird dann digital vom Bundeskanzler und vom Bundespräsidenten unterschrieben. Die Grünen haben gesagt: Ja, aber wir möchten zusätzlich eine Kopie auf Papier haben, die zusätzlich im Parlament gelagert wird. Meine Damen und Herren, Bruder Baum lässt grüßen. In diesem Sinne: Verbesserungsbedarf ist gegeben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.01


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.01.55

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Mein Vorredner hat im Prinzip schon festgehalten, dass es einen grundsätzlich positiven Kern bei all diesen Vorlagen gibt. Vielleicht liegt es in der Natur der Sache oder daran, dass man sich gerade im Verwaltungsbereich halt doch noch ein bisschen schwer tut mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten, aber auch den Notwendigkeiten, die sich bei der Nutzung dieser Möglichkeiten ergeben, dass man dort noch ein bisschen Probleme hat.

Den Ausbau der Bürgerkarte befürworten wir. Natürlich stimmt das schon, dass ein großer Teil der Bevölkerung mittlerweile via Internet auch mit Verwaltungsstellen kommuniziert, aber trotzdem kann man ja nichts dagegen haben, dass es zusätzlich


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noch ein weiteres Angebot gibt, über eine besser nutzbare Bürgerkarte im Verwal­tungsbereich Tätigkeiten vorzunehmen beziehungsweise auch die Möglichkeiten dieser Bürgerkarte auszuweiten, so wie es ja ursprünglich auch schon geplant gewesen ist. Man hat gesagt, man will das Schritt für Schritt einführen und sich einmal ansehen, wie das in der Praxis funktioniert.

Bei den anderen Bereichen sind wir skeptischer. Vor allem beim Zustellgesetz sehe ich auch nicht ein, warum man das hier so kompliziert macht. Da sieht man: Da kommen zwei Bereiche zusammen, nämlich ein moderner Geschäftsverkehr, moderne Medien, die sich wenig an Wochentage und Wochenenden halten, und auf der anderen Seite ein noch immer sehr starrer Amtsapparat, wo halt am Freitag Nachmittag die Roll­balken heruntergelassen werden. Da muss noch einiges überprüft und adaptiert werden. Deshalb werden wir in diesem Bereich nicht zustimmen.

Ich hoffe nur, dass dieses Prüfen und Adaptieren relativ rasch gehen. An der Notwen­digkeit der Einführung dieser modernen Möglichkeiten der Kommunikation und auch des Austausches von Informationen gibt es wohl keinen Zweifel.

14.04


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste kommt Frau Staatssekre­tärin Silhavy zu Wort. – Bitte.

 


14.04.07

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vier Vorlagen, die jetzt behandelt werden, sind ein ganz wichtiges Novellenpaket zur Weiterentwicklung der österreichischen E-Government-Strategie. Da geht es ja nicht um eine Strategie, sondern letzten Endes darum, die Verwaltung den Menschen in Österreich näherzubringen, mehr an Service­leistungen für die Menschen erbringen zu können, und natürlich geht es auch um die Frage der Standortqualität, nämlich wie Verwaltung letzten Endes als Standortgarantie und Standortfaktor für die Unternehmen zählt.

Im E-Government-Gesetz – das ist ohnehin schon angesprochen worden – geht es im Wesentlichen darum, die Bürgerkarte und Bürgerkartenfunktion zu vereinfachen und auf der anderen Seite damit zu attraktivieren.

Was gerade die Datensicherheit anlangt, ist es so, dass wir ein Problem sogar dadurch haben, dass die Bürgerkarte viele Funktionen stärker berücksichtigt, als es bisher notwendig war, auch aufgrund des EU-Rechtes, und wir eigentlich größten Wert auf Datensicherheit gelegt haben. Wir werden heute bei einem anderen Tagesordnungs­punkt ja auch über Datensicherheit reden. Da werden Sie sehen, dass wir in Österreich sicher Vorreiter sind, was Datenschutz anbelangt.

Ich möchte noch einmal sagen – ich habe es ja im Ausschuss auch schon gesagt –: Wir haben die Personenkennzeichnung, die verschlüsselt und codiert wird, und daher ist es gewährleistet, dass die einzelnen Daten nicht zusammengefasst werden, son­dern einmal codiert und dann nicht mehr rückcodiert werden. Ich glaube, dass damit das Konzept diesen hohen Ansprüchen, die wir alle miteinander stellen, entsprechend gerecht wird.

Mit der Novelle zum Signaturgesetz verfolgen wir folgende Zielsetzungen: Die elektro­ni­schen Signaturen sollen auf der einen Seite transparent und auf der anderen Seite aber auch so einfach wie möglich gestaltet werden. Zugleich kommt es zu einer Vereinfachung und Reduktion der Dokumentation und der Aufwendungen bei den einfachen Signaturen.

Das bedeutet unter anderem eine Entlastung der Zertifizierungsdienstleistungs­anbieter, die keine qualifizierte Zertifizierungen anbieten, eine Erleichterung des Aus-


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stel­lungs­prozesses für die Bürgerkarten, die Einführung der qualifizierten elektroni­schen Signatur und der fortgeschrittenen elektronischen Signatur, um auch das Begriffswirrwarr abzuschaffen.

Der Punkt, der mir wesentlich erscheint, ist die Novelle zum Verwaltungs­verfahrens­gesetz. Wir haben gesehen, dass es den einzelnen Behörden nicht möglich war, die Schritte für die Umstellungen, die bis 1. Jänner 2008 hätten erfolgen sollen, zu vollziehen. Wir haben daher eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2010 vorgesehen.

Es gibt einen entsprechenden Ausschussbericht, der eine weitere Diskussion darüber verlangt. Aber gerade angesichts dessen, was vorhin zu elektronischen und zu neuen Zugängen gesagt wurde, sollten wir – so denke ich – schon darauf achten, dass auf allen Verwaltungsebenen, die wir haben, auch die entsprechenden Möglichkeiten und Zugänge gewährleistet sind, wobei auch immer gewährleistet sein muss, dass Menschen, die nicht den Zugang zu diesen neuen Technologien haben, logischer­weise und selbstverständlich alle Verwaltungswege – wie man das so schön im europäischen Kontext sagt –, alle Kanäle offenstehen. Das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein.

Zum Abänderungsantrag, was das Zustellgesetz anbelangt, auf den sich mehrere Ab­geordnete bezogen haben: Faktum ist – und ich habe das im Ausschuss ja gesagt –, dass es uns eigentlich um eine Verkürzung der Verfahren, das heißt, um eine bür­gerinnen- und bürgerfreundliche und eine bürgerinnen- und bürgerorientierte Anwen­dung geht. Faktum ist aber auch – das muss man auch sagen –, dass wir in manchen Gesetzen noch Vorschriften haben, die dem sozusagen entgegenstehen, und dann hätten wir tatsächlich ein Problem. Das ist auch der Grund, warum dieser Abände­rungsantrag eine dreijährige Befristung hat, damit man in anderen Gesetzestexten diese Hindernisse aus dem Weg schaffen kann.

Abschließend lassen Sie mich noch einmal sagen: Zielsetzung der Novellen – und das ist schon ein wesentlicher Punkt – ist die Vereinfachung der Services für die Bür­gerinnen und Bürger, aber auch die Vereinfachung für die Unternehmen, die Schaffung der Voraussetzungen im E-Government, um auch die Dienstleistungsrichtlinie, die wir bis Ende 2009 umzusetzen haben, umsetzen zu können. Ich denke – was hier auch angesprochen worden ist –, wir müssen natürlich weiterarbeiten an Vereinfachungen, das ist gar keine Frage. Wir müssen daran arbeiten, Verwendungen im E-Government-Bereich noch weiter voranzutreiben.

Wesentlich erscheint mir auch Folgendes: Von vielen Damen und Herren wahr­schein­lich auch hier im Hohen Haus werden wahrscheinlich von allen möglichen Geschäften und Anbietern Karten in Anspruch genommen, die bezüglich der Daten­sicherheit, die von Seiten der Verwaltung und der Behörden gewährleistet ist, weit entfernt sind.

Die Bürgerkarte, meine Damen und Herren, ist nicht nur eine Karte, sondern ein Konzept, das dahintersteckt. Und ich denke, mit diesem Konzept haben wir gewähr­leistet, dass wir einerseits die Dienstleistungsrichtlinie in Österreich auf dieser Ebene, nämlich was sozusagen die Personenkennzeichnung anbelangt, hervorragend werden umsetzen können. Auf der anderen Seite geht uns es noch einmal darum, mit E-Government Verwaltung möglichst bürgernahe zu machen, möglichst rasch zu machen und möglichst effizient zu machen.

Ich bedanke mich bei allen Damen und Herren des Hohen Hauses, die diesem Novel­lenpaket ihre Zustimmung geben, denn sie tragen auch dazu bei, dass wir die Möglich­keit haben, mit der Verwaltung näher an die Bürgerinnen und Bürger heranzukommen, und dass das auch für die Unternehmungen als besserer Standortfaktor gilt.


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Abschließend möchte ich aber auch noch Folgendes sagen, weil das auch immer wieder durchklingt: Wir haben in der Verwaltung sehr, sehr viele engagierte Menschen, die nicht sozusagen immer gleich mit Büroschluss die Tür ins Schloss fallen lassen. Es ist für mich wesentlich, auch hier einmal zu betonen, dass die österreichische Ver­waltung nicht nur deshalb so gut ist, weil E-Government gut funktioniert, sondern weil die Menschen in der Verwaltung dahinter stehen und diese Dinge ausführen. Ansons­ten könnten wir die besten Konzepte haben, wenn aber die Menschen – auch die Beamtinnen und Beamten, auch die Vertragsbediensteten in der Verwaltung – nicht mitmachten, dann könnten wir das alles nicht umsetzen.

Daher auch von dieser offiziellen Stelle mein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.10


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schelling mit einer Redezeit von 2 Minuten. – Bitte.

 


14.10.37

Abgeordneter Dr. Johann Georg Schelling (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Herr Staatssekretär außer Dienst Morak hat schon gesagt, wir nehmen eine führende Rolle beim E-Government ein. Eigentlich müsste E-Government ja richtigerweise „E-Administration“ heißen, denn wir werden ja nicht elektronisch regiert, sondern elektronisch verwaltet. Das E-Government-Projekt ist eine wichtige Voraussetzung, wenn Bürokratieabbau, kürzere Wege für Antragsteller und vor allem kostensparende Verwaltungsvereinfachungen realisiert werden sollen.

Die Ziele dieser nun vorliegenden E-Government-Novelle sind daher einerseits die technische Anpassung an die Erfahrungen seit der Einführung der Bürgerkarte, ande­rer­seits auch praktikablere Bestimmungen über den Einsatz der Bürgerkarte, um die Abwicklung der Behördenwege damit zu forcieren. Richtig ist, dass es beim Einsatz noch Probleme gibt, weil offensichtlich die Nutzung noch zu kompliziert ist. Daher muss es auch die Aufgabe der Verwaltung sein, neben der Bereitstellung von technischen und praktikablen Anwendungen, vor allem Informations- und Aufklärungskampagnen für die Bürgerinnen und Bürger zu fahren, um über die Möglichkeiten und die Nut­zungs­intensität tatsächlich zu informieren.

Auch wenn wir technisch führend sind, wird es – darauf möchte ich hinweisen – den­noch erforderlich sein, das System E-Government durchgängig zu sehen und dafür zu sorgen, dass es auch zu einer Änderung der Unternehmenskultur in der Verwaltung kommt. Ein Beispiel: Der vorliegende Entwurf schreibt leider die Systemkomplexität eigentlich fort. Es gibt eine Aufsplitterung in zirka 40 Verwaltungsbereiche, und das führt dazu, dass der Antragsteller die Unterlagen aus anderen Verwaltungsbereichen immer neu beibringen muss. Daher sollte überlegt werden, sofern Informationen ver­waltungsintern elektronisch verfügbar sind, dass sich mit Zustimmung des Antrag­stellers die bearbeitende Stelle verwaltungsintern um die Beischaffung der nötigen Unterlagen kümmern könnte, sozusagen statt einem One-Stop-Shop ein No-Stop-Shop.

Eine letzte Anregung: Bis 2006 waren die Gebühren bei elektronischen Akten geringer, jetzt sind sie wieder die gleichen Gebühren. Man sollte im Rahmen einer nächsten Novelle darüber nachdenken, ob man nicht diese Verwaltungsvereinfachung auch zu einer Senkung der Gebühren nützt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und BZÖ.)

14.12



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 120

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.12.58

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich darf mich zum Bereich des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechts­änderungsgesetzes 2007 zu Wort melden.

Um zu verhindern, dass jenen Behörden, in denen die Umstellung noch nicht erfolgt ist, ab 1. Jänner 2008 kein Verfahren der elektronischen Beurkundung mehr zur Verfügung steht, ist es unerlässlich, die Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2010 zu verlän­gern. Mir ist in diesem Zusammenhang auch die Ausschussfeststellung wichtig, dass mit den Bundesländern noch Kontakt aufgenommen wird, um gemeinsam Verbes­serungs­vorschläge, eben an der Praxis orientiert, zu erarbeiten. Ich möchte mich auch bei den Landesverwaltungen, die dazu sehr konstruktive, positive Vorschläge gemacht haben, sehr herzlich bedanken.

Weiters ist etwa vorgesehen, den zweiten Zustellversuch bei der Zustellung zu eigenen Handen entfallen zu lassen und alternative Formen der Aufnahme und Übermittlung von Zustellnachweisen einzuführen. Die Differenzierung zwischen behördlichen und zugelassenen privaten elektronischen Zustelldiensten wird aufgehoben.

Ich ersuche um Zustimmung zu diesem Änderungsgesetz. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neugebauer: Das war wirklich prägnant! Sehr prägnant!)

14.14


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 290 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Dr. Graf: Sind wir überhaupt genug? – Abg. Scheib­ner: Da gibt es gewisse Zerfallserscheinungen!) – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. (Abg. Dr. Graf: Sind überhaupt genug Abgeordnete da?) – Wir haben gezählt, ja.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 121

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 363 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Signaturgesetz, das Ziviltechnikergesetz, das Rezeptpflichtgesetz sowie die Gewerbeordnung geändert werden, samt Titel und Eingang in 364 der Beilagen.

Ich ersuche jenen Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehr­heit angenommen. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ange­nommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Verwaltungs­verfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 in 294 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Kräuter, Dr. Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf Artikel 2 Ziffern 5 und 31 bezieht. Ich lasse hierüber getrennt abstimmen.

Ich lasse zunächst über den Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Kräuter, Dr. Sonn­berger, Kolleginnen und Kollegen abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die diesen Zusatzantrag unterstützen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies mit Mehrheit angenommen.

Weiters lasse ich über die noch nicht abgestimmten Teile des vorliegenden Gesetz­entwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetz­entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum mit Mehr­heit angenommen. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

14.17.297. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 482/A der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Dr. Michael Spindelegger, Dr. Alexander Van der Bellen, Heinz-Christian Strache, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik und das Bun­desgesetz über die Errichtung eines Nationalen Sicherheitsrates geändert werden (366 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 122

14.18.22

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Die gegenständliche Gesetzesinitiative sieht vor, den Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik und den Nationalen Sicherheitsrat so zu modernisieren, dass die Einberufungen für die nächste Zeit flexibler gestaltet wer­den können. Es wird im Gegensatz zu vorher so sein, dass zwei Mitglieder des Hohes Hauses, stimmberechtigte Mitglieder des Rates, in der Lage sein werden, die Ein­berufung dieses Rates zu verlangen. Das wird vom Bundeskanzler dann in dieser Form abgewickelt.

Weiters ist es so, dass die Zusammensetzung der beiden Räte entsprechend dem Wählerwillen des österreichischen Volkes gestaltet wurde. Das heißt, in Zukunft werden alle Parteien mit zwei Sitzen automatisch vertreten sein, und weitere acht Sitze werden entsprechend den bei der vorangegangenen Nationalratswahl erreichten Stimmen dann miteinander abgestimmt und verteilt. Es wird in Zukunft auch so sein, dass je ein Vertreter pro Partei dem Bundesrat angehören kann, sofern diese Partei im Bundesrat vertreten ist.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass hier die Flexibilisierung insofern Früchte trägt, als wir nicht mehr starr darauf angewiesen sind, jeweils in einem halben Jahr diesen Rat einzuberufen. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass, wenn es wichtige Fragen in beiden Bereichen zu klären, zu besprechen gibt, dieses Beratungs­organ des Bundeskanzlers öfter zu Rate gezogen wird und dass nicht darauf gewartet werden muss, bis es irgendjemandem aus der Opposition – nichts jetzt gegen die Opposition! – einfällt, den Rat hören zu wollen.

Ich glaube, dass ein Beratungsorgan der Regierung beizeiten einzuberufen ist, um schwer­wiegende Entscheidungen gemeinsam fällen zu können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Bevor ich dem Nächsten das Wort erteile, muss ich bekannt geben, dass wir im Moment zu wenig Abgeordnete für eine Abstimmung wären, und bitte daher die Klubs, dass man noch mehr Abgeordnete in den Saal bittet. Die Abstimmung wird nach den Debattenbeiträgen der nächsten beiden RednerInnen stattfinden.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz mit einer freiwilligen Rede­zeitbeschränkung von 2 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.20.55

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Neuregelung bei der Zusammensetzung dieser beiden Räte war ja unter anderem deshalb notwendig, weil die gegenwärtige Gesetzeslage bei zwei gleich starken Frak­tionen nicht ausreichend war, um hier eine klare Interpretation zu ermöglichen. Insofern ist das notwendig und auch richtig so.

Was mir wichtig ist, ist, dass es dann auch im Außenpolitischen Rat möglich sein wird, dass es ein Minderheitsrecht wird, nämlich dass eine Fraktion die Möglichkeit hat, diesen Rat einzuberufen. Und das ist ein gutes Stichwort für die ÖVP zum Thema Geschäftsordnung, denn dort ist ja alles, was mit Minderheitsrechten zu tun gehabt hat, in Bausch und Bogen abgelehnt worden. Nur damit Frau Karl, so sie anwesend ist, das auch registriert: Hier hat eine Fraktion beziehungsweise haben sogar zwei Mitglieder von einer Fraktion die Möglichkeit, eine ganze Sitzung alleine einzuberufen, weil es um ein wichtiges Thema geht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 123

Vielleicht böte das auch einmal eine Möglichkeit, auch über die generelle Position zur Frage der Minderheitsrechte auf Seiten der ÖVP zu diskutieren. Hier geht es offenbar, und hier ist es auch richtig. Und es sollte nicht so starr sein, wenn es um die Frage von Untersuchungsausschüssen geht, wenn es um die Frage von Oppositions- und Kontrollrechten geht. Hier ist einmal eine vernünftige Lösung getroffen worden, und vielleicht gibt es auch andere Strömungen in der ÖVP, die das auch bei der Frage der Minderheitsrechte im Parlament ermöglichen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Öllinger: „Strömungen“ gibt es da keine, bei der ÖVP!)

14.22


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner mit einer Redezeit von 3 Minuten. – Bitte.

 


14.22.18

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Ein gemeinsamer Antrag ist einmal etwas Positives. Aber ich glaube, dass auch der Inhalt sinnvoll ist. Diese beiden Räte sollen – wie soll man sagen? – kein Gremium sein, das eben tagt, weil es tagen muss, und einberufen wird, weil es eben so im Gesetz steht, sondern nach Dringlichkeit und nach Wichtigkeit. Es ist auch sinnvoll, dass eine Fraktion eines dieser Gremien einberufen kann.

Mir ist nur wichtig, dass diese Gremien, vor allem auch der Nationale Sicherheitsrat, dann auch wirklich ernst genommen werden von den Regierungsparteien und auch von der Regierung, als Beratungsorgan, aber auch de facto als Mitentscheidungsorgan in wichtigen Angelegenheiten. Gerade beim Nationalen Sicherheitsrat geht es ja – und das war ja ursprünglich, bei der Einrichtung, auch die Intention – nicht so wie beim Landesverteidigungsrat eben wirklich nur um ein Diskussionsgremium, sondern um ein Mitentscheidungsgremium in wichtigen Belangen der nationalen Sicherheit – denn die geht uns alle an, nicht nur die Bundesregierung, sondern auch uns Parlamentarier, aber natürlich auch die gesamte Bevölkerung. Und deshalb ist es wichtig, dass die Beschlüsse dann auch entsprechend ernst genommen werden und dass dann aber natürlich auch – es gibt ja hier in weiten Bereichen Geheimhaltung – offen und um­fassend über die wichtigen Materien informiert wird. (Beifall der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Dr. Spindelegger.)

14.23


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 366 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung ange­nom­men.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 124

14.24.28 8. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (46 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen von Verwaltungsbehörden im Rahmen der Europäischen Union (EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz – EU-VStVG) erlassen wird und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geän­dert werden (373 d.B.)

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser mit einer frei­willigen Redezeitbeschränkung von 3 Minuten. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

 


14.25.08

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz setzt einen EU-Rahmenbeschluss zur Vollstreckung verwaltungs­behördlicher Geldstrafen um. Das ist ein wichtiger Schritt, keine Frage. Trotzdem wird dieser Beschluss an einem grundsätzlich unbefriedigenden Zustand nichts ändern, nämlich dass es innereuropäisch ein sehr unterschiedliches Niveau bei der grenz­überschreitenden Vollstreckung von Verwaltungsstrafen gibt. Das merkt man, wenn man sich die Verfolgung von Verkehrsvergehen von deutschen und italienischen Len­kerInnen anschaut.

Das Problem ist, dass es weder Verfahrensgarantien auf EU-Ebene noch eine nötige EU-weite Regelung des Kfz-Halterdatenaustausches gibt. Das ist unbefriedigend, weil damit Delikte wie Raserei im grenzüberschreitenden Fahrerbereich Kavaliersdelikte bleiben und die Fahrer und Fahrerinnen real nichts zu befürchten haben.

Wir glauben daher, dass es notwendig und sinnvoll ist, sich sofort in der EU oder auch bilateral darum zu kümmern, dass die nötigen Schritte umgesetzt werden, und ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Sicherstellung einer effizienten Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler, der Bundesminister für Inneres sowie der Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie werden aufgefordert, im Sinne von Verkehrssicher­heit, Umwelt- und Gesundheitsschutz umgehend in Brüssel und bei den Verantwort­lichen in den Hauptherkunftsländern ausländischer „Verkehrssünder“ mit dem Ziel aktiv zu werden, dass raschest

die vollständige EU-weite Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses,

die rasche Finalisierung und Umsetzung eines 2. Rahmenbeschlusses zu Verfahrens­garantien sowie


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 125

EU-weite Grundlagen für einen Kfz-Halterdatenaustausch aller 27 Mitgliedstaaten finalisiert und in Kraft gesetzt werden, um die ohne diese Umsetzung absehbar anhaltend unbefriedigende Situation bei der grenzüberschreitenden Verfolgung auslän­discher Verkehrssünder wirksam zu verbessern.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der soeben eingebrachte Ent­schließungs­antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Steinhauser, Freundinnen und Freunde betreffend die Sicher­stellung einer effizienten Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über die Voll­streckung von Verwaltungsstrafen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (46 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen von Verwaltungsbehörden im Rahmen der Europäischen Union (EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz – EU-VStVG) erlas­sen wird und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvoll­streckungsgesetz 1991 geändert werden.

Auch das EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz samt dem bis Februar 2009 vor­gesehenen Bericht über die Umsetzungsprobleme wird keine Änderung der unbe­friedigenden Situation bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von ausländischen Verkehrssündern bringen. Wie bisher wird wegen des unvollständigen Rechtsrahmens und der unvollständigen Harmonisierung auch weiterhin zB kein einziger deutscher oder italienischer Verkehrssünder wirksam zur Verantwortung gezogen werden kön­nen, da in Deutschland weiterhin die Halter-/Lenkerermittlung anhand österreichischer Radar­fotos erfolglos bleiben wird und auch gegen die regelmäßige Nichtauskunft italienischer Stellen über Kfz-Halter bzw. -Lenker keinerlei Handhabe für österreichi­sche Behörden besteht.

Um diesem Missstand tatsächlich abzuhelfen, ist die dringende Vervollständigung des unvollständigen Rechtsrahmens nötig. Dies betrifft insbesondere die vollständige EU-weite Umsetzung dieses EU-Rahmenbeschlusses, die rasche Finalisierung und Um­setzung eines 2. Rahmenbeschlusses zu Verfahrensgarantien, sowie EU-weite verlässliche Grundlagen für einen Kfz-Halterdatenaustausch aller Mitgliedstaaten. Mit entsprechenden Schritten darf keineswegs bis Frühjahr 2009 zugewartet werden. Im Sinne von Verkehrssicherheit sowie Umwelt- und Gesundheitsschutz müssen ent­sprechende Schritte in Brüssel und bilateral in den Hauptherkunftsstaaten auslän­discher „Verkehrssünder“ von der Regierung umgehend gesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 126

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler, der Bundesminister für Inneres sowie der Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie werden aufgefordert, im Sinne von Verkehrs­sicherheit, Umwelt- und Gesundheitsschutz umgehend in Brüssel und bei den Verantwortlichen in den Hauptherkunftsstaaten ausländischer "Verkehrssünder" mit dem Ziel aktiv zu werden, dass raschest

die vollständige EU-weite Umsetzung dieses EU-Rahmenbeschlusses,

die rasche Finalisierung und Umsetzung eines 2. Rahmenbeschlusses zu Verfahrens­garantien sowie

EU-weite Grundlagen für einen Kfz-Halterdatenaustausch aller 27 Mitgliedstaaten finalisiert und in Kraft gesetzt werden, um die ohne diese Umsetzung absehbar anhaltend unbefriedigende Situation bei der grenzüberschreitenden Verfolgung ausländischer Verkehrssünder wirksam zu verbessern.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fazekas. – Bitte.

 


14.27.37

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus! Ich kann meinem Vorredner nur bezüglich gewisser Teile recht geben, denke aber trotzdem, dass ein wichtiger weiterer Schritt damit gemacht ist, dass dieser Rahmenbeschluss des Rates vom 24. Feber 2005 umgesetzt ist, indem der Grundsatz der gegenseitigen Aner­kennung von Geldstrafen und von Geldbußen im Verwaltungsverfahren auch ange­wen­det werden kann. Dieser Umstand ist – und das ist schon angesprochen worden – auch deshalb besonders wichtig, weil es nun möglich ist, Geldstrafen und Geldbußen, vor allem auch bei Verstößen im Straßenverkehrsbereich, zu vollstrecken, und das ist ein Bereich, an dem wir alle schon einmal teilhaben durften, weil wir möglicherweise in irgendeiner Form betroffen waren.

Es geht nicht nur darum, dass es jetzt möglich ist, Strafen zu vollstrecken, sondern auch darum, dass die unangenehmen Begleiterscheinungen, die damit verbunden sind – und das ist eine wesentliche Sache –, bald der Vergangenheit angehören. Das ist der Umstand, dass zum Beispiel am Sonntagmorgen obskure Typen vor der Tür stehen und irgendeinen Betrag einfordern, weil sie von einem Inkassobüro sind.

Ich begrüße dies zur Gänze und denke, es ist auch positiv, dass die Vollstreckung von Geldbußen bei den eintreibenden Behörden bleibt. Meiner Meinung sollte es grund­sätzlich staatliche Aufgabe sein, Geldbußen und Geldstrafen einzuheben. Das kann und soll nicht in die Hand von Privaten gegeben werden. Ich denke, das hilft auch bei der Verkehrsüberwachung. Das wird dazu beitragen, dass mehr Effizienz bei der Verkehrsüberwachung gegeben ist, weil die Exekutive damit ein besseres Rüstzeug in der Hand hat und somit auch bei ausländischen Fahrzeuglenkerinnen und -lenkern nicht bloß dem Lenker quasi nur nachwinken kann oder umfangreiche Amtshand­lungen, wie etwa das Verlangen von Sicherheitsleistungen, setzen muss, sondern beruhigt auch Anzeigen erstatten kann. Das hätte sich zum Beispiel bei den Vorkomm­nissen auf der A 21 sehr gut ausgewirkt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 127

In diesem Sinne ist das, glaube ich, eine gute Rechtsbestimmung. Daher können wir dieser zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.29


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Haimbuchner. 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.30.01

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Kollegen! Hohes Haus! Grundsätzlich ist sehr viel Richtiges gesagt worden. Es kann nur von Interesse sein, wenn im europäischen Gebiet auch Verwaltungsstrafen gleich eingehoben werden. Dies beruht aber auch auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Ich habe Angst, dass wir mit der Erlassung dieses EU-Voll­streckungsgesetzes wieder die Musterschüler der EU sind, dass wir wieder einmal alles vollziehen. Das heißt, dass unsere Bürger im Ausland bestraft werden, aber umgekehrt das unter Umständen wieder sehr lax gehandhabt werden wird. So stellt sich hier natürlich schon die Frage, inwiefern das auch seitens der Regierungsebene kontrolliert wird, inwiefern sichergestellt ist, dass ausländische Lenker, die in Österreich Verwaltungsübertretungen begehen, auch im EU-Ausland dementsprechend verfolgt werden und die Strafen auch vollstreckt werden.

Nachdem wir hier eine sehr kritische Meinung zu diesem ganzen Bereich haben, auch aufgrund der Erfahrung in der Vergangenheit, bringe ich namens der freiheitlichen Fraktion folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Dr. Aspöck und anderer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht (373 d.B.) des Verfassungs­aus­schusses über die Regierungsvorlage (46 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundes­gesetz über die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen von Verwal­tungs­behörden im Rahmen der Europäischen Union (EU-Verwaltungs­strafvoll­streckungs­gesetz – EU-VStVG) erlassen wird und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht (373 d.B.) angeschlossene Gesetzentwurf betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen von Verwaltungsbehörden im Rahmen der Europäischen Union (EU-Ver­waltungs­strafvollstreckungsgesetz – EU-VStVG) erlassen wird und das Verwaltungs­strafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert werden:

In Artikel 1 des § 18 wird die Wortfolge „1. März 2008“ durch die Wortfolge „1. Jänner 2010“ ersetzt.

Begründung

Bis Jänner 2010 ist es wahrscheinlich, dass der Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen in einem Großteil der Mitgliedstaaten der Europäischen Union umgesetzt sein und es daher eine größtmögliche Gegen­seitigkeit geben wird. Auch bei Gegenseitigkeit wird die EU dafür zu sorgen haben,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 128

dass es keine Ungleichbehandlungen in der Höhe der Bußgeldzahlungen und Geld­strafen geben wird, denn bei überhöhter Geschwindigkeit von 11km/h liegt das Bußgeld in Belgien bei 250 Euro, in Italien bei 137 Euro und in Spanien wegen 6 km/h bei 150 Euro. Ein weiteres Problem wird die Lenkererhebung sein, denn z.B. in Holland wird der Halter bestraft und nicht der Fahrer. Die EU wird vielleicht auch bis 2010 einen Weg gefunden haben, eine einheitliche Form der Lenkererhebung in Europa einzu­führen.

*****

Die freiheitliche Fraktion ersucht dafür um Ihre Zustimmung. Wir glauben, dass es eine sinnvolle Sache ist, hier noch zuzuwarten, damit dann auf europäischer Ebene die Gegenseitigkeit, die Reziprozität gegeben ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.33


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der soeben eingebrachte Abänderungs­antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer mit 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.33.13

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon meine Vor­redner richtig betont haben, ist der Inhalt dieses Gesetzes die Umsetzung einer EU-Rahmenrichtlinie, bei welcher es um die wechselseitige Vollstreckung von Verwal­tungsentscheidungen geht. Daher ist das grundsätzlich ein richtiges Anliegen, weil es nicht nur darum geht, dass natürlich dann auch Entscheidungen gegen österreichische Staatsbürger im Ausland bei uns vollstreckbar werden, sondern vor allem auch darum – und hier, glaube ich, ist ein großer Bedarf gegeben, der auch in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren entsprechend diskutiert wurde –, dass auch Verkehrssünder im Speziellen, weil das sicher der häufigste Anwendungsfall ist, die in Österreich Verkehrsdelikte begehen, wirklich effizient belangt werden können und entsprechende Strafen dann auch in den Heimatstaaten vollstreckt werden.

Wir haben auf verschiedenste Einwände auch im Ausschuss reagiert und einen ent­sprechenden Abänderungsantrag und einen Entschließungsantrag eingebracht, auf die ich dann noch ganz kurz eingehen werde. Es wird aber keine Lösung sein, wie das mein unmittelbarer Vorredner verlangt hat, das Inkrafttreten dieses Gesetzes so lange zu verschieben, bis sozusagen alle anderen diese Richtlinie vorher umgesetzt haben. Wenn die das dann auch machen, wird in einer Endlosschleife immer einer auf den anderen warten und werden wir letztlich nie zu einer Umsetzung kommen.

Wir haben durch einen Abänderungsantrag im Ausschuss jetzt im § 5 Abs. 5 sicher­gestellt, dass die Vollstreckungsbehörde vor der Eintreibung dem betroffenen öster­reichischen Staatsbürger, gegen den eine ausländische Entscheidung in Österreich vollstreckt wird, die Möglichkeit gibt, sich zu äußern, seine Bedenken gegen die Rechtskonformität der Entscheidung oder gegen die Vollstreckbarkeit darzulegen. Und es ist dann natürlich Sache der österreichischen Vollstreckungsbehörde, diesen Ein­wendungen Rechnung zu tragen und dann, wenn gewichtige Einwendungen vorliegen, die Vollstreckung letztlich auch abzulehnen.

Das ist, glaube ich, ein guter und ausreichender Schutz, dass Entscheidungen aus an­deren Ländern, die nicht unsere Rechtsqualität erfüllen oder wo keine entsprechende


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Möglichkeit war, sich dagegen zu wehren, nicht vollstreckt werden gegen Österreicher. Das ist das eine.

Und das Zweite – und ich glaube, das ist auch ein wichtiger Punkt – ist der Ent­schließungsantrag, der im Ausschuss beschlossen wurde, mit dem der Bundeskanzler, der Bundesminister für Inneres und der Bundesminister für Verkehr aufgefordert wer­den, nach einem Jahr dem Nationalrat über die Erfahrungen, über die Frage der Gegenseitigkeit zu berichten. Wir haben dann die Gelegenheit und werden diese natürlich auch wahrnehmen, diesen Erfahrungsbericht bei allfälligen weiteren Verbes­serungen auch entsprechend zu berücksichtigen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.36


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 3 Minuten. – Bitte.

 


14.36.11

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Kollege Donnerbauer, mir wäre der umgekehrte Weg lieber gewesen: dass man einmal zuwartet mit der Einführung dieser Materie und schaut, wie sich da alles rund um uns entwickelt, und dass man dann Maßnahmen setzt, um österreichische Auto­lenker, die im Ausland ein Delikt verüben, ein Straßenverkehrsdelikt, dann auch in Österreich für das jeweilige Land verfolgen zu können, denn das machen Sie jetzt in Wahrheit. Dagegen wäre dann nichts zu sagen, wenn es umgekehrt auch möglich wäre, dass man auch ausländische Autofahrer, die in Österreich wegen Schnellfahrens oder wegen anderer Delikte angehalten, angezeigt werden, über Rechtshilfe in den jeweiligen Heimatländern entsprechend zur Verantwortung ziehen kann.

Genau das ist aber noch nicht oder zumindest nicht ausreichend gewährleistet, nicht einmal mit Deutschland, denn Deutschland verweigert, wie Sie wissen, derzeit noch für ausländische Behörden die Lenkerauskunft. Und das ist eigentlich der Zweck dieser Norm. Wir haben ein Interesse, dass hier nicht ausländische Lenker rasen können und ungestraft wieder in ihre Heimat fahren können. Ich habe kein Interesse, dass öster­reichische Lenker, die woanders ein Delikt verübt haben, dann über öster­reichische Behörden abgestraft werden. Das ist nicht in erster Linie mein Begehren. Das tun Sie aber jetzt.

Ich halte, ehrlich gesagt, auch nichts von dem Entschließungsantrag, das auf 2010 zu verschieben, denn vielleicht ratifizieren die anderen diese entsprechenden Abkommen schon früher, 2009 oder 2008, dann könnte man es einführen. Besser wäre es ge­wesen, auf internationaler Ebene zu verhandeln, zu schauen, dass zumindest unsere Nachbarländer gleichzeitig diese Materie entsprechend umsetzen. Dann hätten wir das mit gutem Gewissen auch mittragen können. So müssen wir diese Vorlage leider ablehnen. (Beifall beim BZÖ.)

14.38


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Mag. Kukacka mit 2 Minuten. – Bitte.

 


14.38.21

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Kollege Scheibner! So einfach ist das leider nicht, denn wir haben natürlich auch die Verpflichtung, das umzusetzen, was hier auf EU-Ebene beschlossen wurde. (Abg. Scheibner: Die anderen aber auch!) Und das ist nun einmal ein wichtiger Schritt. Natürlich alle anderen Staaten selbstverständlich auch, aber davon gehen wir aus,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 130

dass das dort in gleicher Weise geschieht. (Abg. Dr. Haimbuchner: Das ist der falsche Vertrauensgrundsatz!)

Ja, ich weiß, Sie haben immer das Misstrauensprinzip gegenüber der EU. (Abg. Dr. Haimbuchner: Auch gegenüber der ÖVP! Nicht nur gegenüber der EU!) Sie haben immer in Ihrer Strategie, Vorurteile und Ressentiments zu schüren, und Sie nützen jeden Anlass, das zu tun, selbst beim Thema Verkehr. (Abg. Dr. Haimbuchner: Das ist doch nicht richtig! Das wissen Sie doch, dass das nicht richtig ist!) Ich glaube, wir sollten froh sein, dass es hier einmal einen ersten Schritt gibt.

Das, was derzeit innerhalb der EU rechtlich und verfassungsrechtlich möglich war, wird jetzt umgesetzt. Wir müssen sehen, dass die Rechtslage, auch die Verfassungs­rechtslage in all diesen Staaten sehr unterschiedlich ist. Deshalb ist das ein wichtiger und ein notwendiger Schritt.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Entschließungsanträge, die hier eingebracht wurden, in Wahrheit nicht notwendig sind, weil wir ja im Gesetz hier Vorsorge treffen, denn es ist vorgesehen, dass ein Bericht über die Praxis der notwendigen Lenker­auskunftserteilung durch ausländische Behörden gemacht wird, und zwar ein Jahr nach Inkrafttreten. Und dann werden wir uns ganz genau anschauen, ob das auf entsprechender Gegenseitigkeit beruht. Und wenn es da ein Problem geben sollte, dann werden wir genauso mit den Lenkern jener Staaten verfahren, wie die allenfalls mit uns verfahren. Also wenn die keine Lenkerauskunft geben, wird es auch bei uns keine Lenkerauskunft mehr für diese Staaten geben.

Wir sehen das vor, wir machen einen entsprechenden Bericht im Ministerium, und wir werden nach einem Jahr evaluieren, ob das auch tatsächlich so funktioniert, wie die EU und wie wir uns selbst das vorstellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.40


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Praßl. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.40.47

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem neuen Gesetz wird die Vollstreckung von Ver­waltungsstraftaten erleichtert, und das ist sicherlich der richtige Schritt. Ich glaube auch, dass wir hier in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union im Bereich der Zivil- und Strafsachen einen großen Schritt weitergekommen sind. Geldstrafen, Geld­bußen sollten nun auch in einem anderen Mitgliedsland zur Vollstreckung kommen.

Derzeit zeigen ja österreichische Behörden große Probleme bei der Ermittlung von ausländischen Lenkern und ihrer Verfolgung. Und ich glaube, dass wir hier wiederum einen großen Schritt weitergekommen sind, da nämlich der zu Bestrafende dort bestraft werden soll, wo er eben über Einkommen verfügt beziehungsweise wo auch sein Vermögen vorhanden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir in diesem Bereich ein sehr gutes Gesetz für die Zukunft geschaffen haben. Den Erlös aus dieser Voll­streckung von Geldstrafen und Geldbußen erhält grundsätzlich der Vollstreckungs­staat.

Dieses Bundesgesetz soll mit 1. März 2008 in Kraft treten; bei Übertretungen, die vor diesem Datum begangen werden, findet dieses Gesetz keine Anwendung. Ich hoffe,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 131

dass Sie diesem guten Gesetz Ihre Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.42


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt nun Frau Staats­sekretärin Silhavy. Frau Staatssekretärin, Sie haben offene Redezeit. – Bitte.

 


14.42.26

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem für das Justizstrafrecht diese Regelungen ja schon umgesetzt worden sind, holen wir das jetzt im Verwaltungsstrafbereich beim Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen sozu­sagen nach und setzen das im nationalen Recht um. Sie wissen, dass Basis ein EU-Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2005 ist.

Ich denke, mit dem auch im Ausschuss lange besprochenen und diskutierten Abän­derungsantrag sind auch den Einwendungen der Autofahrerklubs entsprechend Rech­nung getragen worden und die Übertretungs- und Inkrafttretensbestimmungen ohne­dies bereits sozusagen in die Zukunft, auf den 1. März 2008, verlegt worden.

Die Benachteiligung der österreichischen Bürger und Bürgerinnen, die ja immer wieder sehr gerne hier ins Treffen geführt wird, erkenne ich nicht, weil ja auch die anderen Staaten die Umsetzung dieser Rahmenrichtlinie erfüllen müssen, wenn sie überhaupt einen Tatbestand haben wollen. Ich glaube auch, dass eine gewisse sichere Stellung dadurch gewährleistet ist, dass das Geld bei den österreichischen Behörden oder bei den Behörden, die das Delikt jeweils verfolgen, bleibt, denn das gilt ja natürlich vice versa.

Aber wesentlich sind auch die Einschränkungen die Strafhöhe betreffend beziehungs­weise der Nachweis des Verfahrens, wenn eine gewisse Strafhöhe überschritten wird.

Ich glaube, wir alle miteinander haben das Ziel – ich hoffe, dass wir alle miteinander dieses Ziel haben –, die österreichischen Straßen sicherer zu machen, aber nicht nur die österreichischen Straßen, sondern wir wollen ja alle, wenn wir im Ausland unter­wegs sind, auch dort sicher auf den Straßen unterwegs sein. Und das ist letzten Endes ein Ziel der Umsetzung dieser Rahmenrichtlinie, die wir heute hier beschließen werden oder von der ich hoffe, dass sie ihr zustimmen werden. – Danke herzlich. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.44

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 373 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den von diesem Abänderungsantrag betroffenen Teil des Gesetzentwurfes und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 132

Die Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend Artikel 1 § 18 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Artikel 1 § 18 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche die Mitglieder des Hohen Hauses bei Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist wiederum die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 373 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 50.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Sicherstellung einer effizienten Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über die Vollstreckung von Ver­wal­tungsstrafen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

14.46.109. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (74 d.B.): Ver­einbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über das Verwaltungs- und Kontrollsystem in Österreich für die EU-Strukturfonds in der Periode 2007–2013 (374 d.B.)

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Mag. Grossmann das Wort. 2 Minu­ten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 133

14.46.43

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Artikel-15a-Vereinbarung, die uns heute zur Genehmigung vorgelegt wird, ist eine notwendige und wichtige Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben, um eben auch weiterhin EU-Struktur­mittel lukrieren zu können. Und das ist in unserem föderativen System einfach erfor­derlich, da EU-Fördermittel von mehreren Stellen kofinanziert und auch ausgeschüttet werden. Dementsprechend kompliziert ist die Förderlandschaft in Österreich. Gegen­über der Europäischen Union aber haftet die Republik für sämtliche Schäden, die aus zweckverfehlten Förderungen entstehen. Deshalb muss hier Vorsorge getroffen werden, damit eine zuverlässige Kontrolle, eine koordinierte Abwicklung der Förderun­gen und klare Zuständigkeiten gewährleistet sind.

Die Verfassung ist, wie wir wissen, in die Jahre gekommen und sieht noch keine Rege­lungen für Regional- und Strukturpolitik vor. Das war schon bei der letzten Programm­periode so und hat natürlich auch diesmal Gültigkeit.

Ich spreche heute aber auch in meiner anderen Funktion, in meiner nebenberuflichen, aber ehrenamtlichen Funktion als Geschäftsführerin einer Frauenorganisation. Wir konnten in der Vergangenheit über Strukturfondsmittel unzähligen Frauen in meiner Region Weststeiermark den Sprung in die Berufstätigkeit ermöglichen. Und ich sage Ihnen, es war in der Vergangenheit wirklich nicht immer leicht, an unbedingt erforder­liche Mittel heranzukommen. Es müssen von engagierten Menschen sehr viele Vorleis­tungen erbracht werden – immer in der Ungewissheit, Projekte doch nicht genehmigt zu bekommen. Eine große Hürde sind dabei sehr oft innerstaatliche Stellen, die versuchen, päpstlicher als der Papst zu sein.

Deshalb mein abschließender Appell: Schießen wir bei den Kontrollvorschriften, Doku­mentationen, Evaluierungen und so weiter nicht über das Ziel hinaus, denn schließlich sollen die Mittel in die Kernleistungen fließen und nicht in den Verwal­tungsapparat! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.49


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber mit 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.49.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Die Vorrednerin hat ja schon erläutert, worum es geht, eben um ein integriertes Kontrollsystem, das auf Basis der EU-Vorgaben einzurichten ist. Diese 15a-Vereinbarung regelt diese schwierige Frage, auf welchen Ebenen welche Stellen zuständig sind und wer hier konkret involviert ist.

Lassen Sie mich als regionalpolitischen Sprecher der Grünen vielleicht trotzdem auch ein bisschen auf die Grundsätze der europäischen Regionalpolitik eingehen. Es geht ja hier eigentlich um einen wirklich, kann man sagen, bahnbrechenden Ansatz der euro­päischen Struktur- und Regionalpolitik, nämlich die Kohäsion als Ziel der Heranführung aller Regionen auf einen bestimmten Lebensstandard als Leitlinie der europäischen Regionalpolitik vorzugeben.

Das ist eigentlich weltweit ein Modell, das spannend ist, und es wäre interessant, es auch in einem anderen Kontext, zum Beispiel in der Entwicklungspolitik, da und dort zu diskutieren.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 134

Konkret geht es – das hat die Kollegin noch nicht gesagt – um beträchtliche Mittel. Es sind in der Programmperiode 2007 bis 2013 immerhin über eine Milliarde €. Diese Mittel setzen sich zusammen aus EFRE, dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“, und dem „Europäischen Sozialfonds“, dem ESF. Zusätzlich kommen Mittel dazu aus der Situation, dass an jene Regionen zu Grenzgebieten von Staaten, die vorher nicht EU-Mitgliedstaaten waren, zusätzliche Mittel fließen. Das betrifft einige Bundesländer, wie zum Beispiel Niederösterreich und Oberösterreich, die zusätzliche Mittel erhalten.

Was sind die Schwerpunkte? – Die Förderschwerpunkte im Rahmen dieser Regional­politik sind im Kern fünf Bereiche. Es geht erstens um die Stärkung regionaler Wissensbasis und Innovation. Es geht zweitens um die Attraktivierung von Regionen und Standortqualität. Es geht drittens um Anpassungsfähigkeit und Qualifizierung der ArbeitnehmerInnen – ein ganz wichtiger Punkt gerade im ländlichen Raum. Es geht viertens auch um territoriale Kooperationen, also die grenzüberschreitende Zusam­menarbeit mit anderen Regionen, die ähnliche Ansätze haben. Und es ist fünftens die Möglichkeit der politischen Strukturierung und Vernetzung, der Governance, ein wichtiger Förderpunkt. Sie haben das schon ein bisschen angesprochen: Die Einbin­dung von NGOs, von Akteuren in der Region wird ein ganz gewichtiges Anliegen für diese Programmperiode sein.

Frau Staatssekretärin, in diesem Zusammenhang hätte ich Sie gebeten, in einem Punkt aktiv zu werden, und zwar ist in dieser Artikel-15a-Vereinbarung eigentlich der Gender Mainstreaming-Ansatz zwar erwähnt, aber es ist keine Leitlinie angedacht, wie das umgesetzt werden sollte. Und da hätte ich Sie ersucht, im Rahmen des vor­gesehenen „Begleitausschusses“ dafür zu sorgen, dass es verbindliche Leitlinien für Gender Mainstreaming gibt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Scheibner. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.52.25

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Ich will die Debatte nicht unnötig in die Länge treiben. Es handelt sich hier um eine Konsensmaterie. Wir wissen, dieser Beschluss ist notwendig, um die Strukturförderungsmittel auch optimal nützen zu können, und deshalb stimmen wir dieser Vorlage zu. (Beifall beim BZÖ.)

14.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gemeldet ist Frau Staats­sekretärin Silhavy. Offene Redezeit. – Bitte.

 


14.52.50

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy: Frau Präsidentin! Auch ich werde mich kurz halten. Ich wollte noch zwei Punkte ansprechen. Die Grundzüge der Vorlage sind ohnedies von den Abgeordneten bereits entsprechend dargelegt worden.

Ich wollte nur darauf hinweisen, was die Kontrolle und den Overkill durch die Kontrolle anlangt. Wir haben ja andere finanzielle Mittel als andere Staaten. Wenn ich große Infrastrukturprojekte habe, kann ich andere Verwaltungskontrollmechanismen anwen­den, als wenn es um kleine innovative Projekte geht, wie es in Österreich häufig der Fall ist.

Ich darf Sie informieren, ich habe gestern Mitglieder des Europäischen Rechnungs­hofes zu Besuch gehabt, des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parla-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 135

ments, nationale Vollstreckungs- und Verwaltungsbehörden, um einmal das Thema zu behandeln, inwieweit nicht auch innerhalb der EU – das sind ja Vorschriften der EU, die man einhalten muss; das ist nicht sozusagen eine Sekkiererei von österreichischen Behörden –, also inwieweit sozusagen diese Vorgaben der EU auch für kleinere Pro­jekte zum Tragen kommen sollen oder ob man nicht schauen sollte, dass Kontroll­mechanismen so angewandt werden, dass Fördergelder auch dafür noch in Anspruch genommen werden können, damit die Verwaltung sie nicht zur Gänze auffrisst.

Der zweite Punkt: Kollege Pirklhuber, ich bin 25 Jahre Frauensekretärin gewesen. Sie können sich darauf verlassen, dass ich den Schwerpunkt auf Gender Mainstreaming lege. Leider ist das in dieser Programmperiode ein bisschen zurückgedrängt worden. Aber ich habe bereits erste Gespräche geführt. Ich habe auch mit GENDER ALP, einem Programm, das Ihnen vielleicht auch bekannt ist, Kontakte. Wir werden selbstverständlich schauen, wie wir in den Programmen Gender Mainstreaming wieder besser festigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz in 74 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

14.55.0010. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (42 d.B.): Än­de­run­gen des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der auto­mati­schen Verarbeitung personenbezogener Daten, die den Europäischen Gemein­schaften den Beitritt ermöglichen (375 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (147 d.B.): Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der auto­matischen Verarbeitung personenbezogener Daten betreffend Kontrollstellen und grenzüberschreitenden Datenverkehr (376 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 136

14.55.38

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Hohes Haus! Kurz zu beiden Abkommen: Es ist erfreulich, dass die Europäische Gemeinschaft dem Europarats-Übereinkommen zum Datenschutz beitreten wird. Auch die europäischen Organe sind durch diese Bestim­mungen an den Datenschutz gebunden. Das Zusatzprotokoll sieht vor, dass die nationalen Staaten jeweils eine unabhängige Datenschutz- und Kontrollstelle einrichten müssen. Dies hat für Österreich keine Auswirkung, denn wir haben eine ordentlich funktionierende Datenschutzkommission, die ihren Zweck erfüllt. Wir sind darauf sehr stolz. Wir haben die Mitglieder der Datenschutzkommission in viele Projekte einge­bunden.

In diesem Zusammenhang, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich an Sie den Appell richten, bei der personellen Ausstattung zukünftiger Datenschutzorganisationen großzügiger zu sein.

Ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass sich die Datenschutzkommission mit aktuellen Dingen beschäftigt. Das betrifft auch die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Ich glaube, dass zu Beginn des nächsten Jahres ein entsprechendes Gesetz vorgelegt wird. Ich meine, dass das auch notwendig ist.

Abschließend bedanke ich mich recht herzlich beim Bundeskanzleramt für die Vorlage dieses Gesetzes zur Erfüllung des Regierungsübereinkommens. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.57.06

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Auch wir unterstützen den Beitritt zu diesem Internationale Übereinkommen.

Ich wollte nur kurz anmerken, dass die Lage Österreichs im Bereich des Daten­schutzes nicht so ganz eindeutig ist, auch wenn wir eine Kontrolleinrichtung haben.

Wir haben heute spät auf der Tagesordnung die Frage des Bildungsdokumentations­gesetzes. Ich möchte nur auf die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren hin­weisen, wo von 30 Institutionen alle sieben besonders von der Frage der Sozialver­sicherungsnummer Betroffenen gemeint haben, dass es ein Unding ist, Bildungsdaten mit der Sozialversicherungsnummer zu verknüpfen, angefangen vom Verfassungs­dienst des Bundeskanzleramtes bis hin zum zuständigen Ministerium. Und nachher kommt heraus, dass es trotzdem eine Gesetzesänderung gibt, wo das drinnen bleibt.

Da stellt sich natürlich schon die Frage, wie relevant solche Kontrolleinrichtungen sind, ob sie ihren Zweck wirklich erfüllen können, wenn der Regierung dann offenbar die Stellungnahmen dazu relativ egal sind.

Es ist gut, dass es diese Kontrollstelle gibt. Aber gerade beim Datenschutz liegt in Österreich nach wie vor einiges im Argen. Und da muss ich auch sagen, dass die Veränderung in der Regierungskonstellation – siehe Bildungsdokumentationsgesetz! – bei Weitem nicht das gebracht hat, was sich viele Betroffene davon erhofft haben.

Wenn man, wie Kollege Maier, der gerade sein Haupt kräftig schüttelt, jahrelang beantragt, dass die Sozialversicherungsnummer nicht mehr für Bildungsdaten ver­wendet werden darf, und es dann nach einem Jahr Regierungsbeteiligung eine Novelle gibt, wonach die Sozialversicherungsnummer drinnen bleibt, dann stellt sich natürlich


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 137

die Frage, ob das eine besonders glückliche Regelung ist. Aber vielleicht bringt die Kontrollstelle da auch noch einiges zutage. (Beifall bei den Grünen.)

14.58


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich unterbreche die Sitzung für eine Minute, bis wir zum Aufruf des Dringlichen Antrages um 15 Uhr gelangen.

*****

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

15.00.01Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Missbrauch (491/A)(E)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 491/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Artikel 19 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes besagt:

„1. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Mißhandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Mißbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut. 

Die Anzahl der gequälten, geschlagenen und mißbrauchten Kinder steigt jährlich an. Wie die Tageszeitung „Die Presse“ am 10. November 2007 berichtete, gab es alleine in Wien laut aktuellen Daten (2006) genau 10.045 Meldungen ans Jugendamt. Das entspricht einer Steigerung von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit 2003 hat sich die Zahl fast verdoppelt.

Der „Kurier“ vom 2. Dezember 2007schrieb unter dem Titel „Der Feind im Haus: Wenn Eltern töten“ folgendes:

„Am Heiligen Abend 1988 prügelt ein Mann seinen zweijährigen Neffen tot. Mutter und Onkel packen den kleinen Körper in eine Tasche und werfen sie in die Mur. Ein Vater quält 1997 seinen zweieinhalb Jahre alten Sohn zu Tode weil er in die Hose gemacht hatte. 2003 wird in Wien ein zehnjähriges Mädchen nach einer Folterorgie vom Vater im Spital abgeliefert, ihr Genitalbereich mit Zigaretten verbrannt, die Rippchen der


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Reihe nach gebrochen. Der siebzehn Monate alte Luca starb vor vier Wochen. Er wurde bis in seinen Tod geschunden.

Diese Misshandlungen sind in ihrer Grausamkeit exzessiv. Ungewöhnlich sind sie nicht. Die größte Gefahr droht Kindern immer noch in der eigenen Familie, es ist ein chronisches Leiden, an dem die Gesellschaft krankt. Schätzungen nach werden in Österreich jährlich 100.000 Kinder misshandelt – die Dunkelziffer ist hoch. ().

Kann aber der Gesetzgeber die Brutalität im Kinderzimmer wirksam kontrollieren? Hinweise auf Misshandlung landen in vielen Fällen zunächst bei der Jugendwohlfahrt und nicht bei der Polizei. Selbst nach dem Fall Luca stehen Ärzte und Sozialarbeiter einer generellen Verpflichtung, alle Verdachtsfälle sofort bei der Exekutive zu melden, skeptisch gegenüber.“

Thomas Hammarberg, seit April 2006 im Amt des Menschenrechtskommissars des Europarates, schrieb in der Zeitung „Kinderschutz Aktiv“ im ersten Heft des Jahres 2007 unter dem Titel „Kinder haben das Recht auf eine gewaltfreie Kindheit":

.Heute noch hat man den Eindruck, dass Kinder bis zum letztmöglichen Moment warten müssen, bis sie den gleichen gesetzlichen Schutz vor vorsätzlichen Übergriffen gegen ihre Person beanspruchen können – einen Schutz den der Rest der Menschen als selbstverständlich ansieht. Eigentlich ist es ungeheuerlich, dass Kinder, denen praktisch von allen Menschen zugestanden wird, dass sie durch ihren Entwick­lungs­stand und ihre körperliche Befindlichkeit sowohl psychisch wie auch physisch beson­ders verwundbar sind, ausgesondert werden, um in Bezug auf Angriffe auf ihre körperliche Unversehrtheit, auf ihre Psyche und ihre Würde einen geringeren Schutz zu erfahren, als das bei anderen Menschen der Fall ist. 

Die UNICEF-Studie „Child Maltreatment Deaths in Rich Nations“ informiert:

In den OECD-Ländern sterben jedes Jahr rund 3.500 Kinder unter 15 Jahren an den Folgen körperlicher Misshandlung und Vernachlässigung. Jede Woche sind dies in Deutschland und England zwei Todesfälle, in Frankreich drei, in Japan vier und in den USA 27.

Nach Angaben der WHO wurden weltweit allein im Jahr 2000 rund 57.000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren Opfer von Morden.

Die Gefahr tödlicher Misshandlungen bei Kindern unter fünf Jahren liegt in den wohlhabenden Industrieländern bei 2,2 pro 100.000 für Jungen und 1,8 pro 100.000 für Mädchen.

In den Entwicklungsländern sind die Raten zwei bis dreimal höher (6,1 pro 100.000 für Jungen und 5,1 pro 100.000 für Mädchen).

Die höchsten Mordraten an Kindern unter fünf Jahren gibt es in Afrika (17,9 pro 100.000 für Jungen und 12,7 pro 100.000 für Mädchen).

Gezielte Abtreibung und Tötung von Mädchen haben in Teilen Ost- und Südasiens die Geschlechterbalance zerstört. In Indien kommen heute auf 1.000 Jungen im Alter von 0 bis 6 Jahren nur noch 927 Mädchen. In den Bundesstaaten Punjab und Haryana liegt das Verhältnis sogar nur bei 793 zu 1000.

In den meisten Ländern sind körperliche Züchtigungen durch die Eltern erlaubt oder werden gesetzlich sogar geschützt. In Ägypten sagten bei einer Umfrage 37 Prozent


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der Kinder, dass sie von ihren Eltern geschlagen und gefesselt würden. 26 Prozent berichteten über Knochenbrüche und Bewusstlosigkeit aufgrund der Misshandlungen.

Im Rahmen dieser Studie wurde auch die nebenstehende Statistik „Todesfälle von Kindern durch Misshandlung und Vernachlässigung in den Industrieländern“ veröffent­licht.

(Quelle: UNICEF „Child Maltreatment Deaths in Rich Nations“, 2003)


Die Tabelle zeigt die jährliche Zahl der Todesfälle von Kindern unter 15 Jahren durch Misshandlungen und Vernachlässigung pro 100.000 Kinder in dieser Altersgruppe (dunkler Teil des Balkens). Die Übersicht enthält auch Todesfälle, deren Ursachen als „ungeklärt“ klassifiziert wurden, die aber vermutlich mit Misshandlungen zusammen­hängen (heller Teil des Balkens).

 

Innsbrucker Babyleichen:

Am 1. Juni 2007 wurden im Innsbrucker Stadtteil Wilten drei, unter Brettern im Erd­boden eines Kellers, verscharrte männliche Babyleichen entdeckt. Nach der Durch­führung eines DNA-Tests konnte eine 54-jährige Frau als Mutter und ein 62 jähriger Mann als Vater von zumindest zwei getöteten Neugeborenen ermittelt werden. An einem Leichnam konnten noch Strangulationsmale erkannt werden.

Die beiden Tatverdächtigen wurden umgehend festgenommen, jedoch bereits nach einem Tag wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. Für das Verbrechen der „Tötung eines Kindes nach der Geburt“ (§ 79 Strafgesetzbuch) sieht das Straf­gesetz­buch einen Strafrahmen von nur einem bis zu fünf Jahren Haft vor. Die Verjährungsfrist einer solchen Tat beträgt nur 5 Jahre (§ 57 Strafgesetzbuch).


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Während etwa Mord und andere Kapitalverbrechen, die mit lebenslang oder zehn bis 20 Jahren Haft bedroht sind, nicht verjähren, erlischt die Strafbarkeit anderer Delikte je nach Strafrahmen, wobei der Fristenlauf mit Abschluss der strafbaren Handlung bzw. Verwirklichung des Tatbestands beginnt. Für strafbare Handlungen, für die das Straf­gesetzbuch eine mehr als ein-, aber höchstens fünfjährige Freiheitsstrafe vorsieht, beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 57 Abs. 3, 3.Fall StGB).

Im gegenständlichen Fall ergab das gerichtsmedizinische Gutachten, dass die drei Buben vermutlich in den Jahren 1977 bis 1980 von der Tirolerin zur Welt gebracht, und bei oder unmittelbar nach der Geburt getötet wurden. Anhand von Stoffwechsel­produkten (Nikotin und Koffein) der Mutter, die sich bei der Obduktion noch in den sterblichen Überresten der Babys nachweisen ließen, konnte festgestellt werden, dass die Neugeborenen unmittelbar nach der Niederkunft gestorben waren.

Aufgrund dieser Expertise ließ sich für die Staatsanwaltschaft gegen die Frau kein Mordvorwurf erheben sondern lediglich der Tatbestand der „Tötung eines Kindes nach der Geburt“ gem. § 79 StGB. Die Anklagebehörde musste zur Kenntnis nehmen, dass dieses verbliebene, einzig noch infrage kommende Delikt bereits vor über 20 Jahren verjährt war.

Dem zunächst ebenfalls festgenommenen Ehemann – das Paar war nach wenigen Stunden im Gefängnis wieder auf freien Fuß gekommen – konnte keine Schuld nach­gewiesen werden. Auf Basis der Aussage des mittlerweile 62-Jährigen, den Angaben seiner Frau sowie mangels anderer Zeugen oder belastender Indizien war für die Staatsanwaltschaft nach dem Günstigkeitsprinzip davon auszugehen, dass dieser die Schwangerschaften und Geburten nicht mitbekommen hatte und an den Vorgängen nach den Geburten nicht beteiligt war. Die Tötung der Kinder blieb daher ohne Konse­quenzen.

Der Fall Luca:

Die Tageszeitung „Die Presse“ vom 10. November 2007 berichtete über den Fall „Luca“:

„Warum musste der 17 Monate alte Luca sterben? Diese Frage wird immer lauter, nachdem bekannt wurde: Ein Mödlinger Spitalsarzt hatte bereits im Juli festgestellt, dass der Bub misshandelt wird. Am Freitag gerieten die zuständigen Jugend-Behörden noch stärker unter Druck. Auch die Universitätsklinik Innsbruck, in der der Bub im Juli ebenfalls behandelt wurde, sprach von einem „dringenden Verdacht auf Kindesmiss­handlung“, der dem Jugendamt Schwaz damals mitgeteilt worden sei. Das Jugendamt Schwaz entschied sich für „engmaschige Kontrollen“, als der Bub im Herbst wieder eingeliefert wurde. Wenige Wochen später war Luca tot; gestorben nach Misshand­lungen, vermutlich erstickt – der 23-jährige Stiefvater wurde verhaftet.

Schon im Juli war somit der kleine Luca, damals etwas über ein Jahr alt, bei einem Spitalsaufenthalt in Mödling und später an der Innsbrucker Universitätsklinik untersucht worden. Damals dürften auch die durch die Medien gegangenen Bilder entstanden sein. Diese zeigen großflächige Hämatome vor allem am Gesäß des Kindes. Die Echtheit der Bilder wurde von Lucas leiblichem Vater bestätigt.

Anscheinend gab es Auffassungsunterschiede in der Beurteilung von Lucas Situation zwischen den behandelnden Ärzten in Mödling und Innsbruck. Weder der Jugend­gruppe an der Innsbrucker Klinik noch den eingeschalteten Jugendwohlfahrtsbehörden standen die Fotos zur Verfügung.

Nur wenige Monate nach Entstehen dieser Fotos wurde Luca in der Nacht auf den 2. November 2007 mit schweren Kopfverletzungen mit dem Notarzthubschrauber ins Wiener SMZ-Ost Spital eingeliefert. Die Ärzte diagnostizierten bereits den Hirntod. Der


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mutmaßliche Täter, der 23-jährige Lebensgefährte der Mutter, wurde daraufhin am 2. November 2007 verhaftet. Zusammen mit der 22-Jährigen Mutter aus Schwaz in Tirol soll er dem Kind in den Wohnorten in Tirol und Niederösterreich innerhalb der vergangenen vier Monate in "immerwährenden Gewaltanwendungen" schwere Bles­suren zugefügt haben, so die NÖ Sicherheitsdirektion.

Am 3. November endet das junge Leben von Luca dramatisch. Der Kindsvater und sein Anwalt erheben schwerste Vorwürfe an sämtliche involvierte Stellen und Behör­den.

Gegen die Jugendämter in Tirol und Niederösterreich gibt es nach Lucas Tod eine Anzeigenflut. Vor Kurzem schloss sich der leibliche Vater des kleinen Buben einer Anzeige der NGO „Resistance for Peace“ bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen die Jugendämter Mödling und Schwaz an. Auch an der Strafanzeige gegen die Mutter und deren Freund hat er sich beteiligt.

Der Fall Luca hätte verhindert werden können. Das in der Bundesrepublik Deutschland geübte Modell der gemeinsamen Obsorge als Regelfall hätte in diesem Fall eine Lösung erleichtert. Ohne größeren Rechtsstreit hätte die tatsächliche Obsorge über den kleinen Luca vorübergehend oder dauerhaft auf den Vater übertragen werden können. Zum dramatischen Ausgang dieses traurigen Falles wäre es bei einer recht­zeitigen Übertragung des Sorgerechts auf den Vater wahrscheinlich nicht gekommen.

Gemeinsame Obsorge beider Elternteile:

Geschiedene Väter stehen oft vor dem Problem, dass ihnen ihre Kinder jahrelang vorenthalten werden. Viele Mütter unterbinden aktiv den Kontakt der Kinder zu ihren Vätern und damit auch zu den Großeltern. Die Gerichte arbeiten in Besuchsrecht-Angelegenheiten sehr träge, nur in den seltensten Fällen kommt es überhaupt zur Anwendung von Zwangsmitteln. Gerichtliche Entscheidungen ziehen sich skandalöser Weise oft über mehrere Jahre hin. Dem Recht des Kindes auf beide Elternteile wird dadurch nicht entsprochen. Nach Jahren ist der Aufbau einer „neuen“ Beziehung zum entfremdeten, getrennt lebenden Elternteil nur sehr schwierig zu erreichen.

In der Bundesrepublik Deutschland ist die gemeinsame Obsorge (dort gemeinsame elterliche Sorge) der gesetzliche Regelfall nach einer Scheidung. Jener Elternteil, der die Alleinsorge für Kinder anstrebt, muss nachweisen, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl abträglich ist.

Seit 01. Juli 2001 gibt es in Österreich die Möglichkeit, die „Obsorge beider Elternteile“ im Falle einer Scheidung freiwillig zu vereinbaren. Diese Regelung wurde im Jahr 2005 einer Evaluierung unterzogen. Die Evaluierungsstudie des BMJ brachte unerwartete Ergebnisse. Die neue Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge wurde im Unter­suchungs­zeitraum in über 53 % der Fälle in Anspruch genommen.

Positive Auswirkungen sind vor allem die schnellere Beruhigung des Konfliktniveaus, weniger Konflikte um die Ausübung des Besuchsrechts, hohe Zufriedenheit mit der Obsorge beider Elternteile, häufigere Kontakte der Kinder mit dem getrennt lebenden Elternteil, eine zehn mal niedrigere Kontaktabbruchsrate als bei alleiniger Obsorge, der getrennt lebende Elternteil übernimmt quantitativ und qualitativ mehr elterliche Auf­gaben und Verantwortung, mehr Austausch zwischen den getrennt lebenden Eltern, positive Auswirkungen auf die Zahlung des Kindesunterhalts (pünktlicher, Höhe wird eher als angemessen erlebt). Die Gemeinsame Obsorge wirkt daher den, mit einer Trennung regelmäßig einhergehenden Entfremdungsmechanismen wirksam entgegen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden


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Dringlichen Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die zur dringenden Verbesserung des Schutzes Unmündiger, bzw. Minder­jähriger  folgende Änderungen der Rechtslage erfassen soll:

Im Bereich des Strafrechts:

Die Einführung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Personen, welche mit Unmündigen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternehmen;

das Anheben der Strafsätze sämtlicher Straftatbestände gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, welche  gegen­über Minderjährigen verübt werden;

den Entfall der Verjährung der Strafbarkeit bei Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, in jenen Fällen, in denen die Opfer Minderjährige sind;

ein gesetzliches Verbot vorzeitiger Entlassung und bedingter Strafen bei Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbst­bestimmung, in jenen Fällen, in denen die Opfer Minderjährige sind;

eine unbedingte Anzeigepflicht für alle Personen, die beruflich mit Minderjährigen zu tun haben, wenn ein begründeter Verdacht des physischen, sexuellen oder psychischen Missbrauchs besteht und Schaffung eines Straftatbestandes der unter­lassenen Anzeige für alle Personen, die einer solchen Anzeigepflicht unterliegen.

Im Bereich des Zivilrechts:

Eine unbedingte Entscheidungspflicht in Besuchsrechts- und Obsorgeangelegenheiten binnen sechs Monaten,

die Einführung der gemeinsamen Obsorge als Regelmodell.

Des Weiteren soll durch die Regierungsvorlage die Einführung einer bundesweiten und zentralen Kontrollstelle für alle Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in die Wege geleitet werden.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erst­antragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile Herrn Klubobmann Strache als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


15.01.05

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Zustand einer Gesellschaft erkennt man unter anderem auch daran, wie sich eine Gesellschaft gegenüber ihren schwächsten Mitgliedern, in diesem Fall Kindern gegenüber, verhält. Dafür fällt das Zeugnis für unsere Gesellschaft leider Gottes nicht ganz so gut aus.


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Wir sollten uns Gedanken darüber machen: Worauf ist die Entwicklung zurück­zuführen, dass es zu immer mehr Gewalttaten gegenüber Kindern kommt, zu Missbrauch gegenüber Kindern kommt? – Das liegt mit Sicherheit daran, dass sich – und das müssen wir auch eingestehen – eine gewisse soziale Verwahrlosung in unserer Gesellschaft breitmacht. Wir müssen in Teilen unserer Gesellschaft wahr­nehmen, dass Familien immer schlechter funktionieren. Und wir müssen uns fragen: Warum ist das so? Und was können wir dagegen unternehmen? Wie können wir vor allen Dingen den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft zur Seite stehen und ihnen all unsere Unterstützung angedeihen lassen, damit solche Taten zum einen nicht passieren können, es aber zum anderen keine Toleranz gegenüber Tätern gibt, die sich an den Schwächsten der Gesellschaft, nämlich an unseren Kindern, vergreifen? (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Neugebauer.)

Ich möchte nun ganz bewusst aus einem Artikel des „Kurier“ vom 2. Dezember zitieren, wo es heißt:

„Der Feind im Haus: Wenn Eltern töten: Am Heiligen Abend 1988 prügelt ein Mann seinen zweijährigen Neffen tot. Mutter und Onkel packen den kleinen Körper in eine Tasche und werfen sie in die Mur. Ein Vater quält 1997 seinen zweieinhalb Jahre alten Sohn zu Tode, weil er in die Hose gemacht hatte. 2003 wird in Wien ein zehnjähriges Mädchen nach einer Folterorgie vom Vater im Spital abgeliefert, ihr Genitalbereich mit Zigaretten verbrannt, die Rippchen der Reihe nach gebrochen. Der siebzehn Monate alte Luca starb vor vier Wochen. Er wurde bis in seinen Tod geschunden.“

Wir alle haben die Bilder und auch die Meldung noch im Kopf, welch qualvollen Tod dieser Junge erleiden musste.

Es wird in diesem „Kurier“-Artikel auch der Verhaltensforscher John Dittami zitiert, der gesagt hat:

„Mutterliebe“ – aber auch Vaterliebe; die hat er ausgelassen – „muss man dressieren und lernen. Ohne eine stabile Eltern-Kind-Bindung bleiben Kinder den Eltern fremd.“

Weiters sagt er: „Aggressivität ist eine Reaktion auf das soziale Umfeld, ein natürlicher Mechanismus, um mit selbst erlittener Aggression zurecht zu kommen. Es ist der Stress des täglichen Lebens und wirtschaftlicher Not und der Krach in Beziehungen, der sich am Ende an den Schwächsten entlädt.“ 

Weiters sagt eine Anthropologin in diesem „Kurier“-Artikel: „Es gibt soziale Milieus, die für Kinder eine erhöhte Risikolage mit sich bringen. Wenn etwa in den USA ein Stiefvater den Platz des leiblichen Vaters einnimmt, wächst die Chance, dass Klein­kinder getötet werden, um das 70-Fache.“

All das sollte uns zu denken geben. Ich weiß zwar nicht, wie es Ihnen geht, wenn man solche Dinge zitiert, aber ich bin davon überzeugt: Es geht uns allen gleich! Völlig abseits der parteipolitischen Betrachtungslage und abseits der Parteipolitik geht es uns allen gleich, wenn wir solche grausamen Dinge wahrnehmen müssen, die in unserer Gesellschaft stattfinden. Man kann sich daran nicht gewöhnen. Und man empfindet natürlich Wut dabei, wenn man solche Meldungen lesen muss, wenn man erfahren muss, dass es so etwas in unserer Gesellschaft gibt. Es löst natürlich nicht nur Wut, sondern auch Entsetzen und tiefe Trauer aus, dass es solche Dinge gibt.

Wenn wir solche Geschichten lesen und erfahren, sind wir natürlich schockiert darüber, dass es überhaupt Menschen gibt, die Kinder, Kleinkinder quälen, missbrauchen, schlagen, zu Tode prügeln, sexuell missbrauchen. Da kann man und muss man schockiert sein. Und man kann es gar nicht begreifen, dass es überhaupt Menschen gibt, bei welchen sich so unglaubliche Abgründe im Leben aufmachen, die Kinder zu Tode foltern und missbrauchen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 144

Da gibt es viele Geschichten aus den letzten Wochen, und ich möchte noch ein paar herausgreifen.

So schreibt der „Kurier“: „Schätzungen nach werden in Österreich jährlich 100 000 Kinder misshandelt – die Dunkelziffer ist hoch.“

Das klingt absolut schockierend, und wir sollten daher nach den Berichterstattungen in den vergangenen Wochen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Die „Tiroler Tageszeitung“ vom 13. November schreibt: „Brutalität gegen Kinder steigt: 23 Fälle an der Klinik.“

Die „Kronen Zeitung“ vom 27. November schreibt: „Babyleichen: Kein Verfahren – Tötung unmittelbar nach Geburt verjährt.“

Die „Kronen Zeitung“ vom 30. November schreibt: „Gewalt an Babys: Behörden schauen zu.“

Die „Tiroler Tageszeitung“ vom 3. Dezember schreibt: „Fälle wie Luca keine Selten­heit.“

Das waren jetzt nur ein paar wenige Beispiele, die ich stellvertretend für die vielen Fälle, die wir leider in unserer Gesellschaft erleben müssen, genannt habe. So viel Zeit, um alle zu beleuchten, haben wir heute gar nicht in dieser Debatte über den Dringlichen Antrag.

Bei den Fällen wie Luca und den Innsbrucker Babyleichen handelt es sich in Wahrheit nur um die Spitze eines Eisberges, dessen Kälte und Abscheulichkeit ungeheuerlich, unbeschreiblich und auch unfassbar sind, weil wir damit, dass es so etwas gibt, kaum zu Rande kommen,.

Ich gebe zu: So etwas begreife ich nicht, so etwas werde ich auch nicht begreifen! Und ist will es auch gar nicht begreifen, dass es Menschen als Ungeheuer gibt – ich kann diese Menschen nur so bezeichnen –, als Ungeheuer, die gegenüber den Schwächs­ten in unserer Gesellschaft, gegenüber unseren Kindern, Missbrauch, sexuelle Gewalt, Quälerei ausüben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das will ich nicht begreifen, und darüber möchte ich auch gar nicht näher nachdenken. Aber eines will ich: dass solche Bestien in Menschengestalt, die so bestialisch als Ungeheuer tätig geworden sind, auch wirklich die volle Härte unserer Gesetzgebung trifft und dass solche Bestien weggesperrt werden. Ja, wir müssen unsere Gesellschaft und unsere Kinder vor solchen Bestien schützen, und zwar, sage ich auch dazu, lebenslang schützen, denn gerade in diesem Bereich ist die Zahl der Wiederholungs­täter äußerst hoch.

Wir wollen, dass solche Menschen weggesperrt werden, dass man die Schwere der Fälle einmal festmacht und dort, wo es erforderlich ist, solche Bestien auch lebens­länglich wegsperrt. Und da müssen wir uns unser Strafrecht ansehen, da müssen wir un­ser Strafrecht beurteilen beziehungsweise schauen, was es für solche Fälle vorsieht.

Wie, bitte, kann es sein, dass ein Mord an Babys nach unserer gesetzlichen Regelung nach fünf Jahren, nach relativ kurzer Zeit, einfach verjährt? Wie kann das sein? Was ist das für eine Gesetzgebung? Sollten wir da nicht unsere Gesetzgebung in Frage stellen und genau dort etwas ändern?!

Es kann und darf nicht sein, dass Babys weniger zählen als erwachsene Menschen. Kleine Kinder, Babys müssen genauso den Wert eines Menschen haben, und da kann und darf es nicht der Fall sein, dass in unserer Gesellschaft ein Mord an einem Baby nach fünf Jahren verjährt! (Beifall bei der FPÖ.) Das sind vollwertige Menschen, und da


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muss man die Gesetzgebung dahin gehend anpassen beziehungsweise sicherstellen, dass dem auch entsprochen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb fordern wir von der Freiheitlichen Partei, dass die Verjährung bei Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbst­bestimmung in jenen Fällen, in denen die Opfer Kinder oder Minderjährige sind, abgeschafft wird. Solche Verbrechen sollen und dürfen nicht nach fünf Jahren verjähren und sollen auch nicht nach 30 Jahren verjähren. Jede dieser Bestien und jedes dieser Ungeheuer, die sich an unseren Kindern vergreifen, sollen auch ein Leben lang wissen, dass sie für ihre ungeheuerliche Tat, wenn sie erwischt werden, zu büßen haben.

Es ist für uns ganz wichtig, das einmal festzuhalten. Da darf es nicht sein, dass das nach fünf Jahren verjährt ist und quasi als Kavaliersdelikt abgehandelt wird. Wer sich an unseren Kindern vergeht, soll eben jederzeit wissen, dass er in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren, wenn man ihm draufkommt, auch zur Verantwortung gezogen werden muss in unserer Gesellschaft. Wir brauchen deshalb härtere Gesetze. Ich stehe dazu, die Freiheitliche Partei Österreichs steht dazu, dass wir hier auch härtere Gesetze festmachen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch stellen den größten Frevel dar, dessen sich ein Mensch schuldig machen kann, und deshalb fordern wir auch die Einführung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Personen, die mit Unmündigen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vollziehen, und das Anheben der Strafsätze bei sämtlichen Straftatbeständen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder eben gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, die gegenüber Kindern und Minderjährigen verübt werden.

Außerdem ist es auch wichtig, festzuhalten, dass wir aus allen Studien von Menschen, die Kinder sexuell missbrauchen, wissen, dass die Wiederholungsrate bei nahezu 98 Prozent liegt. Wir wissen, dass es bei diesen Tätern bis heute kaum eine Chance auf Heilung gibt. Wir wissen, dass die Wiederholungsraten exorbitant hoch sind. Des­halb ist es auch wichtig, dass gerade solche Täter nicht vorzeitig entlassen werden, Frau Justizministerin. Gerade dort haben wir dafür Sorge zu tragen, dass es keine vorzeitigen Entlassungen gibt. Und gerade dort ist es auch wichtig, wenn wir von vorzeitigen Entlassungen insgesamt reden, dass man selbstverständlich auch darüber nachdenken sollte, wie man solchen Tätern auch mit medizinischen Mitteln beikommen kann.

Deshalb bringe ich auch folgenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellst möglich eine Vorlage zum Strafgesetzbuch zuzuleiten, welche die Möglichkeit einer chemischen Kastration für Personen, welche rechtskräftig nach § 206 des StGB verurteilt wurden, beinhaltet.

*****

Wir müssen auch darüber nachdenken, dass es eine medizinisch-chemische Kas­trationsmöglichkeit gibt, die auch dazu führt, dass Täter nicht mehr das Verlangen haben, in diese Richtung tätig zu werden. Das ist auch etwas, mit dem wir uns aus­einandersetzen müssen.

Und wenn wir den Fall Luca hernehmen und beurteilen wollen, dann hat der auch eines gezeigt, nämlich dass es in unserer Gesellschaft durchaus ein weit verbreitetes Wegschauen gibt – ein Wegschauen, wenn Gewalt gegenüber Kindern offenkundig


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wird und man eigentlich damit nichts zu tun haben will. Genau da müssen wir ansetzen, dass man nicht wegschaut. Wir müssen auch das Versagen der zustän­digen Behörden ansprechen. Das war in diesem Fall erschütternd. Das soziale Netz­werk der Jugendwohlfahrt hat in diesem konkreten Fall völlig versagt. Wir müssen dieses Versagen auch ernst nehmen und dürfen es nicht als ein Einzelfallversagen darstellen, denn wir wissen nicht, wie viele Dunkelzifferfälle es in diesem Bereich noch gibt.

Allem Anschein nach waren auch die Sozialarbeiter genau in dem Fall des kleinen Buben Luca völlig überfordert. Da hat es auch diese dramatischen Bilder in den Medien gegeben, wo dieser kleine Bub, malträtiert, mit blauen Flecken am Popo, am ganzen Körper, am Rücken, weinend gezeigt wurde und es offenkundig war, was da passiert ist. Es war auch den Behörden, auch der Ärzteschaft bewusst, was da passiert ist. Man hat auch ein Ausfolgeverbot an die Mutter verlangt, aber dem ist die Mödlinger Bezirkshauptmannschaft nicht nachgekommen.

Da ist ein Versagen evident, und da müssen wir einfach jetzt auch in diesen Bereichen tätig werden und nachjustieren. Es rächen sich natürlich auch die vielen Sparmaß­nahmen, die es im Sozialbereich gegeben hat. Es fehlt wahrscheinlich auch an Sozial­arbeitern – keine Frage, da müssen wir eben auch ansetzen und dürfen nicht sparen.

Wir müssen auch in diesen Bereichen immer wieder evaluieren. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir auch verlangen und sicherstellen, dass es eine unbedingte Anzeige­pflicht für alle Personen gibt, die beruflich mit Minderjährigen zu tun haben, und zwar dann, wenn ein begründeter Verdacht des physischen, sexuellen oder psychischen Missbrauchs besteht. (Beifall bei der FPÖ.) Da hat es eine Anzeigepflicht zu geben, damit sich auch die Behörden mit solchen Fällen auseinandersetzen müssen.

Natürlich ist auch eine Gutachterverantwortung festzumachen. Wenn ein Gutachter mit seinem Gutachten völlig daneben liegt, dann frage ich mich, warum er überhaupt bei weiteren Fällen als Gutachter eingesetzt wird. Da muss es in Zukunft eine Gutachter­verantwortung geben.

Wir verlangen die Schaffung eines neuen Straftatbestandes, nämlich der unterlas­senen Anzeige, und zwar für alle Personen, die einer solchen Anzeigepflicht unterlie­gen und dieser nicht nachkommen. Wir dürfen vor diesen negativen Entwicklungen und auch den Fällen, die wir in den letzten Wochen dramatisch aufgezeigt bekommen haben, nicht die Augen verschließen. Wir dürfen hier nicht wegschauen, wir müssen hinschauen, und zwar sehr massiv und genau hinschauen.

Der Fall Luca hätte vielleicht auch verhindert werden können. Es nützt nichts, im Nach­hinein zu sagen, was wäre, wenn, aber vielleicht hätte er ja verhindert werden können. Wir müssen zumindest verhindern, dass solche Fälle in Zukunft passieren. Vielleicht hätte der Fall verhindert werden können, wenn wir so wie in der Bundesrepublik Deutschland die gemeinsame Obsorge bei Scheidungsfällen verpflichtend gesetzlich festgemacht hätten.

Ja, und ich sage ganz bewusst, warum. Dieses verpflichtende Modell der gemein­samen Obsorge, das es in Deutschland gibt – dort heißt es gemeinsame elterliche Sorge –, ist dort Regelfall nach einer Scheidung, bei uns nur dann, wenn es einver­nehmlich zur gemeinsamen Obsorge kommt. Und genau da muss man ansetzen. Jener Elternteil, der in Deutschland die Alleinsorge für die Kinder anstrebt, muss nachweisen, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl abträglich ist. Wenn das nachgewiesen wird, dann soll es selbstverständlich keine gemeinsame Obsorge geben. Aber wenn da nichts vorliegt, ist doch nicht einzusehen, dass es keine gemeinsame Obsorge gibt, denn es gibt ja bitte ein Recht der Kinder auf beide Elternteile. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das Recht des Kindes hat im Vordergrund zu stehen! Die Kinder sind die größten Opfer – auch bei Scheidungsfällen. Genau dort muss man ansetzen. Seit dem 1. Juli 2001 gibt es auch in Österreich die Möglichkeit, die Obsorge beider Elternteile im Falle von Scheidung freiwillig zu vereinbaren. Da hat es im Jahr 2005 eine Evaluie­rung gegeben. Und diese Evaluierung ist hoch interessant. Sie hat nämlich erfreuliche Ergebnisse gebracht.

Ich darf Ihnen die positiven Auswirkungen dieser Evaluierung darlegen. Diese Mög­lichkeit der gemeinsamen Obsorge, die leider bis dato nur freiwillig vorhanden ist, wurde in 53,7 Prozent der Fälle in Anspruch genommen. In den restlichen Fällen konnte man sich nicht einigen. Es gab vor allen Dingen dahin gehend positive Auswirkungen, dass es eine schnellere Beruhigung des Konfliktniveaus zwischen den Elternteilen gibt: weniger Konflikte um die Ausübung des Besuchsrechtes, hohe Zufriedenheit mit der Obsorge beider Elternteile, häufigere Kontakte der Kinder mit dem getrennt lebenden Elternteil, eine zehnmal niedrigere Kontaktabbruchsrate als bei alleiniger Obsorge. Der getrennt lebende Elternteil übernimmt qualitativ, aber auch quantitativ mehr elterliche Aufgaben und Verantwortung. Mehr Austausch zwischen den getrennt lebenden Eltern, positive Auswirkungen auf die Zahlung des Kindes­unterhaltes, was die pünktliche Einzahlung, aber auch die Höhe betrifft.

Diese Punkte zeigen doch – nach der Evaluierung –, dass wir jetzt auch gesetzlich die gemeinsame Obsorge grundsätzlich verpflichtend einführen sollten, außer es besteht ein Fall, wo das nicht gemacht werden soll, weil das Kindeswohl gefährdet ist. Deshalb meinen wir, dass wir das genau in diesem Bereich im Interesse des Kindeswohls und aller Betroffenen sicherstellen müssen. Es kann nicht sein, dass Entscheidungen in Scheidungsfällen oft jahrelang dauern. Genau die lange dauernden Entscheidungen in diesem Bereich sind zu kritisieren.

Fälle, wo sieben Jahre lang vor Gericht keine Entscheidung getroffen wird, wo ein Elternteil ausgeschlossen wird, sein Kind zu sehen, sieben Jahre lang ein Elternteil seine Kinder nicht sehen kann, dahinter stecken auch Großmütter und Großväter, die ihre Enkelkinder nicht sehen können – das muss abgestellt werden.

Da muss gesetzlich sichergestellt werden, dass eine unbedingte Entscheidungspflicht für Besuchs- und Obsorgeangelegenheiten spätestens nach sechs Monaten erfolgt. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das wollen wir endlich auch mit der heutigen Debatte initiieren, einen Denk­anstoß mitgeben, weil es notwendig ist, über solche wichtigen und positiven Entwick­lungen nachzudenken, wozu es auch positive Evaluierungen gibt.

Uns allen liegt bei diesem Thema – und davon bin ich überzeugt – das Wohl des Kindes genauso am Herzen. Der eine oder andere hat vielleicht einen anderen Zugang dazu. Über die Wege und den Zugang dazu können wir streiten, und darüber sollten wir auch trefflich diskutieren, weil es darum geht, doch gemeinsame Lösungen zu finden, wie wir eben unsere Verantwortung für die Gesellschaft und für unsere Kinder als Gesetzgeber hier sicherstellen können. Und wenn Kinder gedemütigt, geprügelt und missbraucht werden, so wird ihre Seele zerstört.

Ich komme zum Schluss. Damit wird nicht nur ihre Seele zerstört, sondern auch die Seele unserer Gesellschaft zerstört. Eine Gesellschaft, die ihre Kleinsten nicht achtet, solch eine Gesellschaft verdient auch keinen Respekt – und das können und dürfen wir nicht zulassen! (Beifall bei der FPÖ.)

15.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Sehr geehrter Herr Klubobmann, da wir noch nicht in die Debatte eingegangen sind, gilt der Antrag entsprechend § 74a GOG nicht


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 148

als eingebracht. Es steht Ihnen aber frei, den Antrag während der Debatte noch geschäftsordnungskonform einzubringen.

Zu Wort ist nun die Frau Bundesministerin für Justiz zur Abgabe einer Stellungnahme gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


15.21.57

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Die in den letzten Wochen bekannt gewordenen Fälle von Kindesmisshandlungen haben uns tatsächlich alle erschüttert. Ich bin nicht erst seit Bekanntwerden dieser Fälle der Ansicht, dass die Bekämpfung von häuslicher Gewalt und im Besonderen von Gewalt gegen Kinder ein ent­schlossenes Vorgehen erfordert.

Gewalt gegen Kinder muss durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen bekämpft werden. Herr Abgeordneter Strache! Sie haben ja selbst auch verschiedene gesell­schaftliche Ursachen aufgezählt, mit denen man versucht, unzulänglich zwar, dieses Phänomen zu erklären. Aber es muss natürlich auch um Maßnahmen des Strafrechts, des Zivilrechts, der Verbesserung der Verfahrensgesetze, aber auch um eine bessere Ausbildung der beteiligten Berufe und eine bessere Kommunikation zwischen den befassten Einrichtungen gehen.

Ich habe sofort nach meinem Amtsantritt als Justizministerin die Verbesserung der Maßnahmen gegen häusliche Gewalt und gegen Gewalt an Kindern in Angriff genommen. Wir haben zwar in Österreich das Gewaltschutzgesetz – das war auch damals europaweit Vorbild –, aber nach zehnjährigem Bestehen müssen wir sehen, dass da die Maßnahmen durchaus noch verbesserungswürdig sind. Der heutige Dringliche Antrag bietet mir die Gelegenheit, dem Hohen Haus eine Art Zwischen­bericht über diese Arbeiten zu liefern und gleichzeitig weitere legistische Maßnahmen vorzuschlagen.

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Familienministerium, teilweise auch mit dem Innenministerium, derzeit verschiedene Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich mit familienrechtlichen Aspekten, aber auch mit der Frage Gewalt in der Familie beschäf­tigen. Hier wird eine Vielzahl von Vorschlägen, wie sie auch von Experten gekommen sind, durchdiskutiert; ich werde einige dieser Vorschläge auch hier präsentieren.

Zum Thema der Jugendwohlfahrt möchte ich darauf hinweisen, dass das in die Zustän­digkeit meiner Kollegin Kdolsky fällt. Sie hat mir für diese Debatte mitgegeben, dass mit Jänner die Arbeiten an einer großen Reform des Jugendwohlfahrtrechts beginnen werden und dass hier insbesondere im Mittelpunkt stehen wird, dass die Jugend­wohl­fahrtsbehörden in den Ländern tatsächlich nach einheitlichen Standards vorgehen.

Wenn wir von Gewalt an Kindern sprechen, so ist aber natürlich auch der Einsatz des Strafrechts unverzichtbar. Man hat in der Vergangenheit fallweise insofern eine zweifel­hafte Einschätzung vorgenommen, als man gedacht hat, dass die Einleitung von Strafverfahren gegen die Täter, die ja oft aus dem Familienkreis stammen, die Situation für das Opfer noch schwieriger machen könnte.

Dies scheint mir im Lichte der modernen Strafjustiz ein falscher Ansatz zu sein. Der falsche Ansatz besteht darin, dass die Strafjustiz als Bedrohung des Opfers gesehen wurde, wie dies von den jetzt sehr lückenhaften Anzeigeverpflichtungen nahegelegt wird.

Richtigerweise schließt eine entschiedene Strafverfolgung einen schonenden Umgang mit dem Kind als Opfer nicht aus. Wir haben ja in den letzten Jahren den Opferschutz in unserem Strafrechtssystem massiv ausgebaut. Wir haben auch heute einige Vorlagen, wo dieses Thema eine Rolle spielt. Wesentlich ist, dass auch Kinder, wenn


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sie Opfer von Straftaten werden, einen Anspruch auf den vollen Schutz durch den Staat, auf eine angemessene Reaktion des Staates auf die erlittene Gewalt und damit auf den Einsatz des Strafrechts haben. Für das Kind als Opfer ist eine solche Reaktion des Staates eine ganz wichtige Unterstützung dabei, langfristig mit der Gewalt­erfahrung zurande zu kommen.

Ich darf Ihnen nun einige Maßnahmen vorstellen. Zum Strafverfahrensrecht erscheint es mir ganz besonders wichtig, einige Verbesserungen durchzuführen. Zu überlegen ist insbesondere eine einheitliche und striktere Anzeigepflicht aller mit Kindern befassten Berufe und Einrichtungen wie Jugendämter, Schulen, Kindergärten, Gesund­heitsverwaltung und Sportvereine. Nach der derzeitigen Rechtslage besteht eine strikte Anzeigepflicht nur für die Sicherheitsbehörden. Die meisten anderen regelmäßig mit Kindern konfrontierten Behörden und Berufsgruppen trifft, wenn überhaupt, nur eine begrenzte Anzeigepflicht.

Die allgemeine Regelung der Strafprozessordnung in § 84 StPO sieht derzeit vor, dass eine Anzeigepflicht für Behörden dann besteht, wenn ihnen der Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat bekannt wird, die ihren gesetzmäßigen Wirkungs­kreis betrifft. Diese Anzeigepflicht richtet sich an Behörden und öffentliche Dienst­stellen, die von ihren Leitern repräsentiert werden und welche die Anzeige für die Behörde zu erstatten haben.

Das Problem besteht darin, dass die Anzeigepflicht auf den gesetzmäßigen Wir­kungsbereich beschränkt ist, somit auf den Bereich der Gerichtsbarkeit und der Hoheits­verwaltung. Im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung besteht damit keine Anzeigepflicht nach der Strafprozessordnung. Da die Jugendwohlfahrtsträger ganz überwiegend keine hoheitlichen Aufgaben erfüllen, trifft sie damit keine generelle Anzeigepflicht. (Abg. Strache: Aber dort müsste man ansetzen, Frau Justizministerin!) Sie brauchen eine Anzeige auch dann nicht zu erstatten, wenn durch sie eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigt würde, die das persönliche Vertrauensverhältnis zum Beispiel eines Sozialarbeiters zu seinem Klienten beträfe. Allerdings gibt es auch hier wieder – und das ist ja schon ein Beweis für die Komplexität der Regel – die Ausnahme, dass die Anzeigepflicht dann generell ist, wenn sie notwendig ist, um weitere Gewalt zu verhindern.

Zahlreiche weitere gesetzliche Regelungen sehen beschränkte Anzeigepflichten vor, die nicht einheitlich sind. Es scheint mir geboten, diese Anzeigepflichten zu verein­heitlichen und auch strikter zu gestalten. Das fällt nicht alleine in meinen Zuständig­keitsbereich, sondern hier sind auch viele andere Ressorts betroffen und ich werde gerne diesbezüglich Kontakt aufnehmen.

Wichtig erscheint mir auch, dass wir uns beim Strafverfahren flexibel zeigen. In der ersten Phase der Intervention des Staates und auch des Strafrechts muss der Schutz des Kindes vor weiterer Gewalt das oberste Ziel sein. Es wird daher zu überlegen sein, eine Möglichkeit zu schaffen, mit dem Strafverfahren innezuhalten, soweit das erfor­derlich ist, um das Opfer vor Überforderung zu schützen. Im Rahmen des Strafver­fahrens würden dann zunächst nur jene Maßnahmen gesetzt, die das Opfer vor weiteren Misshandlungen schützen sollen. Der Staatsanwalt könnte daher künftig die Möglichkeit haben, unter gerichtlicher Kontrolle zunächst nur dringend notwendige Beweisaufnahmen durchzuführen – zum Beispiel, in einem konkreten Fall war das so, ein Au-pair-Mädchen als Zeugin einzuvernehmen, noch bevor es wieder das Land verlässt – oder alle Maßnahmen zu setzen, die zur Kontrolle des Verdächtigen und zur Sicherung des Opfers notwendig sind. Es sollte auch da schon möglich sein, wenn der Verdächtige geständig ist, durch sozialtherapeutische Weisungen, Anti-Gewalt-Trai­nings et cetera sofort anzusetzen.


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Trotz der Einleitung des Strafverfahrens müssen jedenfalls alle Rahmenbedingungen für einen schonenden Umgang mit dem Opfer gewährleistet werden. Es geht darum, eben durch die Einleitung des Strafverfahrens und die damit verbundenen Mög­lichkeiten – etwa mit einer Verhaftung des Verdächtigen; das kann der Vater des Kindes sein – das Opfer rasch in Sicherheit zu bringen und vor weiteren Misshand­lungen zu schützen.

Im materiellen Strafrecht haben wir in Planung, einen neuen Tatbestand für länger andauernde Gewaltbeziehungen einzuführen, ich durfte das in diesem Haus schon berichten. Hier wird es auch darum gehen, für bestimmte Formen von Gewalt, wie zum Beispiel jener an Kindern oder anderen wehrlosen Personen, qualifizierende Straf­drohungen vorzusehen.

Notwendig wäre auch der Ausbau der Strafbestimmung des Quälens oder Vernach­lässigens von Kindern und wehrlosen Personen des § 92 StGB, sodass dort die Misshandlung von Kindern und von Wehrlosen ganz eindeutig und klar ebenfalls unter Strafe gestellt wird.

Ich darf auch auf die Entschließung E 13 des Nationalrates vom 22. März 2007 betref­fend Maßnahmen zur Verbesserung des Sanktionensystems, insbesondere im Bereich der Sexualdelikte, verweisen. Aufgrund dieser Entschließung evaluieren wir im Justiz­ministerium derzeit die tatsächlich verhängten Strafen und die Entwicklung der Häufig­keit der bedingten Entlassungen von Sexualstraftätern. – Sie wissen, dass die letzte Änderung in diesem Bereich 2004 erfolgt ist. Das heißt, die Zahl der Fälle ist wahrscheinlich noch nicht so hoch, dass man hier wirklich einen generellen Trend erkennen könnte, aber wir arbeiten daran und werden dem Parlament auch Bericht erstatten.

Gemäß dem Regierungsprogramm arbeiten wir auch an der Einstellungsstatistik und an der Rückfallsstatistik, die ich leider nur sehr lückenhaft vorgefunden habe.

Der Nationalrat hat am 3. Mai 2007 die Entschließung E 19 betreffend ein Berufsverbot für Sexualverbrecher gefasst. Aufgrund dieser Entschließung hat das Justizministerium eine sehr umfangreiche Prüfung vorgenommen. Wir haben uns die Rechtslage in diesem Bereich in anderen europäischen Ländern angeschaut und auch schon konkrete Vorschläge erarbeitet, die wir demnächst präsentieren werden.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass es im Zuge einer der Vorlagen, die wir heute hier im Rahmen der Reform des Sanktionenrechts noch behandeln werden, auch zu einer Aufwertung der Begutachtungsstelle für Sexualstraftäter kommt. Diese Begutachtungs­stelle führt derzeit im Rahmen des Strafvollzugs Therapien mit Sexualstraftätern durch. Dort, wo diese Therapien heute stattfinden, gelingt es tatsächlich, die Rückfallsrate drastisch zu senken. – Wir werden diese Begutachtungsstelle generell ausbauen und sie noch viel stärker für Begutachtungen im Zusammenhang auch mit bedingten Entlas­sungen heranziehen.

Nun zum Opferschutz: Wenn Kinder Opfer werden, ist ein effizienter Opferschutz beson­ders wichtig. Auch hier darf ich darauf hinweisen, dass mit der Strafprozess­ordnung, die mit 1. Jänner in Kraft treten wird und deren begleitende Gesetzgebung heute zur Beschlussfassung ansteht, der Opferschutz ab 1. Jänner 2008 weiter ausgebaut wird.

Einige Regelungen darf ich besonders hervorheben: Die schonende Einvernahme des Opfers im Strafverfahren wird erweitert, eine zentrale Koordinationsstelle für Opfer von Straftaten, die telefonisch rund um die Uhr erreichbar ist, steht zur Verfügung, es gibt kostenlose juristische und psychosoziale Prozessbegleitung, es gibt die Möglichkeit


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des Privatbeteiligtenanschlusses im Strafverfahren und neue Informations- und Rechtsmittelmöglichkeiten für Opfer.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ein gutes Opferschutzsystem auch ein wichtiges Präventionsinstrument ist: Gerade Kinder, die Gewaltopfer werden, werden später oft selbst zu Tätern, wenn sie keine gute Betreuung als Opfer erfahren haben.

Wichtige Maßnahmen sehe ich auch im organisatorischen Bereich. Wir werden daher insbesondere bei den größeren Staatsanwaltschaften Sonderzuständigkeiten und Spezialisten einrichten, die sich des Themenbereichs Gewalt in der Familie annehmen.

Wir haben auch – ebenfalls in einer Vorlage, die heute zur Beschlussfassung ansteht – vorgesehen, dass auch in der Aus- und der Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten der gesamte Themenkomplex häusliche Gewalt und Umgang mit den Opfern eine wesentlich höhere Berücksichtigung finden soll, als das bisher der Fall ist.

Es braucht auch Maßnahmen im Zivilrecht: Wir werden im Zivilrecht dafür Sorge tragen, dass auch dort das Opfer das Recht auf juristische und psychosoziale Prozessbegleitung hat. Ein Hinweis aus der Praxis, der sehr wichtig ist und dem wir nachkommen wollen, ist, dass die Wohnanschrift des Opfers geheim gehalten und dem Täter nicht bekannt gegeben wird. Und auch im Zivilprozess wird das Recht auf schonende Einvernahme des Opfers eingeräumt.

Wir wollen betreffend die im Gewaltschutzgesetz geschaffenen einstweiligen Ver­fügun­gen des Familiengerichts die Möglichkeit schaffen, dass dort eine längere Gel­tungs­dauer zum Tragen kommt.

Wir arbeiten an einem Aktionsplan zur Verbesserung der Familiengerichtsbarkeit – ich bin mir dessen bewusst, dass es hier immer wieder zu Klagen kommt. Die Richterinnen und Richter nehmen dieses Thema auch von sich aus sehr aktiv auf und haben sich für ihre Richterwoche 2008 das Thema Familienrecht und Familiengerichtsbarkeit zum Leitthema gemacht.

Nun zum Besuchsrecht und zu den Obsorgeentscheidungen: Sie wissen, dass natür­lich genau in diesem Bereich sehr häufig die Beiziehung von Sachverständigen notwendig ist, das nimmt im Verfahren eine gewisse Zeit in Anspruch. Das Gesetz sieht aber vor, dass es zur vorläufigen Übertragung der Obsorge kommen kann, wenn das für das Kindeswohl notwendig ist.

Zur gemeinsamen Obsorge haben Sie, Herr Abgeordneter, bereits aus der Studie, die im Auftrag des Justizministeriums durchgeführt wurde, zitiert. Die Studie hat das Er­geb­nis gebracht, dass sich in rund 54 Prozent der Fälle die Eltern für die gemeinsame Obsorge nach der Scheidung entscheiden. – Die Erfahrungen sind tatsächlich in der Regel sehr positiv, wir planen daher keine gesetzlichen Änderungen in diesem Bereich. (Abg. Strache: Frau Justizministerin! Auf die anderen Prozent sollte man es auch ausweiten!) – Dazu komme ich schon noch.

Die Evaluierung hat übrigens auch ergeben – das scheint mir ein sehr interessanter Aspekt zu sein –, dass sich die Väter nach der Scheidung oft mehr um die Kinder kümmern als bei aufrechter Ehe. Also auch das sollten wir hier berücksichtigen.

Die gemeinsame Obsorge kommt natürlich ‑ und das ist ja das Hauptthema des heu­tigen Tages – dann nicht in Frage, wenn Gewalt im Spiel ist. Insofern ist auch in Deutschland die gemeinsame Obsorge nicht der absolute Regelfall, sondern sie ist sozusagen mit Einschränkungen versehen. Unsere Regelungen sind dem in ihren Auswirkungen mehr oder weniger ähnlich. (Abg. Strache: Frau Justizministerin! Es ist


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der Regelfall nur dann, wenn nachgewiesen werden kann, ...! Wenn es um Gewalt geht, dann nicht!)

Der Kampf gegen Gewalt an Kindern ist mir tatsächlich ein persönliches Anliegen und ein wichtiger Teil der Regierungsarbeit. Ich darf daran erinnern, dass wir in der Regierung noch zu keinem anderen Thema gemeinsame Aktivitäten gehabt haben, in die drei oder vier Ministerkolleginnen und -kollegen involviert waren.

Ich habe für meinen Zuständigkeitsbereich die angedachten, zum Teil bereits umgesetzten oder in Planung befindlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt an Kindern skizziert und werde auch mit meinen Ressortkollegen das Gespräch zu diesem Thema suchen und weitere gemeinsame Initiativen unterstützen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Weinzinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

 


15.39.07

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Justizministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist mit unserer Gesellschaft los? Es handelt sich hier sicher um ein gesellschaftliches Problem! Ich möchte nicht ausschließen, dass es solche Dinge, die uns heute in so ausführlicher und bedrückender Weise von Klubobmann Strache geschildert wurden, nicht auch schon vor 40, vor 80 Jahren und noch früher gegeben hat, aber sie waren ganz sicher seltener oder sie kamen nicht so an die Öffentlichkeit. (Abg. Riepl: Ich glaube, das stimmt!)

Fest steht jedenfalls, wir sind heute mit diesem Problem konfrontiert, und fest steht, dass wir eine immer größere Zahl von solchen Fällen haben. Und wir tragen Ver­antwortung, sowohl dieses Haus als Parlament der Republik Österreich als auch die – wenn auch nicht von uns gewählte, aber selbstverständlich akzeptierte – Regierung.

Wer ist denn aller involviert in diese Angelegenheit? Wer hat da Verantwortung? – Das Familienministerium; der Name sagt es ja schon. In der Familie leben die Kinder – soweit es überhaupt noch Familien gibt. Ebenso hat da das Gesundheitsministerium Verantwortung; das ist ja zusammengelegt mit dem Familienministerium. Weiters: das Frauenministerium. Mütter sind Frauen, und das Frauenministerium hat sich daher um Angelegenheiten der Frauen zu kümmern. Angelegenheiten der Frauen sind nicht nur Gender Mainstreaming! Überhaupt: welch hässliches Wort! (Beifall bei der FPÖ.)

Angelegenheiten der Frauen sind – in viel größerem Ausmaß als andere Dinge – ihre Probleme als Mutter, oft als allein gelassene Mutter, weil unsere Gesellschaft offen­sichtlich zu einem Teil krank geworden ist.

Das Innenministerium ist da genauso zuständig: um zu überwachen, um festzustellen, um zu erheben, wo beziehungsweise was da falsch läuft.

Ebenso darf ich in diesem Zusammenhang das Justizministerium anführen. Frau Justizministerin Berger hat dankenswerterweise in sehr geraden und sehr offenen Worten die Probleme angesprochen – natürlich aus ideologisch verbrämter Sicht, aber trotzdem durchaus akzeptabel – und, wie man da Abhilfe schaffen kann. – Wir wollen aber, dass hier mehr geschieht.


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Schließlich: Ein Sozialministerium gibt es ja auch noch – und sehr oft handelt es sich hiebei auch um soziale Fälle.

Meine Damen und Herren, diese Ministerien gibt es – und da wiederum nicht nur einen Minister/eine Ministerin, sondern Abteilungen und Unterabteilungen. Überhaupt gibt es viele Stellen, und zwar nicht nur in der Bundeshauptstadt Wien, sondern in jedem Bezirk, überall gibt es hiefür zuständige Organe.

Daher die Frage: Wie kann denn dann so etwas passieren, was wir jetzt schon fast wöchentlich in den Zeitungen lesen müssen?! Wie kann das passieren: Gewalt in der Schule, sodass sich die Lehrer schon fürchten, den Unterricht abzuhalten?! Was ist denn da los?

Gewalthandlungen gehen aber nicht von, wie man früher gesagt hat, 15- oder 16-jährigen Flegeln aus – die hatte man schon im Griff –, sondern jetzt auch schon von acht- und zehnjährigen Kindern. Und da wird es problematisch! Was ist denn da los? Was ist denn da verloren gegangen? – Wohl Achtung und Respekt, eben Achtung und Respekt voreinander. Oder das Pflichtbewusstsein? Lauter Worte, die heute eigentlich sehr oft negativ besetzt sind, obwohl diese Eigenschaften früher selbstverständlich positiv besetzt waren. Aber schon das Wort „früher“ ist ja negativ besetzt. Vielleicht ist das mit ein Grund, dass in unserem Lande so vieles schiefläuft.

Natürlich wird man Maßnahmen setzen müssen, zur Reparatur sozusagen, aber wir werden auch umdenken müssen dahin gehend, wie wir unsere Gesellschaft beein­flussen können, sodass eben wieder Werte wie Respekt, Achtung und Pflichterfüllung hochgehalten werden. Vielleicht können wir das wiederum ein bisschen „zurück­drehen“, dem eine Wendung geben. Und nicht zuletzt ist ja auch dieses Haus hier, das Parlament, mit verantwortlich. Wir sind die Volksvertreter, wie es so schön heißt.

Maßnahmen müssen also jedenfalls gesetzt werden, damit wenigstens noch das Ärgste verhindert werden kann – und dass wir jenen, die anfällig sind in Bezug auf das Setzen von Gewalt, sagen und zeigen: Wir, der Staat, sind nicht bereit, uns das gefallen zu lassen, denn die Kinder sind unser größter Schatz. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind auch nicht bereit dazu, unsere Kinder sozusagen verludern zu lassen; es gibt ja Möglichkeiten, etwas bei auftretenden Problemen zu unternehmen. Ich erwähne jetzt zum Beispiel die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung. Diese Möglichkeit gibt es, und damit hat man ja schon einiges erreicht. Und wir sollten versuchen, das auszuweiten.

In diesem Zusammenhang bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Weinzinger und weiterer Abgeordneter betreffend Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr

„Die meisten Fälle von Kindesmisshandlungen finden traurigerweise in der eigenen Familie statt. Dadurch haben die Eltern beziehungsweise der oder die Täter die Mög­lichkeit, Anzeichen solcher Misshandlungen nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen. Dies erfolgt unter anderem auch dadurch, dass die Kinder über einen längeren Zeitraum nicht von einem Arzt untersucht werden können.

Durch die Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr besteht die Möglichkeit, dass Anzeichen von Kindesmisshandlungen früher entdeckt werden. Um auf die Eltern auch einen gewissen Druck zur Durchführung solcher Untersuchungen auszuüben, ist eine Regelung einzuführen, die die Nichtdurchführung


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solcher Untersuchungen mit einer Verringerung der Familienbeihilfe sanktioniert.“ – Darauf folgt noch eine Stellungnahme der Ärztekammer im schriftlichen Antrag.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzu­legen, welche eine Ausweitung von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr vorsieht und die Nichtdurchführung dieser Untersuchungen mit einer Kürzung der Familienbeihilfe sanktioniert.‘“

*****

Meine Damen und Herren, das wäre vielleicht ein Weg. – Ich bitte um Ihre Zustimmung für diesen Entschließungsantrag. (Beifall bei der FPÖ.)

15.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Weinzinger eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Weinzinger und weiterer Abgeordneter betreffend Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Mißbrauch in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007.

Die meisten Fälle von Kindesmisshandlungen finden trauriger Weise in der eigenen Familie statt. Dadurch haben die Eltern bzw. der oder die Täter die Möglichkeit, An­zeichen solcher Misshandlungen nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen. Dies erfolgt unter anderem auch dadurch, dass die Kinder über einen längeren Zeitraum nicht von einem Arzt untersucht werden können.

Durch die Ausweitung der Mutter-Kind-Pass Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr besteht die Möglichkeit, dass Anzeichen von Kindesmisshandlungen früher entdeckt werden. Um auf die Eltern auch einen gewissen Druck zur Durchführung solcher Untersuchungen auszuüben ist eine Regelung einzuführen, die die Nichtdurchführung solcher Untersuchungen mit einer Verringerung der Familienbeihilfe sanktioniert.

Auch Rudolf Schmitzberger von der Fachgruppe für Kinder- und Jugendheilkunde in der Ärztekammer hat dieses Thema gegenüber der APA am 26. November 2007 ange­sprochen:

„Wenn man etwas gesetzlich ändern wolle, sollte man die Verpflichtung zu Vorsor­geuntersuchungen einführen, betonte der Mediziner. Derzeit gehen viele Kleinkindern nur im ersten Lebensjahr regelmäßig zum Arzt, wenn es gemäß der Mutter-Kind-Pass-Regelung dafür Geld gebe. Bei den Fünfjährigen liege die Untersuchungsquote vergleichsweise nur bei ca. 30 Prozent. Viele sehen über Jahre hinweg also keinen Arzt, der mögliche Anzeichen entdecken könnte.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzu­legen, welche eine Ausweitung von Mutter-Kind-Pass Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr vorsieht und die Nichtdurchführung dieser Untersuchungen mit einer Kürzung der Familienbeihilfe sanktioniert.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl zu Wort. Gewünschte Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


15.46.58

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich war natürlich, wie Sie alle, sehr erschüttert, als diese Fälle von Kindesmisshandlung der letzten Zeit bekannt wurden. Es hat aber natürlich nicht erst der Bilder des misshandelten Luca in den Zeitungen bedurft, dass uns Misshandlungen von Kindern sehr nahegehen.

Die Bilder in den eigenen Köpfen, als wir diese Berichte gelesen haben, waren völlig hinreichend. Wenn man sich nur das Martyrium vor Augen führt, dem so ein kleines, wehrloses Kind über Wochen und Monate ausgesetzt war! Uns allen war und ist klar: Wir wollen nicht länger zuschauen, sondern wollen handeln und Maßnahmen setzen. Da kann ich Ihnen nur recht geben, Herr Kollege Strache: Dieses Anliegen teilen wir, denke ich, alle hier im Hohen Haus. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt auf einmal! Vor drei Wochen war das noch ganz anders! Bei der Dringlichen, da war alles noch in Ordnung: Da brauchen wir nichts tun! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Westenthaler, ich war sehr froh darüber, dass Herr Kollege Strache dieses Thema in einem sehr moderaten Ton hier behandelt hat, und ich meine auch, man sollte da wirklich ohne Polemik auskommen, aber, Herr Kollege Westenthaler, Sie machen mir das nicht leicht, denn auf Ihren Zwischenruf hin muss ich schon darauf aufmerksam machen, dass Ihre Partei sieben Jahre lang in der Bundesregierung gesessen ist, Sie aber diesbezüglich keine Initiativen gesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Strache. – Abg. Ing. Westenthaler: ... minderbemittelt!)

Unsere Justizministerin Berger hat heute einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, hat in sehr verantwortungsvoller Art und Weise die Initiative ergriffen, einerseits im eigenen Hause Maßnahmen zu konzipieren und zu ergreifen – und andererseits auch einen Anstoß zu setzen, eine Initiative zu ergreifen, um da einen sehr notwendigen und umfassenden Prozess, der weit über das Justizressort hinausgehen muss, in Gang zu setzen. Und das alles geschah, Herr Kollege Westenthaler, nicht erst – das muss man auch dazusagen – aus Anlass der jüngsten Fälle (Abg. Ing. Westenthaler: Es muss immer erst etwas passieren, bevor Sie reagieren!), sondern es hat im Rahmen der Vorbereitung zur Familienrechtsreform Arbeitskreise im Justizministerium gegeben, gemeinsam mit dem Familienministerium, wobei sich eine dieser Gruppen mit der Frage beschäftigt hat, wie wir Kinder effizient vor Gewalt schützen können.

Ich bin sehr froh darüber, dass die Frau Bundesministerin heute auch erste Ergebnisse und Überlegungen vorgelegt hat und dass hier nicht erst aufgrund eines bestimmten, sehr tragischen, erschütternden Anlasses gehandelt wurde, sondern aus einem grund-


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sätzlichen politischen Verantwortungsbewusstsein, das unsere Justizministerin zum Glück auszeichnet. Ich denke, das beweist einmal mehr, dass es sehr richtig war, den heutigen Misstrauensantrag gegen Frau Ministerin Berger abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Sicherheit, die Geborgenheit, der Schutz und auch die Förderung unserer Kinder muss im Mittelpunkt unserer gemeinsamen Kraft­anstrengung stehen. Es kann tatsächlich keine Toleranz gegenüber Gewalt an Kindern geben. Es darf kein Wegschauen, kein Augenzwinkern geben, wenn Kinder geschla­gen werden, wenn Kinder misshandelt oder gequält werden. Es ist unsere gemein­same Aufgabe hier im Hause, alles zu tun, was in unserer Macht steht, um derart erschütternde Fälle wie jene, die in den letzten Wochen und Monaten bekannt gewor­den sind, zu verhindern.

Allerdings möchte ich mich – sosehr ich in diesem Fall für eine gemeinsame Kraft­anstrengung bin, das ist überhaupt keine Frage – schon gegen Untertöne, die zum Beispiel im Redebeitrag meines Vorredners durchgeblitzt sind, zur Wehr setzen, zum Beispiel dagegen, in diesem Zusammenhang die besondere Verantwortung der Mütter hervorzustreichen und damit außer Acht zu lassen, dass Frauen sehr häufig die Opfer von häuslicher Gewalt sind. Frauen sind eher sehr selten die Täterinnen, sie sind die Opfer von häuslicher Gewalt. Jetzt aufgrund des letzten Falles hier die Frauen als die schuldige Gruppe hinzustellen, das wäre, nein, das ist eine sehr falsche politische Schlagseite! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Auch der Hinweis auf die sozialen Verhältnisse, auf den Zusammenhang zwischen Schicht und Gewalt (Abg. Strache: Frau Abgeordnete! Aber Täter gibt es in allen Gesell­schaftsbereichen, bei Frauen und bei Männern!) – so einfach wird es leider auch in diesem Fall nicht sein. (Abg. Strache: Täter und Opfer gibt es überall!) Aber das Mengenverhältnis ist sehr unterschiedlich, das werden Sie zugestehen, Herr Kollege Strache. (Abg. Strache: Es gibt leider Täter und Opfer in allen Bereichen!)

Aber was die Frage der sozialen Verhältnisse betrifft, geht Gewalt in Familien leider durch alle Gesellschaftsschichten. Die einen können es nur geschickter verbergen, die anderen weniger. Das Streichen der Familienbeihilfe sozusagen als Strafe in den Raum zu stellen, hat schon implizit offensichtlich diese Überlegung im Hinterkopf, dass man denjenigen, bei denen es mehr passiert, auch mehr wehtun muss. Aber wir sollten uns vor Augen halten, dass geeignete Maßnahmen zu setzen sind, und das geht durch alle Schichten.

Sosehr wir uns darin einig sind, dass Maßnahmen gesetzt werden müssen, sosehr möchte ich trotzdem darauf hinweisen, dass es leider nicht die einfachen Antworten gibt, mit denen wir in die Lage versetzt werden, dieses Problem von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen, auch wenn ich das Bedürfnis danach durchaus verstehe. Aber es wird uns nicht weiterbringen, einfache Schulzuweisungen vorzunehmen und da und dort höhere Strafen zu verlangen. Wir müssen Bedenken sehr ernst nehmen und darauf achten, dass Maßnahmen so gesetzt werden, dass sie nicht dazu führen, dass die Kinder dann in Wirklichkeit noch mehr isoliert werden, noch mehr allein gelas­sen werden und wir noch weniger Gelegenheit bekommen, sie zu schützen und ihnen beizustehen.

Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, einerseits das gesellschaftliche Klima im Auge zu behalten, das wir alle miteinander prägen, wobei es darum geht, ein gesellschaftliches Klima weiter zu gestalten, in dem Gewalt geächtet wird, in dem wir für gewaltfreie Erziehung eintreten. Es beginnt mit der „gesunden Watsche“, die Schwelle sinkt, und in weiterer Folge kann dies zu systematischen Misshandlungen führen.


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Wir müssen einen kooperativen Prozess einleiten, der eine Vernetzung aller beteiligten Institutionen – von den Schulen und Kindergärten über Jugendwohlfahrt und Strafjustiz bis hin zur Polizei und zur Familiengerichtsbarkeit – umschließt, um in klarer Rollen­verteilung eine gemeinsame Kraftanstrengung zu machen und gute Schnittstellen zum Wohle unserer Kinder zu organisieren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer zu Wort. Gewünschte Redezeit: ebenfalls 7 Minuten. – Bitte.

 


15.54.44

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fälle, die uns heute dargelegt wurden, die hier geschildert wurden und die wir auch in den letzten Monaten dort und da in der Zeitung lesen mussten, haben uns zweifellos betroffen gemacht. Es handelt sich bei diesem Thema, das heute zur Diskussion steht, zweifellos auch um ein sensibles, sehr heikles Thema, sicherlich aber eines, dem wir uns zu stellen haben und das auch zum Kernbereich unserer parlamentarischen Arbeit gehört.

Es gehört dies zum Kernbereich unserer parlamentarischen Arbeit, weil die Bevöl­kerung unseres Landes von uns zu Recht Sicherheit erwartet. Sie erwartet von uns zu Recht die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen gesetzlicher Natur, aber natürlich auch effizienter Kontroll- und Betreuungseinrichtungen, um die Sicherheit gewährleisten zu können. Es gehört zum Kerngebiet aber auch deshalb, weil die Schwächsten unserer Gesellschaft, unsere Kinder, unseren Schutz und unsere Hilfe ganz besonders benötigen.

Dennoch ist es ein heikles, ein sensibles Thema, weil es da oft um den Kernbereich der Keimzelle unserer Gesellschaft und unseres Staates, die Familie, geht und weil es uns oft direkt in die Intimsphäre und in die Privatsphäre führt, eine Privatsphäre, deren Schutz auch zu Recht ein wesentliches Gut und ein Grundrecht unserer Gesellschaft darstellen. Es ist auch deswegen ein heikles, ein sensibles Thema, weil es, wie schon erwähnt, verschiedenste Ursachen für Gewalt gegen Kinder, für Gewalt in der Familie, letztlich für sexuelle Gewalt gibt und weil man diese verschiedenen Ursachen auch nicht mit einer einzigen Maßnahme vermeiden und verhindern kann.

Ich möchte aber im Folgenden doch auf die verschiedenen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, kurz eingehen. Zuallererst sei einmal eines ganz klar gesagt – ich glaube, da sollten wir uns einig sein –: Der Schutz der Kinder vor Misshandlung, vor physischer, aber auch vor psychischer Gewalt, vor sexuellem Missbrauch und vor Ausbeutung muss unsere oberste Priorität sein. Gerade weil Kinder und Jugendliche ihren Peinigern oft schutzlos ausgeliefert sind, brauchen sie unseren Schutz ganz besonders, einerseits den Schutz der Gesetze, aber auch den Schutz der Gesellschaft insgesamt. Ich glaube, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, hier entsprechend zu wirken. (Abg. Strache – demonstrativ Beifall spendend –: Jetzt klatsche ich einmal! – Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dementsprechend wurden in den letzten Jahren verstärkt entsprechende Initiativen des Gesetzgebers gesetzt, sehr maßgebend auch von der ÖVP mit geprägt und initiiert, Gesetze überarbeitet und angepasst, vor allem aber auch verschärft. Ich darf hier nur beispielsweise auf das Strafrechtsänderungsgesetz 2003 hinweisen, wodurch gerade im Sexualstrafrecht entsprechende Anpassungen und Maßnahmen vorgesehen wurden – beispielsweise Maßnahmen zu höheren Strafen bei Vergewaltigung, Maß­nahmen zu höheren Strafen gegen Kinderpornographie und gegen Kinderprostitution,


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und auch ein neuer Straftatbestand gegen sexuelle Belästigung geschaffen geworden ist.

Außerdem haben wir von der Österreichische Volkspartei uns gerade in den letzten Monaten besonders dafür stark gemacht, dass die Delikte und Strafdrohungen in diesem Bereich systematisch überprüft werden und allenfalls, sofern notwendig, ent­sprechend angepasst und verschärft werden.

Darüber hinaus sollte uns aber, glaube ich, klar sein, dass der Ruf nach strengeren Strafen allein nicht das Allheilmittel sein wird und die Probleme nicht lösen wird, und zwar schon allein deshalb, weil Strafe immer erst im Nachhinein wirkt, weil sie auf ein Fehlverhalten erst reagiert und weil damit den betroffenen Opfern, den Kindern und Jugendlichen, im Nachhinein nicht mehr geholfen werden kann.

Weitere Maßnahmen müssen wir daher meiner Ansicht nach im Bereich der Infor­mation, aber auch der Organisation von Hilfe, Betreuung und Unterstützung, bei der Beratung und schließlich vor allem auch bei der besseren Vernetzung der ver­schiedensten Informationen, die gesammelt werden, und auch der eingebundenen Organisationen schaffen. Wenn wir uns diese Beispielsfälle ansehen, so ist es ja evident, dass hier Informationen in verschiedensten Organisationen, in verschiedens­ten Bereichen durchaus da waren, dass es Verdachtsfälle und -momente gegeben hat, dass aber oft die Vernetzung nicht vorhanden war, um adäquat auf diese Fälle zu reagieren.

Dementsprechend ist auch eine unserer Hauptforderungen – eine Hauptforderung auch unseres Bundesministers Platter – die Schaffung einer eigenen Sexualstraftäter-Datei, um es unmöglich zu machen, dass Menschen, die schon einmal auffällig, schon einmal in diesem Bereich straffällig wurden und verurteilt worden sind, neuerlich Zugang zu Kindern und Jugendlichen bekommen. Ich hoffe, werte Frau Bundes­minis­terin, dass wir diese wichtigen Vorhaben in den nächsten Monaten zügig umsetzen können. Ich glaube, die Sicherheit der Kinder und der Jugend hat hier oberste Priorität, und daher darf es bei diesem Thema keinen weiteren Aufschub geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber hinaus gibt es aber auch einen gesellschaftlichen Bereich, den wir einerseits als Gesetzgeber mit beeinflussen durch verschiedene Signale, durch verschiedene gesetzliche Maßnahmen, den wir aber auch als Bürger und Bürgerin sowie letztlich als Vorbild mit beeinflussen können. Dazu gehört für mich ein ganz klares Bekenntnis zur Familie und zu Kindern sowie die Schaffung eines positiven und motivierenden Klimas für die Betreuung von Kindern und auch das klare Bekenntnis zum Vorrang der Interessen der Kinder vor allen anderen Interessen unserer Gesellschaft. (Neuerlicher demonstrativer Beifall des Abg. Strache.) – Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammengefasst: Ich glaube, es ist eine wichtige Diskussion, die wir heute Nachmittag führen. Ich glaube – wie schon eingangs erwähnt –, dass diese Fälle uns alle miteinander betroffen machen, und ich hoffe, dass diese Betroffenheit nicht nur dazu dient, politische Diskussionen zu führen, dass diese Betroffenheit nicht nur für Schlagzeilen und für politisches Kleingeld genützt wird, sondern dass wir diese Betroffenheit dazu nützen, gemeinsam und konstruktiv an den notwendigen Maßnahmen zu arbeiten. Das ist die beste Investition in unsere Zukunft. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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16.01.38

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema ist ernst, zu ernst, um Scheinlösungen anzubieten. Die bloße Erhöhung der Strafrahmen ist so eine Scheinlösung. (Abg. Strache: Haben Sie nicht zugehört?) Das verhindert nämlich keinen einzigen Fall. (Abg. Strache: Dass es auch andere Vor­schläge gegeben hat?)

Wie stellen Sie sich das vor, Herr Strache? (Abg. Strache: Haben Sie nicht zugehört?) Ich habe Ihnen zugehört, Sie sagen auch immer das Gleiche. (Abg. Strache: Sie halten jetzt eine vorbereitete Rede und haben mir nicht einmal zugehört!) Wie stellen Sie sich das vor? – Wir haben eine geltende Gesetzeslage, jemand begeht einen Missbrauch, Sie setzen den Strafrahmen in die Höhe, und plötzlich sagt der Peiniger (Abg. Strache: Es ist ja ein Bündel!): Jetzt, wo der Strafrahmen höher ist (Abg. Strache: Wir haben ein Bündel von Vorschlägen!), weil Herr Strache den justizpoli­tischen Ton angibt, werde ich diese Tat nicht begehen! (Abg. Dr. Graf: Die Wieder­holungsgefahr hintanhalten!)

Das ist doch naiv! (Abg. Strache: Wir haben ein Bündel ...!) Das ist Scharlatanerie (Abg. Strache: So ein Nonsens!), weil Sie nämlich Lösungen anbieten, die keine Lösungen sind (Abg. Strache: Das ist so peinlich!), und weil damit ernste Probleme nicht gelöst werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Unglaublich! Das ist schädlich und peinlich, was Sie hier von sich geben!)

Ich sage Ihnen noch etwas darüber, wohin Ihre Maßnahmen führen würden. Die hö­heren Strafrahmen haben nämlich ein großes Risiko. (Abg. Strache: Das ist gut, dass die Grünen wieder unter 10 Prozent kommen werden!) Hören Sie mir zu!

Ein großes Risiko haben die höheren Strafrahmen aus folgendem Grund (Abg. Strache: Das ist gut, wenn die Österreicher zuschauen, wie die Grünen wieder unter 10 Prozent fallen!): 80 Prozent der Straftaten werden im Familienkreis begangen. Wir wissen genau, dass die Neigung der Verwandten, Anzeigen zu erstatten, sinkt, wenn der Strafrahmen steigt – was logisch ist, weil der Vater, der Freund, der Großvater, wer auch immer, länger ins Gefängnis geht. Das ist wissenschaftlich erwiesen. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Daher sind diese Maßnahmen möglicherweise gut gemeint, sie spielen aber indirekt den Tätern in die Hände, weil diese durch solche Maßnahmen geschützt werden. (Abg. Mag. Donnerbauer: Wegschauen nützt den Kindern auch nichts!)

Dennoch ist es unbestritten, dass wir das Ausmaß der Strafen evaluieren müssen. Denn eines ist klar: Diese schweren Delikte sind keine Kavaliersdelikte. Das ist unbe­stritten. (Abg. Mag. Darmann: Evaluieren ist zu wenig!) Aber geben wir uns nicht der naiven Illusion hin – so wie Sie –, dass die reine Erhöhung der Strafrahmen irgend­etwas an der Situation ändert. (Abg. Strache: Das ist ein Teil eines Pakets!)

Höhere Strafen können maximal eine einzige Bedeutung haben, nämlich die, eine klare gesellschaftliche Wertung zum Ausdruck zu bringen: dass wir diese Delikte nicht akzeptieren und tolerieren. (Abg. Strache: Was habe ich denn anderes gesagt?) Daher ist es legitim, wenn wir diese Strafrahmen evaluieren. Aber verkaufen Sie uns das nicht als Maßnahme, die eine einzige Tat verhindert! Wenn Sie das tun, ist das Scharlatanerie.

Ich mache daher einen anderen Vorschlag. Diskutieren wir darüber, ob nicht allenfalls die Deliktsbegehung an Kindern als Erschwerungsgrund gewertet wird; natürlich immer unter der Berücksichtigung des Doppelbestrafungsverbots. (Abg. Strache: Also doch höhere Strafen!) Denn das würde dazu führen, dass bei gleichem Strafrahmen höhere


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Verurteilungen herauskommen (Abg. Strache: Höhere Strafen!), aber der Negativ-Effekt des höheren Strafrahmens und damit des Nicht-Anzeigens vermieden wird.

Anzeigenpflicht: Wir können über eine Anzeigenpflicht diskutieren, aber auch hier bin ich für eine genaue Diskussion. Das Wichtigste ist, dass wir eine lückenlose Melde­pflicht haben. Bei einer Anzeigepflicht besteht immer die Gefahr, dass in gewissen Grenzfällen die Anzeige unterbleibt, weil man sich nicht im Klaren ist: Ist da wirklich etwas passiert? Oder ist das Kind bei einem normalen Haushaltsunfall zu Schaden ge­kommen? (Abg. Dr. Graf: Was ist der Unterschied zwischen Meldung und Anzeige?)

Die lückenlose Meldepflicht garantiert, dass die zuständigen Behörden von diesem Fall Kenntnis erlangen, sich ihn näher anschauen können und dann klar ist, welche Schritte zu setzen sind. (Abg. Dr. Graf: Was ist der Unterschied zwischen Meldung und Anzeige?) Die Gefahr bei einer Anzeigepflicht – wenn Sie das nicht differenzieren – ist, dass solche Fälle nicht aufgegriffen werden, die Behörden daher keine Kenntnis erlangen und auch nicht einschreiten können.

Wenn wir aber eine umfassende und lückenlose Meldepflicht wollen, dann ist es die Grundvoraussetzung dafür, dass dieses Meldesystem funktioniert. Das heißt, wir brauchen eine ausreichende Personalausstattung bei den Jugendämtern. Wir haben ja nichts davon, wenn Fälle gemeldet werden, die dann aufgrund der Aktenberge dort gar nicht mehr weiterbearbeitet werden können, weil es viel zu wenige zuständige Mit­arbeiterInnen gibt. Ich habe mir die Zahlen für Wien angeschaut: Allein in den letzten fünf Jahren ... (Abg. Strache: Habe ich unter anderem gefordert, Herr Kollege!)

Kollege Strache, auch wenn Sie es gesagt haben, werden Sie mir nicht böse sein und darf ich trotzdem erwähnen, dass wir das auch als sinnvolle Maßnahme sehen. (Abg. Strache: Weil Sie vorhin so getan haben, als hätte ich das nicht gefordert!) Es ist selten, dass wir einer Meinung sind; hier sind wir es möglicherweise. Lassen Sie es mich doch aussprechen, und freuen Sie sich darüber, dass wir nicht in 100 Prozent, sondern nur in 75 Prozent aller Fälle nicht einer Meinung sind. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Bin ich froh darüber!)

Ich habe mir diese Zahlen für die letzten fünf Jahre in Wien angeschaut. Die Gefähr­dungsmeldungen sind von 5 000 auf 11 000 gestiegen – was gut ist, denn das heißt, es wird weniger weggeschaut, es wird gehandelt –, aber die Zahl der zuständigen Mitarbeiter bei den Jugendämtern wurde nicht aufgestockt. Deren Anzahl ist genauso niedrig, muss man jetzt sagen, wie 2001. Die logische Folge ist, dass diese Fälle liegen bleiben, nicht weiterbearbeitet werden und damit möglicherweise gefährliche Situa­tionen nicht erkannt werden.

Das ist kein Wien-Spezifikum, das ist in allen anderen Bundesländern gleich. Das heißt, es gilt auch in den Bundesländern, in den Landtagen Druck zu machen, dass die Jugendämter personell ordentlich ausgestattet werden.

Zur Verjährung: Ja, über die Verlängerung der Verjährungsfristen müssen wir dis­kutieren, das müssen wir prüfen. Es kann nicht sein, dass schwerer sexueller Miss­brauch nach zehn Jahren verjährt. Das ist mit Sicherheit zu kurz. (Ruf bei der FPÖ: Nach fünf!) – Je nach Strafhöhe.

Die bedingte Entlassung: Kollege Strache, da sind wir uns wieder uneinig. Die Zahlen, die Sie bei den Rückfällen genannt haben, sind schlichtweg falsch. Die Rückfallsquote liegt – Gott sei Dank, sage ich – nicht bei 98 Prozent, sie liegt bei 10 bis 25 Prozent. Das ist hoch genug, aber es sind 10 bis 25 Prozent.

Wir haben jetzt so viel über die bedingte Entlassung diskutiert, und ich würde Sie bitten: Unterhalten Sie sich einmal mit Ihrem Justizsprecher Fichtenbauer. Wenn man mit ihm unter vier Augen redet, hat er ja ein gewisses Verständnis für dieses Instru-


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mentarium. Denn er ist Rechtsanwalt, er steht in der Praxis, und er kennt die Chancen. (Abg. Strache: Das hängt von den Straftaten ab! Das kann nur an den Straftaten festgemacht werden!)

Setzen Sie sich mit ihm auf einen Kaffee hin, hören Sie sich an, was er sagt. Er wird sprechen ... (Abg. Strache: Er sagt genau das, was die Freiheitliche Partei vertritt!) Ja, ich weiß schon, wenn er dann redet und Sie hier sitzen, redet er anders als im Ausschuss. (Abg. Strache: Er sagt genau das, was die Freiheitlichen vertreten!) Das kennen wir alles: Da wird er sozusagen vorgeschickt, da muss er kläffen. (Abg. Strache: Also, ein Mörder hat nicht entlassen zu werden!) Wenn man im Ausschuss mit ihm unter vier Augen redet, dann klingt er ganz anders, denn dann redet der Praktiker (Abg. Strache: Den möchte ich nicht mehr auf der Straße sehen, den Mörder und den, der sich an Kindern vergreift!) und nicht der Kläffer von Herrn Strache. (Abg. Strache: ... jemals wieder entlassen!)

Ich sage Ihnen etwas zur bedingten Entlassung. Kollege Fichtenbauer wird Ihnen die Systematik gerne erklären. Bei der bedingten Entlassung handelt es sich nicht um eine Strafzumessungsvorschrift, sondern um eine Strafvollstreckungsnorm. Was heißt das? – Ich erkläre es Ihnen gerne. (Abg. Dr. Graf: Hier Fichtenbauer zu nennen, das ist ein Witz!) Nicht das Delikt ist entscheidend, sondern entscheidend für die bedingte Entlassung ist die Frage: Wie verhält sich derjenige im Vollzug, und wie ist seine Rückfallsprognose, wenn er freigelassen wird? – Das ist das zentrale Element, das muss geprüft werden! Denn die bedingte Entlassung ... (Abg. Strache: Der brutale Mörder wird bei Ihnen nach einem Jahr entlassen!)

Nein! Hören Sie zu! (Abg. Strache: Der wird bei Ihnen entlassen! Das ist genau Ihre absurde Einstellung!) Hören Sie zu, ich habe es Ihnen gesagt: Die Prognose seiner Rückfallswahrscheinlichkeit ist das zentrale Element der bedingten Entlassung. Ein gefährlicher Täter wird natürlich nicht entlassen.

Die Vorteile der bedingten Entlassung liegen auf der Hand, deswegen wird der Weg auch von allen gegangen, die justizpolitisch einen Standard fahren: Anreiz, sich einzu­gliedern in der Haft, Anreiz, sich einzugliedern nach der Haft, und Nach­betreu­ungs­möglichkeit durch Weisungen. Das ist auch der Grund, warum bei der bedingten Entlassung die Rückfallsquote deutlich geringer ist.

Es gibt noch zwei Anträge der FPÖ, mit denen man sich beschäftigen muss. (Abg. Strache: Die Rückfallsquote der unbedingt Verurteilten ...!) Das sind wieder solche Irrungen, wodurch vorgegeben wird, dass sich irgendetwas bewegt. (Abg. Strache: 7 600 sind Rückfallstäter, von 9 000!)

Das eine ist die Veröffentlichung der Namen von Tätern im Internet. (Abg. Strache: Und Sie sagen, das geht zurück!) Das ist nichts Neues, es ist schon x-mal diskutiert worden. (Abg. Strache: Das ist absurd! Abseits jeder Realität!) Und wiederum: Alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, weisen darauf hin, dass diese Veröffentlichung nichts bringt, weil diese Stigmatisierung dazu führt, dass wiederum Verwandte die Täter in der Familie nicht anzeigen, weil sie nicht im Internet stehen wollen.

Die chemische Kastration – auch da ist sich die Wissenschaft einig – bringt in 99 Pro­zent aller Fälle nichts, weil der Sexualtrieb mit dem Gewalttrieb einhergeht und dieses Problem durch chemische Kastration nicht gelöst werden kann.

Bezüglich schneller Entscheidung bei Obsorgestreitigkeiten bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich frage mich nur: Warum haben Sie dann das justizpolitische Personal unter Ihrem Justizminister zurückgefahren, sodass es heute eine chronische Unter­besetzung in den Familienabteilungen gibt und die Fälle nicht bewältigt werden kön­nen? (Beifall bei den Grünen.)


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Letzter Punkt – das ist durchaus angeschnitten worden: Schauen wir uns die Ursachen für diese Übergriffe an, und damit nicht gleich wieder ein Geschrei ausbricht: nicht, weil wir Verständnis für die Täter haben, sondern weil es sinnvoll ist, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen, damit man wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen kann.

Es ist schon gesagt worden: Die Gewalt geht durch alle Schichten, aber sie kennt gewisse Risikofaktoren: Beziehungsprobleme, Arbeitslosigkeit beziehungsweise wirt­schaft­liche Probleme, Wohnprobleme, Leistungsdruck und so weiter. Beherzigen wir das, wenn wir andere Gesetze beschließen, wenn wir nachhaltige Politik machen wol­len! Wir sollten das immer mit bedenken, wenn wir in anderen Bereichen Gesetz­gebungsvorhaben diskutieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Darmann zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.11.06

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Werte Zuseher! Herr Kollege Steinhauser, mit dem Beginn Ihrer Rede konnte ich voll und ganz mitgehen. Es ist ein sehr ernstes Thema.

Womit ich mich aber nicht abfinden kann – und das muss ich hier ganz einfach ansprechen, weil mich das schon vor dem Sommer dieses Jahres unheimlich geärgert hat –, ist die Tatsache, dass eine Initiative des BZÖ auf ein Berufsverbot für Sexual­straftäter in der Umgebung von Kindern (Abg. Öllinger: Diskotheken!) von vier Parteien dieses Hohen Hauses ohne Probleme mitgetragen wurde.

Nur die Grünen haben sich in einer Vorbesprechung hier am Gang in einem Wort darauf verständigt, da nicht mitzugehen, und das war „weg“. Das heißt, man wollte mit diesem Thema überhaupt nichts zu tun haben, den Antrag nicht durchlesen, sich mit dieser Thematik nicht beschäftigen.

Jetzt beten Sie uns allen etwas vor, wie wichtig es den Grünen ist, da irgendetwas zu bewegen. Bei uns ist es nicht so gewesen, dass es erst seit Tagen, Wochen oder ein paar Monaten um dieses Thema geht, sondern wir haben auch im Mai dieses Jahres schon einen Antrag gestellt – ganz genau Anfang Mai dieses Jahres. Und was war mit den Grünen? Sie waren nirgends, für nichts zu haben, auch für keine Gespräche. Also bitte halten Sie sich dann mit Ihren Ausführungen hier zurück. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Öllinger auf Abg. Mag. Steinhauser deutend : Im Mai war er noch nicht im Parlament! Das ist ja Traumtänzerei!)

Aber so ernst das Thema ist, ich möchte doch auch der Justizministerin für ihren heutigen Vorstoß danken, ein Maßnahmenpaket für den Kampf gegen die Gewalt gegen Kinder vorzulegen.

Wir wissen ganz genau, dass es auch in Ihren Reihen sicherlich nicht einhellige Zustimmung zu diesem Maßnahmenpaket gibt, das Sie vorgelegt haben. Sie werden es in der SPÖ sicher nicht leicht gehabt haben, aber es ist wichtig und gut, dass auch das Justizministerium diese Notwendigkeit festgestellt hat und unserer lang gehegten Forderung nachgekommen ist, eine allgemeine Anzeigepflicht für alle mit Kindern befassten Berufe in dieser Frage einzufordern.

Das ist ein wichtiger erster Schritt. Die Umsetzung wird von uns mit Argusaugen beobachtet werden, und wir werden auch weitere parlamentarische Initiativen setzen, um es Ihnen auch leichter zu machen, in diesem Bereich auch Ihre Partei mit an Bord holen zu können.


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Weiters positiv zu erwähnen ist Ihr Wunsch nach einer Verschärfung des § 92 StGB, in dem es um Quälen und Vernachlässigen von Kindern und wehrlosen Personen geht. Keine Frage! Wir vom BZÖ haben auch im Antrag 413 vom 17. Oktober 2007 bereits wortwörtlich eine Formulierung für eine Verschärfung dieses § 92 Abs. 1 eingebracht:

„Wer einem anderen, der seiner Fürsorge oder Obhut untersteht und der das acht­zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder Schwachsinns wehrlos ist, körperliche oder seelische Qualen zufügt, ist mit Frei­heitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“

Das war unser Ansatz: ein strengerer Ansatz, eine Strafverschärfung genau in diesem Bereich des § 92, Quälen und Vernachlässigen.

Sie sind gerne eingeladen, diesen Antrag, der bereits seit einiger Zeit im Justiz­ausschuss immer und immer wieder vertagt wird, zu unterstützen. Dann können wir hier gemeinsam an einem weiteren Vorgehen im Sinne der österreichischen Kinder arbeiten. (Abg. Strache: Aber vor allen Dingen auch sexuelle Belästigung von Unter-Sechzehnjährigen!) Sexuelle Belästigung, keine Frage, das ist zu diskutieren, und darüber können wir auch im Ausschuss weiterreden. Aber da bin ich auch schon beim FPÖ-Antrag, der uns hier vorliegt.

Zum Dringlichen Antrag der FPÖ ist festzustellen, dass es natürlich positiv ist, dass die FPÖ sich dem Kampf gegen Misshandlung von Kindern, gegen sexuelle Misshandlung anschließt, obwohl natürlich auch zu sagen ist, dass der Antrag sehr ungenau formuliert ist.

Wir haben am 17. Oktober einen Initiativantrag eingebracht, der wortwörtlich in Para­graphen regelt, wie vorgegangen werden könnte, wenn wir eine Übereinstimmung finden, und wir finden in diesem heute vorliegenden Antrag in sehr ungenauen Formu­lierungen eigentlich grundsätzlich unseren Antrag wieder. Darauf möchte ich in einzel­nen Punkten eingehen.

Im Bereich des Strafrechts fordern Sie die Einführung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Personen, welche mit Unmündigen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleich­zusetzende geschlechtliche Handlung unternehmen.

Ich muss Ihnen sagen, wir haben das viel detaillierter geregelt, aber ich komme bei dieser Formulierung nicht ganz mit, wenn es heißt, eine lebenslange Freiheitsstrafe für Personen, welche mit Unmündigen den Beischlaf vollziehen.

Ist es dann genauso, dass ein mündig Minderjähriger lebenslang eingesperrt wird, wenn er mit unmündigen Minderjährigen den Beischlaf vollzieht? – Dieser Punkt ist da nicht geregelt, das ist aber ein sehr wesentlicher Punkt.

Genauso die Frage des freiwilligen Beischlafes. Es kann heutzutage durchaus vor­kommen, dass eine unmündig Minderjährige – oder auch ein Minderjähriger – mit einem mündig Minderjährigen den Beischlaf freiwillig vollzieht. Die ältere Person wird genauso zu lebenslanger Haft verurteilt, wie wenn diese Person die andere nach vollzogenem Beischlaf ermorden würde.

Das kann nicht der Sinn einer korrekten Regelung in diesem Bereich sein, wenn man mit Ernst an diese Thematik herangeht. (Abg. Broukal: Das haben Sie richtig erkannt, Herr Kollege!)

Der nächster Punkt, den ich erwähnen will und der auch sehr ungenau definiert ist, ist der letzte Punkt Ihres Antrages: „eine unbedingte Anzeigepflicht für alle Personen, die beruflich mit Minderjährigen zu tun haben, wenn ein begründeter Verdacht des physi­schen, sexuellen oder psychischen Missbrauchs besteht und“ – und jetzt kommt’s –


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„Schaffung eines Straftatbestandes der unterlassenen Anzeige für alle Personen, die einer solchen Anzeigepflicht unterliegen.

Wenn man sich genauer mit dieser Materie auseinandersetzt und auf die Formulierung eines Antrags achtet, müsste man draufkommen, dass in der ersten Forderung von Ihnen – eine unbedingte Anzeigepflicht – die zweite – eine Bestrafung bei unterlas­sener Anzeige – bereits inkludiert ist.

Das heißt, Sie haben sich mit diesem Antrag wirklich nur sehr oberflächlich auseinan­dergesetzt, was ich sehr schade finde, da es wirklich eine sehr ernste Materie ist, mit der wir uns alle sehr detailliert auseinandersetzen sollten.

Zum Schluss kommend möchte ich auch noch auf Ihre Forderung eingehen, die Einführung einer bundesweiten und zentralen Kontrollstelle für alle Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in die Wege zu leiten.

Tatsache ist, Jugendwohlfahrt ist Länderkompetenz. Es ist somit überhaupt nicht sinn­voll, eine bundesweite Kontrollstelle einzurichten, denn wer wird denn diese Kontroll­stelle kontrollieren? Wenn, dann kann man nur die Schaffung einer Bundeskompetenz für die Jugendwohlfahrt fordern – das wäre ein korrekter Zugang –, oder eine bundes­weite Koordinierung der Landesjugendwohlfahrtsstellen. Diese Zugänge können wir durchaus diskutieren.

Alles in allem ist natürlich dann zu diesem Antrag zu sagen, dass die Richtung, in die er geht, wirklich eine richtige ist, und wir werden diesen Weg auch unterstützen. Die Umsetzung ist jedoch leider mangelhaft. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

16.18

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die GOG-Bestimmungen, die ich an dieser Stelle nicht näher erläutere. 2 Minuten. – Bitte.

 


16.18.44

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Darmann hat in seinem Redebeitrag behauptet, dass Herr Abgeordneter Steinhauser in einer Sitzung des Ausschusses vom Mai die Vorschläge des BZÖ abgeschmettert hätte. (Abg. Mag. Darmann: Das habe ich nicht gesagt! Das stimmt nicht! Falscher Vorhalt! Abg. Ing. Westenthaler: Falscher Vorhalt! Er hat gesagt „die Grünen“, er hat keinen Namen genannt!)

Das ist unrichtig und kann nur unrichtig sein, weil Herr Abgeordneter Steinhauser zu diesem Zeitpunkt noch nicht Abgeordneter im Parlament war. (Beifall bei den Grü­nen. Abg. Ing. Westenthaler: Das hat er nie gesagt! Das ist schäbig, was Sie da machen! Das ist eine schäbige Vorgangsweise dem Herrn Darmann gegenüber! Aber das ist der Herr Öllinger, der ist halt schäbig! Das ist ein schäbiger Abgeordneter!)

16.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Fichtenbauer. 6 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.19.35

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Steinhauser, hätten wir – sagen wir – mehr als 50 Prozent Zustimmungs- oder Übereinstimmungsquote mit den Grü­nen, dann würden wir Freiheitliche wissen, dass wir einen falschen politischen Weg eingeschlagen haben. (Rufe bei den Grünen: Wir auch!) Das ist daher eine ziemlich klare Geschichte, dass uns Welten trennen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 165

Ich bitte Sie auch, Folgendes nicht zu verwechseln: Es ist sehr ehrenvoll, dass Sie meinen Beruf des Rechtsanwaltes erwähnt haben. Als Rechtsanwalt habe ich die Berufspflicht, für den Mandanten gemäß dem Gesetz alles vorzubringen, was zu seinem Nutzen ist. Das ist gelegentlich und häufig nicht in Übereinstimmung mit den Auffassungen, die ich als politischer Mandatsträger habe.

Das wäre völlig sachfremd, und jeder von Ihnen wird das verstehen. Wenn ich einen Menschen verteidige und den Auftrag habe, ihn möglichst bald aus dem Gefängnis zu bringen, dann werde ich alle sachdienlichen Anträge stellen. Das hat aber gar nichts damit zu tun, dass ich in völligem Einklang mit meiner Fraktion handle und die politischen Inhalte zu diesem heutigen Thema vollinhaltlich solidarisch mittrage und mich dafür ausspreche.

Ich komme nun darauf zu sprechen, was die Frau Bundesministerin gesagt hat, und teile die Auffassung – die auch Lutz Weinzinger hier schon dargelegt hat –, dass das der Beginn eines positiv aufgezeigten Weges ist. Mit aller Klarheit und Deutlichkeit: Es ist allgemein höchste Zeit, dass gegenüber den Tätern die Samthandschuhe aus­gezogen werden! Es muss ganz klar sein, dass Kinderschutz und Opferschutz vor allen anderen Überlegungen Vorrang haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich das interpoliere, was Kollege Steinhauser gesagt hat, dass es sehr gefährlich sei, den Strafrahmen hinaufzusetzen, denn das verhindere das Aufklären, dann wäre ja die logische Alternative dazu, den Strafrahmen auf Null zu stellen, dann käme es zu Aufklärungen vollinhaltlicher Art. – Das können Sie ja nicht gemeint haben. (Abg. Mag. Steinhauser: Nein, das hat keiner gesagt! Angemessen ...!) Ich verstehe, dass Sie das nicht gemeint haben, daher akzeptiere ich auch nicht die Logik dessen, was Sie bezüglich der Strafrahmenhöhe gesagt haben.

Sie haben etwas Richtiges gesagt (Abg. Öllinger: Er sagt nur Richtiges!), und zwar, dass die Höhe des Strafrahmens die Disqualifizierung der Tat im Rahmen des gesell­schaftlichen Auffassungsspektrums darstellt. Schon allein aus diesem Grund ist der Ansatz richtig und wertvoll. Aus der Tatsache der Rechtsanwendung wissen wir, dass es ohnedies äußerst selten zur vollen Ausschöpfung des Strafrahmens kommt. Es muss aber der Rahmen zur Verfügung stehen, und es muss bei verschiedenen Dingen zu einer Anhebung des Mindeststrafsatzes kommen.

Als Nächstes komme ich zu den Entschließungsanträgen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend chemische Kastration von Personen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellst möglich eine Vor­lage zum Strafgesetzbuch zuzuleiten, welche die Möglichkeit einer chemischen Kastration für Personen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden, beinhaltet.“

*****

Der zweite Antrag:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 166

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffent­lichung von Daten von nach § 206 StGB rechtskräftig verurteilten Personen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vor­zulegen, welche die Veröffentlichung im Internet von Vor- und Nachname sowie Geburtsjahr von Personen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden, vorsieht.“

*****

Es kann nicht sein, dass nach den entsetzlichen Dingen, die wir im Zusammenhang mit dem Fall Luca erfahren mussten, wo es ein Zusammenspiel von mehreren strukturellen Defekten im Behördenapparat gibt, zur Tagesordnung übergegangen wird. Es muss eine Vernetzung zusammen mit einer Anzeigepflicht von wahrgenommenen Verlet­zungen von Kindern und unmündigen Minderjährigen eingeführt werden.

Es muss eine Zentralstelle für zusammenzuführenden Informationen geschaffen wer­den. Gegebenenfalls ist daran zu denken, dass von den Bundesländern eine Ver­einba­rung nach § 15a geschlossen wird, um allfällige Zuständigkeitslücken auf Bun­des­ebene zu schließen.

Letzter Punkt im Zusammenhang mit den Vorkommnissen mit Kindern, die wegen Vernachlässigung durch die Mutter ein Skandal geworden sind, weil jahrelang über den Besuchsrechtsantrag beziehungsweise über den Obsorgeantrag des Vaters nicht entschieden worden ist. Ich wiederhole das, was ich schon zweimal gefordert habe. – Wir werden dazu wahrscheinlich auch einen Initiativantrag einbringen.

Frau Bundesminister, es muss Schluss sein mit den jahrelangen Nicht-Entscheidungen bei Streitigkeiten über Obsorgerecht und Besuchsrecht! (Beifall bei der FPÖ.)

Es muss eine unbedingte Entscheidungspflicht binnen sechs Monaten ab Antrag in erster Instanz und binnen drei Monaten in zweiter Instanz herbeigeführt werden, denn das lange Hinauszögern und das lange Nicht-Entscheiden ist ein Teil des Spektrums des gesamten Skandalwesens, das wir im Bereich dieses Unterhalts- oder Kindes­fürsorgerechtes festzustellen haben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

16.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die beiden Entschließungsanträge, die Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer eingebracht hat, sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Strache und weiterer Abgeordneter betreffend chemische Kastration von Personen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Mißbrauch in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007.

Die chemische Kastration ist ein hormoneller Eingriff, welcher zu einer vorüber­ge­henden Neutralisation des Sexualtriebes führt. Dabei wird dem Körper ein Androgen-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 167

Antagonist zugeführt, welcher die körpereigenen Sexualhormone, hauptsächlich das Testosteron, hemmt. Diese intermittierende Hormonblockade (IHB) wird nach Absetzen des Präparates wieder aufgehoben. Die chemische Kastration bei Männern wird mit Cyproteronacetat durchgeführt. Das Präparat kann intravenös verabreicht werden, was den Vorteil hätte, die betroffenen Täter regelmäßig dem behandelnden Arzt vorzu­stellen und dabei eventuelle Veränderungen oder Auffälligkeiten zu bemerken. Nach Absetzen des Präparates dauert es ungefähr ein halbes Jahr, bis die Potenz zurück­kehrt.

Da es sich nicht um einen Eingriff mit bleibendem Effekt handelt, darf diese Form im Bereich des Strafrechtes angewandt werden. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist die chemische Kastration allerdings nur mit Zustimmung der Täter möglich. Zum anderen gibt es derzeit keine Möglichkeit, entlassene Häftlinge über die Bewährungsfrist hinaus zu behandeln.

Gerade dieser Täterkreis muss aber sinnvollerweise unter ständiger Behandlung stehen. Daher ist es notwendig die gesetzlichen Rahmenbedingungen soweit zu verändern, dass Sexualstraftäter lebenslänglich unter Beobachtung und in Behandlung stehen, vor allem in Hinblick darauf, dass die Wirkung der triebdämpfenden Medika­mente durch verschiedene Gegenmaßnahmen wie Alkoholkonsum, Einnahme stimu­lierender Suchtmittel wie Kokain und auch hoch dosierter männlicher Sexualhormone ganz oder teilweise wieder aufgehoben werden kann.

Gerade einschlägig Verurteilte, die aus der Haft entlassen wurden, stellen oftmals ein unkalkulierbares Risiko dar und müssen behandelt werden, weil der sonst bei anderen Deliktstypen mögliche Resozialisierungsvorgang vom Ansatz her beim Sexualstraf­täter­kreis, insbesondere bei Kinderschändern, nicht greift.

Die diesbezüglichen kriminologischen Erkenntnisse sind hinlänglich gesichert (und auch publiziert) und zeigen klar auf, dass bei dem spezifisch angesprochenen Deliquenztypus es nur durch einen chemisch-hormonellen Eingriff möglich ist, die triebgesteuerte Rückfälligkeit hintanzuhalten bzw. zu beseitigen.

Dahingehend ist es notwendig, eine Gesetzesänderung herbeizuführen, die es ermöglicht, dass der Eingriff der chemischen Kastration für Kinderschänder und andere Sexualstraftäter auch ohne deren Zustimmung durchgeführt werden kann und, dass eine solche chemische Kastration dauerhaft durchzuführen ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellst möglich eine Vorlage zum Strafgesetzbuch zuzuleiten, welche die Möglichkeit einer chemischen Kastration für Personen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden, beinhaltet.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer und weiterer Abgeordneter betreffend Veröffent­lichung von Daten von nach § 206 StGB rechtskräftig verurteilten Personen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 168

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Mißbrauch in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007.

Da Kinder das höchst zu schätzende Gut einer Gesellschaft sind, ist gegen Personen, die mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleich­zusetzende geschlechtliche Handlung unternehmen, mit größter Härte vorzugehen.

Als weitere generalpräventive Komponente der Bestrafung sollen deshalb die Daten von jenen Personen, welche nach § 206 StGB rechtskräftig verurteilt wurden im Internet veröffentlicht werden.

Dies soll nicht zuletzt auch dem Schutz weiterer potentieller Opfer dienen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, welche die Veröffentlichung im Internet von Vor- und Nachname sowie Geburtsjahr von Personen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden, vorsieht.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Jarolim. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.25.53

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist wohltuend, dass wir zu diesem doch sehr emotiona­lisierenden Thema mit einer kleinen Ausnahme diesen Diskussionsstil gefunden haben, den wir bis jetzt hier einhalten. (Abg. Öllinger: Bitte, was sind die Ausnahmen? Das möchte ich schon wissen!)

Ich kann nur an Sie appellieren, das auch so fortsetzen und uns auch darauf zu verständigen, diese Thematik und damit letztlich auch Kinder und Jugendliche nicht dazu zu missbrauchen, in der Öffentlichkeit politisches Kleingeld zu schlagen. Daher darf ich Ihnen ausdrücklich für die sachliche Diskussion danken.

Es ist natürlich so, dass sich niemand hier im Haus – keiner von uns, das ist ja schon mehrfach vorgetragen worden – wünschen kann, dass man Kindern und Jugendlichen Gewalt antut, und dass jeder wirklich alles daran setzt, das zu verhindern. Insofern ist auch der Hinweis oder der Vorwurf, der in der Vergangenheit öfter gemacht worden ist, manche könnten durchaus damit kokettieren, fehl am Platz und heute weitestgehend nicht mehr in Diskussion.

Es ist natürlich eine sehr komplexe Situation: Wie kann man wirklich Nachhaltigkeit auch in der Gewaltbekämpfung umsetzen und durchsetzen, und wie kann man die Komplexität der gesamten Themenstellung einbringen? Wir haben da mehr oder weniger die Frage „Sicherheit vor dem Elternhaus“ – unter Anführungszeichen; Kollege Donnerbauer hat das ja dargelegt – zum Diskussionsthema.

Das ist ja etwas, was man sich in dieser Ausdrücklichkeit gar nicht wirklich vorstellen kann. Das ist ja eigentlich die Unglaublichkeit an der Situation, aber es ist das, worum es da geht. Das heißt, es gibt da auch nicht die Öffentlichkeit wie sonst, sondern es


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gibt einen eingeschränkten Rahmen jener, die diese Gewalttaten oder deren Aus­wirkungen sehen und beobachten können und damit auch die Gesellschaft aufmerk­sam machen oder die Hilfsmittel der Gesellschaft aktivieren können – wie auch immer man das nennen will, ob man das jetzt „anzeigen“ nennt oder „herbeiführen einer Reaktion des Staates“. Da gilt es, die – wissenschaftlich und empirisch – bestmög­lichen Ansätze zu finden.

Wir waren in der Vergangenheit einmal mit der Tatsache befasst, dass die Angst der Verletzten und des näheren Umfeldes davor, dass der Verletzer jetzt eine größere Strafe ausfasst, immer wieder Maßgabe dafür war, sehr zurückhaltend zu sein und die Dinge nicht auf den Tisch zu legen, was natürlich nicht Sinn der Sache ist.

Frau Bundesminister Berger hat heute in ihrem Paket, das sie vorgestellt hat, auch umfassend dargelegt, dass die Struktur, die der Staat anbieten muss, um diese Gewalt zu verhindern, massiv geändert werden soll. Das ist sehr wichtig, denn wir haben ja schon gesagt: Es ist eine Querschnittmaterie, die nicht nur die Justiz betrifft, sondern viele andere Bereiche auch, und entsprechend muss das ausschauen.

Wenn wir jetzt gehört haben, dass daran gedacht ist, Spezialstaatsanwaltschaften einzurichten, so bedeutet das eigentlich, dass wir solche Konzepte brauchen, wie wir sie ja in der Vergangenheit etwa im Bereich des Jugendgerichtshofes gehabt haben, wo verschiedenste Professionen sehr stark miteinander verschränkt und bereichs­übergreifend zusammengearbeitet und wirklich effizient Verbesserungen herbeigeführt und Gewalt abgebaut haben.

Dadurch wurden die Zukunftschancen der Betroffenen verbessert und damit auch das Gewaltpotential in der Öffentlichkeit gesenkt. Das ist genau der Punkt, und ich kann der Frau Minister nur dazu gratulieren, dass wir diesen Weg gegangen sind bezie­hungs­weise gehen werden, und die Reaktionen zeigen ja auch, dass Unterstützung vorliegt.

Um hier noch ein paar konkrete Punkte anzusprechen: Über die Frage der Verjährung kann man sicherlich und muss man auch reden. Es kann jedenfalls nicht so sein, dass Verjährungen einsetzen, bevor das jeweilige Opfer die Volljährigkeit erreicht hat, bevor es also selbst reagieren kann. Das hatten wir schon in einzelnen Fällen. Wir werden das auch hier zu diskutieren haben.

Medikation und Behandlungen, um gewisse Neigungen abbauen zu können, sind derzeit auch in Diskussion. Es ist das natürlich eine Thematik, bei der zwischen sexuellen und Gewaltneigungen zu unterscheiden ist. Insofern können wir das auch nicht diskutieren, ohne die Wissenschaft einzubeziehen. Auch in diesem Punkt kann es jedoch durchaus effiziente Verbesserungen geben.

Wichtig ist, dass man erkennt, dass auf der einen Seite ein gesellschaftliches Signal gegeben werden kann, indem der Unwert dieser Handlungen dargestellt wird. Es muss uns allen auf der anderen Seite aber auch klar sein, dass man es dabei nicht belassen kann, sondern man muss hier wirklich diese unterschiedlichen Maßnahmen effizient zum Einsatz bringen und ununterbrochen einer Qualitätskontrolle unterziehen.

Die Jugendwohlfahrt auszubauen und dabei auch ein Selbstverständnis herzustellen, dass die Fälle, die stattgefunden haben, sich nicht mehr wiederholen dürfen, gehört ebenfalls dazu. Es darf natürlich nicht so sein, dass man in Kenntnis von ausgeübter Gewalt mehr oder weniger nur in der Hoffnung, dass so etwas nicht mehr passieren wird, nichts tut.

Ich meine also, dass wir auf einem guten Weg sind, mit diesen Dingen rational und vernünftig umzugehen, empirische Forschung mit einzubeziehen, um die Dinge zu


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 170

verbessern, und es nicht für tagespolitische populistische Ansätze zu missbrauchen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schit­tenhelm zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.32.17

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! „Ich bin nicht dumm! Hör mir zu! Schrei mich nicht an! Tu mir nicht weh! Bitte, gib mir deine Hand!“ – Diese und ähnliche Bitten und Wünsche haben Kinder bei einem Workshop der Niederösterreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaft zum Thema Kinderrechte auf Postkarten geschrieben. Mitt­lerweile sind diese Bitten und Wünsche Grundlage und neben der UN-Konvention Arbeitsgrundlage für unsere Kinder- und Jugendanwaltschaft in Niederösterreich. Regelmäßig werden Veranstaltungen in verschiedensten Einrichtungen, Kindergärten und Schulen durchgeführt, denn die Kinder sollen gehört werden.

Der Bericht der Jugendanwaltschaft dokumentiert ganz klar, worum es eigentlich geht. Um überhaupt präventiv tätig werden zu können, müssen wir den Kindern die Angst nehmen. Sie haben Angst! Sie haben Angst, schuld zu sein, dass die Ehe der Eltern auseinandergeht. Sie haben Angst, schuld zu sein, dass Vater oder Mutter das gemeinsame Haus verlassen. Sie haben irrsinnige Angst, dass ihnen irgendetwas passiert, dass sie geschlagen werden, wenn sie das sagen, was sie eigentlich sagen wollen. Sie fürchten sich ganz einfach, nicht nur weil es finster ist und das Licht ausgeschaltet wird, sie fürchten sich vor ihrer unmittelbaren menschlichen Umgebung.

Daher ist es die erste und wichtigste Aufgabe dieser Institution, die es Gott sei Dank in unserem Land gibt und noch mehr geben sollte, das Vertrauen der Kinder zu gewin­nen, um ihre Arbeit auf diesen Grundfesten aufbauen zu können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir brauchen das Vertrauen der Kinder. Wir brauchen aber auch Frauen und Männer, die die Signale, die Symptome verstehen. Die Kinder senden stündlich, minütlich Signale aus, und manche sensible Menschen, BetreuerInnen, PädagogInnen, Leh­rerIn­nen, KindergärtnerInnen und auch in den Wohlfahrtseinrichtungen tätige Frauen und Männer spüren das – viele aber auch nicht. Und genau diese Signale gilt es nicht nur zu hören und aufzugreifen, sondern es geht auch darum, sich darum zu kümmern und die Probleme einer Lösung zuzuführen.

Ich fordere hier mehr Eigenverantwortung dieser Personengruppen ein, mehr Eigen­verantwortung im Schulbereich, im Kindergartenbereich, auch in der Ärzteschaft, also eben nicht nur hinzuschauen und festzustellen, dass da etwas passiert ist, sondern auch tätig zu werden. (Abg. Mandak: Mehr Zeit!) – Mehr Zeit, selbstverständlich, das ist der Punkt! Zeit für unsere Kinder.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Faktum ist, dass es trotz fortschreitender Sensibilisierung hinsichtlich des Delikts Gewalt und vor allem sexuelle Gewalt an Kindern, was mir besonders am Herzen liegt, nach wie vor eine Dunkelziffer an Fällen von geschätzten 10 000 aufwärts gibt. Das ist nicht verifizierbar, nicht wirklich nach­prüfbar.

Das Erschreckende und Erschütternde ist natürlich – das wurde heute schon gesagt –, dass der Ort dieser schrecklichen Taten, dieser unvorstellbaren Verbrechen in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis liegt. Es kommt Weihnachten, meine Damen und Herren. Ich will nicht sagen, fürchten wir uns davor, aber seien wir wachsam! Jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder sechste bis achte Bub unter


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14 Jahren ist von sexueller Gewalt betroffen. Es ist beschämend! Und die Kinder sind zu Beginn des Missbrauchs zwischen sechs und zwölf Jahre alt.

Meine Damen und Herren, was glauben Sie, welche Altersgruppe an der zweiten Stelle dieser grauslichen Liste der sexuell missbrauchten Kinder positioniert ist? An zweiter Stelle! – Es sind jene zwischen null und sechs Jahren, Babys, die nicht einmal krabbeln können, Kleinkinder, die man wickeln muss, Kinder, die man an der Hand nimmt, damit sie sicher über die Straße kommen, werden sexuell missbraucht. Und dabei geht es nicht um Kinder, die irgendwo in einer nicht zivilisierten Welt leben. Das sind nicht Kinder von irgendwoher, das sind unsere Kinder, unsere Enkelkinder hier in einem hoch zivilisierten Land wie Österreich. Und das passiert tagtäglich!

Es ist Zeit, dass wir nicht nur nicht wegschauen, sondern tätig werden. Und ich bin sehr dankbar, sehr geehrte Frau Bundesminister, dass Sie heute einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorgestellt haben, und ich hoffe sehr, dass diese Maßnahmen auch rasch, unverzüglich und effizient zum Tragen kommen. Wir brauchen verstärkten Opferschutz und nicht Täterschutz. Es ist ein Verbrechen, und so ist es auch zu behandeln. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste kommt Frau Abgeordnete Zwer­schitz zu Wort. 7 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.37.16

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin meiner Vorrednerin sehr dankbar für diese emotionale Rede, in der es um Kinderrechte geht, in der es darum geht, dass wir Kinder mehr beachten müssen, dass wir Prä­ventionsmaßnahmen setzen müssen. Wer, bitte schön, hat denn bei all den dafür vorgesehenen Einrichtungen eingespart? Wer hat denn unter Schwarz-Blau all diese Einrichtungen so ausgedünnt, dass es nur mehr ganz wenige Menschen gibt, die sich um Präventionsarbeit kümmern können? Wer hat an der Kinderpsychologie herum­gespart, weil wir ja unbedingt sparen müssen, weil das ja nicht so wichtig ist, bis es das nächste Mal in der Zeitung steht?

Es tut mir sehr leid, aber auf der einen Seite derartige emotionale Ausbrüche zu äußern und auf der anderen Seite den SozialarbeiterInnen und den zuständigen Stel­len das Geld wegzunehmen und ihnen nur derartig wenig Ressourcen zur Verfügung stellen, das passt nicht zusammen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neugebauer: Hauptsache man hat wieder einen Schuldigen!)

Wir haben im Jahr 2001 die generelle Anzeigepflicht abgeschafft, weil das Wichtigste ist, dass es den Kindern gut geht. Unsere Hauptsorge muss den Kindern gelten, und zahlreiche Fachleute haben gesagt, dass die generelle Anzeigepflicht dazu führen kann, dass Kinder, die Verletzungen haben, liegen bleiben, weil die Väter oder Mütter Angst haben, sie ins Spital zu bringen, weil die ärztliche Versorgung automatisch zu einer Anzeige führen würde. Daher wird eine generelle Anzeigepflicht nicht alle Prob­leme lösen. Damit machen wir es uns zu einfach, und ich denke, wir sollten uns auf den Rat der Fachleute unbedingt verlassen. Es ist für die Kinder eben nicht immer von Vorteil.

Es braucht auch entsprechend ausgebildete psychologische Fachkräfte, um die Kinder nach dem Hergang zu befragen und danach, wie es ihnen geht, um dann wirklich fundiert mit diesen Kindern arbeiten und etwas machen zu können.

Es ist immer die Frage, wo man ansetzt. Setzt man an, wenn die Tat schon passiert ist? Führen wir Strafen ein? – Strafen sind anscheinend kein sonderlich wirksames


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 172

Mittel, sonst würden ja viele Straftaten, für die es hohe Strafen gibt, nicht mehr passieren. Strafen kommen zu spät.

Ich möchte lieber dort ansetzen, wo wir etwas dafür tun können, dass weniger Fälle passieren, dass es überhaupt nicht so weit kommt. Ansetzen können wir beim Jugend­wohlfahrtsgesetz, das in der Ministerialvorlage keine besondere weitere inhaltliche Entwicklung geboten hat, bei einem Jugendwohlfahrtsgesetz, in dem wir den Kindern und Jugendlichen das Recht geben, sich an die Behörde zu wenden.

Wir sollten Kindern Möglichkeiten eröffnen, überhaupt über ihre Möglichkeiten Be­scheid zu wissen, indem wir auch an den Schulen möglichst viele SozialarbeiterInnen installieren, um Ansprechpersonen zu bieten, indem wir Elternbildung anbieten, indem wir alle möglichen sozialen Angebote ausbauen und Eltern die Chance geben, sich an die SozialarbeiterInnen zu wenden, bevor es zu spät ist, wenn sie das Gefühl haben, dass sie mit der Situation nicht fertig werden. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt und hier sind wir auch verpflichtet, etwas zu ändern. (Beifall bei den Grünen.)

Die Jugendwohlfahrtsbehörde hat ein breites Set von Handlungsmöglichkeiten, hat zahlreiche Möglichkeiten, wie sie eingreifen und was sie tun kann. Die MitarbeiterInnen gehören entsprechend gut ausgebildet, um ganz genau zu wissen, welche Möglich­keiten sie haben, und die persönliche Situation des betroffenen Kindes oder auch der betroffenen Familie sehr gut einschätzen zu können. Sie braucht aber vor allem auch dringend Ressourcen und Zeit, um sich damit beschäftigen zu können.

Wenn man sich den Jugendwohlfahrtsbericht 2006 anschaut, sieht man, womit die Behörden in der Zwischenzeit zu tun haben, wodurch sie überlastet werden: Obsorge­betrauung, Pflegekinder, Unterstützung der Erziehung, Vaterschaftsanerkenntnisse, Abstammungsprozesse, Exekutionsverfahren, Strafanzeigen wegen Unterhaltsverlet­zung, Maßnahmen wegen Gefahr in Verzug, Befragung des Jugendwohlfahrtsträgers, Befragung von Minderjährigen, Jugendgerichtserhebung, Jugendgerichtshilfe, Adop­tions­ver­mitt­lung, die Volljährigkeit verlängernde Maßnahmen. Ein riesiger Katalog! Und was bringen diese vielen Aufgaben? – Sie bringen Überlastungen, sie bringen Über­arbeitungen, sie bringen Notfallmaßnahmen, weil nichts anderes mehr möglich ist, und sie bringen teilweise auch schlechte Entscheidungen aus Zeitnot. Da können wir ansetzen, hier können wir etwas tun!

Und wir können noch etwas tun. Eine ganz wichtige Maßnahme, die wir hier bereits beschlossen haben, war, die ärztlichen Untersuchungen auch für die Kinder zu beschließen, die nicht in der Schule sind, die im häuslichen Unterricht sind.

Es gibt aber noch eine Lücke für die Kinder. Es gibt diese Lücke zwischen den Untersuchungen, die im Mutter-Kind-Pass vorgesehen sind, und den Untersuchungen in der Schulzeit. Genau diese Lücke können wir schließen. Dadurch kann viel erkannt werden, dadurch haben ÄrztInnen die Möglichkeit, Übergriffe, die Notwendigkeit von Maßnahmen et cetera zu erkennen.

Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Zwerschitz, Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende ärztliche Untersuchungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Lücke bei den ärztlichen Untersuchungen in der Zeit zwischen den Mutter-Kind-Pass-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 173

Untersuchungen und den schulärztlichen Untersuchungen zu schließen und eine flächendeckende jährliche Untersuchung aller Kinder zu gewährleisten.

*****

Das ist eine sinnvolle Maßnahme, hier können wir ansetzen, und ich würde Sie herzlichen bitten, diese Maßnahme auch zu unterstützen.

Was mich allerdings noch besonders betrübt, und das möchte ich hier nicht unerwähnt lassen: Ich finde es äußerst interessant, dass, wenn wir über ein Thema, das sehr diffizil ist, das sehr schwierig ist, das alle von uns sehr betroffen macht, diskutieren der Klubobmann der FPÖ, die diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht hat, nicht im Saal sitzt, weil es ihm offenbar nicht so wichtig ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Bösch: Wo ist denn Ihr Klubobmann?) – Das ist aber nicht der Dringlichkeitsantrag der Grünen. Es tut mir leid! Wenn wir einen haben, dann ist er garantiert da. (Abg. Dr. Bösch: Ich weiß nicht, ob das wirklich immer so war!)

16.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Zwerschitz, Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende ärztliche Untersuchungen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Missbrauch

Begründung:

Derzeit werden alle schulpflichtigen Kinder jährlich untersucht, was eine wesentliche Präventionsmaßnahme darstellt, da sich dadurch ÄrztInnen jährlich ein Bild vom gesundheitlichen Zustand der Kinder machen können.

Offensichtliche Misshandlungen können auch in der Zeit erkannt werden, in der der Mutter-Kind-Pass zahlreiche ärztliche Untersuchungen vorsieht.

In der Zeit dazwischen gibt es allerdings eine große Lücke, die mehrere Jahre beträgt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Lücke bei den ärztlichen Untersuchungen in der Zeit zwischen den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und den schulärztlichen Untersuchungen zu schließen und eine flächendeckende jährliche Untersuchung aller Kinder zu gewährleisten.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement zu Wort. 6 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 174

16.43.57

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Unser Antrag zum Schutz der Kinder betrifft vor allem auch die gemeinsame Obsorge beider Elternteile. Geschiedene Väter stehen oft vor dem Problem, dass ihnen die Kinder jahrelang vorenthalten werden, und die Gerichte ar­beiten in diesen Besuchsrechtsangelegenheiten sehr, sehr träge. Nur in den seltensten Fällen kommt es überhaupt zur Anwendung von Zwangsmitteln.

Die gerichtlichen Entscheidungen ziehen sich oft in skandalöser Weise über mehrere Jahre hin. Hier kommt auch ein Punkt zum Tragen, der ganz wesentlich ist, nämlich das Verhalten der Gutachter. Gutachter werden in vielen Fällen nicht ihrer Verant­wortung gerecht. Frau Minister! Es gibt einen Wahrnehmungsbericht der Rechts­anwaltskammer Salzburg, in dem Gutachtern Befangenheit vorgeworfen wird und Gutachter ganz schlecht wegkommen. Die Gutachten seien oft gesteuert, manipuliert und gäben nicht den Inhalt des Gesagten wieder. Das ist ein massiver Vorwurf der Rechtsanwaltskammer.

Gestern wurde mir ein Fall bekannt, in dem eine bekannte Wiener Gutachterin Gesprächsprotokolle gefälscht hat. Diese Gutachterin entscheidet in der Regel in 15 Minuten über das Wohl und die Zukunft der Kinder und oft auch der betroffenen Väter.

Es wird also dem Recht der Kinder auf beide Elternteile nicht entsprochen und offenbar von Seiten der Gutachter vieles falsch gemacht. Ich bitte Sie, diese Probleme aufzu­greifen.

Ein großes Problem der Verschleppung von Obsorgeverfahren ist natürlich die Ent­fremdung von Elternteilen und Kindern. Durch diese Entfremdung und jahrelange Trennung kommt es zu einer Traumatisierung, und oft sind diese Kinder später auch selbst völlig unfähig, Beziehungen aufzubauen. Ich spreche da eindeutig von einer psychischen Misshandlung von Kindern.

Es ist eine große Zahl, die das betrifft: Wir reden von ungefähr 20 000 Ehescheidungen pro Jahr und damit auch von einer Zahl von ungefähr 20 000 Kindern, die das jährlich betrifft. Man kann also davon ausgehen, dass hier wirklich eine Riesenproblematik vorliegt.

Wenn ich aus dem „Deutschen Ärzteblatt“ Jahrgang 2006 zitiere, in dem steht: „Viele psychische Erkrankungen haben ihren Ursprung in der Kindheit und vor allem negative Bindungserfahrungen hinterlassen im adulten Gehirn eine ,Stressnarbe‘“, dann kann man wohl davon sprechen, dass dieser Antrag zur gemeinsamen Obsorge sicherlich sehr berechtigt ist, denn es gibt hier Folgewirkungen, die in sehr früher Kindheit beginnen. Wir sprechen heute also nicht nur von körperlicher Gewalt, wir sprechen natürlich auch von psychischer Gewalt.

Die positiven Auswirkungen des gemeinsamen Obsorgerechtes sind behandelt wor­den, und wir müssen davon ausgehen, dass diese Evaluierung gut war, dass wir diese Schritte weiterführen müssen, um den Kindern auch nach der Scheidung beide Elternteile zugänglich zu machen.

Ein weiterer Punkt, der auch die psychischen Misshandlungen anbelangt, ist die Frage der Kinderkrippen. Landauf, landab wird ja immer ein Loblied auf die Kinderkrippen gesungen, und die Frage ist, ob zu Recht oder nicht zu Recht. Psychiater melden oft Zweifel an dieser Fremdbetreuung und an dieser Krippeneuphorie an, die landauf, landab herrscht. (Abg. Rudas: Welche? Nennen Sie mir einen!) Das Interessante ist, dass das Die-Kinder-ein-paar-Tage-in-der-Woche-Weggeben schon fast der Regelfall ist. Über eine Fragestellung liest man so gut wie nie: Ist es wirklich gut, wenn kleine


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 175

Kinder, Babys oftmals fremdbetreut werden, oder schadet es? Und finden die Kinder diese Krippen gut? (Abg. Rudas: Nennen Sie doch Experten, nennen Sie doch einmal Namen!)

„Es ist hundertmal besser, sich einzuschränken und beim Kind zu bleiben“, sagt die Schweizer Psychologin Büchli. Eine weitere interessante Analyse stammt von einer Psychoanalytikerin aus Hamburg, Frau Ann Kathrin Scheerer, um Namen zu nennen. In der ehemaligen DDR sind viele Kinder von ihren Eltern weggebracht worden, ihnen bewusst entfremdet worden. Aus dieser Forschung über die Trennung von den Eltern ist als Resultat herausgekommen, dass sehr viel an Urvertrauen nicht aufgebaut werden konnte, das nötig gewesen wäre und das sicherlich besser aufgebaut werden kann, wenn eine gute Obsorge durch beide Eltern und vor allem die Mutter in den ersten paar Jahren gegeben ist.

Ein weiterer Punkt, der ganz interessant ist, ist Homosexualität und Pädophilie. Dieser Punkt ist heute überhaupt nicht behandelt worden. Ich komme wieder auf eine Studie über „Kirche und Pädophilie“ aus dem Jahre 2002 zurück und zitiere daraus:

„Homosexualität und Pädophilie sind zu unterscheiden. Nicht jeder Homosexuelle ist ipso facto pädophil oder ein potentieller Kinderschänder. Dennoch gibt es Gemein­samkeiten der beiden Störungen der geschlechtlichen Orientierung – und gemessen an dem Plan Gottes mit Mann und Frau (...) ist jede sexuelle Neigung zu jemand (...) anderem als einem gegen-geschlechtlichen Partner eine mehr oder weniger starke und (...) gefährliche ,Störung‘“ (Abg. Hradecsni: Das ist doch überhaupt nicht wahr!):

„Pädophilie ist nicht genetisch bedingt, sondern geht auf Verwundungen in der Kindheit und Beziehungs-Störungen zurück.“ (Abg. Hradecsni: Das ist doch überhaupt nicht wahr!) „Ähnlich wie die homosexuelle Neigung kann auch Pädophilie geheilt werden. Wie bei organischen Krankheiten gilt freilich: Heilbarkeit heißt nicht, dass die Heilung einfach sein muss, und heißt erst recht nicht, dass jeder Einzelfall auf die Therapie anspricht. (...)

Nicht jeder Homosexuelle ist pädophil, aber: Homosexuelle Menschen sind rund drei­mal so oft pädophil als Heterosexuelle.

Missbrauchte Kinder werden spezifisch häufiger homosexuell.“

Eine zweite Studie, die das belegt, ist eine amerikanische des National Opinion Research Center. Die Anzahl der Homosexuellen liegt ungefähr bei 1 Prozent. Trotz des geringen Bevölkerungsanteils von 1 Prozent werden 49 Prozent aller Kindes­missbräuche von Homos begangen. (Abg. Hradecsni: Jetzt reicht’s!)

Das heißt, es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen sexuellem Kindermiss­brauch und Homos und im Gay-Report geben 73 Prozent aller Homos an, dass sie gierig auf Sex mit Jugendlichen oder noch jüngeren Buben waren und sich an ihnen sexuell vergangen haben.

Wer also für gleichgeschlechtliche Ehe und das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare eintritt, macht sich indirekt des Kindesmissbrauchs schuldig.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Klement, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie betreffend Rückfallquoten und Resozialisierung von Sexualstraftätern

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, schnellst möglich umfassende wis­senschaftliche Studien in Auftrag zu geben, welche aussagekräftige Erkenntnisse be­treffend Rückfallsquoten und Rückfallswahrscheinlichkeiten im Bereich der Sexual­delikte insbesondere in Bezug auf Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung und Kin­derpornographie erbringen sollen.

Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die eine Änderung des Bundesgesetzes über die allge­mein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) beinhaltet, welche vorsieht, dass kriminalpsychologische und andere in Frage kom­mende Gutachter und Sachverständige im Falle von eklatanten Fehlbeurteilungen des Rückfallrisikos von Sexualstraftätern von der Gerichtssachverständigenliste gestrichen werden können.“

*****

(Beifall bei der FPÖ. – Abg. Öllinger: Hören Sie auf, das ist unerträglich!)

16.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten DI Klement und weiterer Abgeordneter betreffend Erstellung einer Studie betreffend Rückfallquoten und Resozialisierung von Sexualstraftätern

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Mißbrauch in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007.

In mehreren Staaten werden Studien betreffend Rückfallsquoten im Bereich des Kin­desmissbrauchs und Sexualstraftäter erstellt. In Österreich ist von einer wissen­schaftlichen Behandlung dieses Themenkreises nichts zu bemerken.

Einige internationale Beispiele:

1. Der Leiter der Berliner Charité Prof. Klaus Michael Beier hat Zahlen einer von ihm durchgeführten Studien veröffentlicht. Demnach liegt die Rückfallquote bei Sexual­straftätern bei 80%. Er kommt zu dem Schluss, dass die Begutachtung von Sexual­straftätern in Deutschland vollkommen unzureichend sei.

„Das Rückfallrisiko für Sexualstraftäter ist extrem hoch. Ich habe hierzu eine große Studie durchgeführt und ehemals verurteilte Sexualstraftäter sehr lange nach der ersten Verurteilung noch einmal untersucht – im Durchschnitt 25 Jahre später“, sagte Beier in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Dies beträfe hauptsächlich Männer mit einer „pädophilen Hauptströmung“ – mit anderen Worten: Männer, deren sexuelles Verlangen sich gegen Kinder richtet.

Daneben hält Beier die Begutachtung von justizbekannten Sexualstraftätern in Deutschland für absolut unzureichend. Nur 10-15 % aller Fälle werden überhaupt begutachtet und dann auch noch nach uneinheitlichen, nichtssagenden Kriterien. Es sei den Richtern überlassen, ob sie überhaupt ein Gutachten erstellen lassen. Sexualstraftäter müssten flächendeckend und insgesamt diagnostisch erfasst werden um feststellen zu können, wer gefährlich ist und wer nicht. Diese Begutachtung müsse


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nach einheitlichen und überprüfbaren Kriterien erfolgen. Diese Kriterien gäbe es bereits, sie müssten nur angewendet werden.

2. Der Psychiatrisch-Psychologische Dienst des Zürcher Amtes für Justizvollzug hat über einen Zeitraum von fünf Jahre eine umfassende Studie über Herkunft, Behand­lung und deliktische Laufbahn von 469 erwachsenen verurteilten Gewalt- und Sexual­straftätern ausgearbeitet. Die Studienresultate untergraben einige Vorurteile und wer­fen auch viele neue Fragen auf. Auf der Internetseite des bundesdeutschen Vereins „Child Care“ wird die Studie wie folgt wiedergegeben:

„Zürich (cc) – Gewalt- und Sexualstraftäter stammen automatisch aus zerrütteten Familien und schwierigen Lebensumständen und hatten eine schwere Kindheit. Dieser, oft von Gerichten als Anlass für mildernde Umstände genutzte, Mythos ist nun, dank einer grossangelegten Kriminalstudie, erwiesener Unsinn.

Sie haben hunderte von Mördern, Psychopathen, Gewalt und Sexualverbrecher unter­sucht. Nach den vorliegenden Zahlen gibt es laut Jérôme Endrass keinen Zweifel, dass alle bisherigen Vorstellungen von Schuldzusammenhang mit einer ,schweren Kindheit‘ nichts als blanker Unsinn sind. ,Kriminelle sind nicht Opfer schwieriger Lebensum­stände‘, so Jérôme Endrass, Leiter des psychiatrisch-psychologischen Dienstes des Justizvollzugs Zürich und Spezialist für Risk-Assessment, der Gefährlichkeits­beur­teilung von Gewalt- und Sexualstraftätern und Kriminalprognosen.

Keine Resozialisierung möglich

,Wenn man einen Psychopathen eine Schreinerlehre machen lässt, hat man nachher nicht einen Psychopathen weniger, sondern einen Psychopathen mit Schreinerlehre‘, so Endrass weiter. Ausserdem verneint er die Wirksamkeit der Resozialisierung krimi­neller Jugendlicher. ,Programme, die kriminelle Jugendliche etwa mit einer Ausbildung auf den Weg der Tugend zurückführen sollen, sind zwar sicherlich gut gemeint, aber vollkommen wirkungslos. Die Idee, dass die Täter resozialisiert werden müssen, ist grundlegend falsch. Sie sind ja schon sozialisiert. Was sie brauchen, ist eine mass­geschneiderte Therapie, die nur eines zum Ziel hat: Rückfälligkeit verhindern.‘

Studienergebnis: Das Ende strafmildernder Umstände

Die von dem Psychiater Frank Urbaniok und einem Team von Wissenschaftlern durchgeführte Studie räumt mit diversen Vorurteilen auf. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass

die Täter nicht schlechter gebildet sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dies gilt sowohl für Schweizer, als auch bei Ausländern.

Ein Drittel aller Gewalt und Sexualstraftäter waren einschlägig vorbestraft.

Drei Viertel der Täter stammten aus intakten Mutter-Vater-Kind-Familien.

Gewalt und Sexualstraftäter hatten Mühe feste Bindungen einzugehen.

Bei Jugendlichen Tätern wurden 9 von 10 Tätern rückfällig, bei denen als Jugendlicher bereits eine Erziehungsmaßnahme angeordnet wurde. 38% davon sogar mit einem Gewalt- oder Sexualdelikt.

Täter, die während ihres Gefängnisaufenthalts eine Ausbildung absolviert haben wer­den nicht weniger rückfällig als andere, die keine Ausbildung absolvieren. “

Diese Studie wurde am 8. November 2007 umfangreich von der renommierten „Neuen Zürcher Zeitung“ behandelt:

„Immerhin räumt die Studie mit einigen gängigen Vorurteilen auf und bietet Ansätze für weitere, gezielte Forschungsarbeiten. Ziel all dieser Bemühungen ist es, präventiv


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eingreifen zu können, also Gewalt- und Sexualstraftaten überhaupt zu verhindern, Ver­urteilte im Strafvollzug oder in der therapeutischen Behandlung richtig anzupacken und – ganz wichtig – das Rückfallrisiko zu senken. Die ,Zürcher Forensik-Studie‘ ist ein Schritt von vielen auf diesem Weg, die Ziele sind ambitiös, und Frank Urbaniok weist zu Recht darauf hin, dass es ein Nullrisiko im Umgang mit Gewalttätern nie geben wird. Einmalig an seiner neusten wissenschaftlichen Untersuchung ist die gezielte Ein­grenzung des Personenkreises. Es wurden nicht, wie sonst üblich, sämtliche Gefäng­nisinsassen oder eine gewisse Anzahl von gerichtspsychiatrischen Gutachten beleuch­tet, sondern 469 Erwachsene, inner- oder außerhalb von Anstalten, die im August 2000 beim Amt für Justizvollzug in irgendeiner Form registriert waren. Zu den über­raschenden Studienergebnissen gehört ein Befund in Bezug auf die Ausbildung der Gewalt- und Sexualtäter: Die Autorinnen und Autoren stellen fest, das Ausbildungs­niveau der Untersuchten entspreche ziemlich exakt jenem der durchschnittlichen Bevölkerung in der Schweiz; eine schlechte Ausbildung müsse demzufolge nicht als besonderer Risikofaktor gewürdigt werden

3. Amerikanische Psychologen untersuchten 155 Strafgefangene, die wegen ver­schiedener Kinderpornographie-Delikte einsitzen. Die noch unveröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Männer, die Kinderpornographie konsumieren, zu 85% auch tatsächlich Kinder sexuell missbrauchen.

Die Studie wurde an 155 Strafgefangenen durchgeführt. Alle sitzen wegen Kinder­pornographie ein und alle nehmen freiwillig an einer Therapie teil. Alle haben freiwillig und vollständig anonymisiert Fragebögen ausgefüllt, in denen unter anderem danach gefragt wurde, ob sie schon einmal ein Kind sexuell missbraucht haben und in welcher Form.

Die Ergebnisse sind so erschreckend, dass das Bureau of Prison (die für das Gefäng­nis zuständige Behörde) versucht die vollständige Veröffentlichung der Ergebnisse zu verhindern. Demnach haben 85% aller Befragten zugegeben, bereits ein Kind tat­sächlich missbraucht zu haben, angefangen von unangebrachten Berührungen bis hin zur Vergewaltigung. Vor dieser Befragung waren Missbrauchshandlungen nur von 26% der Gefangenen bekannt.

Aus den bislang bekannten 75 Opfern kamen durch die Fragebögen 1.777 Opfer ans Tageslicht.

Bisherige Studien gingen davon aus, dass „nur“ ca. 30% der Kinderpornographie- Konsumenten auch tatsächlich Kinder missbrauchen.

Die Forscher dieser Studie, Michael Bourke und Andres Hernandez, sind der Auffas­sung, dass die ermittelten Zahlen Abweichungen aufweisen können zwischen Tätern, die Hilfe suchen, und Tätern, die keine Therapieangebote annehmen.

Auch wenn die Studie und das vorhandene Zahlenmaterial Spielraum für Inter­pre­tationen lässt, stellt sie zumindest ganz klar den Zusammenhang zwischen dem Kon­sum von Kinderpornographie und dem sexuellen Missbrauch von Kindern durch ebendiese Konsumenten her.

Ähnliche Studien gibt es in Österreich noch nicht. Auf Grund der hohen Rückfallquoten und der Gefahr, die von Sexualstraftätern ausgeht, ist es unerlässlich, dass auch in Österreich wissenschaftlich fundiertes Datenmaterial gesammelt und ausgewertet wird.

Diese neuen Erkenntnisse müssen umgehend auch in die gutachterliche Tätigkeit von Sachverständigen einfließen. Es müssen diesbezüglich Vorkehrungen getroffen wer­den, die in Fällen von eklatanten Fehlbeurteilungen des Rückfallrisikos das Streichen des Gutachters von der Gerichtssachverständigenliste vorsehen.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, schnellst möglich umfassende wis­senschaftliche Studien in Auftrag zu geben, welche aussagekräftige Erkenntnisse betreffend Rückfallsquoten und Rückfallswahrscheinlichkeiten im Bereich der Sexual­delikte insbesondere in Bezug auf Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung und Kin­der­pornographie erbringen sollen.

Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die eine Änderung des Bundesgesetzes über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) beinhaltet, welche vorsieht, dass kriminalpsychologische und andere in Frage kommende Gutachter und Sachverständige im Falle von eklatanten Fehlbeurteilungen des Rückfallrisikos von Sexualstraftätern von der Gerichtssachverständigenliste ge­strichen werden können.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rudas. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.51.27

Abgeordnete Laura Rudas (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich ja immer gewundert, warum die FPÖ einen Gleichstel­lungsbeauftragten hat. Und jetzt bin ich nicht nur verwundert, sondern habe pure Angst. Ich bin 26 und glaube, ich habe so einen Müll in meinem ganzen Leben noch nie gehört! Unglaublich! Respektlos und eines Parlamentes nicht würdig! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber manchmal, wenn einem Selbstzweifel kommen, Dank an Herrn Klement, jetzt weiß ich wieder, warum ich in der Politik bin. Nie wieder dürfen Menschen wie Sie in eine Regierung kommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema, das Sie ja leider überhaupt nicht ange­schnitten haben, nämlich Gewalt gegen Kinder. Und genau das ist nicht tolerierbar. Kinder sind besonders schützenswert, sowohl physisch als auch psychisch. Was in den letzten Tagen und Wochen aufgrund des aktuellen Falles passiert ist, ist aber zu verurteilen, und zwar Partei-Hickhack auf Kosten der Kinder. Parteipolitische Polemik statt konstruktiven Lösungen dürfen wir nicht zulassen, dafür ist das Thema einfach zu ernst.

Wir sollten uns lieber überlegen, wie wir unsere Gesellschaft gewaltfreier machen, wie wir in unserer Gesellschaft den Stellenwert von Kindern stärken, wie wir Kindern mehr Respekt entgegenbringen können, wie wir es nicht zulassen, dass bei der sogenannten g’sunden Watschen ein Auge zugedrückt wird, oder wie jemand wegschaut, wenn er sieht, dass Kinder respektlos oder mit Gewalt behandelt werden.

Wenn ich aber von weniger Gewalt in der Gesellschaft rede, dann meine ich damit auch, dass wir Gewalt nicht salonfähig machen dürfen. Und auch wenn die FPÖ hier in der heutigen Diskussion durchaus konstruktiv war, muss ich sagen, erwarte ich mir Konstruktivität auch dann, wenn wir außerhalb des Parlaments sind. Gerade Ihre Partei hat ein Naheverhältnis zu Organisationen, die es als besonders männlich darstellen,


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wenn man Gewalt aushält und Gewalt austeilt, die es als männlich definieren, wenn man sich duelliert, ficht und einander verletzt. (Abg. Lutz Weinzinger: Mein Gott! Jetzt geht sie auf unsere Mensur los!) Und das dürfen wir nicht, wir dürfen nicht sagen, dass Gewalt männlich ist!

Ganz das Gegenteil ist nämlich der Fall: Gewalt ist schlecht, Gewalt dürfen wir nicht zulassen, und Gewalt müssen wir verhindern. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neubauer: Schämen Sie sich!)

Wir – und damit meine ich nicht nur uns Politikerinnen und Politiker, sondern uns Erwachsene – prägen ja auch das Gesellschaftsbild, wir sind ja durchaus auch Vor­bilder für Kinder. (Abg. Lutz Weinzinger: Hoffentlich nicht!) Und wenn wir Kindern beibringen wollen, dass Gewalt an sich schlecht ist, wo sie auch nein, das darf man mit mir nicht machen, sagen müssen, dann dürfen wir ihnen eben diese Gewalt auch nicht vorleben. Dann darf aber, wie es letztens passiert ist, auch kein Landeshauptmann bei einer Veranstaltung aufgrund der Tatsache, dass er sich von Medien vernachlässigt fühlt, sagen: Wenn ein Kind im Waldviertel geschlagen wird, kommen die Medien sofort, aber bei der Eröffnung einer Universität nicht. – Es darf keinerlei Relativierung von Kindesmissbrauch geben, das darf in unserer Gesellschaft nicht sein. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es darf aber dann eben auch keine Wirtshausprügeleien geben oder andere Zusam­menkünfte, wo es als besonders cool gilt, sich gegenseitig wehzutun. Das heißt, verhindern wir, dass Gewalt salonfähig wird, und schützen wir unsere Kinder in unserer Gesellschaft! (Abg. Lutz Weinzinger: Sie macht aus diesem Thema eine partei­politische Polemik! Sie wollen nur Ihre Gesinnung durchsetzen!)

Zum Zweiten: Bei manchen Diskussionsbeiträgen habe ich das Gefühl gehabt, es würde um einen Autobahnausbau oder Ähnliches gehen. Also gerade bei diesem Thema hätte ich mir erwartet, dass wir uns eigentlich nur auf dieses Thema kon­zentrieren und nicht wie mein Vorredner dann vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Dafür ist das Thema ja auch zu wichtig. Wir können ja genug darüber reden.

Umso mehr begrüße ich das schnelle Agieren unserer Ministerin Berger, die als Erste konkrete Lösungsvorschläge als Diskussionsgrundlage gemacht hat. Auf diese Dis­kussion freue ich mich auch schon sehr, genauso – und es tut mir leid, dass sie heute nicht da ist – auf die Novellierung zur Jugendwohlfahrt, die wir gemeinsam mit Ministerin Kdolsky machen, denn das sind einfach wichtige und konkrete Maßnahmen statt Parteipolemik auf Kosten der Kinder.

Einen Satz noch zur Kollegin Zwerschitz: Ich freue mich auf eine Diskussion über die Maßnahmen auch mit Ihnen. Ich denke nur, wenn Sie über Parteipolemik reden, ist es auch nicht angebracht, zwei Minuten vor der Debatte mit einem Antrag zu kommen. Das zeigt auch ein bisschen Ihre Einstellung zu dem Thema und wie wichtig es ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Höllerer zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.56.34

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich werde auf die ideologisch gefärbte Rede des Abgeordneten Klement nicht eingehen. Ich möchte mich viel eher mit der Problematik der Gewalt an Kindern auseinandersetzen. Ich denke, wenn Babys schreien, wenn Kinder weinen, dann tun sie das nicht grundlos, dann haben sie Bedürfnisse, und es ist meist auch jemand da, der diese Bedürfnisse stillen kann. Was ist aber, wenn es


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niemanden gibt, der das Kind dann aufnimmt, der es in den Arm nimmt, der es mit einem Fläschchen versorgt, der es wickelt, der mit dem Kind spielt?

Was ist, wenn es Eltern gibt, die total überfordert sind mit der Betreuung ihrer Klein­kinder? Dann ist es schon ein Hilferuf, wenn sie sich an einen Arzt wenden, in eine Ambulanz gehen, nur weil das Kind schreit und sie nicht wissen, warum.

Es gibt diese sozialen Netze in den Familien nicht mehr in der Dichte, wie wir das in der Vergangenheit hatten, und es gibt auch oft nicht mehr die Personen, die dann unterstützend bei der Kinderbetreuung helfen können. Es gibt Eltern, die psychische Probleme haben, die vielleicht Drogenprobleme haben, die alkoholkrank sind, die total überfordert sind mit der Betreuung ihrer Kinder. Und irgendwann eskaliert es, und es kommt zur Gewalt an Kindern. Oft ist es körperliche Gewalt, die vielleicht nicht gleich als solche erkennbar ist, weil sie keine Spuren hinterlässt, weil Ohrfeigen einfach nicht so nachwirkend sind oder weil es kleine Verletzungen sind, die auch vom Kindes­umfeld nicht als Misshandlungen erkannt werden, weil es Abschürfungen sind oder vielleicht ausgerissene Haare. Erschwerend ist auch noch, dass solche Anzeichen vielleicht Hinweise sind, aber keine Beweise.

Wir stehen vor der Problematik, dass die Gewalt an Kindern eine psychische, eine physische Gewalt sein kann, dass es zu sexuellen Übergriffen kommen kann und dass es unserer gemeinsamen Anstrengung bedarf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Kindern zu ihren Rechten verhelfen.

Wir haben auch die Phänomene, dass Kinder ihre Eltern lieben, auch wenn es prü­gelnde Eltern sind, auch wenn es Eltern sind, die ihren Kindern gegenüber demütigend auftreten. Es sind die Kinder, die sich dann oft selbst dafür verantwortlich machen, wenn es Probleme zwischen den Eltern oder im Eltern-Kind-Verhältnis gibt.

Wir haben uneingeschränkte Anzeigepflicht für Sicherheitsbehörden, aber Meldepflicht an das Jugendamt auch für medizinisch-technische oder medizinische Berufe, für Physio­therapeuten, Psychotherapeuten und so weiter, die aber auch einer großen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Und darin ist natürlich auch eine gewisse Dis­krepanz.

Seit dem Fall Luca reißt die Serie von Kindesmisshandlungen nicht ab, jedenfalls werden sie in den Medien entsprechend publiziert. Und vor allem sind wir emotional extrem davon betroffen, weil es einfach Fälle sind, wo man auch aufgrund innerer Betroffenheit die schwierige Situation dieser Kleinkinder nachfühlen kann.

Es gibt ein vier Monate altes Baby, das Elma heißt, wo die Behörden prompt reagiert haben. Viele Menschen fragen sich: Ist das die Spitze eines Eisbergs oder sind es lediglich Einzelfälle, die sich jetzt zufällig häufen?

Es stellen sich natürlich auch Fragen, wie es wirklich mit unserem System ausschaut, das hier zuständig ist, wie es funktioniert, ob es Defizite gibt, wo man ansetzen muss. Wie unsere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im täglichen Leben zurecht­kom­men? Ob es Vertrauensbeziehungen zu den Familien gibt, wo Ängste bestehen, sie zu zerstören, wenn man vielleicht Anzeigen macht? Oder fehlt das Gespür dafür, wann Grenzen überschritten werden? Oder wie legt man diese Grenzen an, um wirklich rechtzeitig Anzeigen zu tätigen? Oder fehlt es an Mut, Anzeigen auch wirklich einzubringen?

Die Hauptaufgabe des Jugendamtes ist sicher immer der Schutz der Kinder, der im Vordergrund stehen muss, und vor allem auch der Schutz vor noch weiterer Gewalt, wenn es schon zur Gewaltanwendung gekommen ist. Wir haben derzeit Behörden, aber auch Ambulanzen und Ärzte, die sehr sensibilisiert sind und auch jeder Verlet­zung nachgehen. Ich habe so einen Fall auch in meiner eigenen Bekanntschaft erlebt,


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wo ein Kind, das auf einem Fahrradständer herumgeturnt ist, abgerutscht und aufgrund eines Nasenbeinbruches ins Krankenhaus gekommen ist, wobei die Mutter von drei verschiedenen Personen über den Unfallhergang befragt wurde. Daher ist es auch ein sehr sensibles Thema, wo man auch eine generelle Anzeigepflicht hinterfragen muss. Diese Mutter war verständig und wusste natürlich ganz genau, dass es darum geht, Gewaltanwendung an Kindern zu verhindern. (Präsident Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Kinder sind unser höchstes Gut, aber sie sind auch die Schwächsten in unserer Gesell­schaft und bedürfen unseres bestmöglichen Schutzes. Ich bin froh, dass wir von der Frau Bundesministerin heute ein Maßnahmenpaket vorgestellt bekommen haben. Es wird noch eindringlich zu diskutieren sein. Aber wir brauchen nicht nur diese gesetz­lichen Rahmenbedingungen, sondern wir brauchen eine kinderfreundliche Gesellschaft mit Zivilcourage. Es geht darum, die Augen aufzumachen, hinzuschauen und nicht wegzuschauen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.02


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mandak. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.02.42

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Klement, einen so ungeheuerlichen Blödsinn, wie Sie da vorher verzapft haben, habe ich schon lange nicht mehr gehört! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Es ist unglaublich, wirklich unglaublich! Das ist aber noch die bessere Annahme. Seien Sie froh, wenn ich das annehme, denn sonst müsste ich davon ausgehen, dass Sie Menschen, die homosexuell sind, bewusst und absichtlich diffamieren und in Richtung Kriminalität stellen wollen. (Abg. Rudas: Natürlich tut er das!) Ich glaube, das Erstere wird Ihnen lieber sein. (Abg. Öllinger: Er ist auch schon wieder weg, glaube ich!)

Schon im Jahr 1991 hat die Weltgesundheitsorganisation festgestellt, dass Homo­sexualität keine Krankheit ist. Das sollte langsam auch schon bis zu den freiheitlichen Reihen durchgesickert sein. Allerdings ist weder der angesprochene Herr Klement noch der Klubobmann Strache da – das bei der Diskussion über ihren eigenen Dring­lichen Antrag. Das zeigt auch ein Stück weit, wie wichtig ihnen dieses Thema ist. Sie kommen, lassen ihren Patzen fallen, und dann gehen sie wieder. Das war es. Und das ist ihr politisches Engagement. Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dafür kann man dann Begriffe wie „Menschen als Ungeheuer“ und „Bestien in Men­schen­gestalt“ locker fallen lassen. Das waren nämlich Begriffe, die Klubobmann Strache vorher verwendet hat. Ich verurteile jede Gewalt an Kindern. Aber ich verur­teile genauso eine derartige Diktion, weil es immer um Menschen geht und man hin­schauen muss, was passiert aus welchem Grund in welchem Zusammenhang – so schrecklich die Dinge sind, die da passieren.

Sie haben von Beispielen gesprochen, die in den Medien waren. Ich habe mir die Zahlen, die schnell verfügbar sind, angeschaut. Da gibt es für den Wiener Raum die Zahl von der Interventionsstelle, die von 130 minderjährigen Opfern von häuslicher Gewalt ausgeht. Das heißt, das sind Fälle, die aktenkundig sind, die von der Polizei als Opfer von Gewalt eingestuft worden sind, und zwar in Wien in einem Jahr. Im letzten Jahr waren es 1 681 Kinder und Jugendliche bis 18, die von häuslicher Gewalt direkt betroffen waren im Zusammenhang mit dem Wegweiserecht. Die Zahlen der Inter­ventionsstellen für Österreich kann man in etwa noch einmal verdoppeln. Da haben wir aber jetzt nur diejenigen, die sich an die Interventionsstellen gewendet haben. Sie


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können sich vorstellen, wie groß der Bereich all jener ist, die nicht zur Sprache kom­men, die nicht aktenkundig werden und wo diese Gewalt in den Familien vorliegt.

Ich möchte ausdrücklich den VorrednerInnen danken, die sich vonseiten der Kinder diesem Thema genähert haben. Ich denke, das ist wichtig, und wichtig ist es, zu schauen, welche Maßnahmen wir setzen müssen, damit es nicht so weit kommt. Vom Strafbereich hat Kollege Steinhauser schon gesprochen. Aber wo muss man vorher ansetzen? Der Bereich der Unterstützung der Eltern ist dabei der zentrale.

Was noch nicht zur Sprache gekommen ist, sind die Rahmenbedingungen, unter denen diese Gewalt in Familien oft stattfindet. Da geistern für mich Begriffe herum wie Arbeitslosigkeit, zu viel Arbeit, fehlende Kinderbetreuung, fehlende Unterstützung, gescheiterte Beziehungen, neue Familienstrukturen, neue Partnerschaften, die völlig überfordert sind, vor allem mit kleinen Kindern, wo wir ansetzen müssen und wo es derzeit vorne und hinten an Beratung fehlt, nämlich an kostenloser Beratung. Es fehlt auch vorne und hinten daran – das haben die Vorrednerinnen Höllerer und Schitten­helm schon gesagt –, im Bereich der Schulen, auch der Jugendwohlfahrt ausreichende Beratung und Betreuung sicherzustellen.

Werte Kolleginnen! Und dafür haben Sie ein Stück weit auch mit Verantwortung. Man kann nicht einsparen, einsparen, einsparen, Kollegin Zwerschitz hat es schon gesagt, und sich dann wundern, wenn die Betroffenen nicht die Zeit für Beratung haben, die diesbezüglich dringend notwendig wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Zur gemeinsamen Obsorge. Ich halte eine verpflichtende gemeinsame Obsorge oder eine automatische gemeinsame Obsorge für den falschen Weg. Und ich sage Ihnen auch, warum. Üblicherweise ist es so, wenn sich ein Paar trennt, dann gibt es Streit, Konflikte zwischen Mann und Frau. Das ist normalerweise so. Es gibt Verletzungen bis hin zu ganz bösen Auseinandersetzungen. Und das Kind ist einfach ein Teil dieses Dreiecks Vater–Mutter–Kind. Und wenn es um die gemeinsame Obsorge geht, die wir voll unterstützen und wo auch wir glauben, dass es die einzige wirklich gute Lösung nach einer Trennung ist, dann müssen aber auch beide bewusst ja dazu sagen. Dann muss vieles geregelt werden, was im Rahmen einer gemeinsamen Obsorge abzu­sprechen und sicherzustellen ist.

Ich glaube, dass das ein Grund dafür ist, warum nach den Erfahrungen in Österreich sehr positive Erfahrungen gemacht werden, weil diese Auseinandersetzung vorher stattfindet und weil sich die Paare bewusst dafür entscheiden. Aber auch hier in diesem Bereich wäre es notwendig, dass schon vor der Scheidung die Möglichkeit vermehrter Mediation besteht, damit Vater und Mutter ihre Verantwortung für das gemeinsame Kind, für die gemeinsamen Kinder weiterhin wahrnehmen können, auch wenn sie als Mann und Frau im Streit auseinandergegangen sind oder sich getrennt haben.

Also hier haben wir auch noch einen ganz großen Handlungsbedarf. Es würde mich freuen, wenn auch dieser so wie andere Gesetzentwürfe, die Frau Ministerin Berger vorhat, zum Tragen käme. Das kann man nicht verordnen, das kann man nur erar­beiten und schauen, dass es so weit kommt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.09


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Frau Abgeordnete Mandak, für den von Ihnen verwendeten Ausdruck „Blödsinn“ bei der Qualifizierung der Aussagen eines anderen Abgeordneten erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. 5 Minuten freiwillige Redezeit­beschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 184

17.10.08

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf gleich zu Beginn meiner Ausführungen folgenden Antrag namens der freiheitlichen Fraktion einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kurzmann, Strache, Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Spitalstourismus

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend wird aufgefordert, so rasch wie möglich zum Schutz von Kindern alle notwendigen Schritte für eine bundesweite EDV-Vernetzung zwischen Krankenhäusern und Hausärzten zu veranlassen, sowie die erforderlichen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, um dem Spitalstourismus im Zusam­menhang mit verletzten Kindern Einhalt zu gebieten.“

*****

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute ein für eine zivilisierte Gesellschaft sehr wichtiges Thema, nämlich den Schutz von Kindern und von Jugendlichen. Alle Vorredner haben sich dazu bekannt, und man hätte meinen können, dass es in diesem Haus wirklich breite Übereinstimmung zu diesem Thema gibt. – Mit Johann Wolfgang von Goethe möchte ich aber feststellen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, von der ÖVP, aber auch von den Grünen und vom BZÖ! Ich bezweifle, dass Sie es mit dem Jugendschutz wirklich so ernst nehmen. Sie haben den Gegenbeweis dafür, dass dem nicht so ist, im Petitions­ausschuss erst vor zwei Monaten erbracht: Da haben Sie nämlich eine Bürgerinitiative mit dem Titel „Gewalt in der Familie. Mehr Schutz für Kinder“ den Bach hinunter gehen gelassen. Diese Bürgerinitiative wurde von einem pensionierten Justizwachebeamten, Herrn Roman Ertl aus Graz, initiiert, der in wirklich akribischer Arbeit rund 5 000 Unterschriften gesammelt hat. Den Unterstützern und dem Einbringer dieser Petition ging und geht es um die Wiedereinführung der ausnahmslosen Anzeigepflicht für Ärzte in Fällen von Kindesmissbrauch und auch von Kindesmisshandlung.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, von der ÖVP, von den Grünen und vom BZÖ, Sie haben diese Bürgerinitiative am 20. September abgelehnt. Sie tragen dafür die politische Verantwortung. Ihnen ist das Wohl der Kinder nicht so wichtig, wie Sie das von dieser Stelle aus durch Ihre Vorredner beteuern lassen haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich bringe jetzt ein Beispiel: Am 26. April 2005 wurde ein drei Monate altes Baby namens Iris Maria mit Blutungen im Gehirn und in den Augen und mit Serienbrüchen in das AKH Wien eingeliefert. Die Polizei hat erst mehrere Tage später durch die Selbstanzeige des Täters, der leider auch der Vater war, von diesem scheußlichen Verbrechen erfahren. Der Vater hat das Kleinkind an den Beinen gehalten und mit Fäusten geschlagen, um es zur Ruhe zu bringen, und er hat diesem drei Monate alten Baby zum Schluss auch noch einen Polster aufs Gesicht gedrückt. Das Kind wurde schwer verletzt ins AKH eingeliefert und ist acht Monate später, am 8. Feber 2006, verstorben.

Meine Damen und Herren! Obwohl im geschilderten Fall ein Offizialdelikt nach § 92 StGB – Quälen und Vernachlässigung unmündiger jüngerer und wehrloser Per-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 185

sonen – vorliegt, kann die Anzeige – und das ist aus unserer Sicht das Ungeheuer­liche – unterbleiben, wenn sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen wie zum Beispiel den Vater richtet. Im Gesetz heißt es, dass eine Anzeige so lange unterbleiben kann – ich zitiere –, „als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusam­men­arbeit mit dem Jugendwohlfahrtsträger und gegebenenfalls die Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt“. 

Sie, Frau Bundesminister, haben gesagt, dass Sie so sehr für den Schutz der Kinder sind. Daher bitte ich Sie: Lesen Sie sich die Stellungnahme Ihres Ministeriums durch, die wir im Ausschuss zu lesen bekommen haben! – Ich möchte Ihnen das kurz vorlesen, Frau Bundesminister, denn ich halte diese Aussage Ihres Ministeriums, das diese Verschärfung der Anzeigepflicht abgelehnt hat, wirklich für skandalös:

„Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz bleibt anzumerken, dass in Kreisen der Jugendwohlfahrt auch ein bestimmter Zweifel an der Wirksamkeit strafrechtlicher Maßnahmen zum Kinderschutz besteht.“ 

Frau Bundesminister, wie wollen Sie denn sonst den Schutz dieser Kinder vor Straftätern sicherstellen? Das ist ja unglaublich! Das ist für Ihr Ministerium von einem Herrn Dr. Wolfgang Fellner unterfertigt, und ich bitte, doch einmal in Ihrem Ministerium für Ordnung zu sorgen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.15


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Kurzmann einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kurzmann, Strache, Rosenkranz und anderer Abgeordneter betref­fend Spitalstourismus

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag, betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Mißbrauch in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007.

Am Samstag, den 1. Dezember 2007, war in der Tageszeitung „Krone“ folgendes zu lesen:

„Nach dem Tod Lucas gibt es nun politische Konsequenzen. ‚Wir werden das veraltete Jugendwohlfahrtsgesetz ändern!‘, so Gesundheitsministerin Kdolsky. Das fordert auch jener Arzt, der das Martyrium aufgedeckt hat. Dr. Rokitansky: ‚Der Spitalstourismus so wie in diesem Fall muss aufhören.‘

Wie berichtet, war der kleine Bub – bevor er ins SMZ-OST in Wien eingeliefert wurde – zuvor in zwei anderen Kliniken in Niederösterreich und Tirol gewesen. Der Leiter der Jugend- und Kinderchirurgie im Donauspital, in dessen Abteilung das Martyrium von Luca mit dem Tod endete, darf wegen des laufenden Verfahrens zu dem Fall im ‚Krone‘-Gespräch nur so viel sagen: ‚Es ist eine Tragödie!‘

Aber Dr. Alexander Rokitansky sieht sich als ‚Advokat der Kinder‘. Und als solcher legt er den Finger auf die Wunde: ‚Mit einer bundesweiten EDV-Vernetzung zwischen Krankenhäusern und Hausärzten wäre mit dem Spitalstourismus Schluss. Denn der Arzt könnte schon beim zweiten Besuch wegen eines verletzten Kindes kritische Fragen stellen!‘ erklärt der renommierte Mediziner.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit Familie und Jugend wird aufgefordert, schnellst möglich zum Schutz von Kindern alle notwendigen Schritte für eine bundesweite EDV-Vernetzung zwischen Krankenhäusern und Hausärzten zu veranlassen, sowie die erforderlichen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, um dem Spitalstourismus im Zusammenhang mit verletzten Kindern Einhalt zu gebieten.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadl­bauer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung; Restredezeit der Fraktion: 7 Minu­ten. – Bitte.

 


17.15.47

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Immer, wenn wir glauben, dass es politisch nicht mehr tiefer geht, kommt die FPÖ mit einem „guten“ Vorschlag, und heute ist es ein Dringlicher Antrag. – Es ist dies zweifellos ein wichtiges Thema, kein Zweifel, das haben wir alle auch schon gesagt. Es bedarf aber wirklich der Anstrengung aller, die Opfer, nämlich die Kinder, zu schützen, und ich rechne es Bundesministerin Maria Berger sehr hoch an, dass sie sofort reagiert hat und ein Maßnahmenpaket vorschlägt. (Abg. Dr. Haimbuchner: Sehr gut!)

Nun aber zurück zur FPÖ: Wie so oft bringen Sie ein Thema auf die Tagesordnung und versuchen, auf äußerst widerliche Art und Weise politisches Kleingeld zu wechseln. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Klement.) Sie geben immer wieder falsche Antworten auf wichtige Fragen, und diese unseriöse Vorgangsweise ist absolut abzulehnen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ihre Zwischenrufe bestätigen das ohnehin schon wieder.

Was mich sehr verärgert, ist die Tatsache, dass Sie die Bekämpfung des Kindesmiss­brauchs mit der Forderung nach einer verpflichtenden gemeinsamen Obsorge koppeln. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Klement sowie weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist ein völlig absurder Vorschlag, und ich kann Ihnen, wenn Sie zuhören und Ihr Gekreische einstellen, auch erklären, warum.

Es gibt seit mehreren Jahren in Österreich die gemeinsame Obsorge. Und nach Ihrer Theorie laut Antrag müsste sich dadurch der Kindesmissbrauch ja verringert haben. Sie schreiben aber dann selbst in Ihrem Antrag, dass sich die Zahlen seit 2003 verdoppelt haben. – Ich meine, das kann man auch nicht so stehen lassen. Ich denke nämlich, dass die Gesellschaft sensibler geworden ist und die Dunkelziffer gesenkt wurde, und das ist auch gut so.

Durch die Einführung der gemeinsamen Obsorge ist der Kindesmissbrauch nicht zurückgegangen, man kann das jedenfalls nicht messen. – Das heißt, Sie unterstellen mit dieser Forderung, dass einzig und allein die Mütter daran schuld sind, wenn Kinder misshandelt werden. Der ganze Antrag ist auf diese These aufgebaut! (Abg. Dr. Fich­tenbauer: Sinnerfassend lesen!) Da sollten wir doch einmal einiges in die richtige Balance bringen!

Ich zitiere jetzt aus Ihrem Antrag. Ihr Klubobmann Strache hat das ja sogar selbst referiert. – Hören Sie einmal genau zu:


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„Am Heiligen Abend prügelt ein Mann seinen zweijährigen Neffen tot. ... Ein Vater quält 1997 seinen zweieinhalb Jahre alten Sohn zu Tode ...“ Ein zehnjähriges Mädchen wird „nach einer Folterorgie vom Vater im Spital abgeliefert ...“

Fällt Ihnen da irgendetwas auf? Fällt Ihnen auf, wer jeweils die Täter sind? Wer begeht die Gewalttaten? – Genau! Es sind die Väter und die Onkel, es sind die männlichen Mitglieder der Familie! Ihre Antwort darauf ist aber, dass die Mütter schuld sind, weil sie nicht fähig sind, ihre Kinder richtig zu erziehen, und dass man diesen Frauen daher die Obsorge aberkennen muss. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja unglaublich!)

Durch eine verpflichtende gemeinsame Obsorge, wie Sie sie fordern, würde theore­tisch auch die Möglichkeit bestehen, dass Sie gefährdete Kinder an einen potentiellen Missbraucher binden. Und das kann doch beim besten Willen nicht Ihr Ernst sein! (Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuchner.)

Das, was Sie heute fordern, ist wieder einmal durch und durch nicht durchdacht, nicht schlüssig und völlig inkompetent. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Schön sichtbar wird dabei wieder einmal, dass sich dieser Antrag nahtlos in Ihre absurde Strategie, angeblich fehlende Männerrechte auszubauen, einreiht. Und wir haben ja auch die Performance des selbsternannten Gleichstellungsbeauftragten der FPÖ, Herrn Abgeordneten Klement, gesehen, die wirklich ein Wahnsinn war! (Zwi­schenruf des Abg. Dipl.-Ing. Klement.)

Ich möchte Sie außerdem an Ihre Pressekonferenz erinnern, die Sie vor einigen Wochen gegeben haben, bei der Sie allen Ernstes eine Rechnungsprüfungspflicht für Mütter gefordert haben, die Unterhalt für die Kinder bekommen. Das heißt, wir sollten oder müssten überprüfen, ob Mütter die Unterhaltszahlungen auch wirklich für die Kinder ausgegeben haben! Sie haben ja überhaupt keine Ahnung, was da läuft! Wis­sen Sie eigentlich, dass nicht einmal die Hälfte aller ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Klement.) – Jetzt hören Sie doch einmal zu, Sie selbsternannter Gleichbehandlungsbeauftragter, damit Sie das nächste Mal nicht so einen Müll reden! „Blödsinn“ sage ich nicht, denn sonst bekomme ich einen Ordnungsruf. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, dass nicht einmal die Hälfte der Frauen regelmäßig Unterhalt erhält? Wissen Sie – Sie brauchen jetzt gar keine wegwerfende Handbewegung zu machen! –, dass 17 Prozent überhaupt keinen Unterhalt beziehungsweise keinen Vorschuss bekom­men? Wissen Sie überhaupt, was es bedeutet, wenn man jeden Monat über­legen muss, wie man mit seinem Kind überleben und das Leben halbwegs in den Griff bekommen kann? (Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuchner.) Und dann kommen Sie mit Ihren abstrusen Thesen und Forderungen! Sie haben ja keine Ahnung vom Leben an sich! Das ist sehr schäbig!

Ich rede aus eigener Erfahrung, und das wird wahrscheinlich auch der Grund dafür sein, dass ich so emotional bin. Das, was Sie hier tun, ist wirklich extrem widerlich, nämlich mit solchen Forderungen politisches Kleingeld zu wechseln! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie schon irgendetwas zivilrechtlich ändern wollen, dann tragen Sie dazu bei, dass wir die Unterhaltsregelungen gut regeln, und dann arbeiten Sie auch bei der Umsetzung der Maßnahmen, die Ministerin Berger zuerst vorgestellt hat, mit! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, ich möchte alle dringend ersuchen, sich wieder an die Regeln der Geschäftsordnung zu halten, die


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Würde des Hauses im Vordergrund zu sehen – und bei den Formulierungen vorsichtig zu sein!

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Riener. 5 Minuten freiwillige Redezeitbe­schrän­kung; Restredezeit Ihrer Fraktion: 8 Minuten. – Bitte.

 


17.21.37

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Gewalt an Kindern ist ein ernstes beziehungsweise dramatisches Thema, das betroffen macht. – Ich bitte jetzt alle Anwesenden, sich die Frage zu stellen: Wer von Ihnen schreitet persönlich ein, wenn Sie ein Kind im Park oder in einem Geschäft sehen, das von seinen Eltern rüde am Arm gezogen oder anders grob behandelt wird, etwa einen Schlag aufs Gesäß bekommt? – Das ist nur eine Frage von Mut.

Frau Bundesministerin Berger, ich begrüße Ihre Ausführungen bezüglich des Opfer­schutzes und den von Ihnen beschriebenen Ausbau von Strafbestimmungen und Tatbeständen in Bezug auf Gewalttaten. Als Sozialarbeiterin habe ich aber Bedenken, wenn es um die strikte uns sofortige Anzeigepflicht im strafrechtlichen Sinn geht.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: Werte KollegInnen! Stellen Sie sich vor, was wir in der behördlichen Sozialarbeit zu tun haben, wenn wir Hinweise auf Kindesmisshandlung und körperliche Gewalt bekommen. – Wir gehen zur Familie, wir machen uns ein Bild, wir sprechen mit den Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten, wir sprechen mit der Umgebung. Es gibt Gutachten von Ärzten und Psychologen. Und dann steht in einem Gutachten, dass nicht ausschließlich davon ausgegangen werden kann, dass eine gewisse Verletzung von einer Misshandlung stammt. Bei einer Anzeige im strafrechtlichen Sinn werden die Eltern aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Wie geht es dann weiter? – Die Eltern werden sicherlich mit ihrem Kind – und ich meine jetzt sehr kleine Kinder – zu keinem Arzt mehr gehen und werden auch kein Vertrauen zu der Sozialarbeiterin aufbauen, sie werden verhindern, dass das Kind mit anderen Personen in Kontakt kommt, und das Kind selbst ist mehr als vorher der Gewalt der Eltern ausgesetzt.

Zusammenarbeit zwischen Justiz und behördlicher Zusammenarbeit begrüße ich sehr. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Der Schutz des Kindes muss immer Vorrang haben, und dem müssen auch alle Gutachter Rechnung tragen. Was aber kann Babys und Kleinkindern wirklich helfen, dass sie solche Torturen nicht mehr erleiden müssen?

Wir müssen die Prävention stärken. Gerade mit Hilfe niedrigschwelliger Angebote wie zum Beispiel den Elternberatungsstellen können Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und Überforderungen auch wahrgenommen werden. Im Prinzip wollen Eltern das Beste für ihre Kinder. Wenn man aber überfordert ist und nicht gelernt hat, dass man sich ver­trauensvoll an jemanden wenden kann und einem geholfen wird, dann wird das Gefühl übermächtig, dass man das nicht mehr aushält und nicht mehr schafft. Zur Hilflosigkeit kommt die Aggression. Sprachlosigkeit, die Unfähigkeit, Probleme zu formulieren und Auseinandersetzungen verbal auszutragen, haben oft Gewalt zu Folge, und zwar vor allem dann, wenn man das selbst in der Kindheit erlebt hat. Das soll aber jetzt nichts entschuldigen. Es soll auch entsprechende Strafen geben.

In diesem Zusammenhang ist ein Maßnahmenbündel erforderlich, und ich nenne jetzt einige Beispiele: Zunächst erwähne ich den Ausbau von Elternberatungsstellen in allen Bundesländern. Das steht zwar im Jugendwohlfahrtsgesetz, ist aber nicht verpflich­tend, und es kommt auch vor, dass Elternberatungsstellen und Eltern-Kind-Zentren nicht ausgebaut, sondern sogar geschlossen werden, weil das Geld nicht reicht.


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Außerdem brauchen wir auch mehr SozialarbeiterInnen in der behördlichen Sozial­arbeit, um das Vier-Augen-Prinzip bei Gefährdungsmeldungen gewährleisten zu kön­nen. Weiters brauchen wir geeignete Ressourcen für eine elektronische Vernetzung von Sozialarbeit und Jugendämtern in Form von Dokumentation über den Elektroni­schen Akt mit einer automatischen Statistik, die im Hintergrund programmiert wird und keinen Mehraufwand bedeutet. In der Steiermark wurde zwei Jahre lang an einem solchen Projekt gearbeitet, und als dann nach zwei Jahren das Projekt auf dem Tisch lag, hieß es: Das kann nicht umgesetzt werden. Wir haben kein Geld! – Diese statistischen Daten könnten dann sofort auch der Oberbehörde zur Verfügung stehen, bis hin zum Ministerium, auch dem Justizministerium.

Mein Credo lautet: Hinschauen – und nicht wegschauen! Das fordere ich und den ent­sprechenden Mut von allen! Für mich und für die ÖVP stehen nämlich vor dem Elternrecht das Kindesrecht und der Kinderschutz. (Beifall bei der ÖVP.)

17.26


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte alle Damen und Herren, Platz zu nehmen, denn wir kommen jetzt zu zahl­reichen Abstimmungen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 491/A(E) der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Missbrauch.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend chemische Kastration von Per­sonen, welche rechtskräftig nach § 206 StGB verurteilt wurden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichung von Daten von nach § 206 StGB rechtskräftig verurteilten Personen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende ärztliche Untersuchungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dipl.-Ing. Klement, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie betreffend Rückfallquoten und Resozialisierung von Sexualstraftätern.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spitalstourismus.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

17.29.11Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über den Antrag der Abgeordneten Sburny, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungs­aus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 11/A(E) der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gläserne Parteikassen“ eine Frist bis 29. Jänner 2008 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundes­regierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minu­ten dauern.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Sburny. Maximale Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


17.30.10

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit mehreren Wochen haben wir eine Debatte über die Transparenz bei den Politikereinkünften und damit im Zusammenhang auch eine Debatte über Transparenz bei der Parteienfinanzierung und bei den Parteispenden.

Österreich, das muss man vorausschicken, macht relativ große Investitionen in das politische System. Hubert Sickinger hat 2005 versucht, das zu untersuchen, oder hat das untersucht und hat im Rahmen einer Studie festgestellt, dass damals etwa 150 Millionen € pro Jahr von Bund und Ländern – da sind die Gemeinden noch nicht dabei – in das politische System gehen, das heißt in die Parteien auf Bundes- und Landesebene. Das ist, verglichen mit anderen Ländern, sehr viel. Wir liegen hier im absoluten Spitzenfeld, was die Finanzierung der politischen Parteien angeht.

Auch was die Gehälter der Abgeordneten angeht, sind wir im Spitzenfeld zu finden. Wir können uns zwar nicht mit manchen Managern in der Industrie messen, aber trotzdem muss man sagen, dass wir ein Vielfaches dessen verdienen, was Männer und schon überhaupt Frauen durchschnittlich verdienen. Wir bewegen uns da ungefähr in der Größenordnung des Fünf- bis Siebenfachen. Das kann man durchaus als ordentliche Entlohnung für die Tätigkeit der Abgeordneten bezeichnen.

Wir halten das für richtig. Wir finden, dass zu Recht sehr viel Geld in das öster­reichische politische System geht, weil das sehr große Vorteile hat. Das Ziel dieser Finanzierung ist die Unabhängigkeit von politischen Entscheidungen. Das Ziel ist die Verhinderung von Korruption und von gekauften politischen Entscheidungen. Dieses Ziel gilt sowohl für Parteien als auch für Abgeordnete, und man muss eben ein biss­chen etwas investieren, dass diese Wahrscheinlichkeit für Korruption, für den Kauf von


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politischen Entscheidungen ein bisschen geringer gehalten wird. Das funktioniert im Großen und Ganzen, kann man sagen, in Österreich noch relativ gut.

Das heißt, die Abhängigkeit von Spenden soll zurückgedrängt werden. Wenn man das gutheißt, muss man aber auch sehen, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, Klarheit über den Einsatz der Mittel zu bekommen, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, zu sehen, ob das Ziel, das da angegeben wird, auch wirklich erreicht wird. Die zentralen Anforderungen dabei sind Transparenz und Öffentlichkeit; Transparenz darüber, welches Geld wohin fließt, und Öffentlichkeit in dem Sinn, dass die Öffent­lichkeit darüber auch informiert wird.

Genau diese Transparenz ist bei der derzeitigen Gesetzeslage in Österreich nicht gesichert. Das Parteiengesetz ist völlig unzureichend und weit entfernt auch von jedem internationalen Standard, vor allem auch was die Regelungen in Bezug auf die Spenden betrifft.

Kurz der Stand der Dinge: Welche Verpflichtung haben Parteien momentan zur Offen­legung, also wirklich zur Veröffentlichung dessen, was sie mit Steuergeld machen? – Die Parteien müssen einmal im Jahr einen Rechenschaftsbericht geben, der in der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht wird. Dort wird aber keinerlei detaillierte Aufstellung vorgenommen, es gibt eine grobe Einnahmen- und Ausgabenrechnung.

Wenn von manchen Politikerinnen oder Politikern – vornehmlich der Großparteien – behauptet wird, dass der Rechnungshof da eine Möglichkeit zur Kontrolle hätte, zum Beispiel was die Spenden angeht, dann ist das schlicht und einfach eine Falsch­information – um hier keinen Ordnungsruf zu riskieren.

Vorschrift ist, dass Spenden über 7 260 € deklariert werden müssen. Allerdings ist das ein Gummiparagraph, wie man so schön österreichisch sagt. Es gibt nämlich einerseits jede Menge Ausnahmen, andererseits gibt es keine Bestimmung, die verhindert, dass es ein Spendensplitting gibt. Das heißt, Sie haben jede Möglichkeit, Spenden einzu­nehmen, die zum Beispiel zehn Mal im Jahr 7 000 € betragen. Solange Sie unter diesen 7 200 € bleiben, brauchen Sie es nicht einmal dem Rechnungshof bekannt zu geben. Der Rechnungshof darf es ohnehin nicht veröffentlichen, aber nicht einmal die Bekanntgabe an den Rechnungshof ist dann notwendig. Das heißt, dieses Spenden­splitting ist derzeit möglich und wird mit Sicherheit, soweit der Politologe Hubert Sickinger, der sich damit seit vielen Jahren beschäftigt, das sagen kann, auch so gehandhabt.

Darüber hinaus gibt es noch jede Menge Ausnahmen, und die sind wirklich interessant. Ausnahmen – das heißt, es muss nicht einmal eine Veröffentlichung dieser Spenden, auch wenn sie über 7 260 € gehen, erfolgen – gibt es, wenn es sich um Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt beziehungsweise auf freiwilliger Mitgliedschaft beru­hende Berufs- und Wirtschaftsverbände, Anstalten, Stiftungen und Fonds. – In Kürze und prägnant gesagt, als zwei Beispiele, Industriellenvereinigung und Österreichischer Gewerkschaftsbund. Es ist da überhaupt keine Angabe der Spenden in diesem Rechenschaftsbericht notwendig.

Ausnahme zwei: Spenden an Vorfeld- oder Teilorganisationen der Parteien. In diesem Zusammenhang hat Lorenz Fritz im Eurofighter-Untersuchungsausschuss als Präsi­dent der Industriellenvereinigung eine interessante Bemerkung gemacht. Er hat näm­lich in diesem Untersuchungsausschuss zugegeben, dass über die Industriellenver­einigung Spenden von Dritten an die ÖVP beziehungsweise den ÖAAB geflossen sind. Das heißt, er hat de facto Spendenwäsche über die Industriellenvereinigung zuge­geben.


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Genau das ist unser Kritikpunkt und auch der Kritikpunkt des Rechnungshofes – im Übrigen zum Beispiel auch des Europarates –: dass es in Österreich möglich ist, Spenden über Vorfeldorganisationen, über Körperschaften öffentlichen Rechts zu waschen, und dass es im österreichischen Gesetz keinerlei Verpflichtung gibt, diese Spenden transparent zu machen.

Der Europarat hat bereits 2003 Vorschläge veröffentlicht zur Offenlegung von Partei­spenden, zur Begrenzung der Wahlkampfkosten und für Sanktionen, wenn eben diese Bestimmungen, die ins Gesetz kommen sollen, nicht eingehalten werden. Das kümmert aber offenbar die großen Parteien wenig.

Wir Grüne sprechen uns seit Jahren für diese Transparenzkriterien aus. Seit Jahren kämpfen wir dafür, dass es hier zu einer Gesetzesänderung kommt – nicht zu irgend­welchen verwaschenen Goodwill-Aktionen, sondern zu klaren gesetzlichen Regelun­gen, die für die Öffentlichkeit auch nachvollziehbar sind. (Beifall bei den Grünen.)

Zuletzt haben wir das mit zwei Anträgen getan. Bereits im Oktober 2006, noch vor den Nationalratswahlen, haben wir zwei Anträge eingebracht, nämlich einen zur Wahl­kampf­kostenbegrenzung und einen zu den gläsernen Parteikassen. Beide Anträge sind jetzt gut abgelegen, ein Jahr lang, wie das so üblich ist, haben jetzt aber mittlerweile doch den Weg in den Verfassungsausschuss gefunden, wo sie – Überraschung! – vertagt wurden!

Diese unsere Vorschläge beziehen sich im Wesentlichen auf eine detaillierte Darstel­lung der Parteieinnahmen im Rechenschaftsbericht, keine Spendeneinnahmen über 500 €, die anonym sind – das heißt ein Verbot von Spendenannahmen über 500 €, wenn nicht ausgewiesen ist, woher sie kommen –, Verhinderung der Spendenwäsche durch Weiterleitung über verschiedene Körperschaften von anonymen Spenden und kein Spendensplitting.

Das Problem ist, dass sich die ÖVP in dieser Frage als Vertreterin der Intransparenz, der Verschleierung und der Blockade sieht und jede Forderung nach Kontrolle hier als Majestätsbeleidigung anprangert, während sich die SPÖ mit Freude offensichtlich vor dieser Majestät verneigt und nicht geneigt ist, das, was sie angeblich fordert, auch wirklich durchzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Das gipfelt in so skurrilen Situationen wie, dass Klubobmann Cap in einem Interview sagt, dass die SPÖ einen Antrag im Parlament liegen hat und dass sie schauen wird, dass da jetzt etwas weitergeht. – Diesen Antrag gibt es zwar nicht, den gibt es nämlich nur von den Grünen, nicht aber von der SPÖ, und wenn jener von den Grünen dann im Verfassungsausschuss behandelt wird, stimmt die SPÖ nicht vielleicht zu, sondern dann verneigt sie sich vor Ihrer Majestät der ÖVP und stimmt einer Vertagung dieses Antrages zu. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist offensichtlich die Rolle, die die SPÖ in diesen Auseinandersetzungen für sich in Anspruch nimmt. Das ist sehr schade. Wir stellen daher diesen Fristsetzungsantrag, damit wenigstens einer dieser Anträge vielleicht einmal eine Mehrheit bekommen kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.39


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten 5 Minuten beträgt.

Nächster Redner ist Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.39.54

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Sehr geschätzte Vorrednerin, Sie haben natür­lich nur die halbe Wahrheit erzählt. Ich habe gesagt, dass wir einen Fünf-Parteien-


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Antrag haben möchten. Und dazu gehört natürlich – Sie sehen das, wenn Sie genau durchzählen – auch die ÖVP, denn wenn man das gemeinsam beschließt, entsteht eine bestimmte neue Kultur in diesem Bereich.

Wenn man jemandem etwas aufs Auge drückt und sagt, das ist auch okay, dann macht man es anders – und das Ergebnis ist das Gleiche. (Abg. Sburny: Da verzichten wir lieber auf jede Transparenz!) Ich möchte das jetzt nicht unterstellen, aber es ist nicht ganz auszuschließen, dass das so ist. – Das einmal dazu.

Wir haben im Ausschuss eine interessante Debatte geführt, denn Sie haben ja auch Ihre Spenden veröffentlicht. Mir wurde dann in dem Ausschuss von Ihrer Vertreterin von der berühmten Spende erzählt, von den 6 500 €, die Peek & Cloppenburg gezahlt hat. Ich habe dann in dem Ausschuss gefragt, wofür die Grünen eigentlich 6 500 € von Peek & Cloppenburg bekommen. – Das muss aber in einem Zusammenhang gestan­den sein mit den Tierschützern (Rufe bei den Grünen: Nein!) – oh ja, so war es dann –, die vor Peek & Cloppenburg demonstriert haben. Und die Grünen haben für Vermittler­dienste 6 500 € bekommen. (Abg. Sburny: Sie wollen nur ablenken von Ihrer Majes­tätsbeleidigung!) Ich gebe nur die Debatte wieder.

Es gibt so viele Handelsketten, es hätte ja Hennes & Mauritz auch sein können. Warum war es nicht Hennes & Mauritz? Warum war es nicht Trussardi? Warum war es nicht Versace? (Abg. Sburny: Legen Sie einmal Ihre Spenden offen, und dann reden wir weiter!) Warum war es eigentlich Peek & Cloppenburg?

Ich erinnere mich nur daran, dass es bei Peek & Cloppenburg diese Demonstrationen gegeben hat, die sang- und klanglos auf einmal nicht mehr fortgesetzt wurden.

Da können wir dann gleich generell darüber diskutieren: Spenden und deren Auswir­kungen anhand von Aktivitäten, die sich da niederschlagen.

Ich sage gleich noch einmal, wir bleiben dabei: über 7 000 € veröffentlichen, kein Split­ting, und wenn das nicht eingehalten wird, dann Sanktionen bei Kürzung von öffent­lichen Geldern. Der Antrag liegt hier, und alle sind eingeladen zu einem Fünf-Parteien-Antrag, da ändern wir nichts. (Ironische Heiterkeit bei Grünen und FPÖ. – Ruf bei den Grünen: Wo liegt der Antrag? – Abg. Sburny: In der Schublade!)

Es gibt nur einen Punkt, der natürlich auch Berücksichtigung finden muss bei einer Argumentation, die wir aus diesem Ausschuss ... (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Da geht es zu. Was ist der Grund für diese Nervosität? Ich habe bis jetzt ja nur Peek & Cloppenburg erfahren, aber vielleicht gibt es noch andere, die irgendwie ge­spendet haben. (Ruf bei den Grünen: Wo ist der Antrag der SPÖ?) Dann veröffent­lichen Sie es doch, erzählen Sie es mir. Vielleicht war es eine Molkerei oder jemand anderer. – Ich bin jetzt ganz durcheinander, weil hier diese Nervosität herrscht, das bringt mich ganz aus dem Redekonzept. (Abg. Öllinger: Das glaube ich!)

Aber ein Argument ist natürlich nicht schlecht, nämlich: Was machen wir mit Spendern, die gerne anonym bleiben möchten? – Jetzt kann man von Haus aus sagen: Das ist ein böser Lobbyist! – Es gehört daher noch etwas dazu, wenn wir diesen Weg gehen wollen, nämlich die offizielle Deklarierung von Lobbyisten wie in anderen Ländern auch: Sitz hier in Wien, Büro X, bin Lobbyist, mache das, spende – von mir aus – an alle fünf Parteien den Betrag XYZ, aus. Dann ist das sauber. (Zwischenruf.) – Die sollen ja auch etwas bekommen. Alle fünf, ich bin immer für alle fünf. Ich bin da eine ganz eigene Form von Demokrat, ich möchte haben, dass man gerade in diesem Bereich alle bedenkt, da lebt die Demokratie auf, wir sparen öffentliche Gelder, können sozusagen Wahlkämpfe mit der Kostenbeteiligung von vielen Privaten führen. Dies­bezüglich bin ich ganz eigenartig.


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Ich würde meinen, es lohnt sich, diesen Denkprozess in diesem Punkt fortzusetzen, weil das natürlich schon etwas für sich hat. Das zeigt auch das Beispiel, das Kollege Morak gebracht hat: Er ist von einer Galerie gefördert worden, und das Ergebnis war, dass dort die Scheiben beschmiert wurden, weil es offensichtlich Leute gegeben hat, die gemeint haben, dass man Morak nicht unterstützen soll. – Das kann man auch anders zum Ausdruck bringen, aber ich meine, es ist ernst zu nehmen, dass es diese Auswirkungen geben kann.

Man muss daher etwas genauer über das Ganze diskutieren. Es war ja auch das sehr deutlich, was dieser Vertreter der Industriellenvereinigung gesagt hat in Bezug auf die Homepage Karl-Heinz Grassers. Da ist es ja nicht nur darum gegangen, sondern er hat auch gesagt: Karl-Heinz Grasser haben wir damals das Geld gegeben, aber wir haben das ja nicht uneigennützig gemacht, wir haben uns dafür auch etwas erwartet!

Anständiger wäre es gewesen, wenn man von Haus aus gesagt hätte: Jawohl, wir, die Industriellenvereinigung, schätzen diesen Finanzminister und erwarten, dass er in unserem Interesse in der Regierung Politik macht. Daher sind wir bereit, das und das für die Homepage zu zahlen! Und hin und wieder soll das Bild des Präsidenten der Industriellenvereinigung auch vorkommen. – Das ist okay. Das ist öffentlich, da weiß man, woran man ist.

Diese Öffentlichkeitsdebatte und diese Spendendebatte sind daher viel umfassender zu führen, als Sie das jetzt gerade machen.

Noch einmal: Unser Antrag steht (Abg. Öllinger: Welcher?), Sie können gleich mit unter­schreiben. Ich sammle Unterschriften. Wenn die fünfte Unterschrift kommt, ist er schon da, aber ich möchte fünf Unterschriften haben. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, das wäre mir das Allerliebste.

Führen wir die Diskussion ein bisschen seriöser (Abg. Sburny: Sagen Sie „seriös“? Legen Sie einmal Ihre Spenden offen!), und erklären Sie mir, wie es jetzt wirklich mit Peek & Cloppenburg war. Mich interessiert das, denn ich weiß nicht, ob ich dort noch einkaufe. Ich als potenzieller Kunde bin jetzt ganz verunsichert. (Beifall bei der SPÖ.)

17.45


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllin­ger. Ebenfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.45.17

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Ich bin einigermaßen erstaunt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass ich jetzt schon drankomme. Das Schweigen der anderen Parteien dröhnt ja richtig laut.

Jetzt ist die Stunde, wo Sie sich äußern können, verehrte Kolleginnen und Kollegen von ÖVP, BZÖ, FPÖ und natürlich auch von der SPÖ, wenn Sie anderer Meinung sind als Kollege Cap.

Wenn ich die Debatte jetzt zusammenfasse – das ist schon interessant –: Kollege Cap sagt hier, dass das eine solch schwierige, wahnsinnig sensible Frage ist, da braucht man den Konsens aller fünf Parteien (Heiterkeit bei Grünen und FPÖ – Beifall bei den Grünen) – das ist so wichtig. – Ich habe da noch in Erinnerung: Lieber Josef Cap, heute Vormittag haben wir eine Verfassungsdebatte gehabt; „Verfassungsbereinigung“ hat das geheißen: Hui, da marschieren wir durch – schwupp! Schnell im Ausschuss und dann ins Plenum, da haben wir nicht viel Zeit für sensible Debatten, die öffentlich und breit geführt werden müssen, weil sie ins Innerste der Parteien gehen, da haben wir diese Zeit nicht.


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Aber bei diesem Punkt haben wir alle Zeit – ja, natürlich, da könnten jemandes Inter­essen auch nur ganz diffizil berührt werden, da müssen wir vorsichtiger vorgehen. – Verstehe ich, ja. Möglichst alle fünf Parteien – ich wäre überhaupt dafür, dass wir sagen, 183 Abgeordnete müssen zustimmen, darunter machen wir es nicht! (Heiterkeit bei den Grünen.) Das wäre eine neue Form des Quorums, das wir hier einführen könnten. (Abg. Dr. Pilz: 184!)

Lieber Josef Cap, machen wir ein Ranking: Wer hat wie oft in den letzten Jahren „gläserne Parteikassen“ gesagt? (Abg. Dr. Cap: Wir mehr!) – Ich würde meinen, du kommst ziemlich oft und weit vorne vor. Dann kommt wahrscheinlich irgendjemand aus den Reihen von FPÖ und BZÖ (Abg. Dr. Cap: Und dann kommt erst ihr!), und dann, ganz zum Schluss, kommen erst wir. Aber wir sind die Einzigen, lieber Josef Cap, die einen Antrag eingebracht haben, und die Einzigen, die dazu sprechen. Es ehrt ja Josef Cap, dass er wenigstens noch einen Beitrag dazu bringt; die anderen sagen: Nein, dieses Thema ist so diffizil, da schweigen wir lieber! – Vornehm ist es zu schweigen.

Das ist jetzt die Stunde, in der wir diskutieren. Es ist wirklich schade, dass bei diesem Thema keine Medienvertreter anwesend sind. Aber ich hoffe, es wird uns gelingen, sie zu informieren von diesem Höhepunkt der Debatte über die Offenlegung von Partei­spenden, bei der drei Parteien gleich sagen: Nein, wir sagen lieber gar nichts! Sagen wir lieber gar nichts, denn wir müssen das erst in uns und innerhalb der Partei aus­diskutieren, eine ganz schwierige Frage!

Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann nur sagen, das ist nicht schwierig, das ist ganz einfach: Es gibt Möglichkeiten, sich in anderen Ländern kundig zu machen. Es gibt beispielsweise in Schweden ein Institut, das Institute for Democracy and Electoral Assistance, das die Aufgabe hat, eigentlich Parteien in Entwicklungsländern, in Schwellenländern zu betreuen und zu beraten, wie man das beim Aufbau von politi­scher Demokratie macht. Natürlich versucht man in diesem schwedischen Institut auch, Beispiele dafür, wo europäische Parteien beziehungsweise die europäische Demokratie etwas zu bieten hat, diesen Ländern mitzugeben. Und mittlerweile sind die Entwicklungsländer, was die Korruptionsregeln, aber auch die Offenlegungsregelungen betrifft, Österreich voraus.

Es gibt von diesem schwedischen Institut eine Untersuchung, aus der hervorgeht, dass Frankreich an der Spitze steht, was die Offenlegung von Parteispenden beziehungs­weise gesetzliche Regelungen zur Parteienfinanzierung betrifft. Dahinter folgen die meisten europäischen Länder, dann kommt ein Großteil der Dritten Welt und dann – hinter Bangladesch! – Österreich. Da sind wir. Da befinden Sie sich mit Ihrer Fünf-Parteien-, 183-Personen-Allianz, und darunter kann es keine Regelung geben.

Die sensibelste Frage der Republik, das habe ich gelernt, war die Frage der Politi­kerbezüge – da hätten wir lieber auch eine 183-Personen-Regelung, wenn es ginge, da kann man nur ganz schwer darüber reden.

Und jetzt habe ich gelernt, es gibt noch eine zumindest genauso sensible Frage, und das ist die Frage der Parteienfinanzierung und Offenlegung der Spenden an die Par­teien. – Au, da geht es ans Eingemachte in dieser Republik!

Ich sage Ihnen, das ist nicht schwierig. In allen Fragen – ich kann Ihnen den Katalog vorlesen, Kollege Cap –, die zu klären wären, gibt es ganz einfache Regeln, auch wenn Sie jetzt Bedenken haben: Wie gehen wir mit den anonymen Spenden um? Auch für das Problem von anonymen Spenden gibt es ganz einfache Regelungen. Entweder legt die Partei offen, dass sie eine anonyme Spende erhalten hat, oder man macht es so, wie wir das vorgeschlagen haben: Wenn die Spende über einen bestimmten Betrag geht, darf sie sie nicht annehmen. – Pech gehabt, lieber Josef Cap (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen), aber anderenfalls könnte es ja passieren,


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dass die ÖVP oder auch die SPÖ in anonymen Spenden ertrinkt. Und das wollen wir eigentlich, wenn es geht, vermeiden. (Beifall bei den Grünen.)

17.50


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Vilimsky. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.50.57

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man darf zu den Grünen nicht so unfair sein wie Sie, Herr Dr. Cap. Wenn man das Jutesäckchen von einst heute nicht mehr trägt, sondern zur Versace-Tasche gewechselt hat, dann ist natürlich klar, dass man irgendwo die Nähe zu den tollen und noblen Kleiderhäusern sucht. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Wenn man keine Birkenstock-Schlapfen mehr trägt, sondern sich eher von Trussardi und Versace verwöhnen lässt, dann ist es natürlich verständlich, dass noble Einkaufsketten eine Nähe zu den Grünen haben.

Wenn es nach mir ginge, würden ab einer gewissen Summe überhaupt keine Spenden zugelassen werden. Ich sehe nicht ein, weshalb vor dem Hintergrund dessen, dass quer durch die Republik und quer durch neun Länder wirklich millionenhohe Förder­volumina an die Parteien verteilt werden, damit diese demokratiepolitisch arbeiten können – was gut ist –, noch zusätzlich ein Rattenschwanz von Firmen kommt, größ­tenteils der Industrie, entweder mit dem Koffer oder doch legal oder halblegal, aber keiner von Ihnen ist bereit, zu sagen, welche Spenden in die parlamentarischen Klubs einfließen.

Wir waren die Ersten, die gesagt haben, wir legen das offen. Wir legen nicht alles offen – wir legen nicht offen, wenn eines unserer Mitglieder etwa 20 € oder 30 € zusätzlich zahlt, seinen Beitrag aufdoppelt, weil das in Ordnung ist und der Maxi Huber und der Pepi Meier dem Rechnungshof gegenüber nicht unbedingt großartig präsen­tiert werden sollen –, aber alle Spenden über 1 000 €, die diese Freiheitliche Partei erhält, werden offengelegt. Und: Es sind null Euro! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Sie haben alle Butter am Kopf, und Sie haben alle Ihre Gründe dafür, dass Sie das nicht veröffentlichen. (Zwischenruf des Abg. Reheis.)

Wir legen weiters offen – Sie können sich gerne zu Wort melden –, wie hoch die Zahl der Mitarbeiter ist, die in unserem parlamentarischen Klub tätig sind und die direkt von einer gigantisch großen Lobbyorganisation entsandt werden, nämlich von der Indus­triellenvereinigung. – Und da haben Sie die meiste Butter am Kopf! Ihr EU-Mandatar Karas sagt (Zwischenrufe bei der ÖVP) – der Haider gehört woanders hin, da haben Sie etwas verschlafen –, dass Sie sehr wohl von der IV Personalsubventionen nehmen und Ihr Generalsekretär vor laufender Kamera die Unwahrheit sagt, wenn er behaup­tet, der ÖVP sei niemand aus der IV dienstzugeteilt. Darüber lacht das ganze Haus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es war wirklich toll, mit anzuhören, wie Sie bei der Debatte „im Zentrum“ gemeint haben: Na klar legen wir offen. Bei uns soll jeder wissen, dass ein Nationalrat 8 000 € brutto verdient. – Na, toll, großartig! Ich frage mich: Was ist das für eine Transparenz, die da von Ihnen kommt? Sie mauern alles ein, Sie wollen nicht, dass irgendjemand zusehen kann.

Jetzt kommen wir zur SPÖ und zu Dr. Cap, dem ich wirklich großes Bemühen zuge­standen hätte. Wir haben die Ehre gehabt, in Puls TV diskutieren zu dürfen, und ich war so frei, ihn mit einem Antrag zu konfrontieren, den der jetzige Bundeskanzler Gusenbauer und Dr. Cap gemeinsam eingebracht haben. Das war ein tolles Transparenz-Paket, wonach jeder die Hose hätte runterlassen müssen. – Auf einmal


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gilt das alles nicht mehr! Das hat irgendwo diese Eurofighter- und diese Studien­gebührenqualität: Jetzt sind wir Regierung, und jetzt haben wir das Glück, dass die ÖVP ohnehin nicht will, jetzt kommen wir aus der ganzen Sache fein heraus. – Das ist nicht die Transparenz, die wir meinen, sondern wir meinen, dass der Steuerzahler sehr wohl das Recht hat, überall dort, wo Steuergeld im Einsatz ist, dieses auch ent­sprechend überprüfen zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen aufpassen, dass die wirklich „dicken Fische“ sich jetzt nicht irgendwo davonschwindeln. Im Bereich der ÖBB etwa wurden zwei neue Holding-Vorstände eingesetzt – zwei SPÖ-nahe, zusätzlich zu den zwei ÖVP-nahen; vielleicht war es so, dass den beiden vorher fad gewesen ist, oder ich weiß nicht was –, deren kolportierte Jahresgagen bei 500 000 € angesiedelt sind. Das ist das Doppelte von dem, was der Bundespräsident verdient. – Und Sie sagen: Nein, das brauchen wir nicht zu veröffentlichen, das wollen wir nicht veröffentlichen!?

Gleiches gilt im Bereich des öffentlichen Rundfunks. Bei aller Kritik, die man an Herrn Gusenbauer vielleicht üben mag, da nehme ich ihn wirklich in Schutz: Es kann doch nicht sein, dass der Bundeskanzler der Republik um ein Eckhaus weniger verdient als beispielsweise irgendein Medienmanager oder irgendein Bahnmanager. Da läuft so vieles falsch. Es wäre gut, hier ein großes Transparenz-Paket zu schnüren, damit die Österreicher, die Bahnkunden etwa, sehen, wo diese Geldmengen verschwinden, nämlich bei irgendwelchen neuen Direktoren, die mit ihren Dienstkarossen und Spesenportefeuilles und weiß Gott was allem in die öffentlichen Kassen greifen – aber jeder versucht, das alles unter Verschluss zu halten.

Ich bin dafür, dass in Österreich überhaupt keine Spenden von mehr als 1 000 € an politische Parteien ergehen sollten, denn ab dem Zeitpunkt, ab dem diese Gelder genommen werden, verliert man seine politische Unschuld. Glauben Sie wirklich, dass irgendein Industrieunternehmen oder eine Lobbyorganisation Geld an Sie spendet, ohne konkrete Aufträge an Sie zu formulieren? – Natürlich ist das so, natürlich greifen Geldgeber in die Gesetzgebung ein. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glocken­zeichen.)

Wir sind für den Antrag der Grünen, weil wir gegen die Unkultur dieser Koalition sind, alles in die Wartehalle zu verbannen und nichts mehr materiell beurteilen zu wollen. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

17.56


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dar­mann. 5 Minuten Redezeit auch für Sie, Herr Kollege. – Bitte.

 


17.56.40

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten ja zum Teil bereits das Vergnügen, in der Sendung „im Zentrum“ fraktionsübergreifend über die Transparenz in Bezug auf die Parteien und die Nebeneinkünfte der Abgeordneten zu diskutieren, und diese Diskussion war schon sehr interessant. Auf der einen Seite war die ÖVP, die sich absolut geweigert hat, jegliche Offenlegung einer Nebeneinkunft auch nur irgendwie zu fördern. Auf der anderen Seite war die SPÖ, von der eigentlich die Idee gekommen ist – Präsidentin Prammer ist da anscheinend entgegen der Parteilinie vorgeschossen –, die SPÖ, die gesagt hat: Wir müssen alles überprüfen, was wir offenlegen werden. Die Grünen haben teilweise offengelegt. Die Angaben zu den Bundesräten fehlen bis heute; ich weiß nicht, wieso die Grünen ihre Bundesräte nicht auf der Homepage bekannt geben. Das BZÖ war die einzige Partei, die von Anfang an alle Nationalräte, alle Bundesräte, alle Landtagsabgeordneten mit allen Nebeneinkünften auf der Homepage veröffentlicht


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hat, die einzige Partei, die das offengelegt hat. (Abg. Öllinger: Sechs Jahre habt ihr nichts weitergebracht!)

Herr Öllinger, was haben Sie gemacht? Bis heute nicht alles! Wie früher: Sie reißen immer den Mund auf und wissen ganz genau, dass auf Ihrer Homepage noch immer die Angaben zu Ihren Bundesräten fehlen. Auch von Ihrem Europa-Abgeordneten ist noch nichts offengelegt. Also bitte, das sollten Sie schon machen. Wenn Sie schon solche Forderungen aufstellen, sollten Sie das zumindest auch selbst umsetzen.

Aber weg von der Diskussion um die Nebeneinkünfte – kommen wir zu den „gläsernen Parteikassen“! In dieser bereits erwähnten Fernsehsendung haben wir vom BZÖ ebenfalls eindeutig klargemacht, dass wir das Vorgehen der Grünen im Verfas­sungs­ausschuss unterstützen werden. Leider ist es nicht zu dieser Abstimmung gekommen, die große Koalition hat ihren Antrag vertagt. Sie wissen aus den Vorgesprächen, wir wären dabei gewesen, es spricht absolut nichts dagegen.

Wir haben in einem ersten Schritt bereits unsere Parteikassen von einem international renommierten Unternehmen, nämlich dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte, überprüfen lassen. Auch das Ergebnis dieser Überprüfung ist auf der Homepage des BZÖ abzurufen. – Das ist ein erster Schritt.

Wir sind bereit, wenn alle Parteien mitgehen, alles sofort offenzulegen. Die Verwen­dung von Steuermitteln soll natürlich für jeden Bürger in Österreich nachvollziehbar sein, keine Frage!

Aus diesen genannten Gründen werden wir dem Fristsetzungsantrag der Grünen auch zustimmen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

17.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak; ebenfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Öllinger: Jetzt kommt die ÖVP-Tragödie zur Aufführung!)

 


17.59.10

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Öllinger, Sie haben recht! Auch ich bin in dem Ausschuss gesessen und habe mich gefragt: Wieso sitzen bloß so viele schweigende Männer von der ÖVP neben mir? Manchmal habe ich das Gefühl gehabt, sie denken sich: Das Niveau dieser Diskussion ist so tief, da kann ich nicht mehr druntergehen!, oder irgendetwas in der Art. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brosz: Deswegen haben Sie sich jetzt gemeldet!)

Ich muss Ihnen schon sagen, ich bin vom Kollegen Cap eines Besseren belehrt wor­den, und zwar einfach deswegen, weil ich mir gedacht habe: Schau, da geht der Klubobmann der SPÖ in die Offensive, und eigentlich allein mit der Aussage „Der calvinistische Ton geht mir auf die Nerven!“ war bei den Grünen plötzlich Sendepause.

Ich muss sagen, daran ist etwas Wahres, und ich sage jetzt auch, warum; Josef Cap hat das schon kurz erwähnt. Ich habe schon seit Langem einen Freund, den Galeristen Winter. Jeder im 7. Wiener Gemeindebezirk wusste, dass ich dort aus und ein gehe. Dann kam das Jahr 2000, und damals wurde diese Galerie vier Mal mit Hakenkreuz und so weiter niedergesprayt. Dieser Bezirk ist möglicherweise kein schwarzer Bezirk, und ich schließe auch aus, dass das damals die Blauen waren. Es gibt auch relativ mangelhaft Rote dort, aber es gibt wahnsinnig viele Grüne. Dieser Galerist hat mir nichts gespendet, er hat mir nichts gegeben, er hat keine Parteispenden abgeführt – allein deshalb, weil bekannt war, dass dieser Galerist mit mir bekannt ist, wurde er quasi öffentlich an den Pranger gestellt und zur Verantwortung gezogen! (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Kriegen Sie sicher wieder ein!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 199

Das, was wir jetzt hier diskutieren, ist die eine Seite, nämlich dass Sie sagen, wir krimi­nalisieren jede politische Partei, die Geld bekommt. (Rufe bei den Grünen: Was? Warum?) Entschuldigung, aber so, wie die Ausführungen hier zu vernehmen waren, war das Kriminalisierung einer politischen Tätigkeit. (Abg. Sburny: In welchem Film waren Sie?)

Jetzt lassen Sie mich noch sagen, dieses Argument von Josef Cap war nicht schlecht, wenn er nämlich dazu, dass sich Pelztiergegner vor Peek & Cloppenburg in der Maria­hilfer Straße aufgestellt haben, meint – da ging die Phantasie plötzlich mit ihm durch –: Freunde, vielleicht kam da irgendein Abteilungsleiter heraus und fragte: Was ist es euch wert, wenn ihr ein Häusel weitergeht?! – Das sind diese 6 000 € auf eurer Homepage. Was soll mich daran hindern, das so zu denken? (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und BZÖ sowie Beifall des Abg. Dr. Haimbuchner.)

Ich sage Ihnen jetzt noch etwas. Wenn wir auf der einen Seite diese politischen Weh­leidigkeiten von Ihnen formuliert haben, dann frage ich Sie einmal: Was passiert denn mit diesen Leuten? Und da meine ich jetzt nicht, dass die FPÖ Krokodilstränen vergießt, denn Herr Glock wird über die Parteispende schon hinwegkommen. Aber wenn wir dieses Thema so problematisieren wie hier, kann es natürlich sein, dass dann überhaupt niemand mehr Geld in die Hand nimmt.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, diese Phantasie, die Abgeordneter Cap im Ausschuss gehabt hat, hat die Öffentlichkeit schon lange. Deshalb ist die Diskussion darüber auch nicht so einfach, nicht zwei glatt und zwei verkehrt, wie Sie uns glauben machen wollen, sondern relativ kompliziert. Ich bin gerne bereit, darüber zu diskutieren, aber bringen Sie endlich einmal andere Vorstellungen, andere Vorschläge und nicht nur Verdächtigungen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und BZÖ.)

18.03


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Sburny, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 11/A(E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gläserne Parteikassen“ eine Frist bis zum 29. Jänner 2008 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

18.04.07Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 10 und 11 der Tagesordnung wieder auf.

Zum Wort gemeldet ist in dieser Debatte als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Fich­tenbauer; 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege. (Abg. Mag. Kogler: Die ÖVP ist eine Festzelttruppe! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

 


18.04.36

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Es ist ja sehr bezaubernd, den Aus­tausch dieser Zärtlichkeiten anzuhören, das bereichert das Weihnachtsgefühl. Heute ist Krampus, Nikolaus könnte vielleicht auch eine spirituelle Figur abgeben, um dem Intensivbereich der Wohlmeinungen, die zwischen den Fraktionen verbalisiert hin- und herfliegen, noch eine höhere Weihe zu geben.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 200

Zur Verhandlung steht jetzt wieder der Bericht des Verfassungsausschusses über Än­derungen des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, die den Europäischen Gemeinschaften den Beitritt ermöglichen. – Das ist eine positive Materie, wobei wir mit doch stolzer Befriedigung anmerken können, dass wir den Datenschutz in Österreich schon längst positiv leben, der Datenschutzrat seine Arbeit tätigt und wir uns in dieser Materie in Augenhöhe mit der internationalen Gemeinschaft befinden.

Es geht weiters noch um das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten betreffend Kontrollstellen und grenzüberschreitenden Datenverkehr. – Dieses Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten stellt eigentlich die wichtigste multilaterale Rechtsgrundlage für den allgemeinen Datenschutz in Europa dar. Ein Zusatzprotokoll, eben in 147 der Beilagen, dem Österreich nun beitreten soll, regelt den grenzüberschreitenden Daten­verkehr und dessen Kontrolle.

Durch den Beitritt soll in Österreich die Einrichtung einer nationalen und unabhängigen Datenschutz-Kontrollstelle auch auf Europaratsebene verpflichtend werden. Für Öster­reich selbst bestehen solche Regelungen schon längst im Rahmen des Datenschutz­gesetzes. Ebenfalls geregelt wird mit dem Protokoll der internationale Datenverkehr für Österreich.

Die Materie ist positiv und findet unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.07


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.07.15

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Danke, Herr Präsident! – Auch wir werden diesen beiden Vorlagen unsere Zustimmung geben, denn es ist ein wichtiges Signal, dass auch auf europäischer Ebene der Datenschutz entsprechend wichtig ist und geregelt wird: auf der einen Seite durch den Beitritt der Europäischen Union als multilaterale Organisation zu diesem Abkommen über Datenschutz und zum anderen auch dadurch – Tagesordnungspunkt 11 –, dass auch Österreich diese internationalen Bestimmungen des Europarates übernimmt, obwohl, wie schon gesagt, wir in unserem Datenschutzgesetz zumindest ähnliche Standards haben.

Es ist deshalb ein wichtiges Signal, weil wir auf der einen Seite davon ausgehen müssen, dass internationale Kriminalität, Terrorismus auch international bekämpft werden müssen, und zwar auch dadurch, dass die einzelnen Länder ihre vorhandenen Daten, zum Teil auch über eigene Staatsbürger, austauschen, nämlich dort, wo es Ver­dachtsmomente auf kriminelle Handlungen oder Organisationen gibt. Selbstverständ­lich müssen dann auch die Staatsbürger über europäisch anerkannte Rechte verfügen, die die missbräuchliche Verwendung dieser Daten zumindest erschwert, wenn nicht – was wünschenswert wäre – sogar verhindert.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber – das wird uns morgen noch beschäf­tigen – schon auf eine Problematik hinweisen, die jetzt die Bundesregierung in Öster­reich beschließen möchte, in einer Husch-Pfusch-Aktion bei einer Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes und einiger anderer Materien: Es soll jetzt flächendeckende Mobilfunkpeilungen geben, auch ohne richterliche Anordnung. Es ist überhaupt nicht klar, welche Schranken es geben wird, welche Kontrollmöglichkeiten es geben wird. Ich sage immer, die Grenze ist weit, und ein rechtschaffener Bürger braucht sich nicht


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 201

davor zu fürchten, dass es irgendwo Kameras gibt, Überwachungen et cetera, aber es gibt trotzdem Grenzen.

Dass aber Sicherheitsbehörden ohne jede Schranken jedes Mobiltelefon eines jeden Österreichers anpeilen können und exakt in jedem Moment wissen, wo sich der Betreffende gerade befindet, das klingt schon sehr nach „1984“ von George Orwell, und das wollen wir, auch wenn es den internationalen Terrorismus gibt, auch wenn es die internationale Kriminalität gibt, hier in Österreich nicht haben. (Beifall beim BZÖ.)

18.09


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac; ebenfalls 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Kol­legin.

 


18.10.01

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich kann es kurz machen. Es ist ja schon ausgeführt worden: Dieses Übereinkommen musste geändert werden, damit die Europäische Union als Ganzes auch beitreten kann, denn bis jetzt konnten das nur Staaten. Jetzt wird es auch für die EU möglich sein, beizutreten. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass die Europäische Union mit dem Europarat in diesem sehr wichtigen und sensiblen Bereich zusammenarbeiten möchte.

Das Protokoll bringt einige Ergänzungen, allerdings in erster Linie für Drittstaaten, also für Nicht-EU-Mitglieder, da es bereits seit 1995 eine EU-Richtlinie zum Datenschutz gibt und Österreich diese Richtlinie selbstverständlich erfüllt hat. Das heißt also, dass wir keine weiteren Schritte setzen müssen.

Es ist aber eine Gelegenheit, anlässlich dieser Debatte der Datenschutzkommission den Dank dafür auszusprechen, dass sie doch immer wieder die Sammelwut, was Daten betrifft, einschränkt und verhindert, dass die Menschen total gläsern, total beobachtet und untersucht sind. Und das ist sehr positiv. (Beifall bei der SPÖ.)

18.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Frau Staatssekretärin Silhavy zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


18.11.38

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy: Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Die Diskussion hat bewiesen, dass wir in Österreich über alle Parteigrenzen hinweg einen doch einheitlichen Standpunkt vertreten, was daten­schutzrechtliche Standards im Großen und Ganzen anbelangt. Ich bedanke mich für die breite Zustimmung zu den vorliegenden Materien. (Allgemeiner Beifall.)

18.12


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Änderungen des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, die den Europäischen Gemeinschaften den Beitritt ermöglichen (42 der Beilagen), die Genehmigung zu erteilen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 202

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten betref­fend Kontrollstellen und grenzüberschreitenden Datenverkehr (147 der Beilagen), die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

18.13.0712. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (302 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichts­gesetz 1988 geändert werden, und über die

Regierungsvorlage (285 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafrechtsänderungsgesetz 2008) (331 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG), das Strafgesetzbuch, die Straf­prozessordnung 1975 und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden (SMG-Novelle 2007) (332 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 141/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug im Strafgesetzbuch ausgeweitet wird (333 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 147/A(E) der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuständigkeit zur bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug (334 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. 3 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.14.26

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Ich weiß nicht, wo die Ministerin ist, aber vielleicht kommt sie später noch. Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Wir sind über die Verbesserung der Straf-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 203

gesetzgebung in Summe, aber insbesondere, was die bedingte Haftentlassung betrifft, sehr froh. Das entspricht einfach einer modernen aufgeklärten Gesellschaft, wenn Straffällige eine Chance bekommen, sich wieder in die Gesellschaft sozial einzu­gliedern. Ich weiß, dass Rechtskonservative das nicht so sehen. Das war immer schon so. Das ist nichts Neues. Glücklicherweise gibt es eine historische Parallele zwischen der Entwicklung einer Gesellschaft und einem humanen Strafvollzug, der sicher nicht zum Nachteil der Gesellschaft war.

Wir finden es allerdings schade – das sind so kleine Wermutstropfen –, dass das Argu­ment der Generalprävention im Gesetz nicht fallengelassen wurde und dass über die bedingte Entlassung nicht eine Kommission, also neben dem Vollzugsgericht auch noch die Staatsanwaltschaft und die Bewährungshilfe entscheiden können, aber das kommt vielleicht auch noch im Zuge der Entwicklung dieser Gesellschaft.

Eine Kleinigkeit liegt uns noch am Herzen: Im Ausschuss haben wir eine gemeinsame Feststellung zu Art. 3 des Gesetzes getroffen, wonach anstelle der Ersatzstrafe gemeinnützige Arbeit geleistet werden kann. Diese wollen wir jetzt mit einem Ent­schließungsantrag absichern, denn eine gemeinsame Feststellung hat ja keine ver­bindliche Wirkung.

Ich hoffe, dass Sie auch, so wie im Ausschuss, diesem Entschließungsantrag zustim­men.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erbringung gemeinnütziger Leistung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesminister für Justiz bzw. Wirtschaft und Arbeit, wird aufgefordert, bei der Umsetzung des vorliegenden Gesetzes in Zusam­menhang mit der ‚Erbringung gemeinnütziger Leistungen‘ dafür Sorge zu tragen, dass diese Erbringung gemeinnütziger Leistungen durch LeistungsbezieherInnen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht als Einschränkung der Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AIVG gewertet wird.“

*****

Überlegen Sie, ob Sie dem nicht auch jetzt wieder zustimmen können! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Zinggl eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erbringung gemeinnütziger Leistung, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (302 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvoll­zugs­gesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert


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werden und über die Regierungsvorlage (285 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Straf­gesetzbuch geändert wird (Strafrechtsänderungsgesetz 2008) idF. des Ausschuss­berichts 331 d.B.

Begründung

Die Erbringung gemeinnütziger Leistung darf nicht zu einer "Bestrafung" der Betrof­fenen durch verschärfte soziale und existenzielle Ausgrenzung führen. Es darf nicht so sein, dass die Erbringung gemeinnütziger Leistungen den Verlust der Existenzgrund­lage nach sich zieht, da dies der Intention des Gesetzes zuwiderlaufen würde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesminister für Justiz bzw. Wirtschaft und Arbeit, wird aufgefordert, bei der Umsetzung des vorliegenden Gesetzes in Zusam­menhang mit der ,Erbringung gemeinnütziger Leistungen‘ dafür Sorge zu tragen, dass diese Erbringung gemeinnütziger Leistungen durch LeistungsbezieherInnen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht als Einschränkung der Verfügbarkeit am Ar­beitsmarkt gemäß § 7 Abs.1 Z.1 AlVG gewertet wird.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.17.15

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es geht um eine Materie, die wir im Ausschuss ja länger diskutiert haben und die sich, wie Kollege Zinggl auch schon gesagt hat, nach einer vernünftigen Strafrechtspolitik richtet und wo mit großer Umsicht zu mehr Effizienz im Strafvollzug geführt wird.

Wir wissen, dass wir mit dem österreichischen Strafvollzug im internationalen Kontext teilweise nachhängen. Wir haben die bedingte Entlassung in Österreich in einem wesentlich geringeren Ausmaß als in Deutschland und in der Schweiz derzeit durch­geführt, und es bedarf daher legistischer Überlegungen, legistischer Schritte, um hier eine Verbesserung herbeizuführen. Nicht umsonst wird das Paket auch als Sicher­heitspaket bezeichnet (ironische Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler) und wird in Zukunft zu einer weiteren Verbesserung in Richtung geringere Rückfallsquoten führen.

Ich möchte jetzt nicht noch einmal das Projekt Jugendgerichtshof anführen, wir hatten das in der Vergangenheit ja erlebt. Das war ein Projekt, das in ganz Europa einzigartig geringe Rückfallswerte aufgewiesen hat. Daher wurde es auch entsorgt in der letzten Regierung unter Minister Böhmdorfer. (Abg. Dr. Brinek: Es wurde nicht entsorgt!) Insofern sieht man auch, dass hier sicher nicht die Vernunft im Vordergrund gestanden ist. Kollege Westenthaler hat da, glaube ich, mit wenig Sachkompetenz jedenfalls auch mitgewirkt. Das Ergebnis sehen wir jetzt alle, es gibt hier massive Verschlechterungen. Ich glaube daher, dass es sehr gut ist, sich dieser Überlegungen wieder zu besinnen und diese umfassende Institution wieder aufzunehmen und Verbesserungen herbei­zuführen. – Das ist also die eine Thematik zum Strafrecht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 205

Es gibt, da Frau Kollegin Wurm heute nicht hier ist, für mich auch noch einiges zur Suchtmittelgesetznovelle zu sagen. Da gibt es einen EU-Rahmenbeschluss vom 25. Oktober 2004, der umzusetzen ist. Der Beschluss sieht Strafrahmen vor, die jetzt umzusetzen sind, und zwar geht es dabei im Wesentlichen um Verschärfungen der Strafrahmen. Es gibt eine Erhöhung der Strafdrohung für mehrere Tathandlungen. Es gibt eine dezidierte Strafbarkeit beim Anbau von Opium, Mohn, Kokastrauch und Can­nabispflanzen, sofern dieser der Suchtgiftgewinnung dient. Es werden auch die Pilze mit dem Wirkstoff Psilocybin verboten. Es gibt Qualifikationstatbestände bei Vorsatz­delikten, Suchtmittel in Verkehr zu setzen.

Es ist trotzdem gelungen, die in Österreich sehr erfolgreich angewandte Thematik „Behandlung statt Strafe“ umzusetzen. Es gibt den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung nach § 35. Hier wird ausgebaut. Das heißt, es besteht die Möglichkeit – und das ist ja eigentlich immer das Erfolgversprechendste an Strafmaßnahmen – im jeweili­gen Einzelfall eine entsprechende maßgeschneiderte Maßnahme zu setzen und sich anzuschauen: Wie ist der beste Umgang mit dem Betroffenen/mit der Betroffenen? Mit welcher Wahrscheinlichkeit kann man hier einen Rückfall verhindern? Was ist hier das zielorientierteste Instrument?

Das wurde also hier in der Vorlage ausgearbeitet, sodass wir hier Therapie statt Strafe in den Vordergrund gestellt haben, neben den zwangsläufig umzusetzenden Notwen­dig­keiten im Rahmenbeschluss. Wir glauben daher, dass das Gesamtpaket einen weiteren Schritt hin zu einer vernünftigen, effizienten Justizpflege bringen wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Strache. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.21.21

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Wir haben jetzt einige Begrifflichkeiten zu diesem Tages­ordnungspunkt gehört, nämlich „modern“ und „aufgeklärt“ sei es, wenn man Verbrecher prinzipiell frühzeitig und bedingt entlässt. Na ja, ob das alle Opfer und die betroffene Bevölkerung, die dann von solchen Tätern, die eben bedingt und vielleicht vorzeitig entlassen worden sind, erst recht wieder Opfer werden, genauso sehen, das wird die Bevölkerung zu bewerten wissen.

Ich glaube, dass wir insgesamt Opferhilfe und Bürgerschutz in den Vordergrund stellen sollen. Und ich glaube auch, dass Therapie selbstverständlich für Straftäter dort, wo es notwendig ist, angewandt werden muss, aber bitte nicht Therapie statt Strafe, sondern Therapie trotz Strafe. Und das ist genau das, was der Herr Jarolim gerade gegenteilig gesagt hat: Therapie statt Strafe. Und das kann es nicht sein, sondern wenn, dann hat beides zu erfolgen: dass man auf der einen Seite dem Täter natürlich auch hilft und ihn therapiert, aber gleichzeitig er auch seine Strafe abzusitzen hat.

Das Haftentlassungspaket, das heute beschlossen wird, ist leider wieder ein großer Schritt in eine falsche Richtung. Schon jetzt werden immer mehr Häftlinge bedingt entlassen. Diesen Anteil zu steigern, um die überfüllten Gefängnisse zu entlasten und sich dabei Geld zu ersparen, ist sicherlich nicht der richtige Weg. Wir haben immer mehr Kriminalität, immer weniger Aufklärung. Wir haben überhaupt nur mehr 36 Pro­zent Aufklärungsquote, und da muss man sicherstellen, dass mehr Hafträume vor­handen sind, um die Kriminellen dort einsperren zu können. Da muss man sicher­stellen, dass ausreichend Justizwachebeamte angestellt werden, um das Problem auch lösen zu können, und nicht das Gegenteilige tun: die Verbrecher nicht einsperren oder frühzeitig entlassen. Das ist sicherlich ein Weg in die falsche Richtung.


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Dieser Vorstoß, die Häftlingszahlen zu verringern, geht eindeutig auf Kosten der Sicher­heit der Menschen im Land und in Österreich. Das möchte ich an Zahlen festmachen. Es wird hier immer von Vernunft und Sachlichkeit und Sachkompetenz gesprochen, aber keiner zeigt auf, welche Zahlen es gibt, wo man das ja bemessen kann. Und schauen wir uns die Zahlen an: Im Jahr 2005 wurden 45 691 Personen ver­urteilt. Davon waren 22 402 Personen vorbestraft, also Personen, die schon Vorstrafen gehabt haben. Von diesen hatten 11 533 Personen sogar mehr als drei Vorstrafen. Es waren also nicht Einzeltäter, wo halt einmal etwas passiert ist, nein, das waren Täter, die mehrfach schon Verbrechen begangen haben. Und von den 7 136 Personen, die zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, waren über 6 055 Personen vorbestraft. Das entspricht einer Quote von 84,85 Prozent.

Das sind die Fakten, auf die wir uns beziehen sollten! Da kann man doch nicht her­gehen und sagen: Das negieren wir einfach. Er ist halt schon dreimal vorbestraft, ist schon dreimal unbedingt gesessen, na ja, soll er halt noch eine Chance bekommen! – Das sind immer wieder Chancen auf dem Rücken der Bevölkerung, die das dann auszubaden hat. Das ist genau der Punkt, um den es geht.

Im Jahr 2006 hat es 13 000 Haftantritte gegeben. 4 857 Personen hatten zumindest eine Haftstrafe hinter sich.

Man kann der rasant steigenden Kriminalität und den Kriminalitätsraten nicht begegnen damit, dass man einfach den Strafrahmen reduziert. Mit Strafrahmenreduktion wird man der Gewalt und der Kriminalität in unserer Gesellschaft mit Sicherheit nicht begeg­nen können, genauso wenig wie nur mit einer Haftrahmenerhöhung. Aber die Haft­rahmenerhöhung ist sicherlich besser geneigt, dagegen zu wirken, als eine Haftver­kürzung, weil das spricht sich natürlich herum. Natürlich gibt es leider auch schwarze Schafe im Asylwesen in Österreich, die keine Einzelfälle sind, Asylwerber, die straftätig und straffällig sind.

Das hat die „Kronen Zeitung“ sehr gut am heutigen Tag, am 5. Dezember, aufgezeigt:

„Asylwerber als ‚Panzerknacker‘: 80 Tresore in Filialen einer großen Supermarkt-Kette soll eine Georgier-Bande aufgeschnitten ... haben.“ „Alle Männer im Alter von 20 bis 38 Jahren leben als Asylwerber schon bis zu drei Jahre (durch Mehrfach-Anträge mit verschiedenen Alias-Namen) in Österreich. Die Georgier waren politisch so ‚verfolgt‘, dass sie oft nach Hause kamen. Natürlich bequem im Flieger ...“

Das ist ja hoch interessant, was alles möglich ist: vorbestrafte Asylwerber, die frei herumlaufen, nicht im Gefängnis sitzen, weiterhin tätig sein können. Das sind Reali­täten, mit denen wir uns auseinandersetzen sollten und die zeigen, dass einiges schief läuft und offenbar trotz unserer Gesetzeslage so etwas möglich ist. Und genau das sollte uns beschäftigen.

Von den insgesamt 45 691 gerichtlichen Verurteilungen des Jahres 2005 entfielen über 31 600 Verurteilungen auf Personen mit österreichischer Staatsangehörigkeit. 14 073 Ver­urteilungen betrafen ausländische Staatsbürger. Und das ist durchaus ein beacht­licher Anteil von ausländischen Kriminellen, von der organisierten Kriminalität, von Banden – durchaus oftmals osteuropäischen Banden – von insgesamt 30,8 Prozent, die wir hier für bestimmte Deliktgruppen festmachen können und müssen.

Im Jahre 2006 wurde gegen 13 295 Asylwerber als Tatverdächtige ermittelt. 2 592 davon waren strafunmündig. Natürlich haben wir offenbar auch den Eindruck, wenn wir heute über dieses Thema sprechen, dass viele hier vergessen haben, was vor über einem Jahr Thema auch in der Medienlandschaft war, dass es nämlich Inserate in kaukasischen Zeitungen gegeben hat, die quasi für Urlaubsaufenthalte in komfortablen österreichischen Haftanstalten geworben haben, wo Luxusgefängnisse in Österreich


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beschrieben worden sind und von genau solchen die Rede war, wo es hieß, dass man bei uns bei gewissen Straftaten keine Angst haben muss, weil man da im Gefängnis sehr nobel, gut ausgestattet, mit Fernsehapparat et cetera, sitzt und auch noch früh­zeitig entlassen wird und vielleicht dann sogar noch ein Geld dafür bekommt! Ob das einen georgischen Mafioso oder einen tschetschenischen Mafioso abschreckt, wage ich mehr als zu bezweifeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb dürfen wir uns der Realität hier nicht verschließen und müssen das Problem der ausufernden Kriminalitätsraten und auch der organisierten Kriminalität sehr ernst nehmen, die durchwegs eine oftmals importierte ist, und müssen hier auch entgegen­wirken. Da wird es uns nicht helfen, wenn man das Gutmenschentum lebt, das von den Grünen, aber auch anderen multikulturellen Träumern zum Besten gegeben wird, wo man gemeinsam auch mit einer durchaus vorhandenen Asylindustrie kriminelle Schein­asylanten verteidigt, straffällig gewordene Zuwanderer systematisch als Opfer ver­harm­lost und letztlich den Österreichern suggeriert, dass sie vielleicht auch noch Schuld daran tragen, dass die armen Asylhascherln zu Kriminellen geworden sind.

Das ist oftmals das, was wir in der ganzen Debatte wahrnehmen müssen. Diese Täter-Opfer-Verkehrung ist einfach unerträglich und führt zu Pseudolösungen und letztlich auch zu dem völlig falschen Haftentlassungspaket, das wir heute hier vorfinden und heftig kritisieren müssen. Da ist die Frau Justizministerin auf den Spuren Brodas unter­wegs, aber auch die ÖVP, die das mit unterstützt. Unser Weg ist das nicht für Österreich. Wir haben ein anderes Sicherheitskonzept im Gegensatz zur ÖVP und zur SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

18.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.29.32

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Herr Kollege Strache, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen: Die ÖVP ist nicht auf Broda’schem Kurs! (Abg. Strache: Voll! Voll!) Wir garantieren für die Sicherheit Österreichs auch mit dieser Gesetzesvorlage. Sie können ruhig zustimmen.

Wie wir schon gehört haben, geht es bei dieser Vorlage darum, letztlich mehr Sicher­heit für die Österreicherinnen und Österreicher zu bieten. Mir hat es persönlich leidgetan, dass dieses Paket von Beginn an mit dem verunglückten Namen „Haft­entlas­tungspaket“ in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, denn uns geht es sicherlich nicht darum, einfach aus finanziellen Gründen beziehungsweise aufgrund von zu wenig Haftraum mehr Leute auf die Straße zu bringen, sondern es geht um die Sicherheit. Und wenn man die Sicherheit im Auge hat, dann muss man sich schon auch einge­stehen, dass es natürlich sinnvoller ist, jemanden, der eine ihm zu Recht zuerkannte Strafe verbüßt, nicht bis zum letzten Tag, bis zur letzten Sekunde im Gefängnis zu halten und ihn dann auf die Straße zu stellen und zu sagen: Mach, was du willst!, sondern am Ende der Strafe dann durch eine bedingte Entlassung (Abg. Ing. Westen­thaler: Und das ist Sicherheit, oder was?) mit Bewährungshilfe, mit Auflagen – und da wird es auch darum gehen, dass das von den Gerichten auch umgesetzt wird (Abg. Strache: Das führt dann zu den Fällen in der Justizanstalt ...!) – die Überwachung zu verlängern, mit der Bewährungshilfe auf dem Weg zurück, bei der Resozialisierung zu unterstützen und dann letztlich auch weniger Rückfälle zu verzeichnen. (Abg. Strache: So wie jetzt bei dem Freigänger aus der Justizanstalt ..., der jetzt überführt wurde,


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sechs Raubüberfälle begangen zu haben!) Das ist der Weg in die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger.

Aber es geht nicht darum – und das war leider am Beginn eben diese verunglückte Diskussion –, zu sagen: Zu wenig Haftraum, deshalb mehr Leute auf die Straße. Wenn – und dazu steht die ÖVP, dazu stehen wir – wir Haftraum brauchen, dann soll zusätzlicher geschaffen werden, wie jetzt in Wien Gott sei Dank eine weitere Strafanstalt geschaffen wird. Und wenn es um die Sicherheit geht, wenn also solche Maßnahmen wie bedingte Entlassung unter ganz klaren Voraussetzungen, mit entsprechender Überwachung, mit Auflagen und strengen Regeln ein Mehr an Sicherheit bringen, dann werden wir diese Maßnahmen auch setzen, und das tun wir heute mit diesem Gesetzespaket.

Wir tun noch mehr: Wir ermöglichen, dass gerade ausländische Straftäter einerseits natürlich ihre Strafe zu verbüßen haben, auf der anderen Seite aber, weil dort eine bedingte Entlassung klarerweise nicht in Frage kommt, bewahren wir die Öster­reicherinnen und Österreicher davor, dass diese Straftäter nach kurzer Zeit wieder nach Österreich zurückkehren, weil der Druck, weil die Abschreckung durch das Instru­ment, das hier enthalten ist, entsprechend erhöht wird: Wenn ein solcher Straftäter, der bei einem Strafrest gegen Rückführung in sein Heimatland entlassen wird, wieder einmal seinen Fuß auf österreichisches Territorium setzt, dann sitzt er in der nächsten Sekunde im Gefängnis. (Abg. Ing. Westenthaler: Das glauben aber auch nur Sie!) Und das wird ihn davon abhalten – davon bin ich überzeugt –, dass er nach Österreich kommt. Wo immer er sich sonst herumtreiben mag – nicht hier, nicht in unserem Land.

Daher glaube ich, dass es ein gutes Paket ist, das wir hier geschnürt haben, und dass es gut war, auch im Suchtmittelbereich entsprechende abschreckende Maßnahmen zu setzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle und die Österreicherinnen und Öster­reicher können sicher sein, dass die ÖVP, eine Partei der Mitte, auch diesen Weg der Mitte weiter gehen wird (Abg. Strache: Das ist weit links! Das ist bei Broda! Das ist keine Mitte!): den Weg der Mitte zwischen Broda, gefängnisloser Gesellschaft, und dem Weg, den Herr Strache heute vorgezeichnet hat: alle möglichst ins Gefängnis, und das lebenslang. (Abg. Strache: Nein, nein! Sie sind für die Haftentlassung! Wenn das der Weg der Mitte ist, dann lachen die Hühner!) Der Weg der Mitte ist der Weg der Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der ÖVP.)

18.33


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Ing. Wes­tenthaler. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.33.16

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Kollege Donnerbauer, das war jetzt alles sehr nett, was Sie uns da gesagt haben. Heute um 9.30 Uhr hat das noch ein bisschen anders geklungen – aber das ist eben wie so oft bei der ÖVP: die Presseaussendung klingt anders, als man dann hier vom Rednerpult spricht –: Sie haben der Ministerin ein massives Glaubwürdigkeitsproblem vorgeworfen und haben gesagt, das ist ein Wahnsinn, dass die Justizministerin Gesetzesvorlagen, die noch dazu ihr Ressort betreffen, nicht genau liest und einfach zustimmt. (Abg. Strache: Na ja, das sind die Widersprüche bei der ÖVP! So weit links ist sie schon! So weit links ist die ÖVP gesellschaftspolitisch!)

Ich habe heute und jetzt den Eindruck, dass Sie es nicht genau gelesen haben und zustimmen. Wenn Sie es nämlich genauer gelesen hätten, dieses Haftentlas­sungs-


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paket, dann könnten Sie nicht zustimmen! Aber da Sie hier zustimmen, ist völlig klar: Die ÖVP ist mit diesem Haftentlassungspaket als Sicherheitspartei abgetreten, Herr Kollege Donnerbauer. (Beifall beim BZÖ.)

Ich werde Ihnen jetzt auch erklären, warum: Glauben Sie denn wirklich allen Ernstes, Herr Kollege Donnerbauer – und ich frage mich wirklich: wie naiv kann man denn sein? –, dass Ausländer, die jetzt die Gelegenheit bekommen, wenn sie keine höhere Strafe als drei Jahre ausgefasst haben, nach der Hälfte der Haftzeit freigelassen zu werden, dann Hand in Hand mit der Sicherheitsexekutive, mit den Behörden an die Grenze gehen, sich dort vielleicht noch einmal abbusseln – dann wird noch gewunken und gesagt: Auf Wiedersehen!, danke, dass Sie nach der halben Haftzeit unsere Gefängnisse verlassen haben! – und dann nie wieder kommen? – Das glaubt der Herr Donnerbauer: Nie wieder kommt er!

Herr Donnerbauer und vor allem auch die KollegInnen von der SPÖ und Frau Ministerin, reden Sie auch mit Exekutivbeamten darüber, was es da für Schmähs gibt, wie oft die wieder da sind, dieselben Leute? Sie heißen anders, haben eine andere Identität, aber immer dasselbe Gesicht! Die kommen wieder! Der Unterschied ist nur, Herr Kollege Donnerbauer, dass sie eben nicht in der Sekunde, wo sie das Land betreten, festgenommen werden, sondern sie werden vielleicht dann festgenommen, wenn sie wieder eine Straftat begangen haben: einen Raub, einen Überfall oder gar einen Mord. Und für jede weitere Straftat eines vorzeitig Entlassenen übernehmen dann Sie und auch die Justizministerin die Verantwortung! – Wir übernehmen sie nicht, denn wir sind gegen dieses Haftentlassungspaket, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn es ist absolut eine Gefahr, was Sie hier aufführen! Es ist eine Gefahr! (Beifall beim BZÖ.)

Kollege Jarolim ging hier ans Rednerpult und sagte noch vor zwei Stunden bei der Debatte zum Dringlichen Antrag: Ja, wir verschärfen ohnehin die Gesetze, und wir schauen auch, dass diese Straftäter im Gefängnis bleiben, vor allem bei den schweren Delikten! – Es stimmt nur nicht. Es ist nicht wahr.

Wir haben jetzt, und das sind die offiziellen Zahlen, in den ersten Monaten des Jahres 2007 1 368 bedingte vorzeitige Entlassungen – ich zitiere Frau Ministerin Ber­ger aus der Beantwortung der Dringlichen Anfrage –, und wir haben 1 458 Personen im gelockerten Vollzug. Und jetzt kommt noch eine Zahl dazu: Allein durch diese Gesetzesänderung, durch dieses Haftentlassungspaket, kommen noch einmal 1 000, die vorzeitig entlassen werden, dazu – schön aufgeteilt: ungefähr 50 Prozent Auslän­der, 50 Prozent Inländer.

Wenn ich dann noch die Begnadigungen dazuzähle, so 500 im Jahresschnitt, dann komme ich auf eine unglaubliche Zahl von 3 000 Häftlingen, die vor Absitzen ihrer Strafzeit auf die Bevölkerung losgelassen werden. Das ist ein Skandal, und das ist Unsicherheit und nicht Sicherheit, Herr Kollege Donnerbauer! (Beifall beim BZÖ.) Und deswegen verstehe ich nicht, dass Sie hier zustimmen können.

Und dann kommt dazu noch der gelockerte Strafvollzug. Ist auch klar, wunderbar. Wir haben schon jetzt zusammen, in Summe, 200 000 Freigangstermine im Jahr! Und dann kommt es eben vor, dass solche Termine nicht nur zum Arztbesuch oder für die Therapie oder für Sonstiges genutzt werden, sondern, wie es zuletzt in Wien der Fall war, dass jemand, ein Freigänger, ein sechsjähriges Mädchen in der Schule auf der Toilette vergewaltigt. (Abg. Strache: Oder Trafikanten überfällt!) Das war nämlich ein Freigänger!

Da sind wir auch der Meinung, dass das zu großzügig gehandhabt wird. Es kann doch nicht sein, dass Menschen, die wegen Sexualstrafdelikten schon amtskundig waren – und das war hier der Fall: der war schon einmal angezeigt wegen dieser Delikte –,


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dann auch noch großzügig Freigang bekommen! – Und dazu sagt die Ministerin jetzt: Das ist alles kein Problem, in Zukunft bekommt er Fußfesseln!

Glauben Sie, dass sich derjenige, der in die Schule gegangen ist und das Mädchen dort vergewaltigt hat, von Fußfesseln abhalten hätte lassen? Der wäre doch genauso auch mit Fußfesseln dort hingegangen! Eine solche Maßnahme bringt doch überhaupt nichts! In solchen Deliktsbereichen, wenn es um Sexualstraftaten geht und wenn es um die Sicherheit der Kinder geht, dürfen wir nicht die Augen zudrücken und Gefan­gene wieder freilassen! – Das ist das, was wir kritisieren, Frau Ministerin! (Beifall beim BZÖ.)

Und das tun Sie, weil Sie in diesem Gesetz überhaupt keine Differenzierung nach der Deliktsart vornehmen. Es wird überhaupt nicht differenziert! Es wird über den Kamm geschoren, dass bedingte Entlassungen künftig leichter möglich gemacht werden.

Frau Ministerin, diesbezüglich habe ich jetzt noch eine Frage. Sie haben uns ja dankenswerterweise am 17. Oktober in Beantwortung unserer Dringlichen Anfrage diese Zahlen der bedingten Entlassungen und vorzeitigen Entlassungen genannt, aber wir haben damals noch eine Zusatzfrage gestellt, nämlich die Frage, nach welchen Deliktsgruppen sich die schon jetzt Freigelassenen aufteilen. Und darum geht es ja: Es laufen ja schon jetzt nahezu 2 000 vorzeitig Entlassene herum, und uns interessiert, nach welchen Deliktsgruppen sich diese vorzeitig Entlassenen aufteilen.

Sie haben uns damals gesagt – und ich habe das durchaus verstanden –, es war „in der Kürze der Zeit nicht möglich“, diese Daten zu liefern. „Das reichen wir gerne schrift­lich nach.“ – Zitatende.

Das war am 17. Oktober, Frau Ministerin. Ich darf Sie heute, einige Wochen danach, wo Sie genug Zeit gehabt haben, uns die Deliktsgruppen auszusortieren, höflichst ersuchen und bitten, uns diese Deliktsgruppen zu nennen, denn ich habe einen fürchterlichen Verdacht. Und dieser Verdacht lautet – da Sie das auch nicht ausge­schlossen haben –, dass schon unter den jetzt vorzeitig frei herumlaufenden Straf­tätern ein Großteil auch an Sexualstraftätern, möglicherweise auch an Kinderschän­dern ist. Und mich interessiert das wirklich brennend, ob wir derzeit eine Gesellschaft sind, die Sexualstraftäter und Kinderschänder schon vorzeitig freigelassen hat! – Das hat mit dem heutigen Gesetz noch gar nichts zu tun, denn das wird es noch schlimmer machen. Aber nennen Sie uns bitte diese Deliktsgruppen! Sie sind es der Öffentlichkeit schuldig, Sie sind es uns schuldig, Sie sind es dem Hohen Haus schuldig, denn Sie haben es am 17. Oktober versprochen. Ich bin sehr interessiert, zu hören, wie diese Zahlen ausschauen. Nennen Sie uns diese Zahlen, wir wollen sie wissen, Frau Ministerin! Sie sind nämlich wichtig für die Gesamtbeurteilung. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist dieses Gesetz insgesamt von uns völlig und gänzlich abzulehnen. Es untergräbt auch den generalpräventiven Gedanken. Es wird keine Abschreckung mehr dagegen geben, nach Österreich zu kommen und hier eine Straftat zu begehen – man muss als Ausländer nur darauf achten, dass sie nicht über drei Jahre Freiheitsstrafe nach sich zieht. Als Inländer hat man sowieso die Möglichkeit, bedingt vorzeitig entlassen zu werden.

Und: Mit diesem Gesetz wird letztlich auch ein Schritt gesetzt, der zwar am Ende für die Opfer immer die volle Härte bedeutet – denn Opfer haben immer die volle Härte –, aber künftig für die Täter nur die halbe Strafe. Und das ist etwas, wo ich auch nicht verstehe, Herr Generalsekretär Missethon, der Sie so oft hier am Rednerpult stehen und für die Sicherheit sprechen, dass Sie und Ihre Partei einem solchen Haftentlas­sungspaket zustimmen, durch das mehr an Gefährdung für die Menschen auf uns zukommt und weniger an Sicherheit (Abg. Strache: Weil die ÖVP keine Sicher­heits-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 211

partei ist!) – und das in Zeiten einer steigenden Kriminalität! (Abg. Strache: Weil die ÖVP keine Sicherheitspartei ist! Das ist der Grund!)

Sie wissen es ganz genau: Wir haben derzeit in Österreich 70 Straftaten pro Stunde. Wien wird zum Banküberfall-Mekka. Noch nie gab es so viele Banküberfälle von organisierten ausländischen Banden wie jetzt in Wien! Niemand wird festgenommen, und wenn jemand festgenommen würde, hätte er auch kein Problem, weil er ohnedies gleich wieder freigelassen wird. – Das kann es nicht sein. Das lehnen wir ab, und das ist auch keine Politik im Sinne der Sicherheit!

Ein letzter Aspekt, Frau Justizministerin: Der Strafvollzugsexperte, der Ihnen ja ein Begriff ist, Herr Gratz, hat erst vor wenigen Tagen, nämlich am 15. November, im „Standard“ ein Interview gegeben, in dem er Folgendes gesagt hat: Die allgemeine Rückkehrrate in den Strafvollzug – die allgemeine, von allen Delikten! – beträgt rund 50 Prozent.

Umgelegt auf die 3 000 vorzeitig bedingt Entlassenen, die künftig durch dieses Gesetz entlassen werden, müssen wir davon ausgehen, dass jeder Zweite wieder zurück­kommt. Das heißt, dass jeder Zweite wieder eine Straftat begeht und dass jeder Zweite wieder ein Opfer verursacht. – Und das lehnen wir ab, dass wir dann 1 500 weitere Straftaten haben werden.

Frau Ministerin, lassen Sie ab von so einer Politik! Menschen, die in diesem Land Verbrechen begehen und auch schwere Verbrechen begehen, und da zähle ich auch Verbrechen dazu, die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind – wenn einer drei Jahre bekommt, dann muss er schon einiges angestellt haben! –, haben kein Recht, dass sie vorzeitig entlassen werden, dass sie in einen gelockerten Strafvollzug kommen und dass sie wieder Menschen in diesem Land gefährden oder zu Schaden kommen lassen. Deswegen lehnen wir dieses Gesetz eindringlichst ab. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das war ja wirklich purer Schwachsinn!)

18.42


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.42.12

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine ge­schätz­ten Damen und Herren! Hohes Haus! Eine lange Tradition hat die Zusammen­arbeit im Justizausschuss, die – und ich bedanke mich bei allen – sehr sachlich ist. Das war jetzt hingegen Polemik – das ist schon ein vornehmer Ausdruck dafür –, und es wird nicht besser. Wir haben das letzte Mal über diesen Fall diskutiert: So traurig er war – ich habe Ihre Darstellung schon damals richtig gestellt, aber Sie wollen das nicht zur Kenntnis nehmen. Sie haben es wiederholt und wieder falsch erzählt. Aber es hört sich für die Bürgerinnen und Bürger eben gut an. (Abg. Ing. Westenthaler: Na, was ist richtig? War es ein Freigänger oder nicht?) Nein, er war auf Ausgang und nicht verurteilt wegen des Delikts, im Gegensatz zu dem, was Sie immer behaupten. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber angezeigt!) Das war damals falsch und ist immer noch falsch! (Abg. Ing. Westenthaler: Aber bei der Exekutive angezeigt!)

Meine geschätzten Damen und Herren, ich glaube ja, dass niemand annehmen wird, dass wir einen Hendldieb lebenslang einsperren und nicht mehr herauslassen. Irgendwann wird jeder nach Verurteilung in einem Rechtssystem – zu dem wir, glaube ich, stehen, zu dem wir Vertrauen haben – entlassen. Und wenn der Strafvollzug einen Sinn machen soll, dann ist, nach der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die


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Resozialisierung, die Vorbereitung darauf, wieder ein Leben in Freiheit zu führen, die zweitwichtigste Aufgabenstellung.

Und da, Frau Minister, herzlichen Dank Ihnen und der ganzen Justizbelegschaft, weil ich glaube, dass in diesem Bereich unter den gegebenen Rahmenbedingungen hervor­ragende Arbeit geleistet wird. Das muss man hier auch einmal in aller Klarheit zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe es euch vom BZÖ schon ein paar Mal gesagt: Ihr habt eure eigene Ministerin, die vorige Ministerin, im Regen stehen lassen und habt sie abgeschirrt beim Personal und beim Geld. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer?) – Die Vorgängerin der jetzigen Frau Justizministerin. (Abg. Ing. Westenthaler: Na, wie hat die geheißen? Wer war das? – Der weiß nicht einmal, wie die heißt!) – Machen wir uns nicht lustig, sondern halten wir ganz einfach fest: Ihr habt sie im Regen stehen lassen!

Frau Bundesministerin! Ich möchte mich nur, weil mir die Anliegen des Strafvollzuges zu wichtig sind, ganz einfach herzlich für das Engagement bedanken, dafür, dass Sie die richtige Richtung einschlagen und die Motivation dafür erkennen. Ich bin froh, dass der Vorsitzende des Justizausschusses das auch zum Ausdruck gebracht hat. Ich glaube, das Paket ist ein richtiges, es geht in die richtige Richtung, indem man auf der einen Seite klar sagt, wer in unseren Anstalten zu verbleiben hat, und auf der anderen Seite, wer für die Zukunft in einem freien Leben vorbereitet wird und wie er vorbereitet wird, denn wir reden ja von Menschen – ich glaube, da sind wir alle einer Meinung. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) Es geht nicht um Polemik, es geht um Menschen.

Ich möchte aber noch einen Punkt hinzufügen: Sicherheit ist ein globaler Begriff. Ich glaube, wir sollten, bevor noch Straftaten gesetzt werden, darauf achten, dass wir ein soziales, gesichertes Umfeld haben, denn dann ersparen wir uns auf der einen Seite, dass es zu unnötigen Straftaten kommt, und wir ersparen uns auf der anderen Seite auch noch die Kosten dafür, die Straftäter in unseren Justizeinrichtungen dann entsprechend zu betreuen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich würde Sie und alle Kolleginnen und Kollegen im Justizausschuss sehr herzlich einladen: Wir haben einen sehr wichtigen Bereich, nämlich den Bereich des § 21 Abs. 1 und 2. Seit Jahren bemühen wir uns, klarzumachen – und ich werde es immer wieder sagen –: Die Justiz ist keine Krankenanstalt! Wir müssen uns mit diesen heiklen Fragen irgendwann im Justizausschuss auseinandersetzen, denn, was § 21 Abs. 1 betrifft, so ist ein Täter entweder krank, dann hat er im Rahmen der Justiz nicht wirklich etwas verloren, oder man gibt der Justiz die Ressourcen, die sie dafür braucht; oder aber wir haben die Situation, wie es früher war – die Länder wollen nichts davon wissen; wir wissen ja, wie es dazu gekommen ist. Aber eines darf unterm Strich nicht herauskommen: dass alle Justizeinrichtungen Psychiatrien werden! Das darf unterm Strich nicht herauskommen, denn dafür hat die Frau Ministerin beziehungsweise die Justiz nicht die notwendigen Ressourcen.

Ich möchte aber jetzt noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Jarolim, Donnerbauer zu 331 der Beilagen: Strafrechtsänderungsgesetz 2008, 302 und 285 der Beilagen, einbringen und darf diesen im Folgenden kurz begründen.

Es geht darum, die Möglichkeit zu schaffen, die Befragung von Zeugen und Beschul­digten im Vorverfahren im Wege einer Videovernehmung durchzuführen. Diese Mög­lich­keit hat sich bewährt und trägt zur Vermeidung und Verminderung von Aufent­haltskosten und höheren Zeugengebühren bei, sodass sie auch für das neue Ermitt-


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lungsverfahren eingeführt werden soll. Weiters geht es um einige redaktionelle Ände­rungen. – Herr Präsident, ich ersuche um Verteilung dieses Abänderungs­an­trages.

*****

Ich darf weiters einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Jarolim, Donnerbauer, Fichtenbauer und Darmann einbringen, in dessen Zentrum die sogenannte Abgeord­netenbestechung steht. Es soll ein § 304a eingeführt werden, der lautet:

„Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Nationalrat, Bundesrat, in der Bundesversammlung, in einem Landtag oder Gemeinderat eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.“

*****

Herr Präsident, ich ersuche darum, die Abänderungsanträge in die Verhandlung mit auf­zunehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.48


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Pendl eingebrachte Abänderungsantrag umfangreicher Art ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Wegen seines Umfanges wird er gemäß § 53 der Geschäfts­ordnung verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Justizausschusses (331 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Straf­rechts­änderungsgesetz 2008) (302 und 285 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2008), in der Fassung des Ausschuss­berichtes (331 d. B.), wird wie folgt geändert:

1. Im Artikel II werden nach der Z 7 folgende Z 7a bis Z 7c eingefügt:

„7a. Im § 133 Abs. 2 wird das Zitat ,§ 131 Abs. 3‘ durch das Zitat ,§ 131 Abs. 2‘ ersetzt.

7b. Im § 139 Abs. 2 letzter Satz wird das Zitat ,Abs. 6‘ durch das Zitat ,Abs. 4‘ ersetzt.

7c. § 153 wird folgender Abs. 4 angefügt:

,(4) Ist der Aufenthaltsort eines Zeugen oder Beschuldigten außerhalb des Sprengels der zuständigen Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Landesgerichts gelegen, so ist es zulässig, dass die Ladung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht veranlasst wird, in deren oder dessen Sprengel sich der Zeuge oder der Beschuldigte befindet, und die Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung erfolgt.‘“

2. Nach der Z 9 werden folgende Z 9a und 9b eingefügt:


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9a. § 381 Abs. 3 Z 3 lautet:

„3. Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts 1 500 Euro,“

9b. Im § 390 Abs. 1 lautet der erste Satz:

„Wird das Strafverfahren auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendigt, so sind die Kosten in der Regel vom Bunde zu tragen.“

3. Z 13 wird wie folgt geändert:

a) In der lit. a lautet § 516 Abs. 1a:

„(1a) Die Bestimmungen der §§ 31 Abs. 3, 82 Abs. 3, 83 Abs. 2, 133 Abs. 2, 139 Abs. 2, 153 Abs. 4, 265 Abs. 1, 285e, 288 Abs. 2 Z 2a, 381 Abs. 3 Z 3, 390 Abs. 1, 409 Abs. 3, 470 Z 3, 475 Abs. 4 und 502 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XX/XXXX treten mit 1. Jänner 2008 in Kraft.“

b) lit. b lautet:

„b) Im Abs. 2 werden nach dem ersten Satz folgende Sätze eingefügt:

,Wäre für die Erledigung nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen Bestimmungen eine Anordnung oder Genehmigung der Ratskammer erforderlich, so tritt an ihre Stelle der gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 zuständige Einzelrichter des Landes­gerichts. Über sonstige Anträge, Entscheidungen und Beschwerden, für deren Erledi­gung die Ratskammer gemäß den durch das Strafprozessreformgesetz und das Straf­prozessreformbegleitgesetz I geänderten Verfahrensbestimmungen zuständig wäre, obliegt an ihrer Stelle dem Landesgericht als Senat von drei Richtern gemäß § 31 Abs. 5, das nach den neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen hat.‘“

4. Im Art. III lautet die Z 24:

„24. Im § 181 lautet die Bezeichnung des letzten Absatzes ,(15)‘ und wird folgender Abs. 16 angefügt:

,(16) Die §§ 3 Abs. 1, 3 und 5, 3a, 7 Abs. 2, 9 Abs. 1 bis 3, 15, 16, 17, 32 Abs. 4, 65, 99 Abs. 5, 99a Abs. 3, 106 Abs. 1, 118 Abs. 1 bis 3, 121 Abs. 3, 126 Abs. 5, 131 Abs. 1, 133a, 147 Abs. 2, 152 Abs. 1 und 2, 152a Abs. 1 und 3, 162 Abs. 1, 179 Abs. 1 und 2 und 180 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/XX treten mit 1. Jänner 2008 in Kraft.‘“

Begründung

Zu Artikel II Z 7a und 7b (§§ 131 Abs. 2 und 139 Abs. 2):

Durch die vorgeschlagenen Änderungen sollen Zitatfehler berichtigt werden.

Zu Artikel II Z 7c (§ 153 Abs. 4 StPO):

Mit der Strafprozessnovelle 2005, BGBl. I Nr. 164/2004, wurde im Strafverfahren die Möglichkeit geschaffen, die Befragung von Zeugen und Beschuldigte im Vorverfahren im Wege einer Videovernehmung durchzuführen (siehe §§ 156 Abs. 2 und 198 Abs. 4 StPO aF). Diese Möglichkeit hat sich bewährt und trägt zur Vermeidung von Auf­enthaltskosten und höheren Zeugengebühren bei, sodass sie auch für das neue Ermittlungsverfahren eingeführt werden soll.

Zu Artikel II Z 9a und 9b (§§ 381 Abs. 3 Z 3 und 390 Abs. 1 StPO):

Diese Änderung dient einer Bereinigung einer sprachlich verunglückten Novellierungs­anordnung im Artikel I Z 143 lit. e und Z 147  des Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 215

das Finanzstrafgesetz geändert werden, in der Fassung des Ausschussberichtes (273 d. B.).

Zu Artikel II Z 13 (§ 516 StPO):

Die Bestimmung über das In-Kraft-Treten ist im Hinblick auf die obigen Änderungen zu berichtigen; schließlich soll die fehlerhafte Novellierungsanordnung des § 516 Abs. 2 in der Fassung des Ausschussberichtes (331 d. B.) berichtigt werden.

Zu Artikel III Z 24:

Die Bestimmung über das In-Kraft-Treten des Strafvollzugsgesetzes weist in ihrer geltenden Fassung zwei Absätze mit der Bezeichnung „(14)“ auf; zur Vermeidung von Verwechslungen soll dieser Fehler berichtigt werden.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der zweite eingebrachte Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Donnerbauer, Fichtenbauer, Darmann wurde ebenfalls ordnungsgemäß eingebracht; er ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­hand­lung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Dr. Fichtenbauer, Mag. Darmann, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Justizausschusses (331 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Straf­rechtsänderungsgesetz 2008) (302 und 285 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2008), in der Fassung des Ausschuss­berichtes (331 d.B.), wird wie folgt geändert:

In Art. I wird nach Z 19 folgende Z 19a eingefügt:

„19a. Nach § 304 wird folgender § 304a samt Überschrift eingefügt:

,Abgeordnetenbestechung

§ 304a. Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Nationalrat, Bundesrat, in der Bundesversammlung, in einem Landtag oder Gemeinderat eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.‘“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 216

18.48.49

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Eigentlich wollte ich ein paar positive Worte zum Haft­entlassungspaket verlieren, Sie haben aber leider einen Fehler gemacht, den ich Ihnen heute vorhalten möchte: Sie haben den Bock zum Gärtner gemacht, indem Sie die Justizsprecher dieses Hauses beauftragt haben, die Regelung der Abgeordneten­korruption zu übernehmen. Das Ergebnis wurde gerade vorgestellt: Ein zahnloser Vier-Parteien-Antrag, der ein einziges Verhalten unter Strafe stellt, nämlich den klassischen Stimmenkauf: Ein Abgeordneter erhält Geld, damit er in einer bestimmten Abstimmung ein bestimmtes Abstimmungsverhalten an den Tag legt. – Wir leben in der Realität, und wir wissen: Dieser Fall ist völlig unrealistisch, dieser Fall wird nie eintreten.

Der zweite Punkt ist: Damit wird die UN-Konvention gegen Korruption nicht erfüllt. Die Abgeordneten dieses Hauses entziehen sich der Erfüllung einer UN-Konvention.

Es ist nicht überraschend, dass die ÖVP ein Problem mit einem scharfen Abgeord­neten-Korruptionstatbestand hat und auch dass Kollege Jarolim in großkoalitionärer Disziplin da mitgehen muss. Neu ist aber, dass Kollege Darmann vom BZÖ und Kollege Fichtenbauer von der FPÖ bei diesem Vorhaben Schmiere stehen.

Herr Kollege Westenthaler, wissen Sie, was Ihr Kollege Darmann dazu gesagt hat? Haben Sie sich das angeschaut? Das heißt Milde für straffällige Abgeordnete. FPÖ und BZÖ ist keine Strafe zu streng, kein Straftatbestand zu hoch, nur bei Abge­ordneten absolute Milde. (Abg. Mag. Darmann: Sie haben ja keine Ahnung!)

Wir verabschieden heute ein umfassendes Anti-Korruptionspaket für die Privatwirt­schaft und für die Beamten, wo ein viel strengerer Maßstab angelegt wird. Anfüttern, all das stellen wir bei diesen Gruppen unter Strafe, in diesem Bereich nicht. Legen wir den gleichen Maßstab bei den Abgeordneten an, wie wir ihn von den Beamten und von der Privatwirtschaft verlangen!

Wir bringen daher dazu einen eigenen Antrag ein, der schriftlich vorliegt und verteilt wird, der die UN-Konvention erfüllt und bei den Abgeordneten den gleichen Maßstab anlegt.

Und die größte Ausrede, die ich immer höre: Euer Vorschlag ist nicht umsetzbar, weil der Tatbestand so schwer abgrenzbar ist. Ja, warum ist der Tatbestand so schwer abgrenzbar? Weil es kein transparentes Parteienfinanzierungs- und Parteienspen­dengesetz gibt, denn dann wäre die Abgrenzung möglich und dann wäre die UN-Konvention gemäß unserem Vorschlag auch umsetzbar.

Aber ich sehe schon: Strenge bei allen anderen, Milde bei den Abgeordneten, das ist offensichtlich das Motto. (Beifall bei den Grünen.)

Zurück zum Haftentlastungspaket und damit zu einem erfreulicheren Teil.

Es gibt zwei, drei Punkte, die ich besprechen möchte, weil wir es schade finden, dass hier ein paar Verschlechterungen gegenüber dem Ministerialentwurf drinnen sind. Das werfe ich nicht Ihnen vor, das werfe ich der ÖVP vor, die offensichtlich der Mut verlassen hat.

Zum einen die Beibehaltung der Generalprävention bei der bedingten Entlassung nach der Hälfte der Strafe. Wir wissen, dass die Generalprävention nach allen Erkenntnissen keine Relevanz hat.

Und das Zweite ist die Streichung der Entscheidung der bedingten Entlassung durch interdisziplinäre Strafvollzugskommissionen, bestehend aus Richtern und Vollzugs­beamten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuchner.) Das wäre ein wichtiger Zugang gewesen, um eine breitere Sicht bei dieser schwierigen Entscheidung zu haben.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 217

Aber eines ist mir noch wichtig, Frau Minister: Die bedingte Entlassung ist ein wichtiger Beitrag, aber das Zentrale wird die Mittelausstattung sein. Der Erfolgsfaktor wird sein, ob die Bewährungshilfe funktioniert oder nicht. Daher werden wir genau hinschauen, ob die Mittel für Neustart und die Bewährungshilfe tatsächlich adäquat aufgestockt werden.

Ebenfalls unterstützen wir die Intention des Haftentlastungspakets, Nicht-EU-Staats­bürger früher aus der Haft zu entlassen, wenn sie rückkehrwillig sind. Auch da ist die Position der FPÖ und des BZÖ wieder äußerst sonderbar. Sie sind offensichtlich für eine Integration im Gefängnis, das ist die etwas andere Integrationspolitik, die uns hier vorgestellt wird. Anscheinend sind Sie für die grenzüberschreitende Vernetzung der Kriminalität in den österreichischen Gefängnissen. (Abg. Dr. Haimbuchner: ... Sie haben nämlich kein Modell!)

Aber, und das ist entscheidend, Frau Minister, auch hier ist wieder eine Verschlech­terung drinnen, die uns nicht gefällt. Und zwar: Nunmehr ist als Voraussetzung für die vorzeitige Entlassung notwendig, dass die Fremdenpolizei rechtzeitig ein vorliegendes Aufenthaltsverbot an den Strafvollzug übermittelt. Und wir wissen, dass das Hauptproblem im Strafvollzug schon jetzt ist, dass ein allfälliges Aufenthaltsverbot viel zu spät übermittelt wird und daher der Strafvollzug schon Probleme bei der Resozialisierung im Gefängnis hat, wie er mit den Personen umgehen soll, weil er gar nicht weiß, ob sie nachher einen Aufenthalt in Österreich haben werden oder nicht.

Bei dieser Konstellation jetzt hat die Fremdenpolizei ein absolutes Veto. Wenn die Fremdenpolizei keine vorzeitige Haftentlassung bei Rückkehrwilligkeit will, dann wird sie einfach mit einem Aufenthaltsverbot zuwarten und so verhindern, dass eine vor­zeitige Haftentlassung erfolgt. Damit, behaupte ich, haben Sie das Instrumentarium im Vollzug aus der Hand gegeben und der Fremdenpolizei überantwortet. Und das halte ich für schlichtweg falsch, weil das die Wirksamkeit deutlich unterminieren wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der soeben vom Herrn Abgeordneten Stein­hauser eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er wurde auch mit einigen Worten erläutert. Ich gehe daher davon aus, dass er mit in Verhandlung steht, und werde ihn wegen seines Umfanges gemäß § 53 Abs. 4 GOG verteilen lassen.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde,

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (302 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvoll­zugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden und über die Regierungsvorlage (285 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Straf­gesetzbuch geändert wird (StrafrechtsänderungsG 2008) (331 d.B.

Begründung

Das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 sollte im Bereich der Antikorruption der Er­füllung internationaler Vorgaben bzw. Verpflichtungen dienen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 218

Die Einführung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung ist eine ausdrückliche Verpflichtung aufgrund der Antikorruptions-Konventionen von UNO und Europarat. 

Die UN-Konvention sieht vor, dass die Tathandlung der „Abgeordnetenbestechung“ alle Handlungen und Unterlassungen erfasst, die bei Wahrnehmung des Mandats erfolgen. Nicht nur das Stimmverhalten im Parlament bzw. Ausschüssen soll erfasst sein, sondern auch das Verhalten dort, wo die eigentlich Meinungsbildung erfolgt, wo beispielsweise Lobbyisten das Verhalten beeinflussen. Auch Drittzuwendungen sollten laut der Konvention einbezogen werden, ebenso wie das mittelbare und unmittelbare Versprechen eines Vorteils. Sowohl materielle als auch immaterielle Vorteile müssen vom Tatbestand erfasst sein. 

Die Abgeordnetenbestechung wurde jedoch im Strafrechtsänderungsgesetz 2008 nicht behandelt, da es dem Parlament selbst vorbehalten sein sollte, eine diesbezügliche Regelung zu finden.

Der Abänderungsantrag schlägt nunmehr eine solche Regelung vor, die den inter­nationalen Vorgaben soweit als möglich entspricht und auch den Tatbestand des „Anfütterns“ enthält.

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2008) wird wie folgt geändert:

Artikel I Ziffer 20 samt Überschrift lautet:

„Abgeordnetenbestechung

§ 305.  (1) Ein Mitglied des Nationalrates, des Bundesrates, eines Landtages oder eines Gemeinderates, das für eine Wahl oder Abstimmung in dem allgemeinen Ver­tretungskörper, dem es angehört, für ein bestimmtes Stimmverhalten von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich ver­sprechen lässt, sowie ein bestimmtes Stimmverhalten wegen bereits erfolgter Vorteils­zuwendungen leistet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer als Mitglied des Nationalrates, des Bundesrates, eines Landtages oder eines Gemeinderates, für eine Wahl oder Abstimmung in dem allgemeinen Vertretungskörper, dem es angehört, von einem anderen einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, um auf das Abstimmungsverhalten der anderen Mitglieder einzuwirken oder auf das Abstimmungsverhalten der anderen Mitglieder wegen bereits erfolgter Vorteilszuwendungen einwirkt.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ist zu bestrafen, wer einem Mitglied des Nationalrates, des Bundesrates, eines Landtages oder eines Gemeinderates, für eine Wahl oder Abstimmung in dem allgemeinen Vertretungskörper, dem es angehört, für ein bestimmtes Stimmverhalten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, sowie ein bestimmtes Stimmverhalten wegen bereits erfolgter Vorteilszuwendungen einfor­dert.

(4) Ebenso ist zu bestrafen, wer einem Mitglied des Nationalrates, des Bundesrates, eines Landtages oder eines Gemeinderates, für eine Wahl oder Abstimmung in dem allgemeinen Vertretungskörper, dem es angehört, einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, um auf das Abstimmungsverhalten der anderen Mitglieder einzuwirken


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 219

sowie ein Einwirken auf das Stimmverhalten anderer wegen bereits erfolgter Vor­teilszuwendungen einfordert.

(5) § 304 Abs. 3 bis 4 gilt sinngemäß.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Franz. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.54.00

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir alle in unserem Land erwarten von einem Staat optimale Sicherheit. Es ist daher immer wieder notwendig, die Strafvollzugsgrundsätze zu überdenken und zu rationalisieren. Viele Aspekte werden nun in diesem neuen Gesetz beachtet. Einig­keit herrscht darüber, dass die Wiedereingliederung verurteilter Personen in die Gesellschaft zu forcieren ist, um die Rückfallsquote zu reduzieren.

Mehrere Möglichkeiten tun sich auf, wie zum Beispiel die Änderung bei einer bedingten Entlassung. Auf der einen Seite sollen generalpräventive Versagungsgründe nur mehr eingeschränkt herangezogen werden, andererseits wird die Voraussetzung für eine Entlassung nach Verbüßung von mindestens der Hälfte des Strafausmaßes neu geregelt. So soll die Bewährungshilfe, die obligatorisch angeordnet wird, eine aus­reichende Betreuung und bestmögliche Kontrolle gewährleisten.

Durch die Neuformulierung der §§ 50 und 52 wird den Instrumentarien der Bewäh­rungs­hilfe zu einer besseren Wirksamkeit verholfen. Ich finde es gut, dass wir jeden einzelnen Fall bei einer bedingten Haftentlassung individuell anschauen und ihn auch entsprechend behandeln, denn die Bewährungshilfe muss eine wirksame Unter­stützung für den Haftentlassenen sein und auch als Schutz für die Gesellschaft ge­sehen werden. Ich halte nichts von Panikmache, aber auch nichts von leichtfertigen Entlassungen.

Ich möchte hier den Kollegen Donnerbauer noch einmal zitieren, er hat es auf den Punkt gebracht: Der Weg der Mitte ist der Weg der Sicherheit. Sicherheit steht für uns in der ÖVP im Vordergrund. Die Vorteile der Bewährungshilfe liegen auf der Hand, durch Weisungen und Auflagen wird Rückfällen vorgebeugt. Eine längere Beobachtung und Unterstützung hilft den Verurteilten und der Bevölkerung, die Anspruch auf Sicher­heit hat. (Beifall bei der ÖVP.)

18.57


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fich­tenbauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.57.00

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die Geschichte mit der Neueinführung § 133a Strafvollzugsgesetz, vorläufiges Ab­sehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes, zielt in eine Richtung, die hier schon erörtert worden ist. Durch meine Person ist seitens der Freiheitlichen Partei im Hinblick darauf, dass ungefähr die Hälfte der einsitzenden Häftlinge eben nicht österreichische Staatsbürger und auch nicht EU-Bürger sind, der Vorschlag einge­bracht worden, nicht den Weg der bedingten Entlassung zu gehen, der übrigens von der begutachtenden Stelle Oberlandesgericht Graz als ein Weg des Floriani-Prinzips beschrieben worden ist, dass man die Kriminaltouristik von sich selbst – eben Floriani-mäßig: andere Häuser sollen angezündet werden, nur nicht das eigene – an andere weiterreicht, und daher abzulehnen wäre.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 220

Meiner Meinung nach sollte auf EU-Ebene eine gemeinschaftliche Haftunterbringung für Nicht-EU-Straffällige, die im EU-Raum einzusitzen haben, eingerichtet werden und dorthin die Strafverbüßung transformiert werden.

Wenn wir schon den internationalen Haftbefehl haben und wir gegebenenfalls eigene Staatsbürger, was gegen jedes Verfassungsprinzip seinerzeit gewesen war, aufgrund eines solchen Haftbefehles auszuliefern hätten, umso mehr müssten wir fremdlän­dische Straftäter doch so lange gesellschaftsverwahrend behandeln und auf EU-Ebene sicherstellen, dass die verhängte Strafe verbüßt wird.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass das Gebot – und wir haben ja eine neue, je­denfalls klarstellende Formel –, dass bedingt zu entlassen ist, wenn ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Frei­heits­strafe verbüßt hat, eigentlich ein Unterlaufen des verhängten Strafsatzes ist. Das ist rechtstheoretisch nicht so ohne weiteres glattzubügeln. (Präsidentin Dr. Glawisch­nig-Piesczek übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin zum anderen sehr dafür, dass wir den Strafkatalog insgesamt verbreitern, weil wir mit dem bloßen Verhängen von Haft, mit dem bloßen Verhängen von Geldstrafe, mit der Möglichkeit im Jugendbereich, soziale Arbeitsleistung zu erbringen, nicht das Auslangen finden. Es muss auch möglich sein, dass eine zeitlich verhängte Strafe mit der Verfügung einer anschließenden Bewährungshilfe versehen wird, weil das Argu­ment natürlich gerechtfertigt ist, einen Verurteilten auf Knall und Fall in die Gesellschaft zu entlassen, ohne ihn einzubegleiten, etwas an sich hat. Aber es muss nicht unbedingt ein Abtausch zwischen den beiden Systemen Bewährungshilfe und Ver­büßung von verhängter Strafe sein.

Es tut mir leid, dass dieser Aspekt bisher überhaupt noch nicht aufgegriffen oder behandelt worden ist, dass auf EU-Ebene Gefängnisse einzurichten sind als Gemein­schaftseinrichtung, wo verurteilte Nicht-EU-Staatsbürger die Haft zur Gänze zu ver­büßen hätten. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

19.01


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ablinger. 2 Minuten. – Bitte.

 


19.01.10

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt schon oft das Thema Sicherheit zu Recht bemüht worden. Entscheidend für die Sicherheit einer Gesellschaft – und das vor allem auch an die Adresse der FPÖ – ist ja nicht, wann der Gefangene entlassen wird, sondern, wie er entlassen wird, und die bedingte Entlassung gewährleistet in viel verstärkterer Form die Möglichkeiten, was Auflagen und Weisungen betrifft. Und diese Auflagen und Weisungen gelten ja sehr viel länger als zum Beispiel der Rest der Strafe, der erlassen wird. Wenn es möglich ist, mit den Auflagen die Täter zum Beispiel in ein Anti­gewalttraining zu bringen, das sehr viel länger dauert als die Haft, die er absitzt, und wir aus anderen Zahlen wissen, dass die Rückfallsquote mit entsprechenden Auflagen und Weisungen sinkt, dann verstehe ich einfach nicht, warum Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Es geht also bei diesem Paket um mehr Sicherheit für die Gesellschaft und nicht um weniger.

Natürlich, ich weiß schon, es ist populär zu rufen: Lebenslang muss lebenslang bleiben!, aber dem Sicherheitsbedürfnis einer Gesellschaft entspricht das nicht. Im Ausschuss haben wir alle diese Punkte diskutiert; es gibt offensichtlich überhaupt kein Interesse daran, sich inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es wird nicht


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 221

erkannt, dass das Wesentliche dabei ist, dass es um den Abbruch krimineller Karrieren geht, was genau dieses Paket garantieren soll.

Wir beschließen außerdem die Möglichkeit, dass Drittstaatsangehörige unter ganz konkreten Bedingungen bedingt entlassen werden können. Wenn ein Aufenthaltsverbot erlassen ist, wird er bedingt entlassen und muss Österreich verlassen, nicht nach dem Floriani-Prinzip, sondern: Wenn er in einem anderen Land aufgegriffen wird, wird er in Österreich in Haft gebracht – und wenn er nach Österreich kommt, ohnehin in Haft gebracht. Das gilt, wie wir das auch im Ausschuss diskutiert haben, nicht für Sexual­straftäter, und da gibt es eine ganze Reihe von zusätzlichen Ausnahmen. Wir haben das diskutiert – die Botschaft kommt nicht an.

Ich komme zum Schluss. Dieses Haftentlastungspaket ist meines Erachtens wohl überlegt. Es gewährleistet verbesserte Maßnahmen für die Reintegration, es schafft mehr Sicherheit für die Gesellschaft, es bedient allerdings nicht – das stimmt – die populären Rufe nach Law and Order. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.03.51

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es wird für Sie nicht überraschend sein, dass ich mich zu diesen Tages­ordnungspunkten hauptsächlich im Bereich des Haftentlastungspaketes bewegen werde. Tatsache ist, dass wir vom BZÖ mit der vorzeitigen Entlassung von auslän­dischen Straftätern nach der Hälfte der Haftzeit absolut nicht mitgehen können. Diese Form einer gesetzlichen Regelung ist für uns unerträglich – nicht nur unerträglich, son­dern, um konkret zu werden, sicherlich europarechtswidrig sowie auch verfassungs­widrig. Und ich werde Ihnen sagen, wieso wir das so sehen.

Europarechtswidrig – es wurde vorhin schon in einer der vorigen Wortmeldungen angesprochen – aus dem Grund, da es ja nicht sein kann, dass wir den ausländischen Straftätern aus Drittstaaten die vorzeitige Haftentlassung nach der Hälfte der Haftzeit ermöglichen, wenn sie uns versprechen, nach Österreich nicht mehr einzureisen, und ihnen die freiwillige Rückkehr in sein Heimatland ermöglichen.

Wir sind, ob es manche wollen oder nicht, in der Europäischen Union, und gerade Sie von der SPÖ verteidigen immer wieder alle Grundsätze, die diese Union angeblich so stark machen – und vom Justizministerium kommt tatsächlich der Vorschlag einer Regelung, die vorsieht, dass man die ausländischen Straftäter gerade einmal über die österreichische Grenze „hinausschupft“ und sagt: Aber bitte nach Österreich zurück­kommen tuts nicht mehr, sonst werdet ihr bei uns eingesperrt! Und dann kommt noch die Kollegin Ablinger daher und sagt: Wenn der Straftäter irgendwo anders in Europa aufgegriffen wird, wird er wieder in Österreich eingesperrt. – Also die Regelung ist komplett neu, denn das ist nämlich nirgends vorgesehen. Ich weiß nicht, woher die Kollegin das hat, aber sei es, wie es sei.

Verfassungswidrig ist die Regelung aus dem anderen Grund, dass die österreichischen Häftlinge nicht diese Möglichkeit haben, nach der Hälfte der Haftzeit herauszukommen, weil sie in ihre Heimat zurückkehren. Sie sind einfach in ihrer Heimat, deswegen haben sie die volle Haftzeit drinnen zu bleiben. Ein Ausländer hat das „Glück“ – unter Anfüh­rungszeichen –, dass er hier eingesperrt wird.

Deswegen ist es ja um so mehr eine sehr gefährliche Regelung, weil es eine Einladung ist für die Ausländer, bei uns kriminell tätig zu werden. Die Berufskriminellen kommen nach Österreich, wissen, nach der Hälfte der Haftzeit sind sie wieder heraußen, der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 222

Strafvollzug ist sehr gemäßigt, sehr gemütlich. Wir kennen unsere Gefängnisse, sie sind wirklich mit allem möglichem Luxus ausgestattet. Tatsache ist, der Österreicher kann auf das nicht zurückgreifen, und aus diesem Grund ist das sicherlich verfas­sungswidrig. (Abg. Parnigoni: Eine Woche in Stein, Herr Kollege!)

Kollege Donnerbauer von der ÖVP, Sie haben gesagt, es wird eine Rückführung in den Heimatstaat geben. – Es wird keine Rückführung in den Heimatstaat geben! Es gibt das Angebot an den ausländischen Straftäter, freiwillig in seine Heimat zurück­zu­keh­ren. Es gibt keine Rückführung! Es gibt bis zur Grenze einen Transport, von dem wir aber schon wissen, dass der Innenminister – er hat das schon kritisiert – nicht weiß, wie er das bewerkstelligen wird. Das ist ein irrsinniger Aufwand, den dorthin zu brin­gen. Angeblich muss es sogar, wenn man den Formulierungen folgt, der Justiz­anstaltsleiter bewerkstelligen, dass der Straftäter bis zur Grenze gebracht wird. Und was dann? Was machen wir dann? Wenn wir nicht wissen, wo er herkommt, welcher Heimatstaat sein Ziel sein sollte – ich muss es ja so formulieren, weil das Ziel wird es nicht sein –, dann geht er bei der einen Grenze, bei irgendeiner grünen Grenze hinaus und kommt, wenn er in Niederösterreich rausgeht, im Burgenland wieder rein, und die Polizei, das Innenministerium hat aufs Neue den Aufwand, ihn zu suchen. Egal, ob wir jetzt einen internationalen Haftbefehl haben oder nicht, es ist ganz einfach ein neuerlicher Mehraufwand und nur eine Kostenverschiebung vom Justizressort in das Innenressort.

Das Justizressort sagt, wir wollen keine weiteren Haftplätze in großer Form schaffen, wir wollen die Justizanstalten etwas leeren, weil sie überfüllt sind – das müssen wir auch aus Kostengründen machen, das ist immer wieder auch ein Vorwand des Justiz­ministeriums für diese Vorgehensweise. Auf der anderen Seite wird in Zukunft das Innenressort, werden unsere Polizisten, die ja diese Personen bereits einmal oder mehrmalig schon dingfest gemacht haben, wieder den Mehraufwand haben. Diese Straftäter sind schon einmal verurteilt worden, sind schon im Gefängnis drinnen – und jetzt kommen wir mit diesem Gesetzesbeschluss daher und lassen diese wieder früher raus, damit das ganze Spiel wieder von vorne losgehen kann.

Im Großen und Ganzen ist dazu zu sagen, dass der ganze Zauber dieses Haftent­lastungspaketes nur auf dem Rücken der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung ausgetragen wird. Es ist daher ganz klar, dass das von unserer Seite nicht mitzu­vollziehen ist.

Zu den anderen Punkten dieser Tagesordnungspunkte möchte ich auch noch kurz et­was anführen; es gibt ja nicht nur Negatives wie dieses Haftentlastungspaket, sondern auch Positives.

Der Antrag des Kollegen Zinggl auf Umsetzung der Ausschussfeststellung wird auf­grund der tatsächlich gegebenen Notwendigkeit einer Regelung in diesem Bereich natürlich von uns mitgetragen.

Zum Suchtmittelgesetz muss ich sehr wohl wieder etwas Negatives anmerken: Diese Novelle zum Suchtmittelgesetz können wir nicht mittragen, kommt es doch aus unserer Sicht hier zu einer Aufweichung des Suchtmittelgesetzes, da eine Reduzierung der Probezeit von fix zwei Jahren auf ein bis zwei Jahre vorgesehen ist. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

19.09


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl. 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 223

19.09.23

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Wie bereits im Justizausschuss geäußert, möchte ich auch hier meine Bedenken hinsichtlich dieser Suchtmittelgesetz-Novelle noch einmal nach­drücklich deponieren und gleichzeitig sagen, dass ich mich außerstande sehe, dieser Novelle zuzustimmen, auch wenn ich der Verschärfung der Strafen in einigen Punkten und dem Ausbau des Prinzips „Therapie statt Strafe“, wie es mit diesem Gesetz umgesetzt wird, durchaus zustimme.

Frau Bundesministerin, ich habe Ihnen bereits einmal gesagt, dass ich sechs Monate lang einer Drogenabteilung am Landesgericht Innsbruck zugeteilt war, und aus der Praxisnähe der damaligen Zeit heraus finde ich nach wie vor, dass meine Bedenken hinsichtlich des Entfalles einer Strafnachsicht nur dann, wenn eine geringe Menge zum eigenen Besitz erworben oder besessen wird, die jetzt ganz gravierend ausgedehnt wird, berechtigt sind. Es ist nämlich bei dieser Novellierung so, dass jemand für den eigenen Gebrauch die gesamte Grenzmenge besitzen darf. Und man muss es schon ein bissel auf der Zunge zergehen lassen: Die Grenzmenge ist immerhin jene Menge, die geeignet ist, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen – von mehreren Menschen! – herbeizuführen.

Das darf ich jetzt nicht nur besitzen und erwerben, sondern eine solche doch erheb­liche Menge darf ich in Zukunft einführen, anbauen, über die Grenze schaffen, darf ich sogar, wenn es zum persönlichen Gebrauch für jemand anderen ist, ohne dass ich einen Vorteil dadurch habe, sprich: Geld damit verdiene, weitergeben.

Wie schaut das Ganze jetzt in der Praxis aus? – Diese geringe Menge hat man in der Praxis immer so definiert, dass man gesagt hat: Einer, der nur einmal Drogen konsumiert, der das einmal macht, hat diese Ration für einen Tag daheim und soll nicht gleich für den Rest seines Lebens stigmatisiert sein. Eine Grenzmenge irgendeines Suchtmittels habe ich aber nicht aus Jux und Tollerei und um es mir zu ersparen, täglich zu meinem Drogenhändler gehen zu müssen, einfach so daheim, sondern die habe ich daheim oder gekauft, um sie mit Freunden zu rauchen, zu konsumieren.

Beweisen, dass man nicht damit handelt, hat man in der Vergangenheit bei derart großen Mengen nicht müssen, denn da war die Frage der automatischen Straffreiheit und des Zurückstehens nur bei einer Therapie und dann gegeben, wenn es sich eben um die geringe Menge eines Tagesbedarfs gehandelt hat. Da sind natürlich die Be­weis­möglichkeiten erheblich schwerer.

Das gilt aber nicht nur für diejenigen, die selbst süchtig sind, sondern auch für die­jenigen, die nicht süchtig sind, wenn sie Drogen für einen anderen erwerben, kaufen, anbauen.

Jetzt stellen wir uns einmal vor: Vier junge Leute konsumieren gerne Drogen. Die sagen jetzt zu einem Mädel: Bitte erwirb für uns zu unserem persönlichen Gebrauch diese Grenzmenge, du kriegst ganz sicher kein Geld dafür von uns, wir setzen dich nur ein bisserl unter Druck! Das ist eine Menge, die geeignet ist, eine erhebliche Gruppe von Menschen süchtig zu machen. Dieses Mädel braucht auch keine Therapie. Das ist eine bequeme Art und Weise, zu Suchtmitteln zu kommen.

Das ist wahrscheinlich nicht das, Frau Bundesminister, was mit diesem Entwurf tat­sächlich intendiert wird, nämlich – und das ist genau das, was man in der Ver­gangenheit bezwecken wollte – dass der, der einmal ein Suchtgift konsumiert, Therapie statt Strafe bekommt und nicht für sein ganzes Leben stigmatisiert ist.

Ich habe diesen Punkt ausführlich mit Drogenrichtern und mit Staatsanwälten be­sprochen, die sich damit ein ganzes Leben lang beschäftigen, und sie alle haben mir


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gesagt, dass sie diesen Punkt ganz genauso lesen wie ich. Aus diesem Grund kann ich – trotz vieler sehr positiver Punkte, die in diesem Gesetz enthalten sind – diesem Gesetz meine persönliche Zustimmung nicht geben und werde mich der Stimme enthalten. (Beifall beim BZÖ.)

19.14


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Grünewald. Sie haben sich für 3 Minuten zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.14.03

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätz­te Frau Bundesministerin! Liebe Kollegin Hakl, ich finde dieses Gesetz auch problematisch, aber aus ganz anderen Gründen als Sie. (Abg. Ing. Westenthaler: Das glaube ich!) Jeder redet mit dem, den er gerne als Kronzeugen anführt. Wir haben einen Arbeitskreis gehabt, wo sich monatlich SuchtgiftexpertInnen getroffen haben. Wir haben eine kleine Enquete gemacht mit Leuten aus Frankfurt und Zürich, und zwar mit höchstrangigen Leuten, auch von den Behörden, und die sagen an und für sich etwas anderes.

Warum ist das Gesetz so schwierig? – Weil man gesundheitspolitische Erfordernisse mit strafrechtlichen Notwendigkeiten irgendwie auf einen Punkt bringen muss, und das angesichts einer Lufthoheit an Stammtischen bezüglich Vorurteilen und Fehlurteilen über Suchterkrankungen, die politisches Handeln immer riskant und immer schwer machen. Und teilweise herrscht politisch nicht immer der Weit- und Durchblick, son­dern eher sozusagen eine Kurzsichtigkeit durch „orangen Star“ oder ähnliche Dinge.

Ich werde Ihnen einmal sagen, was da problematisch ist: dass nämlich eine Verord­nung von Bundesministerin Rauch-Kallat zur Therapie von Suchterkrankten, zu einer Drogenersatztherapie teilweise in das Gesetz eingeflossen ist, und zwar in Punkten, die in diesem Rahmen, in diesem Vorwort, das noch relativ liberal ausschaut, schon einige Widersprüche aufweisen. Und zwar werden wirkliche Drogentäter und poten­tielle Drogentäter und Therapiepflichtige oder Therapiewillige letztlich überwacht wie Terroristen der Hamas auf Wunsch des Gesundheitsministeriums. Die Zuständigen dort wollen bis zu zwölf personenbezogene Daten, sogar Daten über Behand­lungsarten und -möglichkeiten registriert haben.

Eine Registrierung von Drogenkranken fördert nicht deren Therapiewilligkeit. (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Hakl.) Das müssen Sie einsehen! Und das Durchbrechen der Schweigepflicht ohne wirklich manifestes, übergeordnetes, staatliches, gesundheit­liches, strafrechtliches Interesse ist auch problematisch und lässt befürchten, dass sich viele Therapiewillige der Therapie entziehen.

Bezüglich der Tagesdosis sollten Sie wissen, dass die übliche Tagesdosis 1,5 Gramm bei Heroin ist, und ab 3 Gramm bereits drei Jahre Haft möglich sind. Das ist die doppelte Tagesdosis. Glauben Sie wirklich, dass Suchtkranke sich jeden Tag etwas holen gehen und nicht vielleicht eine Dosis für zwei Tage bei sich tragen? Ich befür­worte das nicht, ich beklatsche das nicht, aber das ist die Realität! Und die Leute, mit denen Sie gesprochen haben, haben Ihnen entweder Realitäten vorenthalten oder sie leben selbst auf dem Mond. (Abg. Mag. Hakl: Es gibt aber auch die Nichtsüchtigen!)

Ich glaube, derjenige, bei dem in diesen Gesetzen der Blick auf Sucht als Krankheit irgendwie verschwimmt durch den Glauben, man könnte eine drogenfreie Gesell­schaft – die sich jeder wünscht, aber die noch niemand, kein Staat herstellen konnte! – schaffen, und derjenige, der nicht schaut, dass Begleitkriminalität, Selbstgefährdung und Fremdgefährdung durch Begleiterkrankungen in den Griff zu bekommen sind, liegt falsch. (Abg. Mag. Hakl: Da ist auch der Nichtsüchtige dabei!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 225

Aber ich glaube im Prinzip, dass mit der Frau Justizministerin ein Dialog zu pflegen ist. Ich glaube, es wäre an der Zeit, den auch mit uns zu beginnen. Und ich bin da nicht ganz so schlechter Hoffnung. Aber, bitte, schauen Sie sich das Elend der Betroffenen an! Und Sie werden dann vielleicht ein bisschen anders denken. (Beifall bei den Grünen.)

19.18


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier mit 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.18.13

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich den jüngsten Bericht der Symantec Corporation über die aktuelle Lage der Internetsicherheit anschaut, liest man Folgendes:

„Der Professionalisierung und Kommerzialisierung einer mittlerweile milliarden­schwe­ren Schattenwirtschaft stehen viele Anwender unbedarft gegenüber. Nach wie vor fielen fast ausschließlich private Computeruser (99,4 Prozent) auf die immer profes­sioneller werdenden Methoden der Cybergangster herein.“

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regelungen, die nun in der Regierungsvorlage zur Internetkriminalität vorgeschlagen werden, müssen, glaube ich, von uns allen mit allem Nachdruck unterstützt werden.

Es wird nicht die letzte Debatte in diesem Haus gewesen sein, wo wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen, wo wir vielleicht auch einmal der Frage nachgehen wer­den, ob es nicht auch eine Haftung gibt, nämlich eine Erfolgshaftung, wenn es zu zunehmendem Datendiebstahl kommt.

Der „Standard“ titulierte diesen Bericht mit den Worten: „Datendiebstahl im Web milliardenschweres Geschäft.“

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Probleme werden in diesem Bereich noch zunehmen, und ich meine, dass wir Angriffe auf Informations­systeme mit noch schärferen Mitteln werden bekämpfen müssen. Wir werden aber auch sicherstellen müssen, dass seitens der Unternehmen insbesondere der IT-Sicherheit verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es soll nicht darüber hinweg­täuschen, dass, wenn es zu Datendiebstahl kommt, in den meisten Fällen – insbe­sondere im Banken- und Versicherungsbereich – nicht nur die fehlende IT-Sicherheit der Unternehmen dafür verantwortlich ist, sondern auch die Nachlässigkeit und Schlampigkeit der Mitarbeiter.

Die Schäden, die mit einem Identitätsdiebstahl verbunden sind, sind kaum wieder gutzumachen. Daher sollten wir, meine ich, ganz offensiv nicht nur über Sanktionen diskutieren, Frau Bundesministerin, sondern in Zukunft auch der Frage einer verschul­densunabhängigen Haftung, also einer Erfolgshaftung nachgehen, um zumindest die finanziellen Beeinträchtigungen zu minimieren.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der sozial­demo­kratischen Fraktion unterstützen diese Regelungen und laden Sie recht herzlich dazu ein, diesen Regelungen zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.21


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haimbuchner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 226

19.21.33

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Werte Damen und Herren Kollegen! Hohes Haus! Verstöße gegen die Rechts­ordnung sind mit dementsprechenden Sanktionen zu ahnden. Strafe muss sein – bei diesem Grundsatz werden wir wohl bleiben müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist interessant, wenn Kollege Steinhauser von den Grünen sagt: Die Generalprä­vention hat ja überhaupt keinen Sinn mehr. – Mich erinnert das immer an die Sitzkreis-Politik der Achtundsechziger, ich kann das nicht oft genug erwähnen, so nach dem Motto: Die Gesellschaft ist schuld! Das hat auch Kollege Pendl gemeint. Ihm halte ich aber zugute, dass er es sicherlich sehr ehrlich und sehr idealistisch aus sozialdemo­kratischer Sicht sieht. Aber man muss einmal sagen, dass das alles nicht so einfach ist und nicht immer nur die Gesellschaft schuld ist. Manchmal ist man auch selbst schuld. (Abg. Öllinger: Stimmt!)

Deswegen gibt es die Idee, dass man die Generalprävention und die Spezialprävention für die Strafbemessung heranzieht. Da kann man nicht das eine ohne das andere sehen. Ich weiß nicht, in welcher drittklassigen, nicht lesbaren Vorlesungsmitschrift Kollege Steinhauser von den Grünen das entdeckt hat, dass die Generalprävention keine Rolle spielt. Wenn Sie das bei einer Prüfung sagen, dann glaube ich nicht, dass Sie diese Prüfung bestehen werden.

Aber wir sehen uns hier mit zwei Dingen konfrontiert: auf der einen Seite mit dem Traum der gefängnislosen Gesellschaft – der könnte übrigens sehr bald zum Albtraum werden –, auf der anderen Seite mit dem Ansinnen der Bundesregierung, das vielleicht rein pekuniäre Gründe hat, weil der Strafvollzug eben sehr viel Geld kostet, das man sich irgendwie ersparen möchte.

Ich glaube, beide vermeintlichen Beweggründe sind als weitere Aufweichung des Straf­vollzuges aus sicherheitspolitischer Sicht abzulehnen. Ich würde mir wirklich wün­schen, dass man sich einmal über die Opfer Gedanken macht. Wer spricht noch über die Opfer? – Man spricht andauernd über die Täterinnen und Täter und überlegt sich dann auch noch die vorzeitige Entlassung der Straftäterinnen und Straftäter!

Ich kann nur eines sagen: Man muss die Gesellschaft vor gewissen Personen schüt­zen. Angesichts der Tatsache, dass laut Statistik die Hälfte der bedingt Entlassenen ohnehin wieder ins Gefängnis zurückwandert, könnten wir uns doch das Ganze ersparen. Lassen wir sie doch gleich die paar Jahre sitzen, denn sie werden noch bald genug herauskommen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will da gar keinen Populismus betreiben. Natürlich muss man sich darüber Gedan­ken machen, was mit einem Häftling passiert, wenn er wieder zurück in die Gesell­schaft entlassen wird. Selbstverständlich, das ist überhaupt keine Frage, darüber muss man sich Gedanken machen. – Ja, dazu stehe ich! Aber es kann nicht sein, dass wir uns zuerst darüber Gedanken machen, wann wir ihn wieder freilassen, und uns erst dann überlegen: Wie tun wir da jetzt? Aus generalpräventiven Gründen ist das alles ohnehin nicht mehr notwendig, vielleicht aus spezialpräventiven. Machen wir einen gemeinsamen Sitzkreis, und dabei unterhalten wir uns mit dem Häftling und fragen ihn: Bist du damit einverstanden, dass du das Gefängnis verlassen darfst? Möchtest du das? Bei den Ausländern, die sich dazu auch noch unrechtmäßig bei uns aufhalten, sagt man dann überhaupt: Wenn du uns versprichst, dass du das Land verlässt, wirst du entlassen.

Frau Ministerin, ich frage mich: Wie werden Sie dafür Sorge tragen, dass derjenige, der entlassen wird, auch tatsächlich den Staat verlässt? Wie wollen Sie das kontrollieren? Ich habe in den Unterlagen diesbezüglich keine einzige Maßnahme entdeckt. Vielleicht können Sie uns das erklären. Ich glaube, Sie können uns das nicht wirklich erklären.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 227

Wir werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass Straftäter weiterhin im Gefängnis bleiben. Es hat schon Sinn, dass sich ein Richter ein Strafausmaß überlegt. Und wir müssen uns viel mehr Gedanken über die Opfer machen und darüber, wie wir unsere Gesellschaft, unsere Gemeinschaft vor diesen Personen schützen können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.25


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Praßl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.25.51

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich in meinem Zwei-Minuten-Beitrag ein wenig mit der Novelle zum Suchtmittelgesetz sowie mit der Umsetzung des Rahmenbeschlusses Drogenhandel beschäftigen.

Der Rahmenbeschluss Drogenhandel legt Mindestvorschriften, Mindeststrafen im Be­reich des Suchtgifthandels über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen im Bereich des illegalen Handels mit Drogen und Drogenausgangsstoffen fest. Es ist ein gemeinsamer Ansatz auf der Ebene der Europäischen Union zur Bekämpfung des illegalen Handels. Der persönliche Konsum von Suchtgiftmitteln ist jedoch durch den Rahmenbeschluss leider nicht erfasst.

Im Sinne des Rahmenbeschlusses erhöhen sich die Strafrahmen für den Sucht­gift­handel durchgehend. Es wird primär auf die verstärkte Bekämpfung des Drogen­handels und auf die Verschärfung der Suchtmittelbestimmungen abgezielt.

Ich möchte aber gezielt auf den Grundsatz: Stärkung des Prinzips „Therapie statt Strafe“, eingehen. Durch den § 35 des Suchtmittelgesetzes sollte Suchtmittelkon­sumentinnen und Suchtmittelkonsumenten durch gesundheitspolitische Maßnahmen weitergeholfen werden. In diesem Sinne hat Hilfe Vorrang vor Bestrafung. Durch die Stärkung des Grundsatzes „Therapie statt Strafe“ sollen die Betroffenen zu einer raschen Zuführung der therapeutischen Maßnahmen gelangen.

Diesem Grundsatz kommt größte Bedeutung zu. Das erkennt man daran, dass bei den Aufwendungen der Justiz für diese Therapiemaßnahmen aufgrund des § 41 im Jahr 2006 fast 5 Millionen € aufgewendet wurden.

Ich kann hier auch meine eigenen Erfahrungen schildern, weil es in meiner unmit­telbaren Nähe ein solches, vom Grünen Kreis betriebenes Therapiezentrum gibt, und ich muss feststellen, dass die Zahl der dort Arbeitenden, aber auch der Betroffenen rapid zunimmt. Der Grüne Kreis hat mit einer Zahl von 14 Personen begonnen, und innerhalb von drei Jahren hat sich diese Zahl auf 102 erhöht. Ich muss auch feststellen, dass diese Therapie, mit der Betroffene wieder sehr sinnvoll in den Arbeits­prozess zurückgeführt werden, sehr erfolgreich ist.

Ich glaube und bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Beschluss einen Schritt in die richtige Richtung setzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Abge­ordnete Steibl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.29.02

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum Rahmenbeschluss Drogenhandel: Vor kurzem wurde der Drogenbericht 2007 veröffentlicht; alarmierende Zahlen sind dort dokumentiert. EU-weit und auch in Österreich ist die Zahl der Drogentoten im Jahr 2006 weiter ange-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 228

stiegen. Im Vorjahr haben rund 4,5 Millionen Europäer zwischen dem 15. und 64. Le­bensjahr Kokain konsumiert, eine Million mehr als 2005. Sinkende Preise für Kokain unterstützen diesen Anstieg erheblich. Europaweit ist, denke ich, gerade dieser Rahmenbeschluss zum Drogenhandel heute ein weiterer wichtiger Schritt.

Es ist aber wichtig, dass wir uns genauso wie bei der Thematik Alkoholkonsum unter Kindern und Jugendlichen auch weiter verstärkt mit der Präventionsarbeit im eigent­lichen Sinn als „Schutz“ beschäftigen, damit es erst gar nicht zum Konsum von Drogen kommt. Wir sollten dieses Anliegen massiv forcieren und auch da wieder die Eltern unterstützen.

Mein Credo ist: Wir sollten die Eltern gerade in der Erziehungsarbeit und in ihrer Erziehungsaufgabe hier nicht alleine lassen. Sie müssen von der Gesellschaft, von der Politik und von allen, die Verantwortung tragen, dass junge Menschen erwachsen werden können, in jeglicher Form, die sie wünschen, unterstützt werden. Und vielleicht ist das ein kleiner Schritt dazu. (Beifall bei der ÖVP.)

19.30


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Von der Regierungsbank aus hat sich nun Frau Bundesministerin Dr. Berger zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.30.47

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst herzlichen Dank an all jene, die sich hier und schon im Ausschuss und in Vorbereitungsarbeiten sehr aktiv an der Debatte über diese Reformen beteiligt haben. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir hier doch einen sehr breiten Kompromiss erreichen konnten, und dieser gemeinsame Nenner ist die Sicherheit. Ich bitte noch einmal, alle Bestimmungen, wie sie derzeit zur bedingten Entlassung gelten, mit den neuen Bestimmungen zu vergleichen.

Sie werden sehen, dass in wesentlich höherem Ausmaß Begutachtungen stattfinden werden, dass in wesentlich höherem Ausmaß auch obligatorisch die Bewährungshilfe eingesetzt werden wird, dass durch die Probezeit und die Beobachtung und Kontrolle in der Probezeit – die Probezeit ist ja in der Regel wesentlich länger als die zu ver­büßende Reststrafe – das Begleit- und Kontrollnetz wesentlich dichter sein wird, während die großen Risken tatsächlich heute dort gegeben sind, wo die Entlassung aus der Strafhaft ohne Vorbereitung stattfindet. Dort haben wir auch die hohen Rück­fallraten.

Ich möchte noch zwei Punkte hervorheben, die vielleicht in der Debatte sonst ein biss­chen untergehen würden. Wir haben endlich die gesetzliche Grundlage, um anstatt von Ersatzfreiheitsstrafen die gemeinnützige Leistung breit einzusetzen. Und wir haben auch jetzt die gesetzliche Grundlage dafür, dass wir mit 1. Jänner 2009 eine hoch spezialisierte Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft einrichten können. Die neuen Bestim­mungen, aber auch die schon geltenden Bestimmungen, die wir jetzt zur Bekämpfung der Korruption im wirtschaftlichen und im öffentlichen Bereich geschaffen haben, wer­den für eine gute Verfolgung derselben sorgen.

Bezüglich der Frau Abgeordneten Hakl tut es mir leid, dass wir die Debatten nicht so ausführlich führen können, dass wir sie davon überzeugen können, dass gerade ihr Grundsatz – nämlich dass wir dort, wo es um das Handeln geht, jetzt die strengeren Strafen haben werden und dort, wo es im Wesentlichen um Therapie gehen muss und wo es um den persönlichen Gebrauch geht, weitergekommen sind – hier auch verwirk­licht wird. Wir haben jetzt zum Teil andere Terminologien, die kommen aus dem EU-Rahmenbeschluss, aber ich denke, beide Grundsätze sind jetzt gut verwirklicht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 229

Zur Frage: Warum nur die Täter, nicht die Opfer?, kann ich nur sagen – ich habe das auch schon bei der Debatte am Nachmittag gesagt –: Mit der Reform der Strafprozess­ordnung, die mit 1. Jänner in Kraft tritt, wird auch das Strafprozessrecht sehr stark opferorientiert. Wir werden die Opfer sowohl im Vorfeld des Verfahrens als auch während des Verfahrens sehr stark unterstützen können, sowohl juristisch als auch mit psychosozialer Prozessbegleitung. Wir haben zusätzliche Opferschutzeinrichtungen, wir stecken zusätzliches Geld in diesen Bereich. Also ich glaube, der Vorwurf, es gehe immer nur um die Täter und nicht um die Opfer, ist heute weniger gerechtfertigt als je zuvor.

Wenn jemand glaubt, in unseren Strafanstalten gehe es luxuriös zu, sage ich Ihnen Folgendes: Abgeordnete haben das Recht, Strafanstalten zu besuchen. Ich kann nur alle einladen, mit mir einmal einen Besuch in Stein oder in der Justizanstalt Josefstadt zu machen, wo in Hafträumen, die für vier Personen ausgestattet sind, derzeit zehn Jugendliche untergebracht werden müssen. (Abg. Parnigoni: Kollege Darmann hat besonderes Interesse!) Also wenn jemand glaubt, es gehe dort so luxuriös zu, dann kann ich nur bitten: Besucht die Haftanstalten! Schaut, wie das dort wirklich ist! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

19.35


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen damit zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Strafrechtsände­rungsgesetz 2008 in 331 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kolle­gen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Dr. Fich­tenbauer, Mag. Darmann, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungs­antrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Mag. Dar­mann vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel I  Z 9 bis 19 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Dr. Fichtenbauer, Mag. Darmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, welcher die Einfügung einer Ziffer 19a in Artikel I zum Inhalt hat.

Ich bitte die Mitglieder des Hohen Hauses bei Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 230

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Z 20 bezieht.

Ich bitte bei Zustimmung um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Artikel I Z 20 des vorliegenden Gesetzent­wurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Der Abgeordnete Mag. Darmann hat die getrennte Abstimmung des Artikels I Z 21 bis 24 verlangt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche bei Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Weiters liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen vor, welcher die Einfügung der Ziffern 7a bis 7c, die Einfügung der Ziffern 9a und 9b und die Änderung der Ziffer 13 jeweils in Artikel II sowie die Änderung der Ziffer 24 in Artikel III zum Inhalt hat.

Ich bitte daher jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungs­antrages der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist wieder mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetz­entwurf ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 331 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 51.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erbringung gemeinnütziger Leistung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird, in 332 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Stein­hauser, Kolleginnen und Kollegen vor.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 231

Ich werde daher über die vom erwähnten Verlangen betroffenen Teile und an­schließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Wir gelangen zunächst zur getrennten Abstimmung über die Ziffern 3, 4 und 5 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist wiederum mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte wiederum jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den Gesetz­entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 333 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 334 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte auch hier jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.40.5716. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (299 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Mediengesetz, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das Militär­strafgesetz, das Pornographiegesetz, das Strafregistergesetz, das Tilgungs­gesetz, das Bundesgesetz über die Amtshilfe der Sozialversicherungsträger für die Sicherheitsbehörden, das Sozialbetrugsgesetz, das Staatsanwaltschafts­gesetz, die Strafprozessordnung, das OGH-Gesetz, das Rechtspraktikanten­gesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Apothekerkam­mer­gesetz, das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicher­heitsgesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz und das Wein­gesetz geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz II) (335 d.B.)

17. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Außenhandelsgesetz geändert wird (336 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen damit zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 232

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. 4 Minu­ten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.41.44

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Im Ministerialentwurf war ursprünglich eine weisungsfreie Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption vorgesehen. Offensichtlich war man sich im Justizminis­terium im Klaren darüber, dass die Unabhängigkeit sichergestellt werden muss. In der Regierungsvorlage ist dieses Vorhaben leider verschwunden. Wir können wieder nur mutmaßen, warum das so war, aber ich vermute, dass der Koalitionspartner mit dieser Weisungsfreistellung ein Problem hatte. Ich entnehme das ja auch dem medialen Gewitter, das bei Vorstellung dieses Vorhabens erfolgt ist.

Weil die ÖVP immer für Standardpolitik eintritt, muss sie sich schon eine Frage gefallen lassen: Was glauben Sie, was es für einen Eindruck macht, wenn Österreich das UN-Übereinkommen gegen Korruption nicht umsetzt? – Denn das UN-Über­einkommen gegen Korruption sieht klar vor, dass eine unabhängige und dadurch auch effiziente Behörde zur Korruptionsbekämpfung geschaffen wird.

Dieses Übereinkommen wird nicht umgesetzt – und das obwohl es vor gar nicht langer Zeit im Nationalrat von allen Parteien ratifiziert wurde. Jetzt verabschiedet man sich plötzlich. Das wird wieder im internationalen Korruptionsranking seinen Niederschlag finden. Das ist offensichtlich die Standardpolitik der ÖVP.

Konsequent wäre es gewesen, die Staatsanwaltschaft generell weisungsfrei zu stellen und das Weisungsrecht einem Bundesstaatsanwalt zu übertragen, der dem Nationalrat verantwortlich ist. Das ist übrigens eine Forderung, die bis zu den Wahlen auch von der SPÖ geteilt wurde, von der man sich jetzt aber verabschiedet hat.

Ich möchte auch dazu sagen, dass wir diese Weisungsfreistellung nicht deshalb fordern, weil wir der Bundesministerin nicht vertrauen – das ist überhaupt nicht der Fall –, auch nicht, weil wir glauben, dass so viele Weisungen praktisch erfolgen würden. – Nein, wir glauben, dass nur dann, wenn eine Behörde personell und organisatorisch unabhängig ist, wenn die Staatsanwaltschaft personell und organi­satorisch unabhängig ist, auch der Schutz vor informeller Einflussnahme und Loyalitäten besteht. Und in den meisten Ländern Europas ist das auch umgesetzt.

Wenn wir nach Italien schauen, ist es folgendermaßen: Die dortigen Auseinander­setzungen zwischen Staatsanwaltschaft und Berlusconi sind nur deshalb möglich, weil es eine vom Ministerium weisungsfreie Staatsanwaltschaft gibt.

Deswegen werden wir auch gegen dieses Gesetz stimmen, weil wir glauben, dass hier einem wichtigen Erfordernis aus dem UN-Übereinkommen nicht Rechnung getragen wurde. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.44


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadlbauer mit 2 Minuten. – Bitte.

 


19.44.37

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Mit den verschiedenen Gesetzentwürfen, die dem Plenum heute und morgen zur Abstimmung vorliegen, entsteht ein völlig neues Rollenbild der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Das im Jahr 2004 beschlossene Strafprozessreformgesetz, das am 1. Jänner 2008 in Kraft treten wird, ordnet das strafrechtliche Vorverfahren grund­sätzlich neu.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 233

Zur zentralen Figur im neuen Vorverfahren wird der Staatsanwalt oder die Staats­anwältin. Wichtig ist mir zu erwähnen, dass die Staatsanwaltschaften eine personelle Aufstockung von zirka 50 Prozent erhalten werden. Die zusätzlichen Planstellen werden seit Mitte dieses Jahres laufend ausgeschrieben und besetzt. Der neuen starken Rolle der Staatsanwaltschaften entspricht es, wenn wir heute die Staats­anwältinnen und Staatsanwälte erstmals in der Bundesverfassung festschreiben. Dies stärkt nicht nur die Position der Staatsanwaltschaften, sondern insgesamt das gesamte Justizsystem.

Ergänzt wird diese verfassungsrechtliche Absicherung der Staatsanwaltschaften durch eine Neuausrichtung des Weisungsrechts. Bereits mit Jänner 2008 sollen staats­anwaltschaftliche Entscheidungsprozesse transparent gemacht werden, indem künftig alle Weisungen der Justizministerin und der Oberstaatsanwaltschaften offengelegt werden. In Zukunft soll eine Ausfertigung jeder Weisung zu den Akten der Staats­anwaltschaft beziehungsweise des Gerichts genommen werden. Die Weisungen unterliegen damit auch der Akteneinsicht. Und ist ein Verfahren nicht gerichtsanhängig geworden, so wird die Justizministerin über diese Weisung jährlich dem Nationalrat berichten. Dadurch wird jeder Anschein politischer Einflussnahme auf die Staats­anwaltschaft vermieden.

Ganz besonders wichtig erscheint mir auch die Anpassung der gesetzlichen dienst­rechtlichen Vorschriften für die Staatsanwälte. Diese wird morgen im Plenum behandelt werden.

Staatsanwälte und Staatsanwältinnen werden damit auch formalgesetzlich in ihrer Bedeutung den Richtern und Richterinnen gleichgestellt.

Insgesamt entsteht per 1. Jänner 2008 ein völlig neuer Typus des Staatsanwalts/der Staatsanwältin. Er oder sie wird in vier Dimensionen neu definiert: verfassungs­rechtlich als ein Organ der Gerichtsbarkeit, verfahrensrechtlich als Nachfolger des Untersuchungsrichters in der Rolle des Leiters in der Ermittlung im Vorverfahren, dienstrechtlich durch die Einbeziehung in das Richterdienstgesetz in einer sehr den Richtern angenäherten Stellung und organisationsrechtlich durch eine Stärkung der Position der Anklagebehörden im Verhältnis zur Justizministerin durch eine starke Einschränkung der Berichtspflichten und durch die Offenlegung von ministeriellen Weisungen.

Alles in allem kann ohne Zweifel von der größten Reform der Institution der Staats­anwaltschaft seit ihrer Schaffung im Jahr 1873 gesprochen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.47


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann mit 4 Minuten. – Bitte.

 


19.47.30

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir können einmal feststellen, dass von unserer Seite die Einrichtung einer zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption im Staats­anwalt­schafts­gesetz, wie sie jetzt vorgesehen ist, nämlich dass sie auch bundesweit für die Leitung eines Ermittlungsverfahrens im speziellen Katalog vorgesehen ist, unterstützt wird. Das heißt, wir werden dieser besonderen Staatsanwaltschaft unsere Unter­stützung geben – vor allem aus dem Grund, weil es eine Annäherung an internationale Vorgaben ist und den Verpflichtungen im Bereich der Korruptionsbekämpfung mit den Mitteln des Strafrechts nachkommt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 234

Ich kann absolut nicht nachvollziehen, wieso Kollege Steinhauser hier komplett wei­sungsfreie Staatsanwälte fordert und in gleicher Weise und im gleichen Satz dann dazu übergeht, einen Bundesstaatsanwalt zu fordern, der in weiterer Folge dem Nationalrat verantwortlich sein soll.

Ich frage mich, was die Grünen reitet, hier eine neue Funktion einzuführen, die im Endeffekt genauso dem Nationalrat verantwortlich ist wie die Bundesministerin. Es ist ja absolut kein Unterschied, ob die Bundesministerin für die Staatsanwälte verant­wortlich ist und unter Umständen eine Weisung gibt oder ein Bundesstaatsanwalt, der dem Nationalrat verantwortlich ist. Der kann genauso im Extremfall, den wir uns alle nicht wünschen, eine politische Weisung geben. Also das ist wieder eine Idee, die zwar recht schön klingt, aber nicht wirklich einen Inhalt hat. (Beifall beim BZÖ.)

Weiters ist für uns eine wesentliche Begründung dafür gewesen, dass wir bei dieser Regierungsvorlage mitgehen werden, dass es einen Kompromiss in Bezug auf eine gewisse Transparenz bei Weisungen gibt. Es ist ja geregelt, dass es in Zukunft – es wurde vorhin schon gesagt – die Weisungen in schriftlicher Form als Beilage in den Akten geben wird. Das heißt, dann ist zumindest eine Weisung nachzuvollziehen, die nicht unbedingt eine politische ist. Das wissen wir schon, denn politische Weisungen werden vermutlich etwas anders ausgesprochen und nicht unbedingt schriftlich formuliert.

Aber es ist ein Kompromiss in diese Richtung. Aus diesem Grund kann ich noch einmal alles in allem sagen, dass das BZÖ seine Zustimmung geben wird. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

19.49


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer mit 3 Minuten. – Bitte.

 


19.50.01

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe zunächst einen Abänderungsantrag einzu­bringen; ich werde mit diesem beginnen, damit dann die Zeit nicht zu knapp wird. Zum Strafprozessreformbegleitgesetz 299 der Beilagen bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen

Zu Artikel II

Änderung des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – EU-JZG

Die Z 30 lautet wie folgt:

„30. § 77 wird wie folgt geändert:

a) Abs. 8 entfällt

b) Folgende Abs. 13 und 14 werden angefügt:

,(13) Die Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 7 Abs. 3, 16 Abs. 1 und Abs. 2, 17 Abs. 2 und Abs. 3, 19 Abs. 2 und Abs. 3, 20 Abs. 1 bis Abs. 4, 21 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4, 23 Abs. 2, 24 Abs. 2 bis Abs. 4, 25 Abs. 1 und Abs. 2, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 bis Abs. 3, 31 Abs. 4 und Abs. 6, 43 Abs. 1 und Abs. 2, 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 und


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 235

Abs. 2, 48 Abs. 1, 50, 61 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5, 68 Abs. 1, 70 Abs. 1 und Abs. 2, 71, 72 Abs. 1 und Abs. 3, 73 Abs. 1 und Abs. 2, 74, 76 Abs. 1 und Abs. 3 sowie die Überschrift vor § 13 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XX/XXXX treten mit 1. Jänner 2008 in Kraft.

(14) (Verfassungsbestimmung) § 5 Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XX/XXXX tritt mit 1. Jänner 2008 in Kraft.‘“

Zu Artikel XI

Änderungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes

Die Z 3 lit. b) lautet wie folgt:

„b) Abs. 1 lautet:

,(1) Am Sitz jedes in Strafsachen tätigen Landesgerichts besteht eine Staatsanwalt­schaft, am Sitz jedes Oberlandesgerichts eine Oberstaatsanwaltschaft und beim Obersten Gerichtshof die Generalprokuratur. Die Staatsanwaltschaften sind den Ober­staatsanwaltschaften und diese sowie die Generalprokuratur dem Bundesminister für Justiz unmittelbar untergeordnet und weisungsgebunden.‘“

*****

Dieser Abänderungsantrag dient dazu, einige Redaktionsversehen zu berichtigen, daher danke ich für die Aufmerksamkeit diesbezüglich.

Ich darf die letzten Sekunden meiner Redezeit einer Frage an die Frau Justizministerin widmen. Wir haben ja schon gehört, dass wir heute die noch notwendigen Anpas­sungen der Reform des Vorverfahrens, das ab 1. Jänner 2008 in Kraft treten wird, vornehmen.

In diesem Zusammenhang sind in den letzten Tagen von verschiedenen Staatsanwalt­schaften die Befürchtungen an mich herangetragen worden, dass dabei die Vorbe­reitun­gen nicht umfassend genug waren. Manche dieser Staatanwälte haben Sorge, dass sie nicht entsprechend gerüstet sind, um dieses Vorverfahren, in dem ab 1. Jänner 2008 die Staatsanwaltschaft eine wesentliche Rolle einnehmen wird, auch entsprechend effizient umsetzen zu können.

Ich würde daher die Frau Justizministerin ersuchen, hier noch einmal zu erläutern, ob und in welchem Ausmaß Vorbereitungen diesbezüglich stattgefunden haben. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.53


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Abänderungsantrag der Abgeord­neten Jarolim und Donnerbauer ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Justizausschusses (335 d.B) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Mediengesetz,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 236

das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das Militärstrafgesetz, das Pornographie­gesetz, das Strafregistergesetz, das Tilgungsgesetz, das Bundesgesetz über die Amtshilfe der Sozialversicherungsträger für die Sicherheitsbehörden, das Sozial­betrugs­gesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das OGH-Gesetz, das Rechtsprakti­kanten­gesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Apothekerkammergesetz, das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Zahn­ärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz und das Weingesetz geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz II) (299 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bericht des Justizausschusses (335 d.B) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zu­sam­menarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Mediengesetz, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das Militärstrafgesetz, das Porno­graphie­ge­setz, das Strafregistergesetz, das Tilgungsgesetz, das Bundesgesetz über die Amts­hilfe der Sozialversicherungsträger für die Sicherheitsbehörden, das Sozialbe­trugs­gesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das OGH-Gesetz, das Rechtspraktikan­ten­gesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Ärztegesetz 1998, das Apothekerkammergesetz, das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Zahn­ärzte­gesetz, das Zahnärztekammergesetz und das Weingesetz geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz II) (299 d.B.), wird wie folgt geändert:

Zu Artikel II

Änderung des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – EU-JZG

Die Z 30 lautet wie folgt:

„30. § 77 wird wie folgt geändert:

a) Abs. 8 entfällt

b) Folgende Abs. 13 und 14 werden angefügt:

,(13) Die Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 7 Abs. 3, 16 Abs. 1 und Abs. 2, 17 Abs. 2 und Abs. 3, 19 Abs. 2 und Abs. 3, 20 Abs. 1 bis Abs. 4, 21 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4, 23 Abs. 2, 24 Abs. 2 bis Abs. 4, 25 Abs. 1 und Abs. 2, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 bis Abs. 3, 31 Abs. 4 und Abs. 6, 43 Abs. 1 und Abs. 2, 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 und Abs. 2, 48 Abs. 1, 50, 61 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 5, 68 Abs. 1, 70 Abs. 1 und Abs. 2, 71, 72 Abs. 1 und Abs. 3, 73 Abs. 1 und Abs. 2, 74, 76 Abs. 1 und Abs. 3 sowie die Überschrift vor § 13 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XX/XXXX treten mit 1. Jänner 2008 in Kraft.

(14) (Verfassungsbestimmung) § 5 Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XX/XXXX tritt mit 1. Jänner 2008 in Kraft.‘“

Zu Artikel XI

Änderungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes

Die Z 3 lit. b) lautet wie folgt:

„b) Abs. 1 lautet:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 237

,(1) Am Sitz jedes in Strafsachen tätigen Landesgerichts besteht eine Staats­anwaltschaft, am Sitz jedes Oberlandesgerichts eine Oberstaatsanwaltschaft und beim Obersten Gerichtshof die Generalprokuratur. Die Staatsanwaltschaften sind den Oberstaatsanwaltschaften und diese sowie die Generalprokuratur dem Bundesminister für Justiz unmittelbar untergeordnet und weisungsgebunden.‘“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.53.53

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Kollege Donnerbauer! Das Gesetz, dessen Abänderungsantrag Sie soeben vorgetragen haben, ist bestimmt eines, das keiner gelesen beziehungsweise mitvollzogen hat. Aber ich gehe davon aus, dass es im Sinne der anwaltlichen Kor­rektheitsverpflichtung korrekt ist und dass Sie wahr und inhaltlich richtig berichtet haben, dass es sich um redaktionelle Ausbesserungen handelt.

Es ist auch sehr schwierig, das in der Eile nachzuvollziehen, weil es ja erst vor kurzer Zeit schriftlich vorgelegt wurde. Aber ich wiederhole das, was ich vorhin gesagt habe, insbesondere deshalb, weil wir betreffend die beiden Vorlagen der Tagesord­nungs­punkte 16 und 17 schon im Ausschuss pro gestimmt haben, und wir werden das auch heute tun. Es handelt sich um notwendige technische Anpassungen, die im Sinne des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes erforderlich und richtig sind.

Ferner bringe ich namens meiner Fraktion zum Ausdruck, dass wir damit sehr ein­verstanden sind, dass das „Wunschgespenst“ der weisungsfreien Staatsanwaltschaft nicht aufgegriffen wurde und nicht Gesetz werden soll.

Das Beispiel Italien wurde genannt, und das beste Beispiel gegen eine weisungsfreie Staatsanwaltschaft ist das italienische Beispiel. Ich erinnere an die überfallartig in Haft genommenen Wintersportler vor zwei Jahren, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, geleitet und angeführt mittels Maßnahmen eines weisungsfreien Staatsanwaltes, fest­genommen wurden. An dem ganzen Vorwurfskonstrukt war nichts dran: Kein einziger Tatverdacht konnte erhärtet werden, aber die Sportler wurden sehr in Misskredit gebracht, wurden aus dem Verkehr gezogen, konnten ihren sportlichen Betätigungen, für die sie sich jahrelang vorbereitet haben, nicht mehr nachgehen und so weiter und so fort. (Abg. Brosz: Was heißt, es ist nichts bestätigt worden?!)

Die politische Verantwortung für die Anklagebehörde hat beim zuständigen obersten Organ – und das ist der Justizminister oder die Justizministerin – verankert zu bleiben! Das dient der Behördenkorrektheit im Sinne der politischen Verantwortung des staat­lichen Anklagemonopols, und das ist richtig und gut so.

Eine Änderung dessen würde eine „Verwürfelung“ des traditionell richtigen, staatlichen Einrichtungskonstrukts in Angelegenheiten der Rechtspflege bedeuten, für die kein Anlass besteht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.56


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Köfer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.56.50

Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! BAWAG, Eurofighter oder Horngacher sind wohl nur einige, aber die


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 238

derzeit bekanntesten Schlagworte, die aufgrund einer sehr breiten medialen Bericht­erstattung in der Bevölkerung mit Korruption in Verbindung gebracht werden.

Korruption verdirbt und untergräbt die Gesellschaft, sie entmutigt die Ehrlichen und schafft ein Klima des Misstrauens und vor allem der Destruktion. Im juristischen Sinne bedeutet sie aber auch den Missbrauch einer Vertrauensstellung im Bereich der öffentlichen Verwaltung, in der Wirtschaft, aber auch im Bereich der Politik – und das kann wohl nicht im Sinne und im Interesse des Staates sein.

Daher begrüße ich ausdrücklich die Schaffung einer eigenen zentralen Korruptions­staatsanwaltschaft, wobei es in diesem Zusammenhang aber auch einen Wermuts­tropfen zu vermerken gibt: Es wurde leider verhindert, dass die neue Korruptions­staatsanwaltschaft, wie von Frau Justizministerin Berger initiiert und vorgeschlagen, aber auch von der OECD und vom Europarat empfohlen, weisungsfrei agieren kann, wobei diese Weisungsfreiheit wichtig gewesen wäre.

Die spezialisierte und zentralisierte Verfolgung von Korruption bekommt insbesondere in der globalen Wirtschaft immer größere Wichtigkeit und kann für den Wirtschafts­standort Österreich vor allem bezüglich möglicher künftiger Investoren von eminenter und entscheidender Bedeutung sein. Korruption schafft unfaire Wettbewerbs­bedin­gungen gegenüber dem korrekt Anbietenden, meist aber dann auch zum Nachteil von klein- und mittelständischen Unternehmen.

Der Schaden bei diesen Fällen ist schwer zu beziffern, da damit sehr oft Folge- und Sekundärschäden, wie zum Beispiel Vermögensverluste, Umweltschäden oder der Verlust von Arbeitsplätzen in Verbindung gebracht werden müssen. Daher ist es höchst an der Zeit, dass Österreich hier im internationalen Vergleich nachzieht, denn in zahlreichen anderen europäischen Ländern gibt es eine derartige Einrichtung – übrigens sehr erfolgreich – schon seit vielen Jahren.

Ziel und Ehrgeiz dieser Regierung muss es also sein, dass sich Österreich im Sinne der Wirtschaft, aber auch im Sinne der Steuerzahler vom derzeit bescheidenen 15. Rang auf dem Korruptionswahrnehmungsindex schnell verbessert und es eine deutliche Aufhellung dieser dunklen Machenschaften gibt.

Daher bin ich überzeugt davon, dass mit der Schaffung dieser Staatsanwaltschaft ein sehr energischer Schritt zur Stärkung der Akzeptanz im Bereich Vertrauen und Handlungsfähigkeit des Staates gesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

19.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu einer Stellungnahme von der Regie­rungsbank aus hat sich Frau Justizministerin Dr. Berger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.59.28

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Frau Präsidentin! Ich möchte nur ganz kurz insbesondere das unterstreichen, was Frau Abgeordnete Stadlbauer schon gesagt hat: Wir stehen tatsächlich vor einer enormen Aufwertung der Staatsanwalt­schaften, die – jetzt zum ersten Mal im Bundesverfassungsgesetz verankert – nach der Strafprozessreform ab 1. Jänner als die Leiter des Vorverfahrens agieren.

Sie bekommen eine neue dienstrechtliche Stellung durch die Überleitung ins Richter­dienstgesetz, die Weisungen werden neu geregelt und sie bekommen auch dienst­rechtlich und organisationsrechtlich eine gewisse zusätzliche Unabhängigkeit. Insge­samt wird also in diesen Tagen ein sehr, sehr umfangreiches Paket für die Staatsanwaltschaften beschlossen, das der neuen Rolle dieser Behörden gerecht wird.

Zur Frage des Herrn Vorsitzenden des Justizausschusses darf ich sagen: Natürlich steigt mit diesem großen Projekt, das mit 1. Jänner 2008 startet, die Nervosität. Alle


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 239

wollen ab 1. Jänner ihr Bestes geben, und alle haben auch bisher schon ihr Bestes gegeben, um alles, was an absehbaren Vorbereitungen notwendig war, zu tun.

Im Bereich der Staatsanwaltschaften kann – als einzigem Bereich – ein nennenswerter Personalzuwachs verzeichnet werden. Wir haben mehr als 120 zusätzliche Staats­anwälte, davon 70 neue Planstellen. Es wurde also nicht umgeschichtet, sondern es wurden tatsächlich 70 neue Planstellen geschaffen. Wir konnten alles, was zusätzlich an nichtrichterlichem Personal notwendig war, durch neue Planstellen abdecken, wofür ich mich sowohl beim Herrn Finanzminister als auch beim Herrn Bundeskanzler bedanken möchte. Wir haben diese Planstellen rechtzeitig zur Verfügung gestellt, sodass diese zum Teil jetzt schon einige Monate besetzt sind und sich die neuen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf ihre Aufgabe vorbereiten können.

Für den elektronischen Verkehr mit der Kriminalpolizei sind alle Schnittstellen einge­richtet, und es gibt schon seit vielen Wochen und Monaten gemeinsame Schulungen, und zwar sowohl für die Staatsanwälte als auch für die Polizei.

Nochmals: Alles, was absehbar war und wir organisieren konnten, haben wir getan, und ich bin daher überzeugt davon, dass der Start am 1. Jänner 2008 sehr, sehr gut gelingen wird. Wenn es jedoch die eine oder andere Unsicherheit gibt, so hat das eben damit zu tun, dass das natürlich ein sehr großer Schritt ist, eine sehr durchgehende Reform, die sehr vieles an Änderungen nach sich zieht. Da kann es schon sein, dass in der einen oder anderen Staatsanwaltschaft die Nervosität ein bisschen steigt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.02


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geändert werden, in 335 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kolle­gen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Stein­hauser, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich lasse daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag beziehungs­weise Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzentwurfes und anschließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes samt Titel und Eingang abstimmen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der eingebrachte Abänderungsantrag je eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfas­sungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel II Ziffer 30 sowie auf Arti­kel XI Ziffer 3 bezieht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Jarolim, Donnerbauer,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 240

Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Weiters liegt ein Verlangen der Abgeordneten Mag. Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen auf getrennte Abstimmung über Artikel XI Ziffer 4 vor.

Jene Damen und Herren, die sich für den erwähnten Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes aussprechen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 336 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

20.05.4818. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (295 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührengesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Exekutionsordnungs-Novel­le 2008 – EO-Nov. 2008) (337 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Becher. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.06.05

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzte Novelle der Exekutionsordnung vor zwei-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 241

einhalb Jahren betraf eine Anpassung an die Verordnungen der Europäischen Union, von den Vollstreckungstiteln bis hin zur Vergütung der Gerichtsvollzieher.

Die heutige Novellierung der Exekutionsordnung soll vor allem das Verfahren moder­nisieren. Das heißt, künftig sollen bewegliche Güter über das Internet angeboten werden können, über Online-Auktionshäuser – und nicht mehr, wie bisher, in Auktionshallen oder in den Wohnungen der Betroffenen versteigert werden.

Hauptziel dieser Reform ist es vor allem, möglichst hohe Erlöse zu erzielen, die den Schuldnern zugute kommen sollen.

In der heutigen Diskussion über die Exekutionsordnung möchte ich aber auch eine grundsätzliche Überlegung anbringen, denn diese Exekutionsordnung geht ja eigentlich davon aus, dass im Falle eines Zahlungsverzugs immer Zahlungsunwilligkeit vorliegt – und das, obwohl man in vielen Fällen feststellen kann, dass eine lange andauernde Zahlungsunfähigkeit vorhanden ist.

Das heißt, bei einer weiteren Reform sollte man meiner Meinung nach da ansetzen und in Zukunft zum Beispiel die Pfändungsgrenzen – ähnlich wie das in Deutschland der Fall ist – hinaufsetzen und Lohnpfändungsberechnungen nicht mehr durch Arbeit­geber durchführen lassen. Das wäre, glaube ich, ein Diskussionspunkt für eine künftige Reform dieser Novelle.

Die heute zu beschließende Novelle stellt jedenfalls auch eine bedeutende Verbes­serung für die Schuldner dar und bringt eine optimierte Verfahrensbeschleunigung mit sich. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.08


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.08.16

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich glaube, dass mit dieser Neuordnung der Exe­kutions­ordnung eine völlig veraltete Regelung der Zwangsverwaltung durch eine zeitgemäße Form ersetzt wird. Ich erwarte insbesondere, dass die künftige Möglichkeit der Versteigerung über das Internet deutlich bessere Aussichten einer forderungs­deckenden Verwertung und somit eine wirksamere Befriedigung der Gläubiger bieten wird.

Des Weiteren werden wir die Gerichte damit entlasten und die Position des Schuldners in einigen Punkten verbessern. – Alles in allem eine, wie ich meine, sehr gescheite Neuregelung.

Ganz anders stellt sich die derzeitige Situation jedoch – da möchte ich anknüpfen an einen Diskussionsbeitrag im Justizausschuss – bei der freiwilligen Immobilien­verstei­gerung dar. Wenn jemand von Ihnen eine Immobilie in Österreich versteigern will, würde er glauben, er kann das in einer privaten öffentlichen Auktion tun, unter Heranziehung von entsprechenden Fachleuten mit professionellem Marketing und höchster Transparenz.

Er könnte so etwas tun, wenn er etwa in Deutschland oder Spanien, in Großbritannien, Frankreich, in den Niederlanden oder in Tschechien leben würde. In Österreich geht das aber nicht, weil bei uns eine solche freiwillige Versteigerung immer noch auf Basis des außerstreitigen Verfahrens und unter zwingender Mitwirkung der Gerichte durch­geführt werden muss.

Eine solche doch sehr anachronistische Form – immerhin beruht das auf einem kaiser­lichen Patent von 1854 – führt dazu, dass es in Österreich praktisch keine derartigen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 242

Versteigerungen gibt. Das Justizministerium hat diesen Mangel zu Recht aufgegriffen und einen Entwurf für ein neues Verfahren vorgelegt, der auch in der Begutachtung allgemein sehr positiv beurteilt wurde.

Ich gehe davon aus, dass seitens des Justizministeriums dieser Entwurf zügig zu einer Regierungsvorlage gemacht wird, und werde mich massiv dafür verwenden, dass wir diesen Entwurf im Justizausschuss auch schnell behandeln werden, sodass wir zugunsten des Wirtschaftsstandortes, aber auch der Marktteilnehmer – Käufer und Verkäufer – in der freiwilligen Versteigerung von Liegenschaften sehr rasch über eine zeitgemäße Regelung verfügen werden. Das sind wir dem Wirtschaftsstandort schuldig. (Beifall bei der ÖVP.)

20.11


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.11.23

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Exekutionsordnungs-Novellen ist für uns immer entscheidend, ob der Gläubiger­schutz ausgebaut wird. Ich glaube, das kann man bei der vorliegenden Novelle sagen. Es gibt einige Verbesserungen für die Gläubiger, beispielsweise jene, dass die Zwangs­verwaltung aufgeschoben wird, wenn zur Einbringung derselben Forderung eine Gehaltsexekution geführt wird und der Erlös ausreicht. Zwecklose Exekutionen, die nur Kosten verursachen, sollen durch eine Sperrfrist verhindert werden.

Dann: Verbesserungen bei der Unterlassungsexekution durch direkte Verständigung des Verpflichteten und auch die Online-Versteigerung teilen wir selbstverständlich. Es ist aber natürlich immer nur ein punktueller Ansatz, die Online-Auktion wird nichts an der Schuldenproblematik insgesamt ändern.

Daher plädieren wir – und das habe ich schon einmal gemacht – für eine umfassende Reform in der Exekutionsordnung und hoffen, dass wir demnächst vom Justiz­minis­terium diesbezüglich hören werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.12


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wir überprüfen noch, ob das Anwesenheitsquorum ausreicht.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 295 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

20.13.3519. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (303 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Be­rufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 243

Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Nota­riatsaktsgesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungs­ge­setz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungs­gesetz 2008 – BRÄG 2008) (338 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen zum 19. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. – Bitte.

 


20.13.58

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es sei mir verziehen – gleich vorweg –, dass ich mich diesem Tages­ordnungspunkt aufgrund der geringen Restredezeit des BZÖ nur sehr kurz widmen kann. Deswegen möchte ich gleich zwei Punkte direkt angehen, zum einen die Verteidigereigenschaft der Notare. – Für Sie wird es nicht überraschend sein, Sie lächeln schon, Frau Bundesminister.

Für uns ist eines klar: Wir bleiben hier ganz hart drauf, dass wir vom BZÖ es nicht einsehen, dass den Notaren die Verteidigereigenschaft in der Strafverteidigung genom­men werden soll. Ich weiß schon, vom Justizministerium her wurde der Kompromiss gesucht, ihnen die Strafverteidigereigenschaft auf Bezirksgerichtsebene weiterhin zukommen zu lassen.

Wir sagen, diese Strafverteidigereigenschaft müsste in allen Belangen, an allen Gerich­­ten gegeben sein, und bringen diesbezüglich folgenden Antrag ein:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Darmann, Kollegin und Kollegen

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

Artikel II Z 3 lautet:

„3. § 5 Abs. 1 zweiter Satz lautet:

,Der Notar ist berechtigt, Parteien im Strafverfahren vor Verwaltungsbehörden, Finanz­strafbehörden und vor allen Gerichten wegen Straftaten zu verteidigen.‘“

*****

Zum Zweiten möchte ich auf das Gebührenrecht der Sachverständigen zu sprechen kommen. Hier ist für uns ganz klar, dass, solange es keine kostendeckende Lösung für die Leichenöffnung geben wird, dies zu gewaltigen Problemen im Bereich der Kriminalistik führt. Denn wenn zum Beispiel die Sensengasse geschlossen wird, ist es ganz klar, dass es in Zukunft sehr viele Gewalttaten geben wird, auf die man nicht mehr draufkommen kann.

Aus diesem Grund stellt das BZÖ folgenden Antrag:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 244

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Mag. Darmann, Kollegin und Kollegen betreffend Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Abteilung für Gerichtliche Medizin (DGM) der MedUni-Wien („Sensengasse“)

„Der Nationalrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung wird ersucht, die Funktionsfähigkeit der Gerichtsmedizin der MedUni-Wien auf dem Bereich der Obduktionen langfristig aufrechtzuerhalten, die Pläne für den Institutsneubau ehest möglich umzusetzen und einen Gesetzesentwurf zum Gebührenrecht vorzulegen, der gerichtlich veranlasste Leichenöffnungen kosten­deckend ermöglicht.‘“

*****

Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BZÖ.)

20.16


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Die beiden von Herrn Abgeordnetem Darmann verlesenen Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unter­stützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR der Abgeordneten Mag. Darmann, Kollegin und Kollegen

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (303 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwalts­anwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskommissions­tarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariats­prüfungs­gesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008) (338 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Vorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

Artikel II Z 3 lautet:

„3. § 5 Abs 1 zweiter Satz lautet:

,Der Notar ist berechtigt, Parteien im Strafverfahren vor Verwaltungsbehörden, Finanz­strafbehörden und vor allen Gerichten wegen Straftaten zu verteidigen.‘“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Mag. Darmann, Kollegin und Kollegen,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 245

eingebracht im Zuge der Debatte zu dem Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (303 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskom­missärs­gesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008) (338 d.B.),

betreffend Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Abteilung für Gerichtliche Medizin (DGM) der MedUni-Wien („Sensengasse“)

In den traditionsreichen Räumlichkeiten der Abteilung für Gerichtliche Medizin (DGM) der MedUni-Wien („Sensengasse“) sollen Medienberichten zufolge nach 200 Jahren ab Anfang des kommenden Jahres keine Obduktionen mehr vorgenommen werden. Nach dem Wegfall von drei Viertel dieser Prozeduren, die bisher von der Stadt Wien in Auftrag gegeben worden waren, ist die Aufrechterhaltung derartiger Untersuchungen betriebswirtschaftlich nicht mehr gerechtfertigt, verlautbarte MedUni-Wien-Rektor Wolfgang Schütz am vorvergangenen Dienstag. Die Gerichtliche Medizin der MedUni-Wien ist seit ihrem Bestehen Vorreiter in der forensischen Praxis und Forschung. Dieses Erbe muß bewahrt werden. In diesem Sinne stellte Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Dr. Johannes Hahn, 16,5 Euro für Neubau und Modernisierung in den Haushalt ein. Die Stadt Wien erklärte mittlerweile, sie würde zurück an die Sensengasse kommen, wenn es einen Institutsneubau und erhöhte Leistungsstandards gäbe.

Neben der Stadt Wien wird das verbleibende Viertel der Obduktionen gerichtlich veranlasst. Die Österreichische Gesellschaft für Gerichtliche Medizin beklagt dabei zu Recht, dass mit der vorliegenden Regierungsvorlage die Chance für eine dringend notwendige Reform des Gebührenanspruchsrechts ungenützt verstreicht. Nach wie vor besteht eine Benachteiligung medizinischer Sachverständiger, indem an der veralteten und die tatsächlichen Gegebenheiten nicht berücksichtigenden Aufzählung pau­schalierter Leistungen für ärztliche und besonders gerichtsmedizinische Tätigkeiten festgehalten wird. Leichenöffnungen sind dementsprechend nach geltendem Gebüh­ren­recht nicht kostendeckend möglich.

Mit der vorliegenden Novelle wird das entsprechende Gebührenrecht zwar an einem Punkt berührt, jedoch ist augenscheinlich, dass die Bundesministerin für Justiz keine Notwendigkeit sieht, Obduktionen kostendeckend durchzuführen und damit den Erhalt der traditionsreichen Gerichtsmedizin auf der Sensengasse unterläuft und die verbes­serte Aufklärung von Gewaltverbrechen verhindert.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, die Funktionsfähigkeit der Gerichtsmedizin der MedUni-Wien auf dem Bereich der Obduktionen langfristig aufrechtzuerhalten, die Pläne für den Institutsneubau ehest möglich umzusetzen und einen Gesetzesentwurf


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 246

zum Gebührenrecht vorzulegen, der gerichtlich veranlasste Leichenöffnungen kosten­deckend ermöglicht.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner ist Herr Abgeord­neter Dr. Wittmann zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.16.28

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Grundsätzlich handelt es sich hier um eine vorbereitete Handlung, damit man Universitäten und die freien Rechtsberufe in eine einheitliche Ordnung bringt.

Es muss gewährleistet sein, dass es eine grundsätzliche Ausbildung für diese freien Rechtsberufe, die ein bestimmtes Anforderungsprofil zu erfüllen haben, gibt. Diese Gewährleistung ist jetzt im Rahmen dieses Gesetzes ausgehandelt worden. Sie ist zu unterstützen, und sie fasst zusammen, dass im Wesentlichen sechs Rechtsbereiche abgeprüft werden müssen und letztendlich diese sechs Rechtsbereiche die Grundlage einer Zulassung zum Notar beziehungsweise zum Rechtsanwalt bilden müssen.

Es gibt zum Bericht des Justizausschusses in 338 d.B. folgenden Abänderungs­antrag:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (303 d. B.) ... wird wie folgt geändert:

Der Titel des Gesetzes lautet:

Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufs­prüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechts­anwalts­anwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskom­missionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariats­prüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwalts­tarif­gesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008)“.

*****

Zu Artikel I gibt es Änderungen, die im Wesentlichen der Beseitigung von Redaktions­irrtümern dienen.

Zu Artikel III ist festzuhalten, dass auch das RStDG an die in der Regierungsvorlage für ein Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 im Zusammenhang mit der Frage der uni­versitären Vorbildung der Berufsanwärter vorgeschlagenen Änderungen der Rechts­anwaltsordnung und der Notariatsordnung angepasst wird. Das betrifft auch die Frage der Gleichwertigkeitsprüfung im Fall der Absolvierung eines rechtswissenschaftlichen Studiums, das nicht den Anforderungen an ein Studium des österreichischen Rechts im Sinn des § 3 der Rechtsanwaltsordnung oder § 6a der Notariatsordnung entspricht. Da muss ebenfalls auf das RStDG und im Bereich des ABAG entsprechend Bedacht genommen werden. Diese Änderungen sind von diesem Abänderungsantrag umfasst.

Das Gleiche gilt für Änderungen in Bezug auf Gegenstände der Ergänzungsprüfung für Rechtsanwälte sowie der Ergänzungsprüfung für Notare. Das ist ebenfalls von diesem Änderungsantrag umfasst. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.19



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 247

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der in seinen Grundzügen erläuterte Antrag der Kollegen Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht, steht daher mit in Verhandlung und wurde gemäß § 53 Abs. 4 GOG auch an die Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Justizausschusses (338 d. B.) über die Regierungsvorlage (303 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariats­ordnung, das Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechts­anwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsakts­gesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechts­anwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außer­streitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (303 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechts­anwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorgani­sations­gesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechts­anwalts­prüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungs­gesetz 2008 – BRÄG 2008) in der Fassung des Ausschussberichtes (338 d. B.) wird wie folgt geändert:

Zum Titel

Der Titel des Gesetzes lautet:

Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufs­prüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechts­anwalts­anwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskom­mis­sions­tarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das No­tariats­prüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarif­ge­setz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008)

Zu Artikel I (Änderungen der Rechtsanwaltsordnung)

Art. I wird wie folgt geändert:

Z 4 lit. a lautet:

„a) wird in Abs. 1 und 2 nach dem Wort ,Gericht‘ die Wortfolge ,oder einer Staatsanwaltschaft‘ eingefügt;“


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 248

Zu Artikel III (Änderungen des Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetzes)

Art. III wird wie folgt geändert:

1. In Z 4 wird

a) in § 1 und § 3 Abs. 1 die Wendung „§ 3 RAO und § 6a NO“ jeweils durch die Wendung „§ 3 RAO, § 6a NO und § 2a RStDG“ ersetzt;

b) in § 5 Abs. 1 das Zitat „§ 3 Abs. 3“ durch das Zitat „§ 3 Abs. 4“ ersetzt;

c) in § 5 Abs. 2 die Wendung „§ 3 Abs. 2 RAO beziehungsweise § 6a Abs. 2 NO“ durch die Wendung „§ 3 Abs. 2 RAO, § 6a Abs. 2 NO beziehungsweise § 2a Abs. 2 RStDG“ ersetzt;

d) in § 5 Abs. 3 der Klammerausdruck „(§ 3 RAO und § 6a NO)“ durch den Klammerausdruck „§ 3 RAO, § 6a NO und § 2a RStDG)“ ersetzt.

2. In Z 7 erhalten die lit. b (§ 12 Z 4) und c (§ 12 Z 5) die Bezeichnung „c)“ und „d)“; nach lit. a wird folgende lit. b eingefügt:

„b) lautet Z 3:

,3. der die Notariats- oder die Rechtsanwaltsprüfung bestanden hat und die Richter­amtsprüfung ablegen will:

a) Verfassung und innere Einrichtung der Gerichte einschließlich der wichtigsten Bestimmungen der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (§ 16 Abs. 4 Z 5 RStDG);

b) Dienstrecht der Richter und Staatsanwälte unter Berücksichtigung der Grundzüge des Dienstrechts der anderen Bundesbediensteten (§ 16 Abs. 4 Z 7 RStDG);

c) Verfahrensleitung und Verhandlungsführung durch den Richter einschließlich der Gestaltung richterlicher Entscheidungen und Verfügungen, die Besorgung der Auf­gaben der Staatsanwaltschaft, die Zusammenarbeit und Koordination zwischen Justiz- und Exekutivorganen sowie Opferschutzeinrichtungen und Interventionsstellen sowie die Gewaltprävention und das Gewaltschutzrecht (§ 16 Abs. 4 Z 8 RStDG);

d) für einen Prüfungswerber, der die Notariatsprüfung bestanden hat, zusätzlich Straf­verfahrensrecht im Bereich des schöffen- und geschworenengerichtlichen Verfahrens und Strafvollzugsrecht.‘“

Zu Artikel V

Änderungen des EuRAG

Z 1 lautet:

„1. Der Titel des Gesetzes lautet:

‚Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch international tätige Rechtsanwältinnen und Rechts­anwälte in Österreich (EuRAG)‘“

Begründung

Zum Titel und zu Artikel V


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 249

Diese Änderungen dienen der Beseitigung von Redaktionsirrtümern.

Zu Artikel I (Änderungen der Rechtsanwaltsordnung)

Die Änderung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Artikel III (Änderungen des Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetzes)

Zu Z 1 (§§ 1, 3 und 5 ABAG)

Der derzeit in parlamentarischer Behandlung stehende Entwurf für ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Richter­dienstgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und die Dienstrechts-Novelle 2007 geän­dert werden, sieht unter anderem eine Angleichung der die studienmäßigen Vor­aussetzungen für die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst regelnden Bestimmungen des (künftig) RStDG an die in der Regierungsvorlage für ein Berufs­rechts-Änderungsgesetz 2008 im Zusammenhang mit der Frage der universitären Vorbildung der Berufsanwärter vorgeschlagenen Änderungen der RAO und der NO vor. Dies betrifft auch die Frage der „Gleichwertigkeitsprüfung“ im Fall der Absolvierung eines solchen rechtswissenschaftlichen Studiums, das nicht den Anforderungen an ein Studium des österreichischen Rechts im Sinn der § 3 RAO, § 6a NO und § 2a RStDG entspricht. Dies erfordert es aber gleichzeitig, auf das RStDG auch im Bereich des ABAG entsprechend Bedacht zu nehmen. Dem dienen die zu Z 1 vorgeschlagenen Änderungen.

Zu Z 2 (§ 12 ABAG)

Durch diese Änderung wird der § 12 Z 3 ABAG an die Änderungen in § 16 Abs. 4 RStDG angepasst. Wie bisher sollen die Gegenstände der Ergänzungsprüfung für Rechtsanwälte grundsätzlich dieselben sein wie jene der Ergänzungsprüfung für Notare. Einzig die weitergehenden Anforderungen an die Rechtsanwalts- und Richter­amtsanwärterInnen im Bereich des Strafrechts sollen durch die lit. d ausgeglichen werden.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


20.20.10

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich beginne gleich damit, Ihnen einen wichtigen Entschließungsantrag vorzu­stellen und Sie um Unterstützung für diesen zu bitten.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jarolim, Donnerbauer, Oberhauser, Rasinger betreffend die Pau­schal­abgeltung für Ärzte nach den Tarifen des Gebührenanspruchsgesetzes

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht, die Tarife des § 43 GebAG für ärztliche Untersuchungen unter Einbeziehung der Österreichischen Ärztekammer dahingehend zu evaluieren, inwieweit sie sich vom System des § 34 GebAG entfernen, der die Entlohnung für die Mühewaltung der Gerichtssachverständigen an die aufgewendete Zeit und Mühe sowie die außergerichtlichen Einkünfte für vergleichbare Tätigkeiten der Sachverständigen knüpft, und dem Justizausschuss bis zum 30. November 2008 das


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 250

Ergebnis dieser Evaluierung zu berichten sowie Vorschläge zur Vereinheitlichung der Entlohnung zu erstatten.“

*****

Staatssekretär a. D. Wittmann hat schon ausgeführt, worum es im Berufsrechts-Änderungsgesetz geht. Ich denke, das ist wichtig, weil damit zwei Dinge miteinander verbunden wurden: Erstens, die Autonomie der Universitäten wird beibehalten, und zweitens wird sichergestellt, dass Studierende der Jurisprudenz ins Berufsleben ein­treten und damit rechnen können, nach bestimmten verlässlichen Parametern ihren Beruf auszuüben beziehungsweise in die Berufsausbildung einzutreten. Andererseits bleibt die Autonomie der Universitäten gewährleistet. Autonomie der Universitäten heißt damit auch Studienplanhoheit.

Die Aufgabe der ÖH, die Aufgabe der Rechtslehrerinnen und Rechtslehrer wird es sein, ständig zu beobachten, wie sich die Rechts- und die Berufspraxis entwickeln, und den Studierenden, den Studentinnen und Studenten zu sagen, dass es wohl auch darum gehe, im Beruf anschlussfähig zu sein und trotzdem gleichzeitig ein autonomes rechtswissenschaftliches Studium zu absolvieren, auf Basis dessen auch andere berufliche Aussichten verfolgt werden können.

Ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

20.22


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der soeben eingebrachte Ent­schließungs­antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Dr. Sabine Oberhauser, Dr. Ra­singer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Pauschalabgeltung für Ärzte nach den Tarifen des Gebührenanspruchsgesetzes (Gebühr für die Mühewaltung der Gerichts­gutachter in § 43 GebAG 1975)

zum Bericht des Justizausschusses (338 d.B.) über die Regierungsvorlage (303 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariats­ordnung, das Berufsprüfungs-Anrechungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechts­anwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsakts­gesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechts­anwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außer­streitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008)

Nach § 34 GebAG 1975 soll die Gebühr der Gerichtssachverständigen für ihre Mühewaltung nach der aufgewendeten Zeit und Mühe sowie nach den Einkünften, die sie im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise beziehen, bestimmt werden. Das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 schafft diesbezüglich – nach dem wett­be­werbs­rechtlich bedingten Wegfall der Richtlinien und Honorarempfehlungen der Inter­essensvertretungen der einzelnen Berufsgruppen - einen 3-stufigen Gebührenrahmen, der aber für ärztliche Untersuchungen dann nicht zum Tragen kommt, wenn sie unter die Tarife des § 43 GebAG fallen. Dies führt nicht nur zu einer Ungleichbehandlung der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 251

Sachverständigen, sondern kann sich in der Folge auch negativ auf die Qualität der Gut­achten auswirken.

Im Hinblick darauf stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht, die Tarife des § 43 GebAG für ärztliche Untersuchungen unter Einbeziehung der Österreichischen Ärztekammer dahingehend zu evaluieren, inwieweit sie sich vom System des § 34 GebAG entfernen, der die Entlohnung für die Mühewaltung der Gerichtssachverständigen an die aufgewendete Zeit und Mühe sowie die außergerichtlichen Einkünfte für vergleichbare Tätigkeiten der Sachverständigen knüpft, und dem Justizausschuss bis zum 30. November 2008 das Ergebnis dieser Evaluierung zu berichten sowie Vorschläge zur Vereinheitlichung der Entlohnung zu erstatten.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Mag. Steinhauser das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minu­ten. – Bitte.

 


20.22.22

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Das Berufsrechts-Änderungsgesetz hat einen sehr breiten Regelungsbereich. Auch uns ist die Sache mit den Obduktionen ein Anliegen, weil gerade in Wien eine spezielle Situation gegeben ist. Wie Sie wissen, hat die Gemeinde Wien die Obduktionen vom Gerichtsmedizinischen Institut in die Spitäler verlagert. Das hat eine Situation ge­schaffen, die nicht nur dem Gerichtsmedizinischen Institut das Rückgrat gebrochen hat, sondern es besteht die akute Gefahr, dass dies die Aufdeckung von Verbrechen behindert.

Umso verwunderlicher ist es daher, dass in diesem Gesetz aus dem Justizministerium die Kosten für die Obduktionen gedeckelt werden, beispielsweise bei den Unter­suchungsräumlichkeiten mit 130 €. Was günstig klingt, wird die Situation weiter ver­schärfen, wenn man weiß, dass die Gemeinde Wien für diese Art von Obduktionen für Untersuchungsräumlichkeiten 350 € verlangt und somit keine Kostendeckung mehr gegeben ist. Das heißt: Wer wird solche Obduktionen noch durchführen? Wie ist die Qualität garantiert?

Der eingebrachte Entschließungsantrag geht in die richtige Richtung. Wir glauben jedenfalls, dass das überdacht werden soll, damit auch in Zukunft gewährleistet ist, dass strafrechtlich relevante Fakten von der Gerichtsmedizin aufgeklärt werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.23

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haimbuchner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.23.53

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Damen und Herren Kollegen! Hohes Haus! Ich beginne gleich mit


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 252

einem Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Haimbuchner und weiterer Abgeord­neter:

Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die dem Bericht (338 d. B.) angeschlossene Regierungsvorlage (303 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Be­rufsprüfungs-Anrechungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechts­anwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskom­mis­sionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Nota­riatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden, wird wie folgt geändert:

Zu Artikel X (Änderungen des Notariatsprüfungsgesetzes)

Art. X wird wie folgt geändert:

Die Z 6 entfällt.

Zu Artikel XI (Änderungen des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes)

Art. XI wird wie folgt geändert:

Die Z 6 entfällt.

Zu Artikel XVII (In-Kraft-Treten, Übergangsbestimmungen und Vollziehung)

Art. XVII wird wie folgt geändert:

§ 18 lautet:

„§ 18. Art. III Z 7 und 8 (§§ 12 und 13 ABAG), Art. X Z 3 lit. b (§ 12 Abs. 2 NPG), Art. X Z 4 bis 6 (§§ 13 und 20 NPG) sowie Art. XI Z 4 bis 6 (§§ 12 und 20 RAPG) sind anzuwenden, wenn der Antrag auf Zulassung zur Prüfung beziehungsweise zur ersten Teilprüfung nach dem 30. September 2012 bei der Prüfungskommission eingebracht wird. Im Fall der Wiederholung der Prüfung ist insoweit der Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung maßgeblich.“

*****

Im Wesentlichen ist zur Begründung auszuführen – das darf ich als selbst Betroffener, als Rechtsanwaltsanwärter, kurz berichten, und ich nehme auch Bezug auf die Stellungnahme des Klubs der Konzipienten –, dass immer die Möglichkeit bestanden hat, dass man sich als Rechtsanwaltsanwärter im Zusammenhang mit der Rechts­anwaltsprüfung einen Teil „abschichten“ konnte, und zwar einen Teil der mündlichen Rechtsanwaltsprüfung. Das wird auf die Dauer fallen gelassen.

Ich muss als sehr junger Mensch sagen, dass ich an und für sich nicht einsehe, warum die Anforderungen gerade für junge Menschen immer mehr erhöht werden. Ich ver­misse diesbezüglich auch Wortmeldungen seitens der Jugendsprecher der ÖVP. Frau Kollegin Fuhrmann, ich weiß nicht, Sie haben dazu nichts gesagt; auch nicht Kollege


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 253

Einwallner. Frau Kollegin Rudas ist gar nicht hier. Den Kollegen Darmann vom BZÖ sehe ich auch nicht.

Ich kann nur sagen, so wird es in Zukunft nicht gehen, dass man die Anforderungen für junge Menschen, die auf der Universität gut ausgebildet werden, weil auch dort dementsprechend hohe Anforderungen gestellt werden, immer mehr erhöht. Ich glaube, es wäre an der Zeit, dass man sich auch für junge Akademiker vermehrt einsetzt.

Ich habe das hiemit versucht und ersuche natürlich auch um Unterstützung meines Antrages. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Abänderungsantrag, der soeben ver­lesen worden ist, ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Dr. Haimbuchner und weiterer Abgeordneter,

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Justizausschusses über die Regie­rungsvorlage (303 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Berufsprüfungs-Anrechungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichts­kommissärs­gesetz, das Gerichtskommissionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Notariatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 – BRÄG 2008) (338 d. B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die dem Bericht (338 d. B.) angeschlossene Regierungsvorlage (303 d. B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Be­rufsprüfungs-Anrechungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechts­anwaltsanwärter, das EuRAG, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtskom­mis­sionstarifgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Notariatsaktsgesetz, das Nota­riatsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz 1975, das SDG und das Außerstreitgesetz geändert werden, wird wie folgt geändert:

Zu Artikel X (Änderungen des Notariatsprüfungsgesetzes)

Art. X wird wie folgt geändert:

Die Z 6 entfällt.

Zu Artikel XI (Änderungen des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes)

Art. XI wird wie folgt geändert:

Die Z 6 entfällt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 254

Zu Artikel XVII (In-Kraft-Treten, Übergangsbestimmungen und Vollziehung)

Art. XVII wird wie folgt geändert:

§ 18 lautet:

„§ 18. Art. III Z 7 und 8 (§§ 12 und 13 ABAG), Art. X Z 3 lit. b (§ 12 Abs. 2 NPG), Art. X Z 4 bis 6 (§§ 13 und 20 NPG) sowie Art. XI Z 4 bis 6 (§§ 12 und 20 RAPG) sind anzuwenden, wenn der Antrag auf Zulassung zur Prüfung beziehungsweise zur ersten Teilprüfung nach dem 30. September 2012 bei der Prüfungskommission eingebracht wird. Im Fall der Wiederholung der Prüfung ist insoweit der Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung maßgeblich.“

Begründung

Im Gegensatz zu Prüfungen im Rahmen des Diplomstudiums werden im Rahmen von Rigorosen tatsächlich vorwiegend Praxisfragen gestellt. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Anforderungen an den Kandidaten für ein Rigorosum den Anforde­rungen an den Kandidaten für die Rechtsanwaltsprüfung oder die Notariatsprüfung durchaus gleichwertig sind. Eine Beibehaltung des § 21 RAPG und des § 21 NPG ist daher wünschenswert und führt keineswegs zu einer Senkung der Anforderungen an angehende Rechtsanwälte.

Die Möglichkeit einen Teil der mündlichen Rechtsanwaltsprüfung „abzuschichten“, motiviert potentielle Kandidaten dazu das Doktorat zu absolvieren und dabei wichtige Fähigkeiten für angehende Rechtsanwälte zu erwerben; diese bestehen insbesondere im wissenschaftlichen Arbeiten und der intensiven Auseinandersetzung mit einem bestimmten Rechtsgebiet. Diese Fähigkeiten erlauben es dem Rechtsanwalt später fundierte Rechtsgutachten zu verfassen, (damit) zur Rechtsfortbildung beizutragen und seiner Arbeit ein fundiertes theoretisches Wissen zugrunde zu legen. Nur der Voll­ständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass ohne die von (späteren) Rechts­anwälten geschaffenen Dissertationen der juristischen Praxis ein nicht unwesentlicher Fundus an wissenschaftlichen Arbeiten fehlen würde.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächsten Redner rufe ich nun Herrn Abgeordneten Dr. Huainigg auf. Herr Abgeordneter, Sie haben sich 2 Minuten vorgenommen. – Bitte.

 


20.27.23

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Die Lebenssituation blinder Menschen hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Das sieht man vor allem an den Berufsperspektiven. Während früher blinde Menschen nur die Chance hatten, Besenbinder oder Telefonisten zu werden, stehen ihnen heute fast alle Berufssparten offen.

Wir haben auch im Behindertengleichstellungsgesetz Berufszugangsbeschränkungen wie die körperliche Eignung, die für den Richterberuf oder den Lehrerberuf vorge­schrieben waren, gestrichen. Auch dies sollte jetzt möglich sein.

Es gibt heute blinde Menschen, die sowohl Unternehmer als auch Juristen sind. Gleich­zeitig gab es die Schutzbestimmung, die sich als Diskriminierung erwiesen hat, dass nämlich blinde Menschen keine rechtmäßige Unterschrift leisten dürfen. Also haben auch Juristen keine Verträge unterschreiben dürfen, keine Wohnung kaufen können oder auch kein Bankkonto eröffnen dürfen. Dies wurde jetzt beseitigt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 255

Es gibt jetzt keine Notariatsaktspflicht mehr, blinde Menschen können darauf ver­zichten. Aber es gibt auch nach wie vor die Möglichkeit, die Beratung der Notariats­kammer in Anspruch zu nehmen und hier gut beraten auch Verträge zu unter­schreiben. Ich glaube, das ist eine sehr gute Lösung, und eine Diskriminierung wird hier beseitigt.

Ich möchte an dieser Stelle auch den Beamten im Justizministerium dafür danken, dass sie offen waren und sich sehr vermittelnd zwischen behinderten Menschen und der Notariatskammer gezeigt haben. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

20.30


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 338 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kolle­gen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Stein­hauser, Kolleginnen und Kollegen vor.

Schließlich haben die Abgeordneten Mag. Darmann, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen und dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Darmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Art. II Z 3 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Aus­schussberichtes abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein diesbezügliches beja­hendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf den Titel des Gesetzentwurfes und auf die Art. I, III und V bezieht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag eingebracht, der sich auf die Art. X und XI bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 256

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. XIII Z 15 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Teil des Gesetzentwurfes ihre Zustim­mung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Artikel XVII eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Abteilung für Gerichtliche Medizin (DGM) der MedUni-Wien („Sensengasse“).

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Jarolim, Mag. Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pauschal­abgeltung für Ärzte nach den Tarifen des Gebührenanspruchsgesetzes (Gebühr für die Mühewaltung der Gerichtsgutachter in § 43 Gebührenanspruchsgesetz 1975).

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Entschließungsantrag aus­sprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 52.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 338 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 53.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 257

20.36.4720. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (259 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird (379 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.37.10

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Heute steht also die Novelle zum Bildungsdokumentationsgesetz auf der Tagesordnung. Vermut­lich wird uns die SPÖ jetzt erklären, dass da der nächste Jahrhundertwurf stattfindet.

Wenn wir ein bisschen auf die letzten Jahre zurückblicken, dann sehen wir, dass es dazu hier im Hohen Haus diverse Debatten, parlamentarische Anfragen und Anträge gegeben hat – viele von uns, noch mehr von der SPÖ. Die Kritik daran war ziemlich einheitlich, nämlich, dass die Verknüpfung der Sozialversicherungsnummer mit Bil­dungsdaten, die über einen langen Zeitraum gespeichert werden, inakzeptabel ist und dass das verändert werden sollte.

Heute haben wir ein internationales Übereinkommen verabschiedet, wonach Daten­schutzbestimmungen besser ausgebaut werden sollen, und da haben einige Redner gesagt, dass in Österreich ja kein Veränderungsbedarf gegeben ist, weil der Daten­schutzrat ohnehin schon installiert ist.

Der Datenschutzrat hat allerdings in der Begutachtung des Bildungsdokumentations­gesetzes festgestellt, dass die Verknüpfung der Bildungsdaten mit der Sozialversiche­rungsnummer inakzeptabel ist. Wir bekommen jedoch jetzt die Novelle zum Bildungs­dokumentationsgesetz vorgelegt, in der die Verknüpfung der Sozialversicherungs­num­mer mit den Bildungsdaten erhalten geblieben ist.

Und nicht nur das: Die SPÖ – Frau Kollegin Wurm, Herr Kollege Maier – hat in der Vergangenheit mehrfach scharf kritisiert, dass auch das Religionsbekenntnis erhoben und abgespeichert wird.

Wir bekommen jetzt die Novelle zum Bildungsdokumentationsgesetz vorgelegt, und das Religionsbekenntnis wird natürlich weiterhin erhoben.

Damit Sie zumindest bei diesem Punkt, der relativ simpel zu ändern wäre, die tatsächliche Möglichkeit zur Änderung haben, bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Unterrichts­ausschusses über die Regierungsvorlage (259 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bil­dungsdokumentationsgesetz geändert wird (379 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Nach Z. 16 wird folgende Z. 16a eingefügt:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 258

„16. § 3 Abs. 2 Z. 1 entfällt. Die folgenden Ziffern 2 bis 7 erhalten die Bezeichnungen 1 bis 6.“

*****

Damit würde das Religionsbekenntnis nicht mehr erhoben werden.

Natürlich gibt es in dem Gesetz gewisse Verbesserungen. Das ist nicht allzu schwer, da das damals ein Gesetz war, das unter massiver Kritik gestanden ist. Unter anderem werden die Zugriffsrechte derer, die grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätten, auf die Daten zuzugreifen, eingeschränkt, also beispielsweise Versicherungen oder mit Pen­sionsansprüchen oder Familienbeihilfen befasste Stellen. Da war eine Vorkehrung enthalten, die Gott sei Dank nie in Kraft getreten ist, dass da auf Daten zugegriffen werden kann. Das kommt jetzt weg. – Diesem Punkt werden wir auch in der getrennten Abstimmung zustimmen.

Der Kern, die Sozialversicherungsnummer, bleibt jedoch leider bestehen. Das ist insofern unverständlich, als auch jetzt schon ein zweigeteiltes System verwendet wird. Es gibt Kinder, die eine Sozialversicherungsnummer haben, und Kinder, die keine Sozial­versicherungsnummer haben. Bei diesen wird auch jetzt schon ein Ersatzkennzeichen vergeben. Momentan sind es etwa 20 000 Ersatzkennzeichen, wenn die Angaben noch aktuell sind.

Offensichtlich funktioniert es bei denen mit einem Ersatzkennzeichen, nicht aber bei allen 1,2 Millionen mit einem anderen Kennzeichen als der Sozialversiche­rungs­nummer. Das heißt, anscheinend sind zwei parallel geführte Systeme effizienter und einfacher zu führen als ein gemeinsames, in dem man mit einem anderen Kennzeichen arbeitet. Diesen Schluss und diese Logik habe ich bis jetzt nicht verstanden.

Offensichtlich drückt Sie ein bisschen das schlechte Gewissen, denn es steht ja auch im Gesetz, dass dem Parlament innerhalb der nächsten zwei Jahre eine andere Regelung – nämlich ohne Sozialversicherungsnummer – vorgelegt werden soll.

Was ich besonders ärgerlich finde – da ich gerade den Kollegen Maier anschaue –: Der heftigste Punkt ist, finde ich, die Ergänzung bezüglich der Frage, was denn pas­siert, wenn die Sozialversicherungsnummer von den Eltern nicht bekannt gegeben wird. Das ist schon ziemlich heftig.

Bislang hatten wir folgende Vorkehrung: Wird sie nicht bekannt gegeben, gibt es eine Verwaltungsstrafandrohung. Die hätte rigoros verfolgt werden müssen, und nur für die, die keine Sozialversicherungsnummer haben, hätte das Ersatzkennzeichen gegolten.

Nun gab es offensichtlich Tausende Eltern, die gesagt haben – wie Kollege Maier oder Kollegin Wurm in den letzten Perioden –, das sind sensible Daten, wir geben diese Nummer nicht bekannt. Bei denen ist dann offensichtlich meistens ein Auge zugedrückt worden, denn Strafen hat es relativ wenige gegeben.

Und was passiert jetzt in der Novelle? – Jetzt sagt man, bekannt geben müsst ihr die Nummer schon, aber wenn ihr sie nicht bekannt gebt, macht es nichts: Strafen tun wir euch nicht, sondern dann darf die Statistik Austria aus dem Melderegister die Sozialversicherungsnummer herausholen und mit den Daten verknüpfen.

Also nicht, dass man das streicht oder dass man sagt, wir verwenden die Sozial­versicherungsnummer nicht mehr: Die Eltern werden im jetzigen System schlicht und einfach umgangen, und die Statistik Austria, die jetzt für die Verschlüsselung zuständig ist, darf sich die Daten aus einem anderen Register holen und damit Bildungsdaten verknüpfen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 259

Das halte ich für eine Vorgangsweise, die datenschutzrechtlich äußerst bedenklich ist. Daran gibt es auch nicht viel zu deuteln. Das ist die Ziffer 7 im Gesetz, Kollege Niederwieser, das kann man sich relativ genau anschauen.

Die Begründung, die Sie liefern, ist: Das ist ja jetzt viel harmloser, denn es wird anders verschlüsselt – das stimmt zum Teil – bei der Statistik Austria. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Stimmt, ja, okay. Aber dennoch kommt man jederzeit wieder mit der Sozialversicherungsnummer – auch nach 30 Jahren, auch wenn sie im Gesetz gelöscht ist – über die gleiche Verschlüsselung wieder zu der gleichen Kennzahl.

Das ist ja in dem Sinn keine geheime Geschichte, die da stattfindet: Die Ver­schlüs­selung ergibt immer die gleiche Codierung, und ob man danach die Sozialver­sicherungsnummer rauslöscht oder nicht, ist insofern irrelevant, denn sie besteht ja weiter, und jeder, der wieder über die Sozialversicherungsnummer verschlüsselt, kommt auf die gleichen Daten.

Faktum ist also, dass die Zusammenführung von Sozialversicherungsnummern mit sensiblen Bildungsdaten aufrecht bleibt. Es wird zum Teil die Speicherdauer verkürzt werden, auch das stimmt, aber im Prinzip muss man sagen, nach mittlerweile einem Jahr dieser Regierung hätte ich mir mehr vorgestellt.

Es gibt im Begutachtungsverfahren sieben Stellungnahmen gegen die Verknüpfung mit der Sozialversicherungsnummer: Vom Kollegen Buchinger wird geraten, nicht mit der Sozialversicherungsnummer zu verknüpfen; der Datenschutzrat rät, nicht mit der Sozialversicherungsnummer zu verknüpfen; der Hauptverband der Sozialversiche­run­gen – der hat auch ein bisschen etwas mit Sozialversicherungsnummern zu tun – sagt, man solle nicht damit verknüpfen. Es gibt also all diese Widersprüche.

Auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, den wir sonst immer zu hören bekommen, wenn Sie legitimieren, wie die Vorgangsweise sein soll, spricht sich gegen die Verknüpfung aus.

Alle relevanten Institutionen, die damit zu tun hatten, haben also geraten, das zu las­sen und es anders zu lösen. Es bleibt aber im Gesetz. Insofern können wir dieser Novellierung auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

20.43


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.44.05

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich darf Ihnen, Frau Bundesministerin, zu dieser konsequenten Haltung in der Frage der PISA-Studien und der anderen Studien gratulieren, die dazu geführt haben, dass wir letztendlich zum Beweis statistische Daten auf dem Tisch haben, an denen man nicht rütteln kann.

Ich finde es eigentlich fatal, dass es Kolleginnen und Kollegen der ÖVP gibt, die sagen, weg damit, weil es ihnen jetzt nicht passt. (Abg. Dr. Brinek: Sie haben überhaupt nicht aufgepasst!) Ich würde schon einmal die Kollegen von der ÖVP, die aus der Wirtschaft kommen – den Kollegen Kopf, den Kollegen Mitterlehner – ersuchen, Ihnen, Frau Brinek, zu erklären zu versuchen, wie wichtig Evaluierungen sind. (Abg. Dr. Brinek: Die ganze Wahrheit ist das nicht! Ruf bei der ÖVP: Reden Sie zum Bildungs­dokumentationsgesetz!) Keine Firma in ganz Österreich, keine Firma in Europa, keine Firma auf der ganzen Welt würde nur einen Monat überleben, wenn sie nicht bis zum Letzten evaluieren würde. (Abg. Dr. Brinek: Sie lesen nicht die ganze Wahrheit!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 260

Sie sind ja resistent in der Diskussion (Abg. Dr. Brinek: Nein, Sie sind das!), wenn man mit Ihnen redet, was zu verbessern ist. Sie sind getragen von Ihrer inneren Hal­tung. Das Einzige, was Sie ein bisschen heraushebt, ist, wenn Ihnen die Statistik sagt, dass es nicht passt. Daher gehört das her. (Abg. Dr. Brinek: Mein Gott, sind Sie simpel gestrickt!) Es ist richtig so. (Abg. Dr. Brinek: Eine Schule ist keine Firma! Abg. Murauer: Kommen Sie zum Bildungsdokumentationsgesetz!) – Ich komme schon zum Bildungsdokumentationsgesetz. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. Abg. Dr. Bri­nek: Eine Schule ist keine Firma!) – Es ist so. Eine Schule ist keine Firma, da haben Sie vollkommen recht, aber letztlich ist auch Wissen ein bestimmter Erfolgsfaktor, der uns wirtschaftlich weiterbringen müsste.

Ich würde Ihnen empfehlen, reden Sie einmal nur mit Ihren Wirtschaftstreibenden! Ich weiß schon, dass es ein paar in der Kammer gibt, die nicht wollen, dass sich das Bildungssystem verbessert, damit man einfach ungebildete, ungeschulte Leute hat, die die niederen Arbeiten machen. (Abg. Kopf: Schämen Sie sich! So eine letzt­klassige ...!) Das höre ich auch oft aus der Kammer. Das ist so. Da gibt es auch gewisse Tendenzen. Das halte ich für völlig falsch. (Abg. Kopf: Setzen! Fünf! Abg. Murauer: Das ist ja unfassbar!)

Frau Bundesministerin! – Aha, jetzt ist sie weg. Aber es ist wirklich so. Das höre ich oft. Die Gefahr der Wirtschaft, dass man Leute nicht über die Fachmatura ausbildet, ist da. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, das ist so, Herr Kopf! Du kannst es nicht wegstreiten. Es ist so. Das ist determiniert, und das ist auch abgesprochen zwischen euch. (Abg. Kopf: Das ist letztklassig!) – Nein, das ist nicht letztklassig, das ist so, weil sich die Wirtschaft und die Industrie fürchten, einfach durch bessere Bildung höhere Löhne zahlen zu müssen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Brinek, Murauer, Steibl und Kopf.– Wenn Sie jetzt abstreiten, Herr Kopf, dass die Evaluierung für Ihren Betrieb ein ganz wichtiger Faktor ist, dann haben Sie nie mehr in Ihrer Firma gearbeitet. – Sie sind ohnehin nie zu Hause. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.46


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zunächst gebe ich bekannt, dass der Abänderungsantrag der Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen ordnungs­gemäß eingebracht wurde, ausreichend unterstützt ist und daher auch mit in Verhand­lung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde,

zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (259 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird (379 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage 259 d.B. Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

„Nach Z. 16 wird folgende Z. 16a eingefügt:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 261

„16. § 3 Abs. 2 Z. 1 entfällt. Die folgenden Ziffern 2 bis 7 erhalten die Bezeichnungen 1 bis 6.“

Begründung

Das Religionsbekenntnis ist ein sensible Information und für die Zwecke der Führung einer Bildungsstatistik, Bildungsplanung sowie Belange der Sozialversicherungen uner­heblich, daher soll in Zukunft auf die Erhebung dieses Merkmals verzichtet werden.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeord­nete Franz zu Wort gemeldet. Sie hat sich 2 Minuten vorgenommen. – Bitte.

 


20.46.40

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Leider konnte ich Herrn Faul nicht verstehen. Er hat so schnell geredet, dass ich da nicht mitgekommen bin. Ich habe nur verstanden, dass er gesagt hat, wir wollen keine Verbesserung des Bildungssystems. – Natürlich wollen auch wir eine Verbesserung des Bildungssystems! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Steibl: Ja, sicher!)

Deshalb haben wir mit dieser Novelle eine gute Datenbasis sichergestellt, um eben politische Entscheidungen zu treffen und auch Argumente in dieser Dokumentation zu finden. Sie soll auch die Grundlage für einen nationalen Bildungsbericht sein, und das ist gut so.

Es wird da klar definiert, dass die verwendeten Daten unter keinen Umständen als personenbezogen zu qualifizieren sind. Somit wird die Bundesanstalt für Statistik, die Statistik Austria, die Erhebung und Verschlüsselung der Daten durchführen. Diese kommen dann nur noch verschlüsselt ans Ministerium.

Datenschutzrechtlich wird immer wieder die Verwendung der Sozialversicherungs­nummer als Problem dargestellt. Nun muss aber die Sozialversicherungsnummer beziehungsweise das Ersatzkennzeichen spätestens zwei Jahre nach dem Austritt eines Schülers aus der jeweiligen Schule gelöscht werden. – Man bedenke, dass die mögliche Speicherung bisher bis zu 60 Jahren ging.

Wenn ich noch auf die finanziellen Auswirkungen zu sprechen kommen darf: Die Statistik Austria rechnet in den nächsten drei Jahren mit einem Mehraufwand von rund 1,07 Millionen €. Dabei ist mir wichtig, dass nicht die schulerhaltenden Gemeinden die­sen Mehraufwand zu tragen haben, sondern das Ministerium. – Das wurde auch so versichert. (Unruhe im Saal.)

Diese Bildungsstatistik muss internationalen Anforderungen entsprechen, und die personenbezogenen Daten müssen so verschlüsselt sein, dass wir mit dem Daten­schutz keine Probleme bekommen. All das erfüllt diese vorliegende Gesetzesän­de­rung. Schade, dass da nicht alle zustimmen können. (Beifall bei der ÖVP.)

20.48


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.48.58

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Unfair ist das schon, dass es hier einen derart hohen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 262

Geräuschpegel gab, dass ich die epochale Rede des Herrn Kollegen Faul überhaupt nicht gehört habe; das ist mir leider nicht gelungen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie war aber wahrscheinlich eine von den so guten Reden, die es damals gebracht haben, dass er bei einer Wahl zum Präsidenten des Nationalrates 13 Stimmen erhalten hat. Es werden sich vielleicht noch manche daran erinnern. (Abg. Dr. Rasinger: Der ist in der PISA-Studie durchgefallen! Abg. Kopf: Weil man es nicht verstanden hat!)

Zur Sache: Frau Bundesministerin, ich habe es im Ausschuss schon gesagt: Ich bedanke mich wirklich im Namen der Ausschussmitglieder, dass Sie uns eingeladen haben, mit den Experten im Ministerium in der Sache Bildungsdokumentation Infor­mationen auszutauschen. Das ist fürwahr eine neue Qualität in der Auseinander­setzung und Diskussion gewesen.

Ich würde mir wünschen, dass das in anderen Angelegenheiten, die hier im Hohen Haus behandelt werden, auch so passiert. – Das vorweg; danke noch einmal.

Das andere habe ich auch schon im Ausschuss gesagt: Das Spannungsfeld Daten­schutz versus Bildungsdokumentation/Erfassung von Daten ist ein Grundsatzproblem, das im Jahr 2001 schon gelöst beziehungsweise hier im Hohen Haus behandelt wurde. Das kann daher nicht mehr das Argument sein, hier nicht an Verbesserungen zu arbeiten. Gerade wir hier im Hohen Haus leiden darunter, dass wir im Bildungsbereich keine aussagekräftigen österreichweiten Daten erhalten. Diese sind länderweise unter­schiedlich. Wir bekommen sie zu spät, die Qualität ist zu gering. Dadurch können wir hier die entscheidenden Schlüsse für die Zukunft eben nicht ziehen.

Es geht auf die Dauer nicht an, dass ein Landeshauptmann über sein Bundesland immer besser informiert ist als die gesetzgebende Körperschaft hier im Hohen Haus, die dann über allfällige Entwicklungen befinden muss und darüber, wie man sie ver­bessern kann. Ich hoffe, dass hier ein weiterer Schritt in die richtige Richtung gemacht worden ist. Abschließend wird das wohl noch nicht sein, aber es besteht Hoffnung und es wird sicher besser werden.

Das, was ich mir in dem Zusammenhang wünschen würde, haben wir auch diskutiert, nämlich dass der gesamte Bildungssektor in Zukunft von einer zentralen Stelle, in dem Fall von der Statistik Austria, erfasst wird. Das ist jetzt noch nicht gegangen oder man wollte es so nicht, weil die Universitäten und die Fachhochschulen ihre eigenen Daten­erhebungen haben, und das mit der Begründung: Sie funktionieren ja bestens und haben daher aussagekräftige Daten.

Ich hätte es schon lieber, wenn die Daten von einer Stelle zusammengetragen werden. Wenn das die Statistik Austria ist, ist es mir recht. Zu dieser Einrichtung habe ich volles Vertrauen. Wenn daher als nächster Schritt – und dafür sollten die Vorbereitungen getroffen werden – eine weitere Zentralisierung vorgenommen wird, weil man dadurch unter Umständen auch Kosten einsparen und effizienter werden kann, wäre es mir recht. Vielleicht geht das in einer der nächsten Phasen.

Wir werden das auf jeden Fall beobachten, insbesondere auch hinsichtlich der Anfra­ge­beantwortungen in den nächsten Jahren – so schnell ist das ja nicht ein­gerichtet –, ob die Qualität besser wird. Es bleibt zu hoffen, und wir begrüßen diesen Schritt, der gegangen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

20.52


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 379 der Beilagen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 263

Hiezu haben die Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ferner liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Brosz, Kolle­gin­nen und Kollegen vor.

Ich werde zunächst über den erwähnten Zusatzantrag, danach über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag einge­bracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Ziffer 16a bezieht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minder­heit und damit abgelehnt.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Ziffer 34 in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die für diese Teile des Gesetz­entwurfes ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte auch hier jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorlie­genden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist wiederum mehrheitlich angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.54.1421. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (306 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundes­institutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichi­schen Schulwesens erlassen wird und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz sowie das Schulorganisationsgesetz geändert werden (BIFIE-Gesetz 2008) (380 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf mit einer Redezeit von 3 Minuten. – Bitte.

 


20.54.47

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zu diesem Thema gibt es keine Zustimmung der Freiheitlichen Partei, und wir haben das auch im Ausschuss schon kurz erörtert.

Wir halten es vom Grundsatz her für falsch, dass sich jedes Ressort ein eigenes außeruniversitäres Forschungsinstitut hält. Wir haben auch den begründeten Verdacht,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 264

dass dieses unter Umständen in der zukünftigen Auseinandersetzung um die Schul­politik vielleicht auch als so genanntes Propagandainstitut zur Umsetzung Ihrer Zwecke verwendet werden kann.

Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf so durchlese, komme ich auch zum Schluss, dass man hier in schon gewohnter Eintracht in der Koalition ein neues Institut auf einem zwar schon in diese Richtung arbeitenden Standort in Salzburg schaffen möchte, aber dort natürlich zwei Direktoren implementieren wird, dann auch neun Mitglieder in einem Aufsichtsrat und weitere sieben Mitglieder für den wissenschaftlichen Beirat und vieles andere mehr.

Am Ende und auf die Dauer wird man beobachten müssen – solche außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben es irgendwie so an sich, von Jahr zu Jahr mehr Geld zu verschlingen –, dass das Ganze in etwa 6,5 Millionen € pro Jahr kosten wird. Wenn auch durch Umschichtungen aufgebracht, so ist das doch eine beträchtliche Summe.

Mir ist auch noch nicht klar, was sich hier qualitativ großartig verbessern wird. Wir haben die Auskunft erhalten, dass man entsprechende Aufträge an Wissenschaftler erteilen möchte. Mir hätte es mehr behagt, wenn man hier bestehende Universitäts­institute mit den Studien oder Forschungen beauftragt hätte, die Sie vornehmen wollen. Warum es gerade ein außeruniversitäres Forschungsinstitut sein soll, diese Antwort sind Sie mir schuldig geblieben.

Es ist durchaus legitim, dass man sich im eigenen Ressort eine ausgegliederte Stelle in Form eines außeruniversitären Forschungsinstitutes – sage ich jetzt einmal – „hält“. Das ist legitim. Ob man das politisch will oder nicht, ist eine andere Frage. Wir wollen es nicht. Wir denken, dass die Forschung gerade in diesem Bereich an den öster­reichischen Universitäten besser aufgehoben wäre und man im Sinne von Auftrags­forschung dort durchaus auch die entsprechenden Aufträge verteilen hätte können.

Dadurch könnte man vielleicht auch mehr Unabhängigkeit gewährleisten, weil ich nach wie vor davon ausgehe, dass an den Universitäten die Lehre, Wissenschaft und Forschung frei ist. Bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, gerade wenn sie hauptsächlich von einem Ressort abhängen und auch nur von einem Ressort Aufträge erhalten, habe ich dagegen meine Zweifel, ob die Unabhängigkeit auf Dauer gewährleistet bleibt.

Wir werden das beobachten. Wir werden dieser Vorlage keine Zustimmung erteilen und stehen dem Ganzen in Zukunft kritisch gegenüber. Vielleicht haben wir uns ja auch in unserer Einschätzung geirrt. Wir werden es sehen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.58


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser. 3 Minuten. – Bitte.

 


20.58.26

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Ein neues Institut ist es nicht, Kollege Graf, sondern die Standorte, die es ja jetzt schon gibt – und das BIFIE ist ja jetzt schon im Gesetz verankert –, sind Abteilungen des Ministeriums, sind Dienststellen des Ministeriums. Und die werden jetzt im Bundesinstitut zu einer eigenständigen Einrichtung zusammengefasst, es bekommt eine qualitativ hoch stehende, autonome Führung, bekommt einen wissenschaftlichen Beirat, einen Aufsichtsrat und ist als solches selbstständig, so wie das die Institute in der Schweiz, in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern sind. Das ist einfach Standard.

Natürlich werden diese 6 Millionen € nicht die einzigen Ausgaben für Forschungen zum Bildungswesen in Österreich sein. Die Universitäten werden selbstverständlich weiter-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 265

hin ihre Forschungen betreiben, die Pädagogischen Hochschulen und auch andere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Das wäre ja viel zu wenig, wenn wir sagen würden, Bildungsforschung ist uns in Österreich nur 6 Millionen € wert, sondern da gibt es sicherlich viele einschlägige Themen zu bearbeiten.

Die Ziele sind im Gesetz beschrieben. Ich möchte sie hier nicht wiederholen. Das Bildungsinstitut wird entscheidende Impulse für die Qualität des Unterrichts und eine wissensbasierte Bildungspolitik und Bildungsverwaltung geben.

In diesem Zusammenhang ein paar Sätze zur PISA-Studie, weil eine Bildungs­diskus­sion, ohne auf sie einzugehen, fast nicht denkbar ist. Im Grunde gibt es eigentlich nicht sehr viel Neues. Die Ränge verändern sich ein wenig. Ich denke mir, ob wir jetzt auf Platz 16 oder 14 oder 15 oder 13 liegen, macht nicht viel Unterschied, wir müssen jedenfalls deutliche Schritte nach vorne machen.

Die Aufgabenstellungen von PISA werden kritisiert. Manche Kolleginnen und Kollegen sagen, sie hätten das nicht lösen können. – Bitte, haben Sie keine Sorge, was Ihre Fähigkeiten anlangt! Das ist für 15-jährige Schülerinnen und Schüler, die in der Schule sind und die diese Aufgaben natürlich lösen können sollten, weil sie den Lehrplänen entsprechen. Sie sind von Österreich mit eingeschickt worden, vorgetestet worden, und dabei hat man gesehen, welche Fragestellungen passend sind.

Kollegin Brinek, zur Kritik, was die Wissenschaftlichkeit anlangt: Ich habe mir das inzwischen schon durchgelesen und ich habe mir auch, weil die Transparenz der Daten kritisiert wird, den Spaß – so könnte man es beinahe nennen – erlaubt, im Bereich der Erziehungswissenschaft der Universität Wien die verschiedenen For­schungseinrichtungen und Forschungsergebnisse anzusehen und was dort an Daten veröffentlicht worden ist. Meinen Sie, ich hätte irgendetwas dazu gefunden, wo Daten nachprüfbar sind? – Gar nichts! Und da würde ich mir von den Kritikern schon erwarten, dass sie das, was sie von anderen nicht zu Unrecht verlangen, selbst auch vorleben. Das wäre das Mindeste, was man in solchen Diskussionen verlangen kann.

Die Ziele sind weiterhin: Frühförderung; länger gemeinsam zur Schule zu gehen; ganz­tägige Schulen; kleinere Klassen; eine verbesserte Lehrerinnen- und Lehrerausbildung. Wir sind auf einem guten Weg, und das Bundesinstitut für Bildungsforschung wird seinen Beitrag dazu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.01


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Sie hat sich für 2 Minuten zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.02.06

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte auf so vieles eingehen, darf das aber nicht angesichts des Zeitmangels. Ich kann nur sagen, der Beitrag des Kollegen Faul richtet sich selbst. Ich führe die unzumutbare Qualität auf die späte Stunde zurück, ansonsten müsste ich wirklich weiter ausholen.

Ich denke, dass mit dem schon angesprochenen BIFIE – Kollege Niederwieser hat es gesagt, und ich nehme die Kritik des Kollegen Graf ernst – keine Doppelgleisigkeiten entstehen. Die universitären Bildungs-Forschungsergebnisse, die man alle in der Bildungsforschungsübersicht der Frau Ministerialrätin Dr. Tajalli nachlesen kann, lieber Kollege Niederwieser, werden einbezogen. Ich habe diese Info selbst auf diesem Um­weg aus dem Unterrichtsministerium bekommen. Es gibt also eine totale Übersicht über die gesamte Bildungsforschung und es herrscht höchste Transparenz. (Präsi­dentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 266

Ich denke, dass das Kernstück dieses BIFIE der wissenschaftliche Beirat ist. Die Frau Bundesministerin hat gesagt, sie würde die zwei internationalen Experten/Expertinnen als unterstes Limit ansehen. Das ist notwendig, weil – ich zitiere schon gerne noch einmal aus der Regierungsvorlage, was mit dem Institut geschehen soll – sich „der wissenschaftliche Standard“ „teilweise nicht auf internationalem Niveau“ befindet, heißt es hier. Das ist richtig. Es geht also darum, einerseits das internationale Niveau zu erreichen, andererseits nationale Studien zu erstellen, die dann durch internationale ergänzt werden können.

Insofern ist PISA eine internationale Ergänzung, so sagt es die OECD selbst. Die methodischen Schwächen haben wir angeführt, sie sind bekannt. Sie werden im morgigen „Kurier“ sehr anschaulich nachgewiesen. Für die, die sich nicht mit Wis­senschaftsmethodologie beschäftigen: Uns selbst hat PISA gar nichts gebracht, sagen die Schüler. Der Zugangscode der Homepage habe auch nicht funktioniert; da wir keinen Zugang zu den Daten hatten, konnten wir auch keine Verbesserungen für die Schule ableiten.

Man hat an einer Schule insgesamt 30 Jugendliche mit Schwerpunkt Naturwis­sen­schaften getestet, in deren Schule der Schwerpunkt Sprachen angeboten wurde, und das Verhältnis Mädchen/Burschen sei 3 : 1 ausgefallen, obwohl nach den Geschlech­tern etwa 50 : 50 getrennt werden sollte.

So viele mal, mal, mal x x x – stellen Sie sich eine noch größere Zahl vor – Fehler­quellen gibt es im PISA-System. Das liegt nicht an uns, an Österreich, sondern das liegt am System. Wir müssen uns der Relativität dieser Qualität bewusst sein und das eben durch nationale andere Forschungen ergänzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, mit vielen solchen Studien haben wir eigentlich das, was sensible und erfahrene Volks- und HauptschullehrerInnen schon längst gewusst haben, bestätigt bekommen. Nehmen wir das ernst, dann wissen wir, wo wir vor allem in Wien mit der Leseförderung, mit der Sprachförderung beginnen müssen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. DDr. Niederwieser.)

21.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. Gewünschte Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.05.01

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Wir werden dieser Gesetzesvorlage hinsichtlich des BIFIE, also eines Forschungsinstitutes, zustim­men. Das erklärt auch einiges, was vielleicht vorhin noch beim Bildungsdokumen­tations­gesetz gesagt hätte werden können, denn das grundsätzliche Problem ist ja, dass wir in Österreich dringend bessere Bildungsdaten brauchen. Einigkeit darüber besteht ja nach wie vor. Unser Zugang war allerdings auch immer, dass wir weniger auf eine Bildungsbuchhaltung setzen, sondern stattdessen überlegen sollten, wo wir welche qualifizierten Daten brauchen, wo Stichprobenerhebungen und wo wissen­schaftliche Forschung.

Zum vorherigen Tagesordnungspunkt wollte ich für die, die jetzt auf das Bildungs­dokumentationsgesetz so große Hoffnungen setzen, noch anmerken: Die Frage, wie Leistungsgruppen in Österreich funktionieren, konnte bislang beispielsweise nicht beantwortet werden und wird durch das Bildungsdokumentationsgesetz auch nicht beantwortet werden können, weil das dort gar nicht erhoben wird.

Wie viele steigen ab? Wie viele steigen auf? Das wäre zum Beispiel eine Frage, deren Beantwortung eine klassische Aufgabe dieses Bildungsforschungsinstitutes wäre. Wenn schon die ÖVP immer wieder feststellt, wie super Leistungsgruppen funktionier-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 267

ten, dann wäre es ja ganz gut, wenn irgendwo in Österreich in den nächsten Jahr­zehnten vielleicht auch einmal Daten darüber vorliegen würden.

Es gibt momentan ein einziges Bundesland, nämlich das Burgenland, von dem diese Daten vorgelegt wurden. Dort ist das in etwa so, wie in der Fußballmeisterschaft: Steigt jemand aus der dritten Leistungsgruppe auf, dann brauchen wir auch einen Absteiger aus der zweiten Leistungsgruppe. Die Gruppen sollen offenbar ziemlich gleich groß bleiben. Das zeigt schon, dass die Idee von Leistung, von Verbesserung nicht wirklich greifen kann, wenn man für jeden Aufsteiger auch einen Absteiger braucht. (Beifall bei den Grünen.)

Auch zu diesem Bildungsforschungsinstitut hat es aber einige Verbes­serungsvor­schläge gegeben, und ich möchte einen Abänderungsantrag einbringen, mit dem die wesentlichen Punkte ergänzt werden.

Für den heftigsten und schwerwiegendsten Punkt halte ich, dass die Kindergärten und Horte nicht Teil des Forschungsauftrages sind. Das muss man sich schon überlegen, denn bei den Unis kann man wenigstens noch sagen, die forschen selbst. Ich frage mich allerdings: Wo soll denn über Kindergärten und Horte geforscht werden, wenn nicht auf dem BIFIE, also einem Forschungsinstitut, denn in den Kindergarten­institutionen selbst wird das wohl nicht geschehen.

Wir wollen auch einen Auftrag für eine bessere Erforschung von sozialer Benach­teiligung und auch die Qualifikationsanforderungen des Expertenbeirats genauer benennen.

Der vierte wesentliche Punkt ist, dass wir auch hinsichtlich der Direktoren­aus­schreibung wollen, dass im Gesetz fachliche Qualifikationen festgeschrieben werden. Auch das fehlt nämlich in der Vorlage. Nur ein allgemeiner Bezug auf das Stellen­besetzungsgesetz ist uns zu wenig.

Daher folgender Abänderungsantrag:

1. In § 2 Abs. 1 entfällt die Wendung „der Kindergärten und Horte sowie“

2. Dem § 2 Abs. 2 wird folgende Ziffer 5 angefügt:

„5. Forschung zu Bildungsbenachteiligung auf Grund von Geschlecht, Behinderung, ethnischer Herkunft oder sozio-ökonomischem Hintergrund.“

3. § 6 Abs. 1 letzter Satz lautet: „Bei Erhebungen an Schulen untersteht das BIFIE hinsichtlich der Organisation der Untersuchungen den Anordnungen des zuständigen Regierungsmitgliedes.“

4. § 9 Abs. 2 erster Satz lautet: „Das Direktorium besteht aus zwei vom zuständigen Regierungsmitglied bestellten Personen, die über die notwendige wissenschaftliche Qualifikation und ausreichend Erfahrung in der Bildungsforschung verfügen müssen.“

5. Dem § 12 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt: „Dem Beirat sollte jedenfalls ein Mitglied mit nachgewiesener Expertise für jedes der folgenden Themen angehören:

1. geschlechtssensibler Unterricht;

2. Unterricht für SchülerInnen mit Migrationshintergrund oder nichtdeutscher Mutter­sprache;


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 268

3. Integration von SchülerInnen mit Behinderung;

4. diversitygerechter Unterricht.“

*****

Abschließend noch zu den Ausführungen der Kollegin Brinek: Ihre PISA-Qualifizierung war geradezu ein Musterbeispiel, als Sie gesagt haben: Ja stellen Sie sich vor, da werden naturwissenschaftliche Kenntnisse erhoben, und man geht nicht nur in die Schulen mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt! – Man sollte also nur diejenigen überprüfen, die einen entsprechenden Schwerpunkt haben. Wir sollten also beispiels­weise die technischen Fähigkeiten in den HTLs überprüfen und dann daraus auf die gesamte österreichische Bevölkerung schließen. – Na, super! (Abg. Dr. Brinek: Sie können nicht einmal ...!)

Wenn wir also untersuchen, wie die Österreicher schwimmen können, dann gehen wir zu Herrn Rogan und zu Frau Nadarajah und schauen, wie schnell die schwimmen. Dann sagen wir: Super, wir sind ein irrsinnig gutes Schwimmvolk, denn wir schwimmen unheimlich schnell! (Beifall bei den Grünen.)

Überhaupt eine solche Idee von Bildungsforschung zu kreieren, ist ja absurd. PISA hat ja genau die Aufgabe gehabt, eben nicht Schwerpunktschulen herauszugreifen, son­dern nach einem Stichprobenverfahren, mit einer Zufallsauswahl danach zu trachten, dass wir qualitative Daten bekommen, die auch repräsentativ sind. Und das funktioniert wie in Meinungsbefragungen nach der Methode der Zufallsstichprobe. Logischerweise werden in dem Fall auch SchülerInnen gefragt, die einen anderen Schwerpunkt haben, weil das Ziel ja ist, 15-Jährige in ihrer Gesamtheit zu beobachten beziehungsweise zu bewerten. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Frau Kollegin Brinek, Sie haben sich mit Ihren Ausführungen hier wissenschaftlich wirklich nachhaltig disqualifiziert! (Beifall bei den Grünen.)

21.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Brosz eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde,

zu TOP 21, Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (306 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichi­schen Schulwesens erlassen wird und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz sowie das Schulorganisationsgesetz geändert werden (BIFIE-Gesetz 2008) (380 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des öster­reichischen Schulwesens erlassen wird und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz sowie


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 269

das Schulorganisationsgesetz geändert werden (BIFIE-Gesetz 2008) (306 d.B.) wird in Art. 1 wie folgt, geändert:

1. In § 2 Abs. 1 entfällt die Wendung „der Kindergärten und Horte sowie“

2. Dem § 2 Abs. 2 wird folgende Ziffer 5 angefügt:

„5. Forschung zu Bildungsbenachteiligung auf Grund von Geschlecht, Behinderung, ethnischer Herkunft oder sozio-ökonomischem Hintergrund.“

3. § 6 Abs. 1 letzter Satz lautet: „Bei Erhebungen an Schulen untersteht das BIFIE hinsichtlich der Organisation der Untersuchungen den Anordnungen des zuständigen Regierungsmitgliedes.“

4. § 9 Abs. 2 erster Satz lautet: „Das Direktorium besteht aus zwei vom zuständigen Regierungsmitglied bestellten Personen, die über die notwendige wissenschaftliche Qualifikation und ausreichend Erfahrung in der Bildungsforschung verfügen müssen.“

5. Dem § 12 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt: „Dem Beirat sollte jedenfalls ein Mitglied mit nachgewiesener Expertise für jedes der folgenden Themen angehören:

1. geschlechtssensibler Unterricht;

2. Unterricht für SchülerInnen mit Migrationshintergrund oder nichtdeutscher Mutter­sprache;

3. Integration von SchülerInnen mit Behinderung;

4. diversitygerechter Unterricht.“

Begründung

Ad 1.) Es ist bei BildungsexpertInnen und Eltern unbestritten, dass vorschulische Bildungs- und Betreuungsangebote sowie Nachmittagsbetreuung entscheidenden Ein­fluss auf die Bildungserfolge von Kindern und Jugendlichen haben. Kindergärten und Horte dürfen daher keinesfalls aus dem Forschungsauftrag des BIFIE ausgenommen werden.

Ad 2.) Mehrere sowohl nationale als auch internationale Studien der vergangenen Jahre belegen, dass in Österreich der soziale Hintergrund eines Kindes noch immer primäre Auswirkungen auf seine Bildungslaufbahn hat. Ursachenforschung in diese Richtung ist daher unumgänglich und sollte vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung vorrangig betrieben werden.

Ad 3.) Das BIFIE muss in seinen Forschungsinhalten weisungsfrei bleiben. Lediglich hinsichtlich der organisatorischen Abwicklung von Untersuchungen an Schulen sollen die Anordnungen des zuständigen Regierungsmitglied den ungestörten Unterrichts­betrieb gewährleisten.

Ad 4.) Um die wissenschaftliche und thematische Qualifikation des Direktoriums sicherzustellen wird diese explizit im Gesetz festgehalten. Der Hinweis auf die Anwendung des Stellenbesetzungsgesetzes reicht hier nicht aus, da letzteres allge­mein gefasst ist und auf die besonderen Anforderungen an das Direktorium des BIFIE nicht gesondert ausgelegt ist.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 270

Ad 5.) Der wissenschaftliche Beirat muss über entsprechende Expertise in den Be­reichen Gender, Migration, Integration und Diversity verfügen um entsprechende Forschung sicherzustellen.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Bevor ich zur Abstimmung komme, teile ich mit: Der Abänderungsantrag, den Herr Abge­ordneter Brosz eingebracht hat, ist, wie im Vorfeld vereinbart wurde, allen Fraktionen zugegangen. Wir konnten ihn bereits auch in das Abstimmungscroquis einbauen.

Wenn kein Widerspruch erhoben wird, lasse ich jetzt über den Tagesordnungspunkt abstimmen. – Damit gehen wir so vor.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 380 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungs­antrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 1, §§ 2, 6, 9 und 12 bezieht.

Wer hierfür eintritt, den ersuche ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung geben, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

21.12.0922. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (307 d. B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (381 d. B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 22. Punkt der Tages­ordnung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 271

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. Gewünschte Redezeit: 6 Minu­ten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


21.12.31

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Jetzt kommt der große Wurf: Jetzt kommen die Modellregionen! Jetzt kommt der Einstieg in die gemeinsame Schule! Es ist irgendwie um diese Zeit schwierig, das noch einmal Revue passieren zu lassen.

Zur Erinnerung: Die SPÖ hat in den letzten Jahren richtig erkannt, dass die soziale Benachteiligung im Schulsystem in Österreich eine relativ starke Wirkung hat und dass Kinder aus so genannten bildungsfernen Schichten, deren Eltern ... (Abg. Mag. Don­nerbauer: Diese Mär hält sich schon seit mehr als 30 Jahren!) „Diese Mär hält sich schon seit mehr als 30 Jahren!“ Ich wiederhole nur fürs Protokoll, was Kollege Donner­bauer soeben gesagt hat! – Die Lesefähigkeit bei Studien ist offenbar relativ begrenzt! Aber so weit war sogar schon Kollege Amon, dass er zugestanden hat, dass wir da wirklich ein Problem haben! Vielleicht bedürfte es noch ein wenig an Aufklärungsarbeit in der Regierungspartei!

Der wichtige Punkt ist, dass in Österreich das Einkommen und die Bildung der Eltern deutlicher wichtiger für die Leistungen der Kinder in den Schulen sind als in anderen Ländern. Das hat man auch im Regierungsübereinkommen richtig erkannt, und das hat die Frau Bildungsministerin zum Teil auch in ihren Aussagen angedeutet. Ich respek­tiere, dass sich hier im Ministerium wirklich etwas verändert hat, denn diese Erkenntnis hat es unter Gehrer nicht gegeben! Damals hat es geheißen, dass alles wunderbar ist und so bleiben kann, wie es ist.

Dann kam diese Idee betreffend die Modellregionen, die darauf basiert, dass die ÖVP bei den Regierungsverhandlungen gesagt hat: Mit uns nicht! Da wird es keine gemein­same Schule geben! Wobei ich meine, dass die Idee der SPÖ aus meiner Sicht durchaus Charme gehabt hätte, nämlich zumindest, wenn es österreichweit nicht geht, in Modellregionen zu probieren, ob eine gemeinsame Schule funktioniert und bessere Ergebnisse bringt. Allerdings birgt der Begriff „gemeinsame Schule“ schon in sich, dass es sich im Kern um eine gemeinsamen Schule handelt und in diesen Regionen auf die Trennung der SchülerInnen und die frühe Selektion verzichtet wird.

So sitzen zum Beispiel in der Steiermark im Landtag vier Parteien, die alle die Auffassung vertreten, das eine gemeinsame Schule besser wäre, nämlich die SPÖ; die steirische ÖVP, die Grünen und die KPÖ. In der Steiermark hätte man vermutlich relativ problemlos einen Antrag einstimmig durchbekommen können, der eine Modell­region Steiermark kreiert. Das geht aber mit dieser Gesetzesgrundlage zumindest betreffend eine gemeinsame Schule nicht, weil darin steht, dass – und das ist besonders heftig – alternative Angebote bestehen bleiben müssen. – Selbst wenn also das ganze Land dafür ist und die gemeinsame Schule ausprobieren und auf die Tren­nung verzichten will, geht das mit dieser Formulierung des Gesetzesantrages nicht.

Zweiter Punkt der Kritik: Der Kern ist, dass hier keine gemeinsame Schule getestet wird. Auch die Frage, was dann evaluiert werden soll, ist schwierig. Ich meine, wenn man das nicht wirklich einführt, wird schwerlich etwas herauskommen, wenn man dann etwas evaluieren will, was gar nicht existiert.

Allerdings gibt es auch ein Papier der von Bernd Schilcher geführten ExpertInnen­kommission, in dem sehr gute, moderne Ansätze für eine Verbesserung des Unter­richts enthalten sind. Es ist darin von der Abschaffung der 50-Minuten-Einheiten und


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der Schaffung von besseren, zusammenhängenden Formen die Rede, ferner liest man in diesem Papier von der Individualisierung des Unterrichts, von Lehrerteams, die zusam­menarbeiten sollen, von jahrgangsübergreifenden Formen, von einer besseren Aufteilung des Schuljahrs, um Schwerpunkte setzen zu können. All das hat im Übrigen auch schon die Zukunftskommission vorgeschlagen. Nur davon steht im Gesetz leider nichts. Das ist eine Willenskundgebung. Sie inserieren im Übrigen in allen möglichen Zeitungen, dass das stattfindet, im Gesetz steht das aber nicht. Davon ist nichts zu finden.

Ich meine: Je mehr davon umgesetzt wird, desto besser. Wenn Sie allerdings in den Inseraten sagen, dass es keine Leistungsgruppen in den Modellschulen gibt, und dann im Gesetz steht, dass es zu einer inneren Differenzierung, aber temporär auch zu einer äußeren Differenzierung kommt, dann würde mich schon interessieren: Was ist denn eine temporäre äußere Differenzierung, wenn keine Leistungsgruppe? Vielleicht kann man das sonst noch irgendwie erklären, dass man irgendwen irgendwohin schickt! Im Prinzip versteht man allerdings unter diesem Wording Leistungsgruppen. Und das steht auch im Gesetz.

Dritter und zentraler Punkt: Wie wird das jetzt umgesetzt? – Da werden sich die betroffenen Eltern möglicherweise auch noch rechtlich anderswo wiedersehen.

Frau Bildungsministerin, Frau Unterrichtsministerin, Sie haben im Vorfeld gesagt, dass Sie wollen, dass Beteiligte abstimmen. Das war Ihre Kernvoraussetzung für diesen Kompromiss. Sie haben gesagt, dass Sie nicht zustimmen, wenn das nicht kommt. Jetzt haben wir eine Gesetzesvorlage, gemäß welcher Unbeteiligte über Betroffene abstimmen. Es stimmen nämlich nicht die Eltern der Kinder ab, die in den Schul­versuch integriert werden sollen, sondern die Eltern, die jetzt Kinder am Standort haben. In einer Hauptschule stimmen also vermutlich heuer im Februar alle Eltern der Kinder, die jetzt die erste bis vierte Klasse Hauptschule besuchen, ab, ob im nächsten Jahr für Kinder anderer Eltern ein Schulversuch stattfinden darf. Das geht deren Kinder gar nichts an!

Außerdem bestimmen Sie jetzt auch noch, dass zwei Drittel dieser Eltern kommen und zustimmen müssen, damit das überhaupt möglich ist. Das muss man sich einmal vorstellen! Da wird über etwas abgestimmt, was die Leute gar nicht betrifft, und auch noch eine Zweidrittelgrenze eingeführt! Wenn Sie mit diesem Gesetzestext eine Abstim­mung durchführen und 65 Prozent kommen, dann können Sie sagen: Schön, dass Sie gekommen sind! Sie können aber gleich wieder gehen, denn die 35 Prozent, die nicht gekommen sind, haben schon entschieden! Das reicht nämlich. Damit kann ein gültiger Beschluss gar nicht zustande kommen. Das ist der Text dieser Geset­zesvorlage. Das wurde übrigens von Bernd Schilcher und auch von den Verfas­sungsrechtlern mittlerweile bestätigt.

Das ist mehr, als im Nationalrat für eine Verfassungsbestimmung erforderlich ist. Da muss nämlich die Hälfte anwesend sein, und zwei Drittel müssen zustimmen. Bei den Modellregionen müssen schon zwei Drittel überhaupt hingehen, damit abgestimmt werden kann, und zwei Drittel müssen zustimmen. Jede Stimmenthaltung, jeder, der nicht hingeht, bedeutet eine Nein-Stimme. – Das ist dieser Gesetzentwurf!

Um zumindest eine Chance für einen Ausweg zu bieten, bringen wir auch einen Abän­derungsantrag zum § 7 ein, obwohl wir das Gesetz ablehnen werden, und zwar:

Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 273

§ 7a Abs. 2 wird um folgenden Satz ergänzt: „Sofern die Willensbildung in Form von Abstimmungen erfolgt, ist deren Ergebnis nur dann gültig, wenn daran jeweils mehr als 50 Prozent der LehrerInnen und Erziehungsberechtigten teilnehmen. In die Modell­versuche der Sekundarstufe I dürfen nur jene Schulen einbezogen werden, an denen mindestens zwei Drittel der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmberechtigten dem Modellversuch zustimmen.

*****

Das heißt, es würden dann wirklich diejenigen abstimmen, die daran teilnehmen, und das bei aller Schwäche, dass das nicht die Betroffenen sind, aber das kann man da nicht sanieren. Von den Teilnehmenden braucht es zwei Drittel, und Sie können dann nicht die Nichteilnehmenden als Gegenstimmen zählen. Ich glaube, das ist die einzige Chance, wie Sie überhaupt real noch zu Modellversuchen kommen, denn in allen anderen Fällen ist es in der Praxis schon äußerst unwahrscheinlich, dass Sie über­haupt das Quorum erreichen. Da ging es ja oft – und das war auch die Kritik daran – um Hauptschulen im städtischen Raum, also um Schulen, hinsichtlich welcher immer geklagt wird, dass sich die Eltern wenig am Schulleben beteiligen. Genau dort errichten Sie diese Hürden!

Es sollte zumindest der Versuch eines besseren Unterrichts, der mit der Umsetzung der Vorschläge der Kommission Schilcher möglich wäre, gemacht werden. Mit diesem Abänderungsantrag besteht die letzte Möglichkeit, wenigstens ein bisschen etwas zu retten. (Beifall bei den Grünen.)

21.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Sie haben den Antrag nicht eingebracht. – Ich höre quasi von Zeugen, dass Sie ihn doch eingebracht haben. Er wurde meines Erachtens so gelesen wie ein Redebeitrag. Aber ich nehme das zur Kenntnis. Damit ist er auch ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen zum 22. Tagesordnungspunkt, Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (307 d. B.): Bundes­gesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (381 d. B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

§ 7a Abs. 2 wird um folgenden Satz ergänzt: „Sofern die Willensbildung in Form von Abstimmungen erfolgt, ist deren Ergebnis nur dann gültig, wenn daran jeweils mehr als 50 Prozent der LehrerInnen und Erziehungsberechtigten teilnehmen. In die Modell­versuche der Sekundarstufe I dürfen nur jene Schulen einbezogen werden, an denen mindestens zwei Drittel der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmberechtigten dem Modellversuch zustimmen.

Begründung

Die vorliegende Formulierung, wonach zwei Drittel der Erziehungsberechtigten einem Modell­versuch zustimmen müssen, ist aus Sicht von VerfassungsexpertInnen bedenk-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 274

lich, da nicht abgegebene Stimmen als Gegenstimmen gezählt werden können. Um Rechtssicherheit bei den Abstimmungen zu gewährleisten, wird die oben genannte Änderung vorgeschlagen.

*****

 

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.20.30

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Mit den Modellversuchen Neue Mittelschule haben wir nach intensiven Verhand­lungen einen Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Die Diagnose, die bereits in den letzten Jahrzehnten aus verschiedenen Richtungen, auch außerhalb der Sozialdemo­kratie, gestellt wurde, dass in unserem Land die Entscheidungen über den weiter­führenden Bildungsweg viel zu früh getroffen werden, da zu diesem Zeitpunkt die Entwicklungschancen für die Kinder noch nicht abgeschätzt werden und die Kinder nicht entsprechend gefördert werden können, existiert schon lang.

Max Weber hat einmal gesagt: Politik ist das Bohren harter Bretter. – Ich denke, zu diesen intensiven Verhandlungen, Frau Ministerin, muss man Ihnen gratulieren, denn diese Bretter waren hart und dick, aber Sie sind mit sehr guter Bohrkraft durchge­kommen!

Wichtig ist, dass wir erkannt haben, dass wir im Hinblick auf die Bildungschancen der Kinder in unserem Land Weiterentwicklungen vornehmen müssen, damit die Treff­sicher­heit für jedes Kind gewährleistet ist und damit eine entsprechende Förderung den Kindern eine echte Bildungszukunft ermöglicht. (Beifall bei der SPÖ.)

21.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Graf. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.21.56

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich möchte zunächst zwei, drei Worte zu Kollegen Brosz und zum Problem über Abstimmungen im Schulbereich sagen.

Als Vater von drei Kindern in Wien war ich, da kein Kind und keine Schule bislang mit Schulversuchen in Ruhe gelassen wurden, immer auch Beteiligter bei Abstimmungen. Ich kenne daher diesen Unsegen und weiß, wie dabei vorgegangen wurde. Und diese Vorgangsweise ist der zentrale Punkt bei Abstimmungen. Daher nehme ich jetzt gar nicht zum Antrag selbst Stellung, sondern zur grundsätzlichen Problematik von Abstim­mungen im Schulbereich.

Das System war tatsächlich so, wie Kollege Brosz gesagt hat, dass die Eltern zukünf­tiger Schüler den Schulversuch zu beschließen hatten. Sie haben sich im Halbjahr vor Schuleintritt und Schulbeginn ihrer Kinder versammelt – und dann wurde das Ganze lang und breit erklärt. Gekommen sind meist nur ein Drittel der betroffenen Eltern. Dass nur wenige Interessierte gekommen sind, war schon einmal das erste Prob­lem. Im Falle meines Sohnes haben zum Beispiel von Eltern von 24 Schülern nur acht Eltern abgestimmt. Außerdem hätten sie in offener Abstimmung vermutlich anders abge­stimmt.


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Nach einer langen Diskussion, die die Lehrerin mit den Eltern geführt hat – und weil die Eltern dann geradezu renitent waren und ein anderes Abstimmungsergebnis drohte –, hat man dann die Direktorin zu Hilfe gerufen: Sie ist gekommen, hat sich hingestellt und gesagt: Ich glaube, es ist jetzt schon genug diskutiert worden; schauen wir uns jetzt einmal an, wie die Eltern abstimmen werden, ich bin schon gespannt! – Und das Ergebnis war – schwupp! – genau so, wie es die Direktorin haben wollte!

Nachher haben sich alle Eltern in Wirklichkeit geniert, dass sie sich dem untergeordnet haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Nein, ich nicht! Ich war immer der Einzige, der sich getraut hat. Wenn man aber die Leute gefragt hat, warum sie eigentlich gegen ihre eigene Überzeugung abgestimmt haben, haben sie gesagt: Mein Kind muss jetzt vier Jahre dort hingehen, und wir wollen den Schwierigkeiten aus dem Weg gehen; da ist uns das wurscht, wir wollen eigentlich nur, dass unser Kind durchkommt!

Kollege Kurzmann wird dann einen Antrag einbringen, dass man ungeachtet dessen, worüber man in den Schulgremien abstimmt, auf jeden Fall darauf Bedacht nehmen sollte, dass es grundsätzlich geheime Abstimmungen sind und dass es sehr wohl jeweils ein Mindestanwesenheitsquorum geben sollte, denn sonst wird das zur Farce.

Eltern haben nun einmal das Problem, dass sie das Beste für ihre Kinder wollen, und zwar ungeachtet der Mittel, die sie oftmals einsetzen. Dem sollte man nicht Vorschub leisten, und daher sollte in geheimer Form abgestimmt werden. Das sollte man generell verpflichtend einführen und auch Protokolle darüber verfassen.

Zu diesem Thema wird mein Kollege auch noch etwas sagen, aber wir werden uns damit sicherlich noch länger beschäftigen.

PISA wurde schon angeführt.

Ich möchte jetzt aber auch, damit ich es nicht vergesse, einen Antrag einbringen, und zwar:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf internationaler Ebene für die Erstel­lung einer Studie, die die Abfrage und den Vergleich der Kompetenz und Qualität der Lehrer an Österreichs Volks‑ und Hauptschulen, allgemein bildenden und berufsbil­denden mittleren und höheren Schulen mit vergleichbaren ausländischen Schulen und Bildungseinrichtungen zum Inhalt hat, einzusetzen. Auf nationaler Ebene ist sofort im Sinne der vorgenannten Studie mit geeigneten Mitteln die Kompetenz und Qualität der Lehrer an Österreichs Volks- und Hauptschulen, allgemein bildenden und berufsbil­denden mittleren und höheren Schulen festzustellen, zu vergleichen und dem National­rat Bericht zu erstatten.

*****

Ich halte es für notwendig, dass wir auch einmal diese Komponente berücksichtigen, die eigentlich auch in allen Ergebnissen von PISA enthalten ist. Ich meine den Vergleich der Lehrer untereinander. Das ist kein Misstrauen. Ich glaube, dass unsere Lehrer ganz gut sind. Aber wir haben sehr viele oder beziehungsweise zu viele Lehrer. Vielleicht sind es stellenweise aber auch zu wenige, das wird sich herausstellen. Wenn man das jedoch nicht abfragt oder sich das nicht vergegenwärtigt, dann wird man es nie wissen. Jedenfalls vermitteln die Lehrer die Lerninhalte an die Kinder, und daher


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wäre es durchaus interessant, parallel zu den Ergebnissen von PISA betreffend die Schüler – wie immer man dazu stehen mag – auch eine Bewertung der Lehrer im Verhältnis vorzunehmen. Da kann man sicherlich auch einiges abfragen. (Abg. Öllinger: Zum Beispiel die Lesekompetenz!) Ich meine jetzt nicht die Lesekompetenz, sondern die pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten und Ähnliches. Das lässt sich sehr wohl abfragen, Herr Kollege! Und es wäre wahrscheinlich gut, das einmal in der Gesamtheit zu diskutieren! So weit zu dem, wir haben nicht viel Redezeit.

Zum Thema Mittelschule. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Wir haben noch ein bisserl mehr Redezeit als ihr, daher kann ich mich dem ein bisschen widmen. – Das neue Institut wird hoffentlich bessere Werbebroschüren machen als die, die schon gemacht wurden, Frau Bundesminister! Zumindest kündigen Sie das hier schon an, und das wurde heute ja auch beschlossen.

Setzen wir uns einmal damit auseinander. Sie verkaufen hier die Neue Mittelschule propagandamäßig bereits im Vorfeld und führen aus:

„Die Neue Mittelschule ist eine Leistungsschule. Forderung und Förderung sind die zwei wesentlichen Säulen der Modellversuche.“ 

Ich meine übrigens, dass das für alle Schulen, für alle Lehrer und für alle Kinder zutrifft und nicht nur für die Neue Mittelschule, es sei denn, man will dem Adressaten, der diese Broschüre liest, vermitteln, dass in allen anderen Schulen nicht gefordert und nicht gefördert wird. Das wäre dann allerdings bedenklich!

Sie führen weiters aus: „Dank des vermehrten Angebots an pädagogischer Betreuung auch am Nachmittag ist zusätzliche, kostenintensive Nachhilfe überflüssig.“

Das ist ein Versprechen in die Zukunft. Damit machen Sie zunächst einmal den Herrn Bundeskanzler teilweise arbeitslos, der ja gesagt hat, dass er jetzt Nachhilfe geben wird. Das braucht er dann nicht mehr zu tun, denn hier steht ja, dass das überflüssig sein wird.

Ist das nur für diese Neue Mittelschule geplant? Warum vermitteln Sie das Gefühl, dass das nur dort der Fall sein kann? Hat die Schulorganisation tatsächlich so viel damit zu tun, wie Qualitätsinput und -output – um das auf Neudeutsch zu sagen – letztlich aussehen? Kann man das nicht, wenn man will, auch an den bestehenden Schulen machen? Es sei denn, man nimmt im Hinblick auf die Neue Mittelschule besonders viel Geld in die Hand, das man vielleicht sogar vorher anderswo weg­genommen hat, um vorführen zu können, dass es die bessere Schule gibt.

Für mich ist eigentlich die Schulorganisationsform sekundär. Mir geht es darum, dass allen Kindern das Beste zuteil wird, und zwar unabhängig vom Schultyp.

Wenn Sie etwas anderes wollen, wenn Sie so genannte neue Eliteschulen haben wollen, sagen Sie es gleich! (Abg. Neugebauer: Privatschulen!)

Sie schreiben dann weiter: „Folgende pädagogische Konzepte bestimmen die Modell­versuche: Individualisierung ..., Differenzierung“.

Gibt es das nicht? Warum machen wir das nicht in den bestehenden Schulen? Ist es unmöglich, das in den bestehenden Schulen zu machen? – Ich denke, nein. Indivi­dualisieren kann ich überall dort, wo ich es will und wo Kinder und Lehrer sind, und zwar unabhängig davon, wie eine Schule organisiert ist, unabhängig davon, ob sie als Gesamtschule oder als Ganztagsschule organisiert ist. Völlig unabhängig kann ich das tun, und zwar in allen Schultypen. Aber man will vermitteln, dass das nur dort pas­siert. – Ist meiner Meinung nach falsch.


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Frau Bundesminister, Sie sind die Bildungs- und Unterrichtsministerin aller Kinder, aller Eltern, aller Steuerzahler und für alle Schulen, möchte ich Ihnen ins Gedächtnis rufen. Kinder lernen voneinander am besten. Ich lasse das jetzt, ob Kinder zu Lehrern werden sollen. Gemeinplätze sind es manchmal auch, die da verkauft werden. (Abg. Öllinger: Aber das, was Sie sagen, auch!)

„SchülerInnen“ – nur die Mädchen offensichtlich, denn Schüler werden nicht mehr genannt in dieser Broschüre, das ist überhaupt eine weibliche Schule – „werden so zu ForscherInnen“.

Na schauen wir uns an, was herauskommt! Fächerübergreifende Themen werden dort gelehrt. – Na woanders nicht? Ganztägige Betreuung, Sport wird dort gemacht, wesentlich verstärkt, Kreativität wird dort vermittelt. – An anderen Schulen nicht? Was soll das? Das ist nicht seriös!

Integration passiert offensichtlich nur dort, woanders darf es nicht passieren. Und dann schießen Sie überhaupt den Vogel ab, indem Sie dann sagen: „Gender – Chancen­gleichheit unabhängig vom Geschlecht: Schulen sind grundsätzlich zu Chancen­gleich­heit und Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet.“ – No na net! (Abg. Csörgits: Haben Sie ein Problem damit?)

Es sei denn, Sie wollen vermitteln, dass man an allen anderen Schulen dem nicht Rechnung trägt. Dann aber, Frau Bundesminister, sind Sie sofort auf den Plan gerufen, die Chancengleichheit an allen Schulen herbeizuführen. Dann müssen Sie handeln! Sie können nicht sagen, ich mache es nur an einer Modellschule. Ja, das ist schon das Thema.

„Externe ExpertInnen – die Schule öffnet sich“. – Na wieso nicht auch die anderen?, muss man fragen. (Abg. Riepl: Das ist eine Leseübung, oder was?) Das ist keine Leseübung. Genieren Sie sich vor der eigenen Propagandabroschüre, die von Ihrer Partei verteilt wird? Genieren Sie sich jetzt, Herr Kollege? (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege, ich weiß, mit vielen Jahren Verzögerung – ich verweise auf Ihre Aus­führungen hinsichtlich der Deutschkenntnisse, wir werden sie ja noch im Ausschuss behandeln – kommen Sie dann ohnehin auf die gleichen Schlüsse wie die Freiheitliche Partei. Es dauert halt bei Ihnen etwas länger, denn das haben wir ja dort auch gesehen.

„,Lehren und Lernen‘ – LehrerInnen – Motivierte LehrerInnen sind der Schlüssel zum Erfolg der Modellversuche“. – Na vielleicht für andere Schulen nicht? Für Nichtmodell­versuche sind motivierte Lehrer nicht der Schlüssel zum Erfolg? Das ist ja alles ein Gemeinplatz.

Ich halte diese Broschüre für eine glatte Propagandabroschüre. Das ist durchaus legitim, man muss es nur auch so benennen können, finanziert mit öffentlichen Gel­dern. (Abg. Mag. Lapp: Für die Kinder!) Kein Kind liest das. Sie vermitteln damit den Eltern, dass es hier eine bessere Schule von Haus aus gibt (Abg. Riepl: Endlich!), obwohl Sie diese Dinge, die hier aufgezählt werden, alle in den derzeit bestehenden Schulformen ebenfalls umsetzen könnten.

Was heißt, kommt schon noch? Sie haben versprochen, als Sie in die Regierung gegangen sind, alles wird besser und alles wird gut. Und jetzt müssen wir immer nur warten. Dass Sie es dann noch in den Zweidrittelrang heben müssen – so viel zur Entrümpelung der Verfassung –, ist das Nächste. Aber wir werden sehen.

Die Neue Mittelschule in der derzeitigen Form lehnen wir ab. Ich glaube auch nicht, dass mit derartigen Mitteln über Schulorganisation unsere Kinder besser ausgebildet werden. Das ist unsere Überzeugung. Wir hoffen nur, dass nicht das gesamte zu-


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sätzlich zur Verfügung stehende Geld Ihres Ressorts, das Sie auch noch auftreiben, ausschließlich in Modellversuche hineingepulvert wird. Das wäre nämlich dann der Missbrauch zu Lasten der Mehrheit der Kinder in diesem Land zugunsten einer geringeren Minderheit auf Kosten oder aufgrund Ihrer ideologischen Überzeugung, parteipolitisch motiviert. Und das wollen wir nicht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Dr. Graf eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend un­terstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Kurzmann und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 22 in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007

Ein Jahr lang haben britische Unternehmensberater Klassenzimmer in 24 Ländern inspiziert. Das Ziel der Untersuchung war es, festzustellen worin der Erfolg derjenigen Länder, die bei den OECD-Vergleichstests Pisa oder TIMSS als Sieger hervor­gegangen sind liegt.

Warum erzielten die Schüler in Kanada, Finnland, Japan, Singapur und Südkorea bessere Leistungen als in Großbritannien, Deutschland oder den USA? Die Studie mit dem Titel „How the world’s best performing schools systems come out on top“, die die britische McKinsey-Tochter veröffentlicht hat, kommt zu überraschenden Ergebnissen.

Danach liegt der Schlüssel zu besseren Leistungen vor allem in der Qualität der Lehrer. Wer Lehrer wird, wie man diese Lehrer regelmäßig weiterbildet und wie man ermöglicht, dass jedes einzelne Kind im Klassenzimmer von der Leistung eines optimalen Lehrers profitiert, darin unterscheiden sich die Besten vom Mittelmaß.

Auch die Ein- oder Mehrgliedrigkeit des Schulsystems ist bedeutungslos: Während Finnland ein eingliedriges Schulsystem besitzt, in dem die Kinder lange gemeinsam lernen, herrscht in Singapur ein viergliedriges System. Beide Länder liegen laut OECD-Vergleich an der Spitze. Ebenso führt nicht automatisch mehr Unterricht zu besseren Ergebnissen: Finnische Schüler starten morgens relativ spät und gehen früh wieder nach Hause. Damit sind weder Einheits- noch Ganztagsschulen automatisch Garanten für mehr Lernerfolg.

Untersuchungen in Tennessee und Dallas ergaben stattdessen: Werden mittelmäßig begabte Schüler von Toplehrkräften unterrichtet, so zählten sie am Schluss zu den besten zehn Prozent ihres Jahrgangs. Teilte man ihnen dagegen eher schlechte Lehrer zu, so fanden die Schüler sich am unteren Ende der Leistungsskala wieder.

Die Lehrerausbildung spielt in den Siegerländern eine entscheidende Rolle. In Finnland müssen alle Lehrer einen Masterabschluss haben. Südkorea sucht sich für seine Grundschulen sogar die besten fünf Prozent der Absolventen aus, Singapur und Hongkong rekrutieren nur aus den oberen 30 Prozent.

Südkorea wählt gezielt seine Lehramtsstudenten aus und begrenzt die Anzahl. Während man das vierjährige Grundschullehrerstudium dort nur an zwölf Universitäten des Landes studieren kann, bieten sich für Lehrer höherer Schulen 350 Ausbildungs­stätten an, zudem sind die Auswahlkriterien laxer. Als Folge ist der Grundschullehrer in


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Südkorea angesehener als der Oberschullehrer, von denen es auch zu viele gibt: Auf eine Stelle kommen im Schnitt sieben Bewerber.

Auch Finnland und Singapur wählen ihre Lehramtsstudenten gezielt aus und begren­zen das Kontingent. In beiden Staaten genießen Lehrer schon allein deshalb hohes Ansehen, weil Wettbewerb herrscht und die Auswahl begrenzt ist.

Singapur verordnet seinen Lehrern zudem 100 Stunden Fortbildung pro Jahr und schickt ältere, erfahrene Lehrer in die Schulen, um die dortige Entwicklung zu beob­achten. Die Siegerländer eint nämlich, dass sie schnell und früh eingreifen, wenn Schule und Schüler abzugleiten drohen.

Da mit PISA ein Programm zur regelmäßigen Erfassung und zum internationalen Vergleich der Basiskompetenzen von 15/16 jährigen Schülerinnen und Schülern vorliegt, die Kompetenz und Qualität der Lehrerinnen und Lehrer aber  nicht abgefragt und verglichen wird, ist es höchst an der Zeit ein entsprechendes Programm zu entwickeln und einzuführen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf internationaler Ebene für die Erstel­lung einer Studie, die die Abfrage und den Vergleich der Kompetenz und Qualität der Lehrer an österreichischen Volks- und Hauptschulen, allgemein bildendenden und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen mit vergleichbaren ausländischen Schulen und Bildungseinrichtungen zum Inhalt hat, einzusetzen. Auf nationaler Ebene ist sofort im Sinne der vorgenannten Studie mit geeigneten Mitteln die Kompetenz und Qualität der Lehrer an österreichischen Volks- und Hauptschulen, allgemein bilden­denden und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen festzustellen, zu ver­gleichen und dem Nationalrat Bericht zu erstatten.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Neugebauer. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.35.05

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Aufreger vor wenigen Minuten war mein Kollege Christian Faul. Du hast unter Punkt 20 nicht zum Thema gesprochen, dafür aber undeutlich; daher kann dein Redebeitrag nicht bewertet werden.

Der Aufreger der letzten Monate, liebe Kolleginnen und Kollegen, war die Schulorgani­sationsdebatte. Mit einem Konzept, das flächendeckend zentral als Versuchsmonopol einer Gesamtschule ähnlich angelegt gewesen ist, die wir in den achtziger Jahren mit einigen Kerzen und rotem Teppich begraben haben, die im sozialistisch dominierten Wien im Jahr 2003 wegen Erfolglosigkeit eingestellt worden ist, wollte man uns be­glücken, obwohl nachweisbar auch in der Bundesrepublik Deutschland das differen­zierte Schulwesen beste Erfolge hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher nützen wir die Erfahrung der Basis, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir nützen Millionen Lehrerstundenerfahrungen aus den Ländern, die jetzt in die Lage versetzt werden, Schulversuchsanträge aus regionaler Sicht an das Ministerium zu stellen.


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Es war ursprünglich auch geplant, diejenigen, die es angeht, gar nicht mitreden zu lassen. Wir trauen den Schulpartnern einiges zu, und es ist unsere Prämisse, dass sie mit entscheiden können. Schulpartner haben hier entsprechendes Mitbestimmungs­recht. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man schon nicht die dicken Evaluationen der Schulversuche einer gemeinsamen Schule in Österreich oder auch im nahen Ausland lesen will, dann ist bei den Versuchen, die jetzt eingereicht werden, von denen ich, außer dem steirischen Modell, noch nicht weiß, wie sie ausschauen werden, jedenfalls zu fordern, dass eine wissenschaftliche Kontrolle von der ersten Stunde an mit einer entsprechenden Evaluierung erfolgt.

Letzter Punkt ist, dass diese Versuche nicht als Selbstzweck, als Insellösungen – Kollege Graf, da hast du hundertprozentig recht – so dotiert werden, dass sie ein Erfolg werden müssen, aber dann mangels Übertragbarkeit ins Regelschulwesen letztendlich scheitern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die einzige Alternative zu einem differenzierten Schul­wesen ist ein verbessertes differenziertes Schulwesen (Beifall bei der ÖVP), dass man ganz einfach eine Individualisierung für Risikogruppen und Spitzenschüler hat.

Ich übergehe jetzt PISA und schließe mich fast meinem verehrten ehemaligen Profes­sor für Pädagogik und Methodik an der Lehrerbildungsanstalt an, einem Ihrer Vorgän­ger, liebe Frau Bundesministerin, der zu PISA sagt – ich habe das in der Zeitung gelesen –, die Bildung lässt sich nicht mechanistisch messen, sondern die muss natürlich im Ganzen gesehen werden. (Abg. Dr. Brinek: Helmut Zilk – richtig?) Und da steht Österreich meiner Meinung nach nach wie vor hervorragend da. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich möchte nämlich diese gesellschaftspolitische Gesamt­ver­antwortung am Ende meines Beitrages herausstreichen. Es ist eine unausrottbare Tatsache, dass junge Menschen Vorbilder brauchen. Das sind die Eltern, und das sind die Persönlichkeiten der Lehrer. Wir haben heute bewegende Themen gehabt. Wir haben über Gewalt gesprochen. Ich lese heute eine Aussendung der AKS: Noten sind strukturelle Gewalt. – Das habe ich in diesem Fall nicht verstanden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber eines kann ich Ihnen von Pearl S. Buck mitgeben (Abg. Öllinger: PISA!):

„Kinder, die man nicht liebt, werden Erwachsene, die nicht lieben.“ – Da sollte man einmal nachdenken, warum es plötzlich Gewalt innerhalb und außerhalb der Schule gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Weihnachten steht vor der Tür. Vielleicht kaufen wir keinen Tamagotchi, sondern sagen wir auch, dass es eine gute Kinder- und Jugendliteratur gibt und dass ein Pro­gramm, ein viereckiges Programm, das Programm der Familie, die Begegnung der Erziehungsberechtigten mit den Kindern nicht ersetzen kann. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Haubner zu Wort gemeldet. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.39.16

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Ich habe ganz wenig Redezeit, aber so viel: Deinen letzten Satz, lieber Kollege Neugebauer, kann ich nur unterstreichen. (Beifall bei BZÖ und ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, PISA-Ergebnisse liegen vor. Jeder von uns weiß, dass internationale Vergleiche und Rankings nur bedingte Aussagekraft haben. Man soll sie nicht überbewerten, aber man soll sie auch nicht ignorieren.

Sie sind keinesfalls dazu angetan, ein ganzes Schulsystem in Frage zu stellen, son­dern es soll ein Anstoß sein, unser Schulsystem auch weiter zu entwickeln und zu optimieren, denn letztendlich gibt es nur ein Ziel: unsere Kinder, unsere Jugendlichen fit für die Zukunft zu machen, für eine Arbeitswelt, in der sie ständig gefordert sind, wo neben dem Wissen vernetztes Denken und Handeln unbedingt erforderlich sind. Dafür gibt es natürlich keine Patentlösung, auch die gemeinsame Schule ist keine Patent­lösung dafür. (Beifall bei BZÖ und ÖVP.)

Wir müssen an mehreren Schrauben drehen. In der letzten Legislaturperiode haben wir bereits angefangen. Jetzt gibt es auch verschiedene Schritte, wie die Senkung der Klassenschülerzahl, wie die verstärkte Sprachförderung im Vorschulbereich oder auch die Lehre mit Matura, wie sie zum Beispiel in Kärnten schon erprobt wird.

Es ist aber so, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass schon einiges für die gemeinsame Schule spricht, unter anderem auch, dass es keinen Zwang zur Entscheidung für Eltern und Kinder im Alter von zehn Jahren gibt. Das, glaube ich, ist richtig. Und es spricht auch für die gemeinsame Schule, dass es gerade im letzten Schuljahr eine ganz intensive Ausbildung und Berufsorientierung für alle Schülerinnen und Schüler gibt, um sich dann wirklich für die richtige Richtung entscheiden zu können. (Beifall beim BZÖ.)

Was hier aber vorliegt, sehr geehrte Frau Bundesministerin, ist wirklich kein Jahrhun­dert­entwurf, sondern das Ergebnis parteipolitischer Machtkämpfe im Schulsystem. Sie haben keine echten Modellregionen geschaffen, es ist nur ein weiterer Schultyp in einer Region. Es ist wieder die Zweidrittelmehrheit durch die Hintertür eingeführt wor­den. Es gibt unterschiedliche Bezahlungen für Hauptschullehrer und AHS-Lehrer. Und wie die finanziellen Mittel für diese gemeinsame Schule aufgebracht werden sollen, ist bis heute auch nicht geklärt.

Für uns ist dieser Schulversuch kein, wie Sie gesagt haben, Leuchtturm für einen Systemwechsel, sondern der kleinste gemeinsame Nenner mit vielen offenen Fragen. Wir werden daher heute nicht zustimmen, denn es bedarf noch einer sehr starken inhaltlichen Diskussion und Information ohne ideologische Scheuklappen, sage ich hier. Wir vom BZÖ werden uns daran beteiligen, denn eine offene Diskussion mit Ihnen und Ihrem Haus ist möglich. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

21.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.42.36

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir haben ja recht ausführlich auch im Unter­richtsausschuss zu dieser Novelle diskutiert. Ich habe dort auch ganz klar gesagt, das ist nicht der große Wurf, das ist ein Kompromiss und auf Basis dieses Kompromisses sind jetzt Modellversuche möglich, um hier angewandte Innovation auch auf der Sekundarstufe 1 durchzuführen. Das ist die Grundlage.

Einen Punkt sage ich jetzt schon auch in Ihre Richtung, Herr Abgeordneter Neuge­bauer: Es war nie daran gedacht, zentralistisch von oben ein Modell einzuführen. (Ruf bei der ÖVP: No na!) Es war immer die Einbindung der Landesschulräte vorgesehen und auch, dass vom Schulstandort über die Landesschulräte die Anträge eingebracht und beurteilt werden. Das war der Ausgangspunkt. Und der Ausgangspunkt waren die


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Bundesländer. Erinnern Sie sich an die Gespräche im Juni, die Ausgangspunkte waren in den Bundesländern.

Noch ganz kurz zu Ihnen, Herr Abgeordneter Brosz. Zentraler Punkt: Wahlfreiheit. Auch das war ein Punkt, der von Juni an klar gewesen ist, weil es nämlich auch seitens des Regierungspartners von Anbeginn an klar war, dass das nur mit Wahlfreiheit geht, also keine gemeinsame Schule nach der reinen Lehre flächendeckend. Das war ein­fach der Punkt von Anfang an. Und da sage ich Ihnen auch dazu, diese klare Zustim­mung haben wir auch in der Öffentlichkeit noch nicht, um dieses Modell flächen­deckend einzuführen.

Ich bin froh, dass wir jetzt auf Basis von Rechtssicherheit und Bestandsgarantie, aus­gehend von den einzelnen Bundesländern, 2008 mit einzelnen Modellregionen starten können, mit einzelnen Modellschulen. Und wie wir auch im Ausschuss besprochen haben, ist es ja keine Abstimmung, sondern eine Zustimmung nach dem Muster des seit 1962 geltenden § 7. (Abg. Brosz: Eben nicht!) Soviel von mir noch. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Fuhrmann zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.44.59

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Ich muss sagen, ich finde es trotzdem schade, und Sie wissen, dass sich die ÖVP sehr intensiv gerade auch am Schluss der Verhandlungen dafür eingesetzt hat. Wenn es schon darum geht, die Schulpartner bei den Modellversuchen mit einzube­ziehen und sie mitbestimmen zu lassen, inwiefern sie auch bereit sind, sich diesem Schulversuch zu stellen, dann finde ich es schade, dass man bei den Betroffenen gerade die Schüler ausgelassen hat, weil ich glaube, dass sie schon auch ein wich­tiges Wörtchen mitzureden haben, wenn es darum geht, wie ihre eigene Zukunft ausschauen soll. (Abg. Öllinger: Welche Schüler?)

Ich glaube, dass man auf der einen Seite die Diskussion um die Gesamtschule jetzt nicht auf Eis legen, aber zur Ruhe kommen lassen soll, denn es kann auch nicht sein, dass die bildungspolitischen Debatten sich allein um diese ideologische Frage drehen.

Zuletzt darf ich daran erinnern, dass laut OECD festgestellt wurde, dass Jugendliche in gegliederten Schulsystemen im Durchschnitt weder besser noch schlechter sind als jene in anderen Schulsystemen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber sagen, dass wir bildungspolitisch auch in den vergangenen Jahren schon sehr weit waren. Frau Bundesminister, ich wünsche mir, dass wir gemeinsam ein bisschen auch das Gaspedal betätigen, vor allem wenn es darum geht, Bildungs­standards in Österreich einzuführen – davon war schon in der vergangenen Periode die Rede –, aber auch wenn es darum geht, die Lehrerausbildung auf neue Beine zu stellen, mehr Pädagogik in der Ausbildung. Hier schielen wir auch nach Finnland, durchaus, weil es richtig und wichtig ist. Wenn man sich anschaut, was andere Länder in ihren Ergebnissen so auszeichnet, dann darf ich auch erwähnen, dass dort die Lehrerausbildung verpflichtend ist und dass es sogar Länder gibt, wo für die schwächeren Schüler Nachhilfeunterricht stattfindet, auch innerhalb des Schulsystems, wo Lehrer sich verpflichten müssen, am Nachmittag auch Unterricht für schwächere Schüler zu geben. Also Nachhilfe nicht um den teuren Preis der Eltern, sondern integriert im Schulsystem.


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Bildungsstandard, Lehrerausbildung, ich glaube, das sollten die nächsten Schritte sein. Frau Ministerin! Ich bitte Sie, auch hier aktiv zu werden. Wir werden Sie jedenfalls dabei unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Zwerschitz zu Wort. 4 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.47.27

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Frau Präsidentin! Die Neue Mittelschule. In der Steiermark waren schon immer recht motivierte Menschen unterwegs, die besondere didaktische Modellversuche gemacht haben, wo es recht viele Schul­versuche gegeben hat, und die Steiermark ist auch diesmal dabei mit den Modell­regionen, was mich persönlich sehr freut, wiewohl ich nicht ganz verstehen kann, warum wir diese so dringend brauchen, denn in der Steiermark gibt es diese Modell­region schon seit vielen Jahren. Es ist die AHS Klusemannstraße gemeinsam mit vier Hauptschulen. Da wurde schon seit vielen Jahren genau daran gearbeitet. Aber sei’s drum, wir erproben es eben noch einmal, um zu sehen, ob es diesmal anders oder besser funktioniert.

In der Steiermark gibt es einige Modellregionen, die sich gemeldet haben, aber das ist nicht ganz unproblematisch. Es gibt mehrere Dinge, die mir an der Regierungsvorlage gar nicht gefallen, weil eigentlich diese Regierungsvorlage dafür sorgt, dass alle Modellregionen einen Hürdenlauf zu absolvieren haben, einen Hürdenlauf, wo einem zahlreiche Steine in den Weg gelegt werden, die unter Umständen dazu führen, dass die Modellregionen gar nicht kommen können, und ich behaupte jetzt hier, das ist auch absichtlich passiert.

Es hat offensichtlich in der Regierung eine ziemlich wichtige Stimme gegeben, die gemeint hat, Modellregionen und so, eigentlich wollen wir ja die gemeinsame Schule gar nicht. Bauen wir so viele Hindernisse ein, dass sie auch nicht leicht kommen kann.

Das Problem der Elternabstimmungen hat mein Kollege Brosz schon erwähnt. Es gibt aber noch ganz andere. Zum Beispiel haben wir auch Lehrerabstimmungen an den Schulen gehabt, Lehrerabstimmungen, die irrsinnig interessant sind, nämlich insofern, als sie eigentlich keine Gesetzesvorlage hatten. Die Lehrerabstimmungen haben auf der Grundlage stattgefunden, was der Leiter der Expertenkommission Dr. Schilcher erklärt hat, der den LehrerInnen versprochen hat, es wird zwölf Stunden zusätzliche Ressourcen geben. Das macht er übrigens auch bei öffentlichen Veranstaltungen. Also wenn er das verspricht, dann würde ich doch herzlichst ersuchen, dass man dem auch einmal nachgeht, woher er das hat, warum er das sagt. Die LehrerInnen haben jedenfalls dafür gestimmt, denn mehr Ressourcen in diesem eingesparten und sowieso knapp ausgestatteten Schulsystem sind etwas, was gerade die Pflichtschulen dringend brauchen, weil in der letzten Zeit immer nur gespart wurde. (Beifall bei den Grünen.)

Sie müssen sich vorstellen, das hat so funktioniert, als würden Sie ein Auto kaufen, und Sie unterzeichnen einen Vertrag, in dem nur steht, dass Sie ein Auto kaufen – Sie wissen nicht, welche Marke, Sie wissen nicht, wie viele PS, Sie haben keine Ahnung von der Farbe, Sie wissen auch nicht, wie viele Türen dieses Ding haben wird, aber Sie kaufen es, weil Ihnen jemand erzählt hat, dass es etwas ganz Tolles ist, und weil Ihnen jemand versprochen hat, dass es das, das und das alles können wird, Sie können es aber nicht garantieren.

Um die Ressourcenausstattung jetzt zu sichern, denn diese findet sich in diesem Gesetz nicht, bringe ich folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Zwerschitz, Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finan­zierung der Modellversuche zur Neuen Mittelschule

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, die am Schulversuch „Neue Mittelschule“ beteiligten Klassen gemäß den Erklärungen des Leiters der ExpertInnenkommission Dr. Bernd Schilcher mit ausreichenden zusätz­lichen Ressourcen zur Individualisierung und Förderung auszustatten.

*****

Es war sehr interessant im Unterrichtsausschuss, denn wir haben einerseits gehört von Umschichtung, dann haben wir gehört, dass es selbstverständlich keine Einsparung bei den anderen Schulen gibt, und dann hat es geheißen, dass man ja Nach­verhand­lungen machen kann. Wenn man allerdings sieht, wie Herr Finanzminister Molterer mit anderen Nachverhandlungsansuchen bis jetzt umgegangen ist, und angesichts des Zweijahresbudgets fürchten wir, dass es diese Schulversuche und diese Ressourcen nicht geben wird.

Ich hoffe sehr, dass es diese Schulversuche noch geben wird, dass die Neue Mittel­schule noch kommen wird, weil wir sie für etwas Wichtiges und Richtiges halten, aber noch wichtiger wäre es für uns, dass Sie auch etwas dafür tun und nicht nur hier stehen und sagen, wir machen es jetzt. (Beifall bei den Grünen.)

21.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Eisenschenk zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.51.55

Abgeordneter Mag. Peter Eisenschenk (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat von Sokrates, der gesagt hat: „Dumm ist der, der seine Gewissheit für wahr hält.“ (Zwischenruf des Abg. Dr. Grünewald.) – Wahrheiten sind daher immer, meine Damen und Herren, zu hinterfragen.

Wenn auf der Homepage steht, dass sich der Übergang von der Volksschule in die Sekundarstufe 1 in Österreich gesellschaftlich und pädagogisch als falsch erwiesen hat, dann kann das nur die Gewissheit einiger Gesamtschulbefürworter und nicht die Wahrheit sein. (Beifall des Abg. Prinz.)

Wenn in der vom Kollegen Graf angesprochenen Broschüre blendende Formulie­run­gen stehen, wie zum Beispiel, niemand wird unterfordert, niemand wird überfordert, dann ist das die Darstellung einer perfekten Illusion. (Zwischenruf des Abg. Faul.)

Seit jeher ist die Schule ein Ort des Wissens, aber auch ein Ort der Erprobung dieses Wissens für den gesunden Wettbewerb in Gesellschaft und Wirtschaft. Und wer die Augen davor verschließt und sich mit unerreichbaren Idealen beschäftigt, hat mit Sicher­heit die Rechnung ohne diese Realität gemacht.

Meine Damen und Herren! Diese Debatte beinhaltet die Verpflichtung, mit dem Begriff „Bildung“ zukunftsweisend und verantwortungsvoll umzugehen. Bildung lässt sich nicht an Studien wie Pisa messen, sondern immer nur am wirtschaftlichen und sozialen


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Erfolg einer demokratischen Gesellschaft, und deswegen können wir stolz auf Öster­reich sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesem Gesetz schaffen wir die Basis für einen hoffentlich fairen Vergleich, der letztendlich durch die wahren Experten gestützt wird: die Schüler, die Lehrer und die Eltern. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich stelle fest, dass der Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen ordnungsgemäß einge­bracht wurde und mit in Verhandlung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Zwerschitz, Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finan­zierung der Modellversuche zur Neuen Mittelschule; eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 22, Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungs­vorla­ge (307 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (381 d.B.)

Die Modellversuche zur Neuen Mittelschule sollen nicht nur den Zeitpunkt der Bildungslaufbahnentscheidung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, sondern auch die Qualität dieser Entscheidung verbessern. Dazu bedarf es der Individualisie­rung des Unterrichts und der Förderung in Kleingruppen sowie eines entsprechenden Angebots an Zusatzangeboten zur Begabungsförderung. All dies ist ohne zusätzliche Mittel nicht zu leisten. Dennoch wird in der Regierungsvorlage festgehalten, dass es durch die Einführung der Modellversuche „unmittelbar keine finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt oder die Haushalte anderer Gebietskörperschaften“ kommt.

Das bereits seit vielen Jahren bestehende Modell des Schulverbundes in Graz ent­spricht am ehesten der Idee einer gemeinsamen Schule. In Graz kooperieren Haupt­schulen mit einer AHS-Unterstufe. Der LehrerInnenaustausch erfolgt wechselseitig, auf Leistungsgruppen wird verzichtet. Bislang standen laut dem Leiter der ExpertInnen­kommission Dr. Bernd Schilcher acht Wochenstunden pro Klasse zur Förderung und Individualisierung zur Verfügung. Diese Ressourcen waren wesentlich für den Erfolg des Schulverbunds.

Dr. Bernd Schilcher erklärt in seinen Vorträgen über die Arbeit der ExpertInnen­kommission, dass den im Schulversuch beteiligten Klassen ab dem nächstem Jahr insgesamt zwölf Wochenstunden pro Klasse für Fördermaßnahmen und Individualisie­rung zur Verfügung stehen werden. Eine solche – notwendige – Ausstattung der Schulen mit zusätzlichen Ressourcen kann nicht ohne Auswirkungen auf das Schul­budget bleiben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Unterrichtsausschuss wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert die am Schul­versuch „Neue Mittelschule“ beteiligten Klassen gemäß den Erklärungen des Leiters


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der ExpertInnenkommission Dr. Bernd Schilcher mit ausreichenden zusätzlichen Res­sourcen zur Individualisierung und Förderung auszustatten.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann zu Wort. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.54.16

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf ebenfalls gleich einen Entschließungsantrag der freiheit­lichen Nationalratsfraktion einbringen, der lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Kurzmann und weiterer Abgeordneter betreffend die echte Demokratisierung im Schulwesen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Alle Bestimmungen, die Willensbildung in Schulgremien durch Abstimmung vorsehen, sind dahingehend zu ergänzen, dass die Abstimmung grundsätzlich ausschließlich in geheimer Form bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abstimmungs­berech­tigen festzustellen ist. Über die Abstimmung ist ein Protokoll anzufertigen.

*****

Meine Damen und Herren, wir wollen damit sicherstellen, dass niemand zwangs­beglückt wird. Es ist allerdings, wie ich zugebe, ein sehr theoretischer Versuch, weil wir ja nicht an Wunder glauben, und es wäre das erste Mal, dass die Regierungsparteien einem intelligenten Antrag der Opposition zustimmen.

Mein Kollege Martin Graf hat es schon vorweggenommen: Wir Freiheitlichen lehnen die Neue Mittelschule ab. Sie ist aus unserer Sicht ein erster Schritt in Richtung Gesamtschule der 10- bis 14-Jährigen, und sie würde, würde sie eingeführt, die Nivel­lierung der vergangenen Bildungsreformen fortsetzen. Das wollen wir nicht.

Die vorgestaffelten Schulversuche, die uns als Erfolgsmodell häufig angepriesen werden, sind in Wirklichkeit kein Argument, weil sie unter optimalen Bedingungen stattgefunden haben, die es ja dann im Regelschulwesen in dieser Form, nämlich mit der geforderten Kostenneutralität, nicht mehr geben wird.

Man darf, meine Damen und Herren, auch nicht übersehen, dass nicht nur die Pisa-besten, sondern auch die Pisa-schlechtesten Länder ein Gesamtschulsystem einge­führt haben.

Das, was wir aus Finnland, das immer wieder als Modell hervorgehoben wird, aber durchaus übernehmen sollten, ist zum einen eine positive Einstellung der finnischen Gesellschaft zur Bildung insgesamt, ist auch die sorgfältige Auswahl der Lehrkräfte nach ihrer Eignung und nach ihren Fähigkeiten. In Finnland wird beispielsweise nur jeder sechste Lehramtskandidat dann auch Lehrer. Vielleicht kann uns die Frau Bun­desminister sagen, wie in Österreich das Verhältnis ist. Und zum anderen zeichnet das finnische Schulsystem auch eine erstklassige Lehrerfortbildung aus.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 287

Wir Freiheitlichen glauben, dass das Gesamtschulsystem, aber auch die Neue Mittel­schule das absolut falsche Signal im Bildungssystem sind, und wir können deshalb dieser Form nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

21.57

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Kurzmann eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Kurzmann und weiterer Abgeordneter betreffend die echte Demokratisierung im Schulwesen; eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 22 in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007

Der Nationalrat wolle beschließen:

Alle Bestimmungen, die Willensbildung in Schulgremien durch Abstimmung vorsehen, sind dahingehend zu ergänzen, dass die Abstimmung grundsätzlich ausschließlich in geheimer Form bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abstimmungs­berech­tigen festzustellen ist. Über die Abstimmung ist ein Protokoll anzufertigen.

Begründung

Nur durch die Anwesenheit der Hälfte der von geplanten Änderungen betroffenen Lehrer, Erziehungsberechtigten und Schüler bei Abstimmungen ist einerseits die demo­kratische Legitimierung und andererseits der Wille der Mehrheit der Berechtigten gegeben. Die geheime Abstimmung soll eine unbeeinflusste Stimmabgabe sicher­stellen. Erfahrungen der Vergangenheit mit offenen Abstimmungen haben gerade im Bereich der Schulgremien gezeigt, dass hier der Manipulation und Beeinflussung der Abstimmenden breiter Raum gegeben ist.

Die Antragsteller wollen sicherstellen, dass für wichtige und die Zukunft der jeweiligen Schule und der dort betreuten Kinder für alle Betroffenen eine von äußeren Einflüssen weitgehend unbelastete Stimmabgabe möglich ist.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer zu Wort. Eine Minute gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.57.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Ich darf zum Abschluss noch einmal die Modellversuche ganz kurz zusammenfassen.

Ich glaube, wir konnten vor allem einiges abwehren: Die Abschaffung der Haupt­schulen und Gymnasien war durchaus geplant, die Abschaffung von Noten und Zeug­nissen und auch die Abschaffung der Demokratie in der Schule.

Das heißt, wir von der ÖVP waren erfolgreich in der Beibehaltung der Differenzierung (Beifall bei der ÖVP), der Leistungsbeurteilung und der Schulpartnerschaft; davon sind wir nicht abgerückt. (Abg. Parnigoni: Dass Sie darauf noch stolz sind!) Und die Pisa-Studie hat auch gezeigt, dass wir recht haben, denn es gibt keinen positiven Effekt bei


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 288

den Gesamtschulen. (Abg. Parnigoni: Wie Sie auf das stolz sein können! Das ist ja schlimm!)

Und nur deshalb, weil wir vor allem in Großstädten die Probleme haben, brauchen wir keine schulische Zwangsjacke für alle Schüler nach dem Motto: Hauptsache, es sind alle gleich!, sondern wir brauchen eine gezielte Förderung der schlechten Schüler, vor allem der Migrantenkinder, oder zum Beispiel auch eine sprachliche Frühförderung. Das sind die Ziele, das sind die Wege für die ÖVP. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rada zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


21.58.44

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Ich darf bei den Ausführungen des Kollegen Graf beginnen: So wie er Schule schildert und Eltern mitbestimmen müssen, so wie er das dargestellt hat, wundert es mich nicht, dass von 24 nur 8 Eltern gekommen sind. Aber das nur so am Rande. Und das ist mit ein Problem für die neue Schulform, wo über Drittelmehrheiten abgestimmt werden soll.

Es war nie die Absicht der SPÖ, es war nie die Absicht der Bundesministerin, irgend­welche demokratischen Entscheidungen vorwegzunehmen, abzuschaffen. Jede Selek­tion soll sein, aber wie diese Selektion jetzt kommen soll, das ist ein wirkliches Prob­lem.

Ich möchte Pisa heute nicht noch einmal strapazieren – ob gemeinsame Schule, ob ganztägige Schulform, eines ist klar und deutlich: Wir brauchen eine bessere Pädagogik, und die bessere Pädagogik – das ist auch klar und deutlich – kann man verwirklichen in der gemeinsamen Schule, in einer ganztägigen Schulform. So wie sie derzeit geprägt wird, ist sie keine gemeinsame Schule, sondern eine selektionierte Schule, und wir werden uns nicht zu wundern brauchen, wenn die Ergebnisse so ausschauen, wie sie ausschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 381 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Brosz, Kolle­gin­nen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag beziehungs­weise dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzent­wurfes und anschließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Ge­setz­entwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Ich komme zunächst zur getrennten Abstimmung über Ziffer 2 des Gesetzestextes in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Die Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betref­fend Ziffer 3 § 7a Absatz 2 eingebracht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 289

Jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich für diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Brosz, Kolleginnen und Kolle­gen aussprechen, ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Ich komme sogleich zur getrennten Abstimmung über Ziffer 3 § 7a Absatz 2 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich bitte bei Zustim­mung um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Schließlich komme ich zur getrennten Abstimmung über Ziffer 3 § 7a Absätze 3 und 6 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiezu seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kompetenz und Qualität der Lehrer.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung der Modellversuche zur Neuen Mittelschule.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die echte Demokratisierung im Schulwesen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

22.03.4223. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (281 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (382 d.B.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 290

24. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 464/A der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schul­unterrichtsgesetz – SchUG) geändert wird (383 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (282 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (384 d.B.)

26. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 165/A(E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vereinheitlichung der schul­autonomen Tage (385 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 23 bis 26 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mandak. Gewünschte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.04.49

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Als ich diesen Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage betreffend das Schul­unterrichtsgesetz gesehen habe, habe ich gedacht: typisch Freiheitliche. Ich lese Ihnen vor, was da steht:

„Die Erziehungsberechtigten haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder zum Zeit­punkt der Schülereinschreibung die Unterrichtssprache im Sinne des Abs. 1 lit. b soweit beherrschen, dass sie dem Unterricht zu folgen vermögen.“

Das ist der gesamte Antrag – nicht mehr und nicht weniger. Ein Kollege von der frei­heitlichen Fraktion hat dann gesagt – so in diesem Sinne –: schon wieder eine For­derung des Ausländer-Volksbegehrens umgesetzt. (Abg. Dr. Graf: Nein, das hat er nicht gesagt!) Genau, nämlich des „Österreich zuerst!“-Volksbegehrens. – Danke für die Berichtigung. Es bleibt gleich; beides war gleich grauslich, und auf keines von beiden können Sie stolz sein. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Mich hat es dann wirklich „hergebeutelt“, als ich erkannt habe, dass das ein Antrag der SPÖ ist. Das muss ich Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, tatsächlich sagen. (Abg. Mag. Donnerbauer: Wir sind nicht dabei?)

Wenn dann Kollege Mayer im Zuge seiner Argumentation im Ausschuss meint, das sei ja nur eine Schlagzeile, eigentlich sei das ganz anders gemeint, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, dass dieser Satz, den ich hier gelesen habe, das Einzige ist, das Sie hier und heute fixieren, festschreiben und als Gesetz definieren. (Abg. Dr. Jarolim: Er wird das erklären!) – Er wird es erklären. Diesen Satz braucht man nicht zu erklären, Herr Kollege Jarolim, der steht für sich. (Abg. Mayerhofer: Passt ja eh!) Sie schieben die Verantwortung dafür, dass die Kinder bei Schuleintritt Deutsch können, einzig und allein den Eltern zu.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 291

Im Ausschuss ist ganz klar geworden, dass massive Kritik an den Ländern da ist, weil es nicht möglich ist, dass alle Kinder den Kindergarten besuchen können, weil die Rahmenbedingungen dafür im Kindergarten derzeit nicht gegeben sind. Aufgrund der Gruppengrößen ist es den KindergärtnerInnen von der Menge her einfach nicht möglich, den Kindern Deutsch beizubringen. Sie haben alle Hände voll damit zu tun, mit den „kleinen Hasen“ den Alltag zu gestalten. Der Kindergarten ist ja auch Bildungs­einrichtung, wie wir alle immer wieder betonen, aber was sollen die Kindergärtnerinnen und Kindergärtner denn nicht noch alles nebenbei machen? Die Voraussetzungen dafür sind derzeit absolut nicht gegeben.

Ich möchte wissen, was Sie mit einem Kind tun, das erst nach seinem Schuleintritt nach Österreich kommt, das während der Schulzeit kommt, das in die zweite Klasse kommt und dessen Eltern nicht oder nicht gut Deutsch können. Was tun Sie mit diesen Kindern? Was wird dann passieren? (Abg. Scheibner: In einen Intensivkurs!) – Herr Kollege Scheibner, es gibt kaum Angebote für Deutsch-Kurse für Kinder. Wer wird diese Deutsch-Kurse bezahlen, frage ich Sie? (Abg. Dr. Brinek: In Schweden heißt das „Vorbereitungsschule“!) So, wie das jetzt definiert ist, haben die Eltern dafür die Verantwortung. Da wird es dann heißen: Der Förderunterricht ist Ihre Verantwortung. Zahlen, damit Ihr Kind überhaupt den Förderunterricht besuchen kann!

Der vorliegende Antrag zur Gesetzesänderung hat eine Mussbestimmung, nämlich dass die Eltern dafür Sorge zu tragen haben, dass die Kinder Deutsch können, und sieben Absichtserklärungen – die stehen dann in der Begründung –, nämlich: Der Bund kann und wird und soll die Rahmenbedingungen dafür schaffen, die dann in Zusammenarbeit mit den Ländern einmal in einer Artikel-15a-Vereinbarung fest­ge­schrieben werden.

Wir alle hier herinnen wissen, was eine Artikel-15a-Vereinbarung bedeutet, noch dazu, wo es um wesentliche Finanzmittel geht, wenn man die Forderungen der Begründung ernst nimmt. Ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis Sie diese Artikel-15a-Vereinbarung auf dem Tisch liegen haben. Wenn alle Forderungen erfüllt und die Voraussetzungen gegeben sind, dann können wir gerne darüber sprechen, wie weit auch die Verantwortung bei den Eltern liegt. Dann ja, aber nicht nur. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.09.48

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um drei Materien.

Zum einen geht es um die neuerliche Festlegung der Terminisierung für die Nach­prüfungen auf Montag und Dienstag der ersten Schulwoche, weil man mit der Rege­lung der letzten Jahre nicht nur gute Erfahrungen gemacht hat.

Zweitens geht es um die Neuregelung der schulautonomen Tage, weil es da immer wieder Probleme bei Familien mit mehreren Kindern, die in unterschiedlichen Schulen waren, gegeben hat. Es werden jetzt zwei der fünf schulautonomen Tage zentral im Bun­desland festgelegt, und die restlichen drei Tage können weiterhin von jeder Schule individuell festgelegt werden.

Zum zentralen Punkt dieser Materie, zu dem von Frau Kollegin Mandak ange­sproche­nen Einstieg in die vorschulische Bildung, der wir ja immer wieder große Bedeutung beimessen – jedenfalls Teile von uns –, wenn es darum geht, Konsequenzen aus der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 292

PISA-Studie, aus Studien über die Leseförderung zu ziehen: Wir sehen, dass die vor­schulische Förderung für die Kinder besonders positive Auswirkungen hat. Wir sehen den heutigen Schritt als Einstieg über die Sprachförderung. Die Sprachförderung ist sehr wichtig, Sprache ist der Schlüssel zur Kultur.

Jene Passage, Sabine, die du so besonders hervorgehoben hast, hast du, denke ich, schon sehr polemisch kritisiert. Man kann sie fürs Erste so lesen, wie du das dar­gestellt hast, aber im Wesentlichen ist sie ein Hebel, um eben diesen ersten Schritt zu einer verpflichtenden Vorschulförderung auch zu verankern. Es ist nicht so, wie du das dargestellt hast, dass dem nichts gegenübersteht. Dem steht zum Beispiel gegenüber, dass die Mittel für die Sprachförderung deutlich aufgestockt werden. Den bisher kargen 500 000 € für die Sprachförderung werden jetzt 5 Millionen € gegenüberstehen.

Das Angebot wird ausgebaut, und ab dem kommenden Schuljahr werden ent­sprechende Angebote auch dieser Verpflichtung gegenüberstehen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Neugebauer.)

22.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann ist der Nächste. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Hat das eine Bedeutung, dass die Kollegin Brinek zu diesem Tagesordnungspunkt nicht spricht? – Abg. Scheibner: Das müsst ja ihr wissen in der Koalition!)

 


22.12.29

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf das Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird. Die Novelle regelt die Wiederholungs­prüfungen, sie regelt auch die schulautonomen Tage. – Wir Freiheitlichen werden dem zustimmen, ich möchte allerdings schon anmerken, es gibt da ein Sprichwort: Die Berge kreißten und ein Mäuslein ward geboren! – denn für diese Änderungen braucht man keine Zweidrittelmehrheit.

Wir unterstützen auch ausdrücklich den Abänderungsantrag, der bereits erwähnt wor­den ist, der von den Regierungsparteien eingebracht worden ist und auch schon im Unterrichtsausschuss für Diskussionen gesorgt hat. Dieser Abänderungsantrag legt fest – und das ist vernünftig –, dass die Erziehungsberechtigten dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre Kinder zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung die Unterrichts­sprache so weit beherrschen, dass sie dem Unterricht zu folgen vermögen.

Meine Damen und Herren, es wird doch niemand bestreiten, dass das eine logische und vernünftige Forderung ist. Dass die Parteien ÖVP und SPÖ da auch lernfähig sind, ist erfreulich, denn natürlich haben wir das schon vor über einem Jahrzehnt in dem bereits angesprochenen Volksbegehren „Österreich zuerst!“ gefordert.

Dass jemand, der eine Schule besucht und am Regelunterricht teilnehmen will, auch die jeweilige Landessprache beherrscht, das ist deshalb selbstverständlich für uns, weil auch Österreicher, die auswandern, zum Beispiel in die USA oder nach Argentinien, schauen müssen, dass sie dort nicht nur einen Job bekommen, sondern dass ihre schulpflichtigen Kinder auch sofort die fremde Sprache lernen.

Dass die Eltern in die Pflicht genommen werden, das halten wir für völlig in Ordnung. Nehmen Sie einmal Abschied von der Illusion, dass der Staat sich um alles kümmern kann! Natürlich ist die Bildung auch Aufgabe der Eltern.

Dass fremdsprachige Schüler so rasch wie möglich Deutsch lernen müssen ist aus unserer Sicht eine unverzichtbare Voraussetzung für eine echte Integration. Sie müs­sen so rasch wie möglich Deutsch lernen, damit auch der Lernfortschritt für die österreichischen Kinder – und das sage ich mit aller Deutlichkeit – nicht gefährdet wird.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 293

Wir haben in Graz bereits Schulen, wo sich die Eltern bei uns beschweren, dass die Kinder dort nichts mehr lernen, weil der Anteil der Nicht-Deutschsprachigen zu groß ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wer die Bildung von sogenannten Parallelgesellschaften befür­wortet, der wird aus ideologischen Gründen natürlich gegen einen solchen Antrag sein und der nimmt dann aber auch ganz bewusst in Kauf, dass wir über kurz oder lang ähnliche Verhältnisse vorfinden wie in den Vorstädten von Paris. Und genau das ist es, was wir Freiheitliche, aber zum Glück auch die große Koalition nicht wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

22.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Eisenschenk ist der Nächste. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.15.47

Abgeordneter Mag. Peter Eisenschenk (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die derzeitige Regelung, dass in den BMS keine Schul­nachrichten ausgestellt werden, wurde mit der guten Absicht beschlossen, die Schülerinnen und Schüler zu entlasten. Die Erfahrung aus der Unterrichtspraxis hat jetzt gezeigt, dass eine Korrektur dieser Regelung notwendig ist. Erfolgreiche Schüler haben verlangt, dass sie auch einen entsprechenden Nachweis ausgestellt bekommen, damit sie diesen ihren persönlichen Bewerbungsunterlagen beifügen können. Auch die Wirtschaft hat immer wieder den Wunsch artikuliert, dass Zeugnisse ausgestellt werden. Die Schulen haben sich mit einer inoffiziellen Lösung beholfen und sozusagen inoffizielle Notenbestätigungen ausgestellt. Daher ist diese Korrektur, die heute hier zur Beschlussfassung vorliegt, sinnvoll.

Ich möchte aber vorschlagen, dass wir auch über die BHS nachdenken. Auch bei den BHS gilt sinngemäß dasselbe wie bei den BMS. Es ist allerdings das zweite Semester kürzer als bei den BMS, aufgrund der Osterferien entsteht ein noch viel größerer Druck im Zusammenhang mit Schularbeiten, Tests und so weiter. Daher schlage ich vor, darüber nachzudenken, ob man die Semesterregelung überhaupt auflöst. Es ist in meinen Augen pädagogisch durchaus sinnvoll, wenn man das in Einklang bringt mit der Leistungsbeurteilungsverordnung, damit die Schüler nicht nur eine Möglichkeit haben, Prüfungen oder Schularbeiten zu wiederholen. Ich halte es aus pädagogischen Gründen für absolut wert, das zu überprüfen.

Soweit ich weiß, wird der nun vorliegende Gesetzentwurf von allen Fraktionen mitge­tragen. Ich lade Sie ein, ebenso weiterführend über die BHS nachzudenken. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Frau Abgeordnete Haubner zu Wort gemeldet. 3 Minuten gewünschte Redezeit; Restredezeit des BZÖ: 8 Minuten. – Bitte.

 


22.17.59

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Die nunmehrigen Verhandlungsgegenstände beinhalten Vorlagen bezüglich Schulnachrich­ten für BMS. – Das finde ich sinnvoll.

Die Wiederholungsprüfungen können wieder etwas flexibler und situationsbezogener gestaltet werden. – Ebenfalls positiv.

Die autonome Festlegung von zumindest zwei von fünf schulfreien Tagen ist zwar ein Kompromiss, wir können dem aber trotzdem zustimmen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 294

Wichtig ist auch der Abänderungsantrag, der hier behandelt wird, den wir als inhaltlich sehr wichtigen und richtigen Antrag sehen. Nur wie dieser Abänderungsantrag gestal­tet ist, ist für mich ein nicht sehr positives Signal, denn Signale gesetzlich fest­zuschreiben, ohne gleichzeitig die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Eltern diese Verpflichtungen, die sie in Zukunft haben werden, auch umsetzen können, ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg.

Es befremdet mich auch ein bisschen, dass in der Begründung von einer Artikel-15a-Vereinbarung die Rede ist. Auf meine Feststellung im Ausschuss: die gibt es schon, habe ich erfahren, dass es diese Artikel-15a-Vereinbarung noch nicht gibt. Es erweckt aber den Eindruck, als ob mit den Ländern schon alles abgesprochen worden wäre. – Das ist auch nicht der Fall.

Wir werden daher zwar zustimmen, aber doch noch entsprechende Anträge zu diesem Punkt einbringen, und zwar:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen betreffend verpflichtendes, kostenloses Kindergartenjahr vor dem Schuleintritt

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, so rasch wie möglich alle erforderlichen Maßnahmen zu set­zen, um sicherzustellen, dass allen Kindern in Österreich der kostenlose Besuch des letzten Kindergartenjahres, das dann verpflichtend sein soll, ermöglicht wird, wobei die Kosten dafür vom Bund zu tragen sind.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen betreffend die Begrenzung des Anteils von Schülerinnen und Schülern, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, mit maximal 30 Prozent pro Klasse


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 295

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, alle Möglichkeiten zu prüfen, damit durch legistische Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, nicht höher als 30 Prozent pro Klasse ist.“

*****

Es folgt ein dritter Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen betreffend Umsetzung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sowie Schaffung eines nationalen Bildungsplanes für den Kindergar­ten mit Schwerpunkt auf Sprachförderung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass die zukünftigen Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen eine qualita­tiv hochwertige Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen erhalten, dass genü­gend Pädagoginnen und Pädagogen ausgebildet und den Kindergärten zu Verfügung gestellt werden und dass die Erstellung eines nationalen Bildungsplanes für den Kindergarten mit Schwerpunkt auf Sprachförderung umgesetzt wird. Entsprechen­de Gesetzesentwürfe sind zu erstellen und so rasch wie möglich dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****

Wir sagen ja dazu, dass Kinder, bevor sie in die Schule kommen, die deutsche Sprache können müssen. Wir sagen ja zur Verantwortung der Eltern, aber mit den besten Rahmenbedingungen und Voraussetzungen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

22.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete, Sie haben alle drei Ent­schließungsanträge ordnungsgemäß eingebracht; sie sind auch ausreichend unter­stützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen betreffend verpflichtendes, kostenloses Kindergartenjahr vor dem Schuleintritt, eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungs­vorlage (281 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (382 d.B.)

Bildung muss bereits im Kindergarten beginnen!

Hier soll der Grundstein für einen lebenslangen Lernprozess gelegt werden. Dabei muss der Schwerpunkt auf kindergerechte Vermittlung von Inhalten  und Bildung gelegt werden, wobei die Sprachvermittlung und die Sprachförderung bei allen Kindern im Fordergrund stehen muss.

Ebenfalls sollen die Kinder auf den Schuleintritt bestmöglich vorbereitet werden, sodass der Übergang vom Kindergarten in die Schule, der ein bedeutungsvoller Ein­schnitt im Leben eines Kindes mit vielen neuen sozialen und strukturellen Anfor­derungen darstellt, sich so leicht und einfach wie möglich für die Kinder gestaltet.

Damit alle Kinder, unabhängig vom finanziellen Hintergrund der Eltern, in den Genuss dieser Leistungen kommen können und dadurch auch gleiche Chance bei Schul­beginn, auch was die sprachliche Kompetenz betrifft, erhalten soll das letzte  Kinder­gartenjahr verpflichtend besucht werden, wobei die Kosten dafür vom Bund getragen werden müssen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 296

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, so rasch wie möglich alle erforderlichen Maßnahmen zu set­zen, um sicherzustellen, dass allen Kindern in Österreich der kostenlose Besuch des letzten Kindergartenjahres, das dann verpflichtend sein soll, ermöglicht wird, wobei die Kosten dafür vom Bund zu tragen sind.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen betreffend die Begrenzung des Anteils von Schülerinnen und Schülern, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, mit maximal 30 Prozent pro Klasse, eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungs­vorlage (281 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (382 d.B.)

Der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die die Unterrichtssprache nicht aus­reichend beherrschen, liegt in österreichischen Pflichtschulklassen manchmal über 30 Prozent. Insbesondere in Ballungszentren kann es vorkommen, dass Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern mit einem Anteil von bis zu 80 % konfrontiert sind.

Darunter leidet zum einen die Unterrichtsqualität und damit die Erreichung des Lehr- oder Klassenziels der jeweiligen Schulstufe, das soziale Miteinander und wird zum anderen die notwendige Integration der Schülerinnen und Schüler, die die Unter­richtssprache nicht ausreichend beherrschen, erschwert.

Im Sinne der Verbesserung der Unterrichtsqualität, die geeignet ist, das Erreichen des Lehr- und Klassenziels zu gewährleisten sowie im Interesse einer effizienten Inte­gration der Kinder mit nicht ausreichenden Sprachkenntnissen und somit nicht zuletzt zum Wohle der Schüler, Lehrer und Eltern sind daher entsprechende legistische Maßnahmen erforderlich, die unter anderem eine Begrenzung des Anteils der Kinder, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, mit maximal 30 % sicher­stellen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, alle Möglichkeiten zu prüfen, damit durch legistische Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, nicht höher als 30 Prozent pro Klasse ist.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen betreffend Umsetzung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sowie Schaffung eines nationalen Bildungsplanes für den Kinder-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 297

garten mit Schwerpunkt auf Sprachförderung, eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (281 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (382 d.B.)

Kinder brauchen die beste Betreuung, Förderung und Bildung, wobei diese bereits im Kindergarten beginnen muss. Dazu ist es einerseits notwendig die Betreuungsqualität in diesen Einrichtungen ständig zu steigern und andererseits die zukünftigen Kinder­gartenpädagoginnen und -pädagogen bestmöglich auszubilden, sodass sie sich den neuen Herausforderungen und Aufgaben stellen können.

Nach der Familie sollten Kindergärten die erste Bildungsinstanz sein, wo unsere Kinder auf die Welt von morgen vorbereitet werden. Aus diesem Grund sollte ein nationaler Bildungsplan für den Kindergarten erstellt werden, der besonders die Vorbereitung auf das erste Schuljahr berücksichtigt, wobei der Schwerpunkt auf die Sprachförderung gelegt werden muss, um eine Chancengleichheit für alle Kinder gewährleisten zu können.

Die zukünftigen Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen müssen dafür die best­mögliche Ausbildung bekommen, wobei diese an den neu eingerichteten Pädago­gischen Hochschulen stattfinden sollte. Dafür ist eine Neugestaltung des Lehrplanes im Hinblick auf den neuen Schwerpunkt „Sprachförderung“ vorzusehen.

Darüber hinaus hat der Bund dafür Sorge zu tragen, dass genügend Pädagoginnen und Pädagogen zur Verfügung gestellt werden, sodass die „Bildungseinrichtung Kin­dergarten“ geschaffen werden kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, dass die zukünftigen Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen eine quali­tativ hochwertige Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen erhalten, dass genügend Pädagoginnen und Pädagogen ausgebildet und den Kindergärten zur Verfügung gestellt werden und dass die Erstellung eines nationalen Bildungsplanes für den Kindergarten mit Schwerpunkt auf Sprachförderung umgesetzt wird. Ent­sprechen­de Gesetzesentwürfe sind zu erstellen und so rasch wie möglich dem Nationalrat zuzuleiten.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Riepl. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


22.21.28

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Frau Präsidentin! Wir ändern heute das Schul­unter­richtsgesetz, es ist schon darauf hingewiesen worden. Ein neuer Absatz soll lauten:

„Die Erziehungsberechtigten haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung die Unterrichtssprache ... soweit beherrschen, dass sie dem Unterricht zu folgen vermögen.“

Ich denke, das ist eine Selbstverständlichkeit. Leider ist es aber doch keine Selbst­verständlichkeit, daher dieses Signal an die Eltern.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 298

Wie schaut der Schulalltag in einer Ottakringer Volksschule beispielsweise aus? – Die Lehrerin sagt zu ihren Schülern in der ersten Klasse: Bitte, steht alle auf! 20 Kinder bleiben sitzen, weil sie es nicht verstehen – nicht, weil sie protestieren. Das ist das Problem. Daher ist es, glaube ich, gerechtfertigt, mit dieser Gesetzesbestimmung entsprechend zu reagieren. Die Lehrerin ist nicht demotiviert, sondern eher motiviert und bemüht sich natürlich umso mehr, diese Defizite auszugleichen.

Fördermaßnahmen – das ist schon gesagt worden – sind vorgesehen. Die Botschaft heute lautet schlicht und einfach: Eltern, wenn ihr das Beste für euer Kind wollt, dann muss es so weit Deutsch reden und verstehen können, wie es für den Unterricht in der Schule notwendig ist, denn die Verantwortung kann nicht nur bei der Lehrerin, bei der Schule liegen. Auch das wird mit dem heutigen Beschluss, glaube ich, zu Recht ausgedrückt. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dr. Graf.)

22.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


22.23.00

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Wir werden der Neuregelung der schulautonomen Tage in der Form, wie es vorgeschlagen ist, deshalb nicht zustimmen, weil wir glauben, dass eine Vereinheitlichung die einzige Form ist, damit Eltern die Chance haben, Betreuungspflichten für mehrere Kinder, die an verschiedenen Schulen sind und – was in Zukunft auch möglich sein wird – ver­schiedene Ferientage haben, wahrzunehmen. Es ist wichtig, dass das einfach verein­heitlicht und zusammengeführt wird.

Es ist halb so schlecht wie vorher, wenn man so will. Die Hälfte der Tage wird ver­einheitlicht, die andere Hälfte bleibt so, wie es ist. Es kann noch immer sein, dass die eine Schule die schulautonomen Tage an den Fenstertagen im Herbst nutzt und die andere Schule die Fenstertage im Mai und im Juni nutzt. Für die Eltern ist das „wunderbar“. Nicht nur, dass sie nicht wegfahren können, wenn ein Kind in der Schule ist, sondern sie müssen auch noch dafür Sorgen, dass sie an den anderen Tagen ebenfalls die Betreuung haben, weil die Kinder so wunderbar aufgeteilt sind. Was das bringen soll, ist mir nicht klar! Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, es generell zu vereinheitlichen.

Noch einmal zurück zu der Frage der Verantwortung der Eltern: Der Kollege Riepl geht ans Rednerpult und sagt, es ist ohnehin klar, dass das eine Selbstverständlichkeit ist. – Ich habe immer gedacht, jahrelang haben wir über die Formulierungen des Anti-Ausländer-Volksbegehrens eine relativ ähnliche Meinung gehabt. Das steht ja dort wörtlich drinnen. Selbstverständlich ist offenbar mittlerweile, dass die Forderungen von der SPÖ übernommen werden.

Das finde ich bemerkenswert, weil das auch genau der Punkt ist: Wenn man will, dass Sprachförderung funktioniert, dann muss man bei jenen, wo zum Teil möglicherweise die sprachlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, andere Alternativen anbieten. Ich meine, wir kennen die Sprachwissenschaft. Erstens geht es darum, dass das Kind seine Muttersprache beherrscht, um andere Sprachen zu lernen. Aber das andere ist – und das wissen wir seit Jahren, wenn Sie etwa Ottakring erwähnen –: Zum Teil können die Eltern selbst nicht ausreichend Deutsch, um ihren Kindern die Sprache bei­zubringen. Das ist der Kern der Problematik. Jetzt zu sagen, die Eltern sind dafür verantwortlich, löst das Problem doch nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Die Notwendigkeit wäre, sicherzustellen, dass die Kinder möglichst lange einen Kindergarten besuchen. Und da brauchen wir nicht vom letzten Kindergartenjahr zu


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reden. Jeder, der sich die PISA-Studie und die PIRLS-Studie ansieht, braucht nur die Seiten aufzuschlagen und festzustellen, dass ein langjähriger Kindergartenbesuch das Sprachniveau deutlich hebt. Allein diese Maßnahme! Deswegen gehört dieser Kinder­garten her, auch die Verpflichtung, jederzeit! Nur, die logische Folge ist – und da haben Sie sich ja schon das letzte Mal gewunden –, dass das ein Gratis-Kindergarten sein muss.

Wir können doch nicht ernsthaft die Schulgeldfreiheit in die Verfassung schreiben, und dann machen wir einen Kindergarten, wo man den Eltern, die es sich nicht leisten können, sagt: Wurscht, wo das Geld herkommt, ihr müsst es bezahlen! – Das „wunderbare“ Wien, das immer gelobt wird, hat eine Einkommensgrenze. Die heißt 1 018 € Haushaltseinkommen im Moment. Alles, was darüber ist, wird bezahlt, ab dann wird für den Kindergarten bezahlt. 1 018 € Haushaltseinkommen, inklusive Familien­beihilfe! Ich meine, rechnen Sie sich das einmal aus mit zwei Kindern! Das ist unter der Armutsgrenze. Dort setzt Wien den Hebel an, ab dem bezahlt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie einwenden: ab dann gestaffelt, dann kann man sich das ansehen, wie es gestaffelt ist. Ja, für jeden weiteren Euro, den die Familie verdient, gehen 50 Cent an den Kindergarten. So sieht die Staffelung aus. Das heißt, wenn dann die Mutter möglicherweise die Chance hat, arbeiten zu gehen, wird die Überlegung sein: Zahlt sich das überhaupt aus? – Das ist unseriös, das so zu machen. Daher unser Ent­schließungsantrag. Wir können über die Verpflichtung im Gesetz jederzeit reden, aber zuerst wollen wir den Gratis-Kindergarten haben.

Daher der Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis-Kinder­garten

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, so rasch wie möglich alle erforderlichen Maßnahmen zu setzen, um allen Drei- bis Sechsjährigen Kindern in Österreich an Anrecht auf den kostenlosen Besuch eines Kindergartens zu schaffen.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Bildungsplan für die Frühför­derung im Kindergarten auszuarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass Ausbildungs­angebote für Kindergartenpädagoginnen umgehend an den pädagogischen Hoch­schulen geschaffen werden.“

*****

Schaffen wir endlich die Voraussetzungen! (Beifall bei den Grünen.)

22.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 300

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Brosz, Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis-Kinder­garten, eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 23, Bericht des Unterrichts­ausschusses über die Regierungsvorlage (281 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schul­unterrichtsgesetz geändert wird (382 d.B.)

Mit einem Abänderungsantrag zum Schulunterrichtsgesetz wollen die Regierungs­parteien gesetzlich festschreiben, dass die Erziehungsberechtigten dafür verantwortlich sind, dass ihre Kinder bei der Schuleinschreibung ausreichend Deutsch können müs­sen, um dem Unterricht zu folgen. Abgesehen davon, dass diese Forderung bei Familien, die erst knapp vor der Schuleinschreibung nach Österreich gekommen sind, in den meisten Fällen nicht eingelöst werden kann, delegieren SPÖ und ÖVP die volle Verantwortung für die Frühförderung an die Erziehungsberechtigten. Auch durch die Anschubfinanzierung für zusätzliche Kindergartenplätze durch die geplante 15a Vereinbarung wird es zu keinem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 3. Lebensjahr kommen. Von einem Gratiskindergarten ist überhaupt nicht die Rede. ÖVP und SPÖ haben in der letzten Legislaturperiode die Schulgeldfreiheit in der Verfassung verankert. Jetzt kommt eine de facto Kindergartenpflicht, ohne auf die soziale Situation vieler Familien Rücksicht zu nehmen. Obwohl in den Kindergärten verstärkt Frühfördermaßnahmen gesetzt werden sollen und somit der Bildungsauftrag verstärkt wird, besteht in vielen Fällen eine Kostenpflicht. Das widerspricht der Idee einer Schulgeldfreiheit für den gesamten Schulbereich diametral.

Gratis Kindergartenbesuch für alle Kinder in Österreich: Diese Forderung erhob ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer im „Steiermark heute“-Sommergespräch. Die Finan­zierung müsste im Zuge des Finanzausgleichs gesichert werden. Diese Forderung wurde im Finanzausgleichsgesetz, das im Dezember 2007 beschlossen werden soll, nicht umgesetzt.

Hermann Schützenhöfer: „Wir sollten uns politisch im Bund wie im Land einig sein, da ist etwas zu tun, und ich fordere, dass Bund und Länder, die ja jetzt in den Finanzausgleichsverhandlungen sind, einen Schwerpunkt Kinder setzen, und dass sie sich darauf einigen, den Schwerpunkt so zu setzen, dass Kindergärten für alle Kinder im Lande in der Republik gratis sind“, so Schützenhöfer.

Bei der steirischen Volkspartei hat man sich auch um die Finanzierung Gedanken gemacht: „Wenn ich Ihnen sage, dass die Steiermark bisher im Jahr für die Kinder­gärten 64 Millionen Euro ausgibt, und wenn jetzt der Finanzausgleich verhandelt wird, dann ist die Frage insgesamt und insbesondere an den Bund zu richten“, sagt der steirische ÖVP-Chef.

Für Schützenhöfer sind die Länder und Gemeinden derzeit in der Frage der Kinder­gartenfinanzierung benachteiligt, das müsse im nächsten Finanzausgleich geregelt werden, „und wir werden selbstverständlich mit dem Finanzminister und mit dem Bun­deskanzler darüber verhandeln“, so der steirische ÖVP-Chef.

Auch die EU-Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten einen Ausbau und eine Verbes­serung des Angebots an Kindergärten um die Bildungschancen der Kinder zu optimieren. „Bei den Bemühungen muss es darum gehen, bereits bei sehr kleinen Kindern auf die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen abzustellen, beginnend mit Kindern in benachteiligten Gebieten, und Begleitmechanismen zu schaffen, die einen vorzeitigen Schulabbruch verhindern.“

Kindergärten sind in Österreich Länder- bzw. Gemeindeangelegenheiten, ent­sprechend unterschiedlich sind die Angebote, Öffnungszeiten und Preise. Es gibt weder einen einheitlichen Bildungsplan, noch Qualitätskriterien, verbindliche Mindest-


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standards oder gar ein Recht auf den Kindergartenbesuch. Vor allem im ländlichen Raum fehlt es an Kindergartenplätzen, weshalb viele Kinder erst mit 4 oder 5 Jahren den Kindergarten besuchen können. In Ballungsräumen gibt es zwar zahlreiche pri­vate, kirchliche und alternative Kinderbetreuungsangebote, doch sind diese häufig recht teuer. Kindergärten kosten in Österreich zwischen 30 und 450 Euro pro Monat, je nach Bundesland unterschiedlich. Es gibt zwar soziale Preisstaffelungen, aber diese kommen nur wenigen zu Gute. So liegt die Obergrenze für die Gebührenbefreiung z.B. in Wien bei 1.053 Euro Familieneinkommen einschließlich der Familienbeihilfe pro Monat.

Um den sozialen Ausgleich zu schaffen und auch jenen Kindern den Besuch eines Kindergartens zu ermöglichen, denen es bisher aus finanziellen Gründen oder mangels Angebot nicht möglich war, muss ein Recht auf Kindergartenbesuch geschaffen werden und gleichzeitig müssen die Elternbeiträge für den Kindergartenbesuch aller Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt hinkünftig aus Budgetmitteln bestritten werden.

Die Finanzierung der Kindergartenbeiträge aus dem Bundesbudget stellt die effektivste Form der Familienförderung dar. So werden punktgenau junge Familien mit kleinen Kindern finanziell entlastet. Jeder Euro, der vom Bund für die Kinderbetreuung über­nommen wird steht direkt diesen Familien zur Verfügung.

Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung, in dem sich Kinder sozial, motorisch und sprachlich optimal entwickeln, mögliche individuelle Schwächen können rechtzeitig erkannt und bis zum Schuleintritt ausgeglichen werden. Im Kindergarten geht es nicht um Leistungsstandards und die Erfüllung schulischer Erfordernisse, sondern um spielerisches Lernen, den sozialen Umgang mit Gleichaltrigen sowie Bewegung und Kreativität.

Johann Bacher vom Institut für Soziologie der Universität Linz hat anhand der Analyse der PISA-Daten die Bedeutung eines mehrjährigen Kindergartenbesuchs heraus­gear­beitet.

Dauer des Kindergartenbesuchs in Österreich:

 

länger als 1 Jahr

1 Jahr oder weniger

gar nicht

ohne Migrationshintergrund

83 %

14 %

3 %

mit Migrationshintergrund

60 %

27 %

13 %

83 % der Kinder ohne Migrationshintergrund besuchen in Österreich den Kindergarten länger als 1 Jahr, 14 % 1 Jahr oder weniger und 3 % gar nicht. Bei den Kindern mit Migrationshintergrund besuchen 60 % den Kindergarten länger als 1 Jahr, 27 % 1 Jahr oder weniger und 13 % gar nicht. 

„Vor allem ein mehrjähriger Kindergartenbesuch führt sowohl bei Kindern ohne als auch bei Kindern mit Immigrationshintergrund zu besseren Testleistungen im Lesen: Wird der Kindergarten 1 Jahr oder weniger lang besucht, ergibt sich nur eine geringe Verbesserung in den Testleistungen . Bei einem längeren Kindergartenbesuch beträgt


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die Zunahme über 30 Punkte (31 Punkte bei Kindern ohne Migrationshintergrund und 39 Punkte mit Migrationshintergrund). Der Leistungszuwachs entspricht in etwa jenem einer Schulstufe!

Die Tabelle zeigt zugleich, dass deutlich weniger Kinder mit Migrationshintergrund einen Kindergarten besuchen und die zeitliche Dauer des Kindergartens kürzer ist. Dies ist zum Großteil auf Zuwanderungen der Kinder im Kindergarten- oder Schulalter zurückzuführen. Aber auch in der Gruppe der in Österreich geborenen Kinder mit Migrationshintergrund (1. Generation) ergeben sich etwas geringere Kindergarten­besuchsquoten. So z.B. besuchen nur 75 % mehr als 1 Jahr den Kindergarten.

Zusammenfassend erscheinen zwei Punkte wichtig: Die Frage der Integration von Kindern mit Immigrationshintergrund sollte breiter diskutiert werden. Die Diskussion von Maßnahmen sollte nicht auf den Schulbereich begrenzt sein, da durch Maß­nahmen am Arbeitsmarkt und durch vorschulische Förderung Bildungsungleichheiten gezielt und wirkungsvoll abgebaut werden können. Dabei zeigt sich, dass die Forderung nach einem verpflichtenden Kindergartenjahr zu erweitern ist.“

Die Studie Bachers wird durch die neuesten Erkenntnisse der PIRLS-Studie voll­inhaltlich bestätigt. Kinder, die keine Kindergarten besucht haben, liegen bei der Lese­kompetenz am Ende der 4. Klasse Volksschule deutlich hinter jenen Kindern, die einen Kindergarten bis zu einem Jahr besucht haben. Der Abstand verdoppelt sich zu jenen Kindern, die den Kindergarten länger als ein Jahr besucht haben.

Um eine weitere Qualitätsverbesserung des pädagogischen Angebots an Kindergärten und eine Attraktivierung des Berufsbildes Kindergartenpädagogik zu erreichen bedarf es einer hochschulischen Aus- und Weiterbildung von KindergartenpädagogInnen. Ein entsprechendes Ausbildungsangebot an den neu geschaffenen Pädagogischen Hochschulen ist daher zu entwickeln.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, so rasch wie möglich alle erforderlichen Maßnahmen zu set­zen, um allen Drei- bis Sechsjährigen Kindern in Österreich ein Anrecht auf den kostenlosen Besuch eines Kindergartens zu schaffen.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Bildungsplan für die Frühför­derung im Kindergarten auszuarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass Ausbildungs­angebote für KindergartenpädagogInnen umgehend an den pädagogischen Hoch­schulen geschaffen werden.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Prinz zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


22.27.21

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube beziehungsweise hoffe, wir sind uns einig: Das Beherrschen der Unterrichtssprache Deutsch ist die Basis für echte Integration und für


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das Erlernen der Grundfertigkeiten, die in der Volksschule verlangt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Kinder sollen ab der ersten Volksschulklasse vor allem Schreiben, Lesen und Rechnen lernen. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen sie aber unsere Sprache beherrschen. (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Der bereits in der Ausschusssitzung disku­tierte Abänderungsantrag zum Schulunterrichtsgesetz sieht eine Verpflichtung der Erziehungsberechtigten vor, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder zum Zeitpunkt der Schuleinschreibung und des Schuleintritts die Unterrichtssprache beherrschen. Das ist richtig so, denn bei der sprachlichen Frühförderung der Kinder dürfen wir die Eltern nicht aus der Verantwortung entlassen.

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion, so wie in der Aus­schusssitzung angesprochen, die sprachliche Frühförderung im ländlichen Raum für illusorisch halten, dann darf ich Ihnen schon sagen: Ich lebe im sogenannten ländlichen Raum und in einer kleinen Gemeinde, und seit Jahren werden im Kinder­garten Asylantenkinder entsprechend betreut. (Zwischenruf der Abg. Mandak.) Dort lernen sie sozusagen in spielerischer Form unsere Sprache, um dann erfolgreich die Volksschule zu besuchen. (Zwischenruf der Abg. Sburny.)

Bei manchen Bedenken, die Sie äußern, frage ich mich wirklich, wo Sie eigentlich leben. Die Politik hat für Rahmenbedingungen zu sorgen, damit Kinder so früh wie möglich unsere Sprache gut erlernen können. Aber es sind die Eltern, die diese Mög­lichkeiten auch nutzen müssen. Diese parlamentarische Initiative des heutigen Tages ist ein wichtiger und richtiger Schritt in die richtige Richtung. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

22.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Elmar Mayer zu Wort. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


22.29.17

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin, ich muss einmal mehr meinen Hut vor Ihnen ziehen. Wenn ich denke, was Sie für ein Gegenüber haben, dann wundert mich, was Sie geschafft haben im Bereich der Schule. Das muss ich sagen. Es wundert mich, dass das noch möglich ist, dass wir heute diskutieren können – bei diesem Gegenüber. (Abg. Steibl: Aber da muss man auch die Frau ...!)

Ich denke da an die zehnfache Förderung in der Frühpädagogik, statt 500 000 € 5 Mil­lionen €, ich denke, dass sich sogar im Land Vorarlberg jetzt endlich etwas bewegt, ich denke aber auch daran, Herr Kollege Neugebauer – und das muss ich Ihnen sagen –, dass Sie sich in die Geiselhaft der AHS-Lehrer nehmen lassen (Abg. Neugebauer: Das ist doch ein aufgelegter Blödsinn, lieber Freund!), die gesagt haben: Wir haben bessere Schüler, wir haben den besseren Lohn – warum sollen wir überhaupt etwas ändern? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Keiner dieser AHS-Gewerkschafter – kein einziger! – hat das Kind in den Mittelpunkt gestellt, und auch Sie nicht. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie tun es heute hier in einer Sonntagsrede. Sie stellen scheinheilig das Kind in den Mittelpunkt und meinen das ganz genaue Gegenteil mit Ihrer Schulpolitik. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher fordere ich Sie auf: Tun Sie endlich etwas! Stellen Sie das Kind in die Mitte und fördern Sie das!

Nur drei Fragen an den Gewerkschaft Neugebauer, nur drei Fragen, drei kurze Fragen: Herr Neugebauer, warum wollen Sie, dass Kinder bereits mit neun Jahren aussortiert werden? Warum wollen Sie, dass Kinder in derselben Altersstufe von vollkommen


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unter­schiedlichen Lehrern beurteilt werden? Und warum wollen Sie, dass Eltern über Kinder anderer Eltern befinden können? Sagen Sie das! Wenn es Ihnen um das Kind geht, geben Sie auf diese Fragen eine Antwort und verstecken Sie sich nicht immer hinter AHS-Lehrergewerkschaftern. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

22.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mayer, für den Ausdruck „scheinheilig“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schittenhelm. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


22.31.31

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Zu meinem Vorredner: Für uns, für die Österreichische Volkspartei war und ist das Kind im Mittelpunkt. Deshalb sind wir auch für die Vielfalt, und deshalb sind wir auch dafür, die Guten zu fordern und die weniger Guten zu fördern. Das ist der Punkt. Jedes Kind ist anders. Jedes Kind hat andere Talente, und das ist es eigentlich, worum es geht. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Deshalb hat die ÖVP-Regierung den Förderunterricht gestrichen!)

Hohes Haus! Ich freue mich – es ist ein schöner Moment heute –, wenn ich das Kleinst­format von morgen aufschlage, wo „PISA-Test“ steht wie bei der „Millionen­show“. (Die Rednerin hält eine Zeitung in die Höhe.) Ich frage mich – da gibt es immer Gewinner –: Wer sind die Abcasher? Ich freue mich darüber, dass es hier eine 180-Grad-Wendung gibt, und da muss man dazu sagen ... (Abg. Parnigoni: Sieben Jahre haben Sie den Förderunterricht gestrichen!) – Ja, ja, ja.

Ich komme ganz kurz zum Schulzeitgesetz. Das Schulzeitgesetz ist ein wesentliches, weil es im Sinne der Familien, einer besseren Organisation eine Änderung herbeiführt. Ich freue mich darüber. Erstens haben wir dem Antrag der Schulpartner Rechnung getragen, zweitens für die Familien eine Verbesserung in organisatorischer Hinsicht geschaffen, vor allem für jene Familien, die Kinder an verschiedenen Schulen haben, und drittens bin ich auch überzeugt davon, dass es dem Wirtschaftsstandort Österreich gut tut, wenn hier zentral über das Bundesgebiet gesamt zwei Tage autonome Schul­ferien sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Und als Viertes noch: Kollege Schelling hat im Ausschuss angeregt, auf der Homepage des Bundesministeriums auch kundzutun, wann diese autonomen Schultage sind, damit die Eltern eine Erleichterung in der Planung haben.

Ich bedanke mich herzlich und freue mich über die Schlagzeile des Kleinstformats. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

22.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen zu Wort. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


22.33.26

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Frau Kollegin Schittenhelm, Sie wissen offensichtlich schon sehr früh, in welche Richtung Kinder gehen werden, also haben Sie anscheinend so etwas wie hell­seherische Fähigkeiten, wenn Sie sagen, mit acht Jahren wissen Sie bereits, welches Talent ein Kind hat.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 305

Ich möchte aber noch kurz zu der Frühförderung sprechen, in der es hauptsächlich um Sprachkompetenz geht. Konkret geht es darum, dass alle Verantwortlichen, auch die Eltern, dafür zu sorgen haben, dass die Kinder bei der Schuleinschreibung so weit Deutsch können, dass sie dem Unterricht folgen können. In erster Linie geht es darum, den Eltern die Bedeutung sprachlicher Kompetenz für ihre Kinder bewusst zu machen. Es soll ihnen weiters bewusst gemacht werden, dass ihre Kinder die Möglichkeit zur Förderung vorfinden, falls das notwendig ist. Denn wie Sie bereits gehört haben: Es stehen wesentlich mehr Mittel dafür zur Verfügung.

Diese Frühförderung ist ein weiterer wichtiger Schritt, das Ziel aber lautet: Der Kinder­garten als Bildungsgarten. Es muss nämlich gelingen, alle Kinder sprachlich zu fördern, unerheblich welcher Muttersprache sie sind und von welcher sozialen Schicht sie kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neugebauer: Sehr vernünftige Rede!)

22.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Schasching kommt nun zu Wort. Ebenfalls 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


22.35.01

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Jeder von Ihnen, der zwei oder mehr Kinder hat, kennt die schwierige Situation, in die man gerät, wenn diese Kinder in verschiedenen Schulen sind und dazu noch an unterschiedlichen Tagen nach den bisherigen schul­autonomen Regelungen schulfrei hatten. Besonders extrem war dann die Situation, wenn diese fünf schulautonomen Tage auch noch am Stück konsumiert wurden. Das erzeugte jede Menge Druck bei den Betreuungspflichtigen, jede Menge Ärger bei den Familien wegen der verloren gegangenen Möglichkeiten, freie Tage auch wirklich gemeinsam zu konsumieren.

Damit ist nun zumindest teilweise Schluss. Ich bin sehr, sehr froh darüber, Frau Bun­desministerin, dass die Regelung auf Basis der Schulpartnerentscheidung getroffen wurde und ein Kompromiss, so er heute verabschiedet wird, den Schulpartner vor­gelegt haben, erzielt wird. Schulpartner, das sind gute Partner für das Ministerium – Elternverbände, Familienorganisationen –, und daher möchte ich auch eine ganz besondere Gabe heute überreichen, und zwar ein Hörbuch, das erste Hörbuch, dass das Schulkompetenzzentrum erstellt hat: „Eine andere Schule ist möglich!“ Als gute Partner wollen wir daran mitarbeiten, dass diese auch Realität wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schasching überreicht Bundesministerin Dr. Schmied das ge­nannte Hörbuch. – Abg. Dr. Brinek: Wir wollen es auch hören! – Abg. Dr. Jarolim: Brinek soll noch sprechen!)

22.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die BerichterstatterInnen wünschen kein Schlusswort. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) – Herr Abgeordneter Dr. Jarolim, Sie fordern offensichtlich einen Ord­nungsruf heraus.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, in 382 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Brosz, Kolle­ginnen und Kollegen vor.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 306

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teile des Gesetzentwurfes und anschließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschuss­berichtes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung von Ziffer 1 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Ursula Haubner, Ing. Westenthaler und Kollegen betreffend verpflichtendes, kostenloses Kindergartenjahr vor dem Schuleintritt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist abge­lehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Westenthaler und Kollegen betreffend die Begrenzung des Anteils von Schülerinnen und Schülern, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, mit maximal 30 Prozent pro Klasse.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner, Ing. Westenthaler und Kollegen betreffend Umsetzung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen und ‑pädagogen sowie Schaffung eines nationalen Bildungsplanes für den Kindergarten mit Schwerpunkt auf Sprachförderung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis-Kindergarten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen geändert wird, samt Titel und Eingang in 383 der Beilagen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 307

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 282 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, sei­nen Bericht 385 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

22.41.2827. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (280 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz geändert wird (328 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Eisenschenk zu Wort. Gewünschte Rede­zeit: 1 Minute. – Bitte.

 


22.41.51

Abgeordneter Mag. Peter Eisenschenk (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Bedingt durch eine juristische Lücke im Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz ist es bislang nicht möglich gewesen, allen Anbietern von zentralen Infrastruktur­einrichtungen die Tarifprüfung vorzuschreiben. Das hat zu gewissen Irritationen im Wettbewerb geführt. Vor allen Dingen die Fluglinien waren nicht so begeistert über diese natürlichen Monopole und nicht ganz marktgerechten Preise, wie eingewandt wurde.

Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass die Behörde entsprechend kontrollieren kann. Und wenn dadurch die Ticketpreise in den Sinkflug gehen, ist das ein Grund mehr, für dieses Gesetz zu stimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 308

22.42.52

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist aufgrund seiner konsumentInnenfreundlichen Orientierung, dass nämlich jetzt zwischen den Anbietern von Dienstleistungen auf Flughäfen wirklich ein Wettbewerb herrscht, ein Punkt, den wir natürlich auch unterstützen. Es wird also hier dann konsensual vorgegangen werden.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit der konsensualen Vorgangsweise auch meinem lieben, werten Kollegen, Herrn Abgeordnetem Eder für seine langjährige Tätigkeit im Verkehrsausschuss danken! Er hat ja unweit des Flughafens auch sein berufliches Wirkungsfeld. Insofern bietet für mich dieser Tagesordnungspunkt einfach die ideale Möglichkeit, hier noch einmal herzlich danke sagen zu können für seine Ratschläge, für seine Kameradschaft, obwohl es natürlich in vielen, vielen Punkten unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber das belebt ja das Leben, und so soll es dann auch weitergehen bei dir, lieber Herr Kollege Eder. Ich hoffe, wir treffen uns noch öfter, nicht nur am Flughafen. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeord­neten der ÖVP.)

22.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.43.54

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Die wesentlichen inhaltlichen Änderungen sollen eine effizien­tere Vollziehung des Flughafen-Bodenabfertigungsgesetzes bringen. Es ist nicht dra­ma­tisch, was dahinter steckt, aber für die, die fliegen, ist es vielleicht doch interessant, zu wissen, was dahinter ist. Die Bodenabfertigung beinhaltet ja alles, was die Abfer­tigung des Flugzeuges vor dem Flug und auch die Nachbereitung nach dem Flug anbelangt. Das ist die Bodenstromversorgung, die Entladung/Beladung von Gepäck, Betankung, Versorgung mit Lebensmitteln, Reinigung des Flugzeuges, Enteisung und so weiter – damit wir wissen, wovon wir heute reden, und damit wir auch wissen, dass dahinter auch praktische Dinge stehen, nicht nur reine Gesetzestexte.

Was war Wichtiges dabei? – Man darf nicht vergessen, bei dieser Bodenabfertigung geht es nicht nur um technische Dinge, es geht auch um betriebswirtschaftliche Dinge, und es muss dabei bedacht werden, dass bei dieser Kostenspirale nach unten, die eingetreten ist, trotzdem auch die Sicherheit gewährleistet sein muss, dass die Qualität nicht verloren gehen darf. Wir wollen ja auch, dass wir wieder sicher am Boden an­kommen.

Eine kleine Bemerkung sei noch angebracht zu diesem Versuch, eine bessere Trans­parenz zu erreichen – das war der Versuch, das Gesetz besserzustellen –: Es sind viele Stellungnahmen zur Begutachtung hereingekommen, und auf die wichtigste Stellung­nahme ist leider nicht eingegangen worden – das müsste man vielleicht beim nächsten Mal besser machen –, nämlich auf jene der Arbeitsgemeinschaft der Öster­reichischen Verkehrsflughäfen. Es handelt sich dabei genau um jene Stellungnahme, die dazu geführt hätte, dass etwas mehr von diesen überladenen Worten herauskommt und vielleicht ein bisschen mehr an klarer Definition hineinkommt, wie es auch in der Technik und in der Betriebswirtschaft normalerweise kein Problem sein sollte.

Summa summarum ist das natürlich kein Thema, sodass da sicher alle zustimmen werden. Ich hoffe, dass damit auch Sicherheit geschaffen wird, um einen fairen Wettbewerb in diesem Bereich zu gewährleisten. (Beifall bei der FPÖ.)

22.45



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 309

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 280 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

22.46.4228. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (230 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (11. Führerschein­gesetz-Novelle) (329 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort. Gewünschte Redezeit: 4 Minu­ten. – Bitte.

 


22.47.10

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Verkehrsminister! Meine Damen und Herren! An sich beinhaltet diese Gesetzesvorlage keine gravierenden Änderungen. Und das ist der Punkt, wo wir sagen: Herr Minister, warum haben Sie nicht mehr gewagt? Wir ändern hier Teile des Vormerksystems und ich glaube, wir sollten einfach gravierendere Änderungen vornehmen. Wir haben uns ja im Verkehrsausschuss schon ausführlicher darüber unterhalten. Ich bin dafür, dass das Vormerksystem massiv ausgedehnt wird: im Hinblick auf Handytelefonieren am Steuer, im Hinblick auf Geschwindigkeitsdelikte. Das brauchen wir. Bald wird die Jahresbilanz der Verkehrssicherheit vorliegen, und wir können Presseaussendungen schon heute entnehmen, dass mehr möglich gewesen wäre an Reduktion von Toten, an Reduktion von Unfällen. Dazu müsste – müsste, ich muss leider den Konjunktiv II verwenden – ab nächstem Jahr dann ein verbessertes Vormerksystem beitragen, nur: Wir haben es nicht, Herr Minister, und deshalb unsere Ablehnung.

Ein zweiter Punkt, und zwar was die Führerscheine anlangt, die im Ausland erworben werden: Hier ist unserer Ansicht nach ein Schlupfloch. Wenn jemand aus gesund­heitlichen Gründen in Österreich den Führerschein aberkannt bekommt, dann kann er/sie mit einem im Ausland erworbenen Führerschein in Österreich fahren, ohne dass die Behörden in diesem Land ihn/sie einer Gesundheitsprüfung unterziehen. Das ist unseres Erachtens ein Schlupfloch gerade für jene Risikolenker, die wir ja an sich im Sinne einer erhöhten Verkehrssicherheit immer mehr unter Kontrolle haben sollten.

Tut mir leid, Herr Minister. Es hätte heute wirklich ein besserer Tag für die Verkehrs­sicherheit sein können. Wir können hier nicht mit Ihnen stimmen beziehungsweise mit


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 310

der Mehrheit, die sich da mit so wenig zufrieden gibt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Ing. Schultes zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.49.13

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Zuerst einmal möchte ich sagen, dass die notwendigen Änderungen im Führerscheingesetz moderat und gerade so sind, wie sie angepasst und richtig sind.

Wichtig ist mir ein besonderer Punkt – es geht dabei um eine nicht sehr wichtige Geschichte, aber mir gefällt sie –: Die Führerscheinausbildung für die Berufskraftfahrer wird in einer europäischen Richtlinie geregelt. Es war in diesem Beruf bei uns bis jetzt notwendig, die Prüfung nach der europäischen Richtlinie noch einmal zu machen, um die österreichische Qualifikation zu erfüllen. Das wird jetzt zusammengelegt. Das ist keine Sensation, und es wird nur wenige Menschen betreffen. Aber es betrifft Lehrlinge, die diesen Beruf erlernen und Facharbeiter mit dem Titel „Berufskraftfahrer“ werden wollen.

Mir gefällt es, dass wir am heutigen Tag, an dem wir so wichtige Dinge wie die Ver­fassung, die Schulreform und alles Mögliche besprochen haben, auch dieses Thema, die Ausbildung und die Qualifikation der Lehrlinge, auf der Tagesordnung haben. Ich finde es für uns wichtig und halte es für eine vornehme Aufgabe des Hohen Hauses, darüber nachzudenken, wie wir die Ausbildung unserer Lehrlinge ständig verbessern können, weil wir nicht nur gut gebildete Akademiker brauchen, sondern sehr wohl auch gut ausgebildete Facharbeiter, damit es unserem Land gut gehen kann. Und ich freue mich, dass wir heute daran mitwirken können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Reheis.)

22.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort. Gewünschte Redezeit: 1 Minute. – Bitte.

 


22.50.42

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­des­minister! Die Führerscheingesetz-Novelle beinhaltet Vereinfachungen beim Erwerb der Führerschein-Grundausbildung, die Aufnahme einer Bestimmung über die La­dungssicherung im Vormerksystem, was wir befürworten, und sie schließt auch für im Ausland erworbene Führerscheine gewisse Schlupflöcher. Deswegen werden wir dieser Novelle auch zustimmen. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


22.51

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Gahr ist als Nächster zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


22.51.19

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wie die Vorredner schon betont haben, kommt es mit dieser Führerscheingesetz-Novelle zu Anpassungen an eine EU-Verordnung. Es gibt mehr Sicherheit bei der Umschreibung von Führerscheinen. Ich konnte der Regierungsvorlage entnehmen, dass es gerade bei der Umschreibung palästinensischer Führerscheine zu einer eindeutigen Regelung kommt, weil Palästina angeblich keinen Staat im Sinne des Völkerrechts darstellt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 311

Es gibt Erleichterungen für die Behörden im Umgang mit ausländischen EWR-Führer­scheinen und natürlich auch, wie Kollege Schultes schon gesagt hat, gerade für zukünftige Berufskraftfahrer.

Ich glaube, mit dieser Gesetzesnovelle wird das Führerscheingesetz aktueller, klarer und praxisgerechter, und sehr positiv ist aus meiner Sicht auch, dass es keine zusätzliche Bürokratie gibt.

Die Anregung zu dieser Novelle kam von der Arbeiterkammer und der Wirtschafts­kammer, und so sind wir diesem Vorschlag der Sozialpartner gerne nachgekommen.

Wir stimmen also der vorliegenden Gesetzesinitiative gerne zu, weil sie einige bürokratische Vorteile bringt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 230 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

22.53.1129. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (305 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle) (330 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 29. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Vilimsky zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.53.34

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor wir da ins Eingemachte der Kraftfahrgesetz-Novelle gehen, nach der „spannenden“ Debatte über das Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz und die Füh­rer­scheingesetz-Novelle, überlegen Sie sich bitte, meine Damen und Herren, welchen Schaden Sie in den vergangenen beiden Tagen dem Hohen Haus zugefügt haben! Wer unlängst die „Zeit im Bild 2“ gesehen hat, musste feststellen, dass dieses Hohe Haus in der öffentlichen Wahrnehmung nur mehr als Gesetzesfließband abqualifiziert wird. Angesichts der Chancen, die wir in dieser Gesetzgebungsperiode eigentlich gehabt hätten, dieses Haus mit Leben zu erfüllen, geht das, was hier stattfindet, in die völlig verkehrte Richtung. Dieses Haus ist durch Ihre Politik an einem wirklichen Tiefpunkt angelangt, wo sogar die Frau Nationalratspräsidentin eingestehen musste, dass sie eigentlich im Detail gar nicht weiß, worüber sie in den vergangenen beiden Tagen abgestimmt hat. Und Sie alle von den Koalitionsfraktionen sollten sich gehörig


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 312

an der Nase nehmen und sich einmal vor Augen halten, in welches Fahrwasser Sie dieses Parlament bringen.

Was das Kraftfahrgesetz anbelangt, werden wir die Zustimmung verweigern, weil auch da die Unkultur dieser Koalition zum Ausdruck kommt: Wenige Stunden vor einem Ausschuss kommt ein völlig wirrer Antrag zu einer Winterreifenpflicht! Und seit Beginn der Gesetzgebungsperiode wird im Verkehrsausschuss eine Praxis gelebt, wo man jeden Antrag der Opposition in die Wartehalle abqualifiziert, ihn nie wieder irgendwo zur Beschlussfassung bringen möchte. Insgesamt kam auch in den beiden vergan­genen Tagen eine Politik zum Ausdruck, die dieses Hohe Haus, dieses Parlament in eine Richtung führt, in der sich alles andere entwickelt als ein gedeihlicher Beitrag für unsere Demokratie. (Ruf bei der SPÖ: Nur gut, dass ihr so „konstruktiv“ seid!)

Sie sollten, bevor Sie hier Zwischenrufe machen, ein bisschen Einkehr halten, ein biss­chen nachdenken darüber, was Sie hier anstellen, was für eine negative Entwicklung des heimische Parlamentarismus Sie hier bewirken. Und in diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein frohes Nachdenken. (Abg. Ing. Schultes: Seit der Stadler nicht mehr da ist, geht es bergab! – Abg. Vilimsky – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Mit euch aber!)

22.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Fleckl zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.56.00

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Kollege Vilimsky! Es wundert mich, dass Sie die Ausdehnung der Winterreifenpflicht nicht irgendwie mit der Zuwan­derungsquote in Verbindung gebracht haben. Das hätte noch gefehlt! (Beifall bei der SPÖ.)

Mit dem heutigen Tag wird eine Reihe von verkehrspolitischen Maßnahmen auf den Weg gebracht. Ich freue mich sehr: Insgesamt ist es ein Maßnahmenpaket mit vielen, vielen Punkten, das zeigt, wie viel Herr Bundesminister Faymann in der kurzen Zeit seines Regierungsamtes bereits auf den Weg gebracht hat.

Ganz besonders zu erwähnen ist natürlich die Ausdehnung der Winterreifenpflicht. Der frühe Wintereinbruch mit dem Verkehrschaos auf den österreichischen Straßen hat gezeigt, dass die Ausdehnung der Winterreifenpflicht für Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 auf den Zeitraum von 1. November bis 15. April dringend notwendig ist. In den Alpen und für jene Menschen, die Kraftfahrzeuge in den Alpen steuern, ist es natürlich selbstverständlich, dass Mitte Herbst die Fahrzeuge wintertauglich gemacht werden. Fakt ist aber, dass jeder sechste Lenker zu spät von Sommer- auf Winter­bereifung wechselt, und Fakt ist auch, dass die Unfallgefahr durch falsche Bereifung oder fehlende Schneeketten erheblich steigt. Hier bestand dringender Handlungs­bedarf, und Herr Bundesminister Faymann hat reagiert.

Es ist nun die Basis dafür geschaffen, dass solche Vorfälle nicht mehr passieren kön­nen. Es muss aber gesagt werden, dass auch diese Regelung nichts nützen wird, wenn sie nicht entsprechend kontrolliert wird. Ich würde mir daher wünschen, dass Herr Bundesminister Platter auf diese Gesetzesänderung reagiert und genügend Exekutiv­bedienstete bereitstellt, um die Kontrolle entsprechend zu gewährleisten.

Insgesamt bin ich froh darüber, das dieses wirklich gute Paket nun auf den Weg gebracht wird.

Mit einem weinenden Auge möchte ich natürlich auch noch erwähnen, dass das Flaggschiff unseres Verkehrsausschusses leider ausscheiden wird. Kurt Eder hat in unserem Ausschuss eine sehr konsensuale Verkehrspolitik praktiziert. Es sind große Fußstapfen, große Spuren, die er hier hinterlassen hat. Ich werde mich als seine


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 313

Nachfolgerin natürlich bemühen, seine Politik im Ausschuss konsensual weiter­zufüh­ren, danke ihm und wünsche ihm alles Gute auf seinem weiteren Lebensweg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Abg. Dr. Moser.)

22.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort gemeldet. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube nicht, dass der Kollege Kukacka jetzt schon Winterreifen oben hat!)

 


22.58.43

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kraftfahrgesetz-Novelle ist eine – Herr Bundesminister, ich habe es im Ausschuss schon gesagt – Anlassgesetzgebung, weil gerade am 15. No­vember das Schneechaos war. Die Medien haben darüber berichtet. Niemand hat reagiert: Die ASFINAG hat nicht reagiert, die Polizei hat nicht reagiert, das Chaos war perfekt. Hätte man den alten Vorstand bei der ASFINAG belassen, dann wäre das nicht passiert! (Beifall beim BZÖ.) – Und wenn es bei Ihrem Vorgänger passiert wäre, dann hätte man ihn auf Sonne, Mond und Sterne geschossen! Das muss ich Ihnen gleich einmal sagen. (Neuerlicher Beifall beim BZÖ.) – Das ist einmal das eine. Wie gesagt: Es handelt sich dabei um eine reine Anlassgesetzgebung.

Das Nächste ist: „Licht am Tag“ wird nicht abgeschafft, sondern es wird die Bestrafung abgeschafft, wenn jemand mit Licht am Tag fährt. Das begrüße ich, denn im Prinzip muss man das nicht bestrafen. Aber, Herr Bundesminister, man sollte danach trachten, dass man auf der europäischen Ebene dieses „Licht am Tag“ einführt, denn alle neuen Pkws werden auch mit dem Tagfahrlicht ausgestattet.

Das Nächste ist: Es gibt eine Erhöhung der Strafen von 25 € auf 50 € für das Tele­fonieren am Steuer. Das ist eine reine Abzocke, Herr Bundesminister, denn wenn jemand beim Autofahren eine SMS schreibt, dann wird er nicht bestraft, obwohl das vom Autofahren mehr ablenkt als das Telefonieren.

Zum Schluss noch zur Zählregel. Die Zählregel bei Kindern in Omnibussen wird jetzt geändert vom Verhältnis 3 : 2 auf 1 : 1, aber im Kraftfahrlinienverkehr bleibt die alte Zählregel weiterhin aufrecht, und das verstehe ich auch nicht.

Deswegen bringe ich jetzt folgenden Antrag ein (der Redner verliest den Antrag sehr, sehr schnell, was allgemeine Heiterkeit hervorruft):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Haubner und Kollegen betreffend verbesserte Sicher­heitsbestimmungen bei der Kinderbeförderung in Omnibussen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, im Interes­se der Verkehrssicherheit von Kindern eine Änderung der Zählregel auf 1 : 1 bei der Beförderung von Kindern mit einem Omnibus oder Omnibusanhänger im Kraftfahr­linien­verkehr oder im täglichen Gelegenheitsverkehr von und zu einer Schule oder einem Kindergarten umzusetzen.“

*****

(Beifall beim BZÖ.)

23.00



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 314

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dolinschek, ich habe mich sehr bemüht und konnte mitverfolgen, dass Sie den Antrag korrekt eingebracht haben. Ausreichend unterstützt ist er auch; er steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Ursula Haubner und Kollegen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (305 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle)

betreffend verbesserte Sicherheitsbestimmungen bei der Kinderbeförderung in Omnibussen

Bei der Beförderung von Kindern im Pkw müssen entsprechende Kinderrückhalte­systeme verwendet werden und für jedes Kind ein Sitzplatz vorhanden sein. Im Gegensatz dazu gibt es aber immer noch im § 106 Abs. 1 KFG 1967 Ausnahme­rege­lungen bei der Berechnung der Kinderanzahl, die mit einem Omnibus oder Omni­busanhänger im Kraftfahrlinienverkehr oder im täglichen Gelegenheitsverkehr von und zu einer Schule oder einem Kindergarten befördert werden. Während bei der im Jahr 2006 in Kraft getretenen 26. KFG-Novelle die Bestimmungen über die Personen­beförderung verbessert, neu gefasst und für Omnibusse im Gelegenheitsverkehr die Zählregel auf 1:1 geändert wurde, um die Kinder auch entsprechend gesichert zu befördern, gilt diese Regelung aber nicht im Kraftfahrlinienverkehr oder für die täg­lichen Beförderungen von und zu einer Schule oder einem Kindergarten. Für diese Beförderungen blieb die Zählregel von 3:2 unverändert aufrecht, so dass drei Kinder unter vierzehn Jahren als zwei Personen und Kinder unter sechs Jahren gar nicht gezählt werden. Dies bedeutet in der Praxis, dass sich bei den meistens noch immer überfüllten Schulbussen bei Platzmangel drei Kinder im Alter zwischen sechs und vierzehn Jahren eine Zweier-Sitzbank teilen müssen. Auch kann eine ordentliche Sicherung der Kinder durch die schon seit einigen Jahren eingeführte verpflichtende Ausrüstung mit Gurte bei allen neu zugelassenen Omnibussen nicht möglich gemacht werden.

Eine Änderung der Zählregel auf 1:1 bei der Beförderung von Kindern unter vierzehn Jahren mit einem Omnibus oder Omnibusanhänger im Kraftfahrlinienverkehr oder im täglichen Gelegenheitsverkehr von und zu einer Schule oder einem Kindergarten würde einen weiteren deutlichen Schritt zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitra­gen.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, im Inter­esse der Verkehrssicherheit von Kindern eine Änderung der Zählregel auf 1:1 bei der Beförderung von Kindern mit einem Omnibus oder Omnibusanhänger im Kraftfahr-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 315

linienverkehr oder im täglichen Gelegenheitsverkehr von und zu einer Schule oder einem Kindergarten umzusetzen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Kukacka. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


23.01.05

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Heute hat die Frau Kollegin Fleckl ihre erste Rede als Verkehrssprecherin ihrer Fraktion gehalten. Ich wünsche ihr persönlich alles Gute. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber zuerst möchte ich mich vor allem noch einmal beim Kollegen Eder, ihrem Vor­gänger in dieser Funktion, auch im Namen meiner Fraktion sehr herzlich bedanken, bedanken für die wirklich sehr gute und kollegiale Zusammenarbeit, die uns in all den Jahren verbunden hat, gleichgültig, ob wir uns als Regierung/Opposition gegenüber­gestanden haben oder ob wir in einer gemeinsamen Koalition waren. Kurt Eder hat sich immer, wie wir alle gesehen haben, als Politiker mit hoher Kompetenz gezeigt. Er war ein angesehener Experte, er war ein erfahrener Verhandler, und ich bin überzeugt, dass er uns mit seinem Sachverstand im Hohen Haus noch abgehen wird. (Präsident Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Ich bedauere das Ausscheiden des Kollegen Kurt Eder vor allem auch deshalb, weil er immer ein sehr fairer Kollege war, auf dessen Handschlagqualität man sich tatsächlich verlassen konnte. Man konnte auf seine menschlichen Qualitäten zählen, auch und vor allem dann, wenn man nicht seiner Meinung war, und das ist ja bei uns bisweilen auch vorgekommen.

Lieber Kurt, gerade diesen fairen Umgang miteinander und diese menschlichen Quali­täten habe ich ganz besonders an dir geschätzt. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

23.03


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Themessl. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


23.03.13

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei allem Respekt, Herr Bundesminister, aber wohin Schnellschüsse führen können, das sehen Sie im Text Ihrer Regierungsvorlage. Wenn Sie glauben, dass Sie damit Rechtssicherheit geschaffen haben, dann täuschen Sie sich. Ich lese Ihnen jetzt ein paar Stellen daraus vor und frage Sie dann etwas.

Sie schreiben hier: Winterreifen werden vorgeschrieben, sofern diese Fahrzeuge bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen verwendet werden. Sie schreiben weiters: Die Winterreifenpflicht wird an die tatsächlichen Fahrbahnverhältnisse geknüpft. Weiters schreiben Sie: Wenn die Fahrbahn lediglich Nässe aufweist, besteht die Winter­reifen­pflicht nicht. Und dann schreiben Sie weiter: Schneeketten sind nur dann erlaubt, wenn die Fahrbahn mit einer zusammenhängenden oder nicht nennenswert unterbrochenen Schneedecke bedeckt ist.

So, und jetzt frage ich Sie: Wer wir im Schadensfall das Ganze beurteilen? Welcher Sachverständige wird dann auf die tatsächlichen Fahrbahnverhältnisse zurückblicken können? Wenn er nur eine halbe Stunde später zu dem Unfallort kommt, dann kann er


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 316

das schon gar nicht mehr beurteilen, weil in einer halben Stunde sich das gravierend ändern kann.

Dann frage ich Sie noch etwas: Es fährt ein Auto aus Ungarn nach Österreich ein, bei trockener Fahrbahn mit Sommerreifen, weil er das laut Ihrem Gesetz darf. Dann fährt er nach Oberösterreich und Salzburg, und da beginnt es zu schneien. Dann hat er keine zusammenhängende Schneedecke, sondern nur Schneematsch. Aufgrund des Schneematsches darf er mit Sommerreifen nicht mehr fahren, die er aber drauf hat. Die Schneeketten darf er nicht benützen, weil keine zusammenhängende Schnee­decke vorherrscht. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Jetzt frage ich Sie, Herr Bundesminister: Was soll diese Husch-Pfusch-Aktion hier bedeuten?

Wenn Sie das wirklich ernst gemeint hätten und Rechtssicherheit schaffen wollten, dann hätten Sie die Winterreifenpflicht eingeführt, beginnend mit 1. November. Das hät­te man an der Grenze kontrolliert, denn das betrifft ohnehin zum Großteil nur ausländische Fahrzeuge, die nach Österreich kommen, weil 90 Prozent der Öster­reicher ohnehin Winterreifen verwenden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Haimbuchner: Husch-Pfusch der Regierung!)

23.05


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


23.05.24

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Herr Verkehrs­minister! Meine Damen und Herren! Zu mitternächtlicher Stunde diskutieren wir über Licht am Tag. Jetzt fahren Sie mit dem Taxi nach Hause, in Zukunft hat in Wien auch jedes Taxi Winterreifen zu verwenden. Das ist nämlich bis jetzt nicht der Fall gewesen. Ich habe Briefe bekommen von Taxifahrern, die sich bedankt haben dafür, dass jetzt endlich auch für Wien die Winterreifenpflicht gilt. Diese Schneekettenregelung ist ja ohnehin nur ein Notnagel.

Wir Grünen waren immer dafür, dass die Winterreifenpflicht in Österreich eingeführt wird, und wir stimmen insofern jetzt dem Gesetz, das einen ersten großen Schritt in diese Richtung macht, zu, obwohl es diese Schlupflochregelung mit den Schneeketten gibt. – So viel zum Ersten.

Nun, Herr Minister, Licht am Tag, das ist ja wirklich eine erleuchtende Diskussion über Jahre hinweg gewesen. Ich habe damals, als wir es im Ausschuss beschlossen haben, immer kritisch vermerkt, dass dringend eine Evaluierung notwendig ist, wenn wir schon dafür eintreten. Und ich habe damals auch, Herr Kollege Kukacka, immer gesagt, dass Licht am Tag maximal 25 bis 30 Menschenleben retten kann und auf der anderen Seite wir dringend im Verkehrssicherheitsbereich Maßnahmen zur besseren Einhaltung der angepassten Geschwindigkeit brauchen und effizientere Maßnahmen brauchen, um die Alkoholkontrollen und auch die Sanktionierung von Vergehen in Sachen Überschreitung der Promillegrenze zu verbessern. (Abg. Dr. Haimbuchner: Und auch Drogen am Steuer! Nicht nur Alkohol!)

Bei diesen Kernpunkten der Verkehrssicherheit haben Sie meines Erachtens bis jetzt versagt. Und bei diesen vergleichsweise geringfügigen Möglichkeiten bei Licht am Tag, die zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit führen, haben Sie damals gesagt: Ja, das müssen wir unbedingt machen! Ich war da schon immer etwas skeptisch, habe es aus Solidarität und weil ich auch dafür bin, dass zusätzliche Menschenleben geret­tet werden, mitgetragen. Nun, Herr Minister, bin ich diejenige, die am skeptischsten der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 317

Ablehnung des Lichts am Tag gegenübersteht, und ich sage es Ihnen auch gerne, warum. (Abg. Strache: Wissen Sie jetzt, was Sie wollen?) – Ja, freilich!

Ich gebe Ihnen sogar etwas mit, Herr Minister. Ich habe eine Anfrage im Deutschen Bun­destag an den Verkehrsminister, Ihren Kollegen, Herr Minister Faymann, recher­chieren lassen. Diese Anfrage erging von der grünen Fraktion, und sie bezog sich auf die maßgebliche Pfleger-Studie. Ich nenne sie jetzt abgekürzt so; ich glaube, die hat noch einen tolleren Namen, Epigus-Studie oder so ähnlich. Diese Studie ist vom deutschen Verkehrsministerium in Grund und Boden kritisiert worden, Herr Minister. Da wird gesagt: Die Erfassung des Blickverhaltens allein ist nicht hinreichend zur fun­dierten Einschätzung. Da wird gesagt: Es ist nicht als Ablenkung anzusehen, wenn ein Fahrer ein entgegenkommendes Fahrzeug häufiger länger anblickt, et cetera. Aus Zeit­gründen spare ich mir das, aber ich könnte es Ihnen im Detail noch zitieren; ich gebe es Ihnen aber mit.

Der Sukkus daraus ist, Herr Minister, dass Sie, um in der Öffentlichkeit den schönen Schwenk zu vollführen, weg von verpflichtender Verwendung von Licht am Tag zu einer freigestellten Verwendung von Licht am Tag, das aus rein populistischen Grün­den auf Druck von ARBÖ et cetera unternommen haben und dann eine Art – wie soll man denn sagen? – Wunschstudie bestellt haben. Und diese Wunschstudie wird von Experten wirklich in Grund und Boden, nicht verdammt, aber zerpflückt. Auch die Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit – das ist ja der Clou –, die Sie in Auftrag gegeben haben, geht sehr, sehr kritisch mit den Abschaffungsabsichten um und vermerkt, dass sich das Fahren mit Licht am Tag sehr wohl positiv ausgewirkt hat. Entschuldigen Sie, sie stellt kritisch fest, dass das Abschaffen von Licht am Tag nicht günstig wäre und sich das Einführen von Licht am Tag sehr wohl günstig ausgewirkt hat.

Sie sagten großzügig: Wir warten ab, bis die endgültige Studie vorliegt, und dann ent­scheiden wir! – Das haben Sie aber nicht gemacht. Es wird wieder Husch-Pfusch etwas zurückgenommen, was eingeführt worden ist. Da ich damals bei der Einführung sehr skeptisch war, werde ich jetzt nolens volens die Abschaffung von Licht am Tag mittragen, aber sehr wohl wissend, dass, wenn ich wirklich in Richtung totaler Ver­kehrs­sicherheit gehen will, sehr wohl das Licht am Tag im Hinblick auf Tagfahrlicht seine Berechtigung hat, auch angesichts der CO2-Emissionen und des Klimaschutzes, denn ich kann ja woanders einsparen.

Nun, meine Damen und Herren, die Zeit drängt. Wir sind ja noch für manch andere Bereiche, etwa für die Erhöhung der Strafe bei Handy am Steuer. Und wir wollen das Kraftfahrgesetz noch durch zwei Entschließungsanträge verbessert haben.

Der erste Antrag betrifft sichere Schülertransporte im Kraftfahrverkehr und lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend sichere Schülertransporte auch im Kraftfahrlinienverkehr

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, auch im Kraftfahrlinienverkehr dort, wo Schü­lerInnen derzeit gezwungen sind, Überland-Linienverkehr am Schulweg zu benützen, und es durch Überfüllung zu Sicherheitsrisiken kommt, zu mehr Sicherheit am Schul­weg beizutragen. Dazu sollen Bundeszahlungen, wie sie für den Transport von SchülerInnen ja gewährt werden, im Sinne eines Qualitätskriteriums daran gebunden werden, dass bei regelmäßiger oder wiederholter Überlastung zwingend Verstärker-


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busse – oder größere Busse – einzusetzen sind, was auch durch Stichproben zu überprüfen ist.

*****

Mit einem Satz ausgedrückt: Auch beim Linienverkehr sollten die Schüler einen Platz finden. – Das wäre unser erster Entschließungsantrag.

Dann haben wir noch einen zweiten sehr wichtigen Antrag, und zwar:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend zügigen Ausbau des Lkw-Kontrollstellennetzes

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie der Bundesminister für Inneres werden aufgefordert, den Aus­bau des Lkw-Kontrollstellennetzes an Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen beschleunigt voranzutreiben und insbesondere die bereits bisher im Westen und mit der Schengen-Öffnung nun auch Richtung „Osten“ durch die Grenzöffnung frei gewor­denen Flächen an den Grenzübergängen vorrangig dafür zu nützen.

*****

Das würde uns auch in Richtung Verkehrssicherheit mehr bringen.

Herr Minister, über diese beiden Anträge wird jetzt abgestimmt; ich hoffe, auch ein biss­chen mit Ihrer Hilfe. Und sie werden sicherlich auch noch einmal eingebracht werden, um im Verkehrsausschuss ausführlich diskutiert zu werden. Wie gesagt, ein positiver Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit.

Aber wir tragen dieses Kraftfahrgesetz jetzt einmal in vorauseilendem Gehorsam konstruktiv mit. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

23.12


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die beiden von Frau Abgeordneter Dr. Moser eingebrachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend sichere Schülertransporte auch im Kraftfahrlinienverkehr

eingebracht im Zuge der Debatte über eingebracht im Zug der Debatte über den Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (305 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle) (330 d.B.)

Mit der gegenständlichen Novellierung des Kraftfahrgesetzes wird die seit langem kritisierte 3:2-Sitzplatzregel als Ausnahme von der 1:1-Zählregel für Kindergarten- und Schülertransporte nunmehr eliminiert.


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Diese Regelung beschränkt sich aber auf den Gelegenheitsverkehr, im Linienverkehr, der ebenso in vielen Regionen von SchülerInnen benützt wird, kommt sie nicht zum Tragen.

Auch hier sind jedoch in einigen Relationen die Busse regelmäßig unzumutbar über­füllt, womit speziell im Überlandverkehr für die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler kritische Situationen verbunden sind. Teilweise führen solche Fahrten auch über das Autobahnnetz, die Mischung aus hoher Fahrgeschwindigkeit und Überfüllung des Busses können bei einem Unfall fatale Folgen haben.

Auch wenn hier im Sinne eines funktionierenden und flexiblen Öffentlichen Per­sonennah- und Regionalverkehrs eine Lösung nicht über eine 1:1-Sitzplatzregel – also ein Stehplatzverbot – oder dergleichen erfolgen kann, gibt es auf anderer Ebene Möglichkeiten, diese Missstände abzustellen. Beispielsweise könnten Bundeszahlun­gen, wie sie für den Transport von SchülerInnen ja gewährt werden, im Sinne eines Qualitätskriteriums daran gebunden werden, dass bei regelmäßiger oder wiederholter Überlastung zwingend Verstärkerbusse – oder größere Busse – einzusetzen sind, was auch durch Stichproben zu überprüfen ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, auch im Kraftfahrlinienverkehr dort, wo SchülerInnen derzeit gezwungen sind, Überland-Linienverkehr am Schulweg zu benützen und es durch Überfüllung zu Sicherheitsrisken kommt, zu mehr Sicherheit am Schulweg beizutragen. Dazu sollen Bundeszahlungen, wie sie für den Transport von SchülerInnen ja gewährt werden, im Sinne eines Qualitätskriteriums daran gebunden werden, dass bei regelmäßiger oder wiederholter Überlastung zwingend Verstärker­busse – oder größere Busse – einzusetzen sind, was auch durch Stichproben zu überprüfen ist.

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend zügigen Ausbau des Lkw-Kontrollstellennetzes

eingebracht im Zug der Debatte über den Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (305 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle) (330 d.B.)

Die Vorkommnisse rund um das „Schneechaos“ am 15./16.11.2007 auf der A 21, das von technisch unzureichend ausgerüsteten und offenkundig nicht rechtzeitig dies­bezüglich kontrollierten Lkw ausgelöst wurde, haben einmal mehr unterstrichen, wie wichtig eine möglichst intensive und dichte Kontrolle von Lkw für die Verkehrssicherheit und einen reibungslosen Verkehrsablauf ist.

Während nach diesem Lkw-verursachten „Schneechaos“ für einige Tage plötzlich eine beachtliche Lkw-Kontrolldichte möglich war, kommt der Ausbau des Lkw-Kontroll­stellennetzes an den hochrangigen Straßen nur äußerst schleppend voran. Damit ist aber die konsequente, kontinuierliche und vorsorgliche Lkw-Kontrolle auf Ausrüstungs- und Sicherheitsmängel sowie Einhaltung der Sozial- und Arbeitszeitvorschriften noch


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immer nur auf einzelnen Hauptkorridoren und nicht immer in beiden Fahrtrichtungen gesichert.

Neben der Personalfrage bei den beteiligten Organen und Behörden ist insbesondere dieser infrastrukturelle Mangel dringend zu beheben.

Neben der Umsetzung der teilweise seit Jahren gewälzten Pläne für Lkw-Kontroll­stellen im Inneren des Staatsgebiets bieten sich dafür diejenigen Flächen im Bereich der Grenzübergänge an, die an mehreren Autobahnen seit Jahren infolge der Grenz­öffnung brach liegen. Mit dem Entfall der Schengen-Kontrollen an Österreichs „Ost“-Grenzen werden weitere derartige Flächen zur Verfügung stehen. Sie sollten dringend für die Einrichtung von Lkw-Kontrollstellen genützt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie der Bundesminister für Inneres werden aufgefordert, den Aus­bau des Lkw-Kontrollstellennetzes an Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen beschleunigt voranzutreiben und insbesondere die bereits bisher im Westen und mit der Schengen-Öffnung nun auch Richtung „Osten“ durch die Grenzöffnung frei gewor­denen Flächen an den Grenzübergängen vorrangig dafür zu nutzen.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


23.12.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Es ist die Kritik des Kollegen Themessl natürlich nicht unberechtigt gewesen. Es scheint so zu sein, dass unter dem Mediendruck und in einer gewissen Panik, die wegen Schneefalls, wegen Stau aufgebaut worden ist, eine Anlassgesetzgebung statt­gefunden hat, und das ist nie gut. Das ist also ein Husch-Pfusch-Gesetz, das in sich unlogisch, inkongruent ist. So etwas kann nicht gut sein, und deswegen werden wir Freiheitlichen nicht zustimmen.

Zwei Dinge noch als Ergänzung. Das eine ist Licht am Tag. Es gab die Forderung seitens Kollegen Kukacka und auch Kollegen Dolinschek, eine europaweite Regelung einzuführen. Also einen größeren Unsinn habe ich überhaupt noch nie gehört. Eine europaweite Regelung würde heißen, dass es in Norwegen und in Spanien gleich bestellt ist mit Lichtverhältnissen und Straßenverhältnissen. Das ist nicht der Fall. Wir haben eben andere Lichtverhältnisse. Deswegen ist es nicht sinnvoll, eine europaweite Regelung einzuführen; das kann natürlich nicht der Grund sein.

Ein weiterer Punkt, der auch in dieser Diskussion zu Licht am Tag gefallen ist: Es gab eine dramatische Zunahme bei den Verkehrstoten unter Motorradfahrern. Das hat zur scheinbar logischen Konsequenz und Schlussfolgerung bei der Kollegin Moser geführt, dass der Anstieg der tödlich verunglückten Motorradfahrer deswegen stattgefunden hat, weil es fehlende Fahrkenntnisse gäbe beziehungsweise diese überschätzt würden.

Frau Abgeordnete Moser, da sind Sie völlig falsch gelegen. Ich habe Ihnen bereits versprochen, die Unterlagen mitzubringen, damit Sie sehen, wie es wirklich aussieht.


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Tatsache ist, dass Licht am Tag dazu geführt hat, dass es keine Differenzierung mehr zwischen den Lichtern von Autos und den Lichtern von Motorrädern gegeben hat, wodurch eine Benachteiligung von Motorrädern im Verkehr entstanden ist.

Die Motorradfahrer haben ihre Forderungen gestellt. Sie wollen, dass die Leistungen, die sie zum Beispiel auch über Steuern erbringen, dafür verwendet werden, um die Sicherheit für Motorradfahrer zu erhöhen. Das ist eine gute Forderung, eine ver­ständliche Forderung, und ich hoffe, dass die auch demnächst berücksichtigt und umgesetzt wird.

Bei der ganzen Diskussion zu der Änderung dieses Gesetzes sind zwei Dinge auf­gefallen: Erstens einmal ist nicht vernünftig und ausreichend über telematische Leit­systeme diskutiert worden. Ein Punkt, der ganz, ganz wichtig ist, wo es darum geht, moderne Computertechnik einzusetzen, um den Verkehr zu regeln. Und der zweite Punkt: Die ganze Reglementierungswut bringt nichts, wenn man nicht die Polizei auf­stockt, damit sie diese Regelungen auch umsetzen kann. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

23.14


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steier. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


23.14.57

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir dürfen uns heute gemeinsam über die Abschaffung der Zählregel im Gelegenheits­verkehr freuen. Was 2001 vom Bundesminister Haupt verhindert wurde, was 2005 vom Bundesminister Grasser blockiert wurde, gelingt heute mit Bundesminister Faymann. Dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

Wermutstropfen in dieser Auseinandersetzung bleibt der Kraftfahrlinienverkehr. Hier müssen wir gemeinsam trachten, in den nächsten Monaten die gezeigten Ansätze auch zu realisieren. Tatsache ist, dass zumindest eine Loslösung von den städtischen Ballungszentren im Überland-Kraftfahrlinienverkehr gelingen sollte – und damit auch eine Lösung für die Angleichung der nicht mehr zeitgemäßen Zählregel bei der Beförderung von Kindern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.16


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Bundesminister Faymann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


23.16.06

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur in aller Kürze sagen, dass das Tagfahrlicht, also ein Licht, das deutlich schwächer als das Ab­blendlicht ist – eine Reihe von Neuwagen kennt bereits dieses Tagfahrlicht, es gibt auch eine Reihe von Neuwagen, die mit einem eigenen Schaltersystem versehen sind und bei Bedarf das Licht regeln können –, für die technische Entwicklung der Ver­kehrssicherheit aus meiner Sicht eine große Zukunft hat und die Europäische Union, wie ich als Optimist sagen würde, das beim richtigen technischen Stand dann auch als Verpflichtung vorschreiben sollte.

Das Tagfahrlicht unterscheidet sich vom Abblendlicht dadurch, dass es die oft kritisier­te Blendwirkung nicht hat und auch den sehr häufig kritisierten Verbrauch von zu­sätzlichem Benzin und damit den vermehrten Ausstoß von CO2 nicht aufweist. Die Funktion der Blendwirkung ist nicht irgendeine theoretische, sondern eigentlich eine international von vielen Gutachtern festgestellte, die gegenüber einspurigen Fahr-


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zeugen und gegenüber Fußgängern, im Besonderen Kindern, im Straßenverkehr nachweislich einen Nachteil mit sich bringt.

Ob das eins zu eins auf eine Unfallstatistik anzuwenden ist, da bin ich persönlich vorsichtig, weil ich keiner bin, der glaubt, dass Unfälle monokausal sind, und daher würde ich auch nicht die Unfallstatistik direkt dafür einsetzen. Aber dass es sich um einen Nachteil für einspurige Fahrzeuge handelt, dass es sich um einen Nachteil für Kinder, für Fußgeher handelt und dass eine Blendwirkung im Straßenverkehr nicht die Zukunft ist, sondern eben dieses Tagfahrlicht, wie es auf europäischer Ebene diskutiert wird, das ist, glaube ich – bei aller Widersprüchlichkeit der Gutachten –, so etwas wie eine unbestrittene Meinung.

Nun haben wir ja nicht gesagt, wir stellen es unter Strafe oder empfehlen, das Abblendlicht nicht aufzudrehen, sondern wir haben gesagt, wenn es so viele Nachteile hat, die eigentlich bewiesen sind, dann hat es doch keinen Sinn, jemand zu strafen, der bei guten Lichtverhältnissen – die können genauso im Jänner sein wie im Juli, sie können genauso zu Mittag sein wie am Nachmittag – sich dazu entschließt, das Abblendlicht nicht aufzudrehen.

Daher hat sich eine breite Mehrheit, wie sich auch bei den Debattenrednern gezeigt hat, zu dieser Maßnahme entschlossen. Und ich bedanke mich auch deshalb für diese Diskussion, weil diese Thematik viel Verwirrung, auch aufgrund unterschiedlicher Sachverständigengutachten, hervorgerufen hat.

Es war aus meiner Sicht auch nie geplant, diese Regelung einzuführen und auf Dauer unkontrolliert und ohne Evaluierung bestehen zu lassen, sondern es war immer auch von einer gewissen Testphase die Rede, die meines Erachtens die Gelegenheit gebo­ten hat, hier Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen.

Zur Zählregel ist vieles gesagt worden, auch zum Telefonieren am Steuer, dazu möch­te ich nichts sagen, sondern nur zur Frage der Winterreifen.

Ich halte es in einem demokratischen Prozess für ein gutes Beispiel, wenn ein Abgeordneter in einer Diskussion einen Vorschlag macht, wie das Helmut Kukacka auch öffentlich gemacht hat, und wir sagen, dass wir gemeinsam im parlamentarischen Prozess in der Lage sind, so einen Vorschlag auszudiskutieren. Das halte ich persönlich für eine gute Einführung. Man soll nicht glauben, dass ein Gesetz deshalb, weil es in Begutachtung war, gut ist. Wenn es Vorschläge in die Richtung gibt – die ich sehr begrüße –, dass es eine Verbesserung der Situation auf der Straße darstellt, wenn Autofahrer mit guter Bereifung ausgerüstet sind oder/und auch Schneeketten mitführen, dann hat das schnell aufgegriffen zu werden. Das begrüße ich ganz besonders.

Wenn 95 Prozent der Autofahrer die richtige Bereifung haben, dann ist auf der Auto­bahn das Problem in der Regel nicht bei diesen 95 Prozent, sondern bei den anderen 5 Prozent, ganz besonders bei Lkws. Ganz besonders bei Lkws kann auch ein geringer Prozentsatz dazu führen, dass es zu erheblichen Sicherheitsproblemen kommt, indem entweder, wie sich bei den Kontrollen der Lkws gezeigt hat, Bremsen nicht funktionie­ren oder die Bereifung falsch ist oder die falschen Ketten mitgeführt wurden.

Daher gehören einerseits eine gesetzliche Bestimmung, wie wir sie heute schaffen, inklusive der Ergänzung, die im parlamentarischen Prozess entstanden ist, und andererseits die Kontrolle eng zusammen. Ich würde nie bestreiten, dass Gesetze und Kontrolle nicht zusammengehören, denn Gesetze können eine gewisse Vorbildwirkung ausüben, aber wenn die Kontrolle nicht erfolgt, dann hält diese Vorbildwirkung nicht lange.


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Auch die Öffentlichkeitsarbeit über die Richtlinie eines neuen Gesetzes kann nur im Zusammenhang mit der Kontrolle ernst genommen werden. Daher bedanke ich mich bei allen, die konstruktiv an dieser Diskussion teilgenommen haben.

Abschließend möchte ich mich all jenen anschließen, die sich bei Kurt Eder für die gute Zusammenarbeit bedankt haben. Kollege Eder ist ein Beispiel für konstruktive und sachliche Diskussion und war immer ein Vorbild in der Diskussion der Verkehrs­sicherheit und Verkehrspolitik. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.22


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


23.22.30

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ich persönlich bedauere die Abschaffung von Licht am Tag, auch angesichts der Studien, die uns vorliegen, und freue mich, dass der Herr Bundesminister, wie ich heute gehört habe, die europaweite Einführung von flächen­deckenden Tagfahrlicht begrüßt. Ich bedanke mich dafür. Damit ist er ein Verkehrs­minister mehr, der dafür ist. Sie gehören, Herr Bundesminister, mittlerweile schon zu einer Mehrheit in Europa, die erkannt hat, dass Fahren mit Licht am Tag den Straßenverkehr sicherer macht.

Ich möchte auch sagen, dass es unter den vielen widersprüchlichen Argumenten, die es bei der Einführung von Licht am Tag gab, insbesondere eines gab, welches mich damals überzeugt hat, und das sehe ich durch eine Studie auch bestätigt, nämlich folgendes: Kinder können nicht unterscheiden, ob ein Fahrzeug fährt oder steht, und dies bis zum Alter von 10 Jahren. Es ist leichter, einem Kind zu sagen, ein Auto bewegt sich auf dich zu, wenn es Licht anhat, als wenn es keines anhat.

Es ist die Zahl der Unfälle, in die Kinder involviert waren, am Tag während der Ver­suchsdauer von Licht am Tag nur um 3,8 Prozent gestiegen, in der Nacht um 14,9 Prozent, was darauf hinweist, dass dieser Anstieg wegen Licht am Tag geringer war.

In Summe ist aber in dieser Novelle sehr viel sehr Positives enthalten.

Dem Herrn Kollegen Themessl kann ich sagen: Das ist ein Gesetz, das mit Haus­verstand gelesen werden kann. Bei Schneefahrbahn fahren Sie in Zukunft ab dem 1. November mit Winterreifen, wie es jeder Österreicher tut. Wenn es keinen Schnee gibt, dann ohne, und Sie schauen, dass die Schneeketten die Straßen nicht kaputt­machen. Für einen Österreicher kein Problem! (Beifall bei der ÖVP.)

23.24


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


23.24.24

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wie wichtig die gesetzlichen Maßnahmen betreffend Winterreifenpflicht sind, haben sicher­lich die dramatischen Ereignisse rund um das heute schon angesprochene Schnee­chaos auf der A 21 gezeigt. Viele Lkw ohne Winterausrüstung haben dazu geführt, dass Tausende Autofahrerinnen und Autofahrer die Nacht auf der zugeschneiten Wie­ner Außenringautobahn verbringen mussten.

Dabei hat sich aber auch gezeigt, dass die zuständigen Polizeikräfte in diesem Raum hoffnungslos unterbesetzt sind. So soll es den Polizisten im Einsatz nicht gelungen sein, jene Lkw zu identifizieren, die das Chaos verursacht haben. Überprüfungen der


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Bundesanstalt für Verkehr wenige Tage nach dem Verkehrschaos auf der A 21 haben gezeigt, dass rund 25 Prozent der kontrollierten Lkws ohne Winterausrüstung unter­wegs sind.

Hohes Haus! Gesetzliche Maßnahmen sind aber immer nur so gut, wie deren Kontrolle, Durchsetzung und Umsetzung gewährleistet sind. Und ich halte es mit Herrn Kollegen Dipl.-Ing. Klement, der gemeint hat, dass es notwendig ist, die Zahl der Planposten bei der Polizei wieder auf das notwendige Maß zu erhöhen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.25


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


23.25.57

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Schneechaos am 15. November auf den Autobahnen im Wienerwald ist zweifelsohne die Ursache dafür, dass es dazu gekommen ist, dass wir die Winterreifenpflicht für Pkws einführen und für Lkws erweitern. Ich glaube, dass das absolut gut und vernünftig ist.

Ich darf dazu gleich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Eder, Mag. Ku­kacka, Kolleginnen und Kollegen einbringen, in welchem es darum geht, dass wir die Winterreifenpflicht in zwei Punkten noch etwas anpassen.

Zum einen geht es darum, dass die Winterreifenpflicht für Busse, die bis 15. April ausgeweitet wurde, in Zukunft, also nach der Änderung, die wir jetzt mit dem Abände­rungsantrag vornehmen wollen, nur bis 15. März gelten soll. Ursache dafür ist, dass man mit Bussen gerade im Frühjahr sehr oft in den Süden fährt und dabei Winterreifen hinderlich wären. Es ist aber weiterhin die Mitnahmepflicht von Schneeketten in dieser Zeit bis 15. April notwendig.

Zweite Änderung: Im Bereich der Pkw-Winterreifenpflicht ist angeordnet, dass bei der Mitnahme und Auflage von Schneeketten die Formulierung lautet: „Schneeketten auf Antriebsrädern“. Das könnte zum Beispiel für vierradgetriebene Fahrzeuge heißen, dass man auf vier Rädern Schneeketten anlegen muss. Das ist nicht sinnvoll, das ist nicht notwendig. Die neue Formulierung heißt: „Mindestens zwei Antriebsräder sollen mit Schneeketten versehen werden.“

Dieser Abänderungsantrag wird ausgeteilt, geht Ihnen zu. Ich habe ihn jetzt in dessen Grundzügen erläutert.

Ich möchte aber schon noch zu dem ganzen Chaos am 15. November sagen, dass mit Winterreifen und Schneeketten nur ein Teil eines möglichen künftigen Chaos verhin­dert werden kann. Genauso wichtig sind auch ein entsprechendes Straßenmanage­ment und ein Chaosmanagement.

Ich bin absolut nicht der Meinung des Kollegen Heinzl, der gesagt hat, dass da die Polizei versagt hat. Es hat da sicherlich primär das Straßenmanagement versagt, weil es ganz einfach nicht genügt, dass alle drei Stunden, wie die Regel ist, ein Räum­fahrzeug durchfährt. Wenn schlechtes Wetter vorhergesagt wird, dann muss man eben öfter fahren, dem Bedarf entsprechend oft fahren.

Es genügt auch nicht, dass Stunden nach dem Eintreten des Nichts-geht-Mehr die ersten Feuerwehrfahrzeuge und Abschleppfahrzeuge kommen und versuchen, Ord­nung in das Chaos zu bringen. Das heißt, es ist absolut notwendig, das Straßen­management und das Chaosmanagement zu verbessern. Aber es ist, glaube ich,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 325

diesbezüglich einiges in Besprechungen seitens des Herrn Ministers in die Wege geleitet worden.

Ich glaube, dass wir einiges aus diesem Chaos gelernt haben. Trotzdem werden wir, glaube ich, beim nächsten ersten Schnee wieder alle überrascht sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Glaser soeben eingebrachte Abänderungsantrag der Abgeordneten Eder, Mag. Kukacka, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und wurde in seinen Kernpunkten erläutert. Wegen seines Umfanges lasse ich ihn gemäß § 53 der Geschäftsordnung verteilen.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eder, Mag. Kukacka, Kolleginnen und Kollegen zum Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle) (305 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (330 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (29. KFG-Novelle) (305 d.B.), in der Fassung des Ausschussberichtes (330 d.B.), wird wie folgt geändert:

Der in Z 13 enthaltene § 102 Abs. 8a hat zu lauten:

„(8a) Der Lenker darf ein Kraftfahrzeug der Klassen

1. N2 und N3 sowie ein von solchen Fahrzeugen abgeleitetes Kraftfahrzeug während des Zeitraumes von jeweils 1. November bis 15. April oder

2. M2 und M3 sowie ein von solchen Fahrzeugen abgeleitetes Kraftfahrzeug von jeweils 1. November bis 15. März

nur verwenden, wenn zumindest an den Rädern einer Antriebsachse Winterreifen (für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen bestimmte Reifen mit entsprechender Profiltiefe) angebracht sind. Dies gilt nicht für Fahrzeuge, bei denen bauartbedingt oder aufgrund ihres Verwendungszwecks Reifen mit der Verwendungsbestimmung „spezial“ angebracht sind. Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Heeresfahrzeuge und Feuerwehrfahrzeuge, bei denen bauartbedingt oder wegen ihres überwiegenden Verwendungszwecks die Anbringung von Winterreifen nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist und Fahrzeuge, mit denen Probe- oder Überstellungsfahrten durch­geführt werden, sind von dieser Verpflichtung ausgenommen.

Weiters darf der Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse M1 oder N1 während des in Z 1 genannten Zeitraumes bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen wie insbesondere Schneefahrbahn, Schneematsch oder Eis, dieses Fahrzeug nur in Betrieb nehmen, wenn an allen Rädern Winterreifen (für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als  Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmte Reifen mit entsprechender Profil­tiefe) oder, wenn die Fahrbahn mit einer zusammenhängenden oder nicht nennenswert unterbrochenen Schnee- oder Eisschicht bedeckt ist, Schneeketten auf mindestens zwei Antriebsrädern angebracht sind.“


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Begründung

Zur Änderung im ersten Satz: Die Bussaison beginnt bereits ab 15. März des Jahres. Viele Reisen führen in den Süden Europas. Die Verwendung von Winterreifen führt unter derartigen klimatischen Verhältnissen (bzw. Straßentemperaturen) zu einer nach­weisbaren Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Die Verwendungsverpflichtung von Winterreifen kann in einem solchen Fall einen unfallauslösenden Faktor darstellen. Daher wird die Verpflichtung zur Verwendung von Winterreifen für Busse für den Zeitraum jeweils 1. November bis 15. März festgelegt; die Mitnahmeverpflichtung von Schneeketten bleibt aber in jedem Fall für den Zeitraum von 1. November bis 15. April aufrecht.

Im letzten Satz des § 102 Abs. 8a sind in bestimmten Fällen Schneeketten als Alternative zu Winterreifen zulässig, nämlich dann, wenn die Fahrbahn mit einer zusammenhängenden oder nicht nennenswert unterbrochenen Schnee- oder Eis­schicht bedeckt ist.

Die Formulierung „... Schneeketten auf den Antriebsrädern ...“ könnte aber zu Unklar­heiten und Missverständnissen bei allradgetriebenen Fahrzeugen bzw. bei Fahrzeugen mit Doppelbereifung führen, ob an solchen Fahrzeugen Schneeketten auf zwei oder vier Räder zu montieren sind.

Daher soll klargestellt werden, dass Schneeketten auf mindestens zwei Antriebsrädern angebracht sein müssen.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. 1 Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


23.29.44

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister auf der Regierungsbank! Sicher hat Herr Kollege Glaser recht, wenn er von einem Chaos auf der A 21 spricht. Es gibt dafür eine ganz bestimmte Ursache, lieber Kollege Glaser. Nach dieser Katastrophe auf der A 21 hat der Herr Minister gemein­sam mit dem Herrn Innenminister angeordnet, Lkw-Kontrollen an unseren Ostgrenzen zu machen. Und da gibt es eine Zahl: Von 28 kontrollierten Lkws waren sieben nur unzureichend verkehrstauglich. Drei davon mussten sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Das heißt: Wenn man das hochrechnet, dann ist jeder zehnte Lkw schrottreif.

Herr Abgeordneter Glaser, das Fehlen der Winterreifen kann eine Ursache sein. Aber die andere Ursache sind natürlich die schlecht ausgestatteten Lkws, die vor allem aus dem Ausland kommen. Wenn wir diese schrottreifen Lkws kontrollieren wollen, dann brauchen wir mehr Polizei. Das ist notwendig, um die Sicherheit auf unseren Straßen zu gewährleisten. Wenn jeder zehnte Lkw ein Schrott-Lkw ist, dann richten diese mehr an, als wenn 15 Lkws keine Winterreifen draufhaben. (Beifall bei der SPÖ.)

23.31


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Einwall­ner. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 

 


23.31.16

Abgeordneter Thomas Einwallner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Ein wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach die Änderung der Zählregel bei der Beförderung von Kindern in Omnibussen. Es ist gelungen, im


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Gelegenheitsverkehr die 1:1-Regel einzuführen. Also jedes Kind hat einen Sitzplatz. Das ist eine wesentliche Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Bei der Regelung im Kraftfahrliniengesetz, dass es 3 : 2 bleibt, werden wir von der ÖVP in Zukunft darauf achten, ob es da Verbesserungen geben könnte.

Summa summarum – es wurde heute ja schon vieles gesagt – muss ich sagen: Diese 29. Novelle zum Kraftfahrgesetz ist eine weitere Verbesserung der Sicherheit auf unseren Straßen, unseres Verkehrssystems. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.32


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bayr zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 1 Minute. – Bitte, Frau Kollegin.

 


23.32.19

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Der Hannes Jaro­lim, der Hermann Krist, als neuestes Mitglied der Andi Schieder und ich freuen uns außerordentlich im Namen der über 400 RED BIKER in Österreich, dass durch die Abschaffung von Licht am Tag der Sicherheitsvorsprung nicht nur für die einspurigen Fahrzeuge wiederhergestellt worden ist, sondern dass auch für Fußgänger und Radfahrer die Verkehrssituation bedeutend besser geworden ist.

Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Gewinner dieser Maßnahme, nämlich die Umwelt. Durch die Abschaffung von Licht am Tag sparen sich nicht nur die Autofahrer und Autofahrerinnen durchschnittlich 60 € pro Jahr aufgrund geringeren Spritver­brauchs, sondern wir schaffen es damit auch, ungefähr 250 000 Tonnen CO2 einzu­sparen. Das ist eine kleine, aber sehr feine und sehr erfreuliche Maßnahme für den Klimaschutz. Da kann ich nur sagen: Weiter so, das freut uns sehr! Wir werden alle sicher auf den Straßen unterwegs sein. (Beifall bei der SPÖ.)

23.33


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Herr Abgeordneter Rädler ist der nächste Redner. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


23.33.25

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Liebe KollegInnen! Ich darf die kurze Redezeit dazu nützen, mich recht herzlich bei unserem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses zu bedanken, und zwar nicht nur für seine menschliche Art – das war eine besondere Note, die er immer in die Ausschusssitzungen hineingebracht hat –, sondern auch für seine Kompetenz. Ein herzliches Danke dafür! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Schalle.)

Die Beschlussfassung betreffend die Winterreifen fällt uns heute sehr leicht. Drei Viertel der Österreicher sind für die Einführung der Winterreifenpflicht. 95 Prozent der österreichischen Autofahrer verwenden, wie wir gehört haben, bereits Winterreifen. Für die Lkws haben wir das bereits im Vorjahr geregelt.

Bleibt ein Diskussionspunkt übrig, nämlich Licht am Tag. Ich darf das dazu sagen, was ich auch schon im Ausschuss gesagt habe: Ich war ein Gegner von Licht am Tag. Ich habe mich dann durch Studien davon überzeugen lassen. Der Herr Abgeordnete Broukal hat heute gemeint: Man muss die Dinge auf die Waage legen, auch wenn man nicht ganz davon überzeugt ist, und auch Zustimmung im Sinne der Sache zeigen!

Jetzt geht es mir wieder darum, dass Licht am Tag abgeschafft wird. Nach 41 Studien, die uns Minister Gorbach vorgelegt hat, liegen jetzt wieder widersprüchliche Studien


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vor. Aber im Sinne der Verkehrssicherheit werden wir dieser Gesetzesmaßnahme zustimmen. – Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

23.34


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder-Maier. Redezeit: 1 Minute. – Bitte, Frau Kollegin.

 


23.35.07

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine Damen und Herren! Eine Vielfalt von Veränderungen findet sich im neuen Gesetz wieder. Diese gehen von der Anhebung des Mindestalters von historischen Fahrzeugen über das nicht mehr verpflichtende Fahren mit Licht am Tag bis hin zu einer verbesserten Pflicht zur Winterausrüstung beim Fahren mit Autos, wiewohl ich dazu meine, dass es auch etwas mit Sorgfaltspflicht und Eigenverant­wortung zu tun hat, gut ausgerüstet zu sein, wenn man sich mit einem Fahrzeug auf der Straße befindet.

Meine Freude möchte ich vor allen Dingen über die Änderung der Zählregelung zum Ausdruck bringen. Ein Platz für jedes Kind im Schulbus hat vor allem mit einem Mehr an Sicherheit für unsere Kinder zu tun. Ich freue mich sehr, gemeinsam mit Gerhard Steier damit einen Erfolg erreicht zu haben. Der nächste Schritt wartet auf uns, nämlich in allen öffentlichen Verkehrseinrichtungen dies zu gewährleisten.

Im Übrigen möchte ich meinen Beitrag mit den Worten schließen: Kurt Eder, du wirst uns fehlen! Herzlichen Dank für deine Arbeit mit uns! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.36


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Vorläufig letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Prähauser. Ebenfalls 1 Minute Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


23.36.35

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundes­minister! Hohes Haus! Ich erinnere mich noch gut daran, als wir in diesem Rahmen darüber diskutiert haben, die Mitnahme von Schneeketten verpflichtend zu machen. Wir haben uns damals darauf nicht einigen können. Wir haben in späterer Folge erst gesehen, welche Auswirkungen das hat. Ich gehe davon aus, dass wir daraus gelernt haben.

Auch ich gehöre zu jenen, die der Meinung sind, dass Licht am Tag keine so schlechte Maßnahme ist, wie es allgemein dargestellt wird. Ich hoffe sehr auf eine europäische Regelung, bei welcher es um Licht am Tag geht, das die Fahrzeuglenker und Passanten nicht blendet und das zur Sicherheit im Straßenverkehr beiträgt. Das sollte für uns ein Ziel in der Zukunft sein! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.37


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 330 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Kurt Eder, Mag. Kukacka, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter


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der Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Kurt Eder, Mag. Kukacka, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend verbesserte Sicherheits­bestimmungen bei der Kinderbeförderung in Omnibussen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Dr. Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend sichere Schülertransporte auch im Kraftfahrlinienverkehr.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend zügigen Ausbau des Lkw-Kontrollstellennetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

23.39.1930. Punkt

Regierungsvorlage: Siebentes Zusatzprotokoll zur Satzung, Allgemeine Verfah­rensordnung, Vertrag und Abkommen des Weltpostvereins (Bukarest 2004) (265 d.B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zum 30. Punkt der Tages­ordnung.

Von der Vorberatung in einem Ausschuss wurde gemäß § 28a der Geschäftsordnung Abstand genommen.

Zum Wort ist dazu niemand gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Gemäß § 65 der Geschäftsordnung gelangen wir nunmehr zur Abstimmung.

Gegenstand ist die Genehmigung des Vertragswerkes: Siebentes Zusatzprotokoll zur Satzung, Allgemeine Verfahrensordnung, Vertrag und Abkommen des Weltpost­vereins, 265 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung im Sinne des Artikels 49 Absatz 2 Bundes-Verfas­sungsgesetz, wonach diese Staatsverträge dadurch kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und


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Technologie, dem diesem nachgeordneten Postbüro und in der Österreichischen Post AG Unternehmenszentrale, Postgasse 8, 1010 Wien, aufliegen.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

23.40.4731. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses über die Regierungsvorlage (65 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeres­disziplinar­gesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001 und das Militärauszeichnungs­ge­setz 2002 geändert werden (399 d.B.)

32. Punkt

Bericht und Antrag des Landesverteidigungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Auslandseinsatzgesetz 2001 und das Militär­befugnisgesetz geändert werden (400 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zu den Punkten 31 und 32 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. 4 Minuten freiwillige Redezeit­beschrän­kung. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rasinger.)

 


23.41.24

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Danke für die freundliche Begrüßung! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf gleich zu Beginn meiner Ausführungen den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gusenbauer, Cap, Genossinnen und Genos­sen einbringen, diesmal in der aktualisierten Form der Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde (Heiterkeit bei den Grünen):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Verträge über die Beschaffung von Kampfflugzeugen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, längstens jedoch bis zum 15. Dezember 2007, einen Bericht zuzuleiten, der Abschriften sämtlicher zwi­schen der Republik Österreich und der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH bezie­hungsweise Vertretern des EADS-Konzerns abgeschlossener Vereinbarung betreffend den Ankauf von Kampfflugzeugen der Type Eurofighter Typhoon sowie bezughabender Kompensationen zum Inhalt hat, soweit sie noch nicht dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Beschaffung von Kampfflugzeugen zugeleitet worden sind.“

*****

Meine Damen und Herren! (Abg. Rädler: Verfolgungswahn!) Entschuldigen Sie bitte die etwas komplizierte Formulierung, sie stammt aus dem Klub der SPÖ. Inhaltlich sind


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wir Grünen mit dem Anliegen vollkommen einverstanden. Selbstverständlich sollen sämtliche Verträge im Zusammenhang mit der Eurofighter-Beschaffung dem öster­reichischen Nationalrat zur Kenntnis gebracht werden. Wir ersuchen deshalb alle Abgeordneten dieses Hauses, insbesondere diejenigen, die dem Bundeskanzler und seiner Regierung noch vertrauen, diesen Antrag zu unterstützen. Es ist wörtlich ein Antrag Gusenbauer, Cap. (Beifall bei den Grünen.)

Warum müssen wir das einbringen und warum zu diesem Tagesordnungspunkt? – Der Grund ist ganz einfach. Wie sollen wir das Wehrgesetz 2001, wie sollen wir das Heeresdisziplinargesetz 2002, wie sollen wir das Heeresgebührengesetz 2001 und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 diskutieren (Abg. Scheibner: Das ist wichtig!), wenn wir nicht wissen, ob das alles überhaupt finanzierbar ist? – Wir wissen erst dann, ob das finanzierbar ist, wenn wir wissen, was die Eurofighter-Beschaffung wirklich kostet. Es gibt viele Parteien in diesem Haus, die das wissen wollen. Es war an und für sich bis vor kurzer Zeit nur die Österreichische Volkspartei, die nicht wissen wollte, was die Eurofighter-Beschaffung wirklich kostet und was sich das österreichische Bundesheer an Reformen und an Auslandseinsätzen überhaupt noch leisten kann.

Jetzt hat der Verteidigungsminister einen Versuch unternommen, das Parlament zu informieren, indem er probiert hat, einem unzuständigen Unterausschuss diese ver­tragliche Vereinbarung zwischen ihm und der Eurofighter GmbH zuzuleiten. Das ist an der Geschäftsordnung des Nationalrates und am fehlenden Einvernehmen der beiden Regierungsparteien gescheitert. Deshalb gibt es nur einen Weg, nämlich das ge­schäftsordnungskonform diesem Nationalrat zuzuleiten. Das heißt: in aller Öffentlich­keit, ohne Geheimhaltung, gemäß der Verfassung, gemäß den österreichischen Gesetzen! Es geht darum, das letzte große Versprechen der SPÖ, dass nach der letzten Nationalratswahl noch nicht gebrochen wurde, endlich in diesem Nationalrat einzulösen, und darum möchten wir herzlich um eine möglichst große Mehrheit ersuchen.

Zum Zweiten geht es heute in dieser Diskussion, und zwar wahrscheinlich kurz – und das wird uns trotzdem in den nächsten Tagen und Wochen noch beschäftigen –, auch um den Einsatz im Tschad. Es liegt vor – er ist noch nicht vorgestellt worden, aber er wird sicherlich demnächst eingebracht werden – ein Entschließungsantrag der Abge­ordneten Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Bundesminister für Landes­verteidigung aufgrund des Tschad-Einsatzes das Vertrauen zu versagen. Ich sage Ihnen an diesem Punkt in aller Deutlichkeit zweierlei:

Erstens: Ich halte fast alles, was der Verteidigungsminister hier getan hat, für eine Verknüpfung schwerer sachlicher und politischer Fehler. Wir sind dafür, dass sich Österreich an Einsätzen zum Schutz von Menschen, gerade in Afrika, beteiligt. Wir sind auch dafür, dass UN-Mandate unterstützt werden. Aber wir sind für eine genaue Prüfung, ob es politisch und militärisch machbar und sinnvoll ist.

An dem Punkt, an dem wir uns jetzt befinden, wo sich klar abzeichnet, dass Österreich dieses Mandat nicht ausfüllen kann und das EUFOR-Mandat ein Mandat der Unter­stützung der französisch-tschadischen Operation „Epervier“, also der Umsetzung eines bilateralen Militärvertrages zwischen zwei Regierungen ist, geht es darum, möglichst in diesem Haus einen Konsens herzustellen, um ohne Schaden für die Republik Öster­reich und ohne Schaden für die Sicherheits- und Außenpolitik der Europäischen Union aus diesem Mandat einen politischen Ausstieg zur letztmöglichen Gelegenheit zu finden.

Daher ist heute nicht der Tag, an dem es sinnvoll ist, über einen Misstrauensantrag zu diskutieren, sondern der Tag, an dem es sinnvoll ist, den Konsens von fünf Parteien, den wir bisher fast immer hatten, für internationale Mandate der Republik Österreich


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wiederherzustellen und – sei es im Interesse Österreichs und der Europäischen Union – aus diesem schlecht begründeten und sehr, sehr gefährlichen Mandat zum letztmöglichen Zeitpunkt auszusteigen.

Über die politische Verantwortung des Verteidigungsministers wird in diesem Haus noch zu sprechen sein. Jetzt geht es darum, in diesem Fall den Schaden für die Re­publik Österreich und die Europäische Union möglichst zu begrenzen – und das durch eine gemeinsame Haltung und Handlung von drei, vier, vielleicht auch fünf Par­teien dieses Hauses. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.48


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prä­hauser. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.48.07

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundes­minister! Hohes Haus! Der Entschließungsantrag von den Sozialdemokraten hat damals seine Richtigkeit gehabt und war notwendig. Der jetzige, eingebracht von den Grünen (Abg. Brosz: Von den Sozialdemokraten!), ist in der Form nicht notwendig, da wir der Meinung waren, letztendlich der Bitte des Ministers für Landesverteidigung nachzukommen, das Parlament zu informieren. Es ging letztlich aber darum, einen Weg zu finden, um nicht die Verschwiegenheit auf eine Art und Weise zu verletzen, dass nicht der Republik Kosten entstanden wären (Abg. Scheibner: Das war aber vorher!), die dann allein auf dem Haupt des Ministers auszutragen gewesen wären bis hin zu einer persönlichen Haftung mit Gefängnis bis zu drei Jahren.

Das wollten wir nicht. Wir wollten Sie einbinden, Sie informieren und dann gemeinsam beraten, wie wir das bewerkstelligen wollen, um die Verantwortung gemeinsam zu tragen, wie es bei der Landesverteidigung eigentlich angebracht wäre.

Sie wollten das nicht. Wir werden einen neuen, einen weiteren Weg, einen Vorschlag unterbreiten, Sie zu informieren, aber wenn Sie nicht willens sind, Information anzu­nehmen, dann sollten Sie auch nicht kritisieren, dass Sie sie nicht erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben gehört, es wird heute noch einen Misstrauens­antrag – von der FPÖ eingebracht – geben. Ich darf Ihnen sagen, dieser Misstrauens­antrag wird in Vergessenheit geraten, denn wenn das deutlich wird, was Sie meinen, dass nämlich 500 000 Menschen – Menschen, die unter unsäglichem Leid dahin­vegetieren – nicht zu schützen sind, dass das für Sie keine Priorität hat, dann richtet sich das von selbst. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe bekannt, dass der von Herrn Abge­ordnetem Dr. Pilz eingebrachte Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Verträge über die Beschaffung von Kampfflugzeugen; eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Landesverteidigungsausschusses über die Regierungsvorlage (65 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001 und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert werden (399 d.B.)


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Am 28. September 2005 stellten die Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Kräuter, Gaál und Genossinnen einen Dringlichen Antrag „betreffend Offenlegung der Verträge betreffend der Beschaffung von Kampfflugzeugen“ an den damaligen Bun­des­kanzler.

Der – sachlich gut begründete – Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und BZÖ abgelehnt.

In der Sache hat sich nichts geändert.

Aus der Rechnungshofkritik ergibt sich klar, dass die Regierung trotz Kenntnis eines wesentlich höheren Preises am 2. Juli 2002 und am 1. Juli 2003 Ministerrats­ent­scheidungen auf Basis von falschen bzw. geschönten Preiskalkulationen herbeigeführt hat. Ebenso haben sich die Ankündigungen von Bundeskanzler Schüssel hinsichtlich der Finanzierung der Abfangjäger über eine Wirtschaftsplattform als nicht haltbar heraus­gestellt.

Nunmehr nimmt die österreichische Bundesregierung das vertraglich vereinbarte Rück­trittsrecht zu Lasten des österreichischen Steuerzahlers nicht wahr.

Oppositionskritik an der Vorgangsweise der Bundesregierung hinsichtlich des Beschaf­fungs­vorganges wird regelmäßig von Regierungsmitgliedern mit Stellungnahmen zu den abgeschlossenen Verträgen beantwortet, diese Verträge wurden jedoch noch nie gegenüber dem österreichischen Parlament – auch nur teilweise – offen gelegt, obwohl es sich bei dieser Transaktion um die teuerste Beschaffung der II. Republik handelt.

Der Bundeskanzler hat dem Vorsitzenden der SPÖ am 13.10.2006 den Eurofighter-Kaufvertrag zur Verfügung gestellt. Der Vorsitzende der SPÖ hat die Kopie des Ver­trags angenommen. Da nicht davon auszugehen ist, dass Dr. Schüssel und Dr. Gusenbauer damit gesetzwidrig gehandelt haben, ist davon auszugehen, dass es rechtlich zulässig ist, einem Mitglied des Nationalrats eine Kopie des Vertrags zuzu­leiten. Dieser Meinung war auch der damalige Präsident des Nationalrats: „Die umstrittene Übergabe des Eurofighter-Vertrags an Gusenbauer ist laut Khol ‚juristisch richtig und vom Menschenverstand her fair‘.“ (Der Standard 16.10.2006).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, längstens jedoch bis zum 15. Dezember 2007, einen Bericht zuzuleiten, der Abschriften sämtlicher zwischen der Republik Österreich und der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH bzw. Vertretern des EADS-Konzerns abgeschlossener Vereinbarung betreffend den Ankauf von Kampfflugzeugen der Type Eurofighter Typhoon sowie bezughabender Kompen­sationen zum Inhalt hat, soweit sie noch nicht dem parlamentarischen Untersuchungs­ausschuss zur Beschaffung von Kampfflugzeugen zugeleitet worden sind.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.50.03

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden den beiden Vorlagen,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 334

die wir bei diesen Tagesordnungspunkten debattieren, zustimmen. Wir haben aber in der vergangenen Sitzung des Landesverteidigungsausschusses auch noch andere Themen beraten, die für uns von besonderer Bedeutung sind – Kollege Pilz ist schon darauf eingegangen. Wir haben auch darüber diskutiert, in welcher Form Sie, Herr Bundesminister, die neuerdings von Ihnen abgeschlossenen Verträge mit EADS und der Eurofighter GmbH dem Parlament öffentlich zugänglich machen. Sie haben den Versuch gemacht, das in einem unzuständigen Ausschuss zu tun, nämlich im Ständigen Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses. Da es sich bei diesen Verträgen mit EADS nachweislich um keine nachrichtendienstlichen Angele­genheiten handelt, wie es in der Geschäftsordnung für diesen Unterausschuss vor­gesehen ist, ist es zu Recht dort nicht zu Verhandlungen darüber gekommen.

Wir haben aber – vielleicht ist Ihnen das nicht so geläufig – einen Landesverteidigungs­ausschuss, in welchem auch diese Themen debattiert werden können, und wir sind der Ansicht, dass dieser ganze Fragenkomplex im „normalen“ – unter Anführungszeichen – Landesverteidigungsausschuss von Ihnen vorzutragen und dort öffentlich zu machen ist.

Ich darf deshalb im Namen der FPÖ folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter betreffend Offenlegung der Verträge und Unterlagen betreffend der Beschaffung von Kampf­flugzeugen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, längstens jedoch bis zum 15. Dezember 2007, sämtliche Akten, Unterlagen, Schriftstücke, Handzettel etc. aus dem BMLV, BMF, BMWA, und der Finanzprokuratur und der entsprechenden Kabinette bezüglich der Verhandlungen und Vereinbarungen der Republik Österreichs mit der EADS und der Eurofighter GmbH, sowie aller Firmen, welche in diese Verhandlungen und Vereinbarungen eingebunden waren, seit dem Amtsantritt von Minister Norbert Darabos, betreffend den Ankauf von Kampfflugzeugen der Type Eurofighter Typhoon sowie bezug habender Kompensationen, soweit sie noch nicht dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Beschaffung von Kampf­flug­zeugen zugeleitet worden sind, zuzuleiten.“

*****

Herr Bundesminister, wir halten das deshalb für notwendig, weil Sie ja durch Ihre neuen Verhandlungen mit EADS und der Eurofighter GmbH Einsparungen behaupten, weil es aber Experten gibt, die diesen Einsparungseffekt bezweifeln, weil durch den Verzicht auf die Leistungen dieser Firma nicht jene Einsparungen auf einen längeren Zeitraum zu verzeichnen sind, die Sie behaupten.

Als Abgeordnete des Hohen Hauses, die daran interessiert sind, dass wir zum einen eine sparsame öffentliche Gebarung haben, zum anderen aber auch die Luftraum­überwachung sicherstellen, ersuchen wir Sie, diesem Entschließungsantrag nachzu­kommen, beziehungsweise im Rahmen der Bundesregierung auch die anderen Minis­terien, diesem Ersuchen nachzukommen. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

23.52



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 335

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Bösch einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haimbuchner, Dr. Bösch und weiterer Abgeordneter betreffend Offenlegung der Verträge und Unterlagen betreffend der Beschaffung von Kampf­flugzeugen; eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Landesverteidigungs­ausschusses über die Regierungsvorlage (65 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001 und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert werden (399 d.B.) in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007

Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung Mag. Norbert Darabos hat laut Anfra­gebeantwortung 1138/AB am 24. Juni 2007 einen Vergleich mit der Eurofighter GmbH abgeschlossen.

Dieser Vergleich beinhaltet die Reduzierung der Stückzahl der zu beschaffenden Euro­fighter von 18 auf 15 Stück, statt Tranche 2 Tranche 1 und sechs gebrauchte Abfangjäger der deutschen Bundeswehr.

Die Reduzierung des Vertrages beläuft sich nach Aussagen von Minister Darabos auf 370 bis 400 Millionen Euro. Jedoch sollen lediglich 250 Millionen Euro aus einer Redu­zierung der Verträge V 1 und V 2 resultieren. Die übrigen 120 bis 150 Millionen Euro ergeben sich aus einer Reduktion der Betriebskosten, hochgerechnet auf 30 Jahre.

Experten sind der Ansicht, dass die Leistungen, auf die verzichtet wurde, einen bedeutend höheren Wert haben als 250 Millionen Euro.

Laut Anfragebeantwortung 1304/AB können keine genauen Angaben zu den Stück­preisen eines Eurofighters Tranche 2, Tranche 1 und gebraucht Tranche 1 gemacht werden.

Weiters erwarten Experten durch die Stückzahlreduzierung und den Verzicht auf Tranche 2 langfristige Mehrkosten.

Somit ist für das Parlament die Nachvollziehung von tatsächlichen Einsparungen oder Mehrkosten nicht gegeben.

Der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein und Minister Darabos sind sich zudem in der Frage uneinig, wer die Verantwortung für die Redu­zierung der Gegengeschäfte trägt, welche von der Eurofighter GmbH bestätigt wurden. Jedoch ohne genauen Zahlen zu nennen, ebenso wenig wurden durch die zu-stän­digen Minister genaue Zahlen genannt. Die betroffenen Firmen wurden ebenfalls nicht informiert.

Der Herr Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer kündigte laut „apa“ vom 12. November 2007 die Offenlegung des Vertrages an.

Aufgrund der Vielzahl der offenen Fragen, welche dem Parlament nicht beantwortet wurden, kann eine Übermittlung des Vertrages alleine, welcher nach verschiedenen Berichten lediglich sieben bis 15 Seiten umfasst, das Parlament nicht ausreichend informieren.


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Der Rechtsexperte Theo Öhlinger vertritt zudem die Ansicht, dass „der RH nur die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit prüfen kann, nicht aber die politische Dimension“, laut „Standard“ vom 21. März 2006.

Somit ist eine umfassende Übermittlung sämtlicher Unterlagen betreffend des Ver­gleichs und der Vergleichsverhandlungen an das Parlament, zur Wahrung der politischen Kontrolle durch die Legislative, unerlässlich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich, längstens jedoch bis zum 15. Dezember 2007, sämtliche Akten, Unterlagen, Schriftstücke, Handzettel etc. aus dem BMLV, BMF, BMWA,  und der Finanzprokuratur und der entsprechenden Kabinette bezüglich der Verhandlungen und Vereinbarungen der Republik Österreichs mit der EADS und der Eurofighter GmbH, sowie aller Firmen, welche in diese Ver­handlungen und Vereinbarungen eingebunden waren, seit dem Amtsantritt von Minister Norbert Darabos, betreffend den Ankauf von Kampfflugzeugen der Type Eurofighter Typhoon sowie bezug habender Kompensationen, soweit sie noch nicht dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Beschaffung von Kampfflug­zeugen zugeleitet worden sind, zuzuleiten.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.53.14

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch Herrn Pilz in Erinnerung rufen, dass die Österreichische Volkspartei unter der Regierung Schüssel II mit der Freiheitlichen Partei 18 neue Flieger bestellt hat und diese 18 Flieger nach einer unabhängigen Bewer­tung bestellt wurden. – Dies einmal zur Orientierung.

Weiters: Herr Bundesminister für Landesverteidigung Darabos hat 15 Eurofighter bestellt, die zum Teil gebraucht sind. Diesbezüglich liegt beim Rechnungshof ein Antrag vor, auf dessen Beantwortung wir noch warten. Die Österreichische Volkspartei ist selbstverständlich daran interessiert, wie diese Vereinbarung aussieht. Der Herr Bundesminister wird uns diesbezüglich sicher eine Möglichkeit vorschlagen, wo und in welcher Form er uns diese Vereinbarung zur Verfügung stellen wird. Wir haben sehr wohl Interesse daran und haben dies auch x-Mal bekundet.

Heute geht es jedoch um den Rechtsschutz für Militärpiloten im Luftraumüber­wachungsdienst. Wir haben eine Rechtsschutzversicherung für Grundwehrdiener und Ausbildungspersonen, die jedoch nicht ausreichend ist für Militärpiloten im Luftraum­überwachungsdienst. Und deswegen fordern wir gerade für diese Personen, die in diesen schwierigen Situationen ad hoc und sofort entscheiden müssen, das Richtige zu tun, eine Rechtsschutzversicherung, die ausreichend ist.

Darüber hinaus möchten wir auch die im Entschließungsantrag formulierte Forderung stellen, für alle Militärpersonen und Besatzung, insbesondere natürlich für andere


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 337

Piloten eine solche Rechtsschutzversicherung abzuschließen. – Das wäre der Inhalt der Vorlage. (Beifall bei der ÖVP.)

23.55


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.55.35

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundes­minister! Namens des freiheitlichen Klubs habe ich die Aufgabe, zwei Entschließungs­anträge einzubringen.

Der erste Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Landesverteidigung wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Dr. Bösch, Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtentsendung von österreichischen Soldaten in den Tschad

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Beschluss vom 7. November 2007 zur Entsendung österreichischer Soldaten in den Tschad ausdrücklich aufzuheben.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Letzterer Antrag schließt an das an, was Kollege Pilz gesagt hat, und wäre mehrheits­fähig.

Der erste Antrag gründet sich auf folgende Überlegungen:

Nummer eins: Der budgetierte Betrag von 25 Millionen € ist ausschließlich aus den Mitteln des Verteidigungsbudgets zu decken, das ohnedies an Not leidet.

Nummer zwei: Die politisch-militärische Entschlusslage gründet sich nicht auf Fakten, die laufend der notwendigen Adaptierung zu unterliegen wären. Im heutigen „Mittags­journal“ hieß es: „Die Situation hat sich dahingehend verändert, dass wir dort wirklich einen Krieg haben. Das war vor ein paar Wochen noch nicht der Fall.“


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Nächster Punkt: Ich bin der Auffassung, dass der Verteidigungsminister wohl auch durch die Außenministerin in das Szenario hineinmanövriert worden ist. Die Bundes­ministerin für europäische und internationale Angelegenheiten hat am 25. November 2007 Folgendes verlauten lassen: Wir können die militärische Lage im Tschad nicht einschätzen, aber den Einsatz verantworten. – Zitatende. (Abg. Dr. Schüssel: Das stimmt nicht! Das hat sie nicht gesagt!)

Pardon! Ich habe eine kurze Redezeit, ich gehe nachher auf Ihre „Gespräche“ ein. (Abg. Dr. Schüssel: Das ist aber falsch! Das ist ein falsches Zitat!) – Vielleicht ist es ein falsches Zitat, aber es könnte so gewesen sein, denn der Geist, der dahinter ist, ist richtig!

Weiters: Ich fürchte eine Gefährdung der österreichischen Soldaten, die verharmlost wird. Es ist keine Frage, dass Österreich für humanitäre Einsätze zur Verfügung zu stehen hat – das war auch nie bestreitbarer Punkt seitens der FPÖ –, aber: Auf halben Wegen und mit halben Mitteln, hat Grillparzer gesagt.

Das ist ein Riesengebiet mit einer sich ständig verändernden Gefährdungslage, mit ungenügender Härtung und vielleicht ungenügendem Kampfauftrag. Das Hemd ist mir näher als der Rock. Der österreichische Soldat ist mir wichtiger als eine mögliche Gefähr­dungsbeendigung, die im französischen Einflussraum steht, daher die von mir eingebrachten Entschließungsanträge. (Beifall bei der FPÖ.)

23.58


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die beiden soeben von Herrn Abgeordnetem Dr. Fichtenbauer eingebrachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer und weiterer Abgeordneter betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung; eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht und Antrag des Landesverteidigungs­ausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Auslandseinsatz­gesetz 2001 und das Militärbefugnisgesetz geändert werden (400 d.B.) in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007

„Der Tschad ist kein Kriegsgebiet und die Lage ist stabil.“ Dies waren die Worte von Bundesminister Darabos am 6. November 2007 gegenüber der  Austria Presse Agentur.

Anfang Oktober 2007 wurde Bundesminister Darabos zitiert: „Die Tschad-Mission der EU ist absolut notwendig, damit Sicherheit und Stabilität an der Grenze zu Darfur gewährleistet wird.“ Ein Monat später, am Mittwoch, den 7. November 2007 beschloss der Ministerrat die Beteiligung des Österreichischen Bundesheeres an der gemein­samen Aktion der EU im Tschad.

Am 6.November 2007 stellte Darabos in der OTS0136 fest:

„Es wird ein zentrales Wesensmerkmal der Mission sein, strikte Unparteilichkeit gegenüber den Fraktionen aktueller innertschadischer Konflikte zu wahren.“...

„Dieser Einsatz wurde politisch und militärisch präzise vorbereitet.“

In einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“, auch zu finden unter OTS0355, 7. November 2007, erklärt Bundesminister Darabos:


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„Jeder Auslandseinsatz wird am Beginn mit Misstrauen gesehen. Wir müssen der Bevölkerung jetzt erklären, dass er notwendig ist. Das hat außenpolitische Dimen­sionen, die man nicht an Umfragen messen kann.“

Die Lagebeurteilung in der „Militärstrategischen Weisung Nr. 2“ des Bundes­minis­teriums für Landesverteidigung vom 9. November 2007 besagt im Gegensatz zu den Aussagen von Bundesminister Darabos:

„1. LAGE

1.1. Lage im Einsatzraum

1.1. 1. Allgemein

Die Lage im TSCHAD ist einerseits geprägt von interethnischen Auseinander­setzun­gen mit Bürgerkriegscharakter, wobei es das erklärte Ziel eines Großteils der Rebellen­gruppierungen ist,  die Regierung, insbesondere aber den Präsidenten zu stürzen. Andererseits nimmt die äußerst instabile Lage im sudanesischen DARFUR und die daraus resultierende hohe Zahl von sudanesischen Flüchtlingen und tschadischen Binnenflüchtlingen Einfluss auf die Lage im Ost-TSCHAD.

1.1 .2. Politische Lage

Am 26 10 07 unterzeichneten die tschadische Regierung und die einflussreichsten Rebellengruppen in LIBYEN ein Friedensabkommen, jedoch muss der Wert dieses Abkommens angesichts der Neigung der verschiedenen Gruppierungen zur Frak­tionalisierung in Frage gestellt werden. Darüber hinaus haben die Rebellen die Zeit der Verhandlungen zur Aufrüstung, personellen Konsolidierung und Besetzung von ope­rationell wichtigen Räumen entlang der sudanesischen Grenze genutzt, was den Schluss zulässt, dass diese Milizen den bewaffneten Widerstand gegen die tschadi­sche Regierung weiterhin als Erfolg versprechende Option betrachten. Die Präsenz der französischen Kräfte im TSCHAD gilt zwar allgemein als stabilisierender Faktor, die eindeutige Parteinahme der Franzosen für Präsident Idris DEBY könnte aber den Handlungsspielraum der EUFOR begrenzen und in letzter Konsequenz zu einer Parteienstellung der EU-Friedenstruppe führen.

Die politische Lage im sudanesischen DARFUR-Konflikt wird von einem Scheitern des Friedensprozesses gekennzeichnet, was sich in einem völligen Verfall der Sicher­heitslage niederschlägt. Auch auf diesem Schauplatz ist die laufende Bildung von neuen Splittergruppen unter den verschiedenen Rebellenmilizen zu beobachten, was mögliche zukünftige Verhandlungen extrem erschwert. Darüber hinaus stellt das Nicht­zustandekommen des Friedensabkommens die Stationierung der geplanten VN-AU-hybrid-Friedenstruppen in Frage, womit eine Stabilisierung DARFURs in weite Feme rückt.

1.1.3. Sicherheitslage

Nach heftigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellenmilizen mit mehr als 20 Toten im Raum von GUEREDA verhängte die Regierung am 16 10 07 über weite Teile des Nord- und Ost-TSCHADs für vorerst 12 Tage den Ausnahmezustand. Dieser wurde in der Zwischenzeit bis Mitte Dezember 2007 verlängert.

Nach dem Friedensabkommen von LIBYEN halten sich von den etwa 7.000 erkannten Rebellenmilizen die etwa 1.500 Kämpfer der GOCK-FUC (ethnische TAMA) in Ruhe­räumen der Provinz WADI FIRA auf und scheinen sich derzeit an das Abkommen halten zu wollen. Die restliche ca. 5,500 Mann stehen in DARFUR an der Grenze zum TSCHAD und könnten von dort aus jederzeit zu Aktionen im Ost-TSCHAD ansetzen. Von diesen Kräften verfügt die größte Miliz der UFDD (ethnische GORAN und TOUBOU) mit einer Stärke von etwa 3.000 über die beste Bewaffnung und


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Ausrüstung: neben SA-7 wurden ZPU-23/4 sowie 10,6 rPAK (vehicle mounted) er­kannt. Dieser Miliz wurde der MANPAD-Angriff auf ein französisches Aufklärungs­flugzeug im Oktober 2006 und der Abschuss einer tschadischen Maschine im November 2006 zugeschrieben.

Unter dem Gesichtspunkt, dass sich die noch aktiven Rebellengruppen den Sturz von Präsident DEBY zum Ziel gesetzt haben, ist mit der Möglichkeit eines Wiederaufflam­mens der bewaffneten Auseinandersetzungen zu rechnen. Dabei ist nicht auszu­schließen, dass die Rebellen - wie bereits im April 2006 - auch die Hauptstadt NDJAMENA angreifen. Die Vorwarnzeit für einen derartigen Angriff würde dabei voraussichtlich einige wenige Tage betragen. Ob in einem derartigen Anlassfall auch dieses Mal die französischen Streitkräfte auf der Seite der Regierungstruppen in die Kämpfe eingreifen würden, kann derzeit nicht beurteilt werden.

Da im TSCHAD wie auch im benachbarten SUDAN die ethnische Zusam­men­gehörigkeit über eine eventuelle politische Agenda zu stellen ist, werden auch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Volksgruppen bzw. ihren Milizen zu erwarten sein. Diese werden meist ohne Vorwarnung, auch grenzüber­schreitend aus dem SUDAN in Form von lokalen Gefechten auftreten. Dabei ist eine Unterstützung durch sudanesische Streitkräfte in Form von Luft- und/oder Artillerie­unterstützung zwar möglich, derzeit aber wenig wahrscheinlich.

Die Existenz von bewaffneten Elementen mit kriminellem Hintergrund ist evident. Deren Aktivitäten sollten sich auf Hinterhalt und Überfall beschränken, wobei ein entsprechend umsichtiges und entschiedenes Auftreten die Gefährdung minimieren sollte.

Die Existenz von UXOs im vorgesehenen Einsatzraum ist erwiesen, bei einem Großteil der Opfer handelt es sich jedoch um spielende Kinder (lt. OCHA 182 Tote vom 01 Jän07 bis 30Sep07). Über Verluste der tschadischen Streitkräfte, den Rebellen und auch den französischen Kräfte liegen keine Berichte vor, obwohl alle diese ungehärtete Fahrzeuge verwenden.

1.1.4. Bewertung

In den meisten Fällen werden die Truppen der EUFOR vermutlich nicht das eigentliche Ziel der Angriffe sein, Auswirkungen der Kampfhandlungen auf die Eigenen können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus birgt die Parteinahme FRANKREICHs für die tschadische Regierung und Präsident DEBY die Gefahr einer direkten Involvierung der EUFOR in die bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Lage ist nicht ruhig und nicht stabil, die Bedrohung für die Eigenen ist hoch.“

Erstellt wurde dieses Papier anscheinend am 9. November 2007, am Tag der Berichterstattung von Bundesminister Darabos an den Hauptausschuss und Beschluß­fassung der Entsendung in den Tschad durch den Hauptausschuss im Parlament.

Am 22. November wurde von der Austria Presse Agentur Generalmajor Christian Segur-Cabanac zitiert:

„Generell wird die Lage im Tschad derzeit als mittel und daher stabil eingestuft.“

Die Ausbildungsmaßnahmen für unsere Soldaten wurden geschildert:

„Thema bei den Vorbereitungen ist auch das Problem der Kindersoldaten. In erster Linie versuche man, solchen Situationen auszuweichen und einfach davonzufahren, wenn sich ein Kontakt mit Kindersoldaten abzeichnet, erklärte Weissenbacher. Sollte es trotzdem zu einem Zusammentreffen kommen, setzten die Soldaten auf „De­eskalation“. Sie zeigen ihre Handflächen, machen sich kleiner und begeben sich auf


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Augenhöhe mit den Kindern. Das Wichtigste in solchen Situationen sei es, dees­kalierend zu wirken.

Und der Bundesminister verkündete zur Abwechslung, dass der Einsatz im Tschad „überschaubar und bewältigbar“ ist.

Am 26. November 2007 berichtete die Austria Presse Agentur unter dem Titel „Schwere Kämpfe im Tschad im Einsatzgebiet künftiger EU-Truppe“ folgendes:

„Im Osten des Tschad nahe an der Grenze zur westsudanesischen Krisenprovinz Darfur sind am Montag schwere Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen ausgebrochen. Der britische Rundfunksender BBC berichtete unter Berufung auf Hilfsorganisationen in der Region, seit dem Morgen werde an mehreren Orten östlich der Provinzkleinstadt Abéché mit Maschinengewehren und schweren Feuerwaffen heftig gekämpft. Diese Region soll auch das Einsatzgebiet der EU-Friedenstruppe sein, die Anfang kommenden Jahres im Osten des Tschad stationiert werden soll. Auch 160 Soldaten des österreichischen Bundesheers beteiligen sich an der Mission.

Diese Nachricht wurde von Bundesminister Darabos nur lapidar abgetan: „Ja, es gibt ein Risiko. Aber das gibt es überall, und wenn wir nur dort hingehen, wo ein Risiko zu hundert Prozent auszuschließen ist, dann bräuchten wir überhaupt nirgendwo hingehen.“

Schon am 30. November 2007, bemerkenswerter Weise genau während der Sitzung des Landesverteidigungsausschusses, schlug folgende Nachricht, APA0284, mit dem Titel „Rebellen im Tschad drohen ausländischen Truppen“ ein:

„Nach heftigen Kämpfen im Osten des Tschad hat die Rebellengruppe Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD) französischen und anderen auslän­dischen Truppen massiv gedroht. „Ab sofort“ befinde sich die UFDD „im Kriegszustand mit der französischen Armee und jeder anderen ausländischen Militärmacht auf nationalem Gebiet“, sagte der Sprecher Mahamad Hassane Boulmaye am Freitag. Auch Österreich sollte noch im Dezember erste Soldaten als Teil der EU-Friedens­truppe EUFOR in den Tschad schicken.

In einer Pressemitteilung hieß es, die UFDD verurteile entschieden die Haltung der französischen Armee bei den heftigen Kämpfen vom Donnerstag. Laut Boulmaye überflogen französische Flugzeuge Stellungen der Rebellen.

Am 4. Dezember 2007 schrieb die Tageszeitung „Der Standard“ unter dem Titel „US-Studie warnt EU vor Risiken im Tschad - Eufor-Truppe zu klein, um Rebellen abzuschrecken – Ausstiegsszenario fehlt“ folgendes:

„Zu gering dimensioniert, logistisch aufwändiger als bisher bekannt und ohne Zukunfts­perspektive: Das ist die Einschätzung der Eufor-Mission in den Tschad aus der Sicht des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston. Dessen „Security Study Program“ veröffentlichte soeben eine Studie mit dem Titel „African Adventure?“ – wobei Studienautor Björn Seibert das Abenteuerliche der Planung beson­ders unterstreicht.

Seibert, der vor seinem Engagement in Boston für die Deutsche Bundeswehr tätig war, rechnete unter anderem nach, dass die vorgesehene Truppengröße der Eufor (rund 3700, ein endgültiger Beschluss steht immer noch aus) viel zu gering ist, um aus­reichend Sicherheit in der Region zu schaffen.

Um dies bewerkstelligen zu können, wären eher 12.500 Mann notwendig: „Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der EU-Mission ist die Fähigkeit, glaubwürdige Präsenz im Einsatzgebiet zu zeigen.“ Selbst 12.500 Mann ergäben nur eine Präsenz von 0,06 EU-Soldaten pro Quadratkilometer. Seibert erinnert daran, dass die „Operation


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Turquoise“, mit der die UNO 1994 in Ruanda eine Schutzzone einzurichten versucht hat, vor allem wegen der zu geringen Truppenstärke gescheitert ist. Dort kamen rechnerisch 0,35 Soldaten auf einen Quadratkilometer.

Wenn man einen Aufmarsch schon so dünn plane, dann müsse man wenigstens mit Hubschraubern den Eindruck einer „omnipräsenten Streitmacht“ erzeugen. Aber, wie der Standard berichtete, mangelt es gerade an wüstentauglichen Hubschraubern.

Unkalkulierbar seien die Kosten der Mission – obwohl die geplanten Aufmarschzeiten realistisch eingeschätzt wurden, seien Engpässe beim Lufttransport und hohe Miet­kosten bei Transportflugzeugen zu erwarten. Wenn auch nur ein Fünftel des Bedarfs eingeflogen werden muss, sind die Kosten allein dafür zwischen 6,29 und 11,55 Millionen Euro anzusetzen.

Wobei die Versorgung während der Folgemonate noch gar nicht eingerechnet ist. Auch weiß niemand, für wie viele Folgemonate man kalkulieren müsste.

Die Studie verweist nämlich darauf, dass keineswegs abschätzbar ist, wie lange das afrikanische Abenteuer der EU wirklich dauern soll. Es sei „unwahrscheinlich, dass die Eufor von einer Nachfolge-Truppe der UN nach einem Jahr abgelöst wird“.

Dann aber kämen neue Probleme: „Da der Konflikt wenig Chance hat, rasch gelöst zu werden, lässt sich die EU womöglich auf eine Langzeit-Mission ein.“ Folge: Daheim würde die Unterstützung für einen sich hinziehenden kostspieligen Einsatz mehr und mehr schwinden.

Gleichzeitig würde die Eufor, je länger sie im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik bleibt, auch immer tiefer in das verworrene Netz der Konflikte verstrickt, von denen die Region seit 20 Jahren heimgesucht wird.“

Am selben Tag berichtet die Tageszeitung „Die Presse“:

„Frankreich schützt nicht nur Flüchtlinge, sondern auch den Präsident des Tschad Idriss Déby.

Die Begeisterung für den von Frankreich gewünschten Eufor-Einsatz im Tschad hielt sich innerhalb der EU von Beginn an in Grenzen. Wachsende Spannungen zwischen dem Regime von Präsident Idriss Déby und diversen tschadischen Rebellen haben die Skepsis geschürt. Die im Osten des Landes operierende Rebellenarmee von General Mahamat Nouri hat den bereits im Tschad anwesenden französischen Truppen de facto den Krieg erklärt.

Laut Communiqué von Nouris UFDD von Ende letzter Woche befinden sich die Rebellen im Kriegszustand mit Frankreich. Ein Sprecher der UFDD bezog in einem Interview mit dem ,Profil‘ gleich auch die 160 österreichischen Soldaten mit ein, die an der rund 3400 Mann starken Eufor-Truppe teilnehmen sollen. Die Hälfte des Kontin­gents stellt Frankreich.

Vorbedingung der EU-Partner für eine Teilnahme im Tschad ist die strikte Neutralität gegenüber den Auseinandersetzungen im Gastland. Doch ist Frankreich nicht Partei? Im Rahmen der französischen Operation ,Epervier‘ (Sperber) sind derzeit 1100 bis 1200 Soldaten im Tschad im Einsatz.

Ihre Aufgabe besteht aufgrund eines Kooperationsabkommens von 1976 in medizini­scher und logistischer Hilfe sowie in der Aufklärung. Nach offizieller Darstellung beteiligen sie sich nicht direkt an den Kämpfen. In Wirklichkeit verhalten sich die französischen Militärs aber nicht unparteiisch. Aufgrund der französischen Aufklä­rungsflüge verfügt die Regierungsarmee über Informationen, die über den Ausgang der Gefechte entscheiden können.


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Im April 2006 griffen französische Militärjets auch direkt ein, in mindestens einem Fall feuerte ein Mirage-Flugzeug Warnschüsse auf Rebellen ab, die auf die Hauptstadt Ndjamena marschierten.

Und nochmals berichtet „Der Standard“:

„Neue Fronten im Ost-Tschad - Zwei weitere Rebellengruppen sagen der Regierung den Kampf an.

Die Lage im Osten des Tschad kippt immer mehr in Richtung eines Bürgerkriegs. Nach den ,Vereinten Kräfte für Demokratie und Entwicklung‘ (UFDD) kämpfen seit dem Wochenende weitere Rebellengruppen gegen die tschadische Armee. Der Sprecher der ,Vereinten Kräfte für den Wandel‘ (RFC), Id Moura Maïde, erklärte am Montag, die tschadische Luftwaffe habe am Samstag ihre Stellungen im fernen Nordosten des Landes nahe der libyschen Grenze bombardiert. Daraufhin seien schwere Kämpfe ausgebrochen. 200 Kampfwagen der RFC sollen derzeit im Osten des Landes unter­wegs sein. Die RFC hatte als erste Rebellengruppe einen Waffenstillstand annulliert, der erst Ende Oktober in Libyen ausgehandelt worden war.

Sprecher beider Rebellengruppen kündigten am Montag an, ihre Angriffe gegen die Regierung miteinander abzustimmen. ,Wir koordinieren uns, aber jeder kämpft für sich‘, so Maïde. Die Zusammenarbeit der Rebellen ist erstaunlich, weil ihre Interessen gegensätzlich sind: Die RFC gilt als Bewegung enttäuschter Zaghawa, einer großen Volksgruppe, der auch Präsident Idriss Déby angehört.

Die UFDD hingegen, die sich aus ethnischen Tubu rekrutiert, kämpft gegen die Vor­herr­schaft der Zaghawa in Politik und Militär. Als dritte Kraft kam am Montag die ,Vereinte Front für den Wandel‘ (FUC) von Mahammat Nour ins Spiel: Nour, der seine Hochburg in der größten ost-tschadischen Stadt Abéché hat, war am Samstag von Déby aus seinem Amt als Verteidigungsminister entlassen worden. Schon vor Monaten hatte Nour seine Armee aus ethnischen Tama kampfbereit gemacht, unter den Augen der Vorausmission der Europäischen Union. Nour, der nach seiner Entlassung in die libysche Botschaft floh, hat angeblich bereits das Kommando zum Angriff gegeben.

,Es gibt ein Bündnisabkommen zwischen der FUC und uns. Sobald die FUC-Kämpfer bereit sind, werden wir gemeinsam Stellungen der Regierung angreifen‘, erklärte UFDD-Generalsekretär Abakar Tollimi. Mindestens 40 Pick-up-Trucks, ,bis obenhin voll gepackt mit FUC-Kämpfern‘, würden in den kommenden Tagen zu den UFDD-Truppen stoßen.

Für die EU-Truppe unter österreichischer Beteiligung, deren 3700 Soldaten in den kommenden Wochen im Tschad stationiert werden sollen, um Flüchtlinge aus Darfur zu schützen, ist die Allianz aus den Rebellengruppen gleich mehrfach eine schlechte Nachricht. Die starke Position der Rebellen erhöht zum einen die Wahrscheinlichkeit langanhaltender Kämpfe. Zum anderen dürften RFC und FUC sich der Position der UFDD anschließen, auch die Verbündeten des seit 17 Jahren autoritär regierenden tschadischen Präsidenten Déby als ihre Feinde zu betrachten. Frankreichs Armee führt mit ihren in der Hauptstadt N’Djamena stationierten Mirage-Jets schon seit Monaten Aufklärungsflüge nahe der Grenze zum Sudan durch. Schon mehrfach waren die Rebellen wegen der Ergebnisse dieser Luftbeobachtung von tschadischen Truppen zurückgeschlagen worden.“

Nach den geschilderten Lagebildern muss man kein General sein, um festzustellen, dass die Lage im Tschad alles andere als „STABIL“ ist. Die Gefährdung unserer Sol­daten ist höher denn je, eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht. Die Unparteilichkeit der europäischen Truppen ist auf Grund des Engagements Frank-


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reichs im Tschad nicht mehr gegeben. Rebellentruppen erklärten allen ausländischen Militärs den Krieg.

Die Kosten von angeblich 25 Millionen Euro sind vom Bundesministerium für Lan­desverteidigung zu tragen, obwohl die Landesverteidigung weder genug Geld für die Bundesheerreform noch für die notwendige Ausrüstung unserer Soldaten zur Verfügung hat. Einige für diesen Einsatz notwendige Ausrüstungsgegenstände sind noch nicht einmal beschafft worden. Im Bereich der Einsatzunterstützung heißt es laut Weisung Nr. 2, dass vertragliche Leistungen und bilaterale Abkommen derzeit nicht vorhanden sind.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die meisten Armeen nicht für alle Klimazonen und Einsatzgebiete gerüstet sind, sondern sich spezialisieren. Österreich hat nicht die Ausrüstung und die finanziellen Mittel überall Einsätze durchzuführen.

Die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten hat am 25.11.07 folgendes verlauten lassen: „Wir können die militärische Lage im Tschad nicht einschätzen aber den Einsatz verantworten.“ Vielleicht liegt diese wider­sprüch­liche Einschätzung darin begründet, daß der Einsatz des Österreichischen Bundes­heeres im Tschad eine zu erbringende Vorleistung für den von Ihnen angestrebten nicht permanenten Sitz Österreichs im UN-Sicherheitsrat ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Landesverteidigung wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Dr. Bösch, Weinzinger und weiterer Abgeordneter betreffend Nichtentsendung von österreichischen Soldaten in den Tschad; eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht und Antrag des Landesverteidigungs­aus­schusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Auslands­einsatz­gesetz 2001 und das Militärbefugnisgesetz geändert werden (400 d.B.) in der 41. Sitzung des Nationalrates am 5. Dezember 2007

„Der Tschad ist kein Kriegsgebiet und die Lage ist stabil.“ Dies waren die Worte von Bundesminister Darabos am 6. November 2007 gegenüber der  Austria Presse Agen­tur.

Anfang Oktober 2007 wurde Bundesminister Darabos zitiert: „Die Tschad-Mission der EU ist absolut notwendig, damit Sicherheit und Stabilität an der Grenze zu Darfur gewährleistet wird.“ Ein Monat später, am Mittwoch, den 7. November 2007 beschloss der Ministerrat die Beteiligung des Österreichischen Bundesheeres an der gemein­samen Aktion der EU im Tschad.

Am 6.November 2007 stellte Darabos in der OTS0136 fest:

„Es wird ein zentrales Wesensmerkmal der Mission sein, strikte Unparteilichkeit gegenüber den Fraktionen aktueller innertschadischer Konflikte zu wahren.“


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 345

„Dieser Einsatz wurde politisch und militärisch präzise vorbereitet.“

In einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“, auch zu finden unter  OTS0355, 7. November 2007, erklärt Bundesminister Darabos:

„Jeder Auslandseinsatz wird am Beginn mit Misstrauen gesehen. Wir müssen der Bevölkerung jetzt erklären, dass er notwendig ist. Das hat außenpolitische Dimen­sionen, die man nicht an Umfragen messen kann.“

Die Lagebeurteilung in der „Militärstrategischen Weisung Nr. 2“ des Bundes­minis­teriums für Landesverteidigung vom 9. November 2007 besagt im Gegensatz zu den Aussagen von Bundesminister Darabos:

„1. LAGE

1.1. Lage im Einsatzraum

1.1. 1. Allgemein

Die Lage im TSCHAD ist einerseits geprägt von interethnischen Auseinander­set­zungen mit Bürgerkriegscharakter, wobei es das erklärte Ziel eines Großteils der Rebellengruppierungen ist, die Regierung, insbesondere aber den Präsidenten zu stürzen. Andererseits nimmt die äußerst instabile Lage im sudanesischen DARFUR und die daraus resultierende hohe Zahl von sudanesischen Flüchtlingen und tscha­dischen Binnenflüchtlingen Einfluss auf die Lage im Ost-TSCHAD.

1.1 .2. Politische Lage

Am 26 10 07 unterzeichneten die tschadische Regierung und die einflussreichsten Rebellengruppen in LIBYEN ein Friedensabkommen, jedoch muss der Wert dieses Abkommens angesichts der Neigung der verschiedenen Gruppierungen zur Fraktio­nalisierung in Frage gestellt werden. Darüber hinaus haben die Rebellen die Zeit der Verhandlungen zur Aufrüstung, personellen Konsolidierung und Besetzung von operationell wichtigen Räumen entlang der sudanesischen Grenze genutzt, was den Schluss zulässt, dass diese Milizen den bewaffneten Widerstand gegen die tscha­dische Regierung weiterhin als Erfolg versprechende Option betrachten. Die Präsenz der französischen Kräfte im TSCHAD gilt zwar allgemein als stabilisierender Faktor, die eindeutige Parteinahme der Franzosen für Präsident Idris DEBY könnte aber den Handlungsspielraum der EUFOR begrenzen und in letzter Konsequenz zu einer Parteienstellung der EU-Friedenstruppe führen.

Die politische Lage im sudanesischen DARFUR-Konflikt wird von einem Scheitern des Friedensprozesses gekennzeichnet, was sich in einem völligen Verfall der Sicher­heitslage niederschlägt. Auch auf diesem Schauplatz ist die laufende Bildung von neuen Splittergruppen unter den verschiedenen Rebellenmilizen zu beobachten, was mögliche zukünftige Verhandlungen extrem erschwert. Darüber hinaus stellt das Nichtzustandekommen des Friedensabkommens die Stationierung der geplanten VN-AU-hybrid-Friedenstruppen in Frage, womit eine Stabilisierung DARFURs in weite Feme rückt.

1.1.3. Sicherheitslage

Nach heftigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellenmilizen mit mehr als 20 Toten im Raum von GUEREDA verhängte die Regierung am 16 10 07 über weite Teile des Nord- und Ost-TSCHADs für vorerst 12 Tage den Ausnahmezustand. Dieser wurde in der Zwischenzeit bis Mitte Dezember 2007 verlängert.

Nach dem Friedensabkommen von LIBYEN halten sich von den etwa 7.000 erkannten Rebellenmilizen die etwa 1.500 Kämpfer der GOCK-FUC (ethnische TAMA) in Ruhe­räumen der Provinz WADI FIRA auf und scheinen sich derzeit an das Abkommen


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halten zu wollen. Die restliche ca. 5,500 Mann stehen in DARFUR an der Grenze zum TSCHAD und könnten von dort aus jederzeit zu Aktionen im Ost-TSCHAD ansetzen. Von diesen Kräften verfügt die größte Miliz der UFDD (ethnische GORAN und TOUBOU) mit einer Stärke von etwa 3.000 über die beste Bewaffnung und Aus­rüstung: neben SA-7 wurden ZPU-23/4 sowie 10,6 rPAK (vehicle mounted) erkannt. Dieser Miliz wurde der MANPAD-Angriff auf ein französisches Aufklärungsflugzeug im Oktober 2006 und der Abschuss einer tschadischen Maschine im November 2006 zugeschrieben.

Unter dem Gesichtspunkt, dass sich die noch aktiven Rebellengruppen den Sturz von Präsident DEBY zum Ziel gesetzt haben, ist mit der Möglichkeit eines Wieder­aufflammens der bewaffneten Auseinandersetzungen zu rechnen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass die Rebellen - wie bereits im April 2006 - auch die Hauptstadt NDJAMENA angreifen. Die Vorwarnzeit für einen derartigen Angriff würde dabei voraussichtlich einige wenige Tage betragen. Ob in einem derartigen Anlassfall auch dieses Mal die französischen Streitkräfte auf der Seite der Regierungstruppen in die Kämpfe eingreifen würden, kann derzeit nicht beurteilt werden.

Da im TSCHAD wie auch im benachbarten SUDAN die ethnische Zusammen­gehörigkeit über eine eventuelle politische Agenda zu stellen ist, werden auch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Volksgruppen bzw. ihren Milizen zu erwarten sein. Diese werden meist ohne Vorwarnung, auch grenzüber­schreitend aus dem SUDAN in Form von lokalen Gefechten auftreten. Dabei ist eine Unterstützung durch sudanesische Streitkräfte in Form von Luft- und/oder Artillerie­unterstützung zwar möglich, derzeit aber wenig wahrscheinlich.

Die Existenz von bewaffneten Elementen mit kriminellem Hintergrund ist evident. Deren Aktivitäten sollten sich auf Hinterhalt und Überfall beschränken, wobei ein entsprechend umsichtiges und entschiedenes Auftreten die Gefährdung minimieren sollte.

Die Existenz von UXOs im vorgesehenen Einsatzraum ist erwiesen, bei einem Großteil der Opfer handelt es sich jedoch um spielende Kinder (lt. OCHA 182 Tote vom 01 Jän07 bis 30Sep07). Über Verluste der tschadischen Streitkräfte, den Rebellen und auch den französischen Kräfte liegen keine Berichte vor, obwohl alle diese ungehärtete Fahrzeuge verwenden.

1.1.4. Bewertung

In den meisten Fällen werden die Truppen der EUFOR vermutlich nicht das eigentliche Ziel der Angriffe sein, Auswirkungen der Kampfhandlungen auf die Eigenen können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus birgt die Parteinahme FRANKREICHs für die tschadische Regierung und Präsident DEBY die Gefahr einer direkten Involvierung der EUFOR in die bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Lage ist nicht ruhig und nicht stabil, die Bedrohung für die Eigenen ist hoch.“

Erstellt wurde dieses Papier anscheinend am 9. November 2007, am Tag der Bericht­erstattung von Bundesminister Darabos an den Hauptausschuss und Beschlußfassung der Entsendung in den Tschad durch den Hauptausschuss im Parlament.

Am 22. November wurde von der Austria Presse Agentur Generalmajor Christian Segur-Cabanac zitiert:

„Generell wird die Lage im Tschad derzeit als mittel und daher stabil eingestuft.“

Die Ausbildungsmaßnahmen für unsere Soldaten wurden geschildert:


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„Thema bei den Vorbereitungen ist auch das Problem der Kindersoldaten. In erster Linie versuche man, solchen Situationen auszuweichen und einfach davonzufahren, wenn sich ein Kontakt mit Kindersoldaten abzeichnet, erklärte Weissenbacher. Sollte es trotzdem zu einem Zusammentreffen kommen, setzten die Soldaten auf "De­eskalation". Sie zeigen ihre Handflächen, machen sich kleiner und begeben sich auf Augenhöhe mit den Kindern. Das Wichtigste in solchen Situationen sei es, de­es­kalierend zu wirken.

Und der Bundesminister verkündete zur Abwechslung, dass der Einsatz im Tschad „überschaubar und bewältigbar“ ist.

Am 26. November 2007 berichtete die Austria Presse Agentur unter dem Titel „Schwere Kämpfe im Tschad im Einsatzgebiet künftiger EU-Truppe“ folgendes:

„Im Osten des Tschad nahe an der Grenze zur westsudanesischen Krisenprovinz Darfur sind am Montag schwere Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen ausgebrochen. Der britische Rundfunksender BBC berichtete unter Berufung auf Hilfs­organisationen in der Region, seit dem Morgen werde an mehreren Orten östlich der Provinzkleinstadt Abéché mit Maschinengewehren und schweren Feuerwaffen heftig gekämpft. Diese Region soll auch das Einsatzgebiet der EU-Friedenstruppe sein, die Anfang kommenden Jahres im Osten des Tschad stationiert werden soll. Auch 160 Soldaten des österreichischen Bundesheers beteiligen sich an der Mission.

Diese Nachricht wurde von Bundesminister Darabos nur lapidar abgetan: „Ja, es gibt ein Risiko. Aber das gibt es überall, und wenn wir nur dort hingehen, wo ein Risiko zu hundert Prozent auszuschließen ist, dann bräuchten wir überhaupt nirgendwo hingehen.“

Schon am 30. November 2007, bemerkenswerter Weise genau während der Sitzung des Landesverteidigungsausschusses, schlug folgende Nachricht, APA0284, mit dem Titel „Rebellen im Tschad drohen ausländischen Truppen“ ein:

„Nach heftigen Kämpfen im Osten des Tschad hat die Rebellengruppe Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD) französischen und anderen auslän­dischen Truppen massiv gedroht. „Ab sofort“ befinde sich die UFDD „im Kriegszustand mit der französischen Armee und jeder anderen ausländischen Militärmacht auf nationa­lem Gebiet“, sagte der Sprecher Mahamad Hassane Boulmaye am Freitag. Auch Österreich sollte noch im Dezember erste Soldaten als Teil der EU-Friedens­truppe EUFOR in den Tschad schicken.

In einer Pressemitteilung hieß es, die UFDD verurteile entschieden die Haltung der französischen Armee bei den heftigen Kämpfen vom Donnerstag. Laut Boulmaye überflogen französische Flugzeuge Stellungen der Rebellen.

Am 4. Dezember 2007 schrieb die Tageszeitung „Der Standard“ unter dem Titel „US-Studie warnt EU vor Risiken im Tschad - Eufor-Truppe zu klein, um Rebellen abzuschrecken – Ausstiegsszenario fehlt“ folgendes:

„Zu gering dimensioniert, logistisch aufwändiger als bisher bekannt und ohne Zukunfts­perspektive: Das ist die Einschätzung der Eufor-Mission in den Tschad aus der Sicht des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston. Dessen ,Security Study Program‘ veröffentlichte soeben eine Studie mit dem Titel ,African Adventure?‘ – wobei Studienautor Björn Seibert das Abenteuerliche der Planung besonders unterstreicht.

Seibert, der vor seinem Engagement in Boston für die Deutsche Bundeswehr tätig war, rechnete unter anderem nach, dass die vorgesehene Truppengröße der Eufor (rund


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 348

3700, ein endgültiger Beschluss steht immer noch aus) viel zu gering ist, um aus­reichend Sicherheit in der Region zu schaffen.

Um dies bewerkstelligen zu können, wären eher 12.500 Mann notwendig: ,Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der EU-Mission ist die Fähigkeit, glaubwürdige Präsenz im Einsatzgebiet zu zeigen.‘ Selbst 12.500 Mann ergäben nur eine Präsenz von 0,06 EU-Soldaten pro Quadratkilometer. Seibert erinnert daran, dass die ,Operation Turquoise‘, mit der die UNO 1994 in Ruanda eine Schutzzone einzurichten versucht hat, vor allem wegen der zu geringen Truppenstärke gescheitert ist. Dort kamen rechnerisch 0,35 Soldaten auf einen Quadratkilometer.

Wenn man einen Aufmarsch schon so dünn plane, dann müsse man wenigstens mit Hubschraubern den Eindruck einer ,omnipräsenten Streitmacht‘ erzeugen. Aber, wie der Standard berichtete, mangelt es gerade an wüstentauglichen Hubschraubern.

Unkalkulierbar seien die Kosten der Mission – obwohl die geplanten Aufmarschzeiten realistisch eingeschätzt wurden, seien Engpässe beim Lufttransport und hohe Miet­kosten bei Transportflugzeugen zu erwarten. Wenn auch nur ein Fünftel des Bedarfs eingeflogen werden muss, sind die Kosten allein dafür zwischen 6,29 und 11,55 Millionen Euro anzusetzen.

Wobei die Versorgung während der Folgemonate noch gar nicht eingerechnet ist. Auch weiß niemand, für wie viele Folgemonate man kalkulieren müsste.

Die Studie verweist nämlich darauf, dass keineswegs abschätzbar ist, wie lange das afrikanische Abenteuer der EU wirklich dauern soll. Es sei ,unwahrscheinlich, dass die Eufor von einer Nachfolge-Truppe der UN nach einem Jahr abgelöst wird‘.

Dann aber kämen neue Probleme: ,Da der Konflikt wenig Chance hat, rasch gelöst zu werden, lässt sich die EU womöglich auf eine Langzeit-Mission ein.‘ Folge: Daheim würde die Unterstützung für einen sich hinziehenden kostspieligen Einsatz mehr und mehr schwinden.

Gleichzeitig würde die Eufor, je länger sie im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik bleibt, auch immer tiefer in das verworrene Netz der Konflikte verstrickt, von denen die Region seit 20 Jahren heimgesucht wird.“

Am selben Tag berichtet die Tageszeitung „Die Presse“:

„Frankreich schützt nicht nur Flüchtlinge, sondern auch den Präsident des Tschad Idriss Déby.

Die Begeisterung für den von Frankreich gewünschten Eufor-Einsatz im Tschad hielt sich innerhalb der EU von Beginn an in Grenzen. Wachsende Spannungen zwischen dem Regime von Präsident Idriss Déby und diversen tschadischen Rebellen haben die Skepsis geschürt. Die im Osten des Landes operierende Rebellenarmee von General Mahamat Nouri hat den bereits im Tschad anwesenden französischen Truppen de facto den Krieg erklärt.

Laut Communiqué von Nouris UFDD von Ende letzter Woche befinden sich die Rebellen im Kriegszustand mit Frankreich. Ein Sprecher der UFDD bezog in einem Interview mit dem ,Profil‘ gleich auch die 160 österreichischen Soldaten mit ein, die an der rund 3400 Mann starken Eufor-Truppe teilnehmen sollen. Die Hälfte des Kontin­gents stellt Frankreich.

Vorbedingung der EU-Partner für eine Teilnahme im Tschad ist die strikte Neutralität gegenüber den Auseinandersetzungen im Gastland. Doch ist Frankreich nicht Partei? Im Rahmen der französischen Operation ,Epervier‘ (Sperber) sind derzeit 1100 bis 1200 Soldaten im Tschad im Einsatz.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 349

Ihre Aufgabe besteht aufgrund eines Kooperationsabkommens von 1976 in medizi­nischer und logistischer Hilfe sowie in der Aufklärung. Nach offizieller Darstellung beteiligen sie sich nicht direkt an den Kämpfen. In Wirklichkeit verhalten sich die französischen Militärs aber nicht unparteiisch. Aufgrund der französischen Aufklärungs­flüge verfügt die Regierungsarmee über Informationen, die über den Ausgang der Gefechte entscheiden können.

Im April 2006 griffen französische Militärjets auch direkt ein, in mindestens einem Fall feuerte ein Mirage-Flugzeug Warnschüsse auf Rebellen ab, die auf die Hauptstadt Ndjamena marschierten.

Und nochmals berichtet „Der Standard“:

„Neue Fronten im Ost-Tschad - Zwei weitere Rebellengruppen sagen der Regierung den Kampf an.

Die Lage im Osten des Tschad kippt immer mehr in Richtung eines Bürgerkriegs. Nach den ,Vereinten Kräfte für Demokratie und Entwicklung‘ (UFDD) kämpfen seit dem Wochenende weitere Rebellengruppen gegen die tschadische Armee. Der Sprecher der ,Vereinten Kräfte für den Wandel‘ (RFC), Id Moura Maïde, erklärte am Montag, die tschadische Luftwaffe habe am Samstag ihre Stellungen im fernen Nordosten des Landes nahe der libyschen Grenze bombardiert. Daraufhin seien schwere Kämpfe ausgebrochen. 200 Kampfwagen der RFC sollen derzeit im Osten des Landes unter­wegs sein. Die RFC hatte als erste Rebellengruppe einen Waffenstillstand annulliert, der erst Ende Oktober in Libyen ausgehandelt worden war.

Sprecher beider Rebellengruppen kündigten am Montag an, ihre Angriffe gegen die Regierung miteinander abzustimmen. ,Wir koordinieren uns, aber jeder kämpft für sich‘, so Maïde. Die Zusammenarbeit der Rebellen ist erstaunlich, weil ihre Interessen gegensätzlich sind: Die RFC gilt als Bewegung enttäuschter Zaghawa, einer großen Volksgruppe, der auch Präsident Idriss Déby angehört.

Die UFDD hingegen, die sich aus ethnischen Tubu rekrutiert, kämpft gegen die Vorherrschaft der Zaghawa in Politik und Militär. Als dritte Kraft kam am Montag die ,Vereinte Front für den Wandel‘ (FUC) von Mahammat Nour ins Spiel: Nour, der seine Hochburg in der größten ost-tschadischen Stadt Abéché hat, war am Samstag von Déby aus seinem Amt als Verteidigungsminister entlassen worden. Schon vor Monaten hatte Nour seine Armee aus ethnischen Tama kampfbereit gemacht, unter den Augen der Vorausmission der Europäischen Union. Nour, der nach seiner Entlassung in die libysche Botschaft floh, hat angeblich bereits das Kommando zum Angriff gegeben.

,Es gibt ein Bündnisabkommen zwischen der FUC und uns. Sobald die FUC-Kämpfer bereit sind, werden wir gemeinsam Stellungen der Regierung angreifen‘, erklärte UFDD-Generalsekretär Abakar Tollimi. Mindestens 40 Pick-up-Trucks, ,bis obenhin voll gepackt mit FUC-Kämpfern‘, würden in den kommenden Tagen zu den UFDD-Truppen stoßen.

Für die EU-Truppe unter österreichischer Beteiligung, deren 3700 Soldaten in den kommenden Wochen im Tschad stationiert werden sollen, um Flüchtlinge aus Darfur zu schützen, ist die Allianz aus den Rebellengruppen gleich mehrfach eine schlechte Nachricht. Die starke Position der Rebellen erhöht zum einen die Wahrscheinlichkeit langanhaltender Kämpfe. Zum anderen dürften RFC und FUC sich der Position der UFDD anschließen, auch die Verbündeten des seit 17 Jahren autoritär regierenden tschadischen Präsidenten Déby als ihre Feinde zu betrachten. Frankreichs Armee führt mit ihren in der Hauptstadt N’Djamena stationierten Mirage-Jets schon seit Monaten Aufklärungsflüge nahe der Grenze zum Sudan durch. Schon mehrfach waren die


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Rebellen wegen der Ergebnisse dieser Luftbeobachtung von tschadischen Truppen zurückgeschlagen worden.“

Nach den geschilderten Lagebildern muss man kein General sein, um festzustellen, dass die Lage im Tschad alles andere als „STABIL“ ist. Die Gefährdung unserer Soldaten ist höher denn je, eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht. Die Un­par­teilichkeit der europäischen Truppen ist auf Grund des Engagements Frankreichs im Tschad nicht mehr gegeben. Rebellentruppen erklärten allen ausländischen Militärs den Krieg.

Die Kosten von angeblich 25 Millionen Euro sind vom Bundesministerium für Lan­desverteidigung zu tragen, obwohl die Landesverteidigung weder genug Geld für die Bundesheerreform noch für die notwendige Ausrüstung unserer Soldaten zur Ver­fügung hat. Einige für diesen Einsatz notwendige Ausrüstungsgegenstände sind noch nicht einmal beschafft worden. Im Bereich der Einsatzunterstützung heißt es laut Weisung Nr. 2, dass vertragliche Leistungen und bilaterale Abkommen derzeit nicht vorhanden sind.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die meisten Armeen nicht für alle Klimazonen und Einsatzgebiete gerüstet sind, sondern sich spezialisieren. Österreich hat nicht die Ausrüstung und die finanziellen Mittel überall Einsätze durchzuführen.

Die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten hat am 25.11.07 folgendes verlauten lassen: „Wir können die militärische Lage im Tschad nicht einschätzen aber den Einsatz verantworten.“ Vielleicht liegt diese widersprüch­liche Einschätzung darin begründet, daß der Einsatz des Österreichischen Bundes­heeres im Tschad eine zu erbringende Vorleistung für den von Ihnen angestrebten nicht permanenten Sitz Österreichs im UN-Sicherheitsrat ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Beschluss vom 7. November 2007 zur Entsendung österreichischer Soldaten in den Tschad ausdrücklich aufzuheben.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe weiters bekannt, dass mir ein Verlangen von 20 Abgeordneten vorliegt, zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Fichtenbauer, Bösch, Weinzinger und weiterer Abgeordneter betreffend Nichtentsen­dung von österreichischen Soldaten in den Tschad eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Als Nächster hat sich von der Regierungsbank aus Herr Bundesminister Mag. Darabos zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


23.58.58

Bundesminister für Landesverteidigung Mag. Norbert Darabos: Hohes Haus! Herr Präsident! Sehr geehrte Parlamentarierinnen und Parlamentarier! Ganz kurz vorweg: Nicht einmal alle, die mir dieses Misstrauen aussprechen wollen, sind hier. Da kann man sich auch ein Bild davon machen, wie das mit dem Misstrauen tatsächlich aus­schaut, auch von Seiten der Freiheitlichen Partei. – Aber das sei nur am Beginn angemerkt. (Abg. Strache: Was heißt das? Wieso? Was meinen Sie?)


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Ich möchte auch außerhalb der Tagesordnung und des Protokolls kurz ... (Abg. Dr. Bösch: Was soll das heißen?) – Ich sehe hier nicht alle Abgeordneten der FPÖ. Wo ist zum Beispiel Herr Abgeordneter Kickl? Ich sage es jetzt nur, es ist aber völlig irrelevant. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Ich darf aber von meiner Seite hier auch meine Schlüsse zu Ihrem Antrag ziehen.

Herr Abgeordneter Strache, ich habe in den letzten Wochen auch sehr viele Ge­spräche mit Ihren Abgeordneten geführt, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle in Ihrer Fraktion – egal, ob vom Herzen oder vom Kopf her – zu diesem Antrag stehen. Ich weiß nämlich auch, dass viele Angehörige Ihrer Partei beim Bundesheer durchaus ein anderes Bild von diesem Tschad-Einsatz haben als Sie. Aber das ist eine Sache, die hier unausgesprochen bleiben muss.

Zum Eurofighter-Antrag des Herr Abgeordneten Pilz möchte ich nur sagen: Ich habe überhaupt kein Problem damit, diesen Vergleich offenzulegen. Es gibt einen Vertrag, den die Regierung Schwarz-Blau-Orange abgeschlossen hat, der schätzungsweise 700 bis 800 Seiten hat. Mein Vergleich beinhaltet hingegen nur ganz wenige Seiten. Ich habe diesen Vertrag immer auch in der Öffentlichkeit kommuniziert.

Ich kann es Ihnen hier noch einmal sagen: Es geht hinsichtlich der Reduzierung der Stück­zahlen, der Zurückführung auf Tranche-1/Block-5-Flugzeuge und der Rückfüh­rung von sechs Flugzeugen auf eine neuwertige Variante um ein Einsparungsvolumen von 250 Millionen €. Ich habe darüber hinaus 120 Millionen im Zusammenhang mit den Betriebskosten eingespart; das sind insgesamt 370 Millionen €. Ich habe überhaupt kein Problem, das offenzulegen! Das habe ich immer wieder und auch im Ausschuss gemacht. Die ÖVP hat das nicht gewollt, und ich stehe auch dazu, dass offensichtlich vom Koalitionspartner die Offenlegung in dieser Form nicht gewünscht war. Ich bin jedoch jederzeit bereit, dieses Einsparungsvolumen auch zu diskutieren. Der Rech­nungshof ist derzeit dabei, das zu prüfen, und wir werden in den nächsten Wochen diese Diskussion auch in der Öffentlichkeit zu führen haben.

Ich sage ganz offen, dass Sie in den jetzigen Wortmeldungen über die eigentlichen Themen des heutigen Tages kein Wort verloren haben. Ich möchte nur dazu sagen, dass ich sehr stolz darauf bin, dass mit dieser Gesetzesvorlage, die Ihnen heute vorliegt, eine Klarstellung getroffen und mehr Rechtssicherheit geschaffen werden kann, wie wir das auch im Landesverteidigungsausschuss diskutiert haben.


Ich betone: Es ist ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Rechtskonstrukts, dass das Personal des Rechtschutzbeauftragten des österreichischen Bundesheeres in Zukunft auch betreffend nachrichtendienstliche Aufklärungsaufgaben weisungsfrei sein wird. Das sollte man in diesem Hohen Haus zumindest fürs Protokoll anmerken. Das war bis jetzt nicht so. Das ist ein wichtiger Schritt. Wir haben damit ein Mehr an Transparenz und Rechtssicherheit und auch ein Mehr an Möglichkeiten hinsichtlich der Aufgaben dieses Rechtschutzbeauftragten geschaffen. Das Personal ist nicht mehr in der Verant­wortung der Exekutive, sondern weisungsfrei, und das ist ein ganz wichtiger und qualitativ hochwertiger Schritt, wenn das auch offensichtlich niemanden in diesem Haus interessiert, da es bisher in noch keiner Rede zum Ausdruck gekommen ist. Ich meine aber, dass man das auch würdigen sollte, denn es ist ein ganz wichtiger Schritt, den die alte Regierung nicht gesetzt hat, den jedoch die neue Regierung gesetzt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben darüber hinaus auch Rechtssicherheit für unsere Piloten geschaffen, was zum Beispiel terroristische Angriffe in Österreich betrifft. Auch das sollte man würdigen, denn diesbezüglich hat es bisher ein Rechtsvakuum gegeben. Dieses Rechtsvakuum wird durch diesen heutigen Beschluss aufgelöst. Auch darauf bin ich stolz. Das mussten wir über Monate hinweg verhandeln. Es gibt jetzt für die Piloten absolute


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Rechtssicherheit, und ich appelliere an Sie, zuzustimmen. Ich habe auch im Landes­verteidigungsausschuss gesehen, dass Ihre Zustimmung zur tatsächlichen Schaffung dieser Rechtssicherheit zu erwarten ist. Dafür bedanke ich mich ganz ausdrücklich! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zu Ihrem heutigen Misstrauensantrag gegen mich möchte ich einige Punkte festhalten.

Im Tschad gibt es 250 000 Flüchtlinge, die aufgrund der Bürgerkriegssituation im Sudan aus dem Sudan in den Tschad flüchten mussten. Es gibt außerdem 170 000 sogenannte Displaced Persons, die aufgrund der Vorgänge im Sudan im Tschad vertrieben worden sind. Das sind insgesamt über 400 000 Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben worden sind.

Aufgrund des Bürgerkriegs im Sudan sind 250 000 Tote zu beklagen – im Sudan, darauf möchte ich ganz bewusst hier hinweisen. In diesem Fall wäre Wegschauen aus meiner Sicht nicht nur verfehlt, sondern ist einfach ein Verbrechen an der Mensch­lichkeit. Österreich war immer bereit, in solchen Krisen zu helfen. Wir haben dies­bezüglich einen humanitären Auftrag zu erfüllen, der nicht auf den Gedankengängen des Verteidigungsministers basiert, sondern der gemeinsam innerhalb der Euro­päischen Union konstruiert wurde und der auf einem Mandat der UNO basiert: Reso­lution 1778 der UNO fordert die Weltgemeinschaft auf, in der Region Tschad und in der Region Sudan Hilfe zu leisten.

Darüber hinaus gibt es 26 000 freiwillige Soldatinnen und Soldaten der Afrikanischen Union, die bereit sind, diesen Bürgerkrieg im Sudan zu beenden beziehungsweise dafür zu sorgen, dass es Stabilität und Sicherheit in dieser Region gibt.

Österreich ist bereit, in der wesentlich sichereren Region des Tschad einen Beitrag zur gemeinsamen EU-Mission, die im Ausmaß von 3 500 bis 4 000 Soldatinnen und Soldaten geplant ist, zu leisten. Dieser Beitrag steht im Zusammenhang mit einer EU-Mission, und ich möchte darauf hinweisen, dass ich mit allen Fraktionen in diesem Haus auch Gespräche betreffend die Unterstützung dieses Einsatzes geführt habe.

Ich habe mit den Grünen gesprochen und habe vernommen, dass beispielsweise die außenpolitische Sprecherin, Frau Lunacek, bereit gewesen wäre, einen Einsatz in Darfur zu unterstützen, und dort ist es wesentlich gefährlicher als im Tschad.

In den Diskussionen mit meinem Vorvorgänger Herbert Scheibner, den ich in dieser Frage durchaus schätze, hat er mir persönlich die Information zukommen lassen, dass er durchaus für diesen Einsatz ist, wenn die österreichischen Soldatinnen und Soldaten genügend Gerät zur Verfügung haben, beispielsweise Dingos oder Pandur-Radpanzer. Ich habe eigentlich gehofft, dass sich diese Meinung im BZÖ durchsetzen wird, was aber offensichtlich nicht der Fall gewesen ist.

Ich habe mit FPÖ-Abgeordneten gesprochen, die ebenfalls der Meinung waren, dass wir diesen Einsatz durchaus unterstützen sollten.

Ich weiß mich auch einer Meinung mit den Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ, der Grünen, des BZÖ und der FPÖ hinsichtlich der Einsätze in der Vergangenheit. So haben wir etwa im Jahr 2002 einen Einsatz in Afghanistan beschickt: Die Beschluss­fassung fand am 8. Jänner 2002 statt, und mit ganz kurzer Vorlaufzeit sind die ersten Soldaten im Februar des Jahres 2002 nach Afghanistan gegangen.

Ich frage mich schon, wie berechtigt diese Kritik an mir und am österreichischen Bundesheer ist, wenn man damals innerhalb von drei Wochen Soldaten zu einem viel gefährlicheren Einsatz nach Afghanistan geschickt hat, während jetzt eine Vorlaufzeit von fast einem halben Jahr für uns bestand, um diesen Einsatz im Tschad zu planen.


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Ich sage das ganz bewusst im Hohen Haus, auch zu später Stunde. Ich weiß, dass das nicht auf die Resonanz stoßen wird, die wir brauchen würden, aber ich bitte Sie, doch in sich zu gehen und sich zu fragen, ob Ihre ablehnende Haltung gegenüber diesem Einsatz gerechtfertigt ist! Auf einer europaweiten Skala von 1 bis 5 liegt dieser Einsatz im Tschad bei 3, und es gibt gefährlichere Einsätze. So liegt beispielsweise in Afgha­nistan das Gefahrenpotenzial bei 5, dennoch hat Österreich im Jahr 2002 in diesem Haus einhellig diesen Afghanistan-Einsatz befürwortet. Da frage ich mich schon, welche Motive heute wirklich im Hintergrund stehen, wenn man unsere Bereitschaft für den Einsatz im Tschad nicht hinterfragt, sondern eigentlich nur schlecht macht! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn ich mir jetzt selbst sozusagen etwas zuschreiben möchte, dann glaube ich nicht, dass irgendwer in diesem Haus mich als martialischen Kriegstreiber bezeichnen möch­te. Ich sage Ihnen ganz offen: Wir haben uns diesen Einsatz im Tschad ganz genau überlegt. Es ist dies ein Einsatz, der für Humanität sorgt. So gibt es zum Beispiel Vergewaltigungen im Tschad, und es besteht der Wunsch seitens verschiedener Organisationen, etwa beim Roten Kreuz, beim Flüchtlingswerk der UNO oder bei anderen humanitären Einrichtungen, dass wir diesen Einsatz unterstützen.

Ich sage Ihnen in aller Offenheit: Die Diskussion, wie sie in Österreich geführt wird, entspricht nicht den Tatsachen! Die Diskussion, wie sie hier geführt wird, scheint losgelöst von der Diskussion aller anderen europäischen Staaten zu sein! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pilz.) Wir haben in Europa einen einstimmigen Beschluss, Herr Peter Pilz! Glauben Sie wirklich, dass 26 andere Staaten, mit Österreich gemeinsam wären es 27, so verblendet sind, dass sie glauben, dass es sich um einen Einsatz handelt, der nur eine Kolonialmacht wie Frankreich stützen soll? Das glauben Sie doch selbst nicht!

Es gibt in keinem anderen europäischen Staat eine solche Diskussion, wie es sie in Österreich gibt! Es gibt eine solche Diskussion weder in Finnland noch in Schweden, es gibt diese Diskussion weder in Irland noch in Polen. Es wollen sich insgesamt 16 Staaten an dieser Mission beteiligen. Und ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Ich stehe zu dieser Diskussion, und die Argumente, die Sie an den Tag gelegt haben, haben sich von Tag zu Tag geändert und halten einer wirklich realen Begutachtung nicht stand! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr erstes Argument war beispielsweise, dass es uns an Luftkapazität fehlt. Es gebe keinen Einsatz Österreichs in der ganzen Welt mit genügend Luftkapazitäten. – Das stimmt einfach nicht! Leider haben wir insgesamt zu wenig Kapazitäten in diesem Bereich. Österreich das aber in die Schuhe zu schieben, ist falsch!

Zweiter Punkt: Sie haben gesagt, dass es kein entsprechendes Gerät gibt. – Die österreichischen Soldatinnen und Soldaten haben insgesamt das beste Gerät, das es für diesen Einsatz gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pilz.) Herr Peter Pilz, ich bin jederzeit bereit, diese Diskussionen mit Ihnen zu führen!

Das beste Gerät, das das österreichische Bundesheer hat, wird in den Tschad mitge­führt! Ich schicke keine Soldatin und keinen Soldaten ohne das beste Gerät in den Tschad. Sie können sich darauf verlassen, dass dieses Gerät im Tschad auch eingesetzt wird und dass es sich hiebei um die beste Ausstattung handelt! (Beifall bei der SPÖ.)

Die dritte Frage, die Sie angesprochen haben, ist die Parteilichkeit. Glauben Sie wirklich, dass Großbritannien, Deutschland oder andere Staaten in Europa einem Ein­satz zustimmen würden, bei dem ein Funken von Parteilichkeit auf Seiten Frankreichs angedacht wird? (Abg. Strache: Niemals!)


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Warum gibt es 27 Staaten in der Europäischen Union, die diesen Einsatz befürworten? (Abg. Dr. Pilz: Sie wissen es!) Es gibt 27 Staaten in Europa, die diesen Einsatz befürworten, weil sie wissen, dass es hier um einen humanitären Einsatz geht und dass wir als Europäische Union die verdammte Pflicht haben, endlich Farbe zu beken­nen, Flagge zu zeigen und auch für Humanität außerhalb Europas zu sorgen.

Wir haben die Einsätze im Kosovo und in Bosnien begleitet, wir haben die Einsätze in Zypern begleitet, wir haben die Einsätze am Golan begleitet, und wir werden auch den Einsatz im Tschad begleiten, auch wenn es unterschwellige xenophobe Elemente von der einen rechten Oppositionspartei und andere Argumente von der linken Oppo­sitions­partei gibt, die keiner wirklichen Beurteilung standhalten können. Ich sage Ihnen: Ich stehe zu diesem Einsatz, und ich werde diesem Einsatz, wenn es die Lage erlaubt, nicht nur zustimmen, sondern diesem gemeinsam mit der gesamten Regierung die Zustimmung erteilen.

Ich sage Ihnen außerdem ganz offen: Es handelt sich hiebei nicht um ein Privat­vergnügen des Verteidigungsministers, sondern um einen Einsatz, der in der Regie­rung einstimmig beschlossen wurde und der von der Frau Außenminister mitgetragen wird. Wir haben die Lage jeden Tag neu zu beurteilen. Allerdings sage ich den Grünen – auch wenn der Antrag jetzt von der Freiheitlichen Partei kommt – ganz offen: Argumentieren Sie nie wieder mit einem humanitären Einsatz! Kommen Sie mir nie wieder mit humanitären Elementen! Dieses Recht haben Sie verwirkt! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Wir werden diesen Einsatz mittragen. Und ich würde mir wünschen, dass man partei­politische Motive hintanstellt und gemeinsam darüber nachdenkt, wie weit Österreich verpflichtet ist, mit seinen 1 200 Soldaten diese Friedenseinsätze in der ganzen Welt zu absolvieren.

Ich übernehme die Verantwortung für diesen Einsatz! Ich sage Ihnen: Unsere Soldatin­nen und Soldaten sind bestens gerüstet. Wir haben 160 Soldaten und Soldatinnen, die in diesen Einsatz gehen werden. Und es haben sich mehr als 590 Soldatinnen und Soldaten freiwillig – freiwillig! – für diesen Einsatz gemeldet. Das sind keine Rekruten, wie es da und dort von gewissen Abgeordneten unter der Bevölkerung verbreitet wur­de, sondern es sind Freiwillige, die wir in diesen Einsatz schicken. Dazu stehen wir. Ich stehe zu diesem Einsatz mit jeder Konsequenz, und ich glaube, dass es Österreich als neutralem Staat ganz besonders gut ansteht, diesen Einsatz zu begleiten! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

0.16

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, ich mache Sie auf die Bestimmungen des § 58 der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


0.16.50

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Herr Bundesminister Darabos hat hier von der Regierungsbank aus behauptet, dass er mit Abgeordneten der Freiheitlichen Partei ein Gespräch geführt hat und diese ihm signalisiert haben, dem Einsatz im Tschad positiv gegenüberzustehen.

Ich berichtige tatsächlich: Kein einziger der freiheitlichen Abgeordneten hat hier im Hohen Haus oder auch außerhalb des Hohen Hauses mit Ihnen ein diesbezügliches Gespräch mit diesem Inhalt geführt! (Beifall bei der FPÖ.)


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Richtig ist vielmehr, dass alle Gespräche, die Sie mit freiheitlichen Abgeordneten geführt haben, damit endeten, dass sie diesen Einsatz abgelehnt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss hinzufügen: Wenn Sie zu solchen Mitteln greifen, dass Sie nämlich zwar bei anderen Fraktionen Namen nennen, bei uns aber ganz einfach etwas in den Raum stellen, dann sieht man, dass Sie überfordert sind und in Ihrer Hilflosigkeit derart ... (Abg. Parnigoni: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

0.18


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Herr Kollege Graf, der Schluss war eine politi­sche Wertung und keine tatsächliche Berichtigung!

(Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Graf.)

Der Nächste, der sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat, ist Herr Abgeordneter Scheibner. Auch für Sie gelten die Bestimmungen des § 58 der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


0.18.17

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Aufgrund der knappen Redezeit bringe ich eine tatsächliche Berichtigung.

Der Herr Bundesminister hat gemeint und die Behauptung aufgestellt, dass ich in einem Gespräch mit ihm für diesen Tschad-Einsatz gewesen sei und die Bedingung aufgestellt hätte, dass die Soldaten ordentlich ausgerüstet sind, mich aber mit meiner Meinung in der Fraktion nicht durchgesetzt hätte.

Ich berichtige: Es ist richtig, dass ich für diesen Einsatz war und ihn auch nach wie vor als notwendig und richtig erachte.

Es ist auch richtig, dass ich als Bedingung gestellt habe, dass unsere Soldaten ordent­lich ausgerüstet sind, nur die Besten entsendet werden und dass der Einsatz insge­samt auch vonseiten der Europäischen Union ordentlich vorbereitet werden muss.

Ich habe aber – und das hat er vergessen – auch zur Bedingung gemacht, dass für diesen Einsatz die Kosten von zumindest 25 Millionen € zusätzlich zum ordentlichen Landesverteidigungsbudget budgetiert werden müssen, weil ich es – und das werfe ich Ihnen vor, Herr Bundesminister! – für unverantwortlich halte, dass das Bundesheer bei dem knappen Budget diesen Einsatz aus eigenem Budget finanzieren muss. Und diesbezüglich habe ich mich in unserer Fraktion sehr wohl durchgesetzt, und ich bedauere, dass wir aus diesem Grund diesen Einsatz ablehnen mussten. (Beifall beim BZÖ.)

0.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lunacek zu Wort gemeldet. Auch sie ersuche ich, mit dem zu berichtigenden Sachverhalt zu beginnen, diesem den tatsächlichen Sach­verhalt gegenüberzustellen und keine politischen Wertungen vorzunehmen, und das in 2 Minuten. – Bitte.

 


0.20.01

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Darabos hat drei unrichtige Dinge behauptet.

Das Erste war: Der Herr Minister hat gesagt, es seien schon 26 000 AU-Soldaten, Soldaten der Afrikanischen Union, in Darfur. – Diese Behauptung ist unrichtig. (Abg. Parnigoni: Hat er gar nicht gesagt!) Die AU versucht erst, genügend Soldaten für diesen Einsatz zu finden. (Abg. Parnigoni: Völlig unrichtig, was Sie sagen!)


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Zum Zweiten hat der Herr Minister behauptet, dass dieser Einsatz in Europa einstim­mig beschlossen worden sei. – Im Europaparlament war das nicht der Fall; dieser Beschluss dort war nicht einstimmig. Unter anderem haben die Grünen nicht zuge­stimmt, genau wegen der befürchteten nichtvorhandenen Unparteilichkeit (Bundes­minister Mag. Darabos: Die Europäische Union hat ...!), weil Frankreich mit dem Diktator zusammenarbeitet und das auch auf die Europäische Union zurückfällt.

Genau wegen dieses dritten Punktes und der nichtvorhandenen militärischen Ausrüs­tung stimmt auch die dritte Behauptung nur teilweise, dass ich nämlich behauptet habe, die Grünen seien für Einsätze, zum Beispiel in Darfur. Das stimmt, aber unter politischen Bedingungen: dass sie nämlich neutral gegenüber einem Diktator sind, und das ist in diesem Punkt nicht der Fall. (Abg. Parnigoni: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!) Deswegen können wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Parnigoni: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Nach diesem Motto machen Sie Politik!)

0.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich alle Abgeordneten auffordern, trotz aller Emotionen wieder auf den Boden der Sachlichkeit zurückzukehren und auch von Bewegungen oder sonstigen Deutungen Abstand zu nehmen, die jemand anderen verletzen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brosz: Das gilt aber auch für die Regierungsbank! – Abg. Sburny: Ist die Regierung auch ...?)

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Darmann zu Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. Das ist gleichzeitig die Gesamtredezeit der Fraktion. – Bitte.

 


0.21.38

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Gleich einmal zu den Vorlagen: Auch das BZÖ wird den beiden Vorlagen seine Zustimmung geben, auch wenn wir nicht mit der Begrün­dung, die zu diesen Vorlagen vorgebracht wurde, einverstanden sind.

Nun aber zu den Anträgen der FPÖ und der Grünen auf Übermittlung sämtlicher Unter­lagen beziehungsweise Akten, wenn auch in Berichtsform, bezüglich dieses Ver­gleiches oder der Luftraumüberwachungsflugzeuge-Nachbeschaffung: Ich muss schon sagen, mich wundert es ein wenig – nachdem ich ja die Herren, die bei den Grünen und den Blauen für die Landesverteidigung zuständig sind, auch im Eurofighter-Aus­schuss kennengelernt habe –, dass ein solcher Antrag in dieser Formulierung von Grün und Blau kommt. Denn es ist von unserer Seite einfach nicht mitzutragen, dass wir sämtliche Unterlagen dem Nationalrat vorlegen – vorlegen lassen noch dazu.

„Sämtliche Unterlagen“ bedeutet in dieser Formulierung genauso, dass hier dem Nationalrat militärische Geheimnisse vorgelegt werden sollen. Dem können wir sicher nicht unsere Zustimmung geben. (Abg. Öllinger: Wer ist „wir“?) Das BZÖ wird hierzu nicht die Zustimmung geben. Wenn auch die Grünen und die FPÖ militärische Geheim­nisse der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen, das BZÖ wird dem nicht zustimmen.

Nun zum Misstrauensantrag: Das BZÖ hat es sich hier nicht leicht gemacht. Wir haben uns überlegt: Was spricht jetzt für einen Misstrauensantrag gegen den Bundes­minister?

Herr Bundesminister Darabos, ich muss schon sagen, es haben sich hier seit Ihrem Amtsantritt einige Punkte gefunden. Zum einen ist dies Ihr stetiger Kampf gegen die bestmögliche Ausstattung des österreichischen Bundesheeres im Zusammenhang mit der Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge.


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In weiterer Folge ist es der Vergleich, den Sie abgeschlossen haben und der, wie nun feststeht, nachweislich zum Nachteil der österreichischen Wirtschaft ist. Denn der Vergleich bezieht sich auf das Grundgeschäft; das heißt, die Gegengeschäfte werden im 200-Prozent-Verhältnis zu dem Grundgeschäft, welches reduziert wird, gekürzt. Das spricht bei Ihrer angeblichen Einsparung von 370 Millionen für eine Gegengeschäfts­kürzung im Ausmaß von 740 Millionen € – ein weiterer Punkt, der für einen Miss­trauensantrag spricht.

Der dritte Punkt ist noch viel wesentlicher. Sie, Herr Minister, haben gesagt, Sie haben 370 Millionen € an Einsparungen herausverhandelt. Das werden wir erst sehen. Auf der anderen Seite verzichten Sie auf das Angebot des Finanzministers, die 370 Mil­lionen für Ihr Landesverteidigungsbudget zu lukrieren. Das ist der nächste Punkt, bei dem wir sagen: Das darf ein Landesverteidigungsminister nicht machen! (Beifall beim BZÖ.)

Der vierte und letzte Punkt in dieser Anhäufung von Punkten, die wirklich einen Miss­trauensantrag rechtfertigen, ist Ihre oftmals bestätigte „alleinige Verantwortung“ für den für das österreichische Bundesheer nachteiligen Einsatz im Tschad. Nachteilig ist er aus dem wesentlichen Grund – das hat uns auch Herbert Scheibner gesagt (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen); Schlusssatz: –, dass die Kosten für diesen Einsatz absolut nicht absehbar sind und vorläufig mit 25 Millionen € budgetiert sind, die aus dem derzeitigen Landesverteidigungsbudget kommen. (Beifall beim BZÖ.)

0.25


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.25.12

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Dame und meine Herren auf der Regierungsbank! Ich bringe erst einmal folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Stefan Prähauser, Walter Murauer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001 und das Militäraus­zeich­nungsgesetz 2002 geändert werden (65 d.B.) in der Fassung des Ausschuss­berichtes (399 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel genannte Gesetzesvorlage wird wie folgt geändert:

1. Im Art. 3 Z 2 wird in der Novellierungsanordnung die Paragrafenbezeichnung „§ 21“ durch die Paragrafenbezeichnung „§ 17“ ersetzt.

2. Im Art. 3 Z 5 wird im § 60 Abs. 2i die Paragrafenbezeichnung „§ 21 Abs. 4“ durch die Paragrafenbezeichnung „§ 17 Abs. 4“ ersetzt.

Begründung

Zu Z 1 und 2:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 358

Die vorgesehenen Änderungen dienen ausschließlich zur Bereinigung eines Redak­tionsversehens. Materielle Änderungen sind damit nicht verbunden.

*****

Meine Damen und Herren, wir haben schon gehört, dass die EU vor einer großen Herausforderung und Österreich vor einer großen Solidaritätsaktion steht. Das öster­reichische Bundesheer steht vor einem wichtigen humanitären Einsatz. (Ruf bei der FPÖ: Im Kriegsgebiet!) Als eines der reichsten Länder der Welt, meine Damen und Herren, hat Österreich die Verpflichtung, sich an dieser humanitären Aktion für den Schutz von und die Hilfe für 250 000 Flüchtlinge zu beteiligen und die dort tätigen Hilfsorganisationen zu unterstützen.

Es ist richtig, dass sich das neutrale Österreich an dieser Mission beteiligt. 157 Männer und drei Frauen werden an dieser Mission teilnehmen. Diese geplante Teilnahme des Heeres an der EUFOR-Mission im Tschad ist bestens vorbereitet, meine Damen und Herren, die Soldaten sind gut ausgerüstet und für diese Aktion bestens geeignet. Dass unser Bundesminister Darabos zu seiner Verantwortung steht, das hat er allemal bewiesen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Haltung der Opposition halte ich für beschämend, denn unsere Soldatinnen und Soldaten, unsere Helferinnen und Helfer hätten sich die Unterstützung aller Parteien verdient, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich darf daher von dieser Stelle aus all unseren Soldatinnen und Soldaten sowie ihren Vorgesetzten herzlich danken und ihnen für ihren kommenden Einsatz alles Gute wünschen!

Herr Bundesminister! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wir können auf das österreichische Bundesheer stolz sein. Auch dir, Herr Bundesminister, wünsche ich alles Gute für den verantwortungsvollen Einsatz!

Meine Damen und Herren, bei aller Wertschätzung für die Frau Außenministerin: Ich schätze sie wirklich sehr, und ich hoffe auch sehr, Herr Bundesminister, dass sie dich in dieser Situation unterstützt, aber: Momentan hört man wenig von ihr. Ich hätte mich gefreut, wenn sie heute hier Platz genommen hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

0.28


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Frau Abgeordneter Pfeffer einge­brachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Ver­handlung.

Nächster Redner ist Herr Klubobmann Dr. Schüssel. 3 Minuten freiwillige Redezeit­be­schrän­kung. – Bitte.

 


0.28.50

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ehrlich gesagt, Frau Abgeordnete Pfeffer, ich verstehe nicht ganz, warum die Außenministerin beim Heeresdisziplinargesetz oder beim Wehrgesetz auf der Regierungsbank sitzen soll. Das ist mir nicht ganz einsichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es genügt, dass sie im Ministerrat und in der Öffentlichkeit den Tschad-Einsatz vollinhaltlich unterstützt. Ich glaube, das ist gelebte Solidarität, und dies ist auch selbst­verständlich.

Darf ich hier bitte auch Folgendes klarstellen – ich wollte zuerst eine tatsächliche Berichtigung machen, aber dann hätte ich die anderen Sachen nicht sagen können –:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 359

Das Zitat, das der Abgeordnete Fichtenbauer gebracht hat, ist frei erfunden; das ist nie von der Außenministerin gesagt worden! Es ist dreimal in der „Kronen Zeitung“, immer wieder mit Bild, gebracht worden. Dreimal hat das Außenministerium dementiert und es klarstellen wollen; das ist nie abgedruckt worden. Das gehört auch zu einem Stil, der mir persönlich nicht gefällt. Ich bin sehr dafür, dass man zu dem steht, was man sagt, aber dieser Satz und diese Aussage von der Außenministerin ist nie gefallen! Das sollte das Hohe Haus auch wissen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage Tschad-Einsatz sehr offen: Wenn die anderen nicht bündnisgebundenen oder bündnisfreien und neutralen Staaten – die Iren, die Finnen, die Schweden – und wir an einem solchen Einsatz teilnehmen, dann ist das ein Argument, bitte, das für sich spricht! Der Kommandierende ist ein irischer General. Glauben Sie wirklich, dass irgendjemand in Finnland, in Schweden, in Irland der Meinung ist, dass man aus Risikofreude, aus Lust am Risiko einen solchen Einsatz plant? – Wirklich nicht! Das wird gründlich überlegt – die Iren sind übrigens in Afrika bereits seit einigen Jahren tätig –, und das wird gründlichst vorbereitet.

Es ist mir auch lieber, dass man ein, zwei Wochen länger wartet, um dort hinzugehen, aber sicher sein kann, dass wirklich alle Vorbereitungen getroffen sind. In dieser Frage gibt es keinen Unterschied, da unterstützen wir Sie voll.

Was die Kosten betrifft – auch an Sie, Herr Abgeordneter Fichtenbauer –, ist es richtig, dass maximal 25 Millionen € aus dem Verteidigungsressort kommen. Die Overhead-Kosten übernimmt das Außenministerium; ich glaube, das sind 2 oder 3 Millionen €. Was darüber hinausgeht, bedarf sowieso einer eigenen Finanzierung aus dem Budget; das ist auch so ausgemacht.

Letzter Satz, zum Misstrauensvotum: Meine Damen und Herren! Wir sind dafür, dass der von Minister Darabos ausgehandelte Vertrag offengelegt wird. Das sollte man nicht in einem Subgremium machen, wo es nicht hingehört, das kann man ruhig offen über eine Anfragebeantwortung oder im Verteidigungsausschuss machen. Ich unterstütze da voll die Meinung des Bundeskanzlers, der das ja angeregt hat. Da ist auch kein militärisches Geheimnis mehr drinnen.

Dies alles rechtfertigt keinen Misstrauensantrag, meine Damen und Herren! Daher wird meine Fraktion aus diesen Argumenten, die hier gekommen sind, sicherlich diesem Misstrauensantrag nicht zustimmen. Der Minister hat unser Vertrauen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

0.31


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadl­bauer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.31.55

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Klubobmann Schüssel! Ich freue mich zwar sehr darüber, dass die ÖVP den Miss­trauensantrag nicht unterstützen wird, aber ich hätte mir schon erwartet, dass Sie hier diese Polemik unterlassen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Natürlich weiß jeder, dass es die Solidarität mit dem Verteidigungsminister nicht wegen des Wehrrechts geben soll, sondern wegen des Tschad-Einsatzes, den die Frau Außenministerin ja auch begrüßt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

In der Zwischenzeit spreche ich zu Ihnen, bis sich diese Reihe wieder beruhigt hat. (Abg. Steibl: Eine Entschuldigung!) Drei Bemerkungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Thema. (Anhaltende lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 360

Die erste Bemerkung zum vorliegenden Gesetz: Sechs Monate sind genug – eine uralte SPÖ-Forderung, das hat schon Kreisky gefordert –, das wird jetzt unter Bundes­minister Darabos umgesetzt, und zwar mit Rechtssicherheit. (Abg. Steibl: Eine Ent­schuldigung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bemerkung Nummer zwei zum Entschließungsantrag der Grünen: Die SPÖ und Bun­desminister Darabos wären bereit gewesen, alle Unterlagen dem Unterausschuss vorzulegen. Das wäre die richtige Stelle, denn da sind Abgeordnete dabei, auch Sie, Herr Abgeordneter Pilz, auch Sie, Herr Abgeordneter Bösch. Es ist am Koalitions­partner gescheitert – und wahrscheinlich wird der Lärmpegel jetzt wieder steigen. (Zwischenruf der Abg. Steibl.)

Bemerkung drei zum Tschad-Einsatz: Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, was für eine Aufgabe das Bundesheer dort hat. Es geht um einen humanitären Einsatz, es geht darum, Flüchtlinge, Kinder und Frauen, zu schützen. Es geht darum, Flücht­lings-Camps zu sichern. Es geht darum, für Stabilität zu sorgen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger (das Glockenzeichen gebend): Einen Augen­blick, Frau Kollegin. – Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, jetzt die Emo­tionen wieder abzukühlen.

Am Wort ist Frau Abgeordnete Stadlbauer!

 


Abgeordnete Bettina Stadlbauer (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. (Abg. Steibl: ... ein Wahnsinn, was Sie sagen!) – Bemerkung Nummer drei zum Tschad-Einsatz: Es geht um einen humanitären Einsatz. Es geht darum, Flüchtlinge zu schützen – groß­teils Frauen und Kinder –, Camps zu sichern und für Stabilität zu sorgen. Dafür ist das Bundesheer bestens gerüstet, das wissen Sie, und dafür ist das Bundesheer kom­petent. Im Verteidigungsministerium gibt es eine gute Vorbereitung, und die Ent­scheidung des Bundesministers ist kompetent und umsichtig.

Drei Bemerkungen zu drei Themen, drei Beweise für eine umsichtige, verant­wortungs­volle Politik von Bundesminister Darabos! Der Misstrauensantrag ist daher ein kläg­licher Versuch und ein unberechtigter Rundumschlag mangels sachlicher Argumente. – Vielen Dank, und jetzt können Sie sich wieder beruhigen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.34


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haub­ner. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.34.36

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Kollegin Stadlbauer, ich denke, Ihre Aussagen haben sich selbst disqualifiziert. (Beifall bei der ÖVP.) Der Herr Klubobmann hat in sachlicher Art und Weise argumentiert, warum wir den Misstrauensantrag gegen den Verteidigungsminister nicht unterstützen. Ich glaube, es ist dieses Hohen Hauses nicht würdig, hier in einer derartigen Weise polemisch vorzugehen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.) Ich erwarte mir eigentlich schon, dass es vielleicht vonseiten der Regierungsbank noch eine Stellungnahme dazu gibt.

Ich glaube, zum Thema Tschad-Einsatz ist schon fast alles gesagt. Ich denke auch, dass hier ganz klar ist, dass es ein grundsätzliches Bekenntnis zur humanitären Hilfe gibt, aber dass natürlich auch – und, Herr Minister, wahrscheinlich steht dieser Vorwurf im Raum – Gespräche geführt worden sind und dass es bei den Gesprächen ver­schiedene Interpretationen gibt. Da ist es immer so: Die Richtigkeit der Informationen


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bei solchen Gesprächen ist natürlich etwas anderes. – Aber grundsätzlich haben wir ja schon gesagt, dass wir uns hier auch zum Tschad-Einsatz bekennen.

Ich möchte noch eines anfügen, und da geht es mir vor allem um die Milizsoldaten, weil wir hier im Heeresgebührengesetz auch eine Milizprämie beschließen. Diese Milizprämie ist ein wesentlicher Beitrag dazu, dass wir die Miliz wieder attraktiver gestalten und dass wir unsere Milizsoldaten, die ja einen wesentlichen Anteil am positiven Beitrag des Bundesheeres zur österreichischen Sicherheit haben, wieder unterstützen. Immerhin sind 56 Prozent der im Ausland befindlichen Soldatinnen und Soldaten Milizsoldaten; 18 Prozent von ihnen leisten ihren Dienst an der Grenze.

Machen wir die Miliz weiter interessant, das ist ganz wichtig! Ich danke allen Miliz­soldatinnen und -soldaten für ihren Einsatz. Herr Minister, bitte schauen Sie, dass auch hier die Attraktivität des Milizsystems weiter erhalten bleibt. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

0.36


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parni­goni. Ebenfalls 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.36.53

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten die Emotionen wieder herunterfahren. Ich möchte ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Moment; Kollege Murauer, bitte! Ich habe es ja nicht in Richtung ÖVP gesagt. Ich bitte allgemein, die Emotionen herunterzunehmen. – Danke.

Hohes Haus! Die österreichische Bundesregierung hat durch ihren gemeinsamen Be­schluss auf Antrag der Außenministerin in der Regierung, auf Antrag der Außen­minis­terin im Hauptausschuss diesen Tschad-Einsatz beschlossen. Es stehen die beiden Regierungsparteien hinter diesem Einsatz, gar keine Frage.

Ich bedauere, dass es nicht dazu kommt, dass alle Parteien den Einsatz des öster­reichischen Bundesheeres in einer Friedensmission, in einer humanitären Mission unterstützen, einer Mission, die vom UNHCR entsprechend unterstützt wird, welches aussagt: Diese Truppe wird das Schlüsselinstrument für die Sicherheit der Flüchtlinge und einen effizienteren humanitären Einsatz sein. – Ich glaube, darum geht es bei der ganzen Angelegenheit.

Meine Damen und Herren, ein Einsatz stellt immer ein Risiko dar, das ist gar keine Frage, aber die Truppe ist bestens gerüstet und hat das beste Material zur Verfügung. Ich darf daran erinnern, dass Österreich seit 1969 bereits 14 Afrika-Einsätze gehabt hat und daher immerhin auch eine gewisse Erfahrung mitbringt.

Ich meine deshalb, es gibt keine neutralitätspolitischen Bedenken. Wir sollten eigent­lich dem österreichischen Bundesheer nicht in den Rücken fallen und sollten diese Soldaten, die sich freiwillig melden, vollinhaltlich unterstützen. Daher ist diese Begrün­dung für den Misstrauensantrag gegen Norbert Darabos hinfällig, und wir werden ihn daher auch ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

0.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pack. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.39.08

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Dame und geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Herr Kollege Parnigoni, das wäre sehr verwunderlich gewesen, wenn die SPÖ diesem Misstrauensantrag zugestimmt hätte.


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Vielleicht vorweg noch zum Thema „Beruhigt“: Die Fraktion der Österreichischen Volks­partei ist immer beruhigt. Nur: Erklären Sie in Ihrer eigenen Fraktion, wie man mit dem Klima besser umgeht! Wenn unser Klubobmann die Situation beruhigen möchte (Abg. Parnigoni: Ich verstehe mich mit dem Kollegen Murauer bestens!) und dann eine Abgeordnete herausgeht und wieder einheizt, ist das sicher nicht richtig.

Vielleicht vorweg: Ich denke, es ist von allen Fraktionen klargestellt, dass wir die Ver­besserungen, was den Rechtsschutz für die Präsenzdiener und natürlich auch die Personen, die den Ausbildungsdienst leisten, anbelangt, unterstützten. Das ist auf jeden Fall zu begrüßen.

Wenn wir schon mit Emotion reden, dann sollten wir uns vielleicht ganz kurz auch auf den Ausschuss rückbesinnen. Dort haben wir auch einen Bericht behandelt über die Parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission, die sehr, sehr gut arbeitet, die über alle Fraktionen hinweg gut arbeitet für das Interesse unserer Soldaten beim Bun­desheer. In dem Zusammenhang möchte ich vor allem auch den Dank an die Beamten aussprechen, die sich hier Mühe geben, auch an die beratenden Organe seitens des Bundesheeres, die ja immer wieder gute Beiträge haben, und möchte hier an dieser Stelle vor allem zwei Personen einen großen Dank aussprechen, die nicht mehr hier sitzen: Die eine ist Anton Gaál, in dessen Amtszeit diese Berichte fallen, der hier sehr gute Arbeit geleistet hat, und die andere ist Paul Kiss. Beide bringen diese Parla­mentarische Bundesheer-Beschwerdekommission ganz gut über die Bühne und erreichen mit wenig Emotion sehr, sehr viel. Daran sollten wir uns in diesem Fall sicherlich ein Beispiel nehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend zu den Aussagen der Kollegin Stadlbauer, die sich auf die sechs Monate bezogen haben: Das war vielleicht immer eine sozialistische Idee, umgesetzt und verwirklicht aber hat es die Österreichische Volkspartei. (Jawohl-Rufe und Beifall bei der ÖVP.)

0.41


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Strache. Die Restredezeit seiner Fraktion beträgt 6 Minuten. – Bitte.

 


0.41.39

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Verteidigungsminister! Weitere Regierungs­mitglie­der auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war für mich interessant, die Richtigstellung – ja, so kann man das bezeichnen – des Herrn Klub­obmannes Schüssel zu hören. Man muss aber trotzdem, bitte, der Ordnung halber festhalten: Dieses Zitat ist mehrfach in einer Tageszeitung abgedruckt, nämlich: „Wir können die militärische Lage im Tschad nicht einschätzen, aber den Einsatz verantworten.“ Und wenn dem so nicht sein soll und das nicht gesagt worden sein soll, dann gibt es medienrechtlich alle Möglichkeiten und Gelegenheiten, das auch richtig­zustellen beziehungsweise dafür Sorge zu tragen.

Zum Misstrauensantrag: Herr Verteidigungsminister Darabos! Dieser Misstrauens­an­trag wurde von uns reiflich überlegt. (Abg. Parnigoni: Das glaube ich!) Und ich sage Ihnen jetzt den Grund: Wenn Sie die Neutralität in dieser schäbigen Art und Weise mit Füßen treten, wie Sie das hier jetzt tun, dann ist das skandalös. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn gerade ein Angehöriger jener Partei, die immer so großspurig von Neutralität redet, ein ehemaliger Zivildiener heute als Verteidigungsminister diese Neutralität abschießt, dann ist das wirklich skandalös. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Man muss auch klar und deutlich sagen, wenn ein Verteidigungsminister sich in die Öffentlichkeit stellt und die Öffentlichkeit wissentlich mit falschen Behauptungen, mit falschen Darstellungen informiert, sodass sogar ein Bericht aus dem eigenen Landes­verteidigungsministerium den Herrn Minister bloßgestellt hat, weil darin nämlich auf­gedeckt worden ist, dass es bei der Ausrüstung hapert und fehlt, dass es an Was­serressourcen fehlen wird und auch die Ausrüstung und der Nachschub in diesem Bereich nicht sicherzustellen sind. (Abg. Reheis: Sie machen falsche Behauptungen! Das ist ja unglaublich!)

Der Verteidigungsminister hat darüber hinaus gesagt, dass die Lage stabil ist, und hat damit ganz wissentlich unsere Bevölkerung getäuscht, aber auch unsere Soldaten. Wenn etwas stabil ist in dieser Region, dann ist das dort unten die Lebensgefahr für unsere Soldaten, und das ist nicht zu verantworten. Das ist der Hintergrund!

Wenn der Herr Minister sich hier herausstellt, so wie heute, und sagt, dass alle Fraktionen für den Einsatz in Afghanistan seien, dann ist das unrichtig. Wir als Frei­heitliche sagen klar und deutlich: Wir haben weder in Afghanistan noch im Tschad irgendetwas verloren mit unseren Soldaten.

Wenn wir etwas im Ausland verloren haben, dann so wie am Golan oder in Zypern, wo wir unter Blauhelmkommando stehen, wo es Frieden in der Region gibt und wir dafür Sorge tragen, dass der Frieden in dieser Region gewahrt bleibt. Nichts verloren haben wir jedoch bei einem Kriegseinsatz, bei dem noch dazu Parteilichkeit der französischen Truppen gegeben ist, die auch schon Angriffe vor Ort getätigt haben sollen.

Genau das ist ja in der internationalen Berichterstattung gang und gäbe: Es geht hier um Parteilichkeit für einen Präsidenten. Es geht hier also um einen Kampfeinsatz. Und da sage ich ganz bewusst: Ein Herr Bush stellt sich hin und artikuliert seine Begrün­dung für den Kriegseinsatz im Irak unter dem schwammigen Titel „Terrorismus­bekämp­fung“. Unser Verteidigungsminister stellt sich her und findet einen neuen Begriff und sagt, es ist ein Krieg für Humanismus. – Es ist aber beides Krieg, und beides bedeutet Kampf und Kampfeinsatz und hat eben nichts mit den ursprünglichen UNO-Einsätzen unserer österreichischen Soldaten und Truppen zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das ist der entscheidende Unterschied! Und da erwarte ich, dass man die Wahrheit sagt, dass man unsere Truppen auch dementsprechend informiert. Und das sage ich auch: Ich stehe hinter unseren Soldaten und jedem einzelnen Soldaten, aber ich stehe nicht hinter Ihrer unverantwortlichen Entscheidung, die Sie hier in dieser Frage getätigt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Und genau darum geht es: Die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Es ist kein Einsatz unter dem Kommando der UNO. Es sind keine Sanitätstruppen oder Beobachter wie bisher in Afrika. Nein, so wie Sie richtig gesagt haben, Herr Darabos: Sie stehen zu 100 Prozent zu diesem Kampfeinsatz, denn wir schicken ja keine Sängerknaben da hinunter, sondern Jagdkommandosoldaten. Das sind keine Einheiten, die dort irgend­wie für eine Friedenssituation Sorge tragen sollen, Streitparteien trennen sollen. Nein, dahinter steht genau das, was Sie letztlich auch deutlich zugegeben haben. Sie sagen ja weiters, dass das aufgrund der neuen weltpolitischen Lage unerlässlich sei.

Was haben wir als neutraler Staat die weltpolitische Lage zu beurteilen, ob wir uns irgendwo mit militärischen Truppen hinbegeben? Wenn es nach Ihnen geht, sind wir demnächst wahrscheinlich unter Ihrem Begriff der Humanität und der Hilfeleistung in allen Krisenregionen dieser Welt. Das kann es nicht sein!

Wir wollen unsere Neutralität bei Krisen und Auseinandersetzungen dahin gehend gesichert wissen, dass wir vermitteln, aber doch nicht den Eindruck vermitteln, bitte, der heute schon besteht, als wären wir Mitglied der NATO oder einer europäischen


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Militärgemeinschaft. Das sind wir nicht, und wir sind dort bis dato nicht beigetreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau darum geht es offenbar, nämlich mit diesen Missionen still und heimlich, mit einer Mission nach der anderen das Gefühl in der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass das zur Normalität gehört, dass das so ist. Genau darum geht es Ihnen!

Es gibt keine optimale Ausrüstung. Wahrscheinlich wollen Sie als österreichischer Wüstenfuchs in die Geschichte eingehen, aber in Wirklichkeit sind Sie nichts anderes als eine Springmaus, die letztlich in allen Bereichen ihre Grundsätze verraten und verlassen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Und das werden Sie Ihren sozialdemokratischen Mitgliedern und Wählern erklären müssen, denn ich kenne viele Bürger draußen in Österreich, die Sie auch am 1. Okto­ber gewählt haben, die das nicht nachvollziehen können.

Genau darum geht es, und deshalb haben wir uns auch diesen Misstrauensantrag ganz genau überlegt. Bei lebensgefährlichen Einsätzen, Kampfeinsätzen unter einem irischen Kommandeur und französischen Kommando haben unsere österreichischen Truppen nichts, in keinem Land der Welt etwas verloren. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Deshalb hat es auch diesen Misstrauensantrag gegen Sie gebraucht. Räumen Sie Ihren Ministersessel!

Ich sage: Wir sind stolz auf unsere Neutralität, und die wollen wir nicht durch Sie per­manent ausgehöhlt wissen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Schieder: Das ist total überzogen!)

0.48


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.48.19

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bevor ich mich mit dem eigentlichen Thema dieses Tagesordnungspunktes, der Änderung des Wehrgesetzes auseinandersetze, möchte ich doch noch darauf hinweisen, geschätzter Herr Bundesminister Mag. Darabos – Kollege Murauer hat bereits diesen Hinweis gemacht –, dass wir uns schon einen Vorschlag von Ihnen erwarten, wie Sie uns darüber informieren wollen, welche Vertragsänderungen Sie im Bereich des Eurofighter-Vertrages vorgenommen haben. Sie können nicht einfach sagen, wir hätten kein Interesse daran, diesen Vertrag zu sehen. Wir warten auf den Vorschlag einer geeigneten Form, wie Sie dem gesamten Hohen Haus diese Vertrags­änderung vorlegen wollen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Machen Sie eine Anfrage!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das österreichische Bundesheer ist eine unentbehrliche Einrichtung für unsere Gesellschaft, und wir bekennen uns dazu, weil es zum Schutz unserer Bevölkerung unverzichtbare Dienste für jeden von uns leistet, sei es im Katastropheneinsatz oder beim Grenzeinsatz oder bei der Sicherung des Luftraums. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb ist unser Bundesheer unverzichtbar, und die Leistungen der Soldaten müssen dementsprechend gewürdigt und herausgestrichen werden. Es geht bei dieser Än­derung des Wehrgesetzes um die rechtliche Absicherung unserer Soldaten. Des­halb begrüße ich die Änderung, in der es darum geht, dass die Unfallstodabdeckung auch in der Zukunft versicherungstechnisch sichergestellt wird. Ich werte es ebenfalls als unab­dingbar, dass eine Rechtsschutzabdeckung für Militärpiloten in der Luftraum­über­wachung auch in Zukunft sichergestellt wird, denn das ist einfach entscheidend für einen Piloten, der für den Schutz unserer Bevölkerung tätig ist.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 365

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, das österreichische Bundesheer ist keine verstaubte Einrichtung, sondern es ist gerüstet für die neuen Herausforderungen, ob das bei Auslandseinsätzen ist oder ob das zur Terrorbekämpfung gehört.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass es eine steigende Frauenquote gibt, denn derzeit sind es bereits über 315 Frauen, die beim österreichi­schen Bundesheer tätig sind. Das hat der Bericht bei der Diskussion im Rahmen des letzten Verteidigungsausschusses ergeben.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, es wird also dem Geist der Zeit entsprochen. Wichtig wäre es nun, dass man auch beim Ankauf von militärischer Gerät­schaft und bei der Ausrüstung unserer Soldaten sowie bei den gepanzerten Fahrzeugen all dem Rechnung trägt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Parteipolitik sollte hier keine Rolle spielen, sondern es geht um die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten. (Beifall bei der ÖVP.)

0.51


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Dr. Cap. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


0.51.31

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich darf einmal eingangs eine kleine Verwun­derung zum Ausdruck bringen. Es hat ja von uns im Unterausschuss des Landes­verteidigungsausschusses das Angebot gegeben, dass der Eurofighter-Vertrag dort präsentiert wird, offengelegt wird, und es hat kein Interesse gegeben. Das wurde eigentlich von allen Parteien abgelehnt, und sie haben gesagt, dass sie den Vertrag gar nicht sehen wollen. Daher ist es dann eben nicht dazu gekommen, dass er dort präsentiert wurde. (Abg. Mag. Kukacka: Das liegt an der Geschäftsordnung, Herr Kollege!)

Sie wissen ganz genau, warum dieser Vertrag dort präsentiert werden soll: weil nämlich sehr viele rechtliche Fragen damit verbunden sind. Daher ist das der absolut beste Ort.

Mir geht es jetzt aber um ganz etwas anderes. Wir haben heute den Tag damit ver­bracht, unter anderem darüber zu diskutieren, ob wir jetzt einen Asylgerichtshof ein­führen oder ob wir keinen Asylgerichtshof einführen. Diese Frage war damit verbun­den, wie man mit Asylsuchenden umgeht. Und das hängt irgendwo sehr wohl mit der Frage des Tschad-Einsatzes zusammen, denn die Probleme, die man dort vor Ort nicht löst – und das kann die Frage der Flüchtlinge sein, die dort in den Camps sind, das können die Kriege sein, die dort geführt werden und die teilweise Stellvertreter­kriege sind, weil es um Rohstoffe geht, weil es um viele andere Dinge geht –, lassen jene Wanderungsströme entstehen, die dann von den Freiheitlichen, von (in Richtung ÖVP) manchen von Ihnen (Ruf bei der ÖVP: Was? – Nein, nein, nein!), sogar von manchen von uns beklagt werden.

Man sagt: Wieso sind die plötzlich in Europa? Wieso sind die plötzlich in Österreich? Und wissen Sie, das halte ich schon für sehr zynisch, wenn man über das hinwegsieht und wenn man sagt: Nein, ich will das gar nicht angehen, die Frage, wie wir unsere Weltwirtschaft organisieren, wie wir dafür sorgen können, dass es auch in Afrika, auch in Zentralafrika, auch im Tschad, auch in Darfur Friede gibt, damit die Menschen dort leben können und einen Sinn darin sehen, dort zu bleiben, und dann eben nicht zum Beispiel als Flüchtlinge wandern müssen und zum Beispiel nach Europa gehen müssen. Das ist eine ganz entscheidende Frage.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 366

Es gibt ein bisschen eine Besonderheit der Diskussion, die wir hier heute in diesem Parlament führen. In anderen europäischen Parlamenten werden solche Dinge fast oder ganz einstimmig beschlossen, und dann fährt man hinunter und versucht zu hel­fen. Und wenn Sie dann auch noch das Argument des Verteidigungsministers lächer­lich machen, es gäbe dort unten eine humanitäre Katastrophe und wir gehen dort hinunter, um zu helfen und genau das zu erreichen, dass die Menschen einen Sinn darin sehen, dort zu bleiben, und dass wir hier nicht x-mal diskutieren müssen über die Fragen: Asylgerichtshof, ja?, und wie viele Asylsuchende? und so weiter und so fort. Ich finde es zynisch, wenn man so darüberfährt und nicht sieht, dass es da um viele menschliche Schicksale und menschliche Katastrophen geht, die zu lösen sind.

Dann wird dem Verteidigungsminister seitens der Freiheitlichen auch noch unterstellt, er wäre eine Art österreichischer „Wüstenfuchs“. Übersetzt heißt das, er sei ein Rommel, also quasi auf Eroberungskurs in Afrika. Ich finde das nicht anständig, denn es geht hier nicht darum, dass man Teile Afrikas erobert oder den Kolonialismus wiederbelebt, sondern simpel um die Verpflichtung mancher europäischer Länder, dafür zu sorgen, dass Menschen, die ein Recht auf Leben haben, dieses Leben dort auch ausüben können. Das, finde ich, ist die entscheidende Frage! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundeskanzler Dr. Gusenbauer: Genau so ist es!)

Wir wissen, dass wir in einer Wohlstandszone leben. Wir wissen, dass viele auch aus wirtschaftlichen Gründen hierher kommen wollen, und wir haben das schon oft diskutiert. Wir können jedoch nicht einfach wegsehen. So wie wir in sicherheits­politi­schen Fragen nicht einfach wegsehen können, können wir auch in diesen Fragen nicht einfach wegsehen.

Wenn der Ausrüstungsstand des Bundesheeres hier als Argument vorgeschoben wird, so ist das ja das Allerbeste. Da gibt es durchaus einige, die in den letzten Jahren Ver­antwortung getragen haben für den Ausrüstungsstand des Bundesheeres. Herr Dr. Graf, Sie sind doch lange genug in diesem Haus, Sie werden sich durchaus noch daran erinnern können, als die Freiheitlichen, Ihre Vorgänger, aber diese Freiheitlichen und das BZÖ mit der ÖVP in der Regierung waren und hier jahrelang für die Ausrüstungspolitik des Bundesheeres Verantwortung getragen haben. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, man hätte die Eurofighter nicht gekauft und hätte das Geld in die vielen Ausrüstungsbereiche des Bundesheeres investiert. Vielleicht wäre das bes­ser gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann würden so manche heute hier nicht diese Diskussion führen. Der Abgeordnete Scheibner kann da vielleicht einen ganz besonderen Beitrag leisten.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Grünen zu sprechen kommen, weil die Grünen hier immer wieder ein moralisches Monopol beanspruchen und wir uns ununterbrochen von den Grünen anhören können, wie unmenschlich unsere Politik in vielen dieser Fragen ist. Und heute höre ich plötzlich, nachdem eine grüne Abgeordnete sogar ge­sagt hat, man sollte eigentlich nach Darfur hinuntergehen – eine viel gefährlichere Gegend übrigens, Frau Kollegin Lunacek –, vorgeschobene Argumente, um hier nicht die Mitverantwortung übernehmen zu müssen. Das ist entscheidend: um hier nicht die Mitverantwortung übernehmen zu müssen! – Sie haben ab heute das moralische Monopol verspielt, denn Sie heulen mit den Wölfen, nur mit anderen Argumenten. Das sei Ihnen einmal wirklich ins Stammbuch geschrieben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Und ein Letztes: Ich blicke jetzt ein wenig zum Koalitionspartner hinüber. Ich sage jetzt nicht „Polemik“, ich verwende nicht das Wort „Polemik“. (Zwischenruf des Abg. Dolinschek.) – Sie sind kein Koalitionspartner, Sie haben da ein bisschen die Zeitreihe verwechselt!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 367

„Die Presse“ von morgen schreibt mit seherischer Qualität auf Seite 5, dass die Frei­heitlichen einen Misstrauensantrag gegen Minister Darabos eingebracht haben und dieser abgelehnt wurde. Herr Klubobmann Schüssel, damit hat jeder gewusst, es wird heute einen Misstrauensantrag geben. Und es ist nicht verboten in einer Koalition, wenn das auch ein Minister, eine Ministerin liest, dass sie sagt: Aha, da wird es heute einen Misstrauensantrag gegen einen Minister einer Regierung geben, der ich auch angehöre, und ich habe den Antrag im Ministerrat eingebracht, ich, die Außen­ministerin. – Da wäre es doch eine gute Geste gewesen, wenn sie heute hier auf der Regierungsbank gesessen wäre. Mehr sage ich nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

0.58


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Ich mache Sie darauf aufmerksam: Die Restredezeit Ihrer Fraktion beträgt 6 Minuten. – Bitte.

 


0.58.47

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ers­tens herzlichen Dank für die gelungene Selbstdarstellung der Koalition. Das war durch­aus überzeugend.

Zweitens: Herr Bundesminister für Landesverteidigung, Sie haben in Ihrer kurzen Amts­zeit zwei Entscheidungen getroffen, die Entscheidung über Eurofighter und die Entscheidung über den Tschad-Einsatz. (Abg. Dr. Graf: Und die Ausräumung der Führungsebene!) Beide Entscheidungen sind fahrlässig und falsch getroffen worden.

Zur ersten: Sie haben versucht, Ihren Eurofighter-Vertrag, den Vergleich in einem geheimen Keller des Parlaments vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Dieser Versuch ist gescheitert, auch weil die ÖVP hier bestimmte koalitionstaktische Interessen vertritt. Wenn es zum Nutzen des Parlaments ist, Herr Dr. Schüssel, warum nicht? Haupt­sache, es kommt auf den Tisch, es kommt in den Landesverteidigungsausschuss. Sie sind dem Parlament und der Öffentlichkeit jetzt im Wort. Ich halte das für gut. Manchmal führt auch der Koalitionsstreit zu einem durchaus demokratieverträglichen Ergebnis. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: das Mandat Tschad. Herr Bundesminister, Sie hätten besser zuhören sollen. Ich habe im Namen unserer Fraktion ein Angebot formuliert: das Angebot, die Lage noch einmal mit fünf Parteien gemeinsam zu besprechen, eine gemeinsame Lage­beurteilung neu zu erstellen und daraus einen politischen Schluss zu ziehen.

Ich glaube, dass der politische Schluss aus allem, was wir wissen, aus heutiger Sicht nur lauten kann: Österreich muss aus dem Tschad-Mandat aussteigen, weil es nicht durchführbar ist und weil alles darauf hindeutet, dass wir kurz nach Beginn des Ein­satzes schon vor dem Neutralitätsfall stehen können. (Zwischenruf des Abg. Dr. Schel­ling.)

Österreich macht sich – und ich glaube, dass das keine politische Absicht war – zu einem Instrument der französischen Tschad-Politik. (Ruf bei der ÖVP: UNO-Be­schluss!) Sie können heute niemandem erklären, wie sich Frankreich, das durch einen Vertrag zur Militärhilfe an den Tschad verpflichtet ist, wie sich das französische Streit­kräftekommando im Tschad verhalten wird und wie österreichische Bundesheer­angehörige, wie Ihre Offiziere, wie unsere Soldaten in Fällen, wo sie Befehle eigentlich nicht mehr befolgen dürften, weil sie eindeutig parteilich sind und eindeutig die Interessen der Diktatur im Tschad gegen andere vertreten, sich verhalten sollen. Es gibt keine Exitstrategie. Und wenn es keine militärische Exitstrategie gibt, dann muss es eine politische Exitstrategie des Nationalrates geben.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 368

Trotzdem in aller Deutlichkeit: Die Art und Weise, wie die Freiheitliche Partei mit dem Tschad-Einsatz umgeht, einfach in einer auch in diesem Haus unüblichen Unverfroren­heit ganz klar zu sagen, dass es bestimmte Menschen und bestimmte Rassen gibt, die keinen Schutz verdienen, dass ein Unterschied gemacht wird, ob das Leben und die Existenz von Afrikanern oder Europäern bedroht wird, das ist ein Punkt, Herr Abge­ordneter Strache, bei dem wir mit Sicherheit nie mit Ihnen in einem Boot sitzen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir vertreten eine andere Art der Schutzpolitik und der Menschenrechtspolitik. (Abg. Strache: Was soll diese freche Lüge von dem Rumpelpilzchen da draußen?) Ich halte aus vielen sachlichen Gründen einen Misstrauensantrag gegen Verteidigungsminister Darabos für gerechtfertigt, aber diesen so motivierten Antrag – wir alle in einem Boot, und kein Schutz für Menschen anderer Hautfarbe, sei es in Europa oder in Afrika –: mit Sicherheit nicht! Nein! (Abg. Strache: Sie sind ja lächerlich! Ein lächerlicher Lügner!) Und nur, um ein Zeichen zu setzen, werden wir trotz aller Kritik am Verteidigungs­minister diesem Antrag hier und heute nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Peinlicher Mauermacher des Kriegseinsatzes! Sie suchen eine peinliche Argumentation, um den Kriegseinsatz zu rechtfertigen! Die wahre Maske des Peter Pilz!)

1.02


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz, das Heeresdisziplinargesetz, das Heeresgebührengesetz und das Militärauszeichnungsgesetz geändert werden, in 399 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Prähauser, Murauer, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Prähauser, Murauer, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Verträge über die Beschaffung von Kampfflugzeugen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 369

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­­neten Dr. Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Ver­träge und Unterlagen betreffend die Beschaffung von Kampfflugzeugen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 399 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 54.)

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Auslandseinsatzgesetz und das Militärbefugnisgesetz geändert werden, in 400 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolle­gin­nen und Kollegen vor.

Ich werde daher über die vom erwähnten Verlangen betroffenen Teile und an­schließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Wir gelangen zunächst zur getrennten Abstimmung hinsichtlich Artikel 1 in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Ver­trauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtentsendung von österreichischen Soldaten in den Tschad.

Hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeord­neten­pulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 370

die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, die Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die den gegenständlichen Entschließungsantrag un­terstützen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Wimmer, mit dem Namens­aufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Binder-Maier wird ihn später dabei ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Wimmer und Binder-Maier werfen die Abgeordneten die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen.

Ich werde die Sitzung zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrechen.

*****

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. Die Sitzung wird um 1.12 Uhr unterbrochen und um 1.18 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 149; davon „Ja“-Stimmen: 34, „Nein“-Stimmen: 115. 

Der Antrag ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufge­nom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Aspöck;

Belakowitsch-Jenewein, Bösch, Brosz;

Darmann, Dolinschek;

Fichtenbauer;

Gradauer, Graf, Grünewald;

Haimbuchner, Haubner Ursula;

Klement, Kogler, Kurzmann;

Lunacek;

Mayerhofer, Moser;


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Neubauer;

Öllinger;

Pilz, Pirklhuber;

Rosenkranz;

Sburny, Schalle, Schatz, Strache;

Themessl;

Vilimsky;

Weinzinger Brigid, Weinzinger Lutz;

Zanger, Zinggl, Zwerschitz.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Bauer, Bayr, Becher, Binder-Maier, Brinek, Broukal;

Cap, Csörgits;

Dobnigg, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert, Durchschlag;

Eder Kurt, Eder Sebastian, Eder-Gitschthaler, Ehmann, Einwallner, Eisenschenk, Eßl;

Faul, Fazekas, Fleckl, Franz, Freund, Fuhrmann, Füller, Fürntrath;

Gaßner, Glaser, Grander, Grillitsch, Grossmann, Großruck;

Haberzettl, Hakl, Haubner Peter, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hlavac, Höllerer, Hornek, Hursky;

Jarolim;

Kainz, Kaipel, Karl, Keck, Kirchgatterer, Köfer, Königsberger-Ludwig, Kopf, Kößl, Krainer, Kräuter, Krist, Kukacka, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lohfeyer;

Maier Ferdinand, Maier Johann, Marizzi, Mayer Elmar, Missethon, Mitterlehner, Morak, Muchitsch, Murauer, Muttonen;

Neugebauer Fritz, Niederwieser;

Oberhauser, Obernosterer;

Pack, Parnigoni, Pfeffer, Prähauser, Prammer, Praßl;

Rädler Johann, Rasinger, Reheis, Riener Barbara, Riepl, Rinner Silvia, Rudas;

Schasching, Schelling, Schieder Andreas, Schönpass, Schopf, Schultes, Schüssel, Sieber Norbert, Sonnberger, Spindelberger Erwin, Spindelegger Michael, Stadlbauer, Stadler Astrid, Steibl Ridi, Steier, Steindl Konrad, Stummvoll;


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 372

Tamandl, Trunk;

Wimmer, Wittmann, Wöginger;

Zach.

*****

01.19.2333. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindestlohns (Mindestlohngesetz) (337/A)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zum 33. Punkt der Tages­ordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Mag. Schatz. Die Restredezeit ihrer Fraktion beträgt 2 Minuten. – Bitte.

 


1.19.51

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, wir sind alle müde und wollen heimgehen.

Aber 250 000 Menschen in diesem Land kommen auch jeden Tag müde heim, ver­dienen jedoch so wenig, dass sie als arm gelten. Das sind die sogenannten „working poor“. Und um diesen eine deutliche Besserstellung zu geben, verlangen wir ein Mindestlohngesetz, das 7 € in der Stunde vorsieht und jährlich automatisch valorisiert werden soll.

Und wenn Sie mir jetzt sagen, dass Ihre Sozialpartnereinigung dieses Problem vom Tisch schafft, dann sage ich: Nein! Sie ist leider absolut unzureichend. 820 € netto sind uns zu wenig, und sie sind den vielen Betroffenen in diesem Land zu wenig. Wir wollen für diese Menschen mehr!

Wir schlagen einen gesetzlichen Mindestlohn von zirka 1 000 € netto vor. Das sind immerhin 160 € mehr, und das wäre wesentlich!

Meine Damen und Herren von der SPÖ, ich weiß, Sie sind skeptisch, was ein Mindestlohngesetz betrifft, weil die GewerkschafterInnen unter Ihnen die Sorge haben, ihre Tarifhoheit zu verlieren. – Das ist aber nicht so! Das ist nur ein Sockel nach unten. Bitte, bitte, überlegen Sie unseren Vorschlag genau! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

1.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Muchitsch. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


1.21.13

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Da ein Politiker tagtäglich an seiner Beliebtheit arbeiten soll, mache ich es sehr kurz.

Ich freue mich schon auf die Diskussion zu diesem Antrag im Ausschuss! Er hat sozialpolitischen Reiz. Natürlich gibt es Bedenken, wie Sie richtig erwähnt haben, aber ich freue mich, wie gesagt, auf die Diskussion im Ausschuss.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 373

Ich wünsche eine gute Nacht und freue mich schon, dass wir uns in wenigen Stunden wieder sehen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

1.21


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Dolinschek kann leider nicht mehr aufgerufen werden, weil das BZÖ über keine Rede­zeit mehr verfügt.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 337/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

01.22.05Einlauf

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 491/A bis 525/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2590/J bis 2596/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für heute, 6. Dezember 2007, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Diese Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

01.22.35Schluss der Sitzung: 1.23 Uhr

 

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