Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

891. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. April 2019

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

891. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. April 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. April 2019: 9.02 – 20.15 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betref­fend Jahresvorschau 2019 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates

2. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2017

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förde­rungsgesetz 2012 geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgän­ge und das Privatschulgesetz geändert werden

7. Punkt: Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung be­treffend EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2019

8. Punkt: Bundesgesetz über Ziviltechniker (Ziviltechnikergesetz 2019 – ZTG 2019)

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort be­treffend EU Vorhaben 2019 im Wirkungsbereich des BMDW

10. Punkt: Mittelstandsbericht 2018

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (Dienst­rechts-Novelle 2019)

12. Punkt: Bericht des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2019

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird

14. Punkt: Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 2

15. Punkt: Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits be­treffend den Beitritt Ecuadors

16. Punkt: Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits

17. Punkt: Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäi­schen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits

18. Punkt: Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäi­schen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits

19. Punkt: Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Singapur andererseits

20. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 33

21. Punkt: Antrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Dr. Magnus Brunner, LL.M., Mo­nika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamen­tarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ (257/A-BR/2019)

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Inhalt

Bundesrat

Angelobung des Bundesrates Mag. Bernd Saurer ..................................................... 11

Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandats­verzicht beziehungsweise Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates ............................................................... 30

Antrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Dr. Magnus Brunner, LL.M., Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit
§ 16 Abs. 3 GO-BR, den Antrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Dr. Magnus Brunner, LL.M., Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhal­tung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Trink­wasser schützen und sichern“ (257/A-BR/2019) ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ............................  33, 34

Unterbrechung der Sitzung .................................................................................  33, 118

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Kinderrechteausschuss zur Be­richterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hil­fen für junge Erwachsene“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 9. Mai 2019 zu setzen – Ablehnung ..........................................................................................  34, 178

Aktuelle Stunde (70.)

Thema: „5G – neue Mobilfunktechnologie. Welche Chancen und Risiken er­warten uns?“             ............................................................................................................................... 12


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 3

RednerInnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 12

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................... 14

Rudolf Kaske ................................................................................................................ 16

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ....................................................................  18, 26

Peter Samt ..................................................................................................................... 21

Andrea Wagner ............................................................................................................. 22

Günther Novak ............................................................................................................. 23

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 25

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ......................................................  31, 32

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 33

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  27, 179

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union“ (3645/J-BR/2019) ...................................................................... 118

Begründung: Martin Weber ......................................................................................... 118

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 122

Debatte:

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 124

Karl Bader ................................................................................................................... 126

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 128

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ............................................................................................... 130

Korinna Schumann .................................................................................................... 134

David Stögmüller ........................................................................................................ 136

Anton Froschauer ...................................................................................................... 140

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitä­ren Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“ – Ablehnung ............................................................................................................  134, 141

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Echte Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“ – Ablehnung .............  135, 141

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme des Verbotes der Verwendung von Symbolen der Identitären Bewegung in das Symbole-Gesetz“ – Ablehnung                                                                                                139, 142

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Jahresvorschau 2019 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits-


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programmes der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Ra­tes (III-679-BR/2019 d.B. sowie 10138/BR d.B.)                34

Berichterstatter: Peter Samt .......................................................................................... 35

RednerInnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 35

Dr. Peter Raggl ............................................................................................................. 37

Günter Kovacs .............................................................................................................. 39

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ........................................................................... 40

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-679-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................... 40

2. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2017, vorgelegt vom Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-681-BR/2019 d.B. sowie 10139/BR d.B.) .................... 40

Berichterstatter: Peter Samt .......................................................................................... 40

RednerInnen:

Christoph Steiner ......................................................................................................... 41

Ernest Schwindsackl ................................................................................................... 43

Dominik Reisinger ........................................................................................................ 45

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ........................................................................... 46

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-681-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................... 47

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (603/A und 546 d.B. sowie 10143/BR d.B.)                  48

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................... 48

RednerInnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................................................... 48

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 49

Christoph Längle, BA .................................................................................................. 50

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 50

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird (604/A und 547 d.B. sowie 10144/BR d.B.)                  50

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ........................................................................... 51

RednerInnen:

Klara Neurauter ............................................................................................................ 51

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 52

MMag. Dr. Michael Schilchegger ................................................................................ 52

Bundesminister Dr. Josef Moser ................................................................................ 52

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 53


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5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förderungsge­setz 2012 geändert werden (619/A und 548 d.B. sowie 10145/BR d.B.) ............................................................................................................... 54

Berichterstatterin: Mag. Doris Schulz ........................................................................... 54

RednerInnen:

Korinna Schumann ...................................................................................................... 54

Karl Bader ..................................................................................................................... 56

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 57

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 58

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehr­gänge und das Privatschulgesetz geändert werden (620/A und 541 d.B. sowie 10154/BR d.B.) ............................................................................................................... 58

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................... 59

RednerInnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 59

Mag. Martina Ess .......................................................................................................... 61

David Stögmüller .......................................................................................................... 63

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 65

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 67

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .................................................................................. 68

Christoph Steiner ......................................................................................................... 70

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .......................................................................... 72

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 73

7. Punkt: Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und For­schung betreffend EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2019 (III-676-BR/2019 d.B. sowie 10142/BR d.B.) ............................. 73

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ....................................................... 73

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 74

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 75

MMag. Dr. Michael Schilchegger ................................................................................ 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-676-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................... 79

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend ein Bun­desgesetz über Ziviltechniker (Ziviltechnikergesetz 2019 – ZTG 2019) (478 d.B. und 530 d.B. sowie 10155/BR d.B.)                  79

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 79

RednerInnen:

Marianne Hackl ............................................................................................................. 79

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 80


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 6

Peter Samt ..................................................................................................................... 81

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ......................................................... 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 83

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstand­ort betreffend EU Vorhaben 2019 im Wirkungsbereich des BMDW (III-677-BR/2019 d.B. sowie 10156/BR d.B.)                  83

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 83

RednerInnen:

Mag. Christian Buchmann ........................................................................................... 83

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 86

Josef Ofner ................................................................................................................... 88

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ......................................................... 90

Stefan Schennach ........................................................................................................ 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-677-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................... 94

10. Punkt: Mittelstandsbericht 2018 (III-667-BR/2018 d.B. sowie 10157/BR d.B.)         94

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 94

RednerInnen:

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 94

Martin Weber ................................................................................................................. 97

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ...................................................................................... 99

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 101

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 104

Sonja Zwazl (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-667-BR/2018 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................. 105

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (Dienstrechts-Novel­le 2019) (607/A und 545 d.B. sowie 10146/BR d.B.)                          105

Berichterstatter: MMag. Dr. Michael Schilchegger ................................................... 105

RednerInnen:

Elisabeth Grimling ..................................................................................................... 106

Mag. Doris Schulz ...................................................................................................... 107

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ..............................................................  108, 113

Martin Weber (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 110

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 111

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 114

12. Punkt: Bericht des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport betref­fend EU-Jahresvorschau 2019 (III-674-BR/2019 d.B. sowie 10140/BR d.B.) ........................... 114

Berichterstatterin: Marlies Steiner-Wieser ................................................................. 114


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 7

RednerInnen:

Thomas Schererbauer ............................................................................................... 114

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................. 116

Jürgen Schabhüttl ...................................................................................................... 142

Mag. Reinhard Pisec, BA MA .................................................................................... 144

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 146

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-674-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................. 150

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (503 d.B. und 539 d.B. sowie 10141/BR d.B.) ...... 150

Berichterstatter: Ing. Bernhard Rösch ....................................................................... 151

RednerInnen:

Rosa Ecker, MBA ....................................................................................................... 151

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................... 152

Korinna Schumann .................................................................................................... 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 154

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Handels­übereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits (441 d.B. und 518 d.B. sowie 10147/BR d.B.) .................................................................................... 155

Berichterstatter: Christoph Längle, BA ..................................................................... 155

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Beitritts­protokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ih­ren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors (436 d.B. und 519 d.B. sowie 10148/BR d.B.) ............................................................................................................. 155

Berichterstatter: Christoph Längle, BA ..................................................................... 155

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkom­men zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits (504 d.B. und 520 d.B. sowie 10149/BR d.B.) ......................................... 155

Berichterstatter: Christoph Längle, BA ..................................................................... 155

RednerInnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 156

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 157

Klara Neurauter .......................................................................................................... 159

Anton Froschauer ...................................................................................................... 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 8

vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................. 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................. 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................. 160

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkom­men über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits (330 d.B. und 521 d.B. sowie 10150/BR d.B.) ............................................................. 162

Berichterstatter: Gottfried Sperl ................................................................................. 162

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkom­men über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits (283 d.B. und 522 d.B. sowie 10151/BR d.B.) ............................................................. 162

Berichterstatter: Gottfried Sperl ................................................................................. 162

RednerInnen:

Christoph Längle, BA ................................................................................................ 162

Anton Froschauer ...................................................................................................... 164

Hubert Koller, MA ....................................................................................................... 164

Bundesministerin Dr. Karin Kneissl ........................................................................ 165

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................. 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................. 166

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Partner­schafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ih­ren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Singapur andererseits (475 d.B. und 523 d.B. sowie 10152/BR d.B.) .......... 167

Berichterstatter: Gottfried Sperl ................................................................................. 167

RednerInnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 168

Peter Samt ................................................................................................................... 169

Mag. Christian Buchmann ......................................................................................... 170

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ......................................................... 171

20. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-671-BR/2019 d.B. sowie 10153/BR d.B.)                                 171


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 9

Berichterstatter: Peter Samt ........................................................................................ 172

RednerInnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 172

Gottfried Sperl ............................................................................................................ 173

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 175

Bundesministerin Dr. Karin Kneissl ........................................................................ 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-671-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................. 178

21. Punkt: Antrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Dr. Magnus Brunner, LL.M., Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parla­mentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ (257/A-BR/2019) ................................... 178

Annahme des Antrages 257/A-BR/2019 ...................................................................... 178

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Ingo Appé, Dr. Magnus Brunner, LL.M., Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ (257/A-BR/2019)

David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sperrvermer­ke für Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst (258/A(E)-BR/2019)

David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme des Verbotes der Verwendung von Symbolen der Identitären Bewegung in das Symbole-Gesetz (259/A(E)-BR/2019)

Anfragen der BundesrätInnen

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Polizeischüler*innen in Oberösterreich (3642/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Straftaten und Selbsttötungen in Haft 2018 (3643/J-BR/2019)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Inneres betreffend NS-Meldestelle (3644/J-BR/2019)

Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „klares Be­kenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Be­kenntnis zur Europäischen Union“ (3645/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Emir von Kuwait im SALK Salzburg (3646/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend Emir von Kuwait im SALK Salzburg (3647/J-BR/2019)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schildbürgerstreich“


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 10

bei der Ausnahme von E-Autos von der IG-Luft-Geschwindigkeitsbegrenzung (3346/AB-BR/2019 zu 3618/J-BR/2019)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend der ge­planten Einführung eines „Katastrophenwarnsystemes via SMS“ (3347/AB-BR/2019 zu 3622/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundesrä­tInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Rückkehr des Wol­fes in Österreich (3348/AB-BR/2019 zu 3619/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Masern impfen – Leben retten“ (3349/AB-BR/2019 zu 3620/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schildbürgerstreich“ bei der Ausnahme von E-Autos von der IG-Luft-Geschwindigkeitsbegrenzung (3350/AB-BR/2019 zu 3617/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmül­ler, Kolleginnen und Kollegen rechtsextreme Straftaten in Oberösterreich im Jahr 2018 (3351/AB-BR/2019 zu 3623/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stög­müller, Kolleginnen und Kollegen Rechtsextreme Straftaten 2018 (3352/AB-BR/2019 zu 3624/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimapolitik der österreichischen Regierung (3353/AB-BR/2019 zu 3621/J-BR/2019)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Posten­schacher und Geldverschwendung beim Weltkulturerbe ,Spanische Hofreitschule‘“ (3354/AB-BR/2019 zu 3626/J-BR/2019; 2920/DOKV)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ju­gendliche in Untersuchungshaft (3355/AB-BR/2019 zu 3625/J-BR/2019)


 


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09.02.22Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Ingo Appé, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vize­präsident Hubert Koller, MA.

09.02.23*****


Präsident Ingo Appé: Ich eröffne die 891. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 890. Sitzung des Bundesrates vom 14. März 2019 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Ich begrüße die Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie, ganz besonders einen treuen Gast unserer Sitzungen, Herrn Bundesratspräsidenten außer Dienst Edgar Mayer. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen und Geburtstagskindern in unserer Runde gratulieren: Heute hat Claudia Peska Geburtstag – alles Gute! (Allgemeiner Beifall.) Gestern hatte Rosa Ecker einen runden Geburtstag – herzlichen Glückwunsch! (Allge­meiner Beifall.) Gestern hatte auch Korinna Schumann Geburtstag – alles Gute! (Allge­meiner Beifall.) Und am Dienstag hatte mein Kärntner Kollege Josef Ofner Geburts­tag – auch dir einen recht herzlichen Glückwunsch! (Allgemeiner Beifall.)

09.03.52Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Ingo Appé: Eingelangt ist ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Wie­ner Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise Wahl eines Ersatzmitglie­des des Bundesrates. (siehe S. 30)

Da Bundesrat Georg Schuster mit Wirkung vom 28. März 2019 auf sein Mandat ver­zichtet hat und Mag. Bernd Saurer ex lege auf das frei gewordene Mandat nachge­rückt ist, ist die Wahl eines neuen Ersatzmitgliedes des Bundesrates vom Wiener Landtag entsprechend durchgeführt worden.

Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Ver­lesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Marianne Hackl: Ich verlese hiermit die Gelöbnisformel: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ih­rer Pflichten.“

*****

(Bundesrat Mag. Bernd Saurer leistet die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)


Präsident Ingo Appé: Auch ich darf das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte begrüßen.


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09.05.58Aktuelle Stunde


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

5G – neue Mobilfunktechnologie. Welche Chancen und Risiken erwarten uns?“

mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer, den ich auch herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen/deren Redezeit je­weils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Red­ner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der Bundes­räte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine ab­schließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonfe­renz die Redezeit 10 Minuten beträgt.


9.07.15

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! 5G ist ja mittlerweile bereits zu einem Schlagwort geworden und ist in aller Munde, aber was das eigentlich be­deutet, ist vielleicht nicht immer allen ganz geläufig.

Das G steht für Generation oder (englisch aussprechend) Generation, und 5 ist eben die fünfte Generation. Wovon? – Eigentlich von einem Mobilfunkstandard. Bisher gab es – wodurch das erste Mal auch Datenübertragung in größerem Stil möglich war – 3G, das sogenannte UMTS-Netz, das auch jetzt teilweise noch in Verwendung ist, und aktuell 4G, das LTE-Netz, Long Term Evolution. 4G ermöglicht eine Netzgeschwindig­keit von bis zu 300 Megabit pro Sekunde, 5G soll nun bis zu 10 Gigabit pro Sekunde ermöglichen, das ist in etwa die 20-fache Geschwindigkeit – wunderschön.

Mit einem bisherigen DSL-Anschluss konnte man eine DVD mit standardmäßig 4,76 Gigabyte in circa 13 Minuten herunterladen, mit 5G ist das im Idealfall in 4 Se­kunden möglich. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Braucht man das? Ist das wirklich alles? – Mitnichten, die Geschwindigkeit ist nicht das Einzige.

Ein ganz bedeutender Faktor und eine Messgröße ist die sogenannte Latenzzeit. Was ist das schon wieder? – Die Latenzzeit ist die konkrete Zeitspanne, in der eine indivi­duelle Nutzeraktivität über ein mobiles Endgerät eine Reaktion, den sogenannten Ping, auf einem anderen Gerät auslöst – und jetzt wird es interessant: Das ist beispielsweise sehr bedeutend für die Entwicklung von autonomem Fahren, denn dort müssen die Übertragung der Information und die Reaktion quasi in Echtzeit erfolgen; Beispiel: das Erkennen eines Hindernisses bis zum Einleiten des Bremsvorgangs.

Wer sich noch an seine Fahrschulzeit erinnern kann, wird wissen: Die Reaktionszeit ei­nes Menschen ist in etwa 1 Sekunde. Das bedeutet, dass jemand, der mit 100 Kilome­tern pro Stunde unterwegs ist, in der Reaktionszeit 28 Meter zurücklegt. Ein autonom fahrendes Auto wird eine Latenzzeit von 1 Millisekunde haben und reagiert damit tau­sendmal schneller. Das heißt, die Reaktionszeit entspricht bei 100 Kilometern pro Stun­de einer Fahrstrecke von weniger als 1 Zentimeter.

Das war jetzt ein sicher plakatives Beispiel, hat aber generell große Bedeutung für die Industrie 4.0. Damit können Maschinen in Echtzeit miteinander kommunizieren. Beim


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LTE-Netz war die Latenzzeit 50 Millisekunden, beim 5G-Netz sind es 3 Millisekunden, und das ist ganz essenziell in der M2M, also Maschine-zu-Maschine-Kommunikation.

Das heißt also, 5G ist mehr als ein neuer Mobilfunkstandard, es ist ein neuer Kommu­nikationsstandard und es ist natürlich auch eine wesentliche Voraussetzung für die Weiterentwicklung des sogenannten Internets der Dinge. Dabei werden beliebige Ob­jekte, Tiere oder Menschen mit einem einzigartigen Identifikator, der uns allen geläufi­gen IP-Adresse, ausgestattet und können dann miteinander kommunizieren; das kann ein Mensch mit einem Herzschrittmacher sein oder eben verschiedene Maschinen oder auch Produkte untereinander. Diese Produkte werden dann als intelligent oder smart bezeichnet.

Es wird also jedem einleuchten, dass diese Technologie gerade für ein Hochtechnolo­gieland wie Österreich von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung ist und zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ganz wesentlich beiträgt. Umso wichtiger ist es daher, dass diese Bundesregierung und unser Herr Bundesminister diesen Umstand richtig erkannt haben und bereits wichtige Schritte eingeleitet haben, um Österreich zu einem interna­tionalen Vorreiter auf diesem Gebiet zu machen.

Natürlich treten aber, wie immer bei der Einführung neuer Technologien, die üblichen Mahner, Skeptiker, Unkenrufer und manchmal auch Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Es heißt beispielsweise, dass aufgrund der geringeren Reichweite der 5G-Fre­quenzen das ganze Land dann mit Masten zugepflastert werden wird. – Das ist an sich grundsätzlich falsch, denn mit 5G gibt es größere räumliche Abweichungen in der Standortdichte, und diese Standorte werden sich auch in der Leistung und in der Optik deutlich von den bisher bekannten Masten unterscheiden, auch wenn diese natürlich weiter mitverwendet werden können.

Es wird also hinkünftig für 5G kein gleichförmiges Netz für alle, sondern viele indivi­duelle virtuelle Spezialnetze, die flexibel auf die jeweiligen Anwendungen und Nutzer zugeschnitten sind, geben. Diese sogenannten Small Cells werden sich kaum von den bisher bereits üblichen WLAN-Hotspots unterscheiden und daher nicht besonders auf­fallen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist natürlich die Gesundheit. Elektromagnetische Wellen verursachen Gehirntumore – das ist sozusagen die Aussage, die im Raum steht, und teilweise sind die Stellungnahmen hierzu auch nicht immer hilfreich, denn die WHO si­chert sich da sozusagen ab und sagt: Wir haben zwar keine Beweise, dass dem so ist, aber es könnte ja vielleicht doch gefährlich sein. – Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Bedenkenträger und Gegner. Die sagen dann natürlich: Ha, die WHO warnt davor, reißt also das Netz sofort ab und verbietet die Auktionen von 5G-Lizen­zen!

Das grundsätzliche Problem liegt natürlich in der Schwierigkeit, zu beweisen, dass es etwas nicht gibt. Das ist nie so einfach, es ist viel leichter, zu beweisen, dass es etwas gibt. Man weiß aber – und ich bin mir sicher, dass das Bundesministerium dafür sorgen wird –, dass alle geltenden Grenzwerte, die sehr sorgfältig auf der Basis vorhandener und verfügbarer Studien festgelegt wurden, eingehalten werden, und es ist auch nicht zu erwarten, dass diese Grenzwerte durch das 5G-Netz überschritten werden. Natür­lich wird das jährlich unter Heranziehung allfällig verfügbarer neuer Studien – bei einer neuen Technologie, das ist klar, gibt es noch nicht so viele Studien – einer Neubewer­tung unterzogen.

Dann gibt es natürlich noch die Angst vor Spionage, da stehen die Chinesen mit Hua­wei im Mittelpunkt. Diese wurde natürlich auch von Präsident Trump geschürt, der ja sogar der Nato gedroht hat: Wenn Nato-Staaten mit Huawei-Technik arbeiten, dann ist das eine ernsthafte Bedrohung! – Dazu kann ich nur sagen: Der Schelm denkt, wie er


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ist, denn wer glaubt allen Ernstes, dass die USA ihre Vormachtstellung wie beispiels­weise mit Microsoft bei den Betriebssystemen nicht genauso für Überwachung, für Spionagetätigkeiten nützt?!

Zusammenfassend kann man also sagen: Es gilt, die Chancen zu nützen, derer es viele gibt, und natürlich die Risiken zu bewerten. Ein modernes und effizientes Risiko­management wird dazu beitragen, allfällige potenzielle Gefahren und Risiken zu kontrollieren und hintanzuhalten, aber das größte Risiko wäre jedenfalls, wenn man die Chance, die das 5G-Netz für unser Land, für unseren Standort bietet, nicht nützt und den technologischen Anschluss verpasst. – Ich danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.18


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Mar­lene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.


9.18.31

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lieber Präsident außer Dienst auf der Besu­chergalerie! 188 Millionen E-Mails, 41,6 Millionen WhatsApp- und Facebook-Nachrich­ten, 4,5 Millionen YouTube-Videos, 3,8 Millionen Suchanfragen auf Google und neuer­dings auch 1,4 Millionen Swipes auf Tinder und 695 000 Stunden, die über Netflix kon­sumiert werden: Das ist nur ein Auszug davon, wie weltweit im Jahr 2019 im Durch­schnitt 1 Minute im Internet aussieht – 1 Minute, in der sich der Konsum enorm entwi­ckelt hat, und dieser wird von Jahr zu Jahr mehr. Es sind immer mehr Angebote und Technologien, die sich verbreiten. Es sind immer mehr Menschen, die diese Angebote nutzen, und es sind auch immer größere Mengen an Daten, die durch das World Wide Web geschickt werden, die empfangen werden und die jeder von uns jederzeit und überall empfangen möchte, egal ob zu Hause oder mobil, ob am Arbeitsplatz oder von unterwegs; egal wo, wichtig ist, dass es schnell geht. 1 Minute im Internet steht symbo­lisch für einen weltweiten Trend, der uns alle erfasst, den wir alle erleben und der auch vor Österreich nicht haltmacht.

99 Prozent aller Unternehmen in Österreich hatten 2018 einen Internetzugang, bei den privaten Haushalten waren es bis Jahresende 89 Prozent. Für Festnetz und Mobilfunk zusammengerechnet gibt es in Österreich mittlerweile 11,1 Millionen Breitbandan­schlüsse, drei Viertel davon werden über das Mobilfunknetz realisiert. Österreich ist zu einem Mobilfunkland gewachsen, und zwar rasant.

Ich möchte Ihnen einen kurzen Vergleich geben, der sehr eindrucksvoll ist. Sie kennen das sicherlich alle, zu Silvester, in den Stunden rund um den Jahreswechsel, zuerst die Guten-Rutsch-SMS und -WhatsApp-Nachrichten, dann die Prosit-Neujahr-Nachrichten: In diesen wenigen Stunden rund um den Jahreswechsel 2018/2019 wurde ein Daten­volumen von fast 18 Millionen Gigabyte übertragen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren wurde dieses Volumen über das gesamte Jahr gerechnet nicht verbreitet.

Internationale Experten sagen für die nächsten fünf Jahre einen dreifachen Anstieg der weltweiten Datennutzung voraus, und sie gehen davon aus, dass damit noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Im privaten Bereich sind es die Änderun­gen im Medienkonsum, die zu einem massiven Anstieg führen, im beruflichen Bereich sind es neue Technologien und neue Anwendungen, und es ist die immer stärker wer­dende Vernetzung von Geräten – wir haben es gehört –, die eine Echtzeitübertragung erfordert, Stichwort Smart Home, Machine-to-Machine-Kommunikation, Internet of Things.

Eines ist ganz klar: Vor dem Hintergrund all dieser Entwicklungen müssen tragfähige, schnelle Internetverbindungen genauso eine selbstverständliche Infrastruktur sein und werden wie es heute der Wasseranschluss ist, wie es der Kanalabfluss ist oder wie es


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der Stromanschluss ist. Uns muss auch klar sein: An dieser tragfähigen, schnellen In­frastruktur werden wir zukünftig auch immer stärker gemessen, und der Grad der Di­gitalisierung wird gerade für eine kleine, exportorientierte Volkswirtschaft, wie Öster­reich es ist, zu einem wirklich entscheidenden Standortfaktor.

Die leistungsfähige digitale Struktur entscheidet heute darüber, ob unsere Unterneh­men morgen international erfolgreich und innovativ sein werden, ob Mitarbeiter von zu Hause aus flexibel arbeiten und ob junge Menschen alle Chancen vorfinden, egal ob sie im urbanen Bereich oder am Land leben.

Unsere Bundesregierung hat genau diesen Handlungsbedarf erkannt, hat das Thema Digitalisierung ganz oben auf die politische Agenda gesetzt und ein klares Ziel vorge­geben, nämlich Österreich zu einer weltweit führenden Digital Nation zu entwickeln. Vielen Dank dafür an Sie, Herr Bundesminister, und an die gesamte Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es gibt aber nicht nur eine Zielvorgabe, es gibt auch einen klaren Umsetzungsplan, der Schritt für Schritt von unserer Bundesregierung abgearbeitet wird, sei es mit Initiativen im Bereich der Digitalisierung, dem Digitalen Amt, dem Masterplan Digitalisierung, Ini­tiativen wie Fit4internet oder aber wenn es darum geht, Infrastruktur zu schaffen, um Österreich auf den Weg in eine Gigabitgesellschaft zu führen und um das Mobilfunk­land Österreich zum 5G-Vorreiter in Europa, vielleicht auch zum weltweiten Frontrun­ner zu entwickeln.

Darin liegt ganz klar die Zukunft. Die Zukunft liegt in einer Kombination aus Glasfaser als sicherem, schnellem Übertragungsmedium und einem flächendeckenden 5G-Aus­bau. Basis für all diese Vorhaben bleibt die Investition in den Ausbau einer gigabitfähi­gen Breitbandinfrastruktur, denn ohne Glasfaser, ohne schnelle Glasfaserleitungen, die wir dann noch an unsere Mobilfunkbasisstationen anschließen können, können wir auch 5G nicht flächendeckend anbieten. Gleichzeitig werden wir aber, das müssen wir uns alle eingestehen, in einem Land wie Österreich nicht jedes noch so entlegene Ge­biet flächendeckend mit Glasfaser erreichen. Da kann und wird 5G eine wirksame und echte Alternative darstellen. Je mehr es uns gelingt, mit Glasfaser zum Endverbrau­cher zu kommen, umso besser wird zukünftig auch die Versorgung mit 5G funktionie­ren und umso mehr werden wir alle davon profitieren.

Der Weg dorthin, sozusagen die Roadmap zur rot-weiß-roten Gigabitgesellschaft, zur leistungsfähigen Versorgung mit schnellem Internet, soll für ganz Österreich die Breit­bandstrategie 2030 festlegen. Sie baut auf der Strategie 2020 auf, sie lässt bisherige Erfahrungen einfließen und sie bezieht gleichzeitig auch neueste Prognosen hinsicht­lich zukünftiger Entwicklungen ein. Als die Breitbandstrategie für 2020 entwickelt wur­de, war 5G bei Weitem noch nicht so spruchreif und konkret, wie es das heute ist.

Die Breitbandstrategie 2030 können wir nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund und Ländern erreichen, denn es sind durchaus ehrgeizige Ziele, die wir uns dabei gesetzt haben. Dazu habe ich eine Bitte an Sie, Herr Bundesminister: Im Rah­men der öffentlichen Konsultation haben alle neun Bundesländer gemeinsam eine Stel­lungnahme abgegeben. Ich bitte Sie, diese Stellungnahme genauestens zu prüfen und sie bestmöglich einfließen zu lassen. Ich denke, die Länder wissen, wo der Schuh drückt, sie wissen, wo wir besonderen Bedarf haben, wo wir Infrastruktur brauchen, wo wir Infrastruktur kostengünstig nutzen und mitnutzen können. Dementsprechend sind sie auch maximal einzubeziehen. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube, dann sind wir in einem Miteinander auf einem wirklich guten Weg, auf dem es natürlich gilt, die Auswirkungen für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, aber auch für die Gesundheit ganz genau zu beobachten. Ich glaube, das passiert jetzt schon sehr professionell, und dafür danke ich Ihnen, dem Bundesministerium für Verkehr, Innova-


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tion und Technologie und dem Wissenschaftlichen Beirat Funk. Auch wir werden uns das in Zukunft natürlich ganz genau anschauen.

Abschließend möchte ich noch eines ganz klar sagen: Wir wollen natürlich nicht nur gigabitfähige Infrastruktur bereitstellen, wir wollen auch ein Klima schaffen, von dem die Österreicherinnen und Österreicher profitieren, von dem unsere Gesellschaft profi­tiert, von dem die Wirtschaft profitiert. Dann kann 5G ein echter Zutrittsschlüssel zur Di­gitalisierung werden.

Wer weiß, was dann, in zehn, 15 Jahren, in 1 Minute im Internet so alles passiert: Viel­leicht reden wir dann von der Anzahl der selbstfahrenden Autos, die unterwegs sind und für weniger Staus, für weniger Unfälle, für weniger Emissionen auf unseren Stra­ßen sorgen. Vielleicht reden wir von der Vielzahl an gemessenen Gesundheitsparame­tern, die uns ganz neue Möglichkeiten in der Medizin, in der Gesundheitsvorsorge er­öffnen und unsere Lebensqualität verbessern. Vielleicht reden wir von der Anzahl an voll automatisierten Fertigungen im Rahmen der Industrie 4.0, oder wir reden von der Anzahl an Kontaktpunkten zwischen vernetzten Geräten, die für uns alle Prozesse opti­mieren und das Leben smarter machen.

Eines ist fix: 1 Minute im Internet wird 2030 völlig anders aussehen, als wir es 2019 er­leben, und es wird garantiert noch immer ein Mehr sein – ein Mehr an Technologien, ein Mehr an Menschen und ein Mehr an Daten, die wir alle in Echtzeit wollen abrufen können.

In diesem Sinne schaue ich heute sehr optimistisch in die Zukunft. Ich würde sagen, arbeiten wir gemeinsam daran, dass Österreich auf der Überholspur bleibt! Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.28


Präsident Ingo Appé: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kas­ke. Ich erteile es ihm.


9.28.37

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Präsident außer Dienst! Meine Damen und Herren auf der Galerie und von wo auch immer Sie uns via Livestream zuschauen! Vorweg möchte ich meinerseits einige grundsätzliche Bemerkungen machen und dann natürlich zu den Fragen an den Herrn Bundesminister kommen.

Grundsätzliche Einleitung zum Thema 5G: Der erste Teil der Versteigerung von Fre­quenzen, die insbesondere für 5G geeignet sind, ist im März 2019 zu Ende gegangen. Der Erlös, meine Damen und Herren, lag ja bei 188 Millionen Euro. Neben den drei großen Mobilfunkanbietern haben auch kleinere Unternehmen auf regionaler Ebene Frequenznutzungsrechte ersteigert.

Der Aufbau beziehungsweise die Ausrüstung der Netze erfolgt, soweit ich weiß, ab Sommer beziehungsweise ab dem nächsten Jahr, die jetzige Versteigerung umfasste Frequenzen, die zwar hohe Bandbreiten ermöglichen, aber schlechte Ausbreitungsei­genschaften haben. Insofern, meine Damen und Herren, ist damit zu rechnen, dass diese am Anfang vor allem im städtischen Bereich eingesetzt werden. Die für die flä­chendeckende Versorgung wichtigeren Frequenzbänder sollen in der nächsten Verstei­gerung, die derzeit vorbereitet wird und die in circa einem Jahr stattfinden soll, zur Ver­gabe kommen.

Meine Damen und Herren! Um insgesamt eine gute Breitbandversorgung der Bevölke­rung zu erreichen, ist es also notwendig, eine Strategie zu verfolgen, die alle Techno­logien – mobil und Glasfaser – miteinbezieht. Deshalb ist es aus meiner Sicht entschei-


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dend, wie sich die Politik positioniert und welche Rolle sie einnimmt. Bei der nächsten Versteigerung sind aus meiner Sicht auch noch einige Fragen offen, bei denen das Mi­nisterium natürlich eine relevante Größe einnimmt.

Meine geschätzten Damen und Herren! Grundsätzliches Ziel muss es sein, eine quali­tative, verfügbare und leistbare Versorgung für möglichst viele Menschen in unserem Land zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller.) 5G stellt dabei einen Teil zur Verfügung, ist aber genauso abhängig vom Ausbau des Festnetzes.

Herr Bundesminister, ich komme nun zu den Fragen, die ich an Sie richten möchte, die erste Frage betrifft die Förderungen. Es gibt aus meiner Sicht derzeit keine konkrete Zusage, ob und in welchem Ausmaß Einnahmen aus der Versteigerung zweckgebun­den wieder in die Förderung des Breitbandausbaus fließen sollen. Wieweit bekennt sich das Ministerium dazu, die Gelder aus den Auktionen – wie man es mit der Breit­bandmilliarde gemacht hat wieder dazu zu verwenden, den Ausbau auch in betriebs­wirtschaftlich weniger lukrativen Regionen voranzutreiben? Sollen diese Erlöse wieder zweckgebunden dem Infrastrukturausbau zugutekommen? Das möchte ich Sie gerne fragen.

Zweitens geht es um den flächendeckenden Ausbau beziehungsweise um Versor­gungsauflagen. Das Ministerium hat sich für einen raschen, flächendeckenden 5G-Ausbau bis 2025 positioniert. Was genau ist damit gemeint? Welche Bandbreiten sol­len wirklich zur Verfügung stehen, welche Kapazitäten in besiedelten Gebieten erreicht werden? Gibt es aus Ihrer Sicht Abschätzungen, welchen Investitionsbedarf eine flächendeckende Verfügbarkeit von 5G für Betreiber nach sich zieht? Wieweit ist das für Unternehmen betriebswirtschaftlich abbildbar? Und wieweit bedarf es da Förde­rungsgelder der öffentlichen Hand?

5G, meine Damen und Herren, ist ein Standard, der zwar theoretisch hohe Bandbreiten ermöglicht, der aber – wie jede Funktechnologie – die tatsächliche Bandbreite der Si­tuation anpasst, abhängig von der Kapazität der Mobilfunkantennen und der jeweiligen Belastung.

Die ersten Endgeräte sind derzeit erst vorgestellt worden. Ich frage daher: Ist es das Ziel des Ministeriums, eine hohe Verfügbarkeit an mobilem Breitband zu ermöglichen oder einen neuen Standard flächendeckend zur Verfügung zu stellen? (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber keine Fragestunde, Herr Kollege! Zwischenrufe bei der SPÖ.) Frau Kollegin, Sie haben nachher genug Zeit! (Bundesrätin Mühlwerth: Ist aber trotzdem keine Fragestunde!) Welche Versorgungsauflagen sollten laut Ministe­rium bei der nächsten Versteigerung berücksichtigt werden? Wieweit soll die Versor­gung aus der Sicht des Ministeriums neben den Ballungsräumen ausgebaut werden? Welche Priorität haben Verkehrswege und Tourismusregionen? Welche Priorität haben Straßen, welche Priorität haben Schienenwege? Soll der Ausbau der Schienenwege primär auf den Hauptrouten vorangetrieben werden, oder gibt es für die täglichen PendlerInnen auf den Nebenstrecken eine Strategie des Ministeriums? Welche legis­tischen beziehungsweise fördertechnischen Maßnahmen sind dabei geplant? (Ruf bei der FPÖ: Was kann das Christkind alles bringen?) Welche Versorgungsauflagen sind im Rahmen der zukünftigen Versteigerungen auf Pendlerbahnstrecken innerhalb des derzeitigen Rechtsrahmens möglich? Welche sind vom Ministerium gewünscht? (Ruf bei der FPÖ: Was ist denn das für eine Sitzung?)

Ich komme zum vorletzten Punkt, zur Security, zur Netzsicherheit. (Bundesrätin Mühl­werth: Das wäre Thema für eine schriftliche Anfrage! Ruf bei der FPÖ: Der ist noch neu, der weiß das noch nicht!) Frau Kollegin! Sie haben dann noch genug Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen.


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Die Europäische Kommission hat ja – das wurde von den Kollegen schon angeschnit­ten – am 26. März 2019 nicht zuletzt wegen der Diskussion um die Sicherheitsbeden­ken hinsichtlich ausländischer 5G-Ausrüster, zum Beispiel des chinesischen Konzerns Huawei, eine Empfehlung veröffentlicht. Sie kennen diese Empfehlung ja, Herr Bun­desminister, und meine Frage ist daher: Gibt es dazu schon eine Strategie beziehungs­weise konkrete Vorhaben des Ministeriums? Wie steht das Ministerium dazu, dass ein wichtiger Teil der österreichischen Infrastruktur aus Komponenten ausländischer Aus­rüster besteht? Welche Möglichkeiten gibt es, da steuernd einzugreifen? Ist das beab­sichtigt? (Ruf bei der FPÖ: Klassische Themenverfehlung!)

Als letzten Punkt, meine Damen und Herren, möchte ich noch etwas zur Koordination sagen. Die Digitalagenden sind ja derzeit in mehreren Ressorts beheimatet. Während das Verkehrsministerium die Infrastrukturregulierung, das Breitbandbüro und die Tele­komgesetzgebung innehat, existiert daneben noch das Digitalisierungsministerium, aber auch alle anderen Geschäftsstellen der Ministerien sowie auch die Länder haben Digitalisierungs- und Infrastrukturaufgaben. Daher lautet meine Frage: Wie wird da die Koordination hergestellt? Wer ist federführend in der Infrastrukturpolitik, und welche Vorhaben sind geplant, um die Zusammenarbeit beim 5G-Ausbau sicherzustellen?

Ich danke vielmals. Auf andere Fragen und Bedenken wird noch mein Kollege Günther Novak eingehen. Ich freue mich, dass ich den Nerv getroffen habe, was die Zwischen­rufe gezeigt haben. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, freue mich und bin schon gespannt auf die Beantwortung, Herr Bundesminister. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

9.38


Präsident Ingo Appé: Für eine erste Stellungnahme ist Herr Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll, wenn möglich, 10 Minuten nicht überschreiten.


9.38.31

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt die Rede, die ich eigentlich halten wollte, in die Rundablage gegeben und werde versu­chen, die Fragen so gut wie nur irgend möglich zu beantworten. (Bundesrätin Grim­ling: Das wird schwierig!)

Sie haben recht, bei der ersten Versteigerung, bei der wir diese 188 Millionen Euro er­zielt haben, ging es um den Frequenzbereich 3,4 bis 3,8 Gigahertz. Je höher eine Fre­quenz ist, umso geringer ist die Ausbreitung der Frequenz, und daher ist diese Fre­quenz vor allem für den städtischen Bereich geeignet. Sehr positiv ist, dass wir ganz vorne mit dabei waren. Wir waren die Ersten, die 5G jetzt mit 200 Endgeräten auch kommerziell nützen. Es geht jetzt weiter mit den nächsten Frequenzbändern von 700 Megahertz aufsteigend, und das sind größere Reichweiten, eben für den ländli­chen Raum.

Die Einnahmen, die wir aus den Auktionen erzielen – bei der nächsten Auktion werden die Einnahmen höher sein als bei der vergangenen –, gehen wieder vollständig in den Breitbandausbau ein. Ein Teil könnte auch – und darüber denken wir gerade nach – für 5G-Anwendungen investiert werden, denn 5G wird den wenigsten von uns beim Mobil­telefon sofort einen echten Mehrwert bringen. 5G brauchen wir für das Internet der Dinge, zum Beispiel für die Medizin. Wenn man in Zukunft mit einem ganz speziellen Leiden ein kleines Krankenhaus besucht und einen Spezialisten brauchen würde, der vielleicht im AKH sitzt, dann kann der Chirurg, der Hunderte Kilometer entfernt ist, in Zukunft diese Operation direkt vor Ort durchführen. Das sind die großen Veränderun­gen, die es geben wird.


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Das Internet der Dinge und Robotik hängen auch sehr stark mit 5G zusammen. Inter­net der Dinge betrifft Anwendungen, an die man heute noch gar nicht denkt: Wenn Sie Ihren Fußboden vernetzt haben, dann wird der Boden aufgrund des Abrollverhaltens des Fußes erkennen, ob sich bei Ihnen ein Knieleiden ankündigt. Leider wird auch das Gewicht gemessen. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das sind alles Dinge, die auf uns zukom­men.

Ich habe vor Kurzem eine Dame aus München kennengelernt, die eine neue Anwen­dung entwickelt hat, wofür sie Tausende Stimmen analysiert hat. Sie wäre in der Lage, in einem Stadion – aber das wollen wir natürlich nicht – die Stimmen zu analysieren und sofort zu erkennen, wenn sich eventuell Panik ankündigt. Was sie aber auch kann, und das ist das, was Bedenken auslöst: Sie kann mit dem Algorithmus erkennen, ob die Person eine ganz bestimmte Krankheit hat. Sie kann erkennen, aus welcher Re­gion der Welt diese Person kommt, auch wenn die Person versucht, ihren Dialekt zu verstellen. Der Algorithmus kann auch erkennen, ob man lügt oder die Wahrheit sagt, das kommt auch noch hinzu.

Das wird unsere Zukunft sehr positiv verändern. Es gibt aber auch einige Dinge, bei denen wir sagen müssen, George Orwell hat mit seinem Buch vielleicht ein Bild ge­zeichnet, das da auch ein bisschen mit hineinspielt.

Der Investitionsbedarf für 5G wird in etwa 10 Milliarden Euro ausmachen. Das haben die Unternehmen zu tragen. Wir investieren in den Breitbandausbau, in die Glasfaser, denn Glasfaser ist ja eine Voraussetzung dafür, dass die 5G-Antennen leistungsfähig angeschlossen sind. Es wird eine Mischung sein. In einigen Gemeinden werden wir 5G-Antennen errichten, dann wird die Gemeinde versorgt. Man wird dann sehen, ob es einzelne Abnehmer – zum Beispiel Firmen – gibt, die einen sehr hohen Bedarf haben, und da geht man mit der Glasfaser direkt bis ins Unternehmen hinein. Es wird aber eine Mischung sein müssen.

Sie haben auch gefragt, wie es mit den Verkehrswegen sein wird: Wir haben legistisch sichergestellt, dass die öffentliche Hand und alle Einrichtungen und Betriebe der öffentlichen Hand verpflichtet sind, zuzulassen, dass es auf deren Eigentum – natürlich gegen Entgelt, aber verpflichtend – 5G-Antennen gibt. Die Antennen sind sehr klein, haben maximal 0,3 Raumkubikmeter. Das soll sicherstellen, dass auf den Strecken der Asfinag, der ÖBB sehr schnell ausgerollt werden kann. Wenn eine Nebenbahn im Ei­gentum der öffentlichen Hand steht, dann kann auch dort sehr schnell ausgerollt wer­den. BIG, Belig, Asfinag, ÖBB, Bundesforste, Gemeinden, Länder: Überall dort kann man diese Antennen sehr schnell errichten.

Zu den Sicherheitsbedenken betreffend Huawei: Polen hat vorgeschlagen, eine euro­päische Lösung zu finden. Wir unterstützen das sehr, aber wir haben auch festgelegt, dass die Betreiber verpflichtet sind, die Sicherheit zu gewährleisten und dafür zu haf­ten.

Zum Unternehmen selbst: Ich habe hier ein Telefon (ein Smartphone in die Höhe hal­tend), die Marke wird Ihnen bekannt sein, meines Wissens wird es in China gebaut. Bei alten Telefonen konnte man den Akku ausbauen, das geht bei diesem Telefon nicht. (Bundesrat Stögmüller: Fairphones gibt es!) Bitte? Was gibt es? (Bundesrat Stög­müller: Fairphones gibt es!) – Fairphones! Da kann man den Akku ausbauen? (Bun­desrat Stögmüller: Sicher!) – Okay, ja, aber hier kann man es nicht, und ganz viele Menschen in Österreich haben solche Telefone. Und selbst wenn das Telefon abge­dreht ist, kann ich abgehört werden.

Ich sage einfach, das Problem ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob nicht auch in den USA schon einmal Spionage vorgekommen ist. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich habe den Eindruck, die sind vielleicht auch in diesem Bereich tätig, auch Russland und viele


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andere Länder, deswegen können wir nur beurteilen, ob die Technik sicher ist, unab­hängig davon, aus welchem Land das Unternehmen kommt. Wir sind in vielen, vielen Bereichen in sehr gutem Kontakt mit China, aber ich denke, wo wir aufpassen müssen, ist, dass die heimische Infrastruktur nicht verkauft wird. Wir sollten – wie Deutschland – festlegen, mit wie viel Prozent sich ein Unternehmen aus dem Ausland an wichtiger Infrastruktur in Österreich beteiligen darf. Schauen wir uns den Hafen Piräus an! Ihn zu verkaufen war aus meiner Sicht schon ein Fehler, so etwas sollte bei uns nicht pas­sieren. Das heißt, bei wichtiger Infrastruktur sollte das maximal bis zur Sperrminorität und nicht weiter möglich sein, und daran wird auch gearbeitet. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie haben auch nach der Koordination der Maßnahmen gefragt: Ich bin vor allem für den Ausbau der Infrastruktur verantwortlich, und es gibt eigentlich in allen Ministerien einen Verantwortlichen, den Chief Digital Officer. Diese vernetzen sich, haben regel­mäßig Treffen und versuchen, die Maßnahmen so gut wie nur irgend möglich zu koor­dinieren.

Vielleicht darf ich noch zur Gesundheit, zur Frage, ob 5G gesundheitsgefährdend ist, etwas sagen: Es gibt empfohlene Grenzwerte, die sich auch nicht verändern, und jedes Mal, wenn eine neue Generation ausgerollt wurde, gab es diese Bedenken. Ich denke einfach, Mobilfunk gibt es jetzt intensiv seit etwa 20 Jahren, also so lange haben schon sehr viele Menschen ein Mobiltelefon. Wenn es wirklich einen massiven Einfluss auf die Gesundheit gäbe, hätten wir das eigentlich in den letzten 20 Jahren schon merken müssen. Trotzdem müssen wir vorsichtig sein, trotzdem werden wir auch bei einer Ausschusssitzung im Parlament einen Experten einladen, der uns genau aufzeigt, wo die Risiken liegen.

Vielleicht darf ich Ihnen aber sagen, wieso es so schwer ist, Strahlungen genau fest­zulegen: Wenn Sie zu Hause eine Mikrowelle haben, die zehn Jahre alt ist, dann ist die Strahlung, die Sie dadurch abbekommen, größer als die eines Antennentragmasts, der vielleicht vor der Wohnhausanlage steht.

Flugzeuge haben einen Transponder an Bord. Der Transponder empfängt bei jedem Flugzeug, das in der Luft ist, mit 1 030 Megahertz und sendet mit 1 090 Megahertz. Früher hatte man bei Modellfliegern – ich weiß nicht, wer von Ihnen ein Modellflieger war – bei der Fernsteuerung 35 Megahertz, 40 Megahertz, jetzt sind es Gigabytever­bindungen, also auch da hat man diese Frequenzen.

Wenn Sie mit dem Auto fahren, haben Sie die Abstandsmessung, beim Tempomaten haben Sie eine Belastung, auch bei einer Funksteckdose und auch durch einen Gara­gentoröffner haben Sie eine Belastung. Alle diese Frequenzen vermischen sich und ergeben eine Gesamtbelastung. Das ändert sich auch immer lokal, es ist immer irgend­wo anders ein Peak, der größer ist. Das macht es schwierig, einen echten Belastungs­kataster zu erstellen, also: vorsichtig sein, aber ich glaube, wir müssen auch keine Angst haben. Ich sehe eine sehr positive Zukunft. Ich glaube, dass unsere Kinder in ei­ner Welt leben können, die es ihnen viel leichter macht.

Etwa die Robotik in der Pflege: Es ist nicht so, dass wir dadurch keinen persönlichen Kontakt zum Patienten haben, nein, das ist ja wichtig. Der Roboter kann aber beim Heben der Patientin oder des Patienten helfen. Autonomes Fahren: Ich glaube, dass es Supermärkte, wie wir sie heute kennen, nicht mehr geben wird, das werden Logis­tikzentren sein, Fahrzeuge werden die Lebensmittel bringen. Es wird uns und es wird unseren Kindern, glaube ich, mehr Zeit für das bleiben, was ihnen Freude macht und was ihnen wichtig ist. All das, was wiederholend ist, was man automatisieren kann, bei dem man helfen kann, wird uns abgenommen werden. Ich glaube, dass 5G auch im Gesundheitsbereich eine riesige Rolle spielen wird. Daher müssen wir keine Angst


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haben, wir können sehr zuversichtlich in eine positive Zukunft gehen und an dieser Gi­gabitgesellschaft weiter intensiv arbeiten. Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.48


Präsident Ingo Appé: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Peter Samt. Ich erteile dieses.


9.48.50

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer und Zuseher auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Herr Kollege Kaske, Sie haben bei uns keinen Nerv ge­troffen, zu dieser Tageszeit wird das auch sehr schwer möglich sein. Sie wurden nur offensichtlich von Ihren Kollegen schlecht beraten, da Sie den Unterschied zwischen einer Aktuellen Stunde und einer Fragestunde, die es ja in diesem Hause durchaus gibt, nicht kennen. (Bundesrat Weber: Diskurs!) – Ja, Kollege Weber, du bist noch nicht dran.

Sie haben von Ihren Kollegen offensichtlich auch noch nicht gehört, dass es den Weg der parlamentarischen Anfrage gibt. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrat Weber – in Richtung Bundesminister Hofer weisend –: Er war freundlich!) – Ich weiß jetzt nicht, welchen Nerv ich gerade getroffen habe, denn jetzt seid ihr ein bisschen aufgeregt.

Ich würde aber sagen, wir können uns recht herzlich bei Herrn Ing. Norbert Hofer, un­serem Bundesminister, bedanken, dass er dies mitträgt, denn ich kann mich gut an Mi­nister von der SPÖ erinnern, die bei so einer Gelegenheit sehr sauer reagiert und ge­sagt haben: Herr Kollege, Sie wissen offensichtlich nicht, dass das keine Fragestunde ist! – Also bitte schön, lassen wir die Kirche im Dorf! Bei uns haben Sie keinen Nerv getroffen, das geht wie gesagt auch nicht leicht. (Bundesrat Weber: Anscheinend bist du gereizt!) – Also (erheitert) meinen Nerv zu treffen, da gehört ein bisschen mehr da­zu, Kollege Weber, aber Sie können das ja dann probieren.

Wie wir schon gehört haben, ist sehr viel zu dieser Strategie gesagt worden. Das Ziel ist, optimierte Rahmenbedingungen für die Einführung dieser Technologie in Österreich nicht nur vorzubereiten, sondern deren Umsetzung auch zu beschleunigen. Es ist auch wichtig, zu betonen – und das ist, glaube ich, aus den Beiträgen auch schon hervorge­gangen –, dass diese 5G-Technologie keine Konkurrenz zum Breitbandausbau und zur Lichtleitfaser ist, sondern dass eine sehr stark miteinander korrespondierende Abhän­gigkeit gegeben ist.

Wie wir schon gehört haben, werden wir nicht bis in jeden Winkel des Landes und bis in jedes Bergdorf ein Kabel verlegen können, aber wir werden die Wege dorthin in Ver­bindung mit dem Breitbandausbau durch diese 5G-Technologie ergänzen, vor allem im ländlichen Raum, der, wie wir wissen, bei diesen Dingen eher benachteiligt ist, weil es geografische und geologische Abweichungen in vielen Bereichen immer noch nicht möglich machen, ein Funknetz ordentlich zu führen.

Warum machen wir das? – Wir liegen mit dem Ausbau des Breitbands doch deutlich zurück. Es ist jetzt offensichtlich doch zu erkennen, dass die vorhergehenden Infra­strukturminister, die ja meines Wissens SPÖ-Minister waren, Versäumnisse zu verant­worten haben. Wir haben einen schlechten Versorgungsgrad verglichen mit der Euro­päischen Union, wo der Versorgungsgrad im Durchschnitt bei 27 Prozent liegt. Wir lie­gen mit unseren 13 Prozent deutlich darunter.


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Vorangetrieben wird dieser Glasfaserausbau jetzt auch in Verbindung und parallel zur 5G-Technologie durch Förderungen des BMVIT. Es ist auch zu erwähnen, dass diese Förderungen für den Ausbau bis zum Endkunden von 50 auf 65 Prozent der förderfä­higen Kosten angehoben worden sind, also in dieser Richtung passiert schon einiges.

Die weiteren Schritte in Richtung Gigabitgesellschaft haben meine Vorredner ja schon erwähnt. Die Bedenken, die wir in diesen Fällen haben, hat, glaube ich, der Herr Bun­desminister sehr deutlich dargestellt: Wir gehen nicht sorglos an diese Sache heran, sondern wagen doch sehr bewusst diesen Schritt, auch wenn wir auf dem Weg sind, dabei Vorreiter zu werden.

Für diese Zielsetzungen und für die beharrliche Verfolgung derselben und für die Fort­schritte auf diesem Weg bedanke ich mich vor allem bei unserem Bundesminister, aber auch bei der gesamten Regierung und bei allen beteiligten Mitarbeitern im Ministe­rium. Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.53


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Wagner. Ich erteile ihr dieses.


9.53.33

Bundesrätin Andrea Wagner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zu­hörerinnen und Zuhörer! Die Digitalisierung betrifft uns alle, sie ist allgegenwärtig, auch im ländlichen Raum. Die Digitalisierung ist eine Riesenchance in allen Bereichen im ländlichen Raum: in der Wirtschaft, im Tourismus, im persönlichen Bereich und in der Landwirtschaft. Mit der Digitalisierung kann der Umgang mit Boden, Wasser und Luft umweltverträglicher gestaltet und das Wohl der Tiere verbessert werden. Sie ermög­licht auch eine flexiblere und auf die persönlichen Bedürfnisse des einzelnen Men­schen abgestimmte Arbeitsgestaltung. Auch bietet sie die Möglichkeit, die Produktivität zu steigern.

Blicken wir in die Zukunft, Landwirtschaft 4.0: Dort geht es auch um die Sensorik, die ein wichtiger Bestandteil von Robotersystemen ist. Die genaue Messung und Kontrolle von Veränderungen umwelttechnischer, biologischer und ökologischer Systeme hilft dabei, Felder so bedarfsgerecht wie möglich zu bewirtschaften.

Wie funktioniert das eigentlich? – Sensoren unter der Ackeroberfläche messen Feuch­tigkeit und Temperatur des Bodens. Die Werte werden entweder in die Cloud ge­schickt, von wo sie der Bauer oder die Bäuerin abrufen kann, oder direkt per Mobil­funkverbindung an die betriebseigenen Rechner gesendet. Auf Basis dieser Daten lassen sich dann die Bewässerung und das Düngen von Pflanzen deutlich gezielter an­passen. Stickstoffsensoren können zudem über Lichtwellen die Blattfärbung von Pflan­zen erfassen und eine genaue Düngeempfehlung abgeben, welche beispielsweise di­rekt an den Bordcomputer eines Traktors kommuniziert werden kann.

Wie schaut es in der Tierhaltung aus? – Sensoren überwachen den Gesundheitszu­stand von kranken oder trächtigen Tieren. Hoch spezialisierte Software wertet die per Sensor ermittelten Vitaldaten aus, gibt Empfehlungen und unterstützt so den weiteren Entscheidungs- und Behandlungsprozess. Die Sensortechnik bedeutet letztlich auch mehr Ortsunabhängigkeit und Zeitersparnis. Man muss in Zukunft nicht mehr persön­lich anwesend sein, um den Gesundheitszustand von Tieren oder den Reifegrad von Pflanzen zu überwachen.

Alle Szenarien rund um den digitalen Bauernhof basieren auf einer hochleistungsfähi­gen Vernetzung, die das Internet der Dinge in der Landwirtschaft letztendlich erst er­möglicht. Produktionsprozesse werden sich künftig weitgehend selbst steuern, Maschi­nen mit Maschinen kommunizieren und Fahrzeuge autonom gesteuert werden, Bei-


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spiel: effizienter Maschineneinsatz zur Erntezeit. (Bundesrat Schabhüttl: Bauern wer­den abgeschafft!) So können Transportfahrzeuge via GPS genau zum richtigen Zeit­punkt zu autonom die Felder abfahrenden Erntemaschinen geleitet werden, um dort ei­ne Ladung Getreide oder Kartoffeln aufzunehmen und abzutransportieren.

Ich kann die Technologie nur unterstützen. Wenn zum Beispiel um 2 Uhr in der Nacht der Wecker klingelt und ich aufstehe und mich anziehe, um nach der Kuh zu sehen, die ein Kalb bekommen soll, es ziemlich kalt draußen ist und die Kuh nicht den Anschein macht, dass sie demnächst kalben wird, gehe ich wieder rein ins Haus und ab ins Bett. Es kann aber sein, dass ich dann noch einmal nachschauen müsste, und ich bin froh und dankbar, dass es gut ausgegangen ist, wenn in der Früh das neugeborene Kalb gesund und munter neben seiner Mutter liegt. Ich wünsche mir aber diese Technik her­bei, um eben nicht immer persönlich rund um die Uhr anwesend sein zu müssen.

Grundvoraussetzung, um diese modernen Technologien anwenden zu können, ist aber der Zugang zu und die Versorgung mit moderner Breitbandinfrastruktur, die wir derzeit leider noch nicht beziehungsweise sehr eingeschränkt haben. Diese digitale Infrastruk­tur wird maßgeblich darüber entscheiden, ob Unternehmen und landwirtschaftliche Be­triebe weiterhin erfolgreich sein können.

Wenn wir also regional produzierte Lebensmittel wollen, wenn sie auch in Zukunft ei­nen hohen Stellenwert haben sollen, wenn wir Arbeitsplätze erhalten und neue schaf­fen wollen, um zum Beispiel den Pendlerverkehr hintanzuhalten, wenn wir im ländli­chen Raum die Lebensqualität erhalten wollen, wenn dieser auch in Zukunft den Städ­tern als wertvoller Erholungsraum dienen soll und wenn wir die Jugend, die sehr inno­vativ ist, am Land halten wollen, dann braucht es verstärkt und rasch den Ausbau von 5G in Kombination mit dem Glasfaserausbau. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ein Risiko, wenn wir die Chancen von 5G und Glasfaserausbau im ländlichen Raum nicht nutzen, ist, dass es dann in 5G, nämlich in fünf Generationen von Menschen, kei­nen belebten und lebenswerten ländlichen Raum mehr gibt, da er nämlich menschen­leer ist.

Deshalb bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Minister, dass Sie und die Bundesregierung sich weiterhin dafür einsetzen und in den ländlichen Raum investieren, damit es eine Chance für einen lebenswerten ländlichen Raum für uns alle gibt. Danke schön. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

9.59


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günther Novak. Ich erteile die­ses.


09.59.45

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Mühlwerth, Herr Samt, es tut mir wirklich leid, dass ihr es nicht aushaltet, wenn euch Kollege Kaske ein paar Fragen stellt. Wir sind in der Opposition, stellt euch das einmal vor, wir haben ja nicht den In­formationsstand, den ihr habt. (Bundesrat Samt: Da geht es nicht ums Aushalten! – Bundesrat Krusche: Ihr müsst Opposition erst lernen!) Wenn ihr diese Fragen aber nicht hören wollt, dann geht hinaus und trinkt einen Kaffee; das ist das Gescheiteste. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein bisschen bin ich jetzt schon wirr im Kopf, nachdem ich mir das angehört habe, was Frau Mag. Zeidler-Beck gesagt hat. Bei dem, was da in der letzten halben Stunde auf mich eingewirkt hat, muss man sich einmal vorstellen, was bei uns in Österreich alles passieren sollte. Nur ist dem aber leider nicht so. Ich habe auch über Pressemeldun­gen mitbekommen, dass Südkorea weltweit erstmals ein kommerzielles 5G-Netz be­treibt; da können wir uns wahrscheinlich das eine oder das andere abschauen.


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Herr Bundesminister im BMVIT, Sie als Verkehrsminister haben festgestellt und haben es heute auch so gesagt, dass dieser vorkommerzielle 5G-Testbereich bis 2020 umge­stellt werden soll, in weiterer Folge soll flächendeckende Verfügbarkeit für das ultra­schnelle Breitband beziehungsweise dann bis 2025 das 5G-Netz geschaffen werden. Dies ist ein ambitioniertes Ziel, keine Frage, aber wenn ich mir jetzt die Situation an­schaue und das, was die Koalition beziehungsweise was ihr heute diesbezüglich ge­sagt habt, dann entspricht das nicht der Realität. Wir sind im europäischen Vergleich relativ weit hinten. Sie haben auch selbst gesagt, dass da noch viel zu tun ist, keine Frage, und dass da 10 Milliarden Euro investiert werden sollten.

Wenn sich aber jemand damit beschäftigt, und wir Bürgermeister am Land müssen uns ja sehr wohl damit beschäftigen – in der Stadt wird das ja alles gemacht, da braucht man nur mehr anzuschließen –, wir am Land müssen schauen, dass diese Leitungen, bis jetzt die Kupferkabel und in weiterer Folge die Glasfaserkabel, verlegt werden, dann kann man feststellen, dass diese 30 Megabit, mit denen man so halbwegs arbei­ten kann, derzeit bei rund 24 Prozent vorhanden sind. Im EU-Durchschnitt haben wir 37 Prozent. Bei den Breitbandanschlüssen mit mindestens 100 Megabit – ja, das ist dann schon ein bisschen flotter – sind wir bei 4 Prozent und auf Platz 24 unter den 28 EU-Staaten. (Bundesrat Krusche: In einem Jahr haben wir die Versäumnisse von eurem Minister nicht aufholen können!) – Herr Krusche, du brauchst dich nicht so auf­zuregen. Habe ich den Herrn Bundesminister beschuldigt, dass er dafür verantwortlich ist? Ihr hört mir nicht zu! Ich habe nur gesagt und festgestellt, dass wir hintennach sind, und wir sind hintennach, weil wir im Glasfaserbereich deutlich unter dem EU-Schnitt sind. (Bundesrat Samt: Das habe ich alles schon erzählt! – Bundesrat Krusche: Wer war denn lange in der Regierung?) Ihr braucht euch nicht so künstlich aufzuregen, ihr braucht mir nur genau zuzuhören.

Das ist jetzt auch eine Tatsache: 2 Milliarden Euro wurden erlöst, Minister Löger hat anscheinend Geld zurückgestellt und bis jetzt nur 1 Milliarde Euro ausgeschüttet. Das ist wahrscheinlich auch nicht richtig – gefällt euch auch nicht. Das wird wohl damit zu tun haben, dass wir am Land das Problem haben, dass – das ist heute öfter gesagt worden – einfach kein Netz vorhanden ist, weil wir es uns teilweise nicht leisten kön­nen. Dann kommen die Mobilfunkbetreiber her, legen ein Glasfaserkabel irgendwo durch ein Dorf durch, und wenn dann die Leute links und rechts nicht anschließen, weil 130 Euro für einen Anschluss verlangt werden – 130 Euro, da könnte ich euch den Ort nennen –, dann fragt man sich selbst auch, ob wir da auf dem richtigen Weg sind. Da frage ich mich jetzt, ob wir am Land in weiterer Folge bei 5G nicht irgendwie benach­teiligt sind, weil einfach die Größenordnung nicht vorhanden ist, damit es dort für einen Betreiber rentabel wird, das auszubauen.

Das Thema Gesundheit ist angesprochen worden. Wir können das nicht einfach weg­wischen und sagen: Ach, das ist nicht relevant! – Der eine sagt, die Strahlung ist ge­ringer als beim Handy, der andere sagt, die Vögel fallen vom Himmel herunter. Ich denke, das ist alles ein bisschen übertrieben, darüber brauchen wir gar nicht zu reden, aber die EU-Kommission ist für eine europaweite Risikoanalyse, und da wird sich Ös­terreich – so wie Sie, Herr Bundesminister, gesagt haben – anschließen, denn wenn man ein Forum aufmacht – ob das jetzt Leute sind, die der ganzen Situation schaden wollen oder auch nicht –, unterschreiben das innerhalb von 1 Stunde 30 000 Leute.

Wir wissen alle, diese europaweite Risikoanalyse sollte man machen, und ich denke, es ist auch nicht überbordend, das zu verlangen. Es ist keine Frage, dass für die In­dustrie, für die Wirtschaft, für neue Technologien das ultraschnelle Internet – das Glas­fasernetz haben wir ja noch nicht und das kommuniziert ja dann miteinander – auch umgesetzt werden sollte, damit wir wettbewerbsfähig sind. Die Verbraucher können sich auf schnelle und stabile Verbindungen freuen.


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Das wird also geschehen, das wird auch in die richtige Richtung gehen, davon bin ich überzeugt. Wir müssen noch die Hausaufgaben machen, um dort hinzukommen. Über das gesundheitliche Risiko sollten wir auch nachdenken und es nicht beiseiteschie­ben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

10.05


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr.


10.05.53

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es ist ja sehr begrüßenswert, dass Digitalisierung ganz oben auf der Agenda steht. Ja, es gibt auch aus der Vergan­genheit Versäumnisse, aber auch in den letzten eineinhalb Jahren ist recht wenig pas­siert und diese Umsetzung ist noch wenig spürbar. Insofern gebe ich nicht nur Kollegen Novak recht, dass es Versäumnisse gibt und dass wir nicht von einer Vorreiterrolle sprechen sollten, sondern auch Herrn Kollegen Kaske, der die richtigen Fragen nach Förderungen, Details, Kapazitäten, Investitionsbedarf und Strategie stellt.

Ich habe das Gefühl, dass diese Latenzzeit, von der Sie von der FPÖ gesprochen ha­ben, was die Reaktionsfähigkeit im Digitalisierungsbereich anbelangt, tatsächlich noch Nachholbedarf hat, und ich finde es nicht angebracht, hier in Lobgesänge und Dan­kesreden auszubrechen. Das sind längst überfällige Maßnahmen, die getroffen werden müssen. Ich bin der Meinung, dass wir es aber mehr mit Ankündigungspolitik zu tun haben und hie und da auch mit einem Fehlstart. Sie haben alle sicherlich gehört, dass sich die von der Regierung kürzlich präsentierte Behörden-App auch dazu geeignet hat, sich beispielsweise in einem Ministerium anzumelden. Das ist eher eine Sicher­heitslücke als eine Maßnahme, die wirklich der Digitalisierung dient.

Es ist jedenfalls ein Zukunftsthema, darin sind wir uns einig. Wir im Bundesrat haben schon des Öfteren über notwendige Maßnahmen gesprochen. Wir müssen aber bei diversesten Anfragebeantwortungen feststellen, dass Sie eben noch nicht ganz wissen, wie Sie das Ganze angehen wollen, was Sie uns hier vorstellen und was Sie propa­gieren.

Beispielsweise haben Sie in einer Aussendung vor circa vier Monaten angekündigt, dass es ein Warnsystem bei Katastrophen geben wird – Sie werden sich erinnern. Wir haben dann nachgefragt, ob es da schon Umsetzungsschritte gibt und wie diese aus­sehen, und mussten erfahren, dass in den letzten vier Monaten genau gar nichts pas­siert ist, dass keine Anstrengungen unternommen wurden. Sie verweisen hier nur da­rauf, dass sich das Projekt Cell Broadcast lediglich an jenem des Innenministeriums orientieren wird. Es sei jetzt dahingestellt, ob der Umstand, sich am Innenministerium zu orientieren, im digitalen Bereich tatsächlich mehr Sicherheit schafft als vielleicht Si­cherheitslücken, mit denen wir zu kämpfen haben. Jedenfalls hat man das Gefühl, dass es bei vielen Ankündigungen mehr um eine Beruhigungsspritze geht, da eben di­verseste Umsetzungen innerhalb eines Rechtsrahmens der EU vorgesehen sind und Österreich diesbezüglich bekanntlich schon länger säumig ist.

Zwei Dinge möchte ich noch festhalten, ohne das bereits Gesagte zu wiederholen, zwei Bereiche, was die Digitalisierung anbelangt, werden immer ein bisschen unter den Teppich gekehrt: Das eine ist der Wegfall der Arbeitsplätze. Es wurde heute am Rande bemerkt, dass wir natürlich durch die Umstellung auf die digitalisierte Welt damit kon­frontiert werden, immer mehr Arbeitsplätze zu kompensieren. Da würde ich mir na­türlich von Ihnen als Technologieminister auch entsprechende Antworten wünschen, wie wir das in Zukunft gut ausgestalten, damit Menschen eben nicht um ihre Existenz gebracht werden. Das ist das eine.


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Das Zweite, das natürlich hochbrisant ist, auch mit der gestrigen Ankündigung von Mi­nister Blümel, ist die Frage der Überwachung: Auch das haben wir hier immer wieder kritisiert. Gestern wurde ja diese digitale Ausweispflicht – so will ich es einmal nen­nen – präsentiert. Vermeintlich geht es da um Hass im Netz, dem man entgegentreten möchte. Wir wissen auf der anderen Seite, dass gerade Plattformen wie unzensu­riert.at, die genau diesen Hass und diese Hetze verbreiten, nicht darunterfallen wer­den, im Gegensatz dazu Privatpersonen aber stärker überwacht werden, indem sie nicht nur Adresse und Handynummer, sondern auch ihre Daten zur Verfügung stellen müssen. Sie wissen, Datenschutz ist ein Grundrecht, und auch da bitte ich Sie als zu­ständigen Minister, sich genauer anzuschauen, wie im digitalen Zeitalter garantiert ist, dass Menschen dieser Überwachung nicht ausgesetzt werden.

Jedenfalls hat man ein bisschen das Gefühl, dass hier Kuhhandel betrieben wird, und ja, auch wenn es stimmt, dass vieles gerade in der Landwirtschaft gut eingesetzt werden kann, sodass man sich eben beispielsweise nicht die ganze Nacht um die Tiere küm­mern muss, so muss man auf der anderen Seite fragen, welche Auswirkungen Ihre Maß­nahmen auf Menschen haben, die womöglich in Zukunft wie die Kühe auch überwacht werden sollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

10.11


Präsident Ingo Appé: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch­mals der Herr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu Wort gemel­det. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit nach Möglichkeit einzuhalten.


10.11.41

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war erst vor einigen Tagen – ich glaube, es war am Montag – in Serbien und habe mir dort innovative Unternehmen angesehen. Es war sehr beeindruckend und da war im Rahmen einer Präsentation auch Landwirt­schaft ein Thema. Ich darf Ihnen sagen, dass die Digitalisierung wirklich Chancen bie­tet, da geht es auch um die Frage der richtigen Bewässerung, darum, dass Wasser nicht verschwendet wird und dass diese Systeme auch für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft sorgen können. Ich sehe das also sehr positiv.

Natürlich wird es mit dieser neuen Entwicklung bestimmte Arbeitsplätze nicht mehr geben. Wir haben eine solche Phase in der Geschichte der Menschheit schon oft er­lebt, als die Dampfmaschine erfunden worden ist, als die ersten Fabriken gekommen sind. Viele Arbeitsplätze sind weggefallen, andere sind gekommen. Wir müssen darauf vorbereitet sein. Auf den Arbeitsplätzen der Zukunft werden Menschen tätig sein, die sehr gut ausgebildet sind, die sich in ganz bestimmten Gebieten auch wirklich speziali­sieren. Das ist die Herausforderung.

Das heißt, für mich ist der Weg, den wir in Österreich beschreiten, jener des dualen Ausbildungssystems, der HTLs, der Fachhochschulen, der Universitäten – das ist ein gutes Modell. Ich glaube, dass wir – das ist eigentlich ein Thema für Heinz Faßmann – uns noch viel mehr auf die Fachhochschulen konzentrieren müssen. Es gibt dann ei­nen ganz großen Run auf diese Schulen und wir haben dann ein bisschen zu wenige Plätze. Sie haben aber vollkommen recht, die Frage der Arbeitsplätze darf man nicht außer Acht lassen.

Zum Cell-Broadcast-System hatten wir erst diese Woche eine Besprechung im Minis­terium, wir arbeiten daran. Manche Dinge kann man nicht sofort umsetzen, weil es die legistischen und auch die technischen Voraussetzungen und die Gespräche mit den Betreibern braucht, aber das ist auf einem guten Weg. Und auf einem guten Weg ist auch eine Notrufnummer für Frauen, die sich mit Gewalt konfrontiert sehen. Da wird es eine eigene Nummer geben, die hoffentlich bald präsentiert werden kann.


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Insgesamt möchte ich nur darauf hinweisen, dass man, wenn man darüber spricht, wie gut Österreich ausgebaut ist – und wir alle wissen, dass es ländliche Gebiete gibt, in denen man ein sehr, sehr langsames Internet hat –, niemals Verfügbarkeit und Nut­zung verwechseln darf. Viele Menschen haben kein Interesse daran, Geld für schnel­leres Internet auszugeben, und sind mit dem zufrieden, was sie haben. Das sind ande­re Zahlen als bei der Verfügbarkeit. Diese liegen bei Glasfaser bei 13 Prozent, natürlich haben wir da einen Aufholbedarf, aber Deutschland liegt bei 7,3 Prozent, Großbritan­nien bei 2,3 Prozent. Wir sind aber unter dem EU-Durchschnitt, deswegen werden auch alle Mittel aus den Versteigerungen in den Ausbau des Glasfasernetzes inves­tiert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.14


Präsident Ingo Appé: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

10.14.55Einlauf und Zuweisungen


Präsident Ingo Appé: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten An­fragebeantwortungen,

eines Schreibens des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandats­verzicht beziehungsweise Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates sowie

eines Schreibens des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Auf­enthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Euro­päischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und de­ren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung ebenfalls angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(Anlage 1) (siehe auch S. 29)

2. Schreiben der Landtage:

Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht bzw. Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates (Anlage 2)

3. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union:

Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein am 10. und 11. April 2019 in Rumänien, wobei sie ihre Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG am 11. April 2019 durch Vizekanzler Bundesminister Heinz-Christian Strache wahrnehmen lässt (An­lage 3) und


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den Aufenthalt von Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz am 10. April 2019 (nachmit­tags) und 11. April 2019 (vormittags) in Brüssel, wobei seine Aufgaben im Bundesrat durch Herrn Bundesminister Mag. Gernot Blümel wahrgenommen werden (Anlage 4).

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder:

(siehe Tagesordnung) sowie

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2017 (III-681-BR/2019 d. B.)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

Nationaler Bildungsbericht Österreich 2018 (III-682-BR/2019 d. B.)

zugewiesen dem Unterrichtsausschuss

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Ingo Appé: Weiters eingelangt sind Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Dr. Juliane Bogner-Strauß vom 7. bis 16. April 2019 in den USA bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister Dr. Heinz Faßmann mit ihrer Vertretung,

den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek vom 8. bis 19. April 2019 in den USA bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesmi­nister für Inneres Herbert Kickl vom 8. bis 12. April 2019 mit seiner Vertretung sowie

den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger vom 11. bis 19. April 2019 in den USA bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister Mag. Gernot Blümel mit seiner Vertretung.

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heuti­gen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftlich Ausschuss­berichte erstattet.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR


Präsident Ingo Appé: Schließlich gebe ich bekannt, dass von den Bundesräten Ingo Appé, Magnus Brunner, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Antrag auf Abhaltung einer parlamentari­schen Enquete zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ eingebracht wurde.

Hierzu wurde gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu neh­men.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Magnus Brunner, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen, diesen Selbständigen Antrag auf Abhaltung ei­ner parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bun­desrates ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zu­stimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. (Bundesrat Steiner: Schock! Gratuliere! Er hat nicht die Zweidrittelmehrheit!) – Ich habe das Ab­stimmungsergebnis noch nicht verkündet. Ich habe noch nicht gesagt, dass angenom­men oder abgelehnt wurde. Ich habe es noch nicht vollständig verkündet, Herr Kollege.

Ich unterbreche die Sitzung für eine kurze Stehpräsidiale.

*****

(Die Sitzung wird um 10.20 Uhr unterbrochen und um 10.21 Uhr wieder aufge­nommen.)

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Präsident Ingo Appé: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Nach Beratung in der Stehpräsidiale darf ich nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen bitten. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderli­chen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Selbständigen Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ ergänzen und diesen als 21. Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

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Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Selbständigen An­trag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Trinkwasser schüt­zen und sichern“ auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Ingo Appé: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 14 bis 16 sowie 17 und 18 jeweils un­ter einem zu verhandeln.

Erhebt dagegen jemand einen Einwand? – Dies ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Ingo Appé: Bevor ich in die Tagesordnung eingehe, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage des Bundesrates Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechts­extremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Fristsetzungsantrag


Präsident Ingo Appé: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Kinder­rechteausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 eine Frist bis 19. Mai 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

10.24.331. Punkt

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Jahresvorschau 2019 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes


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der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates (III-679-BR/2019 d.B. sowie 10138/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Peter Samt. – Ich bitte um den Bericht.


10.25.01

Berichterstatter Peter Samt: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betref­fend Jahresvorschau 2019 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates.

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat dem Bundesrat den gegenständlichen Bericht über die Jahresvorschau 2019 zur geschäftsordnungsmäßi­gen Behandlung vorgelegt.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 den An­trag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Bundesrat. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Bitte.


10.25.54

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Minister! Kolle­ginnen und Kollegen! Diese Jahresvorschau 2019 des BMVIT über das Arbeitspro­gramm der Kommission und des Rates unterscheidet sich diesmal grundsätzlich von den bisherigen, ist sie doch unter wesentlichem Einfluss und Federführung, maßgeb­licher Beteiligung der österreichischen Ratspräsidentschaft im vergangenen Halbjahr entstanden. Ich darf jetzt schon gratulieren, da wurde wirklich sehr engagiert und sehr viel gearbeitet und tatsächlich etwas weitergebracht. – Danke dafür!

Von den vielen Vorhaben, die in diesem Bericht enthalten sind, möchte ich nur einige herausstreichen und ein paar Anmerkungen dazu machen. Es ist dies einmal der so­genannte Mobilitätspakt 1, der ja besonders arbeitsintensiv war. Hier bedurfte es sehr komplexer und vielschichtiger Verhandlungen, da offensichtlich die Kontroversen dazu in Europa quer durch die Reihen gehen. Es gibt – das hat zumindest die dritte Ab­stimmung im Europäischen Parlament gezeigt, die in der letzten Woche stattfand – ei­gentlich keine fraktionsmäßigen oder länder-, gruppenmäßigen Fronten, sondern das geht quer durch die Reihen.

Nun endlich sind diese Dossiers mehr oder weniger im Europäischen Parlament ange­nommen worden, und es liegt jetzt an der rumänischen Ratspräsidentschaft, daraus in die Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament einzutreten und dieses Thema zu einem Abschluss zu bringen. Ob das noch vor den Wahlen zum Euro­päischen Parlament gelingt, ist fraglich, jedenfalls wäre es ein sehr ambitioniertes Ziel.

Wesentliche Punkte in diesem Mobilitätspakt sind einerseits Verbesserungen der Ar­beits- und Sozialbedingungen für die Lenker von Lkws. Es ist auch dafür gesorgt, dass es zu einem fairen Wettbewerb und zur Beseitigung von ungerechtfertigten Wettbe­werbsvorteilen kommt, und auch die viel umstrittenen und häufig diskutierten Kabo­tage-Regelungen sind eigentlich zur Zufriedenheit abgeschlossen worden.

Ganz wesentlich war auch, dass eine wichtige Position Österreichs, nämlich jene zur kilometerabhängigen Maut für Pkws, mehr oder weniger durchgegangen ist und damit nicht zu erwarten ist, dass in naher Zukunft diese Maut, wie es ja ursprünglich von der


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Kommission geplant war, kommen wird. Wir haben uns immer strikt dagegen ausge­sprochen, auch wenn Befürworter wie der VCÖ beispielsweise – der eigentlich VVCÖ, Verkehrsverhinderungsclub Österreich heißen müsste – mit Gerechtigkeit argumentie­ren, so nach dem Prinzip: Wer mehr fährt, der soll mehr zahlen. (Vizepräsident Brun­ner übernimmt den Vorsitz.)

Diese Forderung im Zusammenhang mit der Maut hat nur einen Pferdefuß, denn wir haben ja die kilometerabhängige Besteuerung, die auch ökologisch ist, schon lange, das ist die Mineralölsteuer. Da zahlt ja derjenige, der mehr fährt, mehr Steuer, und wer ein Auto mit hohem Verbrauch hat, zahlt dadurch ebenfalls mehr Steuer.

Ein weiterer wichtiger Erfolg ist, dass im Rahmen der Connecting Europe Facility nun in Zukunft bis zu 50 Prozent Zuschuss für grenzüberschreitende Vorhaben im Rahmen der TEN-Projekte, und zwar zu den Baukosten, gewährleistet werden können. Das ist ganz wesentlich auch für Österreich; der Brennerbasistunnel ist ja ein solches grenz­überschreitendes Vorhaben, und es ist zu hoffen, dass es dadurch gelingt, auch dafür Geld zu lukrieren.

Natürlich gibt es in diesem Zusammenhang eine sehr große generelle Problematik, das sind die Zulaufstrecken in Bayern. Der Herr Bundesminister ist zwar immer bemüht, Druck zu machen, damit die Bayern weitertun, aber sie machen das eher zögerlich. Der aktuelle Stand ist der, dass es im Raum südlich und nördlich von Rosenheim der­zeit geologische Erkundungen gibt, Versuchsprogramme, die überhaupt erst einmal die Basis für eine Trassenauswahl darstellen sollen. Man kann also jetzt schon davon ausgehen, dass diese Zulaufstrecken nicht bis zu dem Zeitpunkt fertig werden, an dem der Brennerbasistunnel in Betrieb geht. Wenn man weiß, wie lange die Genehmigungs­verfahren auch in Deutschland dauern – es gibt da ja leidvolle Beispiele; Stuttgart 21 und so weiter –, dann weiß man, dass sich das über Jahre hinzieht.

Dazu ein genereller Kritikpunkt am Vorgehen der Europäischen Union, was diese TEN-Projekte betrifft: Ziel müsste es sein, das Wirksamwerden solcher Strecken im Fokus zu haben. Schließlich und endlich geht es um den Return of Investment. Wenn ich et­was baue, dann will ich möglichst rasch nach der Fertigstellung einen Gewinn daraus haben, einen Gewinn, was die Infrastrukturvorteile betrifft. Leider ist es aber, wenn im­mer nur punktuell einzelne Vorhaben umgesetzt werden und damit die Gesamtlösung nicht wirksam wird, eben nicht gut.

Das betrifft ja auch andere Dinge, denn so wirklich fertig ist in Europa eigentlich noch gar nichts. Teilweise sind die Vorhaben sehr heftig umstritten, ich denke nur an die Strecke Turin–Lyon, wo sich die Italiener jetzt in der Koalition ein bisschen in den Haa­ren liegen, denn die Fünf-Sterne-Bewegung will das um jeden Preis verhindern und die Lega befürwortet das natürlich. Tatsache ist aber, dass auch schon sehr viele EU-Gel­der geflossen sind, und es liegt natürlich an der EU, entsprechend Druck zu machen. Neue Projekte poppen auf – Helsinki–Tallinn –, es wäre jedoch klüger, zuerst einmal Schritt für Schritt die einzelnen Projekte wirklich fertigzustellen und dann über neue nachzudenken.

Auch den Bayern sollte klar sein, dass dieser Brennerbasistunnel ein Vorhaben ist, das nicht nur für die Tiroler auf beiden Seiten des Brenners von Bedeutung ist, sondern sehr wohl auch für ihren Wirtschaftsraum in Bayern rund um München, wenn dieser mit Oberitalien entsprechend verbunden ist. Leider neigen die Bayern aber manchmal ein bisschen dazu, so zu denken, wie auch ihre Fahne ist, nämlich etwas kleinkariert. Das sieht man beispielsweise bei der Autobahn von Rosenheim nach Salzburg, die ja eine der gefährlichsten und meist frequentierten Autobahnen ist, durchgehend ohne Pan­nenstreifen. Da hat man schon das Gefühl, die Bayern denken sich, das benützen nur die Touristen, um auf Urlaub nach Österreich oder Kroatien zu fahren, und die Öster-


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reicher, um vom Osten nach Tirol zu kommen. Auch da wäre also ein europäischeres und weitsichtigeres Denken angebracht.

Es gibt noch viele andere Dinge, mit denen sich dieser Bericht befasst, etwa im Be­reich der Telekommunikation, E-Privacy-Verordnungen, Weltraumprogramm, EU-Satel­litennavigation – Galileo, Egnos –, Erdbeobachtungssystem Kopernikus. Es ist sehr viel geschehen in dieser Zeit des Ratsvorsitzes, und ich danke hier ausdrücklich für den engagierten Ratsvorsitz, der immer von der Wahrung der österreichischen Interes­sen geprägt war. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.35


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Pe­ter Raggl zu Wort. – Bitte.


10.36.07

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Herr Bun­desminister, vielen Dank für die Vorlage der Vorschau auf Basis des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der EU-Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Ra­tes der EU für 2019.

Kollege Krusche hat jetzt sehr speziell ein paar Punkte herausgenommen – vielen Dank dafür. Ich habe mir die Programme ein bisschen globaler angeschaut und muss wirklich sagen, erst bei der Durchsicht erkennt man die vielfältigen Aufgaben der EU-Institutionen, aber auch die Weitsicht bei der Planung und die durchaus wichtigen Pro­blemlösungsansätze, die die Institutionen der EU hier aufzeigen. Es gibt klare Vorstel­lungen und Ziele, getragen von gemeinsamen Werten wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte so­wie auch der Minderheitenrechte. Es gibt ein klares Bemühen in den Programmen, das Vertrauen der EU-Bürger, aber auch der Unternehmen in das europäische Projekt zu stärken. Es soll ganz klar eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, des Wirtschafts­wachstums und der Investitionen erreicht werden.

Im Mittelpunkt allen Bemühens steht aber auch – denn da gibt es ja durchaus Proble­me in der letzten Zeit –, dass sich die EU möglichst bürgernah geben möchte. Sie will transparent und verantwortungsvoll führen und vor allem das Wissen über die EU und über die Aufgaben der EU und vor allem deren Institutionen vertiefen. Ich denke, im Vorfeld der am 26. Mai stattfindenden EU-Wahlen ist das auch absolut notwendig.

Es gilt einmal, die Rückbesinnung auf die ursprünglichen Aufgaben der EU zu schaf­fen. Was waren die Gründungsmotive? – Das war einmal die Schaffung und Erhaltung von Frieden in Europa, aber auch der große Beitrag, dass dies auch global passiert. Ein weiteres Ziel bei der Gründung der EU war die Sicherung der Ernährung. Ich glau­be, diese beiden Ziele wurden, zumindest was Europa anbelangt, absolut erreicht. Na­türlich sind der EU im Laufe der Zeit viele komplexe Aufgaben zugetragen worden, und diese müssen auch erledigt werden.

Wenn man aber die Einstellung zur EU betrachtet – die sich in den letzten Monaten vielleicht sogar ein bisschen gebessert hat, auch zusammenhängend mit dem vieldis­kutierten Brexit –, sieht man, dass die Bevölkerung durchaus sehr skeptisch gegenüber der EU ist. Ich führe das auf versäumte Öffentlichkeitsarbeit zurück, denn sonst müsste eigentlich die Akzeptanz und die Wertschätzung gegenüber der EU größer sein. In Er­innerung bleiben uns leider viele Nebensächlichkeiten, ausführliche Diskussionen, wie jene – das ist schon ein bisschen länger her – über die Krümmung der Gurken. Noch nicht so lange her ist das Thema Bräunungsgrad der Pommes sowie die wenig sagen­de Allergenkennzeichnung in unseren Speisekarten. Was war die Folge dieser negati-


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ven Diskussionen? Ich als Tiroler rühme mich nicht mit einer Wahlbeteiligung von 34 Prozent bei der letzten EU-Wahl.

Dabei stehen, wie den Programmen zu entnehmen ist, extrem wichtige Entscheidun­gen für den Rat, für die Kommission, aber auch für das Parlament unmittelbar vor der Tür: Es muss über den Mehrjährigen Finanzrahmen entschieden werden. Für die Land­wirtschaft ist die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2020 ganz wichtig. Es geht um wesent­liche Vorkehrungen für den Klimaschutz, die uns alle betreffen, um die Migrationspro­blematik, aber auch um Verkehrsfragen und Infrastrukturprojekte.

In diesem Zusammenhang darf ich als Tiroler Bundesrat dem Bundesminister, aber auch der Bundesregierung grundsätzlich sehr danken, dass sie uns in Tirol immer wie­der im Kampf gegen die Probleme betreffend den Verkehr unterstützen. Wie wir näm­lich alle wissen, sind die Grenzen der Belastbarkeit in Tirol längst erreicht, wenn nicht sogar schon überschritten. Denken wir etwa nur an die im Jahr 2018 nicht weniger als 2,3 Millionen Lkw-Transitfahrten über den Brenner!

Es muss unser gemeinsames Ziel sein – und da vertraue ich darauf, dass der Bun­desminister selber die Zügel in die Hand nimmt, dass er aber auch seinen Einfluss in der EU geltend macht –, dass es uns gelingt, die Verlagerung des Transitverkehrs von der Straße auf die Schiene zu erreichen. Der Brennerbasistunnel ist sicherlich das Re­zept dazu.

Kollege Krusche hat es ausgeführt: Wir sind sehr stolz, dass all das gelungen und in Bau ist. Das ist ja die größte Infrastrukturbaustelle in ganz Europa, massiv finanziert mit EU-Mitteln. Da bin ich ganz bei dir, wenn du sagst: Wir brauchen Unterstützung! Wir brauchen die Bayern, wir brauchen aber auch Italien, die gleichfalls mit den Zulauf­strecken noch nicht so weit sind. Vor allem aber muss das der EU ein Anliegen sein, sie steckt extrem viel Geld, zig Millionen beziehungsweise Milliarden hinein. Das Pro­jekt kostet ja, glaube ich, in der Zwischenzeit 10 Milliarden Euro. Im Hinblick darauf muss auch die EU den Druck auf diese benachbarten Länder erhöhen, weil das – wie Kollege Krusche schon gesagt hat – kein isoliertes österreichisches oder Südtiroler Projekt darstellt.

Es dauert ja noch durchaus einige Zeit: Es dauert, glaube ich, noch circa acht Jahre, bis der Brennerbasistunnel fertiggestellt wird. Darauf freuen wir uns alle schon sehr, weil ich hoffe, dass dann die Verlagerung gelingt. Bis dahin aber sind die Tirolerinnen und Tiroler jedes Jahr nicht mehr zumutbaren Transitbelastungen mit allen damit zu­sammenhängenden Beeinträchtigungen ausgesetzt.

Herr Bundesminister, wir brauchen unbedingt – das fordert auch unser Landeshaupt­mann massiv – eine Anpassung der Brennermaut, um die Route unattraktiver zu ma­chen, um den ganzen Umwegverkehr zu vermeiden, der nur stattfindet, weil es halt um ein paar Euro billiger ist, über den Brenner zu fahren, als sonstige Transitstrecken zu benützen.

Wir müssen aber vor allem – was man, glaube ich, am schnellsten machen könnte – der sogenannten Rollenden Landstraße quasi auf die Füße helfen. Unzumutbare Ver­zögerungen, Bürokratie, Unpünktlichkeit, aber auch Unverlässlichkeit dürfen den Frächtern, die dann wieder den Ausweg über die Autobahn wählen, wirklich keine Aus­rede für die Benützung der überfüllten Autobahnen liefern!

Wenn ich die Berichte Revue passieren lasse, darf ich zusammenfassend feststellen: Will die EU die Akzeptanz bei der Bevölkerung steigern, so muss sie das sogenannte Subsidiaritätsprinzip ernst nehmen. Wir brauchen mehr EU in den Bereichen, in denen es um große Fragen geht, und wir brauchen weniger EU bei kleinen Fragen. Diese sol­len dort gelöst werden, wo sie entstehen und wo auch die Kompetenz liegt, nämlich bei


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den Nationalstaaten, bei den Ländern und bei den Gemeinden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.43


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.


10.44.10

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lieber Norbert! Wir sprechen heute über einen sehr wichtigen Bericht, und ich darf vorweg sagen, dass der Bericht in Ordnung ist und die Arbeit auch gelobt werden kann. (Bundesrat Krusche: Vergesst das nicht beim Aufzeigen!)

Wir haben vorhin gehört, dass der Mobilitätspakt im vorigen Jahr eine sehr wichtige Sache war. Am 3.12.2018 gab es acht Vorschläge, und ich habe im Ausschuss, in dem es um diese acht Vorschläge ging, gut zugehört: 1 000 Anträge waren dabei, und trotz­dem ist es gelungen, angesichts einer – das hat Kollege Krusche vorhin gesagt – kom­plexen Materie und kontrovers geführter Diskussionen tatsächlich wichtige Verbesse­rungen zu bringen – Verbesserungen der Arbeits- und Sozialbedingungen der Lenker wurden vorhin erwähnt, und auch ich möchte diese erwähnen. Darüber hinaus wurden ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile beseitigt.

Mit diesem Paket gibt es neue Regelungen im Transportsektor, die okay sind. Es gibt auch eine Stärkung der sozialen Säule und fairere Wettbewerbsbedingungen, wie vor­hin erwähnt wurde, ferner ein Entgegenwirken hinsichtlich Marktverzerrungen und eine Gewährleistung von Straßensicherheit, die das auch beinhaltet, und Regelungen zur Vermeidung von Lohn- und auch Sozialdumping.

Zum Bericht im Speziellen: Was waren eigentlich die Herausforderungen 2019? – Im jährlichen Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission hat man sich auf die größ­ten Herausforderungen wie zum Beispiel auf die Rückkehr des Wirtschaftswachstums, auf die digitale und CO2-arme Wirtschaft, auf die Sicherheit vor Terror- und Cyberan­griffen beziehungsweise Desinformationskampagnen und auf weitere Themen, wie ver­stärktes Vorgehen betreffend Nachhaltigkeit hinsichtlich Klimawandel konzentriert.

Die Europäische Kommission hat sich aber im diesjährigen Arbeitsprogramm auch eine begrenzte Anzahl von neuen Initiativen vorgenommen, um diese auch noch abzuarbei­ten.

Ich möchte noch kurz konkretisieren, worum es eigentlich gegangen ist, nämlich um die vollständige Umsetzung der zehn Prioritäten der Kommission vor den Wahlen zum Europäischen Parlament: Dabei ging es um Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen, um einen vernetzten digitalen Binnenmarkt, um eine robuste Energie­union mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik, um einen vertieften und fairen Binnenmarkt mit gestärkter industrieller Basis. Weiters ging es um eine vertiefte und fairere Wirtschafts- und Währungsunion, um eine ausgewogene und fortschrittliche Handelspolitik, um das Meistern der Globalisierung, um einen auf gegenseitigem Ver­trauen basierenden Raum des Rechts und der Grundrechte. Auch die Migrationspolitik soll auf einen neuen Weg gebracht werden. Es soll mehr Gewicht auf die internationale Bühne gelegt werden. Es soll eine Union des demokratischen Wandels und der soliden Zukunftsperspektiven für alle Europäerinnen und Europäer und eine bessere Rechtset­zung sowie Umsetzung und Durchsetzung des EU-Rechts geben.

Meine Damen und Herren, dieser Bericht beinhaltet sehr viele Punkte, die noch zur Umsetzung gelangen müssen. Fast 50 Prozent sind umgesetzt, 20 Prozent sind in der Pipeline, aber es gibt noch Luft nach oben, diese 30 Prozent müssen noch abgearbei­tet werden. Ich hoffe, das wird noch in den nächsten Wochen und Monaten passieren.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 40

Wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.48


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Bit­te, Herr Bundesminister.


10.48.14

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Inhaltlich ist alles gesagt worden. Ich möchte die Gelegenheit jetzt nutzen, um mich bei der Beamtenschaft zu bedanken. Ich möchte betonen, dass der Erfolg einer Ratspräsidentschaft immer auch davon ab­hängt, wie gut das Ministerium die Dinge vorbereitet. Wir hatten alleine 200 Ratsar­beitssitzungen über das BMVIT, das ist wirklich eine breite Palette!

Die Kommissare haben uns bestätigt, dass es der erfolgreichste Vorsitz in ihrer Amts­zeit war. Wir hatten in unserem Bereich eine Sitzung mit den meisten positiven Be­schlüssen überhaupt. Ich kann mich an eine Sitzung betreffend Mob-Paket, das vorhin erwähnt wurde und das besonders schwierig war, erinnern: Es wurde viele, viele Stun­den verhandelt, bis 1 Uhr Früh. Es gab viele Einzelgespräche. Auf der einen Seite wa­ren die Visegrád-Staaten, auf der anderen Seite die Road Alliance, und es war schwie­rig, da einen Weg zu finden. – Dass wir es geschafft haben, verdanken wir auch ein bisschen dem deutschen Verkehrsminister, der in einer Pause Leberkäse verteilt hat, um die Stimmung zu verbessern.

Mein Dank gilt den Mitarbeitern des Hauses, Frau Dr. Pösel und dem gesamten Team, denn ohne sie wäre dieser erfolgreiche Ratsvorsitz überhaupt nicht möglich gewesen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.49

10.49.39


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.49.582. Punkt

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2017, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-681-BR/2019 d.B. sowie 10139/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Peter Samt. – Ich bitte um den Bericht.


10.50.13

Berichterstatter Peter Samt: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht 2017, vorgelegt vom Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

„Der Bericht gibt Auskunft über die aufgewendeten Beträge zur Bestellung gemeinwirt­schaftlicher Leistungen im Personenverkehr sowie SGV-Mittel zur Förderung des Gü­terverkehrs. Im Jahre 2017 betrug die Gesamtsumme rund 857 Mio. Euro.“


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 den An­trag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Ich erteile es ihm.


10.51.05

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Liebe Zuseher hier und zu Hause! Kollegen Bundesräte! Ja, Österreich ist das Bahnland Nummer eins in Europa, und damit das nicht nur so bleibt, sondern wir den Vorsprung zu den anderen Ländern weiter ausbauen können, haben wir mit unserem Minister Norbert Hofer einen regelrechten Schnellzug im Ministerium sitzen.

Schauen wir uns den Maßnahmenplan 2018 bis 2023 an! Da gibt es wirklich einen Grund zur Freude: Zehn Bahnhöfe sind im Umbau beziehungsweise schon eröffnet, wie etwa der in Seefeld. 34 weitere Bahnhöfe sind in Planung. Circa 50 Streckenab­schnitte werden neu gebaut oder umgebaut. Außerdem gibt es 33 weitere Großpro­jekte zur Modernisierung beziehungsweise Attraktivierung wie zum Beispiel Schleifen­richtungen, Elektrifizierungen, Tunnelbauten, Linienverbesserungen, Ausbauten von Ein- auf Zwei- bis hin zur Viergleisigkeit im österreichischen Streckennetz. In das Ver­kehrsministerium sind wahrlich wieder Innovationsgeist, Leistungsbereitschaft und der Wille, etwas zu bewegen, eingezogen. Herzlichen Dank, Herr Minister! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Allein im Jahr 2018 gab es Verbesserungen durch den Einsatz neuer Cityjets, Verbes­serungen im bundeslandgrenzüberschreitenden Verkehr durch die Schließung der Taktlücke am Abend auf der Arlbergbahn, durch Verlängerung eines Railjets aus Wien von Innsbruck nach Bregenz, durch die Einführung einer zweiten Tagesverbindung nach Venedig durch Verlängerung eines bisher in Villach endenden Railjets und im Re­gionalverkehr durch die Einfügung eines zusätzlichen Zuges auf der Mattigtalbahn.

2018 wurden auch neue Verkehrsdiensteverträge in Vorarlberg, Steiermark und Kärn­ten unterzeichnet sowie Vorarbeiten für die neuen Verträge der restlichen Regionen für den Fernverkehr geleistet.

Die Österreicher sind sehr fleißige Bahnfahrer. Ich darf mich jetzt, seit ich hier im Bundesrat bin, mit einrechnen, ich fahre immer fleißig mit den ÖBB. Vorher war ich nicht so ein Zugfan, doch mittlerweile weiß ich den Komfort der ÖBB zu schätzen und fahre sehr gerne mit dem Zug. Dadurch, dass die Österreicher, wie gesagt, fleißige Bahnfahrer sind, leisten sie einen sehr großen und wichtigen Beitrag zur Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung.

Schon jetzt sind 73 Prozent der ÖBB-Bahnstrecken elektrifiziert, und wie ich vorhin schon erwähnt habe, wird dies noch weiter ausgebaut und werden weitere Strecken in den kommenden Jahren folgen.

Mit dem SGV-Förderprogramm, dem Schienengüterverkehr-Förderprogramm, sollen in Zukunft noch viel mehr Lkws von der Straße auf die Schiene gebracht werden. Erfreu­lich ist, dass dieses Förderprogramm bis zum Jahr 2022 ausgedehnt wird. Jährlich werden hierfür 112 Millionen Euro aufgewendet. Somit können die Rollende Landstra­ße sowie der Einzelwagenverkehr weiter ausgebaut und modernisiert und an die Be­dürfnisse der Spediteure angepasst werden.

Das bringt mich schon zu meinem Heimatbundesland Tirol. Wenn ich mir den dies­bezüglichen Bericht und die Steigerungszahlen im Güterverkehr anschaue, dann kann


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ich feststellen: Wir haben auf der Inntal Autobahn plus 5,3 Prozent, auf der Brenner Autobahn plus 7,7 Prozent, auf der Fernpassroute plus 9 Prozent, auf dem Reschen­pass plus 12 Prozent, in Scharnitz plus 8 Prozent, in Achenkirch plus 4,7 Prozent, auf der Loferer Straße plus 4,1 Prozent, in Osttirol satte 9 Prozent – und so geht das wei­ter. Im Hinblick darauf und auf eine eher überforderte grüne Verkehrslandesrätin ist es mir enorm wichtig, einen Verkehrsminister zu haben, der mit allen möglichen Mitteln wie eben auch dem Schienengüterverkehr-Förderprogramm in diesem Zusammenhang Abhilfe schaffen möchte.

Wenn ich mir die Steigerungszahlen des gesamten Verkehrs in Tirol anschaue, muss ich feststellen: Da ist es auch nicht viel besser! Allein von 2016 bis 2017 gab es eine Steigerung von 3,7 Prozent, und im Bericht steht auch, dass es seit 1980 eine Steige­rung von satten 284 Prozent gab. – Das muss man sich einmal vorstellen!

Dazu passt ein aktueller Artikel mit dem Titel „Rote Karte für die Tiroler Verkehrspolitik“ in der „Kronen Zeitung“ sehr gut. – Ich darf aus dem Artikel kurz zitieren: „Satte 63 Pro­zent“ der Tiroler „sind aktuell mit der Verkehrspolitik unzufrieden. Auch der Umstand, dass die Grünen seit 2013 mitregieren, hat daran nichts geändert. Böse Zungen be­haupten sogar, das Gegenteil sei der Fall, sieht man sich die explodierenden Lkw-Transitzahlen an.“

Deshalb ist es umso wichtiger, einen Minister in Wien zu wissen, der alles Nötige tut, um den Tirolern unter die Arme zu greifen, und der mit allen Mitteln versucht, der Pro­bleme Herr zu werden. – Herzlichen Dank! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dass wir in Tirol mit Sicherheit vor einer speziellen Herausforderung in Sachen Transit stehen, ist klar. Leider wird der Brennerbasistunnel, sollte er denn wirklich terminge­recht fertiggestellt sein, nicht sofort nach Eröffnung Abhilfe schaffen können, denn wir haben schon gehört, dass die Bayern leider Gottes mit den Zulaufstrecken säumig sind. Wie aber unser fachkundiger Experte Gerd Krusche schon im Ausschuss gesagt hat, gibt es zumindest schon geologische Gutachten. Ein Anfang wäre also gemacht. Es wäre aber schon wichtig, dass die Europäische Union einmal Druck auf die Bayern ausübt und ihnen – um im Bahnjargon zu bleiben – ein wenig Dampf macht, damit auch bei den Zulaufstrecken in Bayern etwas weitergeht.

Weiters kann aus dem Leistungsbericht auch sehr gut herausgelesen werden, wie es um die Privatbahnen und die Förderungen der Privatbahnen steht. Die Privatbahnen sind meines Erachtens eine wichtige Säule im Nahverkehr in Österreich, denn sie sind oftmals das einzige öffentliche Verkehrsmittel in einer Region und somit wichtig für Schüler, aber auch für ältere Personen, um von A nach B zu kommen. Daher freut es mich als Zillertaler ganz besonders, dass auch die Erneuerung der Zillertalbahn in die­se Förderungen hineinfällt.

Abschließend möchte ich mich noch gerne bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium herzlich bedanken, denn dieser Bericht ist wirklich sehr gut leserlich und äußerst informativ. – Vielen Dank!

An unseren Minister richte ich noch eine Bitte: Bleib weiterhin auf dem Innovations­schnellzug! Österreich braucht das dringend! – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.57


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu den folgenden Tagesordnungspunk­ten darf ich jetzt schon Herrn Bundesminister Dr. Josef Moser herzlich bei uns begrü­ßen. – Willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile es ihm.



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10.58.13

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Vor allem auch: Werte interessierte Zuseher via Livestream! Gestat­ten Sie mir, bevor ich auf den vorliegenden und auch schon angesprochenen Gemein­wirtschaftlichen Leistungsbericht 2017 eingehe, der den Personen-, den Güter- und eben den Privatbahnenverkehr betrifft und der grundsätzlich positiv zu betrachten und zu behandeln ist, doch vorweg kurz auch das Image der Eisenbahn in Österreich etwas zeitkritisch zu hinterfragen.

Jeder Mensch und jedes Produkt hat ein Image. Jedes Unternehmen legt klarerweise nicht nur besonderen Wert darauf, sondern auch sehr viele finanzielle Mittel hinein, ein positives Image zu erreichen. Das tut natürlich auch jeder Mensch. Es wird kaum je­manden geben, der sagt: Ich brauche kein positives Image, ich will etwas anderes! – Dagegen gibt es mittlerweile gute Behandlungsmöglichkeiten; das wird sich ja kaum je­mand antun.

Ich möchte diesen Bereich doch ansprechen, weil ich glaube, dass das gerade auch für ein großes und erfolgreiches Unternehmen, wie es die ÖBB darstellen, wichtig ist.

Ganz wesentlich dabei ist: Wo beginnt das Ganze, auch im Sinne von Imageförde­rung? – Bei der Jugend, bei den Kindern, und es reicht bis ins hohe Alter zu den jung­gebliebenen Seniorinnen und Senioren.

Ein Klassiker, geschätzte Damen und Herren, der Kinderaugen und auch Erwachse­nenaugen zum Glänzen brachte und bringt sowie die Herzen höher schlagen ließ und noch immer lässt, war die – manche werden sich vielleicht noch nostalgisch erinnern – unter dem Christbaum liegende beziehungsweise zum Teil vom Vater bereits aufge­baute elektrische Eisenbahn.

Weil Sie das wahrscheinlich brennend interessiert, muss ich das auch unbedingt sa­gen: Die erste Modellbahnanlage bekam übrigens 1859 der dreijährige Louis Napo­léon, der Sohn von Kaiser Napoleon III.

Generationen von Kindern erfreuten sich des kreativen Zusammenstellens und des Steuerns dieser technischen Besonderheit, dieses kleinen Wunderwerks, das pfeifend durch die Kinderzimmer und Wohnzimmer brauste. Heute – und jetzt komme ich schon zum eigentlichen Thema – sind es meistens schon ergraute Herren, die im Keller oder in der Garage diese nostalgischen Erinnerungen mit den schönen, zum Teil auch sehr teuren Nachbildungen von Zügen pflegen.

Auf dem Wunschzettel der Kinder stehen heute andere Spielgeräte, beeinflusst natür­lich wiederum durch die ständige Werbung: Es sind elektronische Mittel, die vor allem aus Fernost kommen, die oft nicht besonders altersgerecht angeboten werden. Die Modelleisenbahn hat beinahe ausgedient. Das sage ich traurigen Auges.

Geschätzte Damen und Herren! Trotzdem hat sich im realen Leben – und das ist ja der Kern der Sache – die Eisenbahn positiv entwickelt. Sie wird heute von vielen Schü­lerinnen und Schülern und natürlich auch von Pendlern genutzt. In diesem Zusammen­hang hat sich auch die Pendlerinitiative, die vor 25 Jahren in der Steiermark gegründet und mittlerweile auf ganz Österreich ausgebreitet wurde, bewährt: Viele wählen eben nicht den Weg über die Straße, sondern über die Bahn, um ihrem täglichen Arbeits­prozess nachkommen zu können. Außerdem wird die Eisenbahn auch für besondere Reisen genutzt, um in die Urlaubsregionen – die sich hoffentlich hauptsächlich in inner­österreichischen Bereichen befinden – zu gelangen und um Ausflüge zu machen.

Wir sind – das wurde bereits vom Kollegen angeführt, und das steht auch im Bericht des Herrn Ministers – innerhalb der Europäischen Union sehr eifrige Bahnfahrer. Dass


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sich hier natürlich auch speziell die ältere Generation einpendelt, ist kein Problem. Je­denfalls lässt sich das anhand der 1 434 Kilometer pro Kopf, die zurückgelegt wurden, dokumentieren.

Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie – dem mein beson­derer Dank gilt – bietet im Rahmen der vorgesehenen Sicherung eines Grundangebo­tes im Schienenpersonenverkehr den Hauptbeitrag. Rund 81 Prozent der gemeinwirt­schaftlich finanzierten Zugkilometer werden vom Bund gestellt. Dafür wendet das – in der Kurzform – BMVIT rund 743 Millionen Euro auf. All diese Zahlen können Sie im vorliegenden Bericht nachlesen. Ich weiß schon, dass Wiederholung immer guttut, das ist auch eine pädagogische Erkenntnis, aber hier nicht meine Aufgabe.

Ich möchte auch einen speziellen Punkt darstellen: Durch den hohen Anteil an Bahn­fahrten, die geleistet werden, wird auch ein wichtiger Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs, also zur Umstellung der Wirtschaftsweise speziell in der Energiewirtschaft in Richtung eines niedrigen Kohlenstoffumsatzes, und damit zur integrierten Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung geleistet, was natürlich lobenswert ist. Schon jetzt sind 73 Prozent der ÖBB-Strecken des Netzes elektrifiziert, und auf den elektri­fizierten Strecken werden rund 87 Prozent aller Schienenverkehrsleistungen erbracht. In den kommenden Jahren sollen diese Strecken auch noch weiter ausgebaut werden, um den Anteil an sauberer Energie im Hinblick auf die beförderten Personen weiterhin zu steigern. Damit strebt die Bundesregierung ein wichtiges ökologisches und zu­kunftsorientiertes Vorhaben an.

Auf den gemeinwirtschaftlichen Strecken wurden im Nahverkehr 2017 rund 209 Millio­nen Fahrgäste befördert, das sind im Vergleich zu 2016 knapp etwas mehr Personen, und Luft nach oben ist gegeben. Die Bemühungen im Bereich der Pünktlichkeit, des technischen Ausbaus und des zusätzlichen Serviceangebots sind noch ausbaufähig. Das wissen alle, die mit der Bahn unterwegs sind. Nicht nur die Elektrifizierungspro­jekte, sondern eine Reihe weiterer Strukturmaßnahmen sind geplant und auch entspre­chend in Vorbereitung.

Ein Leuchtturmprojekt ist dabei die Südachse mit dem Ausbau der Pottendorfer Linie und der Errichtung des Semmeringbasistunnels. Das ist ein lang diskutiertes und mitt­lerweile wirklich auf Schiene gebrachtes Projekt. Die Fertigstellung wird sich aber um ein Jahr verzögern, wie wir wissen. Die Fahrzeit von Graz nach Wien, die derzeit zwei­einhalb Stunden – genau 2 Stunden und 32 Minuten – beträgt, wird in Zukunft dann nur mehr 1 Stunde und 50 Minuten betragen. Heute sind sehr viele Steirerinnen und Stei­rer nach Wien gekommen, um diese Stadt noch lebenswerter und noch frischer zu ge­stalten. Sie sind mit dem Zug angereist. In Zukunft wird man in 1 Stunde und 50 Minu­ten da sein und – was uns Steirer natürlich besonders betrifft – auch in 1 Stunde und 50 Minuten wieder zurück sein. (Beifall der Bundesrätin Ess.  Heiterkeit der Bundes­rätin Eder-Gitschthaler.)

Laut vorliegendem Bericht sind 2017 einige wesentliche Verbesserungen im Schienen­personenverkehr erfolgt. Demnach konnte der Einsatz der neuen modernen Cityjets von 1,6 Millionen auf immerhin 7,3 Millionen Zugkilometer gesteigert werden. – Daran sieht man, wie wichtig das Produkt und wie wichtig gerade auch die Ausstattung ist. Wer außer den Touristen fährt schon gerne mit einem Fiaker? – Jeder fährt doch lieber mit einem etwas schneller über die Runden kommenden Fahrzeug wieder zurück.

Was nicht im Bericht vorgesehen ist, aber doch einen wesentlichen Punkt darstellt – wenn auch nicht unmittelbar notwendig ist, dass das vorkommt, für mich persönlich aber wichtig ist –, ist, dass nicht nur die zu befördernden Menschen, sondern auch jene Menschen erwähnt werden, die dahinter stehen, die diese tagtägliche Arbeit verrichten, die positiv eingestellt sind und die das auch tagtäglich wunderbar erledigen. Denn: Nur


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wer selber brennt, kann auch anderen Feuer weitergeben, aber nicht mit der Notruf­nummer 122.

Das ist ein wichtiger Bereich in dem Sinn, wie es Paul Watzlawick auf den Punkt bringt: Wer sich selber nicht mag, der kann andere nicht ausstehen. – Man stelle sich einmal vor, was wäre, wenn Personen, die tagtäglich mit anderen Menschen zu tun haben, das zum Ausdruck bringen würden! Das heißt also: Wir brauchen auch in Zukunft moti­vierte, tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Die ganze Frühpensionierungswelle ist ja abgeschlossen. Es hat auch die entspre­chende sozialdemokratische Gewerkschaft sehr wesentlich dazu beigetragen, dass es diese großen Pfründen nicht mehr gibt und man sich auch hier im Bereich des norma­len Pensionierungswesens eingefunden hat.

All das, was den Güterverkehr und die Privatbahnen betrifft, wurde bereits gesagt.

Herr Minister, zum Abschluss sage ich einen herzlichen Dank, den ich auch den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern ausspreche, die hier ebenfalls Großes vollbracht und ge­leistet haben. Ich wünsche weiterhin viel, viel Erfolg und Freude!

Wir werden diesen Bericht entsprechend unterstützen, und vielleicht werden in Zukunft auch wieder mehr Modelleisenbahnen unter dem Christbaum liegen. Möge es eine starke, moderne Eisenbahn geben! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.08


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Ich erteile es ihm.


11.08.19

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Die Wortmel­dung des Kollegen Steiner zwingt mich förmlich, kurz darauf einzugehen, bevor ich mit meinen Ausführungen beginne.

Herr Steiner! Sie wissen schon, dass es um den Leistungsbericht 2017 geht und dass bis Mitte Dezember 2017 SPÖ-Verkehrsminister im Amt waren! Ich werde aber Ihr ge­äußertes Lob sehr gerne an die ehemaligen SPÖ-Verkehrsminister weiterleiten! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Es stimmt aber natürlich, dass der Leistungsbericht eindrucksvoll mit Zahlen belegt, was wir sehr oft salopp in Sachen Schienenverkehr behaupten: Die Österreicherinnen und Österreicher sind mit circa 78 Millionen gefahrenen Streckenkilometern im Jahr 2017 Europameister beim Bahnfahren. Das ist nicht nur ein Beleg für die zukunftsorientierte Verkehrspolitik des vergangenen Jahrzehnts, sondern auch ein wichtiger und wir­kungsvoller Beitrag zum Klima- und Umweltschutz.

Ein allgemein gültiger Spruch gilt aber gerade auch hier: Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser sein könnte. In diesem Sinne ist eine stete Weiterentwicklung des Sektors Schiene das Gebot der Stunde.

Aufgrund gesetzlicher Vorgaben hat der Bund ein Grundangebot im Schienenperso­nennah- und -regionalverkehr sicherzustellen. Für die Abwicklung dieser gemeinwirt­schaftlichen Leistungen bedient sich das Bundesministerium der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH, eines 100-Prozent-Unternehmens des Bundes.

Rund 73 Prozent des ÖBB-Streckennetzes sind elektrifiziert, und auf diesen elektrifi­zierten Strecken werden rund 87 Prozent aller Leistungen erbracht. Genau da dürfen wir uns aber nicht zurücklehnen. Diesen Teil des elektrifizierten Streckennetzes – und


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damit meine ich ganz explizit auch die Regionalbahnen und Nebenbahnen – weiter auszubauen muss das Ziel der österreichischen Verkehrsstrategie sein.

Noch ein paar Kennzahlen – wir haben sie zum Teil schon gehört –, welche die beacht­liche Größenordnung der Investitionen zum Ausdruck bringen: Den ÖBB wurde eine Summe von 686 Millionen Euro im Jahr 2017 bezahlt, die Privatbahnen erhielten 56,4 Millionen Euro, und der Güterverkehr wurde mit rund 114 Millionen Euro gefördert. Das ist eine Gesamtinvestition von rund 857 Millionen Euro.

Wie ist der Leistungsbericht nun abschließend zu bewerten? – Der von SPÖ-Verkehrs­ministern eingeleitete Ausbau des Schienenverkehrs ist im Sinne der Menschen und Umwelt fortzusetzen. Leider verlaufen derzeitige Verhandlungen zum Abschluss von Verkehrsdiensteverträgen eher stockend. Es ist davon auszugehen, dass das Bun­desministerium für Verkehr, Innovation und Technologie seinen gesetzlichen Aufgaben eher schleppend nachkommt.

Ein konkretes Beispiel dafür kann ich nennen: Es geht um den Verkehrsdienstevertrag für die Ostregion. Hier wurde die Vorankündigung – diese muss ein Jahr vor der kon­kreten Vertragsunterzeichnung veröffentlicht werden – nicht zeitgerecht durch das Mi­nisterium veröffentlicht, und auch wenn im Ausschuss von den Mitarbeitern des Minis­teriums beschwichtigt wurde, dass das nichts Außergewöhnliches sei: Das mag so sein, aber es ist doch ein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, und nega­tive Auswirkungen können nicht ausgeschlossen werden. Auch dazu würde mich Ihre Meinung interessieren, Herr Bundesminister.

Die daraus resultierende Botschaft heißt: Die SPÖ steht für eine fahrgastfreundliche Fahrplanpolitik und einen hohen Anteil an gemeinwirtschaftlich finanzierten Zugkilome­tern im Personenverkehr. Es war die Leistung der SPÖ-Verkehrsminister, dass derzeit mehr als 80 Prozent dieser Kilometer vom Bund bezahlt werden, und daran darf und soll sich auch nichts ändern.

Die SPÖ nimmt diesen Leistungsbericht zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

11.12


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Norbert Hofer. – Bitte, Herr Bundesminister.


11.12.58

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Wenn wir heute über die Bahn in Österreich sprechen, dann ist es tatsächlich so, dass wir Europameister bei der Nutzung der Bahn sind. Das ist auch deswegen so wichtig, weil wir nicht in der Lage sind, die Klimaschutzziele zu erreichen, wenn wir nicht wei­terhin massiv in den öffentlichen Verkehr investieren.

Natürlich gibt es auch Dekarbonisierung im Individualverkehr. Wir sind auch hier bei den europäischen Ländern ganz vorne mit dabei. Wir liegen auf dem dritten Platz und haben tolle Zulassungszahlen. Mit den neuen Fahrzeugmodellen tut sich hier immer mehr. Aber es gibt bereits dekarbonisierten Verkehr, und das ist die Bahn. Wir inves­tieren in die Schieneninfrastruktur nun in fünf Jahren 13,9 Milliarden Euro. Das ist der größte Betrag, der jemals in der Geschichte in einem so kurzen Zeitraum investiert wurde!

Ich möchte aber auf etwas hinweisen: Es ist natürlich das Schicksal eines Verkehrs­ministers, dass die Projekte, die er im wahrsten Sinne des Wortes auf Schiene setzt, meist erst dann abgeschlossen sind, wenn er nicht mehr Verkehrsminister ist. Beim Semmeringbasistunnel war es zum Beispiel Gorbach, und wenn ich jetzt sage, dass es zum Tschirganttunnel kommt, dann werde ich wahrscheinlich, bis er fertig ist, auch nicht mehr im Amt sein. Das gilt auch für die Europaspange und so weiter und sofort.


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Deswegen sage ich auch Dank an die Vorgänger, die sich so sehr für den Ausbau der Schieneninfrastruktur eingesetzt haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bundes­rätInnen der SPÖ.)

Letzte Woche bin ich nach Bayern geflogen und habe dort Gespräche geführt: In Bay­ern gibt es, was die Zulaufstrecken anbelangt, eine etwas verzwickte Situation. Dort wurden nämlich der Bevölkerung 80 verschiedene Streckenvarianten vorgestellt, und man kann sich vorstellen, dass sich jetzt eigentlich jeder Sorgen macht, denn am liebs­ten hätte jeder die Strecke nicht vor der eigenen Haustür. Deswegen gibt es dort auch große Widerstände, noch dazu vor Kommunalwahlen.

Ich gehe davon aus, dass es, wenn von den 80 Strecken nur mehr fünf in der Auswahl und die Kommunalwahlen erledigt sind, Tempo hinsichtlich der Umsetzung geben wird. Richtig heikel wäre es, wenn die Zulaufstrecken bis zum Jahr 2040 nicht fertig werden, denn bis dahin erwarten wir Verkehrsspitzen, sodass wir diese Zulaufstrecken dringend benötigen. Ich habe das den Bayern gesagt, und ich glaube, dass man den Ernst der Sache erkannt hat und wirklich daran arbeiten wird, das rasch umzusetzen. – Wie ge­sagt, als Politiker kennen wir all das: Nach den Kommunalwahlen werden die Entschei­dungen hinsichtlich der Streckenführung fallen.

Ein Problem haben wir in Österreich, egal, wie viel wir tun, dekarbonisieren, Forschung finanzieren, in die Bahn investieren: Unser größtes Problem ist der Transit. Wir sind ein kleines Land, in dem sich viele Lkw auf einer Transitstrecke befinden. Wir wissen, wie heikel die Lage am Brenner ist. Ein Freund von mir hat vor Kurzem einen schwer­kranken Freund mit dem VW-Bus aus Spanien nach Österreich gebracht und hat mir erzählt, was er an Maut bezahlt hat, als er einige Länder durchquert hat. 100 Euro wa­ren ganz normal, doch in Österreich zahlt man nur ein paar Euro! Ich glaube, auch da­rüber muss man nachdenken: Wie können wir beim Transit zu einer fairen Maut bezie­hungsweise Besteuerung kommen?

Und anschließend müssen wir diese Mittel in die Dekarbonisierung des Verkehrs in Ös­terreich reinvestieren. Ich glaube, das wäre eine sinnvolle Maßnahme. Darüber denken wir gerade nach, um vielleicht damit auch schon außerhalb der Grenzen Österreichs mehr Menschen auf die Schiene zu bringen.

Ich sage noch einmal Dank für die Erstellung des Berichtes an mein Haus. Ich darf ver­sprechen, dass wir die Anstrengungen zur weiteren Stärkung der Bahn fortsetzen wer­den, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das Image der Bahn in Österreich ein sehr gutes ist, viel besser als das der Deutschen Bahn.

Es wurde vorhin die Modellbahn angesprochen: Das ist richtig! Wir hatten eine Leh­mann-Garten-Bahn mit 45 Millimetern. – Jedenfalls glaube ich aber, dass die Men­schen nach wie vor für die Bahn begeistert sind. Es nutzen auch viele junge Menschen den öffentlichen Verkehr, und ich glaube, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Es gibt immer mehr junge Menschen, die überhaupt kein Auto besitzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.17

11.17.24


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 48

11.17.473. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (603/A und 546 d.B. sowie 10143/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu Punkt 3 der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


11.18.00

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich gleich zur Antrag­stellung. (Präsident Appé übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Danke, Frau Bundesrätin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Dr. Magnus Brunner. Ich erteile dieses.


11.19.07

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Nicht nur die Modelleisenbahnen haben eine interessante Geschichte, sondern auch die Österreichische Staatsdruckerei, die ich jetzt aber nicht im Detail erläutern werde.

Sie wurde bereits zu Kaisers Zeiten als k. k. Hof- und Staatsdruckerei gegründet und nach dem Zweiten Weltkrieg etwas umgestaltet. Wirklich begonnen hat die Erfolgsge­schichte aber eigentlich 1997, als sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die Österreichische Staatsdruckerei produziert, wir wissen es alle, Hochsicherheitsaus­weisdokumente der Republik Österreich, wie den Sicherheitspass, den Personalaus­weis, diverse Chipkarten, Scheckkarten, Führerscheine und andere Dokumente, die seit einigen Jahren in einem Hochsicherheitsraum mit den Daten der Bürger persona­lisiert und dann auch an die gewünschte Adresse weitergeleitet, verschickt werden. Die Staatsdruckerei ist als High-Security-Partner zertifiziert und für Kunden auf der ganzen Welt, auf vier Kontinenten tätig. Das bestätigt die Erfolgsgeschichte der Staatsdrucke­rei in den letzten Jahren.

Die Sicherheit im Bereich High-Security-Print ist ein ganz wichtiger Stützpfeiler der Staatsdruckerei. In dem Bereich sind Daten sehr sensibel und ein hohes Gut, und sie müssen entsprechend geschützt werden. Es ist daher wichtig, dass der Aspekt Sicher­heit bei allen Auftragsvergaben berücksichtigt wird und einfließt.

Die Staatsdruckerei weist wie bereits erwähnt eine Erfolgsbilanz auf. Der Umsatz wur­de von 40 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 46, fast 47 Millionen Euro in den Jah­ren 2017, 2018 gesteigert. Die Exportquote hat sich erhöht. Das ist wirklich eine Er­folgsgeschichte, die vor allem die knapp 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsdruckerei geschrieben haben und weiter schreiben. Die Staatsdruckerei ist somit ein Paradebeispiel dafür, wie man aus einem früheren Staatsbetrieb einen Marktführer machen kann. Sie ist heute nicht nur ein grundsolides Unternehmen, sondern wirklich


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 49

ein Innovationsführer. Viele von uns erinnern sich noch, dass die damals Verantwortli­chen im Jahr 2000 für die Privatisierung gescholten wurden. Heute sind wir alle stolz auf die Staatsdruckerei, ein Hightechvorzeigeunternehmen, das daraus entstanden ist. Die Staatsdruckerei ist im Digitalbereich Vorreiter. Diverse Apps, der E-Reisepass wur­den eingeführt. Da ist in den letzten Jahren einiges entstanden. Viele Kunden auf vier Kontinenten zeigen, dass man auch im Ausland auf österreichische Qualität setzt.

Warum müssen wir dieses Staatsdruckereigesetz jetzt ändern? – Es gibt einen einfa­chen Grund: Seit 2000 haben wir alle Ausweisdokumente ohne Ausschreibung an die Österreichische Staatsdruckerei GmbH vergeben. Das war gesetzlich gedeckt, aber die Kommission hat Österreich erstmals im Jahr 2014 dafür kritisiert und aufgefordert, die Rechtsvorschriften zu ändern, die die Bundesbehörden verpflichten, die Staatsdru­ckerei direkt mit dem sicheren Druck von bestimmten Dokumenten zu beauftragen. Die bisherige Vergabepraxis hat leider gegen die Dienstleistungsfreiheit und auch gegen andere Richtlinien der Europäischen Kommission verstoßen. Das müssen wir heute ändern.

Natürlich ist klar, dass wir nicht gegen den freien Wettbewerb sind. Klar ist aber auch, dass wir die Geschichte, die Leistungen und die Qualität, vor allem aber auch das in­ternationale Standing der Staatsdruckerei schätzen und bewahren möchten. Umso er­freulicher ist, dass dieses Gesetz heute, wie ich glaube und hoffe, einstimmig be­schlossen werden wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bundesrä­tInnen der SPÖ.)

11.23


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Bettina Lan­caster. Ich darf ihr das Wort erteilen.


11.23.45

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Präsi­dent! Werte Bundesratskollegen und -kolleginnen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zu­seher vor Ort und via Livestream! Mein Vorredner hat gerade die beeindruckende Ge­schichte der Österreichischen Staatsdruckerei skizziert. Ich gehe kurz darauf ein, dass die Aufträge zur Herstellung von Reisepässen mit Chip, Notpässen, Aufenthaltstiteln und so weiter bisher direkt an die Österreichische Staatsdruckerei GmbH vergeben wurden. Öffentliche Auftraggeber waren nach dem Staatsdruckereigesetz 1996 dazu verpflichtet. Dahinter stand die Überlegung, dass ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Republik Österreich und den Unternehmungen, die für die Produktion si­cherheitsrelevanter Dokumente zuständig sind, bestehen muss. Mit dem Urteil vom März 2018 hat der EuGH festgestellt, dass die Republik Österreich damit gegen EU-Richtlinien verstoßen hat. Seitens des Europäischen Gerichtshofes wurde ein europa­weites Vergabeverfahren derartiger Dienstleistungsaufträge eingemahnt. Würden wir dem nicht nachkommen, würden finanzielle Sanktionen drohen. (Vizepräsident Brun­ner übernimmt den Vorsitz.)

Mit den nunmehr vorgesehenen Änderungen des Staatsdruckereigesetzes 1996 wird dem Urteil des EuGH Rechnung getragen. Die Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber zur Direktvergabe an die Staatsdruckerei wird gestrichen. Künftig werden derartige Aufträge nur nach vorheriger europaweiter Ausschreibung vergeben.

Egal welches europäische Unternehmen den Zuschlag erhält, müssen höchste Stan­dards in Bezug auf Fälschungssicherheit und höchste Datenschutzstandards gewähr­leistet bleiben. Bereits in der Ausschreibung sollten Bedingungen festgelegt werden, die diesen Standards entsprechen. Obwohl sich alle über die Bedeutung von Sicher­heitsstandards einig sind, konnte ein diesbezüglicher Entschließungsantrag der sozial­demokratischen Fraktion im Nationalrat im März unverständlicherweise keine Mehrheit finden.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 50

Wir werden der Abänderung des Staatsdruckereigesetzes zustimmen. Wir halten je­doch fest, dass uns Sozialdemokraten die Sicherheit sensibler Daten im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher sowie der Republik ein zentrales Anliegen ist. Da­bei darf es zu keinen Versäumnissen kommen. – Ich bedanke mich für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.27


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm.


11.27.30

Bundesrat Christoph Längle, BA (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Sehr geehr­te Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Beim Staatsdruckereigesetz freut mich einmal, dass hierzu Einstimmigkeit herrscht. Das Urteil des Europäischen Ge­richtshofes wird umgesetzt, es kommt künftig zu einer europaweiten Ausschreibung der Aufträge. Dadurch werden der freie Wettbewerb gefördert und gestützt und Mög­lichkeiten für Betriebe eröffnet.

Im Fokus steht die Dokumentensicherheit, die ist Kern der Sache. Es geht um die Si­cherheit von Reisepass, Führerschein und Personalausweis. Das ist zu unterstreichen. Ich denke aber auch, dass die in Zukunft weiterhin gewährleistet sein wird. Allgemein braucht es da einfach eine hohe Qualität, denn mit diesen Dokumenten kann man sich ausweisen oder eben mit dem Führerschein die Fahrerlaubnis nachweisen. Da müssen wir schon die Qualität sehr betonen.

Auch ich darf eine Lanze für die Staatsdruckerei brechen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich selbst in meinem damaligen Beruf vor rund 20 Jahren von der Staatsdruckerei Dokumente angefordert habe. Die lieferte immer recht prompt, professionell und hochwertig. Als Österreicherinnen und Österreicher können wir stolz sein, dass wir ei­nen derartigen Hightechvorzeigebetrieb in Österreich haben, in dem rund 150 Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter tätig sind, von dem Millionenumsätze erzielt werden und der extrem gute und hohe Qualität mit allen Sicherheitsaspekten bietet.

Abschließend von unserer Seite: Auch wir werden dem Gesetz selbstverständlich ger­ne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bundes­rätInnen der SPÖ.)

11.29


11.29.25Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Es liegen dazu keine weiteren Wortmel­dungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.29.464. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird (604/A und 547 d.B. sowie 10144/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Doris Schulz. – Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 51

Bericht.


11.30.06

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird.

Die Unterlagen liegen Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.30.54

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuhörer hier und zu Hause! Es geht bei diesem Punkt um eine Vereinfachung der Postenausschreibungen im Bereich des Verwaltungsgerichtshofes. Warum braucht es die? – In den Jahren 2019, 2020 und 2021 wird es aufgrund zeitlich gestaffelter Ruhe­standsversetzungen zu mehreren Nachbesetzungen im Verwaltungsgerichtshof kom­men. Die bisher gültige gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Ausschreibung zur Nachbesetzung dieser Planstellen frühestens drei Monate vor beziehungsweise längs­tens einen Monat nach Freiwerden der Stelle zu erfolgen hat. Im Konkreten hätte dies zur Folge, dass in den nächsten Monaten, heuer und auch in den nächsten zwei Jah­ren, fast permanent Ausschreibungsverfahren durchzuführen wären, weil eben über­durchschnittlich viele Nachbesetzungen anstehen. Dies wäre mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden und würde auch notwendige Ressourcen binden.

Hinzu kommt dann noch ein besonderer Zeitdruck in den Sommermonaten, weil für je­den Besetzungsvorgang Beschlüsse im Ministerrat notwendig sind, der im Sommer nicht so oft zusammentritt. Es entspricht einer Anregung des Höchstgerichts, die Be­setzungsverfahren zu vereinfachen, indem der Gesetzgeber die Fristen für die Aus­schreibung zur Nachbesetzung von Richterplanstellen um insgesamt fünf Monate aus­dehnt, zusätzlich drei Monate vor und zwei Monate nach Antritt des Ruhestands. Damit kann künftig eine Reihungsliste erstellt werden, auf die im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann. Die oder der Nächstgereihte kann dann herangezogen werden. Diese Praxis hat sich, wie wir gesehen haben, auch in anderen Institutionen bereits bewährt. Vielleicht gelingt es auch, wenn ich diesen kleinen Nebensatz hier einfügen darf, bei dieser Gelegenheit, die Frauenquote im Verwaltungsgerichtshof ein wenig zu erhöhen.

Ich sehe es als Zeichen vertrauensvollen Einvernehmens zwischen Höchstgerichten, Regierung und Gesetzgeber, wenn solche Dinge offen und praxisgerecht angespro­chen und geregelt werden können. Die Beschleunigung dient dem Verwaltungsge­richtshof und den Menschen, die dort ihr Recht suchen. Damit kommt es zu keinen Verzögerungen, und es werden keine Ressourcen verschwendet.

Dafür darf ich dem Herrn Bundesminister herzlich danken. Sie sind in vielen Fällen ei­ne treibende Kraft für sinnvolle Regelungen, die dem Bürger dienen. Sie treiben sie, so wie ich das sehe, mit großer Einsatzfreude voran und bringen sie zu einem guten Er­gebnis. Sicherlich ist dieser Schritt heute ein kleiner Schritt, der aber dennoch dazu beiträgt, dass der Bürger spürt, dass diese Regierung angetreten ist, Überbürokratisie­rung abzuschaffen und in vielen Bereichen schneller zu werden, was den Menschen in ihrem Alltag nützt. Der Bürger soll möglichst oft merken, dass so viele Reformideen wie


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 52

möglich in die Tat umgesetzt werden. – Vielen Dank für Ihre Zustimmung zu diesen Reformschritt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.34


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile es ihr.


11.34.29

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine Vorgängerin hat eigentlich schon alles gesagt. Ich wiederhole es, damit die Leute die Bemühungen, da Änderungen vorzunehmen, verstehen.

Die vorliegende Novelle zielt darauf ab, dem Verwaltungsgerichtshof bei Stellenaus­schreibungen mehr zeitliche Flexibilität einzuräumen. Gemäß den geltenden gesetzli­chen Bestimmungen sind freiwerdende Planstellen für Verwaltungsgerichtshofrichterin­nen und -richter möglichst drei Monate vor, spätestens jedoch einen Monat nach Frei­werden einer Stelle auszuschreiben. Nunmehr ist eine Verlängerung der Frist auf bis zu drei Monate nach Freiwerden der Planstelle und gleichzeitig die Möglichkeit einer früheren Ausschreibung ab sechs Monate vor Freiwerden vorgesehen.

Meine Vorrednerin hat schon erwähnt, dass im Bereich des Verwaltungsgerichtshofes in den nächsten Jahren viele Pensionierungen anstehen. Durch die Neuregelung sollen mehrere Ausschreibungen zusammengefasst werden können, zumal durch diese Maß­nahme auch eine gezielte Frauenförderung ermöglicht wird.

Im Sinne einer zielgerichteten Personalplanung zur Wahrung der Kontinuität der Recht­sprechung erscheint diese Maßnahme sinnvoll. Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Schererbauer.)

11.36


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile es ihm.


11.36.38

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! De minimis non curat praetor, aber der Gesetzgeber kümmert sich auch um kleine Bei­träge zur Verwaltungsvereinfachung wie eben die gegenständliche Verlängerung von Ausschreibungsfristen für die Ernennung neuer Richter des Verwaltungsgerichtshofes. Unsere Fraktion wird diesem Antrag ebenso zustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.37


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M. (erheitert): Danke schön.

Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.


11.37.09

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich möchte mich dafür bedanken, dass beide Anträge Ihre Zustimmung finden. Mit dem zu­vor behandelten Antrag werden eine EU-Rechtswidrigkeit beseitigt und gleichzeitig ei­ne Maßnahme gesetzt, die sicherstellt, dass auch in Zukunft der Sicherheitsdruck unter größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen erfolgen wird, wie das bereits Herr Vizepräsi­dent Brunner zum Ausdruck gebracht hat. Die Ausschreibung ist derzeit im Gange. Ich gehe davon aus, dass der Zuschlag dann im zweiten Quartal erfolgen wird.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 53

Was wir jetzt auf der Tagesordnung haben, dient der Verwaltungsvereinfachung und gleichzeitig einer sinnvollen Effizienzsteigerung des Verwaltungsgerichtshofes, der ja in letzter Zeit enorm stark mit Asylverfahren belastet ist und aus dem Grund einem erhöh­ten Arbeitsdruck unterliegt. Diese vorgesehene Maßnahme spart Ressourcen und er­möglicht ihm, diese zielgerichtet zur Erfüllung seiner Aufgaben einzusetzen.

In dem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass wir uns derzeit auch mit den Län­dern in Verhandlungen befinden. Wir wollen bei der nächsten Landeshauptleutekonfe­renz den nächsten Schritt in Richtung einer Entbürokratisierung setzen beziehungswei­se einen Schritt in Richtung eines klaren Föderalismus gehen. Es handelt sich dabei insbesondere um das Elektrizitätswesen, gleichzeitig um die Krankenanstalten und nicht zuletzt um das Armenwesen, bei denen wir eine klare Zuordnung vornehmen wol­len. Die dient dazu, dass sowohl Bund als auch Länder in Zukunft wissen, wofür sie zu­ständig sind und welche Kompetenzen sie haben. Daran gekoppelt wird dann auch ei­ne klare Ergebnisverantwortung zu verwirklichen sein.

Darüber hinaus bewegen wir uns in die Richtung, dass Amtssachverständige über Län­dergrenzen hinweg eingesetzt werden können. Derzeit gibt es in vielen Ländern einen Mangel an Amtssachverständigen. Deswegen dauern Verfahren oft sehr lange. In Zu­kunft soll es deswegen über Ländergrenzen hinweg mehr Flexibilität geben.

In einem weiteren Schritt wird es um einen Aspekt von Großverfahren gehen. Sie ha­ben heute unter Tagesordnungspunkt 1 die ÖBB behandelt. Im Eisenbahnbereich bei­spielsweise, aber auch bei Straßenprojekten ist es derzeit so, dass dafür zwei Umwelt­verträglichkeitsprüfungen erforderlich sind. Wir bewegen uns da jetzt in die Richtung, dass nur mehr ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren durchgeführt werden wird. Wenn sich ein Projekt über mehrere Ländergrenzen erstreckt, führt der Bund das Ver­fahren und haben die Länder Parteienstellung. Ist nur ein Land von einem solchen Pro­jekt betroffen, ist das Land zuständig und der Bund hat Parteistellung. Das ist meines Erachtens auch ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

Wir beschäftigen uns derzeit auch mit der Ehrenkränkung. Sie wissen, in dem Zusam­menhang haben sechs Bundesländer Regelungen und drei keine. In letzter Zeit hat sich die Notwendigkeit gezeigt, da Maßnahmen zu setzen. Wir führen mit den Ländern gerade Gespräche, um für die Ehrenkränkung sowohl einen für das gesamte Bundes­gebiet einheitlichen Strafrahmen vorzugeben als auch allenfalls Ersatzfreiheitsstrafen vorzusehen.

All diese Projekte schreiten voran. Gleichzeitig führen wir Gespräche, um im zweiten Halbjahr 2019 auch die Pflege in den Bereich unserer Bemühungen mit aufzunehmen und dafür zwischen Bund, Länder und Gemeinden klare Regelungen zu treffen. Es ist ein sehr konstruktives Klima geschaffen worden – und es freut mich, Sie bei dieser Ge­legenheit darüber informieren zu dürfen. In nächster Zeit werden Ihnen die Ergebnisse dieser Bemühungen zur Zustimmung beziehungsweise Abstimmung vorgelegt wer­den. – Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.41


11.41.03Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 54

11.41.235. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förderungsgesetz 2012 ge­ändert werden (619/A und 548 d.B. sowie 10145/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu Punkt 5 der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist wiederum Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. – Ich bitte um den Bericht.


11.41.41

Berichterstatterin Mag. Doris Schulz: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Partei­en-Förderungsgesetz 2012 geändert werden.

Es handelt sich dabei um die Änderung der Indexanpassung, die Regelungen zu den Spenden, Wahlwerbeausgaben und die Valorisierung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung und angeregter Diskussion der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.42.35

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause! Zuerst ein herzliches Willkommen, einen ganz freundlichen und herzlichen Gruß an alle Steirerinnen und Steirer, die heu­te in Wien sind. Dieses Frühlingsfest am Wiener Rathausplatz zeigt die starke Verbun­denheit der Stadt Wien mit der Steiermark. Ich glaube, das ist ein sehr positives Zei­chen, und darüber freuen wir uns als Wienerinnen und Wiener ganz besonders. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Bader.)

Sehr positiv und gut für die Steiermark und vor allen Dingen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Steiermark ist, dass die Arbeiterkammerwahl zu Ende gegan­gen ist und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Steiermark ein deutliches Zeichen gesetzt haben, dass sie mit der Politik der Bundesregierung, die die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer mehr belastet, als ihnen Erleichterung verschafft, nicht zu­frieden sind. Das haben sie bei der Arbeiterkammerwahl zum Ausdruck gebracht. In der ArbeitnehmerInnenbewegung sind wir darauf sehr stolz. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Gesetz: Existenz und Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich. Das geht aus dem Artikel 1 der Bundesverfassung hervor. Demokratie verursacht Kosten. Das ist absolut in Ordnung so. Parteiorganisationen sind ein unverzichtbarer Bestandteil des demokratischen Sys­tems und müssen erhalten werden. Eine Förderung der Parteien aus Steuermitteln soll eine größtmögliche Unabhängigkeit von externen Spendern sicherstellen und so eine einseitige Beeinflussung des politischen Handelns verhindern. So weit, so wichtig und so gut.

Bei der Festsetzung von Höhe und Aufteilung der politischen Fördermittel sowie der Sanktionen, die in diesem Gesetz geregelt werden, zeigt sich die Bundesregierung wiederum als eine, die ihre Versprechen nicht hält. Es wurde vollmundig angekündigt,


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mit den Oppositionsparteien das Gespräch über die Parteienförderung zu suchen, aber nichts ist geschehen. Es ist wieder nur Ankündigungspolitik, aber das ist bei dieser Re­gierung leider schon zur bedauerlichen Routine geworden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es werden einige gravierende Veränderungen an der Systematik der Förderhöhe vor­genommen. Es kommt nicht mehr nach einer Indexerhöhung von über 5 Prozent zu ei­ner Anpassung, sondern ab 2019 erfolgt eine jährliche Anpassung. Was auf den ersten Blick wie eine Einsparung erscheinen mag, ist aber tatsächlich gar keine, denn schon nach vier Jahren kommt diese jährliche Anpassung bereits teurer als eine Valorisierung nach dem Überschreiten eines festgesetzten Prozentsatzes. Und ganz ehrlich: Sie können den Österreicherinnen und Österreichern nicht erklären, dass zwar die Partei­enförderung jährlich valorisiert wird, das Pflegegeld und alle andere Beihilfen aber nicht. Das versteht niemand. (Beifall bei der SPÖ.)

Der letzte Wahlkampf hat gezeigt, wie der Umgang der Regierungsparteien mit der Parteienförderung aussieht. Die ÖVP hat die Obergrenze für Wahlwerbung, die mit 7 Millionen Euro festgelegt ist, gleich um 6 Millionen überschritten, die FPÖ um 4 Mil­lionen Euro. (Bundesrat Schennach: Buh!) Dazu kommen noch die üppigen Wahl­kampfspenden (Bundesrat Weber: Wir kennen die Spender!), die sich nun für alle Großspenderinnen und -spender auszahlen, wird ihnen doch jetzt das politische Han­deln geboten, das sie sich mit ihrer Spende gewünscht haben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: So ist es!) Die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer sind es eindeutig nicht, die im Vordergrund stehen, nein, gegen ihre Interessen wird gehandelt.

Bei meiner Recherche zur Parteienförderung habe ich auch eine Aussage des Vize­kanzlers gefunden. Es ist ein Auszug aus dem Stenographischen Protokoll der 163. Na­tionalratssitzung vom 27.6.2012. Strache sagte damals: „Aber ich sage: Genau die 3 500-€-Grenze bietet wieder die Möglichkeit des Missbrauchs, indem eben viele über kleinere Tranchen ihre Spenden abgeben könnten und indem man andere Mechanis­men findet. Ich sage: Seien wir ehrlich! Machen wir ein Spendenverbot für Spenden aus dem In- und Ausland, und reden wir dann über eine nachvollziehbare und auch von der Bevölkerung unterstützenswerte Parteienförderung, mit der dann jede Partei auskommen muss.“ (Bundesrat Schennach: Und nichts ist geschehen!) „Das wäre im Sinne des Anstands und der Korruptionsbekämpfung und gegen Netzwerkinteressen der richtige Weg, den wir“ – also die FPÖ – „sicherstellen wollen und für den wir zu ha­ben sind, wenn man das ehrlich will.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Und weiter im Zitat: „Ich frage mich auch, ob es korrekt ist [...], dass in Zukunft hier oben alle Regierungspersonen über ihre Ministerien Inserate schalten können, und zwar über die Grenze hinaus! Das ist unanständig, und das haben Sie nicht gere­gelt!“ – Zitatende. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Da ist er beim Villa­cher Fasching!)

Dieses Zitat ist erstaunlich, wenn man bedenkt, welcher Gesetzestext uns jetzt vorge­legt wird. Man beachte auch die Werbekosten dieser Bundesregierung: 2018 wurden für Werbe- und PR-Kosten der Bundesregierung 44,8 Millionen Euro ausgegeben. Das ist doppelt so viel, wie die Vorgängerregierung ausgegeben hat! Das muss man sich vor Augen halten. Angesichts der überbordenden Menge an Inseraten, die diese Bun­desregierung schaltet, deren einschlägige Ausgaben weit über die der Vorgängerregie­rung hinausgehen, erscheint der zitierte Redeschluss Straches besonders erstaunlich. Man sieht, wie die Regierungsbeteiligung offenbar eine so vehement agierende Oppo­sitionspartei zum völligen Umdenken bringt.

In Bezug auf die Parteienförderung muss ein ganz anderer Weg eingeschlagen wer­den. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern: Die Einzelspenden müs­sen begrenzt werden. Damit könnte man die Einflussnahme finanzstarker Kreise auf


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 56

die Politik eindämmen. Bei Einzelspenden muss Transparenz hergestellt werden, und es sind wirklich wirksame Sanktionen bei der Überschreitung der Wahlkampfkosten­obergrenzen notwendig, damit derartige Überschreitungen wie im letzten Nationalrats­wahlkampf nicht mehr möglich sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Das und nicht der vorliegende Gesetzestext wäre der richtige Weg der Parteienför­derung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf Herrn Bundesminister Mag. Ger­not Blümel ganz herzlich bei uns begrüßen. – Willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile es ihm.


11.50.03

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben heute das Parteiengesetz und das Parteien-Förderungsgesetz zu beschließen, die Änderung einer Regelung, die 2012 von einer Regierung der SPÖ mit der ÖVP im Grundsatz beschlossen wurde.

Keine Angst, ich werde hier auf die Klassenkampfrhetorik und die Wahlauseinanderset­zung im Zuge der Arbeiterkammerwahl nicht replizieren, obwohl es in meinem Bezirk auch viele Ergebnisse gibt, wo es zweistellige Verluste für die Sozialdemokraten gege­ben hat. (Bundesrätin Grimling: Wo?) Da gibt es also schon Unterschiede, darüber brauchen wir nicht zu reden. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Es war schon ein eindeutiges Ergebnis!) Insgesamt ist es natürlich anzu­erkennen, dass es ein Ergebnis gibt, das die Sozialdemokratie momentan erfreut, aber mein Gott, es gibt auch andere Themen. Ich glaube, das Wesentlichste ist, dass diese Regierung Arbeitnehmerinteressen entsprechend unterstützt und eine zeitgemäße Ar­beitnehmerInnenpolitik macht. (Bundesrätin Grimling: Das sehen die WählerInnen ganz anders!) Die Sichtweise, die Sie haben (in Richtung SPÖ), ist nicht die Sichtwei­se, die die Bevölkerung insgesamt teilt, und das wissen Sie ganz genau. (Bundesrätin Grimling: Die WählerInnen sehen das anders!) Aber bitte bleiben Sie bei Ihrem Klas­senkampfstil; das wird uns sicherlich nicht allzu sehr schaden.

Eigentlich sollte die Parteienförderung im heurigen Jahr inflationsbedingt um knapp 8 Prozent erhöht werden. Das würde der Regelung entsprechen, wie wir sie damals gemeinsam mit der Sozialdemokratie beschlossen haben. Wir haben also ein System, das heute nicht mehr zeitgemäß ist und an dem wir ganz einfach Veränderungen vor­nehmen wollen. Es wird lediglich zu einer Erhöhung von 2 Prozent kommen. Das ist Ergebnis des Gesetzesbeschlusses, dem wir heute gerne zustimmen werden. Es wer­den auch alle anderen Bereiche, die in diesem Gesetz geregelt sind, einer jährlichen Valorisierung unterzogen.

Ich kann Ihnen versichern, dass es durch den Beschluss, den wir heute fassen, und diese Änderung zu einer Reduktion der Ausgaben kommt und dass sich das auch à la longue als billiger herausstellen wird. Sie haben halt Ihre Sicht der Dinge, aber wir ha­ben das entsprechend nachrechnen lassen, und so schaut das aus.

Wenn Sie hier Einzelspenden anführen und Transparenz einfordern, weiß ich nicht, wo Sie bis jetzt bei der Behandlung dieses Themas waren. Wir haben bei Großspendern klare Transparenzrichtlinien, und die werden natürlich auch weiterhin entsprechend eingehalten.

Es ist sinnvoll, dass es eine staatliche Parteienförderung gibt. Es ist sinnvoll, dass diese in Österreich entsprechend transparent dargestellt wird, sodass alle nachschau­en können, wie viel jeder bekommt und was man davon hat. Das ist ein System, zu


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dem wir uns bekannt haben und das ich auch heute außer Streit stellen möchte. Ich glaube, so weit sind wir uns da einig.

Das System der Parteienfinanzierung in Österreich unterstützt natürlich auch kleine Parteien und gibt ihnen entsprechend Möglichkeiten, am demokratischen Prozess der Meinungsbildung entsprechend mitzuwirken.

Wir wissen, dass die Regelung, die wir bisher hatten, unbrauchbar ist. 8 Prozent Stei­gerung wollen wir nicht, daher wurde diese Änderung angedacht, und das ist heute in diesem Beschluss auch enthalten. Öffentliche Parteienfinanzierung ist das beste und gerechteste System, und mit der Anpassung gemäß dem Verbraucherpreisindex kom­men wir zu einer fairen Weiterentwicklung der Parteienförderung. Schließlich unterliegt auch die Ausgabenentwicklung der Parteien entsprechenden Indexsteigerungen.

Daher denke ich, dass die Aufregung, die von der Sozialdemokratie an den Tag gelegt wird, eine künstliche ist. (Bundesrätin Schumann: Wir regen uns nicht auf! Wir kritisie­ren!) Die ist nicht unbedingt zu verstehen. Ich appelliere dafür, gerade beim Thema Parteienförderung, aber auch bei den Diskussionen über die Politikerbezüge eines nicht aus dem Auge zu verlieren und zu vergessen: Mir ist natürlich schon klar, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann, dass man als Opposition manchmal auch unterschiedlicher Meinung sein muss, aber eines sollten wir bei allen Meinungsver­schiedenheiten nicht tun, nämlich unsere Arbeit als Bundesrätinnen und Bundesräte, unseren Wert als politische Parteien wechselseitig runterzumachen, das dürfen wir nicht machen. Wir dürfen uns nicht unter unserem Wert schlagen lassen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In diesem Sinne danke ich für die Vorlage dieses Gesetzes. Wir werden dieser Ände­rung sehr gerne zustimmen, weil es ganz einfach eine sinnvolle Änderung ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.55


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


11.55.14

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja das meiste schon ge­sagt worden, und wir sollten, da schließe ich mich den Ausführungen meines Vorred­ners, des Fraktionsvorsitzenden der ÖVP, an, unser Licht nicht unter den Scheffel stel­len.

Wir haben mit der Parteienförderung ein transparentes System, sodass überall nach­prüfbar ist, zum Beispiel auf der Seite des Rechnungshofes, wer wie viele Spenden bekommt. Daran ist ja auch überhaupt nichts Verwerfliches. Ich möchte aber dem Ge­dächtnis der SPÖ schon ein bisschen auf die Sprünge helfen: Die Erhöhung der Partei­enförderung um 7,8 Prozent ist unter SPÖ-Kanzler Faymann beschlossen worden. Da war keine Rede davon, dass das zu viel ist. (Bundesrätin Schumann: Wo bleibt die entsprechende Valorisierung des Pflegegelds?) Ich könnte jetzt daher vermuten, dass Sie dagegen sind, weil Ihnen eine Erhöhung um 2 Prozent zu wenig ist. Der Schluss ist zulässig: Sie haben sich 7,8 Prozent genehmigt, jetzt bekommen Sie nur 2 Prozent, und das ist Ihnen eindeutig zu wenig, weil die SPÖ halt mit dem Geld nicht auskom­men kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Die Leute sollen aber ohne Valorisierung des Pflegegelds auskommen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben gesagt, wir wollen im System sparen, und daher gibt es diese 2 Prozent. (Bundesrätin Grimling: Genau! Darum habt ihr die Wahlkampfkosten gewaltig über­schritten!) Ja, und darum haben wir auch eine Valorisierung beschlossen, das ist rich-


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tig, damit wir nicht jedes Mal wieder die Diskussion haben: Wie viel darf es denn sein? Was darf es denn kosten? Und wie machen wir es denn? Das halte ich für einen sehr transparenten Zugang, der auch übersichtlich ist, an dem sich jeder orientieren kann und über den sich vor allem auch jeder Bürger informieren kann.

Die SPÖ hat aber, wie wir wissen, ein schwaches Gedächtnis, denn wenn man Ihre Förderungen - - (Bundesrätin Schumann: Die Rede von Strache!) – Weil Frau Kollegin Schumann die Werbung angesprochen hat, möchte ich Ihnen nur sagen: 5,9 Millionen Euro hat die Regierung österreichweit ausgegeben, 7 Millionen Euro hat allein die SPÖ-geführte Stadt Wien ausgegeben. (Bundesrat Weber: Das übliche Wienbashing! – Ruf bei der SPÖ: Das glauben Sie ja selber nicht! Die Regierung hat viel mehr ausgege­ben!) Ansonsten nehmen Sie es ja mit den Förderungen nicht so genau. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) 7 Millionen Euro gab allein das rot geführte Wien aus! In Ihren Vereinen – Sie fetten sich Ihre Parteienförderung ja über die Förderung SPÖ-na­her Vorfeldorganisationen auf – sitzen dann die Gemeinderäte, die den Förderungen zustimmen, im Vorstand. Sie beschließen also die eigenen Förderungen selbst. (Bun­desrätin Schumann: 44,8 Millionen Euro für Eigenwerbung im Jahr! – Bundesrätin Grimling: 44,8 Millionen Euro für die Regierung!)

Das nennt man also Transparenz à la SPÖ in Wien. Das ist wirklich vom Feinsten! Das können Sie in einem „Kurier“-Artikel nachlesen, wie das bei Ihnen funktioniert. Da geht es nicht nur um ein paar Tausend Euro, da geht es um Millionen! Dann wollen wir auch nicht vergessen, dass bei Ihnen durchaus verschwenderisch und zum Teil auch miss­bräuchlich mit dem Geld des Steuerzahlers umgegangen wird. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Ich erinnere Sie daran: Meidlinger wurde wegen Akzeptanz illegaler Rechnungen an­geklagt. Ich erinnere daran: SPÖ-Gewerkschafter Haberzettl wurde von einer Wohn­baugenossenschaft entlassen und angeklagt, vermuteter Schaden: 2,5 Millionen Euro. Das ist Politik à la SPÖ! (Bundesrätin Schumann: 44,8 Millionen Euro für Eigenwer­bung und keine Valorisierung des Pflegegelds! Das ist eure Politik!) Sie stimmen aber natürlich einer Reduzierung der Parteienförderung nicht zu – wohlgemerkt: einer Redu­zierung!

Sehr geehrte SPÖ! Ich würde doch einmal raten, sich bei der eigenen Nase zu nehmen (Bundesrätin Grimling: Es gibt keine Valorisierung des Pflegegelds!), den Blick einmal auf sich selbst zu richten, anzuerkennen und zur Kenntnis zu nehmen, dass die Re­gierung bereit ist, auch an uns selbst zu sparen. Daher reden wir jetzt nicht über eine Erhöhung um 7,8 Prozent, wie sie seinerzeit die SPÖ beschlossen hat, sondern unter einer ÖVP- und FPÖ-Regierung gibt es eine deutliche Reduzierung auf 2 Prozent. (Bundesrätin Schumann: Wenn man dir zuhört!) Das ist zum Wohle des Landes, zum Wohle der Steuerzahler, weil es sehr börselschonend ist, also zum Wohle Österreichs. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.00

12.00.19


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.00.426. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schul-


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unterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge und das Privatschulgesetz geändert werden (620/A und 541 d.B. sowie 10154/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 6 der Tages­ordnung.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Dr. Heinz Faßmann herzlich. – Willkommen im Bun­desrat! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


12.01.07

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge und das Privatschulgesetz geän­dert werden zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.


12.02.10

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Mit dem vorliegenden Gesetz werden drei sehr unterschiedliche Bil­dungsthemen angesprochen, zu denen wir als Fraktion je auch sehr unterschiedlich stehen. Es geht erstens um eine Reparatur bei den Deutschklassen. Es geht darum, standardisierte Tests für diese Deutschklassen einzuführen.

Es geht in einem zweiten Bereich auch um eine Reform der Mathematikreifeprüfung und es geht drittens um eine Anpassung, dass nämlich beispielsweise LehrerInnen ei­ner Musikschule nicht unbedingt ein C1-Niveau in der deutschen Sprache brauchen, wie das bei anderen Lehrern und Lehrerinnen vorausgesetzt wird. Bei diesen letzten zwei Punkten würden wir von der SPÖ auch durchaus mitgehen, leider können wir es hier im Bundesrat nicht getrennt abstimmen.

Ich möchte trotzdem begründen, warum wir gegen dieses Gesetz stimmen werden. Wir haben ja schon mehrfach betont, dass die Deutschklassen gar nicht in unserem Sinne sind und sich auch durch diese Reparatur daran nichts ändern wird. Ich möchte es noch einmal inhaltlich begründen. Wenn man in die aktuellen erziehungswissenschaftli­chen Debatte eingearbeitet ist, dann merkt man, dass sich ganz viel um den Begriff der Inklusion dreht, also um die Frage, wie ein modernes Bildungssystem gestaltet und ausgebaut sein muss, damit alle Kinder gut lernen und auch gute Bildungserfolge er­zielen können. Das ist es ja, was wir, denke ich, alle miteinander wollen, nämlich dass Kinder in unserem Bildungssystem in Kindergarten und Schule lernen, Leistung erbrin­gen und auch Erfolge abliefern können.

Jetzt wissen wir aber auch, dass jeder Mensch, jedes Kind ganz anders lernt. Jeder hat andere Methoden und eine andere Art und Weise, wie er sich Wissen am besten an­eignet. Deshalb sind auch nicht alle Bedingungen und alle Rahmenbedingungen für je-


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den Menschen gleich gut. Das heißt, die aktuelle Frage in diesem Bereich muss sein: Wie muss ein modernes Bildungssystem mit Kindergarten und Schule ausgestaltet sein, damit alle Kinder darin gut lernen können? – Eben nicht: Aha, da gibt es offenbar Kinder, die uns in diesem System Schwierigkeiten machen. Die passen nicht in das System, daher nehmen wir sie aus dem System heraus und trennen sie von den ande­ren, entwickeln ein Parallelsystem und lassen quasi die Kinder, die systemangepasst sind, damit in Ruhe.

Man merkt, das sind zwei sehr, sehr unterschiedliche Herangehensweisen an dieses Thema. Es ist die Frage, ob das System für die Menschen passen muss oder sich die Menschen an das System anpassen müssen. Das ist aus unserer Sicht der springende Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Haltung unserer Fraktion ist, dass es im Zweifelsfall immer um den Menschen geht. Das System muss sich an die Bedürfnisse des Menschen anpassen und nicht umgekehrt. Das würde jetzt in diesem Fall wiederum bedeuten, dass man die Ressour­cen entsprechend dorthin bringen muss, wo die Kinder sind und die Kinder lernen, also dorthin wo sie gebraucht werden. Man sollte nicht ein Parallelsystem, das auch Res­sourcen braucht, aufbauen, sondern dort, wo die Kinder jetzt sind, mehr Sprachpäda­gogInnen installieren und in Unterstützungspersonal investieren. Das ist jetzt zwar ein anderes Thema, aber es wird gerade heute aktuell debattiert: Der Ausbau der Ganzta­gesschule würde auch genau diesen Kindern sehr, sehr guttun. Das haben auch viele ExpertInnen im Vorfeld dieser ganzen Debatte bestätigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das wäre ein moderner inklusiver Zugang, von dem alle Kinder profitieren würden, denn mehr Ressourcen bedeuten für alle Kinder in diesen Klassenverbänden mehr Profit und bessere Bedingungen, weil eben jedes Kind individuell ist und weil jedes Kind diese gute Unterstützung braucht.

Ich habe es auch beim letzten Mal schon gesagt und ich möchte es wieder einbringen, weil es für mich so offensichtlich ist: Wenn ich eine Fremdsprache lernen wollte, dann würde ich mir Native Speaker aussuchen, also eine Gruppe von Menschen, die diese Sprache gut beherrschen, und nicht eine Gruppe von Menschen, die auch versuchen, diese Sprache zu lernen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die gibt es aber nicht in Wiener Schulen, in Favoriten, wo 100 Prozent Ausländer sind!) Wir wissen einfach, dass man unter Menschen, die diese Sprache gut beherrschen, diese Sprache leichter lernt als unter anderen, die das auch versuchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir jetzt nach einem Semester Deutschklassen sehen, ist, dass offensichtlich das Schulsystem noch nicht bereit dafür war, dass das ein Schnellschuss war. (Bundesrat Steiner: Ich habe mir gedacht, wir müssen das System anpassen, hat es geheißen!) Das haben wir auch schon im Herbst befürchtet, denn der Vergleich der Bundesländer zeigt, dass überall mit sehr unterschiedlichem Maß gemessen wird. In manchen Bun­desländern werden Kinder aus den Deutschklassen relativ rasch in die Regelklassen eingegliedert und in manchen Bundesländern passiert das offensichtlich noch nicht oder viel später. Das hängt meiner Meinung nach auch damit zusammen, dass diese didaktischen Hilfsmittel für das Personal, für die Pädagoginnen und Pädagogen erst im Laufe des Wintersemesters verfügbar waren und sie erst dann mit diesen arbeiten konnten.

Das heißt eigentlich, dass dieser erste Jahrgang in den Deutschklassen sozusagen Versuchskaninchen für dieses neue System war. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber in jedem System so!) – Wir sprechen hier aber schon von 9 800 Kindern, die da sozusagen als Versuchskaninchen herhalten mussten. Ehrlicherweise würde ich mir für mein Kind nicht wünschen, dass es in eine Situation kommt, in der man sagt: Na, schauen wir einmal, dann werden wir schon sehen!, sondern ich wünsche mir, dass im Schulalltag geplant und evidenzbasiert gearbeitet wird.


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Ich möchte mich an dieser Stelle wirklich bei allen Pädagoginnen und Pädagogen be­danken, die trotz diesem Wurf ins kalte Wasser sehr beherzt und engagiert versuchen, die Situation an den Standorten zu meistern. (Zwischenruf des Bundesrates Sperl.) Wie gesagt, wir finden es schade, dass diese drei verschiedenen Bereiche in diesem Gesetz jetzt nicht getrennt abgestimmt werden können. Wir hätten bei zwei unsere Zustimmung gegeben. Das Separieren von Kindern ist uns aber wirklich ein großer Dorn im Auge, und wir möchten deshalb diesmal nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.09


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Martina Ess. – Bitte.


12.09.44

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Faßmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher – ich sehe, es sind Schüler und Schülerinnen auf der Besuchergalerie – und Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist ein Thema, das die Schülerinnen und Schüler betrifft. Ich möchte auf den heikelsten Punkt, die Deutschförderklassen, zu sprechen kommen. Wir haben schon gehört: Wie erlernt man eine Sprache?

Liebe Kolleginnen und Kollegen: Was ist denn Ihre Muttersprache? Wie viele Sprachen spricht jeder und jede von Ihnen? Erinnern wir uns alle einmal an die Situation, als wir in ein Land gekommen sind, in dem wir die Sprache nicht verstehen, die Menschen nicht verstehen. Auch wenn wir uns in vielem uneinig sind, was die Deutschförderklas­sen betrifft, ist – und darüber sind wir uns, glaube ich, einig – die Sprache immer der Schlüssel zur Welt. Sie ist der Schlüssel zu den Menschen, zu deren Geschichten, zu den Kulturen und letztlich auch zur Bildung.

Der Zugang zu diesem Schlüssel muss meiner Ansicht nach jeder und jedem gewährt werden. In erster Linie ist da jeder und jede selbst gefragt, sich die Sprache oder diese Sprachkenntnisse anzueignen, aber, was im konkreten Fall die Deutschförderklassen betrifft, da ist auch der Staat gefordert, wenn dahin gehend Hilfe notwendig ist. Zu Be­ginn möchte ich erwähnen: Ich bin sehr stolz, dass wir in Österreich in einem Land le­ben, in dem viel in Bildung investiert wird, sehr viel gemacht wird und letztlich auch im Konkreten ganz viel in Sprache investiert wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Klugerweise hat unser Bildungsministerium auf die Frage nach der Verbesserung von Deutschförderklassen im Unterricht sehr rasch reagiert. Im Herbst wurden die Deutsch­förderklassen eingeführt, und wir diskutieren heute die Novellierung dessen.

Ich möchte dies noch ein bisschen tief gehender ausführen, als es bis jetzt getan wor­den ist. Was war eigentlich die Ausgangssituation? – Zwei Zahlen zu Beginn, die man wirklich immer vor Augen haben muss: Wenn man sich den Integrationsbericht 2018 ansieht, dann wird dort klar ersichtlich, dass rund ein Viertel der Schülerinnen und Schüler in Österreich eine andere Umgangssprache als Deutsch sprechen. Zusätzlich haben wir 30 Prozent aller Schülerinnen und Schüler – diese Zahl ging durch die Me­dien und ist erschreckend –, die nach neun Pflichtschuljahren nicht sinnerfassend le­sen können. Wir haben jetzt Frühling, viele glauben, dass diese Zahlen vielleicht so aus dem Boden heraussprießen. Die entscheidenden Fakten sind aber, dass sich das nicht in kurzer Zeit ergeben hat, sondern jahrelang schlicht nicht hingeschaut wurde, es da Versäumnisse gab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Unsere jetzige Bundesregierung hat diese Zahlen ernst genommen, hat auf diese Pro­blematik reagiert und hat letztlich hin- und eben nicht weggeschaut. Wenn ich jetzt hö­re, dass es da angeblich um Kinder geht, die Schwierigkeiten machen, und man sie deshalb separiert, dann kann ich das wirklich nicht nachvollziehen. Die Kinder verste-


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hen schlicht nicht, was gesagt wird. Sie werden ja dahin gehend unterstützt, ihre Sprach­kompetenz in der Unterrichtssprache zu verbessern. Es gibt wirklich keinen Zweifel daran, dass es dort dringenden Handlungsbedarf gibt.

Etwas geben wir zu, da müssen wir ehrlich sein, das haben auch die Gespräche mit den Lehrpersonen gezeigt. Das weiß ich auch als ehemalige Lehrerin, auch ich bin jah­relang Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache gewesen: Ja – und jetzt schaue ich wirk­lich Richtung SPÖ –, es war ein Crashkurs, ein Crashkurs für die Lehrkräfte, für die Kinder und die Eltern. Es ist bis heute eine große Herausforderung, das wollen wir gar nicht verschweigen.

Die konkrete Frage in dieser Debatte für mich ist aber: Was wäre die Alternative ge­wesen? Was hätten wir tun können? Ein Jahr warten, ein ganzes Schuljahr warten, um alle Kinder auf diesem Weg zu verlieren? – Das wollte und möchte ich nicht!

Es muss auch zugegeben werden, dass es ein komplexes Thema ist. Wir haben es auch schon teilweise gehört, wir haben auf der einen Seite regionale Unterschiede, wir haben Unterschiede, was die Herkunftsländer der Kinder betrifft. Wir haben auch große Unterschiede, was die administrative Umsetzung betrifft. So funktioniert das in Wien mancherorts bereits sehr gut, aber in anderen Bundesländern vielleicht eher holprig. Da kann man sagen, ja, das liegt halt daran, weil das alles so schnell eingeführt wurde, aber für mich ist jeder Prozess, der angegangen wird, jede neue Struktur auch etwas, was Zeit braucht. Wenn wir uns diese sechs Monate anschauen, dann ist das etwas, wodurch endlich ein Ball ins Rollen gekommen ist – und das ist auch gut so.

Wenn ich mir Vorarlberg anschaue, dann erkenne ich, dass wir dort zwei positive Dinge haben, die ich berichten kann, die für Ihre Beurteilung wichtig sind. Wir haben in Vorarlberg neben Quereinsteigern die größte Zahl an Kindern, die aus der dritten Ge­neration von Zuwanderern stammen, die die Sprache nicht mehr beherrschen, deren Eltern die Sprache Deutsch aber sehr gut sprechen. Ich habe in den Gesprächen mit den Pädagoginnen und Pädagogen gemerkt, dass wir die Lehrer mit im Boot haben. Das ist eine gute Sache, die wollen die Kinder unterstützen. Es gab bei uns bereits im Oktober nach der Einführung Sitzungen der DirektorInnen und LehrerInnen, sie haben sich mit ExpertInnen zusammengesetzt, Material ausgearbeitet. Dabei war eine große Eigeninitiative spürbar. Ein großer Dank dafür! Für mich sind die Lehrpersonen auch die besten Native Speaker, die wir haben können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist vielleicht auch interessant, dass es bei den Eltern der Kinder der dritten Gene­ration so ist, dass die Eltern erkannt haben – und das ist ein entscheidender Schritt –, dass sie diese kulturelle Verantwortung, eine Sprache zu erlernen, nicht nur der Schule zuschieben können. Sie haben mitgearbeitet, sie sind in die Schule gekommen, haben in den Mittelschulen gesagt: Wir wollen unser Kind nicht zwei Jahre dort haben. Was können wir tun? Heute helfen sie aktiv mit. Das ist für mich ein weiterer Erfolg, ein Zei­chen, dass die Deutschförderklassen ihre absolute Berechtigung haben.

Ich darf noch einmal auf die Metapher der Sprache als Schlüssel zur Bildung, zur Welt zurückkommen. Sie darf für uns keine hohle Phrase bleiben. Wenn wir auf sechs Mo­nate zurückschauen, dann muss ich schon sagen, dass das meines Erachtens nicht mehr und nicht weniger als ein Zwischenbericht ist. Wir haben jetzt eine ganz kurze Zeitspanne, die wir uns anschauen können. Auch ich habe mir natürlich gewünscht, dass mehr als 16 Prozent der Kinder in die Regelklasse wechseln hätten können. Es zeigt uns aber, wie wichtig es ist, dass wir noch lange nicht angekommen sind und dass es entscheidend ist, die Unterrichtssprache frühzeitig zu lernen. Es wird die Wir­kung der Deutschförderklassen meines Erachtens verstärken und ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass es jetzt einheitliche Testungen und Lehrplananpassungen gibt.

Wenn Sie sich noch einmal zurückerinnern, wie es Ihnen so gegangen ist, als Sie in einem Land waren, wo Sie die Sprache nicht verstanden haben, oder eine Sprache er-


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lernt haben, dann merken Sie, das ist auch immer ein Prozess. Das geht nicht von heute auf morgen und braucht Unterstützung auf allen Ebenen. Für mich ist das klare Ja zu den Deutschförderklassen, zur jetzigen Evaluierung, zur Einführung der Testins­trumente ein Schritt in die richtige Richtung für die Kinder, für deren Zukunft, für deren berufliche Laufbahn und letztlich – und das dürfen wir nicht vergessen – auch für unser Land, für unsere Republik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Dankeschön zum Schluss von mir an Sie, Herr Bundesminister: Es freut mich, dass Sie als Bildungsminister konsequent dranbleiben, obwohl es ein schwieriges Thema ist, dass Sie Interesse an einer gemeinschaftlichen und vor allem auch nachhaltigen Lösung für alle zeigen, die daran beteiligt sind. Abschließend geht mein Dank an die Lehrpersonen, mit denen ich gesprochen habe, und auch an alle anderen, denn sie tra­gen diesen Integrationsprozess meines Erachtens nicht nur wesentlich, sondern feder­führend voran. – Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. – Bitte.


12.18.10

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Verehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Liebe SchülerInnen! Es freut mich ganz besonders, dass heute so viele junge Men­schen im Bundesrat zuschauen. – Hallo!

Worüber wir heute reden, ist für mich nichts anderes, als dass Sie, Herr Minister, end­lich erkannt haben, dass Sie schulpolitisch gegen die Einbahnstraße gefahren sind und jetzt irgendwie mit dem Rückwärtsgang versuchen, noch aus dieser Sackgasse raus­zukommen, und halt links und rechts noch an den Autos anecken.

Die Deutschklassen haben von Anfang an nur Probleme gebracht, was wir schon von Anfang an gesagt haben. Es war von Anfang an klar, dass die Deutschklassen in der Umsetzung eine Katastrophe oder jedenfalls nicht zweckdienlich sein werden. Das wird uns alles nicht helfen, auch dieses Gesetz nicht, das wir heute behandeln. Was wir wirklich brauchen, sind endlich wirkliche Maßnahmen in der Schule und nicht wieder so ein i-Tüpfelchen, das das Schulsystem wieder genau in die falsche Richtung lenken wird.

Ich glaube, wir sind uns über alle Fraktionen hinweg klar und einig, dass der Schlüssel für eine gelungene Integration nun einmal das Erlernen der Sprache ist, die eben Deutsch ist. Gerade Kinder und Jugendliche lernen unglaublich schnell Sprachen und neue Kompetenzen. Zum einen lernen die Kinder Deutsch wirklich aktiv in der Schule von den PädagogInnen im Unterricht, aber viel wichtiger ist das Erlernen der deutschen Sprache mit den Freundinnen und Freunden im Klassenverband, mit Familien oder eben auch von den Mitschülern. Es ist unglaublich wichtig, weil es einfach ein spiele­risches Lernen ist. Es besteht natürlich auch ein gewisses Wollen, von den Mitschü­lerInnen Deutsch zu lernen, damit sie einfach dazugehören, damit sie ein Teil dieser Gesellschaft sind, damit sie sich auch untereinander verständigen können.

Wir Grüne sind dem Vorstoß des Ministeriums und der Bundesregierung auch dazumal sehr kritisch gegenübergestanden, weil es aufgrund dieser Maßnahmen einfach zu Se­lektierungen gekommen ist. Das Trennen der Kinder führt genau zu einer Einschrän­kung dieser Möglichkeit. Es kommt zu einer Trennung der Kinder, die muttersprachlich interagieren, Deutsch können, von denen, die es erst lernen müssen. Auch vonseiten der SprachwissenschafterInnen gab es ein klares Nein zu dieser Maßnahme. Es gab schon im Vorfeld massive Einwände, dass die Novelle auch dem aktuellen Stand der Forschung widerspreche. Es bleibt leider nichts über, als dass das Ganze einfach nur


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wieder dem Populismus geschuldet ist. Man sagt einfach, man möchte die Nicht-Deut­schen von der Österreichern trennen.

Das ist meiner Meinung nach einfach fatal, Herr Minister! Das wissen Sie auch, Sie haben ohnehin selbst im „Standard“ gesagt, dass es eine politische Entscheidung war. Es kommt zu einer Sekretion der Schüler, es schließt die Kinder auch vom Fachunter­richt aus und erlaubt einen Übertritt in die altersgemäße Regelklasse nur in Ausnahme­fällen. Das empfinde ich als problematisch. Um wirklich integrativ wirken zu können, braucht es eben Geld, dafür braucht es mehr PädagogInnen, es braucht kleinere Klas­sen, es braucht eine enge Zusammenarbeit von Behörden, von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen.

Herr Minister Faßmann, was wir wirklich brauchen, was die Schule viel mehr brauchen würde, wäre nämlich, dass es eine wirkliche Schulautonomie in den Schulen gibt. Das wäre notwendig, das wäre wirklich einmal eine Initiative, die Sie starten können. Geben wir als Gesetzgeber die Rahmenbedingungen vor und lassen die Menschen, die es be­trifft, selbst entscheiden, welche Unterstützung für sie am besten ist. Wir sollten Ver­trauen in die Schulen, Vertrauen in die Pädagoginnen und Pädagogen haben! Die Schulen sollen selbst entscheiden, ob die SchülerInnen mehr für Deutschkurse oder mehr für Sportunterricht brauchen. Dafür müssen Geld und Ressourcen investiert wer­den. Schreiben wir den Direktoren doch nicht vor, was gut und schlecht für ihre eige­nen Schüler und Schülerinnen ist.

Das betrifft auch diese unnötigen Schulversuche. Lassen wir doch die Schulen selbst entscheiden, welche Schulversuche sie machen möchte. Ersparen wir ihnen die jährli­chen behördlichen Aufwände, um überhaupt Schulversuche bewilligt zu bekommen. Das ist meiner Meinung nach absurd. Lassen wir die Schulen selbst entscheiden, wel­che Schulversuche für sie gut sind.

Herr Minister, was wir heute beschließen, ist wirklich nur mehr ein Herumrudern im Strudel und Wirrwarr der österreichischen Bildungspolitik, wieder nur ein i-Tüpfelchen genau in diesem Bereich. Sie helfen damit nämlich keinem einzigen Schüler, sondern Sie produzieren nur Ausgrenzung, Zweiklassenpolitik in einer Schulklasse, Regeln und Bürokratie. Das ist nämlich das ganz große Problem. Was wir nämlich wirklich brau­chen, sind wirkliche Veränderungen, die uns im Bildungssystem endlich nach vorne bringen würden.

Ich hoffe, Ihnen wird klar, dass man mit plumper Symbolpolitik – und ganz ehrlich, et­was anderes war diese Deutschklasseneinführung ja wirklich nicht – in der Schul­realität nicht ans Ziel kommt. Das sieht man ja jetzt auch daran, dass man nicht einmal ein halbes Jahr später schon wieder das Ganze novellieren und neu erarbeiten muss. So kommt man nicht an das Ziel, nämlich die Deutschkompetenzen der Schülerinnen und Schüler weiterzubringen und zu entwickeln.

Herr Minister, hören Sie mit dieser Symbolpolitik in der Schule auf und lassen Sie die Schulen, die SchülerInnen, die LehrerInnen, die PädagogInnen, die DirektorInnen selbst entscheiden, was das Beste für ihre SchülerInnen ist. Bringen Sie endlich Vorschläge auf den Tisch, die eine wirkliche Schulautonomie für die Schuleinrichtungen bringen. Das wäre mein Appell an Sie.

Wir werden dieser politische Entscheidung, die am Rücken von Kindern ausgetragen wird, definitiv nicht zustimmen, denn die Maßnahmen werden nämlich für die Schüle­rinnen und Schüler wieder keine Verbesserungen bedeuten, sondern nur für die Päda­gogInnen und die Direktoren einen Mehraufwand in Form von irgendwelchen Regelun­gen und Bürokratien. Das ist wieder nicht das, was wir wirklich brauchen. Reformieren wir endlich das Bildungssystem! Das wäre mein Appell an Sie. Fordern wir endlich Schulautonomie ein und setzen wir das Geld dort ein, wo es benötigt wird, nämlich bei


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den Schülerinnen und Schülern! – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

12.24


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Ich darf ganz herzlich eine Delegation aus China unter der Leitung des Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses und Vizepräsidenten der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, Herrn Ma Biao, in Begleitung des Herrn Botschafters der Volks­republik China, seiner Exzellenz Li Xiaosi, im österreichischen Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.


12.24.51

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler auf der Galerie! Sehr geehrte Delegation! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja wirklich erstaunlich. Wir machen hier drei eigentlich kleine technische Änderun­gen in einem Gesetz, und ich höre die übliche Polemik mit den üblichen sogenannten Argumenten derer, bei denen ich mir denke, ich habe keine Ahnung, wann die das letzte Mal in einer Schule waren (Bundesrätin Hahn: Gestern! Ich stehe täglich in der Klasse!), zum Beispiel in einer Wiener Schule – das muss schon ewig lange her sein.

Wenn Frau Kollegin Gruber-Pruner sagt, ein Native Speaker wäre gut und es sei wich­tig, dass die Kinder im Klassenverband bleiben, damit sie die Kenntnisse der deut­schen Sprache verfestigen können, dann frage ich mich: Von welcher Schule spricht sie? – Das war noch zu Zeiten, als ich in die Schule ging, da hatten wir ein Kind in der Klasse, das damals aus dem ehemaligen Jugoslawien kam. (Bundesrätin Dziedzic: Ja, früher war alles besser! – Bundesrat Stögmüller: Vor 60 Jahren!) Wir waren alle mächtig stolz, dass wir ein Kind hatten, das aus einem anderen Land kommt. Die hat auch in kürzester Zeit Deutsch gelernt, war eine der besten Schülerinnen der Klasse, und es war überhaupt kein Problem.

Wo aber wollen Sie, Frau Kollegin, in einer Schule in Wien Favoriten, wo man 100 Pro­zent Ausländeranteil hat, wo alle unterschiedliche Sprachen sprechen, von Kroatisch über Serbisch, Russisch bis Tschetschenisch, was weiß ich, den Native Speaker fin­den? Vielleicht in dem einzigen Österreicher, den es in der Klasse, wenn wir Glück ha­ben, noch gibt? (Bundesrätin Schumann: In der Internationalen funktioniert es! – Wei­tere Zwischenrufe der Bundesrätin Dziedzic.)

Ich bin ja bei Ihnen. Es wäre ja schön, wenn die Kinder mit anderen österreichischen Kindern Kontakt hätten. Das ist aber nicht der Fall. Ich kann Ihnen aber sagen, dass das die Eltern gar nicht wollen. Es liegt nicht an den Österreichern, sondern es liegt fast ausschließlich an den Zuwandererfamilien. Die sind auch am Spielplatz unter sich. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Die haben auch am Spielplatz keinen Kontakt, was ja wünschenswert wäre, denn da könnten sie ja die Sprache trainieren, und dann geht das natürlich bei Kindern schnell. (Bundesrat Steiner: Das ist die Wahrheit!) Bei jenen Kindern, die diese Möglichkeiten haben, erlebe ich das ja auch. Die switchen zwischen den Sprachen herum, das ist unglaublich. Der wechselt ohne irgendein Problem von Deutsch zu seiner Muttersprache und zurück. Das ist aber die Ausnahme, leider nicht die Regel.

Sie hatten ja jetzt 20 Jahre Gelegenheit, den Integrationsprozess voranzutreiben, die Sprachkompetenz nicht nur zu schulen, sondern auch zu fördern. (Bundesrätin Hahn: Ihr kürzt das Geld für die Sprachförderung!) Das Ergebnis ist aber, dass 30 Prozent der Schüler, wie Kollegin Ess schon gesagt hat, nach neun Jahren nicht ausreichend le­sen, schreiben und rechnen und schon gar nicht die Sprache können. Ich muss Ihnen


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sagen, dass das eben kein Erfolgsmodell gewesen ist. Daher gibt es jetzt einen Sys­temwechsel. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: Spalten und hetzen!)

Bei jeder Neuerung ist es so, dass sie nie hundertprozentig funktioniert, weil man nie alle Eventualitäten bedenken kann, die sich dann einfach aus der Praxis ergeben – das wissen Sie auch –, daher wird jetzt nachjustiert. Die Tatsache, dass es in Österreich durchschnittlich nur 16 Prozent sind, sagt ja noch nichts aus. Wir haben ja zwischen 100 Prozent und 3,5 Prozent die ganze Bandbreite. Natürlich wollen auch wir, dass möglichst viele möglichst schnell in den Regelunterricht wechseln, aus dem sie ja nicht ausgeschlossen sind, denn sie sind ja in gewissen Fächern beisammen. Es geht aber darum, möglichst schnell die Sprache zu erlernen, um dem Unterricht folgen zu kön­nen. Da gibt es eben österreichweit eine sehr große Bandbreite, die man ja nicht daran festmachen kann, dass man sagt, das eine Bundesland ist gescheiter und das andere ist weniger gescheit.

Diesbezüglich haben wir auch die Eltern in die Pflicht zu nehmen, weil auch die Eltern der Kinder, die nicht Deutsch können, natürlich ein Interesse daran haben müssen, dass ihre Kinder in der Schule entsprechend gut vorankommen, um auch späterhin ei­ne Ausbildung zu haben, aufgrund derer sie einen Beruf ergreifen können, von dem sie auch leben können, und nicht irgendwo als Hilfsarbeiter zum Beispiel Zementsäcke tragen zu müssen. Das wollen wir ja nicht, wir wollen ja, dass sie gute Berufe erlernen können, und dazu ist halt – das ist ja das Einzige, wo wir uns einig sind – der Erwerb der Sprache unumgänglich. Darum machen wir jetzt standardisierte Tests, damit das System eben auch verbessert wird.

Es gibt mehrere Änderungen, es hat sich jetzt nur an den Deutschklassen manifestiert. Es gibt auch das Kopftuchverbot in der Volksschule. (Bundesrätin Hahn: Eine Polemik! Eine einzige Polemik!) Ich höre von Ihrer Seite auch immer, dass Sie die Unterdrü­ckung der Frauen – zu Recht – nicht wollen. Das ist aber unserer Meinung nach eine Unterdrückung der Kinder, ein gewisser Missbrauch der Kinder; dadurch werden sie schon in eine gewisse tradierte Richtung gedrängt, die Sie ja sonst ablehnen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.) Das ist abzulehnen, das wollen wir nicht, daher gibt es dieses Kopftuchverbot. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir haben beim Privatschulgesetz zu Recht an der Schraube gedreht, um das Niveau auf C1 anzuheben, das ist aber nur eine kleine technische Änderung. Wir haben die Erfahrungen aus der Mathematikmatura zum Anlass genommen, um zu sagen: Ja, man muss bei den Texten vielleicht noch ein bisschen etwas ändern, damit diese leich­ter lesbar und verständlich sind, ohne aber auf ein Niveau hinunterzugehen, dass auch der, der nicht gescheit lesen kann, diesen Text noch versteht. Das ist ja nicht der Sinn einer Reifeprüfung, dass man das so weit hinunterschraubt, dass dann wirklich auch der Letzte, der nicht wirklich sinnerfassend lesen kann, diese besteht. Das heißt, das sind eigentlich wichtige, aber gar nicht so große Änderungen.

Zu den Deutschförderklassen stehe ich, ich habe sie auch immer befürwortet; das an­dere System ist gescheitert. Ich bin überzeugt davon, dass dieses System erfolgreich ist, aber selbstverständlich muss man hier und dort noch ein bisschen nachbessern, was wir auch tun. Daher verstehe ich jetzt eigentlich nicht, warum Sie wegen Kleinig­keiten hier auftreten und sagen, Sie können dem Gesetz leider nicht zustimmen. (Bun­desrätin Hahn: Das sind keine Kleinigkeiten!) Das machen Sie mit sich selber aus. Es ist ja auch Ihr gutes Recht, nicht zuzustimmen. Wir werden jedenfalls diesen Änderun­gen im Gesetz sehr gerne zustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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12.32


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.


12.32.48

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Das war von meiner Vorrednerin jetzt quasi aufgelegt: Wann wart ihr das letzte Mal in einer Schule? – Ich stehe tagtäglich in einer Schule (Bundesrat Steiner: Heute? Heute auch?), ich habe tagtäglich meine Un­terrichtsstunden, und ich weiß, wie es in einer Schule zugeht. Ich weiß, was für eine wirklich großartige Arbeit unsere Pädagoginnen und Pädagogen tagtäglich leisten, auch unter den widrigsten Umständen, wenn es denn sein muss. (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrätin Mühlwerth: Das bezweifelt ja niemand! – Bundesrat Spanring: Die Misere habt ihr herbeigeführt!)

Wir haben schon gehört, dass das Gesetz drei ganz unterschiedliche Materien behan­delt, ich möchte mich aber trotzdem – weil es mir als Lehrerin einfach ein ganz beson­deres Anliegen ist – auf den Bereich der Deutschförderklassen beschränken. Die Schule ist nicht ein reiner Ort der Wissensvermittlung oder auch der Kompetenzvermittlung, sondern Schule, glaube ich, sollten wir auch als einen sozialen Raum denken und ver­stehen. Ich finde, die Schule ist im Rahmen der Entwicklung der Kinder und Jugendli­chen wahrscheinlich überhaupt einer der wichtigsten Sozialräume; da lernen die Kin­der, auch in einer Gruppe zu agieren, sich gegenseitig zu akzeptieren, zu respektieren, auch wahrzunehmen, dass es Unterschiede zwischen den Menschen gibt.

Das Österreichische Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen schreibt dazu zum Beispiel auf seiner Homepage: „Soziales Lernen zielt auf den Aufbau posi­tiver Beziehungen und die Fähigkeit, das eigene Tun zu reflektieren und sich selbst und andere wahr- und anzunehmen. Soziales Lernen trägt dazu bei, Unterschiede un­tereinander zu respektieren und miteinander wertschätzend, rücksichtsvoll und verant­wortungsbewusst umzugehen. Soziales Lernen ist ein integraler und wesentlicher Be­standteil des Unterrichts. Soziales Lernen findet immer statt.“

Genau das ist der Grund dafür, dass ich die Deutschförderklassen immer noch sehr, sehr kritisch sehen muss, denn: Wie genau soll das soziale Lernen in diesen separier­ten, segregierten Deutschförderklassen sinnvoll stattfinden, wenn die Schülerinnen und Schüler von ihren Mitschülern ganz bewusst getrennt und separiert werden? – Das ist für mich einfach nicht nachvollziehbar. Das geschieht noch dazu bei einer durchschnitt­lichen Stundenanzahl von 30 Stunden pro Woche, das ist dann quasi die halbe Schul­zeit, die sie hier von ihren Stammklassen und ihren KollegInnen getrennt sind. Das nennt man im Schuljargon dauerhafte äußere Differenzierung, Sie wissen das genauso wie ich. Wir wissen, das ist nicht nur für den Spracherwerb ganz und gar nicht förder­lich.

Der Ihnen wahrscheinlich nicht ganz unbekannte Bildungswissenschaftler Hopmann wurde in der „Tiroler Tageszeitung“ hierzu interviewt. Man hat ihn gefragt: „Was sagt die Wissenschaft, wie erlernt ein Kind am besten eine Sprache?“ Hopmann sagt ganz eindeutig: „Am besten lernt man eine Sprache im Umgang mit jenen, die diese Sprache beherrschen“ – in dem Fall im Klassenverband. (Bundesrätin Mühlwerth: Mit den Tschetschenen! – Bundesrat Steiner: 100 Prozent Ausländer!)

Ich kann Ihnen dazu ein sehr positives Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung, aus meiner eigenen Unterrichtspraxis berichten und mitgeben. An der Schule, an der ich unterrichte, einer Mittelschule im Bezirk Tulln, gibt es keine Deutschförderklassen, weil wir schlicht und einfach auch die Startzahl dafür nicht erreichen. Darüber bin ich in mehrerer Hinsicht sehr froh, denn ich selber unterrichte in einer ersten Klasse, einer sehr diversen Klasse, einer Integrationsklasse, Mathematik. Wir haben dort sehr gute SchülerInnen, sozusagen mit AHS-Reife, wir haben aber auch SchülerInnen, die nach dem sonderpädagogischen Lehrplan unterrichtet werden, und wir haben seit Oktober


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auch eine Schülerin und einen Schüler, die mit zunächst einmal keinerlei Sprachkom­petenz in der Sprache Deutsch aus einem östlichen Nachbarland Österreichs zu uns gekommen sind. Diese beiden haben es aber alleine durch innere Differenzierung, durch eine Förderung im Klassenverband geschafft, dass sie mittlerweile, nicht einmal ein halbes Jahr später, dem Unterricht tadellos, und zwar wirklich ohne Probleme, fol­gen können und Tests und Schularbeiten mitmachen können; es haben sich vor allem auch Freundschaften in ihrem Klassenverband entwickelt. (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrat Steiner: Weil der Rest Österreicher sind und nicht Ausländer! – Ruf bei der FPÖ: Die Sozialisten verstehen das nicht!) Sie sind schlicht und einfach Teil der Klas­sengemeinschaft, so wie alle anderen auch. Wie gesagt, das Zauberwort heißt aus meiner Sicht Binnendifferenzierung, Integration, Inklusion, so wie es auch an unserer Schule tagtäglich gelebt wird, und zwar sehr erfolgreich.

Wir haben schon gehört, es liegen jetzt erste Zahlen vor, wie viele Kinder seit der Ein­führung der Deutschförderklassen den Sprung zurück in die Regelklassen geschafft haben, und wir sehen, dass diese Zahlen im Bundesländervergleich höchst unter­schiedlich ausfallen. Nicht angegeben werden aber seitens des Ministeriums die Grün­de für diese Unterschiede. Da gibt es sozusagen auch ganz einfach formulierte Grün­de, etwa dass Schülerinnen und Schüler schlicht und einfach die Klasse oder die Schu­le wechseln, weil sie beispielsweise umgezogen sind; darauf geht das Ministerium gar nicht ein, und auch ein standardisierter Test wird daran nichts Wesentliches ändern können.

Wir brauchen keine weiteren Tests, keine weiteren Überprüfungen. Was wir brauchen, steht sogar in dem von Ihrem eigenen Ministerium herausgegebenen Nationalen Bil­dungsbericht ganz klar und eindeutig, und zwar in Band 2, im Beitrag über Entwick­lungsfelder im Bildungssystem. (Die Rednerin hält den erwähnten Bericht in die Höhe.) Da wird noch auf die weiter wachsenden Herausforderungen in den Schulen aufgrund von Heterogenität und Diversität hingewiesen. Ganz hinten in diesem Band steht: „Leh­rer/innen, aber auch die Schulleitungen und Schulen brauchen Unterstützung durch Bereitstellung von materiellen Ressourcen, zusätzlichem Unterstützungspersonal, Fort­bildungsangeboten, Praxismodellen und didaktischen Materialien.“ – Genau das ist es! Wir brauchen mehr und vor allem bedarfsgerechte Ressourcen, damit die großartige Arbeit unserer Pädagoginnen und Pädagogen wirklich noch leichter und besser gestal­tet werden kann.

Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, Frau Kollegin Mühlwerth, dass es Ihre Fraktion als Teil der Regierung war, die unter anderem auch die Ressourcen für die Sprachförderpädagogen reduziert hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Stimmt ja nicht!) So muss man es leider auch betrachten.

Abschließend möchte ich noch einmal Bildungswissenschaftler Hopmann zitieren, der es wirklich auf den Punkt bringt und dem man nichts weiter hinzufügen muss: „Schul­sprache wird erst dann zur Ideologie, wenn sie als Instrument benutzt wird, um be­stimmte Bevölkerungsgruppen auszugrenzen und deren Kinder auch noch dafür zu bestrafen, dass ihnen die Voraussetzungen verweigert werden, die es bräuchte, um ih­re Schulprobleme zu lösen. Das ist gegenwärtig in Österreich vorsätzlich der Fall.“ (Bei­fall bei der SPÖ.)

12.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Doris Berger-Grabner. Ich erteile es ihr.


12.40.22

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und


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Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Besuchergalerie und via Livestream! Ja, es gibt unter­schiedliche Zugänge zu diesem wichtigen Thema, und ja, es wurden auch schon viele wichtige Dinge angesprochen, denen ich mich großteils auch inhaltlich anschließen kann.

Fakt ist, einem Kind, welches die Unterrichtssprache nicht kann und dem Unterricht nicht folgen kann, kann auch sehr schwer Wissen vermittelt werden. Ich bin mittlerweile selbst seit 20 Jahren im Bildungssektor tätig und habe zwei Kinder im Volksschulalter. Ich weiß, wie wichtig entsprechende Förderung und Kommunikation für den weiteren Bildungsverlauf eines Kindes ist. Bei einer Tagung, die vor Kurzem in Krems statt­gefunden hat, hatte ich die Gelegenheit, mit etlichen Direktoren und Direktorinnen, Lehrern und Lehrerinnen aus ganz Niederösterreich zu sprechen. Ich habe ergänzend auch einige Schulen in Niederösterreich besucht und daraus ein Resümee gezogen. Es waren sich alle Pädagoginnen und Pädagogen einig, dass es sehr wichtig ist, dass die Regierung dieses wichtige Thema aufgegriffen und sofort Inhalte zum Wohle für unsere Kinder umgesetzt hat. In den Gesprächen hat sich gezeigt, dass der Bedarf für diese neue Maßnahme wirklich sehr, sehr groß ist. Was ich auch gesehen habe, ist, dass dieses neue System in den einzelnen Schulen derzeit aber sehr unterschiedlich gelebt wird.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel, was ich in Niederösterreich beobachtet habe. Ich habe dort eine öffentliche Volksschule besucht: 85 Prozent der Kinder mit Migrationshinter­grund. Sie stammen aus 20 verschiedenen Nationen. Viele dieser Kinder beginnen in dieser Schule ohne ausreichende Deutschkenntnisse, und fast die Hälfte der Mütter dieser Kinder sind Analphabeten und sprechen kein Deutsch; sie können daher ihre Kinder beim Lernerfolg nur mangelhaft unterstützen. Sie alle haben aber etwas ge­meinsam, und zwar: Sie sind allesamt glücklich, dass dieses Problem endlich aufge­griffen und nicht mehr gewartet wurde.

Dazu möchte ich einen Gedanken mit Ihnen teilen, den ich gelesen habe: Konfuzius wurde einmal gefragt, was er als erstes machen würde, wenn er ein Land zu regieren hätte: Ich würde vor allem die Sprache verbessern. Wenn die Sprache nicht einwand­frei ist, sagt man nicht, was man meint. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau darum geht es. Es kann durchaus sein, dass das neue System vielleicht noch nicht das Optimum darstellt. Entscheidend aber ist, dass die Regierung und allen voran Sie, Herr Bundesminister Faßmann, ge­handelt haben. Daher gebe ich zu bedenken, dass wir diesen Versuch nicht gleich auf­grund irgendwelcher politischer Ideologien von Anfang an schlechtreden sollten, son­dern dass wir diesen Kindern eine Chance geben sollten – eine Chance für eine bes­sere Zukunft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Fakt ist nämlich auch: Wenn die Deutschförderklassen und -kurse nicht gekommen wä­ren, könnten jetzt noch weniger Kinder Deutsch. Das heißt, die Investitionen in die Deutschförderklassen lohnen sich, und wenn bereits nach einem Semester, nach ei­nem halben Schuljahr, im Durchschnitt 16 Prozent der Schüler und Schülerinnen vom außerordentlichen Status in den ordentlichen Status übergeführt werden können, dann – ich bin der Ansicht – ist das definitiv ein Erfolg.

In meinen Gesprächen, die ich in den letzten Tagen und Wochen geführt habe, haben sich für mich drei Kernthemen herauskristallisiert, an denen wir künftig weiterarbeiten sollten. Erstens: Wir haben bis dato kein Standardmesssystem, um die Sprachkompe­tenz zu messen. Das heißt, was wir brauchen, ist ein Messsystem, das valide ist und somit österreichweit vergleichbare Ergebnisse liefert. Das Wichtigste ist, dass es für unsere Lehrer und Lehrerinnen möglichst wenig Aufwand bedeutet, weil sie aus Über­zeugung hervorragende Arbeit leisten. Dafür gebührt ihnen großer Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Zweitens: Viele Kinder in sogenannten Brennpunktschulen – auch wenn ich mit diesem Terminus nicht ganz happy bin – kommen aus unterschiedlichsten Gründen während des Schuljahres nach Österreich. Das heißt, zu Beginn des Schuljahres besteht teil­weise noch keine Notwendigkeit für diese Deutschförderklassen, sondern erst zu ei­nem späteren Zeitpunkt. Deshalb sehe ich es als notwendig an, dass Schulen auch die Möglichkeit haben, mit einer Deutschförderklasse unterjährig, sprich im laufenden Se­mester zu starten, sobald die entsprechenden Anzahl der Kinder erreicht ist.

Drittens: Der für mich wichtigste Punkt sind die Eltern. Eltern müssen, so gut es geht, die Souveränität über die Kindererziehung behalten. Wir müssen die Eltern in ihre Ver­antwortung nehmen und dürfen die Erziehung nicht an Institutionen auslagern. Eltern sind für ihre Kinder ein Vorbild (Bundesrat Schennach: Und das bei eurer Arbeitszeit­regelung ...! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), und als solches sollten wir als Eltern und Großeltern auch unsere Rolle wahrnehmen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

Experten haben beobachtet, dass die Sprachgewandtheit unserer Kinder abnimmt. Was sind die Gründe dafür? – Es sind einerseits die neuen Medien, aber vor allem, dass man in den Familien viel weniger spricht als früher. Eine Frage an Sie alle: Wer von Ihnen hat jetzt in der Zwischenzeit ein SMS oder eine WhatsApp-Nachricht, viel­leicht mit einem Smiley, einem Daumen nach oben oder sonstigen Bildzeichen ver­schickt? – Wenn wir nur mittels Emojis kommunizieren, dann sind wir nach jahrtausen­delanger Kulturgeschichte wieder bei den Hieroglyphen angelangt. (Heiterkeit bei Bun­desrätInnen der ÖVP.) Die deutsche Sprache ist Teil unserer Kultur. Sprache ist aber noch viel mehr. Sprache – wir haben es heute auch schon von einigen Kollegen ge­hört – ist der Schlüssel zur Integration und zum Bildungserfolg. Darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Zum Schluss habe ich noch eine Buchempfehlung für uns alle. Einige von Ihnen haben dieses Buch wahrscheinlich schon gelesen: „Kulturkampf im Klassenzimmer“. Es wur­de von einer Wiener Lehrerin, einer Sozialdemokratin, geschrieben. Das Buch ist durch alle Medien gegangen und hat die Situation in unseren Schulen aufgezeigt. Ich denke, wir sind es gerade diesen Kindern schuldig, weiterhin gemeinsam daran zu arbeiten, das neue System noch besser zu machen, und vor allem eines: zu reagieren.

Deshalb habe ich einen Appell an uns alle: Vertrauen wir den Pädagoginnen und Pä­dagogen vor Ort (Ruf bei der SPÖ: Genau!) und setzen wir weiter Maßnahmen, um die Integration zum Wohle unserer Gesellschaft voranzutreiben! Ich bin überzeugt davon, dass es zielführend ist, auf diesem Weg zu bleiben. Tun wir es für unsere Kinder, tun wir es für unsere Zukunft! – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

12.48


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.


12.48.50

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Kollegen Bundesräte! Liebe Zuhörer zu Hause und Zuschauer hier im Saal! Wäh­rend ich den Kollegen von der SPÖ und den Fraktionslosen da hinten zuhören musste, ist mir ein Zitat eingefallen, und zwar das Zitat von Robert Lee Frost, der da sagt: „Bil­dung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen.“ (Bundesrat Stögmüller: Ha, ha, ha! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bei den Redebeiträgen der Linken hätte ich die Fähigkeit, alles anhören zu kön­nen, aber fast verloren. (Bundesrätin Dziedzic: Ha, ha!)


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Wenn man über Jahrzehnte hinweg das Bildungssystem in Österreich an die Wand ge­fahren hat, braucht es schon sehr viel Ironie, sich dann hierherzustellen und zu kritisie­ren, dass wir jetzt euren Scherbenhaufen reparieren.

Das muss ich schon einmal sagen. Was sind denn die Fakten? – Die traurigen und erschreckenden Fakten sind einfach, dass jeder dritte Schüler in Österreich mittlerweile ein Risikoschüler ist, dass 30 bis 40 Prozent der Schüler nach Abschluss der Pflicht­schule nicht sinnerfassend lesen, rechnen oder schreiben können. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Die Lehrpersonen sind frustriert: Es gibt Probleme in meiner Schule, Konflikte, Leis­tungsverweigerungen, religiöse Spannungen, fehlende Sprachkenntnisse, Gewalt. Die Stimmung ist schlecht. Ich bin erschöpft, ich brauche Hilfe.

Genauso geht es großen Teilen der Lehrerschaft, nicht nur in den sogenannten Brenn­punktschulen. Auch viele kleinere Schulen haben genau dieselben Probleme. Uns lau­fen die Lehrer in Wien davon, warnt Lehrergewerkschafter Maresch. Die Eltern sind un­ter enormem Druck (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) und müssen österreich­weit 103 Millionen Euro für Nachhilfe ausgeben. Es gibt Klassen in Wien und in ande­ren Landeshauptstädten, die über 80 Prozent und mehr Schüler mit nicht deutscher Muttersprache im Klassenverband haben. 51 Prozent aller Schüler in Wien sprechen zu Hause kein Deutsch. Muslimische Eltern reichen den Direktorinnen oder den Lehre­rinnen nicht die Hand, weil sie Frauen sind. Liedtexte, Literatur sowie Selbstbestim­mung werden als unislamisch abgelehnt. All dies ist die traurige Realität in unseren Schulen (Zwischenrufe bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dzie­dzic und Stögmüller), dank der Willkommenspolitik der vereinigten Linken.

Dann gibt es auch noch viele sogenannte Minderjährige als Flüchtlinge, bei denen sich in der Schule herausstellt, dass sie weit über 18 Jahre alt sind, die die Jugendlichen vom Lernen abbringen und sie dann auch noch zu Straftaten verleiten.

Spätestens seit den vielen Aufschreien der Lehrpersonen sowie dem Buch, das schon erwähnt wurde, „Kulturkampf im Klassenzimmer“ von Frau Susanne Wiesinger, weiß doch hoffentlich wohl jeder letzte linke Träumer, dass es so nicht weitergehen kann. Genau aus diesen und vielen anderen Gründen haben wir das Pädagogikpaket 2018 verabschiedet. Dieses Paket beinhaltet die Deutschförderklassen, die ein essenzieller Bestandteil einer neuen Schulorganisation sind.

Es muss mir einmal einer von denen, die diese Klassen ablehnen, erklären, was daran schlecht sein soll, wenn jemand, bevor er in den Regelunterricht kommt, die Unter­richtssprache Deutsch beherrscht. (Ruf bei der SPÖ: Nicht separieren! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Wie soll denn ein Kind jemals Wissen aufnehmen oder wie soll die Lehrperson einem Kind jemals Wissen vermitteln, wenn sie sich überhaupt nicht entsprechend verständigen können? Wenn Sie sagen, dass nur wenige Prozent den Übergang von den Deutschklassen in den Regelbetrieb geschafft hätten, sieht man klar, wie sehr es eigentlich wirklich fehlt. Dann haben eben die Deutschkenntnisse einfach nicht ausgereicht, um dem regulären Un­terricht folgen zu können.

Mit dieser Änderung stellen wir nun auch sicher, dass nach jedem Semester ein stan­dardisiertes Testverfahren prüft, ob der Schüler schon dem Regelunterricht folgen kann, ob er schon bereit ist oder eben nicht. Trotz der neuen Möglichkeiten, die den Schülern mit nicht deutscher Muttersprache durch die Förderklassen geboten werden, müssen wir auch Leistungsbereitschaft zum Erlernen der deutschen Sprache als Bringschuld einfordern. Ein großer Beitrag dazu wäre aus freiheitlicher Sicht die Deutschpflicht in den Pausen, damit die Schüler so oft wie möglich mit der deutschen Sprache konfron­tiert sind, denn dann werden sie diese auch umso schneller lernen und verstehen, auch wenn zu Hause dann wieder kein Deutsch gesprochen wird.


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Die alten Maßnahmen müssen wir verändern und ersetzen, denn sie haben nicht funk­tioniert. Wir als Regierungspartei werden unser Bestes dazu geben, den österreichi­schen Schülern die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen, damit ihnen dann alle Türen in der Welt offenstehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch ein Zitat an die Zwischenrufer, und zwar ein Zitat von Heinrich Heine, das auch ganz gut zur Bildung passt (Rufe bei der SPÖ: Der Heine! Ja, ja!): Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht zu allem eine Bemerkung. – Herzlichen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall des Bundesrates Seeber.)

12.54


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminis­ter Dr. Faßmann. Ich erteile es ihm. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)


12.54.46

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Präsident! Haben Sie herzlichen Dank für die Redebei­träge und die Diskussion. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bei manchen Redebeiträgen sage ich: Ja, ich stimme dem vollkommen zu, bei manchen ein bisschen weniger. Das macht aber gar nichts. Ich bedanke mich letztlich für die - - (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich komme gleich auf Sie zu sprechen. Augenblick! So viel Geduld können Sie wohl aufbringen, oder? (Ruf bei der SPÖ. Na ja ...!)

Ich möchte auf drei Dinge in aller Kürze eingehen. Frau Gruber, Sie haben immer von den Deutschklassen gesprochen. – Nur terminologisch: Diese heißen Deutschförder­klassen, darin ist ein gewisser Unterschied zu sehen.

Frau Gruber und Frau Hahn, Sie haben beide zusammen, finde ich, richtig die differen­zierte Form beschrieben, wie mein Ministerium und ich die Sache mit bestimmten Zah­len und auch mit der Möglichkeit, wenn es nicht anders geht, so eine Klasse integrativ machen zu lassen, implementiert haben. Wir haben viel Flexibilität bei der Implemen­tierung gezeigt. Meiner Meinung nach ist die Sprache eben keine Ideologie, sie wird nur dann zur Ideologie, wenn man sie auch dazu macht.

Dahin gehend sage ich Ihnen auch: Es ist ganz klar, es handelt sich da – dies muss man bitte zur Kenntnis nehmen – um eine teilintegrative oder teilseparierte Form der Sprachvermittlung mit einer klaren zeitlichen Begrenzung. Sie sprechen immer von der vollständigen Segregation. Davon ist ja gar keine Rede. Es gibt einen Überlappungsbe­reich bei den anderen Fächern. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis, dass es hier um eine differenzierte Form geht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Stögmüller, ich habe von Ihnen schon gehaltvolle Reden gehört. Die heutige, muss ich ganz offen sagen, hat nicht dazugehört. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Ihre Forderung lautete im Wesentlichen: mehr Geld und Autonomie. (Bundesrat Stög­müller: Schulautonomie!) – Ja, das sage ich ja, das habe ich ja gerade gesagt: Geld und Autonomie. Ich würde raten, ein bisschen über diesen Autonomiebegriff nachzu­denken, denn wir haben natürlich bereits so etwas wie Personalautonomie. Meinen Sie das, wenn Sie von Autonomie sprechen? – Personalautonomie – im Sinne von: Ein Schulleiter/eine Schulleiterin kann sich Personal selbst aussuchen und auch selbst ent­lassen – ist eine Dimension von Autonomie.

Meinen Sie mit Autonomie auch so etwas wie Finanzautonomie? – Da merke ich schon, natürlich meinen Sie die nicht. Das müssen Sie aber dazusagen, dass Sie Finanz­autonomie, nämlich in dem Sinne, dass eine Institution selbst Beiträge einheben kann, nicht meinen. Wir beide haben das damals bei der Frage der Universität sehr heftig diskutiert.


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Meinen Sie curriculare Autonomie in dem Sinne, dass sich jede Schule ihr eigenes Curriculum baut? – Das ist eine interessante Denkfacette, aber ich bin nicht ganz si­cher, ob Sie das gemeint haben und ob das eine konsensfähige Form wäre.

Meinen Sie mit Autonomie die Autonomie bei der Auswahl von Schülerinnen und Schü­lern? – Ganz sicherlich nicht, aber das müssen Sie dazusagen, denn der Autonomie­begriff ist ein vieldimensionaler Begriff.

Oder: Meinen Sie mit Autonomie eine Zertifikatsautonomie, sodass jede Schule sozu­sagen Prüfungen und auch Leistungsstandards autonom entscheidet? (Bundesrat Stög­müller schüttelt den Kopf.) – Das meinen Sie auch nicht, merke ich an Ihrer Kopfbewe­gung.

Ich will nur sagen, Herr Stögmüller, das alles kann Autonomie sein. Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein, ich würde daher diesen unglaublichen Catch-all-Begriff Autonomie nicht so verwenden, wie Sie ihn verwendet haben. – Okay? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich will damit sagen, dass die Sprache ein bisschen differenzierter zu behandeln ist (Zwischenrufe der Bundesräte Stögmüller und Schennach) und wir nicht weiterkom­men, wenn man einfach sagt: mehr Autonomie. – Da muss man sagen, welche Auto­nomie verstärkt werden soll. Ist das verständlich? (Bundesrat Schennach: Ja, ja!) – Okay, danke schön.

Ich schließe und sage, es geht bei dem ganzen Punkt letztlich nur darum, ob wir einen standardisierten Test einführen sollen oder nicht, und nicht um eine allgemeine Debat­te um Sprachförderung. – Herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.59

12.59.39


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.59.557. Punkt

Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung betref­fend EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2019 (III-676-BR/2019 d.B. sowie 10142/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Ich bitte um den Bericht.


12.59.58

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Wissenschaft und Forschung über den Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2019.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2019 zur Kenntnis zu neh­men.



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Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Sie können gleich hierbleiben, denn zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Eder-Gitschthaler. – Bitte.


13.01.00

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerin­nen – einige sind jetzt doch noch auf der Galerie –, auch Ihnen ein herzliches Grüß Gott!

Zu Beginn eine kurze persönliche Bemerkung zu dem vorliegenden Bericht: Mir gefällt das Ziel, den Europäischen Bildungsraum bis 2025 zu vollenden, besonders gut. Ich finde, es ist ein wirklich sehr wichtiges und sehr lohnenswertes Ziel, auf das es sich hinzuarbeiten lohnt.

Im vorliegenden Bericht sehen wir die Schritte, welche die EU-Kommission und die Mit­gliedsländer im Rat der Europäischen Union setzen wollen. Da der Bericht natürlich sehr umfassend ist, werde ich mich auf ein paar Punkte, die mir wichtig erscheinen, be­schränken.

Besonders freut mich, dass während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 wesentliche Fortschritte für das nächste EU-Rahmenprogramm für Forschung, Horizon Europe, sowie beim Austauschprogramm Erasmus+ erzielt worden sind. Unsere EU-Ratspräsidentschaft hat somit auch in diesem Bereich sehr erfolgreich gehandelt. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, stellvertretend für die gan­ze Bundesregierung dafür, dass das so erfolgreich abgewickelt worden ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Erasmus+ ist ein großer Erfolg. Das künftige Projektprogramm Erasmus+ soll noch in­klusiver werden, indem die Mobilität von Schülerinnen und Schülern und der Austausch in der Berufsbildung sowie die Teilhabe von Personen aus benachteiligten Verhältnis­sen – auch das ist mir sehr wichtig – verstärkt gefördert werden. In der aktuellen Lauf­zeit stellt die EU dafür 14,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Eingebettet in diese Wachs­tumsstrategie der EU, Europa 2020, und den strategischen Rahmen für die europäi­sche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung hat Erasmus+ zwischen 2014 und 2020 bis zu fünf Millionen jungen Menschen die Chance geboten, in einem anderen europäischen Land zu lernen, zu studieren, ein Praktikum zu absolvieren oder grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde, das ist wirklich eine Erfolgsge­schichte und in einem Europa von 2019 wichtiger denn je. Daher ist es wirklich notwen­dig, dieses Programm weiter zu unterstützen und zu fördern.

Auch für Österreich ist es eine Erfolgsgeschichte. Wir haben knapp 144 Millionen Euro Fördermittel von Programmbeginn an erhalten. Seit 2014 sind diese in das heimische Bildungs- und Hochschulwesen geflossen. Es wurden über 2 000 Projekte und über 76 000 Auslandsaufenthalte, auch von Lehrlingen – dazu komme ich nachher noch –, gefördert. Alleine 2018 wurden 500 Projekte gefördert, und die Mobilität hat von 2017 auf 2018 von 1 900 auf 4 000 zugenommen. Ich denke, das ist wirklich eine besondere Erfolgsgeschichte.

Spielraum gibt es noch bei den Lehrlingen, wir haben das auch im Ausschuss disku­tiert. Es sind derzeit rund 900 Lehrlinge jährlich, die dieses Austauschprogramm in An­spruch nehmen. Es gibt bereits Gespräche mit der Wirtschaftskammer, wurde uns im Ausschuss gesagt. Problematisch ist natürlich immer auch die Arbeitssituation der Lehrlinge, die zu berücksichtigen ist, aber nichtsdestotrotz denke ich, dass es gerade auch für Lehrlinge wichtig wäre, an diesem Austauschprogramm aktiv teilzunehmen.

100 Milliarden Euro, so viel möchte die Europäische Kommission dem Forschungspro­gramm Horizon Europe zwischen 2021 und 2027 zuteilen. Das derzeitige Programm


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hat ein Volumen von 77,4 Milliarden Euro. Mit dieser fast 30-prozentigen Mittelerhö­hung drückt Brüssel seine Entschlossenheit aus, Wissen und Bildung als Motor ge­sellschaftlicher und wissenschaftlicher Entwicklung in der Europäischen Union zu stär­ken. Wir haben dazu im Ausschuss auch gehört, dass gerade verhandelt wird, wie die­se Mittelaufstockung tatsächlich erfolgen wird.

Sehr erfreulich ist für uns, dass die österreichische Forschungscommunity 2018 die Milliardengrenze an eingeworbenen EU-Fördermitteln überschritten hat. Gemessen an den in Österreich vergebenen Fördermitteln ist Österreich in diesem Bereich klarer Nettoempfänger und liegt bei den bewilligten Einreichungen über dem EU-Durch­schnitt. Wir haben das auch schon letztes Jahr diskutiert.

Viel Erfolg verbucht Österreich auch bei Ausschreibungen des Europäischen For­schungsrates im Rahmen dieses Programms. Überdies trägt die EU-Forschungsför­derung zu einer stärkeren nationalen Vernetzung und Qualitätshebung des österreichi­schen Forschungsbetriebs bei.

Die Bundesregierung will dazu auch noch eine verstärkte Aktion anbieten. Sie will die für heuer angekündigte Novelle zur Strategie für Forschung, Technologie und Innova­tion eng an die Prioritäten des EU-Forschungsraumes koppeln, etwa hinsichtlich des Nutzens öffentlicher Ausgaben für die Forschung und des freien Arbeitsmarktes für Forschungen.

Das kommende Forschungsprogramm setzt auch Akzente in der missionsorientierten Forschungspolitik auf europäischer Ebene – auch das wurde uns im Ausschuss kurz erklärt –, in Missions, die den Fokus auf globale Herausforderungen wie Klimawandel, Nahrungsmittelvorsorge oder Krebsforschung richten. Die Bevölkerung soll miteinge­bunden werden. Das ist natürlich zu begrüßen, denn nur so kann das wirklich wir­kungsvoll umgesetzt werden.

Im Rahmen der Europa-2020-Strategie bleiben darüber hinaus die Senkung der Schul­abbruchquote sowie die Erhöhung des Anteils der 30- bis 34-Jährigen, die ein Hoch­schulstudium abgeschlossen haben oder über einen gleichwertigen Abschluss verfü­gen, primäre Ziele im Bereich Bildung und Hochschule. Wir haben das auch letztes Jahr – ich hatte damals ebenfalls die Ehre, zu diesem Bericht zu sprechen – diskutiert, und der Herr Bildungsminister hat uns dazu die entsprechenden Informationen gege­ben.

Vielen, vielen Dank, Herr Bundesminister – mein Dank gilt auch den Damen und Her­ren in Ihrem Kabinett – für die Erstellung dieses sehr aufschlussreichen und informa­tiven Berichts. Er wurde im Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.08


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.


13.08.22

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Noch einmal: Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherIn­nen oben auf der Galerie! Auch von mir ein Danke an die MitarbeiterInnen des Mi­nisteriums für die Vorlage dieses Berichts über die Vorhaben des Ministeriums im EU-Bereich im laufenden Jahr. Es gibt darin zwei große Bereiche. Der eine deckt die For­schungsvorhaben ab, der andere Bildung und Hochschulbildung, wobei man vielleicht dazusagen muss, dass die Europäische Union im Bereich der Bildung keine Rege­lungskompetenz hat, sondern die Mitgliedstaaten weitestgehend autonom agieren. Na­türlich ist aber die Kooperation in diesem Bereich sehr begrüßenswert und wird auch vorangetrieben.


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Es gibt gemeinsame Linien. Kollegin Eder-Gitschthaler hat schon vieles vorweggenom­men. Die Europa-2020-Strategie gibt einen gemeinsamen Bogen vor, und auch der Strategische Rahmen Education & Training 2020 ist so eine gemeinsame Linie, in der man zusammenarbeitet.

Eine von mehreren Arbeitsgruppen, die wiederum unterhalb dieser einzelnen Linien installiert wurden, widmet sich dem Thema der frühkindlichen Bildung, was mich natür­lich sehr gefreut hat und was ich bislang noch nicht wusste. Ich denke, diese Arbeits­gruppe kann speziell für Österreich besonders spannend werden, weil wir im internatio­nalen Vergleich, was die Qualität der frühkindlichen Bildung, die Qualifizierung der Pä­dagogInnen et cetera betrifft, noch etwas nachhinken. Wir können, denke ich, von die­ser Arbeitsgruppe nur profitieren, aber dazu komme ich später noch.

Ich möchte auch noch einmal betonen, dass Österreich speziell im Erasmusprogramm der EU sehr profitiert. Ich denke mir, diese 144 Millionen Euro Fördermittel seit 2014 – die Kollegin hat es schon erwähnt – sprechen für sich. Österreich profitiert von dieser Schiene. Allein die 76 000 Auslandsaufenthalte sprechen für sich und sind natürlich für jede einzelne Person, die das in Anspruch nehmen kann, ein Gewinn.

Auch mir ist wichtig zu betonen, dass dieser Fokus und die Sensibilisierung für Lehr­linge weiterhin bestehen bleiben soll. Im Bericht wird auch erwähnt, dass man dieses Thema im Blick hat. Das finde ich sehr gut.

Insgesamt sagt man, Personen aus benachteiligten Verhältnissen werden jetzt speziell auch noch einmal in den Blick genommen, auch Bildungseinheiten, die vielleicht von ihrer Größe und Dimension her nicht die Kapazitäten haben, sollen unterstützt werden. Es wird, finde ich, auch ein sehr treffsicheres Argument geliefert, warum speziell das so wichtig ist, und ich möchte es zitieren. Es wird beschrieben: „Die Wahrscheinlich­keit, dass Absolventinnen und Absolventen des Austauschprogramms über längere Zeit arbeitslos werden, ist nur halb so groß wie bei denjenigen, die nicht mobil ge­worden sind.“ – Ich denke mir, das ist schon sehr eindeutig, denn je mehr Menschen diese Möglichkeit in Anspruch nehmen können, desto besser.

Nun möchte ich noch einmal auf die elementare Bildung zu sprechen kommen, da ich mich über diese Empfehlung des Rates zu hochwertiger frühkindlicher Betreuung, Bil­dung und Erziehung wirklich gefreut habe. Speziell die rumänische Präsidentschaft hat das zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht. Offensichtlich wird jetzt gemeinschaftlich erkannt – und das war ja nicht immer so –, dass sich jede Investition in der frühen Bil­dung positiv auf die weitere Bildungskarriere von Kindern und dann später Jugendli­chen auswirkt.

Man erhofft sich von diesem internationalen Austausch auch von Best Practices und unterschiedlichen Praktiken in den einzelnen Mitgliedsländern, auch Reformen in den Mitgliedstaaten anzustupsen, und ich hoffe tatsächlich, dass im Bereich der elementa­ren Bildung auch in Österreich Reformen, die wir dringend brauchen könnten, angesto­ßen werden.

Eines der Dinge, auf die man sich offenbar verständigen konnte – und das habe ich, auch vielleicht was unsere vorherige Debatte betrifft, sehr bemerkenswert gefunden –, ist die Empfehlung, inklusive frühkindliche Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsan­gebote für alle Kinder, einschließlich Kinder mit unterschiedlichem Hintergrund, mit Förderbedarf oder Behinderungen, bereitzustellen, dabei Ausgrenzung zu vermeiden und Teilnahmeanreize unabhängig vom Arbeitsmarktstatus ihrer Eltern oder Betreuer zu schaffen. Hier können wir also nur noch aufholen und uns verbessern. Viele mehr von diesen Zielen und Ansagen, die ich sehr bemerkenswert finde, stehen in dem Be­richt.


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Es gibt noch eine weitere Empfehlung, die sich „Empfehlung des Rates zu einem um­fassenden Ansatz für das Lehren und Lernen von Sprachen“ nennt. Sie soll ebenfalls jetzt im Mai in Rumänien finalisiert werden. Wir haben es vorhin schon besprochen: Sprachen, der Spracherwerb, Zweitsprachen, mehrere Sprachen öffnen Türen in einer globalisierten Gesellschaft. Auch auf diesem Gebiet können wir nur voneinander lernen und uns miteinander weiterentwickeln.

Insgesamt freue ich mich darüber, dass wir im internationalen, im europäischen Ver­gleich gut liegen, ich freue mich auf Reformen, die auch in Österreich angeregt wer­den. Wir nehmen diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

13.14


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Schilchegger. – Ich erteile es ihm.


13.15.05

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren Kolle­gen! Werte Zuseher! Ich knüpfe gleich an meine Vorrednerinnen an, die einen inhaltli­chen Redeschwerpunkt auf den Bildungsteil des Berichts gelegt haben, und möchte nur ergänzend einige Aspekte zum Forschungsteil hinzufügen.

Erstens: Der steinige Weg von der Projekteinreichung bis zur tatsächlichen Förderung ist oft lang. Es ist immer so, dass Forscher Besseres zu tun haben, als Berichte zu schreiben und sich um derartige Förderungen zu bemühen. Hier ist auch schon viel passiert, hier ist vieles besser geworden als in den Anfängen. Forscher sollen jeden­falls nicht gezwungen sein, sich in den Förderdschungel zu begeben, sich darüber im Detail informieren zu müssen, Lobbyarbeit zu betreiben. Forscher sind nicht unbedingt immer Experten im Selbstmarketing, und wir sollen sie auch nicht zwingen, dass sie Experten in der Bürokratie werden. Forscher sollen sich um die Forschung kümmern. Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgebung und natürlich auch in der Vollziehung, dafür zu sorgen, dass sich Forscher bestmöglich auf ihre Forschungsaufgaben konzentrieren können und die Bürokratie so weit wie möglich von ihnen ferngehalten wird.

Zweitens, ein Punkt, der im Bericht ebenfalls angesprochen wird: das Kernfusionspro­jekt Iter. Es ist ein tolles Projekt eben zum Thema Kernfusionsenergie. Ich selbst hatte vor zehn Jahren einmal als junger Universitätsassistent die Gelegenheit, einen Kernfu­sionsreaktor zu besuchen – natürlich einen Versuchsreaktor, nicht den Iter in Frank­reich, aber eine kleine Versuchsanlage in Greifswald. Das ist eine großartige Techno­logie, in der womöglich die Zukunft der Energiegewinnung der gesamten Menschheit liegt. Hierzu heißt es im Bericht – ich zitiere wörtlich –:

„Die Realisierung des ITER-Projektes als ein bahnbrechendes Grundlagenforschungs­projekt wird von Österreich grundsätzlich unterstützt. Die bedenkliche Kostenentwick­lung und die Verzögerungen im Projektfortschritt werden jedoch seitens Österreichs kritisch hinterfragt. In den Verhandlungen wird Österreich, wie schon in der Vergangen­heit, auf Kostenbegrenzung und raschen Projektfortschritt drängen.“

Meine Damen und Herren, Herr Bundesminister, die Kosten sind in Summe tatsächlich sehr hoch, und auch die Kostenentwicklung ist bedenklich. Natürlich muss man aber bedenken, dass sich die finanzielle Belastung auf sehr viele Schultern verteilt: Öster­reich, viele Staaten der Europäischen Union und auch weltweit. Wenn die Ziele eines raschen Projektfortschritts einerseits und einer Kostenbegrenzung andererseits nicht gleichermaßen realisierbar sind, sollten wir im Zweifel ganz klar das Ziel eines raschen Projektfortschritts in den Vordergrund stellen. Immerhin steht der Versuchsreaktor Iter nicht irgendwo auf der Welt, sondern mitten in der Europäischen Union, wenn auch


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nicht in Österreich, sondern in Frankreich. Jedenfalls aber sollte dieses Prestigeprojekt nicht nur halbherzig, sondern hundertprozentig von Österreich mitgetragen werden.

Der dritte Aspekt betrifft nun die Einrichtung des European Innovation Council, das Leitprojekte und bestimmte Forschungsmissionen identifizieren und fördern soll. Bei­spielsweise wurde die Krebsforschung schon genannt, die ja nicht nur durch neue Be­handlungsmethoden in der Medizin oder durch neue Forschungsprojekte in der Phar­maindustrie gefördert, sondern auch durch allgemeine technologische Entwicklungen revolutioniert wird.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an „Dr. House“, eine Fernsehserie, die vor circa zehn Jahren zu sehen war. Der Protagonist Dr. House führt ein Team von Ärzten in der Ab­teilung für diagnostische Medizin in einem Krankenhaus, und jede einzelne Folge die­ser Serie zeigt ein ähnliches Muster: Ein neuer Patient wird eingeliefert, zeigt unge­wöhnliche Symptome, die dann nach und nach lebensbedrohlich werden. Die Fähigkeit von Dr. House und seinem Team liegt in der Differenzialdiagnose, nach Art von Sher­lock Holmes diese Symptome zu diskutieren und gemeinsam im Dialog mit den an­deren Mitgliedern des Teams zu analysieren, um dann letztlich herauszufinden – auch durch Versuch und Irrtum –, an welcher Krankheit oder an welchen Krankheiten der Patient leidet. Das ist natürlich nicht immer einfach. Heute, zehn Jahre später, ist diese Serie fast schon anachronistisch, da hat uns die künstliche Intelligenz in die Lage ver­setzt, genau das zu tun und zu leisten, was Dr. House immer getan hat.

Die künstliche Intelligenz erkennt Muster auf Grundlage einer Menge an Daten und Krankheitsbildern und ist dabei noch brillanter, treffsicherer und schneller – nicht nur in der Analyse, sondern auch in der Vorhersage, was mit dem Patienten mit einer be­stimmten Wahrscheinlichkeit weiter passieren wird.

Die künstliche Intelligenz wird solche Abteilungen ersetzen und ersetzt diese zum Teil bereits heute. Es wird weiterhin einen Dr. House geben, und es braucht auch weiterhin einen Dr. House, der sich mit dieser Intelligenz auseinandersetzt, die Daten interpre­tiert und die bestmögliche Behandlung durchführt, aber die Mitglieder seiner Abteilung werden überflüssig. Die weiteren drei Ärzte können sich künftig auf wichtigere Aufga­ben konzentrieren, nämlich auf die unmittelbare Behandlung von Patienten. Das wirkt auch dem Ärztemangel entgegen. Jedenfalls braucht es das Brainstorming menschli­cher Gehirne künftig hoffentlich nicht mehr. Krebspatienten werden allein durch Nut­zung dieser Datenbanken künftig weitaus besser und zielgerichteter behandelt werden können.

Das außerordentliche Potenzial der künstlichen Intelligenz wurde auch in Österreich schon von verschiedenen öffentlichen und privaten Institutionen erkannt. Wir brauchen uns da wirklich nicht zu verstecken. Ich glaube, es wurde an der Universität Linz kürz­lich auch ein Lehrstuhl für künstliche Intelligenz eingerichtet.

Das ist aber erst der Anfang. Die Republik Österreich muss auch darauf achten, private kleine Initiativen zu setzen, zu schauen, wo bereits Technologie entwickelt wurde, und zwar nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in kleinen gemeinnützigen Initiati­ven, beispielsweise eben zum Aufbau einer europaweiten Krebsdatenbank.

Ich nenne beispielhaft das Private Institute for research and ethical use of artificial intelligence. Dieses hat seinen Sitz nicht im Silicon Valley, das hat seinen Sitz in Wien, nur einen Kilometer von uns entfernt. Österreich hat also wirklich die reale Möglichkeit, nicht nur Passagier, sondern Vorreiter der technologischen Entwicklung zu sein.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundesminister. Wir unterstützen Sie bei diesen Vor­haben. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.21

13.21.07



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Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.21.278. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz über Ziviltechniker (Ziviltechnikergesetz 2019 – ZTG 2019) (478 d.B. und 530 d.B. sowie 10155/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 8 der Ta­gesordnung, zu dem ich Frau Bundesministerin Dr. Schramböck herzlich begrüße. – Willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich bitte um den Bericht.


13.21.54

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalra­tes vom 28. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz über Ziviltechniker zur Kenntnis bringen.

Das wesentliche Ziel des Beschlusses ist die Erleichterung des Zugangs zum Beruf der Ziviltechniker sowie der Ausübung desselben. Eine Reihe von Maßnahmen soll der Öffnung der Berufsgruppe und der Liberalisierung von berufs- und kammerrechtlichen Bestimmungen dienen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


13.22.56

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was novellieren wir heute mit diesem Gesetz? – Mit dieser Novelle reformieren und modernisieren wir heu­te das Berufsrecht für die Berufsgruppe der Ziviltechniker. Der Schwerpunkt ist die Zu­sammenführung des Ziviltechnikergesetzes und des Ziviltechnikerkammergesetzes zu einem Bundesgesetz.

Dieses Bundesgesetz besteht aus zwei Hauptstücken. Das erste regelt das Berufs­recht und das zweite die berufliche Vertretung der Ziviltechniker. Einerseits geht es um die Liberalisierung der Regelungen über praktische Betätigungen – das, finde ich, ist sehr wichtig, denn die Bürokratie entfällt – und andererseits um das Thema Digitalisie­rung, wodurch die Möglichkeiten gegeben werden, Anträge auf elektronischem Wege einzubringen. Das ist auch die Hauptzielsetzung der Regierung, nämlich in Österreich digitaler zu werden.


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Folgendes ist auch ein wichtiger Schritt: Personen, die Ziviltechnikerbefugnis anstre­ben, können künftig schon als außerordentliche Mitglieder in die Berufsvertretung auf­genommen werden. Meiner Meinung nach ist das ein wichtiger Schritt für junge Per­sonen, die in diese Berufsgruppe hineinstreben. Es sind auch Praxiszeiten bis zu ei­nem Jahr erforderlich, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Diese sollen bereits während des Masterstudiums oder in der Endphase des Diplomstudiums erworben werden können. Was mich aber besonders freut, ist, dass es der Bundesregierung auch sehr wichtig ist, dass auch die Zeiten des Mutterschutzes als Praxiszeiten gelten können.

Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker sind nach erfolgreicher Ablegung der Prüfung und Vereidigung berechtigt, das Staatswappen zu führen. Dies unterstreicht auch die Wichtigkeit dieses Berufsstandes. Wir nutzen deren Expertise landauf, landab das gan­ze Jahr. Aus lokalpolitischer Sicht sehe ich es als ganz wertvolle Maßnahme, da die Zi­viltechnikerinnen und Ziviltechniker mit ihrer Expertise maßgeblich für die Stadt-/Dorf­entwicklung und für die Abwehr von Gefahren mitverantwortlich sind.

Auch als Vizebürgermeisterin darf ich mich bei allen bedanken, die zu diesem Gesetz beigetragen haben. Besonders an Sie, Frau Wirtschaftsminister, richte ich ein herzli­ches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.26


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Bettina Lancaster zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


13.26.18

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Werte Bundesratskolleginnen und Bundesratskollegen! Sehr geehrte Zuseher vor dem Livestream und sehr geehrte Zuseherin – es gibt ja zurzeit nur eine! (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wie bereits die Vorrednerin vorgebracht hat, wird das vorgelegte Ziviltechnikergesetz die derzeitigen Regelungen über Ziviltechniker und -technikerinnen in einem einzigen Gesetz zusammenbringen, und es erfolgt ein wesentlicher Schritt in Richtung Moderni­sierung und Berufsrecht.

Der Berufszugang wird erleichtert. Praxiszeiten von bis zu zwölf Monaten können nun zum Beispiel auch schon während der Masterphase des Studiums erworben werden. Zeiten des Mutterschutzes werden künftig als Praxiszeiten gelten. Im Sinne von Gen­der-Mainstreaming wird damit ein Beitrag zur Gleichstellung von Frauen im Berufsall­tag geleistet. In diesem Zusammenhang ist dennoch negativ anzumerken, dass der vorliegende Gesetzentwurf samt Erläuterungen leider auf eine geschlechtsneutrale Sprache verzichtet. (Beifall bei der SPÖ. – Oje-Rufe bei der FPÖ.)

Werte Kollegen, es ist heute sehr viel über Sprache gesprochen worden, darüber, dass Sprache differenziert zu verwenden ist. Deshalb ist es auch wichtig, dass gerade bei Gesetzesvorlagen eine gegenderte Sprache anzutreffen ist, weil auch dort - - (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Wegen der Lesbarkeit!? Weil es leichter lesbar ist!?) – Für Sie vielleicht, ja, aber die anderen können das auch so lesen, nehme ich einmal an, also dass sie da kein Problem dabei haben, dass sie die Schwierigkeiten überwinden können. (Beifall bei der SPÖ.) Es geht aber um die Sichtbarmachung der Frauen auch in der Sprache und in den Gesetzen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Dann gehe ich weiter. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ.) Weitere Vorteile, die diese Gesetzesnovelle oder dieser Gesetzesantrag bringt: Dienstverhältnisse einer ZiviltechnikerIn zu einer anderen ZiviltechnikerIn sowie zu Zi-


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viltechnikerInnengesellschaften sollen zukünftig zulässig sein. Außerdem werden Re­gelungen für die Stellvertretung im Falle von Verhinderungen im Gesetzentwurf aufge­nommen. Anträge können – das ist auch bereits debattiert worden – zukünftig auf elek­tronischem Weg erfolgen, was eine wesentliche Verbesserung und Vereinfachung ist.

Das ist nur eine bestimmte Auswahl von Änderungen des Berufsrechts. Aus dem Be­reich der beruflichen Vertretung ist besonders hervorzuheben, dass angehende Zivil­technikerinnen und Ziviltechniker als außerordentliche Mitglieder in die Kammer aufge­nommen werden können. Mit dieser Öffnung können künftige Mitglieder die Zukunft der Berufsgruppe mitgestalten.

Vorbereitungsarbeiten zu diesem Gesetz wurden bereits von der Vorgängerregierung geleistet. Der Gesetzentwurf wurde bereits Anfang 2017 in Begutachtung geschickt. Die Änderungen gegenüber dem Begutachtungsentwurf sind nur marginal, diese be­treffen vor allem die Ausgestaltungen bezüglich des Umfangs der Fortbildungsver­pflichtungen. Art und Umfang von diesen können nun gänzlich mittels Verordnung fest­gelegt werden – laut ursprünglichem Gesetzentwurf wurde der Umfang noch gesetzlich festgelegt.

Wir werden diesem Gesetzesvorschlag unsere Zustimmung erteilen und machen gleichzeitig darauf aufmerksam, dass auch für andere Berufsgruppen notwendige Mo­dernisierungen und Entbürokratisierungen anzugehen sind. – Vielen Dank für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

13.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Bundesrat Peter Samt zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


13.31.26

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuschauer beim Livestream zu Hause! Meine Vorredner haben schon sehr vieles erklärt. Ich fasse also sozusagen zu­sammen und fange eigentlich von hinten an.

Was mir bei meiner Vorrednerin aufgefallen ist: Ja, Frau Kollegin, Sie haben recht, es sind da noch sehr, sehr viele Dinge in diesem Bereich aufzuarbeiten, die halt leider von der letzten SPÖ-geführten Regierung vergessen worden sind. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Novak: Da wart ihr aber nicht in der Regierung?!) – Gott sei Dank, würde ich sagen. (Bundesrat Novak: Kindesweglegung betreiben! – Ruf bei der FPÖ: Wir wa­ren in der Regierung?!) – Ich weiß nicht genau, Kollege Novak, wovon du gerade re­dest, aber du wirst es wissen – das ist wichtig. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Der Zugang zum Beruf des Ziviltechnikers wird, wie wir gehört haben, erleichtert. Die Zusammenführung von zwei Gesetzen in eines ist – ich glaube, da sind wir uns einig – durchaus eine sinnvolle Geschichte. Die Berücksichtigung der Zeiten des Mutterschut­zes – auch eine Sache, die der SPÖ sehr gut gefällt – ist völlig legitim und gut. Die Ein­führung, dass man die Anträge auch auf elektronischem Wege einbringen kann, ist der Zeit entsprechend.

Was – ich weiß nicht, ob das schon jemand gesagt hat – spannend ist, ist, dass die Be­zeichnung Ingenieurkonsulent – ich hätte es fast selbst nicht herausgebracht – an­scheinend ein Unding war und man sich nun wieder auf die Bezeichnung Zivilingenieur geeinigt hat. Eine gute Sache ist zudem die im Sinne der Liberalisierung stattgefunde­ne gesellschaftliche Regelung, dass auch die Anforderungen für Ziviltechnikergesell­schaften mit Sitz in Österreich am Kanzleisitz eines geschäftsführungs- und vertre­tungsbefugten Gesellschafters möglich sind.


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Die Deregulierung im Sinne der Digitalisierung und die auch damit verbundene schnel­lere Einstiegsmöglichkeit in den Beruf hat natürlich, wie wir schon gehört haben, auch regionale Auswirkungen, denn jede Gemeinde beschäftigt einen Ziviltechniker oder Zi­vilingenieur – denken wir nur an die Raumplanung oder an Baurechtsangelegenheiten.

Liebe Kollegen von der SPÖ, ja, das hat ja kommen müssen, ihr bettelt ja bei solchen Dingen pausenlos. Wenn Ihnen dieser Gesetzentwurf zu wenig gegendert vorkommt, kann ich Ihnen nur sagen, wir Techniker haben mit dem Gendern kein Problem. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Wir haben naturgemäß zwischen Techni­kern und Technikerinnen keine Verständigungsprobleme geschlechtsspezifischer Art. (Ruf bei der SPÖ: Nur die Männer!) Ich kann Ihnen garantieren, mein Ingenieurbüro wird auch in Zukunft kein IngenieurInnenbüro sein, daran halten wir fest. (Bundesrätin Schumann: Mehr Frauen in die Technik!)

Damit volle Zustimmung und Unterstützung zu diesem Gesetz von unserer Seite. – Danke schön, liebe Kollegen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Mehr Frauen in die Technik! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.34


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Minister Schramböck, bitte. (Bundesrätin Dzie­dzic – in Richtung des sich zu seinem Platz begebenden Bundesrates Samt –: Fühlen Sie sich bedroht?! – Zwischenruf des Bundesrates Samt.)


13.35.01

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich freue mich sehr, heute wieder einmal hier bei Ihnen sein zu können. Ich begrüße auch die Zuhörerinnen und Zuhörer recht herzlich.

Ich danke Ihnen für die unterstützenden Worte. Sie haben schon sehr viel zu diesem neuen Gesetz ausgeführt. Ich glaube, es geht klar in die Richtung Deregulierung und Entbürokratisierung. Es geht klar in die Richtung, mehr Ausbildung und bessere Ausbil­dung sicherzustellen sowie die Anerkennung zum Beispiel im Bereich von längeren Verhinderungen – dass man sich entsprechend vertreten lassen kann, wenn man aus Krankheitsgründen oder sonstigen Gründen länger nicht tätig sein kann.

Ich glaube, wichtig zu erwähnen ist noch einmal diese Anrechnung der Praxiszeiten, sodass dies während des Masterstudiums und auch in der Endphase des Diplomstu­diums möglich ist. Auch die Zeiten des Mutterschutzes sind erwähnt worden, die als Praxiszeiten gelten. Das ist aus meiner Sicht ebenfalls ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung.

Im Bereich der Kammern wird die Möglichkeit einer außerordentlichen Mitgliedschaft für Berufsanwärter geschaffen. Das haben Sie ebenso erwähnt. Das ist auch aus mei­ner Sicht ein wichtiger Punkt. Ziel dieser Regelung ist es, zukünftigen Ziviltechnikern zu ermöglichen, möglichst früh bei dieser Mitgestaltung dabei zu sein, ihre Zukunft auch selbst zu gestalten.

Anders als im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, verbleibt der Vollzug des entspre­chenden Gesetzes im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Die Kammer der Ziviltechniker und Ziviltechnikerinnen soll wie bisher die Möglichkeit haben, zu jedem Antrag eine Stellungnahme abzugeben. Die letzte Entscheidung liegt aber beim Ministerium. Dieses Konzept der engen Zusammenarbeit hat sich über all die Jahre bewährt.


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Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung dieses Gesetzentwurfes und freue mich, dass wir einen Schritt weitergekommen sind. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.37

13.37.15


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Frau Bundesministerin.

Es ist nun niemand mehr dazu zu Wort gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.37.439. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betref­fend EU Vorhaben 2019 im Wirkungsbereich des BMDW (III-677-BR/2019 d.B. so­wie 10156/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich bitte um den Bericht.


13.38.03

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht der Bundesminis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend EU Vorhaben 2019 im Wir­kungsbereich des BMDW zur Kenntnis bringen.

Es geht um die Grundlagen des Berichtes zu den EU-Vorhaben, es geht um EU-Vor­haben im Wirkungsbereich des Ministeriums, es geht um Wachstum, Digitalisierung und auch um Außenwirtschaft.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, den vorliegenden Bericht der Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend EU Vorhaben 2019 zur Kenntnis zu neh­men.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Mag. Christian Buchmann zu Wort gemeldet. Ich erteile es.


13.39.12

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass die Frau Bundesministerin heute wieder einmal bei uns zu Gast ist und wir zu einem, glaube ich, sehr spannen­den Thema mit ihr diskutierten können, nämlich den Vorhaben der Europäischen Uni­on, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung.

Warum freue ich mich? – Weil wir diese Diskussion zu einem herausfordernden Zeit­punkt nicht nur für die Europäische Union insgesamt, sondern auch für Österreich ha­ben.

Die Entwicklungen der vergangenen Stunden, insbesondere der jüngsten Nacht, konn­ten in diesem Bericht noch nicht vorhergesehen werden, aber ein Kapitel in diesen Vor-


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haben der Europäischen Union ist auch dem Thema Brexit gewidmet. Die Entwicklun­gen der vergangenen Nacht haben ja eine neue Lage für den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ergeben.

Sie werden über die Medien mitverfolgt haben, dass sich der Rat der 27 gemeinsam mit Großbritannien darauf geeinigt hat, den Austrittstermin auf den 31. Oktober festzu­legen – bekanntermaßen ein Datum, das bei uns auch als Halloweendatum bekannt ist –, dass das Vereinigte Königreich aber jedenfalls – sollte eine politische Meinungs­bildung es vorher ermöglichen – diesen Brexit flexibel gestalten und auch vorher aus­treten kann, dass das Vereinigte Königreich aber jedenfalls mit 1. Juni aus der Europäi­schen Union ausgeschieden ist, wenn es nicht an den europäischen Parlamentswahlen teilnimmt.

Das heißt, wir diskutieren die wirtschaftspolitische Lage und Vorhaben der Europäi­schen Union und der österreichischen Bundesregierung, im Besonderen der Wirt­schaftsministerin, am Vorabend eines möglichen Ausstiegs des Vereinigten König­reichs. Wir diskutieren diesen Bericht im Vorfeld der Entwicklungen des europäischen Budgets. Sie alle wissen, dass der Mehrjährige Finanzrahmen für die Periode 2021 bis 2027 in Diskussion steht, und das ist schwierig zu diskutieren, wenn man nicht weiß, ob diese europäischen Finanzmittel von 28 oder nur von 27 Mitgliedstaaten gespeist werden, insbesondere auch, wenn die inhaltliche Schwerpunktsetzung noch nicht ganz fix ist.

Jedenfalls hat es auch für Österreich und die Österreicherinnen und Österreicher Aus­wirkungen, weil es ja auch um die Umsetzung von Programmen geht. Im Bereich der wirtschaftspolitischen Programme ist es, glaube ich, schon ganz gut, zu wissen, ob mehr in Forschung und Entwicklung oder mehr in die Jugendförderung investiert wer­den wird, Stichwort Programme Erasmus+, wodurch ja auch die Ausbildungsprogram­me und die Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – insbesondere von den in Lehre befindlichen – entsprechend betroffen sind.

Dieser Bericht wird nicht nur am Vorabend des Brexit diskutiert, sondern ist noch dazu in eine Situation eingebettet, in der sich das allgemeine wirtschaftliche Klima etwas ein­trübt. Was meine ich damit? – Wenn Sie die Prognosen der internationalen Wirt­schaftsforschungsinstitute und der Zentralbanken verfolgen: Die Erwartungen werden sich etwas verflachen, zumindest was den Euroraum betrifft. So gesehen ist es umso wichtiger, dass eine verantwortliche und verantwortungsbewusste Wirtschaftspolitik Ak­zente setzt, um auf der einen Seite den Unternehmen Sicherheit und Stabilität zu sig­nalisieren und auch Rechtssicherheit zu vermitteln, wenn es um internationale Investi­tionen und die Bespielung internationaler Märkte geht, und um auf der anderen Seite sehr proaktiv auf aktuelle Themenstellungen eingehen zu können.

Ich möchte ein paar Schlaglichter auf diesen Bericht setzen und der Frau Bundesmi­nisterin dazu gratulieren, dass es ein sehr umfassender Bericht ist, der auch sehr deut­lich herausarbeitet, was während der österreichischen Ratspräsidentschaft an segens­reichen Initiativen gesetzt worden ist, die nun zu einem großen Teil – sofern sie noch nicht abgeschlossen wurden – von der rumänischen Ratspräsidentschaft fortgesetzt werden. So sind ja auch die Programme der drei Ratspräsidentschaften, also der ak­tuellen rumänischen, der finnischen und der kroatischen, die Grundlage für diesen Be­richt, genauso wie das Arbeitsprogramm der Kommission für 2019 und das Arbeitspro­gramm der rumänischen Ratspräsidentschaft.

Schlaglicht Nummer eins, das ich gerne setzen möchte und das ich schon kurz er­wähnt habe: Wie können diese Programme finanziert werden? – Sofern sie europäi­sche Programme sind, werden sie natürlich aus dem Haushalt der Europäischen Union finanziert, der in Diskussion steht.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 85

Ein Programm, das, glaube ich, insbesondere wenn es um Forschung und Entwicklung geht, von besonderer Relevanz ist, ist das aktuell laufende Programm Horizon 2020, das in der nächsten Programmplanungsperiode, glaube ich, Horizon Europe heißen wird. Das ist ein wesentliches Programm, und zwar auch für viele Forschungseinrich­tungen in Österreich. Ich kann es für mein Heimatbundesland, die Steiermark, sagen: Wir haben in den letzten zwei Jahrzehnten sehr stark auf Forschung und Entwicklung gesetzt, wir haben sehr stark auf die Vernetzung unserer Forschungseinrichtungen in den Universitäten und in den Kompetenzzentren gesetzt, auf der anderen Seite aber auch sehr stark die Vernetzung mit der angewandten Forschung in unserer Industrie und in unserer Wirtschaft insgesamt gefördert.

Everett Rogers, der Vater der amerikanischen Innovationsforschung, hat einmal ge­meint, dass Innovation auf der einen Seite invention, also Erfindungsgeist, ist und auf der anderen Seite aber auch implementation, also die Umsetzung, die Anwendung der Erfindungskraft. In diesem Sinne: Wenn man das ernst nimmt und möchte, dass diese Produkte nicht nur im Laborstadium bleiben, sondern insgesamt dann auch in die Mul­tiplikation kommen und die Chance eröffnet wird, damit auf nationale und internationale Märkte zu gehen, um damit Wertschöpfung für das Land zu generieren, Arbeitsplätze zu sichern und, wenn es geht, neue Arbeitsplätze aufzubauen, dann ist aus diesen Mit­teln heraus ein großer Hebel gegeben.

Ich freue mich sehr, dass das auch das Ministerium und die Europäische Union so se­hen. Ich glaube, das wird, wenn es so umgesetzt wird und wenn tatsächlich mehr Geld in diesen Bereich investiert werden wird, nicht nur heuer, sondern dann auch in der künftigen Programmplanungsperiode Europa insgesamt guttun.

Ähnliches gilt für die Industriestrategie. Es ist schön, dass Europa ein Bekenntnis ab­gegeben hat, dass es sich für eine Reindustrialisierung ausspricht. An den Taten wird Europa gemessen werden, wie es diese Industriestrategie jedenfalls befördert. Es ist ein Ansatz vorgeschlagen worden, den auch Österreich, glaube ich, unterstützt, näm­lich investEU, also in Europa zu investieren. Das ist ein kluger Ansatz, weil es uns eben die Möglichkeit gibt, Wertschöpfung für unser Land zu generieren.

Es ist ein Leibthema der Frau Bundesministerin, Digitalisierung zu befördern. Wir brau­chen heute, glaube ich, nicht über das Digitale Amt zu diskutieren. Ich glaube, es ist auch eine gute Initiative, die Digital Offices in unseren Wirtschaftsbetrieben mit Ver­antwortungsträgern in unserer Verwaltung und in unseren Regierungsbüros zu ver­netzen, um damit auch der Industrie und der Wirtschaft einen möglichen Anker zu ge­ben, wenn es komplexe Themenstellungen gibt – bis hin zur Cybersicherheit –, um der Wirtschaft und damit dem Erhalt beziehungsweise der Schaffung von Arbeitsplätzen auch entsprechend dienlich zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gäbe zu diesem Bericht noch sehr viel zu sagen. Gestatten Sie mir noch ein Wort zur Außen­wirtschaftsstrategie. Ich freue mich, dass eine sehr ambitionierte Außenwirtschaftsstra­tegie des Ministeriums gemeinsam mit der Außenwirtschaftsorganisation der österrei­chischen Wirtschaftskammern angedacht worden ist. Das ist wichtig, weil es in der Hei­mat Arbeitsplätze absichert, aber gleichzeitig auch die Möglichkeiten eröffnet, mit den Produkten und Dienstleistungen auf internationalen Märkten die Wertschöpfung für die Steiermark und für die österreichischen Bundesländer – damit für Österreich – zu ge­nerieren. Damit werden dann jene Schritte beispielsweise im Bildungsbereich oder auch im Sozialwesen ermöglicht, wie wir sie heute schon diskutiert haben; das Geld muss ja irgendwo hereinkommen und verdient werden, das kann nicht alles nur am Heimmarkt geschehen. Daher ist eine ambitionierte Außenwirtschaftsstrategie, die umgesetzt werden soll, umso wichtiger.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 86

Wir haben auch wiederholt darüber diskutiert, wie wir den Erweiterungsprozess anle­gen wollen. Ich glaube, dass es gut angedacht ist, auch den Ländern Südosteuropas, im Besonderen dem Westbalkan, eine ganz besondere Perspektive aufzuzeigen, und auch mit anderen Ländern der Welt sollen entsprechende Handelsabkommen abgewi­ckelt werden – fair und transparent, wie es im Bericht heißt –, weil es eben positive Wirkungen für das Land bringt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, danke für diesen ambitionierten Bericht. Mögen möglichst viele der Maßnahmen, die darin angespro­chen worden sind, umgesetzt werden können, und das mit einem Wirkungsgrad von mehr als 100 Prozent! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.49


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Doris Hahn zu Wort gemeldet. Ich erteile dieses.


13.50.04

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich darf eines vorwegschi­cken: Wir werden den vorliegenden Vorhabensbericht selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. Im Großen und Ganzen beinhaltet der Bericht aus meiner Sicht diverseste Bereiche und Themen, die man durchaus nachvollziehen kann, auch im Lichte diverser Unsicherheiten wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Brexit, wir haben es ja heute schon gehört, der uns ja noch immer beschäftigt und noch länger beschäftigen wird.

Die Interpretationen beziehungsweise Einschätzungen der Frau Ministerin sind aller­dings aus meiner Sicht da und dort ein bisschen wenig konkret und lassen auch so manche Frage offen. Ich möchte an dieser Stelle nur einzelne Punkte aus dem Bericht herausgreifen.

Das Ministerium sieht die Zukunftsausrichtung der EU-Industriepolitik als eine der her­vorzuhebenden Initiativen. Die Frau Ministerin spricht hier vom Ziel optimaler Rahmen­bedingungen für die Export-, Import- und Investitionstätigkeit der Unternehmen, von fai­ren und transparent verhandelten Handelspartnerschaften und vielem Weiteren.

So weit, so gut, allerdings fehlt es da, glaube ich, an ganz konkreten Initiativen und Be­kenntnissen, um auch europaweit auf entsprechende Arbeitsstandards zu achten und Lohndumping wirklich konsequent zu bekämpfen, und auch konkrete Maßnahmen zur europaweiten nachhaltigen Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit fehlen mir da schon ein Stück weit.

Spannend finde ich im Zusammenhang mit dem Bericht auch Aussagen von Bundes­kanzler Kurz, der in einem Gastbeitrag in der „Welt“ mehr Ehrgeiz und Mut zu Innova­tionen in Europa gefordert hat. Nach seiner Meinung wirkt die EU, ich zitiere hier, „satt, selbstzufrieden und träge“.

Sie, Frau Ministerin, sehen das zum Glück anscheinend anders. Sie formulieren es we­sentlich positiver und optimistischer. Zumindest wirkt der Vorhabensbericht nicht unbe­dingt so, als würden Sie die Einstellung des Kanzlers teilen.

Allerdings, wenn der Kanzler im selben „Welt“-Beitrag dezidiert vor einer europäischen Sozialunion warnt, dann ist das aus meiner Sicht mehr als fragwürdig, passt aber dann wieder ganz gut ins Bild, das uns die Bundesregierung in diesem Zusammenhang wie­derholt liefert.

Es wird im Bericht unter anderem auch auf die Maßnahmen während der EU-Rats­präsidentschaft hingewiesen. Wenn man diese unter der beschriebenen Prämisse der zukunftsfähigen Industriepolitik genau beleuchtet, muss man, wenn man ehrlich ist,


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erkennen: Da geht es oft über eine Willensbekundung der Regierung nicht hinaus, bei­spielsweise im angeführten Handlungsfeld 3, dem Ausbau der Führungsrolle Europas in einer CO2-armen Kreislaufwirtschaft. – Gut, in Österreich haben wir jetzt 140 km/h auf der Autobahn, und was den Klimaindex betrifft, liegt Österreich immer noch sehr, sehr weit zurück – aus meiner Sicht irgendwie skurril, wenn es nicht so traurig wäre. Auch da hätte in der Ratspräsidentschaft wesentlich mehr passieren können und mehr passieren müssen.

Kurz eingehen möchte ich auch auf den Small Business Act und die Förderung der KMUs. Die KMUs sollen „Vorfahrt“ haben, wie es im Bericht heißt. Das ist aus meiner Sicht nur zu unterschreiben und zu unterstreichen, denn sie sind die wichtigsten, wenn wir es so formulieren wollen, Arbeitsplatzbeschaffer, natürlich auch in Österreich. In der Ratspräsidentschaft hat man es eindeutig versäumt, da auch für eine entsprechende Steuergerechtigkeit zu sorgen und gegen die verschiedenen Steuervermeidungsprak­tiken diverser Großkonzerne vorzugehen. Die größten Unternehmen liefern hier die im Vergleich geringsten Steuerbeträge ab. Auch die erst kürzlich angekündigte Digital­steuer wird meines Erachtens nicht das geeignete Instrument dafür sein, dem entge­genzuwirken, sie ist aus meiner Sicht nicht treffsicher genug.

Es heißt im Bericht auch, der EU-Haushalt solle effizienter gestaltet werden. Das be­ginnt für mich unter anderem auch beim Förderwesen. Fast die Hälfte der Förderungen gehen ja, wie wir wissen, in die Landwirtschaft, ganz besonders an Großlandwirte. So­mit ist in der Ratspräsidentschaft aus meiner Sicht in beiden Bereichen viel versäumt worden, sind viele Chancen ungenutzt geblieben.

Etwas besonders Positives muss ich aber an dieser Stelle sehr wohl hervorheben: Der Bericht hebt ja die positiven Werte bezüglich der Wertschöpfung von KMUs hervor und betont auch eine Steigerung ebendieser, nämlich von 2013 bis 2017 um sage und schreibe 13,2 Prozent. Das ist wirklich erfreulich, und zwar auch deshalb, weil offen­sichtlich die Leistungen, die unter den SPÖ-geführten Vorgängerregierungen geschaf­fen wurden, nun auch von Türkis-Blau entsprechend erkannt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Bader.) Auch späte Einsicht ist eine gute Einsicht, vor allen Dingen wenn man bedenkt, dass damals noch die Politik im Zeichen der Welt­wirtschaftskrise stand und wir heute Hochkonjunktur haben.

Ich möchte auch kurz auf das Digital Europe Programme eingehen. Die geplanten För­derungen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Hochleistungsrech­ner, Blockchain-Strategie und so weiter und so fort sehe ich im Ansatz durchaus posi­tiv, allerdings sollten wir genau darauf achten, dass die Förderungen ganz besonders den Forschungseinrichtungen zugutekommen und nicht zu reinen Förderungen für Großkonzerne ausarten.

Prinzipiell sind die Vorhaben aber, wie ich finde, besonders im Bereich des Mobile-Go­vernment zu unterstützen. Wir haben es gerade gehört: Inzwischen nutzen in Öster­reich ja rund 1,1 Millionen Menschen die digitale Handy-Signatur beziehungsweise das Digitale Amt, wie es schon mein Vorredner angesprochen hat, das im digitalen Zeitalter sicherlich Sinn macht. Dabei muss man aber besonderes Augenmerk auf den Da­tenschutz legen und vor allen Dingen – und das wird uns in Zukunft noch sehr intensiv beschäftigen, wie ich befürchte – auf die Bekämpfung der Cyberkriminalität, sprich da­rauf, wer welche Daten missbräuchlich verwendet.

Wir werden jedenfalls weiterhin ein kritisches Auge auf die Umsetzung der im Bericht festgehaltenen Punkte werfen. Nochmals zusammengefasst: Wir werden natürlich den EU-Vorhabensbericht in dieser Form zur Kenntnis nehmen. Trotzdem fordern wir mehr EU dort, wo es notwendig ist, und vor allen Dingen nicht weniger. Das Ziel muss aus unserer Sicht eine gemeinsame Sozialunion sein. Da sind wir auf einem anderen Weg als der Bundeskanzler. Das Zentrum unseres Bestrebens müssen, und das dürfen wir,


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glaube ich, alle miteinander nicht vergessen, die Menschen sein und nicht die Konzer­ne. Darauf muss man ganz besonders achten. (Beifall bei der SPÖ.)

13.56


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort. Ich erteile es ihm.


13.56.55

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen! Werte Zuhörer hier im Saal und via Livestream! Wenn wir uns dem aktuellen – wir sind ja schon mittendrin – 18 Monatsprogramm des Rates für 2019/20, bis Juni 2020, den EU-Vorhaben bezüglich Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort heute hier widmen, so ist zu sagen, dass relevante Maßnahmen und Initiativen vorgesehen sind, die die künftige Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, aber auch Europas zum Thema machen und vor allem darauf ausgelegt sind, den Binnen­markt zu stärken und die entsprechenden Potenziale auszuschöpfen, so wie es die Frau Ministerin im Bericht auch darlegt.

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass es mittlerweile auch eine Kurs­korrektur gibt, gerade wenn man sich den Zugang Frankreichs und im Speziellen jenen Deutschlands vor Augen führt, vor allem jenen von Wirtschaftsminister Altmaier. Da wird nämlich klar kommuniziert, dass eine stärkere staatliche Wirtschaftspolitik bei­spielsweise auch im Bereich der Industriepolitik vonnöten ist, um eine entsprechende internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber der Konkurrenz aus China und auch den USA sicherzustellen und gewährleisten zu können.

Die Weiterentwicklung einer umfassenden Strategie für die Industriepolitik, Frau Kolle­gin Hahn, steht nicht nur im Bericht, sondern hat man auch im Zuge der österreichi­schen EU-Ratspräsidentschaft verfolgen können: Österreich hat da eine wesentliche Forderung eingearbeitet und diese industriepolitische Ausrichtung eben auch unter Be­dachtnahme auf die Klima- und Energiepolitik gemacht, um einerseits die Wettbe­werbsfähigkeit zu erhöhen, aber andererseits auch, um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und dies durch notwendige Investitionen im Bildungsbereich zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Eine wesentliche Säule, auf die ich eingehen möchte, sind die kleinen und mittleren Unternehmen. Das soll im kommenden Binnenmarktprogramm 2021 bis 2027 entspre­chend berücksichtigt werden, hat dieses doch eine wirklich wichtige Funktion. Deshalb ist vorgesehen, es mit einem Volumen von 4 Milliarden Euro auszustatten. Dieses Pro­gramm sollte einerseits dazu dienen, den Verbraucherschutz zu stärken, aber anderer­seits auch die KMUs als wirklich unverzichtbares Rückgrat unserer Wirtschaft dabei zu unterstützen, noch stärker vom Binnenmarkt zu profitieren.

Angesichts der Tatsache, dass – wie wir heute im Rahmen der Debatte um den Mittel­standsbericht 2018 noch hören werden – mehr als 99 Prozent der heimischen Unter­nehmen zu den KMUs zählen und zwei Drittel der Erwerbstätigen in diesem Bereich tä­tig sind, ist diese Schwerpunktsetzung meines Erachtens von essenzieller Bedeutung.

Mindestens ebenso wichtig und richtig ist aber der Zugang der Bundesregierung hin­sichtlich der Verwendung der EU-Mittel. Da wurde von dieser Bundesregierung ganz klar die Forderung Österreichs als Nettozahler artikuliert, dass es zu einem effizienten Mitteleinsatz kommen muss, dass die Kosten für die allgemeine Verwaltung entspre­chend begrenzt werden müssen, dass es ein Mitspracherecht bei der Programmumset­zung geben muss und dass der Schwerpunkt auch auf die Digitalisierung gelegt wer­den muss. Diese Bundesregierung macht das eben nicht nur in Worten, sondern in Ta­ten, denn auch die Steuerreform, die sich gerade in Ausarbeitung befindet, wird in wei­terer Folge auch auf nationalstaatlicher Ebene diese KMUs entsprechend unterstützen.


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Wenn wir uns das auf europäischer Ebene anschauen, so ist auch die Weiterentwick­lung dieses Small Business Acts für Europa eine Fokussierung auf die Digitalisierung, aber geeint mit einem Bürokratieabbau und einem erleichterten Zugang zu Finanzie­rungs- und Bildungsmöglichkeiten. Somit werden all diese Maßnahmen natürlich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beitragen.

Ebenso wichtig ist aber auch der Abbau aller Handelshürden beim Zugang zu den in­ternationalen Märkten für unsere KMUs. Gerade wenn wir uns ansehen, dass wir da eine Exportquote von 60 Prozent haben oder, in Zahlen ausgedrückt, für das Jahr 2018 von 150 Milliarden Euro, so ist das ein besonders wichtiges Vorhaben.

Auf die Auswirkungen des Brexit – Kollege Buchmann hat es ja schon angesprochen, da ist es wieder einmal zu einer Verschiebung gekommen – werde ich jetzt nicht näher eingehen. Worauf ich aber eingehen möchte, ist, dass vor allem dem Bereich der Digi­talisierung in der österreichischen Ratspräsidentschaft ein entsprechend hoher Stellen­wert eingeräumt wurde. Der Abbau von Hindernissen, und ich spreche hier nur die Geoblocking-Verordnung an, oder auch die Einigung von 21 Mitgliedstaaten gemein­sam mit Norwegen hinsichtlich der Europäischen Blockchain-Partnerschaft, die erzielt werden konnte, um effizientere Leistungen für länderübergreifende Verfahren zu ha­ben, all das sind Maßnahmen gewesen, die natürlich auch zur Steigerung der Wettbe­werbsfähigkeit unserer Unternehmen beitragen.

Die elektronischen Amtswege sind bereits angesprochen worden. Wenn man sieht, dass man innerhalb eines Jahres allein in Österreich eine Nutzungssteigerung von 25 Prozent hat, so ist das ein klarer Hinweis darauf, dass das von der Bevölkerung, aber auch von den Unternehmen entsprechend angenommen wird, und das ist auch wichtig. Auch wenn hier und da noch Evaluierungen im Bereich des Meldewesens not­wendig sind, bin ich dennoch davon überzeugt, dass diese stattfinden werden.

Insgesamt gesehen bietet der digitale Innovationsprozess unserer heimischen Wirt­schaft eine wesentliche Chance, neue Geschäftsfelder und Märkte zu erschließen und den Wirtschaftsstandort dahin gehend zu stärken, dass eine Abwanderung von Pro­duktionsstätten, aber auch von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen hintange­halten wird und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert wird und neue Arbeits­plätze geschaffen werden.

Wenn man sich das als Kärntner anschaut, ist man natürlich auf zwei Projekte beson­ders stolz. Wir haben nämlich schon im Jahr 2003 erkannt, welche Chance es in Kärn­ten bieten könnte, diese Digitalisierung umzusetzen. So wurde bereits unter dem da­maligen Landeshauptmann Haider in Klagenfurt das Projekt Lakeside Park initiiert, das bis heute insgesamt eine Weiterentwicklung zu einem österreichweit einzigartigen Mo­dell im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie gefunden hat. 1 100 Be­schäftigte in mehr als 61 Betrieben finden dort heute nicht nur ihren Arbeitsraum, son­dern auch einen Bildungs- und Lebensraum. Dieser Lakeside Park hat sich in Kärnten wirklich zu dem Innovationszentrum im Bereich Forschung und Entwicklung entwickelt

Ein weiteres Beispiel – da war die Frau Bundesministerin beim Spatenstich dabei – er­gibt sich in Villach bei Infineon, wo 1,6 Milliarden Euro investiert werden, wo zusätzlich auch ein neues Forschungszentrum entsteht, wo es um die Bereiche Mobilität, Energie und Sicherheit geht und diesbezügliche Lösungen angeboten werden. Nicht zu verges­sen ist, dass im Zusammenhang damit 750 neue Arbeitsplätze entstehen.

Nicht zuletzt an diesen beiden Beispielen sieht man, dass die Bundesregierung und Sie als verantwortliche Ministerin auch im Bereich Digitalisierung den richtigen Zugang und die richtigen Chancen erkennen und mit Maßnahmen auf nationalstaatlicher, aber auch auf EU-Ebene konkrete Impulse setzen, um das voranzutreiben und diesen zu­kunftsorientierten Weg auch einzuschlagen. Ich danke Ihnen für diesen Zugang. Selbst-


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verständlich werden wir diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.05


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Dr.in Mar­garete Schramböck zu Wort. Ich erteile es ihr.


14.06.06

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Ich möchte zuerst kurz auf die Rahmenbedingungen eingehen, dann einen kurzen Rückblick im Zusammenhang mit der Europäischen Union und dem Ratsvorsitz geben und dann natürlich einen Ausblick auf die wichtigsten Themen.

Zu den Rahmenbedingungen: Die Rahmenbedingungen werden herausfordernder, und das ist nicht nur bedingt durch die Situation mit Großbritannien, sondern natürlich auch durch das Wachstum. Ich möchte aber daran erinnern und Ihnen auch mitgeben, dass die Europäische Union und die Länder in der Union das siebte Jahr in Folge wachsen, und das wird auch in diesem Jahr so sein. Das heißt, wir sind weit entfernt von einer Krisensituation oder davon, dass wir sehr aufgeregt über die Situation sein müssten. Was wir aber tun müssen, ist, wichtige Maßnahmen zu setzen.

Wenn wir nun den Status Österreichs vergleichen, so sehen wir, dass unser Wirt­schaftswachstum stärker ist und wir besser unterwegs sind als Deutschland. Das heißt, wir haben auch richtige Impulse gesetzt. Man sieht hier jetzt schon die ersten Ergeb­nisse von Maßnahmen, einen nachfrageorientierten Impuls wie den Familienbonus oder auch Entbürokratisierung, etwa dadurch, dass gewisse Anlagengenehmigungspflichten für Klein- und Mittelbetriebe wegfallen und vieles mehr.

Auch die Sicherheit für Unternehmen in Europa ist das Allerwichtigste, und ich glaube, da gelingt es uns mit unserem Ansatz sehr gut, Sicherheit zu geben und Investitionen nach Österreich zu bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Werfen wir kurz gemeinsam einen Blick auf den EU-Ratsvorsitz und schauen wir, was wir geschafft haben! Wir haben alleine in unserem Ministerium eine Einigung in 33 Dos­siers erzielt, die auf dem Tisch lagen, so zum Beispiel gegenseitige Anerkennung von Waren. Wir haben wesentliche Schritte gesetzt hinsichtlich unseres Mottos „Ein Euro­pa, das schützt“.

Ich möchte erinnern an die Einigung zum Thema FDI-Screening. Da geht es darum, dass Investitionen, die in Europa getätigt werden, transparenter werden, dass wir hier Muster erkennen können, dass wir sehen, wenn jetzt aus asiatischem Bereich, aber auch aus amerikanischem Bereich verstärkt in europäischen Ländern investiert wird, so vor allem in Infrastrukturen, dass wir hier sehen, was passiert.

Diesen wesentlichen Schritt sind wir gegangen. Es wird einen regelmäßigen Bericht geben, sodass wir das erkennen können und die Länder viel stärker miteinander kom­munizieren. Das ist besonders in der jetzigen Entwicklung Europas und der Sicherung des Wettbewerbsstandortes und der Arbeitsplätze in Europa ein ganz, ganz wichtiger Schritt gewesen.

Anstoß für eine substanzielle Debatte zu einer künftigen EU-Industriestrategie: Das ist uns ebenfalls gelungen. Auch das ist etwas Besonderes, denn ein Kollege in einem Rat, der schon viele Jahre drinnen sitzt, hat zu mir gemeint: Es war in den vergange­nen Jahren nie erlaubt, über das Thema Industriepolitik und über die Stärkung des Wirtschaftsstandortes zu sprechen.

Man durfte primär über Konsumentenschutz und über das Thema Dienstleistung spre­chen. Man hat dabei vergessen, dass Europas Quelle des Wohlstandes die Industrie


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ist, dort, wo die Menschen ihre Arbeit finden, wo sie in hochqualitativer Industrie den Standort unterstützen. Nur Standorte, die beides realisieren, nämlich gut in der Dienst­leistung und gut in Industrie und Produktion, sind nachhaltige Standorte, die der Ju­gend eine Zukunft bieten können und wo es geringe Jugendarbeitslosigkeit gibt.

Darum war es mir so wichtig, dieses Papier, diesen Präsidentschaftsvorschlag „Re­thinking European Industry“ vorzulegen. Aufgrund dieses Papiers entstand diese Dis­kussion, wie wir sie jetzt in Deutschland und Frankreich sehen, dass das wieder ein Thema ist, das man ansprechen darf. Meine Damen und Herren, ich spreche hier aus Erfahrung. 22 Jahre in der IT- und Telekombranche in Europa haben mir gezeigt, dass viele Firmen einfach verschwunden sind, viele geschwächt wurden. Somit ist es unsere klare Aufgabe, hier starke Signale zu setzen, etwas umzusetzen und weiterzubringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eine ganz wichtige Komponente dabei sind die digitalen Kompetenzen. Auch hier ha­ben wir auf europäischer Ebene Maßnahmen gesetzt wie zum Beispiel das Thema Frauen in der Digitalisierung, Women in Digital. Dazu gab es einige Veranstaltungen, die ich mit der zuständigen Kommissarin massiv unterstützt habe.

Ein weiterer Schlüssel ist das Thema künstliche Intelligenz. Da ist der Zug noch lange nicht abgefahren. Niemand, der Europa schlechtredet, hat hier recht, denn es gibt zwar große Investitionen in den USA und in China, aber im Business-to-business-Bereich, von Betrieb zu Betrieb, sind wir weit vorne, sind wir auch in Europa gut. Das war immer unsere Stärke, da waren wir immer vorne mit dabei.

Ich würde sagen, auch wenn wir nach Silicon Valley blicken und feststellen müssen, dass Europa im Consumer-Bereich mit den großen Consumer-Plattformen nicht an erster Stelle ist, ist der Zug noch lange nicht abgefahren. Wir müssen die richtigen Maßnahmen setzen, um Themen wie Digitalisierung und Artificial Intelligence in Euro­pa zu stärken.

Was braucht es dazu ganz konkret? – Es braucht eine Veränderung in den Wettbe­werbsregeln in Europa. Es kann nicht sein, dass da Entscheidungen getroffen werden, auch von jetzigen Kommissarinnen und Kommissaren, die hier dazu führen, dass Euro­pas Firmen geschwächt werden. Der Wettbewerb findet nicht in Europa statt, der Wett­bewerb findet mit China und den USA statt. Entscheidungen zu treffen, die den euro­päischen Standort schwächen, dafür stehen wir nicht und dafür werden wir auch in Zu­kunft nicht stehen.

Sie können sehr sicher sein, dass ich bei der nächsten Kommission sehr intensiv ein­fordern werde, dass wir diesbezüglich ein neues Wettbewerbsrecht brauchen, das der jetzigen Zeit, den jetzigen Wettbewerbsverhältnissen angepasst ist. Da ist unser Mitbe­werb global zu sehen. Wir dürfen diesbezüglich nicht klein-klein denken, nur in kleins­ten Regionen denken und die Firmen innerhalb Europas schwächen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Aus meiner Sicht braucht es eine starke Diskussion auf Augenhöhe mit der Kommis­sion. Wenn ich nur den Wettbewerbsrat als Beispiel nehmen darf: Ich habe die Wettbe­werbskommissarin kein einziges Mal im Wettbewerbsrat gesehen. Das hat mich sehr verwundert, das zeigt, wie wenig Bedeutung diesem Thema beigemessen wird. Wir werden das das nächste Mal sicherlich auch noch intensiver einfordern, nämlich mit ei­ner neuen Kommission, die vielleicht stärker fokussieren wird.

Ich fokussiere auf unsere Zukunftsthemen, auf unsere gemeinsamen Themen, und die sind von Ihnen schon weitgehend genannt worden: standortrelevante Forschung, als globaler Akteur auf Augenhöhe gesehen werden. Dazu gehören die oft zitierten Wirt­schaftspartnerschaften, das sind die den Handel stärkenden Beziehungen, die wir drin­gend brauchen.


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Die brauchen wir mit neuen Partnern, denn wir sehen, dass zum Beispiel mit Partnern aus der Vergangenheit, mit denen es sehr einfach war, nämlich mit den USA, jetzt eine andere Zeit angebrochen ist. Das Schwierige ist, dass wir Risiko streuen müssen. Wir brauchen Zugang zu neuen Märkten wie jenem von Japan, wie jenen von Neuseeland und Australien, mit denen die Abkommen jetzt verhandelt werden.

Warum brauchen wir das? – Weil jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich vom Export abhängig ist; und weil gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, und diese ma­chen 99,6 Prozent all unserer Unternehmen aus, nicht nur vom österreichischen Markt leben können, sondern den globalen Markt brauchen. Die KMUs brauchen unsere Un­terstützung in der Zusammenarbeit, sie brauchen unsere Unterstützung, um sicher in Märkte gehen zu können. Sie können es sich alleine nicht regeln. Die großen Unter­nehmen brauchen das weniger als die kleinen.

Wenn Sie über das Thema Handelspartnerschaften sprechen, denken Sie bitte immer daran, dass wir das tun, um mittelständische Unternehmen dahin gehend zu unterstüt­zen, dass sie Investitionen in anderen Länder tätigen können, dass sie neue Märkte er­obern können, dass sie hier in Österreich mehr Arbeitsplätze schaffen können, weil sie global erfolgreich sind.

Österreich und manchmal auch Europa sind als Markt zu klein, als dass man hier gut wachsen könnte. Deshalb brauchen wir diese offene EU-Handelspolitik, die meine volle Unterstützung haben wird. Ich werde mich immer für diese Arbeitsplätze einsetzen. Je­der zweite Arbeitsplatz in Österreich ist damit verbunden. Das wird einer meiner wichti­gen Schwerpunkte der Zukunft sein. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.15


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stefan Schen­nach zu Wort. Ich erteile dieses. – Bitte.


14.15.29

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrem Bericht folgende neue Kategorie ein­geführt: „Erfolge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft“. Das macht bei 62 Sei­ten einige Seiten aus. Wenn man aber in Brüssel, in Straßburg oder in anderen Mit­gliedstaaten so herumfragt, wie die österreichische Präsidentschaft war, dann be­kommt man immer diesen Zitronenbiss zu sehen – Sie wissen schon, so (die Aussage durch seine Mimik unterstreichend – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!) –, weil die öster­reichische Präsidentschaft ja vielfach als stranded investment dargestellt wurde. (Bun­desrätin Mühlwerth: Von den linken Kollegen wahrscheinlich! – Bundesrat Steiner: Von den Kommunisten und Restkommunisten in Europa!)

Gehen wir aber zu diesem Bericht zum Thema Digitalisierung zurück. Was mir da fehlt bei den österreichischen Vorhaben, sind ein paar ganz wichtige Rahmenbedingungen. Heute war Ihr Kollege Hofer hier und hat davon geschwärmt, dass wir keine Lebens­mittelsupermärkte haben werden, weil das alles digitalisiert und online passieren wird. Also ich möchte nicht in einer Stadt oder in einem Dorf leben, wo es kein Lebensmit­telgeschäft mehr gibt und wo die Menschen beim Einkaufen keine direkte Kommunika­tion haben.

Die größere Frage, die aber hinter der gesamten Frage der Digitalisierung steht, ist: Wie bereiten wir uns eigentlich vor? Wie bereiten wir uns auf diese Entwicklung vor, die den Verlust ganz, ganz vieler Arbeitsplätze bedeutet? Es werden ja wohl nicht alle Ver­käuferInnen und KassierInnen – in Lebensmittelgeschäften oder in Apotheken, die ja jetzt alle auf Robotertechnik umgemodelt werden – nachher IT-TechnologInnen wer­den.


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Laut Studien wird Deutschland 49 Prozent und Österreich bis zu 47 Prozent seiner bis­herigen Arbeitsplätze verlieren. Ich weiß schon, dass da immer wieder die Diskussion über die Industrialisierung kommt, aber wir stehen vor erheblichen sozialen Verwerfun­gen. Deshalb benötigt jede Digitalisierungsstrategie auch eine arbeitsrechtliche Strate­gie. Da muss man sich mit Fragen auseinandersetzen wie: Wie groß darf denn noch eine Verkaufsfläche in der Zukunft sein?, und: Wie viel humane Arbeitskraft will ich denn da überhaupt haben?

Es gab ja schon eine Kette, die nur mit einer einzigen Person solche Geschäfte be­trieben hat. Das ist erstens unmenschlich gegenüber dieser Person, zweitens ist es eine Sicherheitsfrage, drittens ist es eine Kommunikationsfrage. Wir wollen ja eigent­lich Arbeitsplätze der Zukunft, die den Menschen nicht nur ein Einkommen ermögli­chen, sondern sie auch glücklich machen.

Übrigens ist dieses große Gemurre über die Beurteilung der österreichischen Ratsprä­sidentschaft nicht von mir, das können Sie im deutschen „Handelsblatt“ nachlesen. Dieses sehr konservative Magazin hat die österreichische Ratspräsidentschaft in zehn Bereichen derart zerfetzt! Das würde ich als Oppositionspolitiker mich hier an diesem Rednerpult nicht trauen, aber das deutsche „Handelsblatt“ ist mit der österreichischen Ratspräsidentschaft Schlitten gefahren. Das ist vielleicht eine Anregung, um das nach­zulesen. (Bundesrat Längle: Ist ja lächerlich!) – Ja, lies dein konservatives deutsches „Handelsblatt“, dann kannst du weiterreden oder auch nicht. (Bundesrat Rösch: Wer weiß, was da drinnen steht! Das Gegenteil wird wahrscheinlich der Fall sein!)

Zweitens, was für mich noch wichtiger ist, Frau Bundesministerin, ist die Vorbereitung in der Bildung. Es gab ein Viersäulenmodell der früheren Bildungsministerin bezüglich Tablets für die Schulen und so weiter, das zwischen den damaligen Koalitionspartnern akkordiert war. Aus einem sich mir nicht erschließenden Grund hat Herr Bildungsminis­ter Faßmann das alles zurückgezogen und sagt, er legt eine eigene Digitalisierungs­strategie auf. Da sehen wir noch nichts.

Was wir aber brauchen, ist, dass wir hier in einen Bereich hineinkommen, in dem wir ganz früh IT-Kompetenz vermitteln müssen – ganz, ganz früh. Jetzt kommen wir zum ersten Mal in die Situation, in der weder die Eltern noch die Lehrenden helfen können, weil sie beide, Eltern wie Lehrende, keine Digital Natives sind.

Manche haben zwar das Glück, jemanden wie Frau Hahn als Unterrichtende zu haben, aber da braucht es auch wiederum eigene Ausbildungen, Lehrgänge. Wir dürfen die Lehrenden in diesen Fragen nicht alleinlassen, denn diese Fragen werden an sie he­rangetragen. (Bundesrat Steiner: 25 Jahre alleingelassen!) Diese Fragen, vor allem betreffend IT-Technology, werden an sie herangetragen, und da brauchen die Lehren­den die entsprechende Kompetenz, denn die Eltern haben sie nicht – oder vielfach nicht – und können das nicht ersetzen.

Kommen wir noch einmal kurz zur Ratspräsidentschaft. Ja, richtig, ich meine, manche Dinge hätte man auch schneller abhandeln können. Ja, es ist richtig, Frau Bundesmi­nisterin, die Notifizierungsrichtlinie hat Österreich in seiner Ratspräsidentschaft voran­getrieben, wie das Mobile Government auch.

Das Digital Europe Programme gab es zum Teil schon. Es geht weiter, das ist sehr wichtig, aber auch für Europa stellt sich die Frage der Ausbildung, der Bildung, und dass man nicht nur versucht, über Rot-Weiß-Rot-Karten, wie zum Beispiel hier ange­dacht, jene Menschen hereinzuholen, die eine höhere Digital- und IT-Ausbildung in an­deren Staaten genossen haben, und dabei den eigenen Arbeitsmarkt und den eigenen Ausbildungsbereich übersieht.

Ich denke, hier gibt es ganz, ganz viel zu tun. Wir nehmen das zur Kenntnis, Frau Hahn hat das auch schon ausdrücklich gesagt. Das, was hier aber als österreichische Vorha-


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ben ausgeführt wurde, wird ohne den ganz frühen Start, ohne die IT-Reife der Schulen, auch softwaremäßig, nicht gehen, und da werden wir wirklich erhebliche Probleme ha­ben. Vergessen Sie bitte auch nicht die daraus resultierenden arbeitsrechtlichen Proble­me und Konsequenzen!  Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

14.22

14.22.39


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.23.0910. Punkt

Mittelstandsbericht 2018 (III-667-BR/2018 d.B. sowie 10157/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich bitte um den Bericht.


14.23.22

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Mittelstandsbericht 2018 zur Kenntnis bringen.

Es geht um die aktuelle wirtschaftliche Lage, um die Digitalisierung, die Bedeutung der KMUs, die Vielfalt der KMUs und um Maßnahmen zu deren Förderung.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 den An­trag, den Mittelstandsbericht 2018 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Präsidentin Sonja Zwazl. – Bitte.


14.24.07

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesminister! Herr Vize­präsident! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin, ein herzliches Dankeschön gilt dir und deinem Team für diesen posi­tiven Mittelstandsbericht! Ich bedanke mich recht herzlich für die Anerkennung der Leistungen und der Wichtigkeit der KMU für unseren Wirtschaftsstandort und vor allem auch für die Unterstützung, die man da herauslesen kann. Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, unser Unternehmerland Österreich ist geprägt von Kleinunternehmen, vom Friseur bis zum Tischler, vom kleinen Handelsgeschäft bis zum Transportunternehmen. 85 Prozent unserer Betriebe haben weniger als zehn Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter. 99,6 Prozent aller Betriebe zählen zu den Klein- und Mit­telbetrieben mit weniger als 250 Beschäftigten, jedoch sind zwei von drei Beschäftigten in Österreich in diesen Unternehmen tätig, die noch dazu vielfach als Familienunter­nehmen geführt werden.

Ihr braucht euch ja nur umzuschauen. Schaut euch an, wie viele Gasthäuser, Hand­werksbetriebe, Handelsunternehmen ihr in eurer Umgebung habt! Ich denke, ich brau-


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che auf den positiven Mittelstandsbericht jetzt nicht im Detail einzugehen, denn ich nehme an, dass ihn jeder von euch aufmerksam gelesen und studiert hat; aber als Ver­treterin der Wirtschaft und als Unternehmerin ist es mir wichtig, hier ein paar Ergänzun­gen einzubringen.

Es ist nämlich nicht alles Gold, was glänzt. Wir haben zwar hervorragende Konjunktur­werte, aber nicht bei allen Unternehmen. Bereits in einer guten Konjunkturlage, nämlich im Bilanzjahr 2015/2016 erreichten 67 Prozent unserer KMU die Gewinnzone. 33 Pro­zent schrieben Verluste, das braucht uns aber auch nicht zu erschrecken, denn das ist immer so, es wird auch in Zeiten einer guten Konjunktur Verlierer geben.

Wir wissen, dass zum Beispiel der Handel vor allem im innerörtlichen Bereich enorm unter Druck kommt und die Margen von Jahr zu Jahr geringer werden. Deshalb ist es ganz wichtig, dass es hier Unterstützung gibt. Da bedanke ich mich auch für KMU Digi­tal, weil es wichtig ist, dass wir gerade unsere Klein- und Mittelbetriebe diesbezüglich unterstützen und ihnen diese Initiative zugutekommen lassen.

Ich freue mich auch ganz besonders darüber, dass das die Betriebshilfe im Mittelstands­bericht erwähnt wurde, weil wir sie von Niederösterreich ausgehend im Jahr 1994 ins Leben gerufen haben. Das ist eine Initiative gerade für unsere Kleinstbetriebe, für Un­ternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern. Die bekommen eine Betriebshilfe zur Verfügung gestellt, nämlich 72 Tage im Jahr bei Krankheit und Unfall, und auch dann, wenn eine Unternehmerin ein Baby bekommt, acht Wochen vor und acht Wochen nach der Ge­burt, und zwar kostenlos. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich führe in Niederösterreich die Betriebshilfe noch immer ehrenamtlich und ich freue mich, denn sie wird genau, punktgenau angenommen. Ich habe mir das heute wieder angeschaut: 34,5 Prozent der Einsätze, die wir haben, sind bei EPUs, 48 Prozent bei Unternehmen mit bis zu zwei Beschäftigten. Daran sieht man, dass das eine großartige Unterstützung ist, denn sonst muss man in der Zwischenzeit – stellen Sie sich das vor! – seinen Betrieb zusperren, wenn jemand längere Zeit krank ist. So steht eine Kraft zur Verfügung, die ihn vertritt. Ich weiß schon, kein Unternehmer glaubt, dass man ihn eins zu eins vertreten kann, aber das ist immer noch besser, als wenn das Ge­schäft zu ist, wobei ich weiß, dass die Betriebe sehr zufrieden damit sind.

Es ist aber auch sehr erfreulich, wenn wir uns die Beschäftigungsentwicklung der KMUs anschauen. Da ist es mir ganz wichtig, die Rolle unserer Betriebe bei der Ausbildung der Lehrlinge hervorzuheben. Fast zwei Drittel der heimischen Lehrlinge werden in un­seren Klein- und Mittelbetrieben ausgebildet.

Besonders beeindruckend ist es in Bezug auf die Verhältniszahlen. Am höchsten ist der Wert mit 46 Lehrlingen je 1 000 Erwerbstätige in den Betrieben von zehn bis 49 Be­schäftigte, in Großunternehmen sprechen wir von einem Verhältnis von 33 zu 1 000. Da danke ich auch recht herzlich dir, Frau Bundesministerin, weil du jemand bist, der vor allem der dualen Ausbildung, der Lehre sehr viel Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringt.

Ich kann nur sagen, dass die jungen Leute deine Besuche bei Verleihungen von Zerti­fikaten oder bei Lehrlingswettbewerben sehr schätzen, aber auch unsere Funktionärin­nen und Funktionäre und auch die Ausbildungsbetriebe schätzen deine Besuche sehr, denn das ist ein Ausdruck der Anerkennung für diese duale Ausbildung, die wir ganz einfach brauchen. Wenn wir sagen, wir brauchen gute Fachkräfte, dann müssen die Personen, die diesen Weg wählen, von uns die nötige Anerkennung bekommen. – Da­für wirklich ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Mittelstand, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gilt aber genauso als Motor für den Außenhandel und für Innovationen. Ohne unseren Mittelstand würden wir in Ös-


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terreich arm ausschauen. Der Grundstein für unseren Mittelstand wird immer bei den Unternehmensgründungen gelegt.

In Österreich hat sich die Gründungsintensität seit Anfang der Neunzigerjahre deutlich erhöht. Heuer gibt es – im Verhältnis zu den aktiven Unternehmen – rund 8 Prozent Neugründungen, konkret sind es im Jahr 30 000 Gründungen.

Aus meiner Sicht und als Unternehmerin freue ich mich ganz besonders, dass 58 Pro­zent der neuen Einzelunternehmen von Unternehmerinnen gegründet werden. Wir wis­sen, dass die Unternehmerinnen sehr gut vorbereitet den Schritt in das Unternehmer­sein machen und auch eine hohe Überlebensquote haben. Wir wissen auch, dass jede Unternehmensneugründung durchschnittlich zwei Arbeitsplätze schafft und somit auch die Basis für den Mittelstand ist.

Genauso wichtig ist es uns aber, auf den Mittelstand wie auf ein zartes Pflänzchen zu schauen, wir dürfen ihn nicht überfordern – schon gar nicht mit bürokratischen Hürden. Wir wissen, dass administrative Vorschriften in KMU im Vergleich zu Großunterneh­men zu einem verhältnismäßig größeren Aufwand führen. So kostet eine Regulierungs­maßnahme in großen Unternehmen 1 Euro pro Mitarbeiter, die gleiche Maßnahme ver­ursacht bei Kleinunternehmen durchschnittlich Kosten von 10 Euro pro Mitarbeiter. 36 Pro­zent der KMU innerhalb der EU erklären, dass ihre Geschäftstätigkeit innerhalb der letzten beiden Jahre durch Bürokratie erschwert wurde. Diesbezüglich bedanke ich mich für die Unterstützung, für das Aufmerksammachen und auch für die schon durch­geführte Deregulierung.

Ich möchte aber heute hier die Gelegenheit nutzen, auf ein Thema betreffend Bürokra­tie hinzuweisen, das ist die A1-Bescheinigung bei Entsendungen ins Ausland. Das A1-Formular ist eine Bestätigung darüber, in welchem EU-Mitgliedsland ein Arbeitnehmer sozialversichert ist. Wenn ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedsland in der EU tätig wird, so hat der Arbeitnehmer dieses Formular ab dem ersten Tag mitzuführen.

Es ist so, dass gerade in Kleinbetrieben Dienstreisen sehr kurz sind und einen hohen Bürokratieaufwand nach sich ziehen. Wir haben gesagt, dass diese Initiative für unsere Betriebe schwierig ist, es hat vorige Woche aber leider eine Ablehnung von der EU ge­geben. Ich muss ich ganz ehrlich sagen, es tut mir ein bisschen weh, dass wir in Euro­pa nicht mit Maß und Ziel vorgehen. Ich weiß, dass es schwierig ist, wenn das Dienst­leistungen sind, aber bei kurzen Dienstreisen haben wir die Bitte, das nicht zu kontrol­lieren.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Unsere mittelständischen Unternehmen in Ös­terreich belohnen uns mit ihrer Standorttreue, sie sind in allen Regionen unseres Lan­des beheimatet und bleiben es auch, daher müssen wir sie mit unserer Standortfreund­lichkeit unterstützen. Keiner erwartet sich, das große Geschäft zu machen, sondern sie erwarten sich, dass wir ihnen den Freiraum für ihre Geschäfte lassen, damit auch in Zukunft weiterhin die Steuer- und Sozialversicherungstöpfe durch die Leistung, die wir gemeinsam in unseren Betrieben mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbringen, gefüllt werden.

Ich sage noch einmal ein herzliches Dankeschön für diesen Mittelstandsbericht, für das Herausarbeiten der Bedeutung der KMUs und für die großartigen Unterstützungen. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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14.33


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile ihm dieses.


14.33.57

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf vorausschicken, wir werden diesen Mittelstandsbericht 2018 zur Kenntnis nehmen.

Meine Vorrednerin ist schon sehr detailgetreu auf manche Berichtsteile eingegangen. Sie greifen auf die vorangegangene Gesetzgebungsperiode zurück, die meisten Zah­len und Daten stammen ja aus Zeiten der Vorgängerregierung, sind demnach schon ein wenig veraltet. Darum möchte ich in diesem Zusammenhang auf die aktuellen Pro­gnosen eingehen.

Derzeit zeigen die aktuellen Prognosen, dass der Wirtschaftsaufschwung geringer als erwartet sein wird. In der neuesten Wifo-Konjunkturprognose vom März wurde das pro­gnostizierte Wirtschaftswachstum Österreichs für das Jahr 2019 auf 1,7 Prozent nach unten korrigiert. Im März des Vorjahres war man noch von einem Wirtschaftswachstum von plus 2,2 Prozent für das heurige Jahr ausgegangen. Damit wird auch der Rück­gang der Arbeitslosigkeit vorerst ein Ende finden und die Arbeitslosenquote wird sich bei knapp über 7 Prozent einpendeln. Experten gehen davon aus, dass die Arbeitslo­sigkeit sogar wieder stärker steigen wird. Man geht davon aus, dass rund 400 000 Per­sonen arbeitslos sein werden (Bundesrat Steiner: Wahrsager!), das entspricht der dop­pelten Einwohnerzahl von Linz. (Bundesrat Steiner: Weber ist Wahrsager!) Nationale wie internationale Expertinnen und Experten empfehlen, heute schon Vorbereitungen zu treffen, um diesem abflauenden Wirtschaftswachstum entgegenzuwirken. Die Bun­desregierung hat bis heute leider keinerlei vorbereitende Maßnahmen angekündigt und es droht, dass diese Entwicklung verschlafen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor allem hat sie aber nichts für die KMUs in Österreich getan, auch, wenn die Vorred­nerin die KMUs sehr gelobt hat. Aus dem vorliegenden Bericht geht aber hervor, dass über zwei Drittel der Beschäftigten in diesen KMUs arbeiten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wirtschaftspolitik hat in erster Linie den Zweck, Menschen in Beschäftigung zu bringen, um ihnen ein gutes Leben in Würde zu ermöglichen. Und genau das geht mir und uns bei dieser Bundesregierung im Besonderen ab. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Was wollen Sie tun, um diese wieder steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen? Das Wifo analysiert – das Wifo ist nicht unsere Denkwerkstätte, das Wifo ist in der Nähe der ÖVP angesiedelt –, dass der private Konsum immer mehr zur Stütze der Konjunktur in Österreich wird, was unter anderem an den leicht überdurchschnittlichen Lohnabschlüs­sen für 2019 liegt. Ich danke den Gewerkschaften für diese hervorragenden Lohnab­schlüsse! Die aktuellen Arbeiterkammerwahlen – auch in der Steiermark: plus 6,7 Pro­zentpunkte für die FSG – zeigen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon längst erkannt haben, wer die wahren Arbeitnehmervertreter sind und wer sich nur zum Schein Arbeiterpartei getauft hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung sollte sich schon jetzt auf das abflauende Wirtschaftswachstum vorbereiten. Diesen Appell richten auch alle nationalen und internationalen Expertinnen und Experten an die europäischen Regierungen, ein solcher Appell ist auch bereits durch die OECD erfolgt. Die Chefökonomin der OECD definierte drei wesentliche He­rausforderungen für die kommenden drei Jahre: Die Menschen qualifizieren, damit sie den Herausforderungen der Wirtschaft gewachsen sind. Wir müssen die Vorteile aus der Digitalisierung nützen und die Menschen dafür dementsprechend vorbereiten. Wir müssen bereits jetzt ausreichende Investitionen vorbereiten, damit wir in den Jahren der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums ab 2020 wirksam entgegensteuern können.

Auch der Chefökonom der Arbeiterkammer, Markus Marterbauer, schlägt in dieselbe Kerbe. (Bundesrat Samt: Komisch!) Es muss oberste Priorität haben, die Arbeitslo­sigkeit zu bekämpfen und die Menschen in unserem Land in Beschäftigung zu bringen.


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Deshalb muss die Bundesregierung ihre Untätigkeit beenden und noch bis zum Som­mer ein Konjunkturpaket beschließen, um dem abflauenden Wirtschaftswachstum recht­zeitig entgegenzutreten.

Das SPÖ-Paket zur Stärkung von Wirtschaft und Beschäftigung beinhaltet folgende Punkte. (Bundesrat Samt: Jetzt wird es gefährlich!) – Zuhören, dann kannst du etwas lernen! (Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Für 2019 prognostizierte das Wifo einen möglichen Bruttobudgetüberschuss von 0,4 Prozent, das würde einem Überschuss von knapp 1,6 Milliarden Euro entsprechen.

Dieses Geld ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die diesen Über­schuss ermöglicht haben. Dieses Geld muss wieder investiert werden, um die Arbeits­losigkeit zu bekämpfen. Anstatt alles zu unternehmen, um die Arbeitslosigkeit weiter zu senken, plant diese Regierung, den prognostizierten Budgetüberschuss in einem Steu­ergeschenk an große Unternehmen verpuffen zu lassen, Stichwort Senkung der Kör­perschaftsteuer.

Das trifft nicht deine Vertretung, nicht die KMUs, denn von diesem Geschenk profitie­ren nur wenige Große und die ganz großen Konzerne, denn 80 Prozent der Körper­schaftsteuer kommen nur von 5 Prozent der Unternehmen, die meisten KMUs werden davon leider nichts haben.

Wir müssten auch ein Paket zur Stärkung der Wirtschaft und der Beschäftigung schnü­ren und den Konsum stärken. Die Entlastung der Einkommen durch eine Lohnsteuer­reform stärkt den Konsum. Der erste und beste Hebel, den diese Bundesregierung nut­zen müsste, um die Konjunktur weiter in Schwung zu bringen, ist die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen. (Bundesrat Seeber: Das macht die Bundesregie­rung!)

Es ist ein neuer OECD-Bericht erschienen, dieser Bericht besagt genau das Gegenteil, lieber Kollege. Österreich ist bei den Belastungen der Arbeitseinkommen bei den fünf Stärksten dabei, nur in Belgien, Deutschland und Italien zahlen die Arbeitnehmer noch höhere Abgaben. (Bundesrat Spanring: ... jahrelang nichts gemacht!) Die OECD emp­fiehlt die Abschaffung der kalten Progression und die Gegenfinanzierung durch Kapital­steuern, aber genau dies wird euren Wahlkampfspendern eben nicht gefallen.

Die Steuerreform für kleine und mittlere Einkommen muss vorgezogen werden, eine vorzeitige Abschreibung als Investitionsanreiz dienen. (Bundesrat Rösch: Steuerre­form kommt!) Der gemeinnützige Wohnbau muss durch Zweckzuschüsse des Bundes gestärkt werden, um leistbaren Wohnraum zu schaffen, das schafft auch zusätzliche Arbeitsplätze.

In der aktuellen Debatte in Deutschland sehen wir, wie teuer Wohnen in Berlin gewor­den ist, wir sehen das tagtäglich in den Medien und im Fernsehen. Unsere Bundes­hauptstadt hat in Bezug auf leistbares Wohnen eine positive Vorreiterrolle eingenom­men. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Samt: Das ist lächerlich!– Sie finden das viel­leicht lächerlich, ich bin froh, dass die Bundeshauptstadt Wien so viel für leistbares Woh­nen tut.

Das Wifo hat erst kürzlich festgestellt, dass uns bis 2030 rund 25 000 Pflegekräfte fehlen werden. Eine Investition in eine FacharbeiterInnenausbildung rentiert sich daher doppelt. Kurzfristig kommen Menschen in Schulungsmaßnahmen, mittelfristig bis lang­fristig lösen wir dadurch auch das Pflegeproblem. Die älteren Arbeitslosen sind derzeit die einzige Gruppe am Arbeitsmarkt, die leider nicht vom Wirtschaftsaufschwung pro­fitiert haben. Zuletzt ist in dieser Gruppe der Langzeitarbeitslosen 50 plus die Zahl trotz Wirtschaftswachstum sogar wieder gestiegen.

Laut einer Ifes-Studie waren die Teilnehmer an der Aktion 20 000 im österreichischen Durchschnitt rund 45 Jahre alt und vor der Teilnahme rund drei Jahre arbeitslos. Viele


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waren also nicht nur ein Jahr, sondern deutlich länger ohne Job. Bei dieser Zielgruppe ist laut Studie davon auszugehen, dass nur 10 bis 15 Prozent die Chance haben, wie­der einen normalen Arbeitsplatz, eine Beschäftigung am normalen Arbeitsmarkt zu fin­den. Umgekehrt ausgedrückt: Für 85 bis 90 Prozent der älteren Langzeitarbeitslosen war die Aktion 20 000 die einzige Chance, wieder einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. Genau diese Chance hat diese Bundesregierung diesen Menschen lei­der genommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Was ist uns in den letzten Jahren gut gelungen? – Ich komme schon zum Schluss. – Uns ist es gelungen, den Lebensstandard auf hohem Niveau abzusichern. Uns ist es gelungen, die soziale Sicherheit außer Frage zu stellen. Uns ist es gelungen, dass Kranke kein Problem haben, ein Krankenbett zu kommen (Bundesrat Samt: Was?), uns ist es gelungen, das Ansehen Österreichs in aller Welt außer Frage zu stellen.

Wir haben eine gute industrielle Aufstellung, darauf können wir stolz sein. Es ist natür­lich noch nicht alles perfekt erledigt, aber wir können darauf aufbauen. Was wir nicht tun sollten: Wir sollten das nicht für ein paar wenige gefährden; die Wahlkampfspender und unsere persönlichen Freunde dürfen uns nicht so wichtig sein. Wir sollten für die vielen arbeiten, und nicht für die wenigen. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.45


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile ihm dieses.


14.45.21

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Weber! Die Konjunkturprogramme der SPÖ haben wir lange, lange genießen müssen. Wer kam zum Zug? – Die staatsorientierte SPÖ-nahe Funktionärsclique der Regie­rung, der damaligen Regierung. (Zwischenruf des Bundesrates Weber. Weiterer Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Dieses Verteilungssystem, dieses Geldverteilungssystem, das Sie Konjunkturpaket nennen – das aber nichts anderes ist als Geld von uns steuerleistenden Unternehmern und den Mitarbeitern –, haben Sie dafür verwendet. Dies wollen wir nicht!

Dieser Bericht – ich nehme nicht an, dass Sie diesen Bericht gelesen haben – ist ein Bericht einer marktorientierten Wirtschaft. Wir Unternehmer sind keine Charity-Unter­nehmen, auch die Mitarbeiter nicht, die Sie, die SPÖ, jahrelang mit Höchststeuern be­lastet haben (Zwischenruf bei der SPÖ), worunter wir alle leiden, weil das verfügbare Einkommen in Österreich nach wie vor weit unter dem Durchschnitt liegt. Wer für diese hohe Höchststeuerbelastung in Österreich verantwortlich ist, das haben Sie leider ver­gessen. Wir alle leiden darunter. (Bundesrat Weber: Der Finanzminister sitzt da drü­ben!)

Dieser marktorientierte Bericht der Frau Ministerin ist ein exzellenter Bericht. Ich darf Ihnen mein Kompliment aussprechen, Sie können ihn fast als Wissenschaftswerk ein­reichen, er hat sogar ein Literaturverzeichnis – das habe ich überhaupt noch nicht er­lebt – mit Standardwerken aus der Betriebswirtschaftslehre und aus der Volkswirt­schaftslehre, die Sie auch richtig eingearbeitet haben.

Woran sieht man, dass diese Regierung bereits in die Wirtschaft, in unser tägliches Ar­beitsleben ausstrahlt? – Das sieht man heuer an der Differenz zwischen dem prognos­tizierten Wirtschaftswachstum Österreichs, das circa bei 1,6 Prozent zum Liegen kommt, und jenem aus Deutschland, das circa um einen Prozentpunkt darunter liegt. Da sieht man: Es waren auch die Rahmenbedingungen, aber es war vor allem das Vertrauen der Österreicher, der Wirtschaft, der Unternehmer und Unternehmerinnen in diese Bun­desregierung, dass wir einfach mehr arbeiten wollen.


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Ich sehe es an mir, ich arbeite lieber, ich arbeite mehr, wir Unternehmer sind asketi­sches Leben gewohnt. Da geht es nicht so sehr um Geld, da geht es um die Leistungs­bereitschaft. Unsere Bundesregierung möchte die Leistungsbereitschaft unserer Bür­ger und Bürgerinnen anheben. Diesbezüglich meinen herzlichsten Dank, Frau Bundes­ministerin. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wenn ich meine eigene Branche, die Papierbranche nennen darf: Als ich Ende der Achtzigerjahre begonnen habe, war meine erste Reise zur jährlichen Konferenz nach Köln. Ein paar Jahre später bin ich zur jährlichen Konferenz nach Brüssel gereist, wie­der ein paar Jahre später nach Vancouver und Montreal, die haben sich abgewechselt, und jetzt müssen wir alle nach Schanghai, nach China reisen. Dabei sieht man, welche Dynamik da besteht, welche internationale Führungsrolle China bereits eingenommen hat. Dem müssen wir uns stellen. Da haben Sie vollkommen richtig gesagt, wir müssen schauen, dass wir als Europa insgesamt nicht unter die Räder kommen und unsere Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten.

Ändern kann man das sicher nicht, wir müssen uns dem stellen, die Konjunktur verläuft in einem Zyklus. (Bundesrat Weber: Man muss was tun dagegen!) – Auch da ersuche ich Sie, vielleicht einmal nachzulesen. Ein Konjunkturzyklus heißt deswegen Zyklus, weil er up and down geht, rauf und runter. Wir befinden uns jetzt in einer leichten Ab­wärtsbewegung (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), aber ein Problem wird es dann, wenn wir uns in einer Rezession befinden, und davon sind wir kilometerweit entfernt. Die Auftragsbücher der Industrie sind voll, das Problem ist der internationale Wettbewerb, und das ist die Aufgabe einer Bundes­regierung, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Ihr habt sie 40 Jahre permanent ver­schlechtert, jedes Jahr und jedes Jahr. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Diese Rahmenbedingungen sind die Sozialversicherungen. Warum braucht ein kleines Land wie Österreich 21 Sozialversicherungen? – Wahrscheinlich für die SPÖ-Funktio­närsclique, wir Unternehmer und die Mitarbeiter brauchen das nicht. Das ist das Ver­dienst Nummer eins, die Zahl der Sozialversicherungen von 21 auf fünf abgespeckt zu haben.

Der zweite Schritt war die Arbeitszeitflexibilisierung. Ihr wollt im Zeitalter der Digitalisie­rung die Menschen zu einer gewissen Uhrzeit an einen Schreibtisch binden. Das ist ja völlig abstrus und der Realität fern! Nein, wir haben diese Arbeitszeitflexibilisierung im Sinne der Bundesregierung erweitert. (Bundesrat Weber: Zulasten der Arbeitnehmer!)

Das Dritte, ein großes Projekt, wird – natürlich in Etappen – die Steuerreform sein. Der Standort – deswegen habe ich eingangs diese Internationalisierung erwähnt – wird wichtiger sein und wird immer wichtiger werden, es ist auch ein Steuerstandort. Es kann nicht sein, dass es 50 Kilometer östlich von Wien – ich meine, es ist der Fall, aber wir müssen uns dem als Unternehmer stellen – eine Körperschaftsteuer von 9 Prozent und eine Flattax im Sinne einer Einkommensteuer von 15 Prozent gibt. (Ruf bei der SPÖ: Super! Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Das sind die Wettbewerbsar­gumente, denen wir uns stellen müssen.

Zweitens müssen wir verhindern, dass österreichische Unternehmen von China oder anderen Unternehmen aufgekauft werden. Dem müssen wir uns stellen. Es ist wichtig, dass österreichische Unternehmen, die es noch sind – das sind vor allem die Industrie, das produzierende Gewerbe und natürlich auch der Großhandel –, zu Eigenkapital oder Fremdkapital kommen.

Deshalb ist es wichtig, die Rahmenbedingungen wiederzubringen, dass eine Finanzie­rung durch Eigenkapital – das ist ja das Wichtigste und Billigste – und Fremdkapital möglich ist. Da ist natürlich auch die Wiener Börse von Bedeutung, die einen Beitrag dazu leistet, dass Unternehmen zu Kapital kommen, die Kosten übertragen, Umsätze


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erreichen können und im internationalen Wettbewerb bestehen können. Darum geht es. Es ist ein internationaler Wettbewerb, dem man tagein, tagaus ausgesetzt ist. Die geschützten Bereiche, die ihr euch wünscht, gibt es nicht mehr. Die gibt es nicht mehr! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ein anderer Punkt, auf den ich kommen möchte, weil er permanent präsent ist, ist die Digitalität. Man muss als Unternehmer immer den utilitaristischen Aspekt beleuchten. Hat ein digitales Produkt einen Wert? Hat das einen Nutzen für eine Firma oder nicht? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Schumpeter unterscheidet zwischen bei Innovation zwi­schen innovation und invention, zwischen Innovationen und Erfindungen.

Innovationen sind marktreife Produkte, die bereits die Massenfertigkeit erreicht haben. Wesentlich ist, dass neun von zehn Erfindungen wertlos sind. Das sind sinnlose Erfin­dungen, um es einmal so zu nennen, kosten aber enorm viel Geld. Wenn man das in einem Unternehmen implementiert, einrichtet, sich von der technikaffinen, digitalen Welt sozusagen treiben lässt, kann man irrsinnig viel Geld verlieren, denn Investitionen müs­sen Unternehmer selber tragen und Investitionen im IT-Bereich kosten viel Geld.

Vieles läuft da heute unter dem Begriff Digitalität, es sind aber in Wirklichkeit Prozess­steuerungen, Automatisationsprozesse in den Abläufen, Softwareentwicklungen. Das Wort Software gibt es überhaupt nicht mehr, vieles, was als digital bezeichnet wird, ist aber eigentlich nichts anderes als Softwareentwicklung in einem Unternehmen. Daten­speicherung, das ist Digitalität, das ist produktivitätsfördernd, kostet aber viel Geld. Die digitale Welt ist dann für ein Unternehmen interessant, wenn die Massenfertigung be­reits erreicht ist. Das ist interessant.

Wenn ich daran erinnern darf: Was waren die Produktivitätssprünge? Was waren die Quantensprünge? Das war das mobile Telefon. Wann war das? – Ich rede jetzt nicht davon, wann es in der Garage erfunden worden ist – das war anscheinend in den Acht­zigerjahren –, sondern wann es Breitenwirkung erzielt hat. Das war 1995.

Wann hat das Mail das Fax abgelöst? – Das war genau zum Millenniumswech­sel 2000. Wann kam das Up- und Downloading von Internetinhalten? – Das war 2005. Und ganz wichtig: Die Suchfunktion, ein Quantensprung für die Wissenschaft zum Bei­spiel, war ab 2010. Das waren die großen Momente.

An Tesla – die Aktie ist in den letzten Tagen um 30 Prozent gefallen – sieht man, wo­hin so eine Investition in eine Richtung, die noch nicht ausgegoren ist das autonome Fahren und so weiter , führen kann. In den USA wurde die Subvention für den Kauf von Elektromobilen eingestellt, aufgrund dessen ist die Tesla-Aktie um 30 Prozent ge­fallen. Es wurden auch um die Hälfte weniger Autos verkauft. Also Staatseingriffe, wie die SPÖ sie fordert und forderte, sind in einer marktorientierten Wirtschaft immer ein Problem, weil es zu Fehlallokationen und Fehlinvestitionen führt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Abschließendes Fazit: Es geht mit unserer Wirtschaft aufwärts. Es gibt verbesserte Rahmenbedingen, das Vertrauen ist vorhanden. Glück auf und alles Gute, Frau Minis­terin! Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.54


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


14.54.27

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herzlichen Dank, danke für Ihre Inputs zum Thema mittelständische Wirt­schaft. Die österreichischen KMUs sind definitiv eine stabile Säule der österreichischen Wirtschaft, die es zu unterstützen und zu jedem Zeitpunkt auch zu fördern gilt.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 102

Dafür braucht es einige Maßnahmen. Ich möchte nicht zu sehr auf den Inhalt des Be­richts eingehen, denn Sie kennen ihn, Sie haben ihn gelesen, sondern mehr auf die von Ihnen auch angesprochenen Zukunftsthemen. Ein Thema, das zu Recht angespro­chen wurde, ist das Thema der digitalen Kompetenzen. Sie wissen, ich war 22 Jahre in der IT- und Telekombranche, bringe ein wenig Erfahrung auf allen Levels mit, weiß, wel­che Kompetenzen da notwendig sind.

Ja, es ist wahr, als ich diese Aufgabe angetreten habe, haben wir erkannt, dass das Thema digitale Kompetenzen, nämlich die Anhebung digitaler Kompetenzen für alle Lebenslagen und in allen Lebensbereichen ein wichtiger Punkt ist. Ich habe aber gleichzeitig keine entsprechende Maßnahme vorgefunden, die ich als adäquat dafür gesehen hätte, zu helfen, die digitale Kompetenzen sowohl von älteren Menschen als auch von jenen, die in Firmen arbeiten, als auch von der Jugend anzuheben.

Deshalb haben wir die Plattform Fit4Internet gegründet, eine Initiative, die hilft, die digi­talen Kompetenzen anzuheben. Das gilt sowohl für die Frage der sozialen Inklusion, für Ältere, die jene Produkte und Lösungen, die mittelständische Unternehmen anbie­ten, konsumieren möchten und auch in Anspruch nehmen möchten, als vor allem auch für jene Mitarbeiter, die in mittelständischen Unternehmen arbeiten.

Stellen Sie sich vor, Sie haben Mitarbeiter in einem mittelständischen Unternehmen, Sie sind Unternehmer und stellen sich die Frage: Wie kann ich meinen Mitarbeitern helfen, diese digitalen Kompetenzen anzuheben? Da gibt es ein Problem, das wir ge­meinsam haben: Wir wissen nicht, wie die digitalen Kompetenzen wirklich aussehen. Das heißt, wir bewegen uns da ein wenig in der Cloud, denn festzustellen, wie die digi­tale Kompetenz ist, das ist im Moment eine große Schwierigkeit.

Ein kurzer Blick in die Europäische Union hat mir gezeigt, dass es einen Kompetenz­rahmen gibt, aber in keinem Land der Europäischen Union, auch nicht in Österreich und auch nicht durch die Vorgängerregierung, wurde irgendetwas mit diesem Kompetenz­rahmen gemacht. Wir tun das jetzt, wir stehen kurz vor der Einführung, wir haben ihn gemeinsam definiert, und nun wird jeder in Österreich – jeder von ihnen, ich, jedes Kind, jede Jugendliche, jeder Arbeitnehmer – die Möglichkeit haben, in einem Self­check ganz persönlich festzustellen, wie sein digitales Kompetenzniveau ist. Das ist gerade kurz vor der Umsetzung.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Lehre, auch die spielt für die mittelständischen Un­ternehmen eine wichtige Rolle, die Lehrlinge spielen eine wesentliche Rolle in Öster­reich. Auch da hat ein kurzer Blick gezeigt: Es gibt Lehrberufe, die seit Langem nicht mehr überarbeitet wurden, wie zum Beispiel den Dachdecker, der 1973 das letzte Mal überarbeitet wurde. Deshalb bin ich dafür eingetreten, dass wir gemeinsam mit den So­zialpartnern bis Ende des Jahres die Lehrberufe überarbeiten, denn jeder Jugendliche und jeder junge Mensch hat, wenn er heute eine Lehre beginnt, das Recht, dass jene digitalen Inhalte in dieser Lehre vorhanden sind, die man braucht. Das Dach ist heute – nicht wie früher – ein Multifunktionsgerät. Deshalb werden die Inhalte der bestehenden Lehrberufe bis Ende des Jahres überarbeitet.

Das ist aber nicht genug. Was braucht die mittelständische Wirtschaft ganz beson­ders? – Sie braucht junge Menschen, die digitales Know-how haben. Darum haben wir im September neue Lehrberufe eingeführt, die besonders für die mittelständische Wirt­schaft – die der Träger der Lehre ist und am meisten Lehrlinge ausbildet  wichtig sind, wie zum Beispiel den E-Commerce-Lehrling, den Coder, die Coderin und ganz viele neue Lehrberufe, wo es um Machine to Machine, um das Internet der Dinge geht. Die­se Schritte sind ganz, ganz wichtig, damit wir nicht nur die größeren, die Leitbetriebe und die Start-ups stärken, sondern vor allem den Mittelstand, der mit jungen Men­schen, die genau das Richtige lernen, um für die Zukunft gut vorbereitet zu werden, Wis­sen hereinholen kann.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 103

Was brauchen die Mittelständischen noch? – Sie brauchen Hilfe in dem Fall, wenn sie neue Geschäftsmodelle entwickeln wollen, wenn sie Innovationen entwickeln wollen. Dafür haben wir bereits die Innovation Hubs ausgeschrieben. Die Ausschreibung ist bereits zu Ende, der Beirat evaluiert. Es soll in ganz Österreich Innovation Hubs als Anlaufstelle für die KMUs geben, und zwar das ist für Sie wahrscheinlich sehr in­teressant  in jedem Bundesland, damit jedes mittelständische Unternehmen sehr na­he Zugang hat.

Ich nenne ein Beispiel: Wenn Sie als Glockenbauer aus Innsbruck heute 3-D-Printing einsetzen wollen, dann wissen Sie vielleicht nicht so genau, wo Sie hingehen sollen. Der Innovation Hub in dem jeweiligen Bundesland soll erste Anlaufstelle sein, Unter­stützung, Hilfe, sich im Netzwerk der verfügbaren Informationen und der verfügbaren Ressourcen – und die gibt es in Österreich sehr zahlreich – leichter und einfacher zu­rechtzufinden.

Was tun wir noch? Ganz wichtig ist es, die Rahmenbedingungen für die KMUs zu schaffen. Das bedeutet auch, Nachfrage zu schaffen. Ich erwähne noch einmal den Familienbonus, eine bereits umgesetzte Leistung des Steuerpaketes, der die Nachfra­ge erhöht und vor allem den mittelständischen Unternehmen mehr Nachfrage bringt.

Die Steuerreform, die kommen wird, wird auch kleine Einkommen und kleine Unterneh­men berücksichtigen. Das haben wir immer gesagt, wir werden das auch einhalten und tun.

Wenn ich mir anschaue, wie wir übernommen haben, so sehe ich hohe Lohnneben­kosten, genau so, wie Sie (in Richtung SPÖ) es gesagt haben. Ich glaube, der Kollege ist jetzt nicht mehr da. Nein, ist er nicht? (Bundesrat Weber den Saal betretend –: Oh doch!) Interessiert ihn anscheinend nicht so sehr. Wo ist er? – Ah, da ist er, ja, genau. So, wie wir es übernommen haben, mit hohen Lohnnebenkosten, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, auch das muss ein Schritt sein – das wurde in den letzten zehn Jah­ren verabsäumt, da die richtigen Schritte zu setzen –, den Standort so attraktiv zu ma­chen, dass genügend Arbeitsplätze entstehen.

Aus meiner Sicht – und da teile ich Ihre Sicht vollkommen – geht es nicht an, dass wir eine Arbeitslosenrate in einer Hochkonjunkturphase übernommen haben, die nicht ak­zeptabel ist. Wir sehen jetzt, die Zahlen sinken und wir werden alles dazu tun, dass sie niedrig bleiben. Die Signale zeigen auch: Ja, es ändern sich die Inhalte der Berufe, ja, wir müssen viele mitnehmen. Es gibt nicht mehr das Fräulein vom Amt aus den Fünf­zigerjahren, damals gab es 2 000 Fräulein vom Amt, die gibt es heute nicht mehr. Heu­te gibt es 300 000 Menschen, die in der IT- und Telekombranche arbeiten. Jeder IT-Arbeitsplatz schafft weitere zwei bis drei Arbeitsplätze. Unsere Aufgabe ist es, alle auf diesem Weg entsprechend mitzunehmen.

Dass das gelingt, zeigen die beiden Beispiele. Eines davon ist aus Kärnten genannt worden. Bei Infineon wird es zum ersten Mal wieder Halbleiterproduktion in Europa ge­ben, mit einer Investition von 1,6 Milliarden Euro. Da geht es nicht nur um Forschung und Entwicklung, sondern wieder um produzierende Arbeitsplätze in Österreich. Zwei­tes Beispiel ist die Voest in der Steiermark, die gerade wegen der Fachkräfte dort ihre Ansiedlung macht, das digitalste Stahlwerk der Welt in Österreich – und nicht in China und nicht in den USA – baut und die entsprechenden Mitarbeiter mitnimmt. Das heißt, wir haben Zeit, es besteht kein Bedarf, Angst zu haben, sondern wir müssen alle mit­nehmen und über die unterschiedlichsten Wege, die wir haben, ausbilden. (Vizepräsi­dent Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Was für die mittelständischen Unternehmen auch noch wichtig ist – ich spreche es noch einmal an –, sind die Handelsabkommen. Die mittelständische Wirtschaft profitiert ganz besonders von ihnen. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, dass wir das immer


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im Kopf behalten. Es sind nicht die großen Unternehmen, die uns dazu brauchen, um sich die Märkte zu erobern, sondern es sind die kleinen und mittelständischen Unter­nehmen. Die müssen wir auf diesem Weg mitnehmen und die müssen wir entspre­chend unterstützen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein kurzer Hinweis noch einmal zum Thema Steuerpaket. Die Körperschaftsteuer ist für alle Kapitalgesellschaften, auch für die kleine GmbH, auch diese gibt es in Öster­reich, die Körperschaftsteuer ist nicht nur etwas für Großbetriebe. (Bundesrätin Schu­mann: Profitieren tun nur die Großen!) Körperschaftsteuer ist auch nur ein Element eines gesamten Steuerreformpaketes, das wir auf den Weg bringen werden, und zwar in der Form, dass Schulden nicht erhöht und Steuern trotzdem gesenkt werden. Das ist möglich, das schaffen Unternehmen auch.

Wir sind angetreten, das zu zeigen und werden das auch entsprechend umsetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.04


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


15.04.28

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehr­te und sehr geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Mittel­standsbericht ist wirklich sehr erfreulich.

Viel kann man dem auch nicht hinzufügen. Ich will nur ganz kurz noch erwähnt haben, dass dieser positive Wind auch trotz des Gegenwindes der wirtschaftlichen Schwan­kungen, des internationalen Wettbewerbs, aber auch der Neidgesellschaft der Klassen­kämpfer in Österreich praktisch prosperieren kann. Das ist ja nicht selbstverständlich.

Wenn ich mir Kollegen Weber angehört habe: Der hat sich fast diebisch über jeden hinzukommenden Arbeitslosen gefreut, denn da kann man Kleingeld machen. (Bun­desrat Weber: Da musst was anderes gehört haben!) Ich kann mich noch erinnern, bei 250 000 Arbeitslosen hat Rudi Kaske damals gesagt – ich habe mir das Zitat he­rausgeschrieben, lieber Rudi, damit es nicht falsch ist –: „Wenn einmal dieses Arbeits­losenheer marschiert, dann brennt die Republik.“

Das war bei 250 000. Bei 500 000 ist die SPÖ dann ein bisschen leiser geworden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da hat man dann nichts mehr vom Marschieren und nichts mehr vom Brennen gehört. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ja, das kann man alles so sagen.

Hätte man damals Arbeitskräfte, die die Wirtschaft gebraucht hätte, aus dem Ausland hereingeholt, wären die in den Arbeitsprozess integriert worden und hätten der Wirt­schaft geholfen. Ihr habt eine Industrie, eine Sozialindustrie aufgebaut, die die Wirt­schaft praktisch zusätzlich Geld kostet, die die soziale Marktwirtschaft Geld kostet. Da habt ihr natürlich geschaut, dass diese Pfründe immer breiter werden, das muss man da schon sagen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Genauso habt ihr beim 12-Stunden-Tag gesagt, wie schrecklich alles ist. (Ruf bei der SPÖ: Arbeiterkammerwahl ist schon vorbei!) Jetzt hat sogar die Gemeinde Wien ge­sagt, na ja, so schlimm ist das gar nicht, wenn die Arbeitnehmer wollen, dann dürfen sie 12 Stunden arbeiten. Bei der Fernwärme zum Beispiel: Es wird euch ja bekannt sein, dass die Fernwärme in vielen Bereichen den 12-Stunden-Tag eingeführt hat, da­für die Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung der Mitarbeiter wesentlich besser sind, und sie selber das so wollen. (Bundesrätin Grimling: Und das als Arbeitnehmervertre­ter! Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Wenn ihr sagt, „das als Arbeitnehmerver­treter“, ich kann euch nur vorhalten: Ihr habt alle Säulen der Sozialdemokratie abge-


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baut. Wenn man sich anschaut, wie ihr praktisch damals den Streikfonds des ÖGB in den Sand gesetzt habt! Über Jahrzehnte wurde in diesen Streikfonds einbezahlt, ihr habt ihn praktisch ruiniert. Ihr habt dann auch den Konsum niedergewirtschaftet.

Das, was ganz, ganz schlimm ist, da man ja auch eine Kontrolle braucht, denn überall, wo es viel Licht gibt, gibt es auch manchmal Schatten durch schwarze Schafe: Da braucht man zum Beispiel den Konsumentenschutz. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wer hat den Konsumentenschutz in den Händen? In der Arbeiterkammer hat man den Konsu­mentenschutz an die Wand gefahren. Es gibt eine Unterdeckung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Wirtschaftsprüfer haben geraten, die Arbeitnehmer im Konsumenten­schutz abzubauen. Wisst ihr, was das heißt? – Die dritte Säule der Demokratie ist am Eingehen. Das schreibe ich euch ins Stammbuch. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.08


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Sonja Zwazl zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.08.19

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Lieber Kollege Martin Weber! Ich habe mir jetzt die Zahlen vom AMS geholt. Die Arbeitslosigkeit 50 plus ist gesunken. Das ist schön, das soll man nicht schlechtreden und sagen, sie sei gestiegen. Das stimmt nicht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bei uns in Niederösterreich ist es so, dass die Arbeitslosigkeit 50 plus um 0,6 Prozent gesunken ist, insgesamt um 7,2 Prozent. Österreichweit schaut es positiver aus als bei uns. Da gibt es von März 2018 bis März 2019 um 1 280 Arbeitslose 50 plus weniger, das sind 1,3 Prozent. Die Zahlen sind vom AMS, die stehen euch genauso zur Verfü­gung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.09

15.09.15


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort ist dazu niemand mehr ge­meldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.09.3511. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2019) (607/A und 545 d.B. sowie 10146/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Ta­gesordnung, zu dem ich Herrn Vizekanzler Heinz-Christian Strache herzlich bei uns begrüße. – Willkommen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Michael Schilchegger. – Ich bitte um den Be­richt.


15.10.03

Berichterstatter MMag. Dr. Michael Schilchegger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Damen und Herren im Saal! Liebe Zuseher! Für den


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Ausschuss für Verfassung und Föderalismus darf ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Be­amten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienste­tengesetz 1948 geändert werden, kurz Dienstrechts-Novelle 2019, bringen. Damit ver­bunden sind diverse legistische Verbesserungen sowie redaktionelle Berichtigungen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach erfolgter Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile es ihr.


15.11.14

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Der Überbe­griff Bundesdienstrecht umfasst alle Regelungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundesdienstes. Das Bundesdienstrecht bildet daher den rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit beim Bund.

Der Einsatz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sichert die Kontinuität der Bundesver­waltung – trotz der ständigen Mehrbelastung durch Personalabbau, Nichtnachbeset­zung von frei werdenden Planstellen, Aufnahmestopp und völliger Zurücknahme des öffentlich-rechtlichen zugunsten des privatrechtlichen Dienstverhältnisses. Trotz der oft schwierigen und hohen Belastungen leisten die öffentlich Bediensteten ausgezeichnete Arbeit.

Den Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung Rechnung tragend kommt eine ganze Reihe von Gesetzen zur Anwendung. Notwendige Anpassungen und Ergänzungen müssen daher oftmals durch die Novellierung einschlägiger Einzelgesetze getroffen werden. So wurden im Vorjahr bereits zwei derartige Gesetzeswerke verabschiedet. Dass mit der nunmehr vorliegenden Dienstrechts-Novelle 2019 schon wieder Änderun­gen notwendig sind, unterstreicht die stetigen Veränderungen in der Leistungspalette des öffentlichen Dienstes und die ständig neuen Herausforderungen, denen sich die öffentlich Bediensteten im öffentlich-rechtlichen beziehungsweise im privatrechtlichen Dienstverhältnis stellen müssen.

Üblicher- und sinnvollerweise ergeben sich die inhaltlichen Veränderungen durch einen Findungsprozess in Verhandlungen zwischen dem Dienstgeber Bund und den Gremien der Gewerkschaft und der Personalvertretungen, deren Ergebnisse sodann nach ei­nem ordentlichen Begutachtungsverfahren in eine parlamentarische Vorlage eingehen. Nichts davon ist im vorliegenden Fall geschehen. Aus einem harmlosen Initiativantrag ist schließlich durch mehrere Ergänzungen in einer Art Husch-Pfusch-Verfahren eine Mogelpackung entstanden, um einige aus der Sicht der Oppositionsparteien – ein­schließlich ihrer Gewerkschafts- und Personalvertretungsorgane – unannehmbare Neu­regelungen einzuführen. Das ist zum Beispiel die völlig unausgegorene Karfreitagsre­gelung, die sich gänzlich gegen die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin­nen richtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Anstatt dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes zu folgen und allen Arbeitneh­mern und Arbeitnehmerinnen am Karfreitag einen Feiertag zu gewähren, können etwa auch Beamte und Beamtinnen künftig einen ihrer Urlaubstage zum persönlichen Fei­ertag erklären, aber – anders als in der Privatwirtschaft – auch an diesem speziellen Tag zum Dienst verpflichtet werden. Die Umsetzung des persönlichen Urlaubstages


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wird in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes – zum Beispiel bei der Polizei und der Justiz – schwierig werden. Besonders negativ ist, dass die evangelischen, altkatho­lischen und methodistischen öffentlich Bediensteten ihren Feiertag verlieren, genauso wie alle anderen Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaften. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf eine Gruppe vergisst die Regierung aber nicht, nämlich auf die von ihr installierten elf Generalsekretäre und die eine Generalsekretärin. Diese Minderheit auf der Füh­rungsebene, die nicht dem Ausschreibungsgesetz unterliegt, musste aus Sicht der Bundesregierung verbesserte Bedingungen erhalten, und so wurde die höchstmögliche Bezahlung für sie in das Gesetz verpackt. Es braucht aber keine zwölf hoch bezahlten Generalsekretäre oder 216 Personen mit Sonderverträgen, die sich die Regierung in den Ministerbüros gönnt, sondern mehr Personal in Verwaltung und Vollziehung. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Resümee: kein Feiertag für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber die höchst­mögliche Bezahlung für die Generalsekretäre. Deswegen sieht sich meine Fraktion ge­zwungen, diesem Gesetzeswerk die Zustimmung zu verweigern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.16


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich erteile es ihr.


15.16.57

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Plenarsaal und Zu­seher via Livestream! Wir reden heute über ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetenge­setz 1948 geändert werden sollen. Zusammengefasst ist es in der Dienstrechts-Novel­le 2019.

Die gesetzlichen Bestimmungen, über die wir sprechen, sind zum Teil älter als der Großteil der hier anwesenden Mitglieder des Bundesrates. Es gibt in den verschie­densten Formen Adaptierungen und Neuerungen. Ich verwehre mich allerdings gegen die Bezeichnung Husch-Pfusch-Aktionen – wie Sie das genannt haben, liebe Frau Kol­legin Grimling –, denn es haben sehr wohl viele daran mitgewirkt (Bundesrat Schen­nach: Das Thema Pfusch ist aber von der Regierung, das hat Blümel schon verwendet!), um dieses Gesetz, diese Dienstrechts-Novelle 2019, auf ordentliche Beine zu stellen.

Das Thema der Generalsekretärinnen und Generalsekretäre für die Ministerien haben Sie ja schon weidlich besprochen. Generalsekretäre werden nach normalen Verträgen bezahlt. Generalsekretäre haben eine besondere Aufgabe, sie sind ihren Ministern in einer Vertrauensposition mit Transparenz und Loyalität zugeordnet, und das ist etwas ganz Wesentliches, um eine ordentliche Regierungsarbeit machen zu können. (Beifall des Bundesrates Steiner. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Karfreitagsregelung haben Sie (in Richtung SPÖ-BundesrätInnen, die große rote Anstecker tragen) ebenfalls angesprochen, und Sie sind auch mit diesen roten Badges dekoriert. Das Thema Karfreitagsregelung haben wir uns alle nicht gewünscht, wir ha­ben es aber in der letzten Bundesratssitzung und in verschiedensten medialen Debat­ten schon hinlänglich besprochen. Bei der Karfreitagsregelung in dieser Dienstrechts-Novelle geht es darum, dass die Regelungen – der persönliche Feiertag – nun auch für den öffentlichen Dienst umgesetzt werden, und zwar so, wie es auch in der Privatwirt­schaft der Fall ist. Es geht um das gleiche Recht für Angehörige aller Konfessionen. Das ist die Korrektur, die in diesem Gesetz für die Beamtinnen und Beamten gemacht wird.


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Was auch noch ein wesentlicher Teil ist, ist die Klarstellung, dass karenzierte Bundes­beamte keine Nebentätigkeit beim Bund ausführen dürfen, da eine Nebentätigkeit auch eine Haupttätigkeit voraussetzt. Da ist ein privatrechtlicher Vertrag notwendig. Es geht um die Rechtssicherheit für die Sozialversicherungsträger. Ich denke, das ist etwas Not­wendiges.

Etwas, das eher eine technische Korrektur ist, aber für viele einen Unterschied in emo­tionaler Hinsicht ausmacht: In § 4 des Gehaltsgesetzes wird der Begriff „uneheliche Kin­der“ durch „eigene Kinder“ ersetzt. Das wurde bereits 2013 beschlossen, aber erst jetzt umgesetzt.

Wir versuchen also, mit dieser Dienstrechts-Novelle vieles geradezurücken, was in den letzten Jahren – auch unter roter Kanzlerschaft – nicht passiert ist; daher ist es selbst­verständlich, dass die ÖVP dieser Dienstrechts-Novelle zustimmen wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.20


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.20.52

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bun­desräte! Grundsätzlich zur Behandlung der Dienstrechts-Novelle, aber, da gesagt wor­den ist, es würden im öffentlichen Dienst Beamte abgebaut, eingangs schon noch kurz klarstellend und richtigstellend: Das Gegenteil ist der Fall. Bei 70 Prozent aller Beam­ten im öffentlichen Dienst, nämlich bei jenen, die dem Sicherheitsbereich zugeordnet sind, wie Polizei, Justizwache oder Landesverteidigung, und gerade auch bei jenen im Bereich des Bildungsressorts, gibt es genau das Gegenteil, die Regierung hat nämlich an einem Ausbau der Planstellen festgehalten.

Wir haben 4 200 neue Planstellen bei der Exekutive geschaffen. Wir haben die 75 Plan­stellen bei der Justizwache, die unter einem roten Bundeskanzler hätten abgebaut wer­den sollen, gerettet und haben 100 zusätzliche neue Justizwacheausbildungsplanstel­len geschaffen. Wir haben im Bereich der Bildung Hunderte zusätzliche neue Planstel­len geschaffen, nämlich über 500. Da ist also wirklich etwas in Bewegung, und das ist genau das Gegenteil von dem, was die Frau SPÖ-Bundesrätin zum Besten gegeben hat. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Das stimmt nicht!)

Nur kurz noch einmal darlegend, was die Dienstrechts-Novelle, die Verankerung des persönlichen Feiertages und die Aufwertung eines persönlichen Urlaubstages betrifft: Der EuGH hat zum Karfreitag ein Urteil gefällt, das man zur Kenntnis nehmen muss, das hat mit Unterstützung der Arbeiterkammer leider Gottes diesen Gang genommen. Wir haben ein Urteil erhalten, das leider nicht die positive Diskriminierung hervorge­kehrt hat. Das wäre nämlich eine gute Möglichkeit gewesen, denn eigentlich waren da­vor alle zufrieden; leider hat man sich aber nicht darauf bezogen und verlangt, die Dis­kriminierung abzustellen. Mit der Einführung des persönlichen Feiertages und der Auf­wertung eines persönlichen Urlaubstages sind wir da zu einer guten Lösung gekom­men. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Sie müssen über sich selbst lachen!)

Damit Sie wissen – ja, ich sage es Ihnen gerade –, welche große Problematik Sie an­sprechen: Wir haben die Frist zur Anmeldung des persönlichen Feiertages hinter uns. Ich gratuliere Ihnen, elf Personen von 140 000 öffentlich Bediensteten im Bundesdienst haben den persönlichen Urlaubstag für den Karfreitag beantragt (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP), und im Bereich der Landesverteidigung sind es 120. Das ist also mit insgesamt über 130 Betroffenen wirklich etwas (Zwischenruf der


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Bundesrätin Grimling), von dem man sagt, man muss da die Wertigkeit bemessen. Ich hätte mich gefreut, hätten wir den alten Zustand behalten. – So viel zum Thema der Wertigkeit, nämlich wie viele einen Antrag gestellt haben und diesen persönlichen Ur­laubs- und Feiertag am Karfreitag demnächst in Anspruch nehmen wollen; nur damit wir wissen, wovon wir reden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Die Anzahl der gesetzlichen Feiertage lag immer bei 13, und diese Regierung sichert diese 13 gesetzlichen Feiertage. Da hat sich nichts verändert, da ist niemandem etwas weggenommen worden – im Gegenteil. Das ist schon etwas, das man hervorheben muss: Wir sind mit 13 gesetzlichen Feiertagen im Spitzenfeld Europas und wir sind stolz darauf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Bundesdienst ist es, wenn es um die Ein­satzbereitschaft zentraler staatlicher Institutionen wie Polizei, Justizwache, Bundesheer oder Katastrophenschutz geht, natürlich notwendig, auch zu gewährleisten, dass die öf­fentliche Sicherheit nicht gefährdet ist. Da gibt es auch Ausnahmen, die im Dienstrecht festgehalten sind, denn man muss gegebenenfalls natürlich die Dienstpflicht sicherstel­len, aber dann gibt es auch die entsprechenden Sonn- und Feiertagsvergütungen für die betroffenen Beamten.

Der Vollständigkeit halber: Die Lehrpersonen sind natürlich ausgenommen, denn für die­se gilt ein anderes Ferialregime, die fallen da gar nicht hinein.

Die vorliegende Regelung ist auch – der Wahrheit zuliebe, da das vonseiten der SPÖ-Bundesrätin ebenfalls falsch dargestellt worden ist – in Abstimmung mit den Gewerk­schaften erfolgt und nicht gegen die Gewerkschaften. Die Gewerkschaften haben zu­gestimmt. Im Übrigen hat ursprünglich auch Bischof Bünker zugestimmt und hat die Zu­stimmung erst dann, nachdem er sie zum Besten gegeben hatte, wieder zurückgenom­men. (Bundesrat Rösch: Das ist der SPÖ auch schon passiert!)

Das heißt nun auch für den Bundesdienst, dass alle diesen Anspruch geltend machen können – die Zahl habe ich Ihnen genannt. Natürlich besteht wie in der Vergangenheit für die Ressorts – das ist seit dem Jahr 1963 verankert, das bleibt bestehen – im Sinne einer Ermächtigung die Möglichkeit, allen Mitarbeitern im öffentlichen Dienst ab 12 Uhr freizugeben. Das finde ich gut, denn auch in der Privatwirtschaft leben das viele. In der Privatwirtschaft sind viele Betriebe so aufgestellt, dass sie am Karfreitag freiwillig ab 12 Uhr zusperren und allen Mitarbeitern freigeben (Bundesrätin Schumann: Genau!), und das ist ein gutes Prinzip. (Bundesrätin Schumann: Aber wir wollen es für alle!)

Wenn es um die Nebentätigkeit von Beamten geht: Wir haben auf Basis des Erkennt­nisses des Verwaltungsgerichtshofes eine notwendige Klarstellung getroffen. Wenn Sie meinen, das sei ein Pfusch, dann sei Ihnen das anheimgestellt. Das Gegenteil ist der Fall.

Zur formalen Berichtigung der gesetzlichen Bestimmung zum Kinderzuschuss: Da ist mit Wirksamkeit von 31. Jänner 2013 der Begriff „uneheliche Kinder“ eigentlich besei­tigt worden, nur haben das rote Bundeskanzler in der Vergangenheit in der Realität, nämlich in der gesetzlichen Formulierung, nicht beseitigt, und somit haben wir den Pfusch der Vergangenheit endlich korrigiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es um die Maßnahme geht, die Sie angesprochen haben: Ja, es hat einen IT-Fehler gegeben – dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler –, deshalb hat hier heu­te auch eine Reparatur zu erfolgen. Wir haben 5 000 Gehaltsansätze im Dienstrecht valorisiert. Diese Valorisierung erfolgt automatisationsunterstützt, und da hat es eine schadhafte Software gegeben, durch die Bestimmungen, die gesetzlich gegolten ha­ben, irrtümlich gelöscht und damit außer Kraft gesetzt worden sind.

Sie wissen, dass es eine Qualitätssicherung gibt, und zwar durch die Fachsektion, die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und die Bundesbesoldung. Alle diese drei Bereiche


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haben das leider nicht rechtzeitig entdeckt. Man ist erst, nachdem der Fehler schon in Rechtskraft übergegangen ist, draufgekommen. Wir reparieren nun diesen Fehler zeit­nah und machen nichts Neues, sondern das ursprünglich geltende Gesetz wird wieder sichergestellt, das heißt, der alte, bisher gültige Standard wird wiederhergestellt und nie­mand wird bessergestellt.

Wenn Sie von falschen Behauptungen sprechen, so muss ich Ihre falschen Behaup­tungen auf Basis von Fakten zurückweisen: Die Generalsekretäre haben ausdrücklich keine Sonderverträge – da sind Sie leider falsch informiert –, im Gegenteil, sie haben wie Sektionschefs normale Dienstverträge.

Darüber hinaus muss man vielleicht auch festhalten: Die Einzelfallgenehmigungen von Sonderverträgen betreffen eben ausdrücklich nicht die Generalsekretäre, wie Sie fälsch­licherweise immer wieder in den Raum stellen, sondern die vielen Polizeischüler, die wir nun, zum Glück, im Rahmen einer Ausbildungsoffensive einstellen. Diese haben nämlich Sonderverträge, wie auch die Piloten beim Bundesheer und die Ärzte und Psychologen in den Haftanstalten und vor allem auch im Schulbereich Sonderverträge haben. Das sind die Sonderverträge, die Sie abstellen wollen?! – Na, dann schauen wir lieb aus in Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall bei der FPÖ), denn dann finden Sie alle diese qualifizierten Personen nicht, die wir brauchen und die notwendig sind! Damit würde das System wirklich zusammenbrechen – das werden sich diese Herrschaften sicherlich merken. So gesehen ist es wichtig, gewisse Berei­che auf Basis von Fakten klarzustellen.

Abschließend darf ich noch darauf verweisen, dass das Durchschnittseinkommen der Bediensteten mit Sonderverträgen im Jänner 2019 im Vergleich zu Jänner 2018 ge­sunken ist. Das heißt, ich sage Ihnen Danke für die Zahlen, die Sie immer wieder in den Raum stellen, denn Sie kolportieren da etwas, von dem genau dokumentiert ist, dass wir im Bereich der Sonderverträge sparsamer und effizienter arbeiten als die rote Vorgängerregierung. (Beifall bei der FPÖ.)

So gesehen auch ein Danke für die Aufklärung der Fakten und für Ihre Beiträge, bei denen man nämlich, wenn man das sachlich herunterbricht, ganz genau sieht, wie es wirklich ist! (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

15.30


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Martin Weber zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.30.07

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Ich möchte die Diskussion über das Stehlen eines Feiertages kurz mit einer tatsächlichen Berichtigung in Richtung Kollegin Zwazl unterbrechen: Laut AMS-Zahlen waren im Februar 2019 110 842 Menschen 50 plus als arbeitslos vorgemerkt. Das stimmt, das war ein Minus von 1,3 Prozent ge­genüber dem Vorjahr. In meiner Rede habe ich aber von den Langzeitbeschäftigungs­losen 50 plus gesprochen. Das waren 45 236, und das ist ein Anstieg von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Frau Kollegin, wenn fast 50 000 Menschen 50 plus länger als ein Jahr ohne Job sind, kann uns das doch nicht zufriedenstellen! (Bundesrat Längle: Das ist keine Berichti­gung!) – Ja, sicher ist das eine Berichtigung! (Beifall bei der SPÖ.)

15.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich bitte darum, sich, wenn man eine tat­sächliche Berichtigung macht, auch wirklich nur an die Berichtigung zu halten und nicht inhaltlich zu werden.


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. Ich erteile es ihm.


15.31.36

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Kollegen im Bundesrat! Werte Zu­schauer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! An der Reaktion auf Ihre Rede, Herr Vizekanzler, hat man gemerkt, dass Sie anscheinend den Nerv der SPÖ eindeutig getroffen haben. Das ist aber auch, muss ich einmal sagen, nicht recht schwer, denn die Nerven liegen bei der SPÖ offensichtlich blank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir beschäftigen uns hier tatsächlich mit einer relativ unspektakulären und notwendi­gen Reform im Beamtendienstrecht, und was macht die SPÖ? – Viel Lärm um nichts, wie gehabt. Egal, was von dieser Regierung kommt – ganz egal, was –, geht es nach der SPÖ, ist es automatisch schlecht. Wenn diese Regierung den Welthunger stillen und den Weltfrieden herstellen könnte, dann würde die SPÖ das noch immer schlecht­reden. (Bundesrätin Mühlwerth: Die eigene Enquete haben sie niedergestimmt!) Nein, wir können leider weder das eine noch das andere bewerkstelligen. Was wir können, ist, das Beste für unsere Landsleute zu machen, und das tun wir und das tut auch diese Regierung. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Der Herr Vizekanzler hat sehr vieles meiner Rede vorweggenommen, daher werde ich das jetzt nicht wiederholen. Ich gehe ganz kurz auf die Gesetzesänderungen im Rah­men dieser Dienstrechts-Novelle ein, besonders auf jene, bei denen es um diesen IT-Fehler ging. Der Herr Vizekanzler hat es richtig gesagt: Dort, wo gearbeitet wird, pas­sieren Fehler. – Das ist so. Die Beamtin hat es in der Ausschusssitzung sehr glaub­würdig zum Ausdruck gebracht, dass da einfach ein Fehler passiert ist. Das tut ihr auch sehr leid. Das ist es nun einmal.

Eine Ausnahme gibt es da bei der SPÖ: Die machen auch Fehler, wenn sie nicht ar­beiten. Das haben sie ja heute bei der Abstimmung, bei der es um die Enquete zum Thema Trinkwasser gegangen ist, schon zum Ausdruck gebracht.

Im Nationalrat hat die SPÖ sogar behauptet, ein Generalsekretär würde 800 000 Euro verdienen. Das ist sehr witzig, denn das ist dieselbe SPÖ, die noch vor circa einem Jahr behauptet hat, diese neue Regierung kaufe Dienstwägen im Wert von 2 Milliarden Euro an. Also ich habe noch keinen von unseren Ministern mit dem Eurofighter herum­fliegen sehen – ansonsten kann ich mir nur schwer vorstellen, wie man auf 2 Milliarden Euro kommen könnte, aber gut. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Zum Karfreitagsurteil, meine Damen und Herren: Die rote Arbeiterkammer hat da Feu­er gelegt und schreit jetzt, weil diese Regierung dieses Feuer löscht. Ja, stimmt, wir ha­ben es gelöscht, nicht von links, so wie Sie das gerne gehabt hätten, aber es hat funk­tioniert. Im privaten Bereich ist es schon umgesetzt worden, bei den Bundesbedienste­ten muss es jetzt umgesetzt werden, damit auch bei diesen ein Anspruch auf einen einseitig bestimmbaren Feiertag zur Geltung kommt.

Sehr wohl gibt es da Ausnahmen – auch das wurde angesprochen –, nämlich wenn es darum geht, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sicherzu­stellen. Das ist wichtig. Bei der Polizei, bei der Justizwache, beim Bundesheer, im Ka­tastrophenschutz, aber natürlich auch in Spitälern muss gewährleistet sein, dass im Ernstfall Personal vorhanden ist.

Ich kann Ihnen aus persönlicher Erfahrung ganz klar sagen: Diese Beamten tun das auch sehr gerne. Sie sind immer dann zur Stelle, wenn man sie braucht, unabhängig davon, wie sehr die Sozialisten immer dieses Beamtenbashing betreiben, wie sehr die­se Berufsgruppe immer wieder von den Sozialisten gering geschätzt wird oder in den


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letzten Jahren unter einer Beamtenministerin und auch unter einer Staatssekretärin ge­ring geschätzt wurde. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die Änderungen im Gehaltsgesetz, bei denen es nur um eine Begrifflichkeit geht, sind auch bezeichnend – auch das wurde mehrmals erwähnt. Das ist etwas, das in Wahr­heit schon 2013 gemacht wurde, aber es bedarf dieser Regierung, damit das jetzt end­lich umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, ich will Ihnen da gar nichts Bösartiges un­terstellen, ich glaube, es liegt einfach nur an der Faulheit – vielleicht ist das der Grund dafür gewesen (Bundesrätin Grimling: Was?), dass nichts umgesetzt wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir werden gegen diese sinnvollen und notwendigen Ände­rungen natürlich keinen Einspruch erheben. Sei es, wie es sei, wir wissen, was wir an unseren Beamten haben, sie sind immer für die Anliegen da. (Zwischenruf der sich zum Präsidium begebenden Bundesrätin Grimling.) – Frau Kollegin, es ist eine Unart, wenn man da vorbeigeht und dann vor dem Rednerpult spricht; Sie können sich je­derzeit zu Wort melden!

Unsere Beamten sind immer für die Anliegen, Probleme, Wünsche, Ängste und Be­schwerden unserer Landsleute da. (Bundesrätin Schumann: Unsere Vertragsbediens­teten auch!) Sie setzen pflichtbewusst um, was ihre Vorgaben sind. Ohne unsere Be­amten würde unser Staat nicht funktionieren; daher kann ich nur sagen: Danke, meine Damen und Herren, für Ihren Einsatz, für die großartige Arbeit, die Sie leisten, und Danke unserem für unsere Beamten zuständigen Minister, unserem Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der ihnen auch immer wieder die entsprechende Wertschätzung ent­gegenbringt! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.37


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm.


15.37.48

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesräte! Was ich da höre, versetzt mich schon in Erstaunen: Ich habe auf einmal einen Urlaubstag weniger, da ein Feiertag für Evange­lische abgeschafft wurde, und jeder von den Regierungsparteien sagt, das sei ja ganz toll.

Das Gerichtsurteil lautet, dass eine Gleichstellung hergestellt werden soll. (Bundesrat Steiner: Die ist jetzt hergestellt!) Diese Gleichstellung hätte man aber auch herstellen können, indem man den anderen einen Feiertag gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Ihr erzählt mir auf einmal, das sei nicht möglich, denn wir müssen allen gewährleisten, dass es so weitergeht, wie es war. – Was ist denn mit den katholischen Feiertagen? Da funktioniert das nicht? Da haben wir die ganzen Kranken­schwestern nicht im Dienst? Da haben wir die Polizei nicht im Dienst? Das ist alles noch gegangen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Warum regst du dich denn so auf, weil du ein Verfechter davon bist oder weil du nicht verstehst, worum es geht?! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mir da eigentlich darum gegangen, dass wir eine Reparatur machen. Es ist gar keine Frage, wenn ein Fehler passiert, muss dieser Fehler repariert werden – da haben wir nichts dagegen. Es geht aber auch darum, dass es Menschen gibt, die Sonderver­träge oder andere Verträge haben und nicht in dieses Beamtendienstrecht hineinfallen. Da zu sagen, es seien die Verträge für die Polizeischüler, die uns in die Bredouille bringen, ist ein Scherz, ist eigentlich wirklich - - Denkt einmal darüber nach! Ich will nicht sagen, was es wirklich ist.


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Ihr sagt alle immer: Wir müssen Ausgleich schaffen! – Was haben wir denn beim Aus­gleich hinsichtlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Schaut euch doch bitte einmal das Beamtendienstrecht an – wenn ihr es versteht –: Es gibt dort Menschen, die ganz ein­fach auch höher verwendet werden und die nicht das gleiche Geld für die gleiche Ar­beit bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Wir können nicht in einem Jahr den ganzen Scherbenhaufen von 20 Jahren Sozialismus aufarbeiten!) – Nicht Scherbenhaufen vom Sozialismus! Ihr seid so schnell dran, dass ihr in dieser kurzen Zeit wesentlich mehr Scherbenhaufen angerichtet habt als wir in 30 Jahren! So ist es! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Also bleiben wir bei den Tatsachen, bleiben wir dabei. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind wirklich unwahre Behauptungen der SPÖ!) – Wenn wir jetzt bei den unwahren Be­hauptungen sind – eigentlich wollte ich meine Rede schon beenden –: Wir liegen hin­sichtlich der Feiertage im Spitzenfeld? – Wir liegen im Mittelfeld, darüber gibt es Statis­tiken! Also was erzählt ihr uns da? (Bundesrat Steiner: Bei den Kinderfreunden!) – Nicht bei den Kinderfreunden, aber zu denen solltest du einmal gehen!

Wir sind im Mittelfeld und nicht im Spitzenfeld. Es gibt wesentlich mehr Länder, die mehr Feiertage als wir haben – das sind Statistiken, da könnt ihr nicht drüberspringen, auch wenn ihr das Gegenteil behauptet. (Bundesrätin Mühlwerth: Muslimische Länder werden schon mehr Feiertage haben!) Also seid ein bisschen gerechter, formuliert es ein bisschen anders, dann werden wir kein Problem haben! (Beifall bei der SPÖ.)

15.41


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache. – Bitte, Herr Vizekanzler.


15.41.53

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Danke auch für Ihren Redebeitrag zum Schluss, vielleicht aber doch noch ein paar Darlegungen dazu: Ich verstehe schon, dass man vonseiten der Sozialisten vielleicht sehr locker aus der Hüfte heraus sagt: Es geht immer noch mehr!; ich frage mich aber, warum Sie das nicht schon in den letzten elf Jahren durchgesetzt haben. Man kann es natürlich, nachdem man das alles elf Jahre lang nicht gemacht hat, dann im Nachhinein einfordern; diese Frage bleibt aber offen. Sie hätten elf Jahre Zeit ge­habt, das alles mit Ihrem Bundeskanzler zu machen.

Geht man dann her und trifft – wie Sie richtig gesagt haben – eine Bewertung, ist fol­gende Bewertung zu treffen: Es gibt nun eine Regierung, die erstmals seit dem Jahr 1954 keine neuen Schulden macht (Beifall bei der FPÖ), die erstmals seit 1954 ei­nen Budgetüberschuss macht (Bundesrat Schabhüttl: Das ist nicht euer Verdienst! Das könnt ihr ja gar nicht in einem Jahr!), einen Budgetüberschuss von über 420 Mil­lionen Euro, und das ohne neue Steuern, ohne Steuererhöhungen, ohne Belastungen! Wir schaffen es erstmals seit langer, langer Zeit, dass die Schuldenquote in Österreich sinkt und damit letztlich nicht unsere Kinder und Kindeskinder belastet werden, wie Sie das gemacht haben.

Wir schaffen mit den Maßnahmen, die in Umsetzung gegangen sind, erstmals Entlas­tungen für arbeitende Menschen und Familien – im Unterschied zu Ihnen! (Bundesrätin Grimling: Wo?) Wir schaffen erstmals eine Situation, in der die Arbeitslosigkeit deut­lich sinkt – im Unterschied zu Ihnen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir schaffen es erstmals auch, hinsichtlich des Wirtschaftswachstums vor Deutschland zu liegen. Bis dato war immer das Gegenteil der Fall. Wir waren immer hinter den Deutschen, und wenn die Deutschen einen Husten gehabt haben, haben wir eine wirt­schaftspolitische Lungenentzündung bekommen. Erstmals liegen wir bei allen Daten des Wirtschaftswachstums doppelt so hoch wie Deutschland. Das hat ja auch Gründe,


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und diese Gründe sind einfach klar gelagert: eine gute Wirtschaft, aber auch eine posi­tive Stimmung dank dieser Regierung und der richtigen Maßnahmen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

An all diesen Daten können wir – im Unterschied zur Vorgängerregierung – eines be­messen: Es geht bergauf, und das ist die Realität! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

15.44

15.44.17


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.44.4412. Punkt

Bericht des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2019 (III-674-BR/2019 d.B. sowie 10140/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu Punkt 12 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich bitte um den Bericht.


15.45.02

Berichterstatterin Marlies Steiner-Wieser: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich erstatte Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Bericht des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2019.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Bitte.


15.45.38

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zur zwischenzeitlichen Nervenberuhi­gung widmen wir uns ein paar Minuten dem Sport. Der EU-Arbeitsplan 2017 bis 2020 für den Sport weist folgende Schwerpunkte und Prioritäten auf: Neben der Integrität des Sports, der wirtschaftlichen Dimension und dem Kampf gegen Doping wird speziell auch der Zugang zu organisiertem Sport für Menschen mit geringeren Möglichkeiten und Behinderungen eine wichtige Rolle spielen.

Diese Sportlerinnen und Sportler mit Beeinträchtigung haben uns und ganz speziell mich letztes Jahr im Juni bei den Sommerspielen im oberösterreichischen Vöcklabruck sehr beeindruckt. Mehr als 1 500 Athleten mit den unterschiedlichsten körperlichen Einschränkungen haben dort für eine unglaublich emotionale Veranstaltung mit abso­luten Spitzenleistungen gesorgt. Also ich kann nur sagen: allerhöchsten Respekt vor diesen wirklich bewundernswerten Menschen!


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Das Sportland Oberösterreich hat in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle und setzt be­reits einige Themen um, die im EU-Arbeitsplan priorisiert sind. Neben den Eltern als Vorbild und Förderer sind es vor allem auch die Schulen und Vereine, die ein wichtiges Fundament für den Breiten- und Leistungssport bilden. Hierzu gibt es die Angebote der Sportvereine, wo gut geschulte Trainerinnen und Trainer mit den Schulen hervorra­gend zusammenarbeiten. Mit Schulbeginn 2018/2019 startete in Oberösterreich erst­mals ein Unterstufenmodell für den Leistungssport. Im Georg-von-Peuerbach-Gymna­sium können junge Sportlerinnen und Sportler ab dem Alter von zehn Jahren eine ei­gene Sporttalenteklasse besuchen. Die Schüler haben wöchentlich bis zu 8 Sportstun­den, in der Oberstufe steht auch das Unterrichtsfach Sportkunde auf dem Lehrplan.

Sport ist eine Lebensschule. Durch den Sport lernt man, mit Siegen und noch mehr mit Niederlagen umzugehen, sich zu motivieren, durchzubeißen und nicht aufzugeben.

Mit der Gründung des Vereins Talentezentrum Sportland Oberösterreich ist eine wichti­ge Maßnahme der neuen Sportstrategie OÖ 2025, die Weiterentwicklung des Nach­wuchsleistungssportmodells, umgesetzt und zugleich auch eine Vorgabe des Bundes erfüllt worden. Wir müssen den Menschen klarmachen: Bewegung steigert nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Fitness und ist ein wesentlicher Baustein für ein gesundes Leben. Für Kinder und Jugendliche muss die Bewegung eine tägliche Selbstverständlichkeit in der Schule und auch später im weiteren Leben sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und genau da gibt es noch sehr großen Auf­holbedarf. Laut einer Studie der EU-Statistikbehörde Eurostat machen fast 30 Prozent der Arbeitnehmer in der EU neben dem Job gar keinen Sport. Österreich liegt in die­sem Ranking leicht über dem Durchschnitt. Ich darf in diesem Zusammenhang einen der erfolgreichsten Sportler Österreichs und mehrfachen Olympiasieger, Felix Gott­wald, zitieren, der in einem Interview gesagt hat: „Es geht ums Tun, um Commitment und den Fokus. Solange wir den Fokus auf die 0,1 Prozent richten, die das Zeug zum Weltmeister haben, und nicht auf jene 99,9 Prozent der Gesellschaft, die ihre Welt zu meistern haben, so lange werden wir eine Schnitzel- und Spritzernation bleiben. Wenn Sport und Bewegung in unserer Gesellschaft so normal wird, wie Schnitzel gegessen und Bier und Wein getrunken wird, dann haben wir es geschafft. Meiner Auffassung nach sind unsere gesellschaftlichen Herausforderungen wie Bildung, Gesundheit, Inte­gration und Migration nur mithilfe des Sports zu meistern.“

Meine Damen und Herren, auf dem Weg zur Sportnation, die auf jeden Fall unser An­spruch sein muss, ist es unausweichlich, aus der gewohnten Komfortzone auszubre­chen. Und das ist gar nicht so schwierig, es ist eine Kopfsache und erfordert lediglich eine gewisse Konsequenz: Ich fahre ein paar Kilometer mit dem Rad, gehe zu Fuß ein­kaufen oder nehme am Bahnhof ganz bewusst nicht die Rolltreppe, sondern die Stu­fen, und so weiter – da gäbe es ganz viele Beispiele. Irgendwann entwickelt sich dahin gehend eine Selbstverständlichkeit und motiviert vielleicht dazu, wieder mehr Fokus auf Sport und Bewegung zu legen. Kleine Schritte sind besser als keine Schritte.

Sport hat nicht nur eine große soziale und gesundheitsfördernde Komponente, auch die wirtschaftlichen Impulse des Sports sind von enormer Bedeutung, wenn man das Potenzial europaweit ausschöpft. Der Sport leistet in Österreich einen rund doppelt so hohen Beitrag zum BIP wie im europäischen Durchschnitt. Auch auf kleinräumiger, re­gionaler Ebene ist die Bedeutung des Sports enorm. Er ist ein Treiber der heimischen Wirtschaft. Im oberösterreichischen Ottensheim finden heuer von 25. August bis 1. September die Ruderweltmeisterschaften statt, eine Supersache für diese Region, denn diese Veranstaltung wird international für Aufmerksamkeit sorgen. Dadurch eröff­net sich die einmalige Chance, sich einem weltweiten Publikum zu präsentieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider hat uns in den letzten Wochen und Monaten ein Thema sehr beschäftigt, das dem Leistungssport alles andere als guttut,


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 116

nämlich das Thema Doping. Doping ist der Feind des Sports, denn Sport lebt von Fairness und Chancengleichheit. Ich glaube, dass der extreme Erfolgsdruck, die ge­wachsenen Erwartungen von Wirtschaft, Medien und öffentlicher Meinung manchen Spitzensportler und auch manchen Betreuer in die falsche Richtung geführt haben. Ich möchte aber auch eine Lanze für die Mehrheit der Spitzensportler brechen, die ihre Leistungen ohne verbotene Mittel und Manipulationen erreicht haben beziehungsweise in Zukunft erreichen werden. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Für die wenigen schwarzen Schafe, die durch dieses unfaire Verhalten den Leistungs­sport in seiner Gesamtheit in ein schiefes Licht rücken, kann und darf es kein Pardon geben. Ich kann nur sagen: Dopen ist nichts anderes als künstliche Düngung beim Menschen!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin selbst Leistungssportler, der 12- bis
24-Stunden-Läufe absolviert und für den Sport im Leben eine ganz wichtige Rolle spielt. Bei Wettkämpfen versuche ich immer, mein Bestes zu geben und erfolgreich zu sein, ich habe aber noch keine Sekunde darüber nachgedacht oder daran gedacht, zu unerlaubten Mitteln, zu leistungssteigernden Hilfsmitteln zu greifen. Das einzige Do­pingmittel, das ich zu mir nehme, ist ein gut gekühltes Weißbier. Da sind genügend Elektrolyte drinnen, es ist gesund, und vor allen Dingen ist es erlaubt.
(Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei allen bedanken, die tag­täglich mit viel Herzblut und Idealismus für den Sport tätig sind und dazu beitragen, un­serem Ziel, zur Sportnation aufzusteigen, ein Stück näher zu kommen.

Abschließend möchte ich Ihnen noch eines mit auf den Weg geben: Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man gar nichts machen kann: Der eine ist gestern, der andere ist morgen. Heute ist der beste Tag, sich zu bewegen. Ein sportliches Glück auf! – Vie­len Dank. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

15.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile es ihr.


15.53.01

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ob Dominic Thiem im Tennis, unsere Winter- und Skisportler oder der Moment, wenn wir wieder einmal mit unserem Lieblingsfußballver­ein jubeln können, also zum Beispiel Admira das stark umkämpfte Niederösterreich­derby gegen St. Pölten gewinnt: Es sind die rot-weiß-roten Erfolge im Spitzensport, die Siege unserer österreichischen Lieblingssportlerinnen und -sportler, die uns jubeln las­sen, die unsere Identifikation mit der Heimat erhöhen und die letztlich uns alle auch da­zu motivieren, ein sportlicheres, ein gesünderes Leben zu führen.

Die Bundesregierung hat es sich im Sportbereich zum Ziel gesetzt, von der Talentför­derung und -schmiede bis in den Profisport mit einer leistungs- und ergebnisorientier­ten Sportförderung erstmals eine durchgehende Strategie umzusetzen, damit wir künf­tig noch mehr Erfolge unserer Sportlerinnen und Sportler feiern können. Das Ergebnis dieser Zielsetzung ist die Sportstrategie Austria. Sie ist, wenn Sie so wollen, die Abkehr vom Zufall – wir alle wissen, gerade im Sport ist Erfolg kein Zufallsprodukt –, und sie ist die Basis für künftige Erfolge. Die ersten Maßnahmen und Ergebnisse der Sportstra­tegie Austria wurden mittlerweile bereits präsentiert. Sie werden Schritt für Schritt um­gesetzt, und die Sportstrategie Austria wird in einem dynamischen Prozess weiterent­wickelt.


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Vielen Dank an unsere Bundesregierung und an Sie, sehr geehrter Herr Vizekanzler, für das Engagement im Sportbereich und für die Bewegung, die Sie in die Sportpolitik bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bei uns im Sportland Niederösterreich sehen wir die Erfolge einer solchen übergreifen­den Strategie bereits. Seit 2014 gibt es die Sportstrategie Niederösterreich 2020. Wir beobachten heute im Breitensport eine Zunahme der sportlich aktiven Bevölkerung um 20 Prozent. Im Spitzensport erleben wir eine Steigerung von 20 Prozent bei der Anzahl der Nachwuchsmeistertitel; darüber freuen wir uns natürlich ganz besonders. Im Sport­stättenbau wurden mittlerweile landauf, landab fast 200 Projekte gefördert. Kurz ge­fasst: Das Sportland Niederösterreich bewegt, es begeistert und es gewinnt, und ich freue mich sehr, wenn wir diesen blau-gelben Weg nun auch in einer gemeinsamen rot-weiß-roten Erfolgsgeschichte fortschreiben.

Als ein Etappenziel haben wir dabei die EU-Vorhaben für das Jahr 2019. Sie konzen­trieren sich vorwiegend auf zwei Bereiche, auf den Bereich Sport und Inklusion und auf den Bereich Sport und digitaler Binnenmarkt. In Österreich hat der Behindertensport als Querschnittsmaterie wesentliche Bedeutung. Es geht um sportliche Erfolge, und wir alle freuen uns, wenn wir mit unseren Athletinnen und Athleten bei Paralympischen Spielen und bei Wettkämpfen im ganzen Land feiern können. Es geht aber auch um Gleichstellung, Gleichstellung in Form von Inklusion auf mehreren Ebenen: auf der För­derebene, wenn es darum geht, die Behindertensportverbände zu fördern und Sportler in Förderprogramme der Sporthilfe aufzunehmen, und auf der organisatorischen Ebe­ne, wenn es darum geht, immer mehr Behindertensportler in Fachverbände aufzuneh­men.

Im Bereich Sport und digitaler Binnenmarkt geht es um Fragen des E-Sports, und es geht auch darum, wie wir den Nutzen digitaler Techniken für einen verstärkten Zugang zum Sport nutzen und wie wir mehr Lust aufs Sporteln machen können. Ein beson­deres Erfolgsbeispiel ist dabei sicherlich Runtastic, eine der weltweit größten und füh­renden Fitness-Apps und eine echte Innovation made in Austria.

Gleichzeitig erleben wir aber beispielsweise auch, wie es mit der Nutzung digitaler Technologien und beispielsweise Crowdfundingplattformen gelingen kann, Spitzen­sport zu fördern und echte rot-weiß-rote Erfolge zu feiern. Ein Beispiel dafür, das ich hier gerne wiedergeben möchte, hat erst vergangenes Wochenende beim Vienna City Marathon stattgefunden. Da hat Lemawork Ketema mit einer Zeit von 2:10:44 einen neuen österreichischen Rekord im Marathon gefeiert. Er ist ursprünglich 2013 als Flüchtling nach Österreich gekommen, eigentlich eher per Zufall beim Training ent­deckt worden, und er wird Österreich im kommenden Jahr bei den Olympischen Spie­len in Tokio im Marathonlauf vertreten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Seine Geschichte zeigt deutlich, was mithilfe des Sportförderwesens möglich ist, sie zeigt, wie Sport auch im Integrationsbereich zu einer Erfolgsgeschichte werden kann, und sie zeigt, was man mit modernen Crowdfunding- und Finanzierungsplattformen heute machen kann. Er hat über die Plattform I believe in you versucht, sein Höhen­trainingslager zu finanzieren. Das ist ihm gelungen. Er hat auf digitalen Kanälen sozu­sagen um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gebuhlt, und nun konnte er diese per­sönliche Erfolgsgeschichte feiern.

Ich finde, diese Laufgeschichte passt sehr gut zu dem, was im Sportbereich im kom­menden Jahr geplant ist. Sportpolitik ist kein Sprint, sie ist ein Marathonlauf, sie er­fordert kontinuierliches Engagement, sie erfordert gute Vorbereitung, und nur diese kann zum Erfolg führen. Daran arbeiten wir, und ich bin zuversichtlich, dass es dann immer wieder heißt: Immer wieder Österreich! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.58



BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 118

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich unterbreche nunmehr die Verhand­lungen zu Punkt 12 der Tagesordnung und für 1 Minute auch die Sitzung.

*****

(Die Sitzung wird um 15.58 Uhr unterbrochen und um 15.59 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf den Herrn Bundeskanzler herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

15.59.27Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union“ (3645/J-BR/2019)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Martin Weber als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


15.59.53

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Werter Herr Kanz­ler! Liebe Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die heutige Dringliche Anfrage deswegen eingebracht, weil sich unsere Republik Österreich derzeit in einer äußerst schwierigen Situation und heiklen Lage befindet, wie wir meinen. (Hei­terkeit bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Weil euch sonst nichts eingefallen ist!) Sie mögen das vielleicht witzig finden. (Bundesrat Rösch: Das ist nicht witzig, sondern lächerlich! – Bundesrat Steiner: Lächerlich!) Ich mache mir Sorgen um unsere Repu­blik Österreich und deren hohes Ansehen in der Welt. Ihr mögt darüber lachen und das witzig finden, ich mache mir darüber große Sorgen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Selbst anerkannte hohe Spitzenvertreter jüdischer und antifaschistischer Organisatio­nen (Bundesrätin Mühlwerth: Antifaschistische Organisationen, aha!) sowie KZ-Über­lebende haben in einem offenen Brief Kanzler Sebastian Kurz zu einer konsequenten Haltung gegenüber rechtsextremen Tendenzen in dieser Regierung aufgefordert.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen ganz klar dazu geäu­ßert, dass die klare, eindeutige und kompromisslose Ablehnung aller Formen des Na­tionalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen Republik sei. Umso besorgniserregender ist jetzt, dass es in den vergangenen Tagen eine Dis­kussion um eine politische Gruppierung gegeben hat – und immer noch gibt –, die die­sen Konsens, auf dem Österreich aufgebaut ist, nicht mitträgt. Und ihr findet das witzig! Es ist zutiefst erschreckend, dass es für eine Regierungspartei in Österreich nicht selbstverständlich ist, dass sie mit einer solchen Gruppierung nichts zu tun hat. Das ist


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nicht witzig, das ist traurig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Seit beinahe einem Jahr befasst sich im Nationalrat ein Untersuchungsausschuss mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, allerorts als BVT-Untersuchungsausschuss bekannt. Dieser hat im Nachhinein festgestellt, dass es unter anderem eine rechtswidrige Hausdurchsuchung gegeben hat, von der insbeson­dere das Extremismusreferat betroffen war. Dabei wurden auch Unterlagen mitgenom­men und entwendet (Bundesrätin Mühlwerth: Das wurde alles widerlegt!), die den Zu­sammenhang einer Regierungspartei mit den sogenannten Identitären betreffen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Ach!) Geheimdokumente, Ermittlungsergebnisse über Sellners Kontakte zur Freiheitlichen Partei wurden bei dieser illegalen Razzia im BVT mitge­nommen.

Diese Hausdurchsuchung war illegal, das wissen wir jetzt auch. Diese Hausdurchsu­chung wurde überdies, wie wir wissen, nicht wie üblich von der Einheit Cobra durch­geführt, sondern es kam eine nicht zuständige Polizeigruppe zum Einsatz, die soge­nannte Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität. Und man höre und staune: Geleitet wird diese Einsatzgruppe von einem FPÖ-Gemeinderat. (Bundesrat Samt: Na, wie schlimm! – Bundesrat Steiner: Haben die Berufsverbot?) Spätestens jetzt wissen wir aber, warum diese nicht zuständige Polizeieinheit bei dieser illegalen Razzia, bei der eine andere Polizeieinheit gestürmt wurde, zum Einsatz kam. Sehr praktisch! Der freiheitliche Gemeinderat entwendet bei dieser Hausdurchsuchung die Ermittlungsakte über Sellners Kontakte zu den Freiheitlichen. Sehr praktisch! Und das in Österreich!

Die Leiterin des Extremismusreferats war zu keinem einzigen Zeitpunkt Beschuldigte im sogenannten BVT-Verfahren. Trotzdem wurde ihr Büro durchsucht, alle ihre Unter­lagen wurden durchwühlt. Sie gilt als besonders engagierte Ermittlerin im Bereich Rechts­extremismus. Sie war es, die einen besorgniserregenden Bericht über den sogenann­ten Kongress der Verteidiger Europas schrieb. Wie wir mittlerweile alle wissen, hat an diesem Kongress der damalige Generalsekretär der FPÖ und jetzige Innenminister teil­genommen. In seiner Rede bezeichnete er das einschlägige Publikum dort als Gleich­gesinnte – als Gleichgesinnte! Er sprach wörtlich von einem Publikum, wie es ihm ge­falle. (Bundesrat Schennach: Oh!) Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes beobachtete diese Veranstaltung mit großer Sorge und beurteilte sie als rechtsextrem. Nicht umsonst wurde dieser Kongress auch vom Verfassungsschutz be­obachtet. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber eben nicht verboten!)

Was bedeutet das also? – Jene Behörde, die dafür da ist, uns alle vor extremistischen Tätern zu schützen – egal ob von rechts oder von links, Extremismus ist immer abzu­lehnen –, wurde im Zuge einer rechtswidrigen, illegalen Hausdurchsuchung durch­sucht, die von einem Parteifreund geleitet wurde, über den diese Behörde bis vor Kur­zem noch Berichte verfasst hat. Alle Ermittlungsunterlagen über alte Lieder singende und trällernde, zerfurchte Burschenschafter und Rechtsextreme und so weiter und so weiter hat dieser Parteifreund mitgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der im Zu­sammenhang mit dem BVT und der momentanen Situation Österreichs für uns alle von großem Interesse sein muss. In den vergangenen Tagen haben wir leider erfahren, wie groß die Isolation des BVT, des österreichischen Geheimdienstes, und damit Öster­reichs im Netzwerk der international befreundeten Partnerdienste ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist genauso falsch!) Der Kollege findet das wieder witzig. Der nieder­ländische Geheimdienst stellte die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Geheim­dienst ein. Unsere österreichischen Geheimdienste sind vom sogenannten Berner Club ausgeschlossen. Die anderen befreundeten Geheimdienste misstrauen unserer öster-


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reichischen Bundesregierung, und die Sicherheit von Österreich leidet darunter – und die Kollegen finden das allesamt witzig. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Widerspruch bei der FPÖ.)

Aufgrund der Nähe der Freiheitlichen Partei zu Putin und dessen Partei steht Öster­reich in diesem Bereich international völlig isoliert da.

Wenn es erst jetzt, scheinbar ganz zufällig, 32 Hausdurchsuchungen mit einem Jahr Verzögerung ohne auch nur eine einzige Festnahme, dafür aber mit großer, ganz groß angelegter medialer Berichterstattung und Begleitung gegeben hat, dann kann ich hier nur eines feststellen: Es gibt keine Zufälle! Und ich kann nur eines fragen: Für wie naiv und ahnungslos haltet ihr die Österreicherinnen und Österreicher, dass ihr glaubt, dass das nicht durchschaut wird? Diese Hausdurchsuchungen waren nichts anderes als ein Schmierentheater und weiteres Ablenkungsmanöver.

Die Sorge um Österreichs politische Ausrichtung wird auch international zur Sprache gebracht. Es waren Ihre Parteifreunde aus Deutschland und England, die sich zuletzt geäußert haben. Es war ein konservativer Politiker, der sagte: Mit Faschisten treffe ich mich nicht! – Und recht hat er! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Doch es geht nicht nur um das Innenministerium. Die personelle Verflechtung mit den Identitären besteht auch in vielen anderen Ressorts, die von Politikern der Freiheitli­chen Partei geleitet werden, auch in vielen freiheitlichen Landesgruppen. Unser Vize­präsident war heute mit vielen Steirerinnen und Steirern am Rathausplatz, die Steier­mark präsentiert sich derzeit in der Bundeshauptstadt. Die Freiheitliche Partei in der Steiermark hat im gegenständlichen Zusammenhang jedoch keine gute Präsentation, sondern einen sehr, sehr negativen Stellenwert.

Da gibt es einen freiheitlichen Vizebürgermeister in Graz, der zweitgrößten Stadt Ös­terreichs. Der meinte bis vor Kurzem noch: Bei den Identitären mitzutun steht nicht im Widerspruch zu unserem Parteistatut. – Euer Vizebürgermeister! Er stellt damit ganz klar seine Begeisterung für diese rechtsextreme Truppe zur Schau. Nur äußerst wider­willig und nur nach ganz, ganz großem medialen und politischen Druck distanziert er sich viel zu spät davon, um den drohenden Koalitionsbruch zu verhindern. Wer’s glaubt, wird selig! Vermutlich war ihm dann zu guter Letzt das Gehalt als Vizebürger­meister doch wichtiger als seine rechtsextremen Freunde.

Die Liste lässt sich noch fortsetzen: Büroräume werden an Rechtsextreme vermietet. Da wird lustig und flott eine rechtsextreme Zeitschrift von einem freiheitlichen Gemein­derat betrieben. Da marschierte der Dritte Landtagspräsident Gerhard Kurzmann frisch und fröhlich bei einer Demo der Identitären und Rechtsextremen mit. Da gibt es Iden­titäre, die für die Freiheitlichen bei Wahlen mitarbeiten und als Wahlhelfer fungieren. – Da helfen eure zu spät erfolgten Abgrenzungsankündigungen überhaupt nicht, die Verflechtungen bestehen bereits. Man hat sich eine rechtsextreme Braut angelacht, jetzt möchte man sie verstecken und rasch loswerden, aber die Verwandtschaft hat sich schon vermischt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei, ich frage Sie: Wie wollen Sie bei dem Mixgetränk Spezi das Cola vom Fanta trennen? Das wird Ihnen nicht gelingen! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Mit der Anhäufung von direkten Kontakten und zu engen Verbindungen ist nicht nur, aber auch die FPÖ Steiermark im Vergleich zu allen anderen Landesgruppen extrem negativ aufgefallen. Da machen sich sogar schon viele ehemalige steirische Spitzen­funktionäre der Freiheitlichen Partei große Sorgen: Vor knapp 30 Jahren habe ich ver­sucht, der steirischen FPÖ eine andere, liberalere Richtung zu geben, und bin geschei­tert; dass es ideologisch so schlimm ist und wird, hätte ich mir damals nicht träumen


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lassen. – So der ehemalige freiheitliche Klubobmann und Dritte Landtagspräsident Ludwig Rader; der wird Ihnen wohl ein Begriff sein.

Während sich viele ehemalige freiheitliche Spitzenfunktionäre große Sorgen über die blaubraune Vermischung in der Steiermark machen, geht der jetzige Landesobmann und Minister Kunasek im Schützenpanzer auf Tauchstation und schweigt dazu – kein einziges Wort zu diesen Machenschaften in der FPÖ Steiermark! Mehr noch: Als ob dies nicht schon genug wäre, machte er für die Identitären und Rechtsextremen das Tor zu unserem österreichischen Bundesheer auf. Erst als dies öffentlich und dem Koalitionspartner zu heiß wurde, hat er im Eilverfahren die Aufhebung des sogenann­ten Sperrvermerks für Identitäre wieder rückgängig gemacht. Es gibt viele weitere Bei­spiele in Landesgruppen, etwa Kollegen Landbauer in Niederösterreich; ich könnte das noch lange weiter fortsetzen.

Ein Teil unserer Anfrage widmet sich dem Problem, wie mit Bediensteten in den Res­sorts, insbesondere in den Kabinetten, umgegangen wird und Identitäre dort ausge­schlossen werden können. Wir erwarten uns klare Antworten, Herr Bundeskanzler. Der Präsident des Nationalrates, Wolfgang Sobotka, hat auf dieses Problem bereits re­agiert und klargestellt, dass da für Parlamentsbedienstete eine ganz klare Trennlinie gezogen werden wird. Dies erwarten wir auch von der Bundesregierung in ihrer Ge­samtheit und in all ihren Kabinetten.

Als würde diese besorgniserregende Entwicklung im Inland und für die Sicherheit Ös­terreichs nicht schon längst reichen, müssen wir auch im Rahmen der Europawahl Ak­tivitäten der Freiheitlichen Partei feststellen, die im selben Ausmaß besorgniserregend sind. Schon seit längerer Zeit versucht der freiheitliche Spitzenkandidat bei den Euro­pawahlen, Harald Vilimsky, Allianzen zur Schaffung einer rechten Fraktion im Europa­parlament herzustellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Na und? – Bundesrat Steiner: Gott sei Dank!) Um welche Parteien handelt es sich dabei? – Es sind jedenfalls Parteien, mit denen ich und wir Sozialdemokraten keinerlei politische Kontakte haben möchten. (Bundesrätin Mühlwerth: Erstaunlich, erstaunlich!) Es handelt sich um die AfD (Bun­desrätin Mühlwerth: Genau!), es handelt sich um die Lega (Bundesrat Samt: Richtig!), es handelt sich um den Front National (Bundesrat Samt: Richtig!) und um weit rechts­extremere Parteien aus dem Norden Europas wie die Wahren Finnen und die Schwe­dendemokraten. – Liebe FPÖ, im Vergleich dazu, wie rechtsextrem eure Wunsch­partner sind, seid ihr geradezu Teddybären, zumindest die meisten von euch! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Mir graut davor (Bundesrätin Mühlwerth: Mir auch!), wenn ich mir vorstellen muss, dass die Hälfte der österreichischen Bundesregierung eine Politik ver­tritt, die diese Parteien anstreben, nämlich eine Schwächung bis hin zur Zerstörung der Europäischen Union. (Bundesrat Steiner: Jetzt reicht’s aber!) Dazu kommen noch das Infragestellen von Grund- und Menschenrechten und eine latente Ausländerfeindlich­keit.

Herr Bundeskanzler! Diese Entwicklung ist untragbar und schadet dem internationalen Ansehen Österreichs massiv. Wundern Sie sich dann nicht und tun Sie nicht über­rascht: Wie kann es das geben? Mein Koalitionspartner kooperiert mit Rechtsextremen und steckt mit gewaltbereiten Gruppen unter einer Decke. Wie kann es das nur geben? Wie konnte ich das nur übersehen? – Sie konnten es nicht sehen, weil Sie Ihre Augen verschlossen und bewusst weggesehen haben. Machen Sie jetzt Ihre Augen auf, Herr Bundeskanzler! Schwächen Sie die dargestellten Sachverhalte nicht bloß als Teil des Wahlkampfgetöses ab! Bei solchen Bündnissen, die ja für die Zukunft geschlossen werden, stellt sich vielmehr schon die Frage, ob Sie als Bundeskanzler die politische Entwicklung der einen Hälfte Ihrer Bundesregierung in eine solche rechtsextreme Polit-


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haltung einfach so zur Kenntnis nehmen wollen und dazu schweigen können. (Bun­desrat Steiner: Rechtsextrem ist die Bundesregierung?!)

Herr Bundeskanzler, die Republik Österreich, der Sie vorstehen, basiert auf einem Ver­sprechen: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Nie wieder vergessen, dass alle Menschen – egal, welche Hautfarbe, welche Religion und welches Geschlecht – die­selben Rechte haben und gleich viel wert sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Herr Bundeskanzler, ich hoffe, dass Sie Ihre Verantwortung wahrnehmen, ich hoffe, dass Sie wissen, was Sie tun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

16.17


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


16.17.53

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat Weber, ich habe so eine schö­ne Anfragebeantwortung vorbereitet, aber mit Ihrer Rede haben Sie provoziert, dass ich, bevor ich dazu komme, doch ein paar grundsätzliche Feststellungen treffen möch­te und Ihnen auch gerne ein paar Fragen stellen würde, wenn ich darf.

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass jede Form radikaler Ideologie meiner Mei­nung nach in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Extremismus, egal von welcher Seite, egal ob von links, von rechts oder unter Missbrauch einer Religion, ist etwas, das ich ablehne und stets entschlossen und entschieden bekämpfen werde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jede Verbindung des Attentäters von Neuseeland zu Mitgliedern der Identitären Bewe­gung Österreich gehört restlos aufgeklärt, und ich bin froh, dass die unabhängige Jus­tiz nicht nur ermittelt, sondern alle erforderlichen Ressourcen zur Verfügung hat, um das auch erfolgreich abschließen zu können. Die Strafverfolgungsbehörden haben ihre Arbeit bereits aufgenommen, und der Nationale Sicherheitsrat hat vergangene Woche zu Recht einen Beschluss gefasst, um Strategien gegen rechts, links und islamistisch motivierten Extremismus zu erarbeiten.

Bevor ich jetzt aber Ihre Fragen beantworte, darf ich vielleicht noch die Möglichkeit nutzen, um kurz etwas zu hinterfragen. Meine Fraktion hat mir auf meine Frage, aus welchen Bundesland Sie kommen, zugeflüstert, dass Sie Steirer seien. (Bundesrat We­ber: Sicher! Das erkennt man auch! Das grüne Herz der Steiermark!) – Okay. Darf ich die Frage stellen: Gibt es in Ihrer Fraktion auch Oberösterreicher? (Bundesrat Stög­müller zeigt auf.) – Ja, aber fast, oder? Ja, okay. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Rufe: Das ist eh dasselbe!) Gibt es sozialdemokratische Oberösterreicher? Gibt es Oberösterreicher? Wer? (Die BundesrätInnen Lancaster und Reisinger zeigen auf.) – Sie, okay, eine, zwei. Gibt es wen aus dem Burgenland? (Bundesrat Schabhüttl zeigt auf.) – Einer. (Bundesrat Schabhüttl: Warum wollen Sie das wissen?) – Na, nur rein interessehalber. (Ruf bei der SPÖ: Kennen Sie die BundesrätInnen nicht?) – Nein, ich kenne nicht alle Mitglieder des Bundesrates. Das tut mir leid, aber ich werde mir alle, die aufgezeigt haben - - (Bundesrat Schennach: Momentan ist nur Nebelwerfen ange­sagt!) – Ja, lassen Sie mich ausreden! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ganz entspannt, es kommt nichts Schlimmes, es kommt nur die Wahrheit, nichts Drama­tisches!

Sie haben gesagt, ich verschließe die Augen vor dem Rechtsextremismus der FPÖ, gefragt, wie man überrascht sein könne, wenn es da diese Verbindungen gibt, dass es ja klar sein müsse, dass es Verbindungen der FPÖ zur rechtsextremen Szene gibt. Sie


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nicken noch immer eifrig. Ihre Parteivorsitzende sagt sogar, ich sei ein Türöffner für den Rechtsextremismus in diesem Land.

Da frage ich Sie schon: Wenn das alles so klar ist, wie ist es dann möglich und wie verantworten es Ihre Kollegen, die da ganz friedlich neben Ihnen sitzen, dass es im Burgenland eine Koalition mit den Freiheitlichen gibt? Wie geht sich das für Sie in der zweiten Reihe aus? Wie geht sich das für die Kollegin und den Kollegen aus Oberös­terreich, die gerade vorhin aufgezeigt haben, aus, dass genau dort, wo es diese räumli­che Verflechtung gegeben hat, in Linz, ein Bürgermeister regiert, der von Ihrer Fraktion ist? Wissen Sie, mit wem er in Koalition ist? – Mit der Freiheitlichen Partei! Das heißt, wenn Sie mir vorwerfen, dass ich die Augen verschließe, dann stellt sich für mich schon die Frage: Was ist dann bei Ihnen los? Werden dort die Augen auch verschlos­sen, oder war Ihnen allen das bewusst und koalieren Sie trotzdem mit der Freiheitli­chen Partei? (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Genau! Das ist ein Problem!)

Erlauben Sie mir insofern nur die kurze Gegenfrage: Ist die Koalition mit der Freiheitli­chen Partei immer Gift und des Teufels, wenn sie von der ÖVP eingegangen worden ist, oder gilt selbiges auch für Sozialdemokraten? (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) – In der ersten Reihe lacht schon einer, der kann sich gar nicht mehr z’samm­reißen. Wenn ich ein Türöffner für die Rechtsextremen auf Bundesebene bin, ist dann Herr Doskozil selbiges im Burgenland, oder nicht, ist dann der Linzer Bürgermeister selbiges in Oberösterreich, oder nicht? Lassen Sie sich diese Frage auf der Zunge zer­gehen, bevor ich zur Anfragebeantwortung komme, für die ich da bin! (Beifall und Bra­vorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Weber: Zum Thema!)

Nun zu Ihren Fragen - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Jetzt regen Sie sich nicht auf! Das war doch nichts Neues, oder? Dass es diese Koalitionen gibt, das ist Ihnen wohl bewusst. Es ist auch nichts, was Unruhe - - (Bundesrat Weber: Zum Thema! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Also wenn ihr eure Zwischenrufe ein bisschen zurückschrauben würdet, dann könnte der Herr Bundeskanzler die von euch gestellten Fragen beantworten. (Widerspruch bei der SPÖ.) – Jetzt beruhigen wir uns wieder und lassen den Herrn Bundeskanzler antworten! (Bundesrat Stögmüller: Dann soll er endlich zur Sache kommen! – Ruf bei der ÖVP: Hast du geschlafen, oder was?)


Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Ja, das war die Sache, um ehrlich zu sein. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und ÖVP sowie FPÖ.) – Zu den Fragen, oder? Das ist die angenehmere Kost.

Zu den Fragen 1, 9 und 10:

Die Bundesregierung kämpft gegen jegliche Form des Extremismus unabhängig davon, ob von links, von rechts oder islamistisch motiviert. Aufbauend auf die im Herbst 2018 präsentierte „Österreichische Strategie Extremismusprävention und Deradikalisierung“ wird gerade der Nationale Aktionsplan zu Extremismusprävention und Deradikalisie­rung erarbeitet. Daneben gibt es eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen, wie jährlich abgehaltene Präventionsgipfel, den Kampf gegen den politischen Islam oder auch ein Programm zum Ausstieg aus dem gewaltbereiten Extremismus.

Es ist uns darüber hinaus im Rahmen des Ratsvorsitzes in der Europäischen Union ebenfalls gelungen, den gemeinsamen Kampf gegen den Antisemitismus zu stärken und in der Ratssitzung im Dezember entsprechende Beschlüsse herbeizuführen. Als Regierungschef stehe ich gemeinsam mit meinem Team laufend mit einer Vielzahl von Vertretern der europäischen Institutionen beziehungsweise der Mitgliedstaaten in Kon­takt. Meine Ansprechpartner sind aber wenig überraschend Premierminister und Re-


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gierungschefs; mit den beiden von Ihnen genannten Personen habe ich daher zu die­ser Thematik keinen Kontakt gehabt.

Zur Frage 2:

Die Bundesregierung legt jährlich den Verfassungsschutzbericht vor, der alle staats­schutzrelevanten Aspekte umfasst und gemeinsam betrachtet. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass alle Formen von Extremismus entsprechend beleuchtet werden.

Zur Frage 3:

Bereits vergangene Woche wurde im Nationalen Sicherheitsrat der Beschluss gefasst, die personelle Ausstattung des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungs­schutz und Terrorismusbekämpfung zu evaluieren und notwendigenfalls auch zu stär­ken. Das werden wir auch im Zuge der anstehenden BVT-Reform berücksichtigen.

Zu den Fragen 4 und 5:

Das Regierungsprogramm hält die Berichtspflicht an Bundeskanzler und Vizekanzler fest, die konkrete Ausgestaltung dieser Maßnahmen befindet sich gerade in Ausarbei­tung. Darüber hinaus sind wir, sowohl der Vizekanzler als auch ich, selbstverständlich in ständigem Austausch mit den zuständigen Ministern der sicherheitsrelevanten Res­sorts.

Zur Frage 6:

Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu dürfen keinen Platz in Kabinetten oder Büros der Bundesregierung haben. Sollte uns jedoch eine solche Tatsache bekannt werden, werden selbstverständlich umgehend Konsequenzen gezogen.

Zur Frage 7:

Die Vergabe von Inseraten ist Entscheidung der einzelnen Ressorts. Schaltungen in rechts- wie auch linksextremen Publikationen lehne ich in aller Deutlichkeit ab.

Zur Frage 8:

Wir konnten gestern in Brüssel einen Hard Brexit verhindern, der am 12. April, also morgen stattgefunden hätte. Wir haben uns für eine Fristverlängerung ausgesprochen, und es ist der 31. Oktober geworden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.26


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grossmann. Ich erteile es ihr.


16.26.44

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Ihrer Antwort, Herr Bundes­kanzler, ist zu entnehmen, dass wir Sie und die gesamte Bundesregierung heute wohl zu Recht auffordern, ein klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in all seinen Formen abzugeben (Bundesrätin Mühlwerth: Und den Linksextremismus nicht?); in all seinen Formen, denn Rechtsextremismus erschöpft sich nicht in Symbo­len oder formellen Mitgliedschaften, sondern ist eine Geisteshaltung (Bundesrätin Mühl­werth: Haben wir jetzt schon Gesinnungsjustiz, oder was?), die nach wissenschaftli­cher Definition folgende Kennzeichen aufweist: Man orientiert sich an einer ethnischen Zugehörigkeit (Bundesrätin Mühlwerth: Was ist da falsch daran?), diese wird überbe­wertet, und die Gleichheit, die Gleichwertigkeit aller Menschen wird infrage gestellt (Bun-


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desrat Bader: Wien zuerst!); deshalb werden ja auch die Menschenrechte immer wie­der infrage gestellt. Es wird ein antipluralistisches und autoritäres Gesellschaftsver­ständnis vertreten, an die Stelle rationaler Analysen treten Verschwörungstheorien zur Erklärung der negativen Folgen des sozialen Wandels und aller anderen Probleme der Gegenwart.

Viele Universitäten und auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Wider­stands machen das ganz klar an bestimmten Kennzeichen fest: Das Volk, eine Volks­gemeinschaft wird als Bezugsgröße definiert, Fremde werden ausgegrenzt – entspre­chend den Slogans: Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken! et cetera –, das Zusammenleben verschiedener Ethnien wird als Bedrohung der eigenen Gruppe erlebt. – Das sind die wissenschaftlich definierten Kennzeichen.

Ein wichtiges Merkmal ist auch der Geschichtsrevisionismus. Geschichtsschreibung wird umgedeutet, so dass sie zur Ideologie passt, dazu gehört beispielsweise die Leug­nung des Holocausts, eine Verschwörung des Weltjudentums et cetera. Feindbilder wer­den definiert und konstruiert, eben Juden, Ausländer und Asylanten; neuerdings hört man immer öfter auch den Begriff Linkslinke. Gewaltsame, aggressive Angriffe auf die­se zu Feinden gestempelten Menschen in Wort und Tat werden als Verteidigungshand­lung gewertet, akzeptiert oder legitimiert. Das wohl extremste und schlimmste Beispiel in letzter Zeit war das grausame Attentat in Christchurch, Neuseeland. Die Identitären und andere – die Identitären werden momentan namentlich genannt, es gibt aber auch andere, die diesen Kriterien ebenso entsprechen – sind genau deswegen so gefährlich.

Sie sind nicht so einfach mit Mitgliedsausweis et cetera erkennbar. (Bundesrätin Mühl­werth: Ist das jetzt also eine Verschwörungstheorie? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Hier darf ich – Sie haben ja nach den Oberösterreichern gefragt – den oberös­terreichischen Polizeidirektor Andreas Pilsl zitieren, der gegenüber dem Landessicher­heitsrat erklärt hat: „Die Identitären sind eine Bewegung, man wird dort nicht Mitglied, sondern bekundet seine Sympathie durch Likes in sozialen Medien, Teilnahme an Ver­anstaltungen und finanzielle Unterstützung“. Das heißt, ein faktisches Tun löst eine Mit­gliedschaft in dieser gefährlichen Gruppe aus und nicht der Formalakt eines Beitritts. (Zwischenruf des Bundesrates Weber.) Deshalb ist es besonders befremdlich, dass der Vizekanzler, Ihr Koalitionspartner, der Chef Ihrer Koalitionspartei, der Vizekanzler der Republik Österreich, Spenden an die Identitären verharmlost und rechtfertigt. (Vi­zepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundeskanzler, wir wollen nicht die Mitglieder der Freiheitlichen Partei generell in irgendein Eck rücken oder kriminalisieren, es geht um einzelne Personen und ihr Ver­halten. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Wenn Spenden getätigt werden, ist das eine Bekun­dung einer Mitgliedschaft, das lässt sich nicht verharmlosen. (Bundeskanzler Kurz: Und in Linz?)

Ebenso schockierend war die verteidigende Haltung – Kollege Weber hat es schon ausgeführt – des Grazer Vizebürgermeisters. Erst die Angst um seinen Posten hat ihn dazu bewogen, sich eher halbherzig zu distanzieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Na und?) Es sind die Handlungen von gewichtigen Einzelpersonen, die wir hier vor Augen führen, Herr Bundeskanzler. Es geht immer um Einzelpersonen (Bundeskanzler Kurz: Stimmt!) bei dem, was wir hier darstellen, die wir als Beispiel dafür anführen, dass eine Distanzierung dringend notwendig ist. Wenn das nicht in einer glaubwürdigen Form er­folgt, wirft es ein schlechtes Licht auf die Republik Österreich, und das wollen wir nicht zulassen, Herr Bundeskanzler.

Rechtsextremismus ist ein weltweites Problem, wie eben das besagte Attentat auch vor Augen geführt hat. Wie gehen die anderen Staaten damit um? – Deutschland hat beispielsweise unverzüglich reagiert und das zur Bekämpfung des Rechtsextremismus tätige Personal um 50 Prozent aufgestockt. Was passiert aber unterdessen in Öster-


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reich? – Da nehme ich keine besondere Ambition wahr. Eigentlich wird, ganz im Ge­genteil, von den obersten Repräsentanten des Staates fast madonnenhaft ein Schutz­mantel über die Identitären und ähnliche Gruppierungen ausgebreitet.

Wie lässt sich zum Beispiel auch der Umstand erklären, dass ein ganzes Jahr verge­hen musste, bis nach Abhalten einer amtsbekannten Veranstaltung mit rechtsextremen Inhalten – ja, man hat bei der Veranstaltung sogar festgestellt: mit nationalsozialisti­schen Inhalten – Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden? (Zwischenruf des Bun­desrates Weber.) Jetzt war es so weit, dass aufgrund des medialen Drucks mit einer Fülle von Hausdurchsuchungen – offensichtlich von oben angeordnet – Umtriebigkeit und Tatendrang zur Schau gestellt werden mussten. Das ist insgesamt aber unglaub­würdig, Herr Bundeskanzler!

Ich muss Sie auch fragen: Wie schaut es denn mit der vom Chef der Identitären ange­kündigten Veranstaltung aus? Herr Sellner hat ja angekündigt, am 13.4. vor dem Jus­tizministerium eine Kundgebung abzuhalten. Wird die stattfinden, wird die untersagt werden? – Das wissen wir alles nicht. Vielleicht können Sie uns hier ad hoc Auskunft geben. Das ist jetzt nicht Teil der Anfrage, aber es wäre natürlich ein gutes Zeichen, hier ein klares Signal zu setzen; glaubwürdig ist das Ganze nicht.

Der Herr Vizekanzler hat vorhin in schillernden Farben geschildert, wie das Personal bei der Exekutive aufgestockt wird – das scheint aber in der Praxis nicht anzukommen. Die Exekutive in der Steiermark hat aufgeschrien, es sind 100 000 Überstunden einge­spart worden, Nachbesetzungen im operativen Polizeidienst finden nicht in ausreichen­dem Ausmaß statt, um Pensionierungen und Karenzierungen zu kompensieren. Es fin­det also immer das Gegenteil von dem statt, was Sie ankündigen. (Bundesrat Kru­sche: Das ist aber der falsche Tagesordnungspunkt!)

Zum Schluss, Herr Bundeskanzler, möchte ich noch ein Zitat unseres Bundespräsiden­ten Alexander Van der Bellen bringen; er hat anlässlich einer Sub-auspiciis-Promotion in Graz sinngemäß gesagt: Einen Hitler des 21. Jahrhunderts erkennt man nicht an ei­nem Schnauzbart oder Seitenscheitel, sondern er tritt heute modern, zeitgemäß auf. Man erkennt ihn an seiner Geisteshaltung, an seinen Worten und an seinen Taten. – Daher, Herr Bundeskanzler, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen: Seien wir gemeinsam wachsam! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

16.36


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte.


16.36.18

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerin­nen und Zuhörer! Als ich jetzt Kollegin Grossmann zugehört habe, wusste ich wirklich nicht, ob ich in Österreich zu Hause bin und hier im österreichischen Parlament bin oder irgendwo in einer anderen Republik. Es ist ungeheuerlich, was Sie für ein Bild ge­zeichnet haben! Sie haben heute den Herrn Bundeskanzler der Republik Österreich vom Rednerpult aus aufgefordert, ein klares Bekenntnis gegen Radikalismus abzule­gen. – Wir haben heute klar und deutlich zum wiederholten Male erlebt, dass es kein klareres Bekenntnis gegen Radikalismus von beiden Seiten gibt als jenes, das unser Bundeskanzler abgegeben hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Weber: Worten müssen Taten folgen! – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Weiters möchte ich in Hinblick auf die angesprochene Veranstaltung eines gewissen Herrn Sellner vor dem Justizministerium anmerken, dass die Frage an den Bundes­kanzler wohl falsch adressiert ist. Veranstaltungsbehörde ist die LPD Wien. Ich würde


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Ihnen empfehlen, liebe Frau Kollegin, diese Frage an den Bürgermeister von Wien, Herrn Ludwig, zu richten; dort werden Sie wahrscheinlich die entsprechende Antwort bekommen. (Bundesrat Schennach: Geh, jetzt komm!)

Ich möchte dem Herrn Bundeskanzler sehr, sehr herzlich für die Beantwortung der Fra­gen danken, sie war klar, sie war umfassend und sachlich. Wenn ich mir diese Dringli­che Anfrage heute hier im Bundesrat anschaue und wenn ich den Antrag hernehme, mit dem vorige Woche der Nationale Sicherheitsrat einberufen wurden, liebe Kollegin­nen und Kollegen, dann werde ich den Eindruck nicht los – nein, ich muss es Ihnen at­testieren –, dass Sie einen Scheuklappenblick in Hinblick auf den Extremismus haben. Es ist unverständlich, dass Sie diese Konzentration nur auf einem Auge haben. (Bun­desrat Weber: Das tun wir nicht! Das tun wir nicht!) Es ist politisch motiviert, es ist nicht ehrlich, es ist irgendwie auch unbeholfen, und es ist möglicherweise der Versuch, von eigenen Problemen abzulenken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Weber: Nicht ablenken! – Bundesrat Stögmüller: Das ist der ÖVP unwürdig!)

Extremismus ist in jeder Form abzulehnen, egal ob er links ist, egal ob er rechts ist, egal ob er ideologisch oder religiös motiviert ist. (Bundesrat Weber: Das habe ich ge­sagt!) – Ja, in einem Halbsatz, Kollege Weber. Das Thema Sicherheit ist wichtig, und unsere Sicherheit ist auch zu wichtig, um sie dafür heranzuziehen, politisches Klein­geld zu schlagen. Es gibt eine klare Nulltoleranzgrenze bei jeder Form des Extremis­mus, denn Extremismus verfolgt nur ein Ziel: die Gesellschaft zu spalten. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Das werden wir nicht zulassen, und das hat auch der Herr Bundeskanzler festgehalten, dass es keinen schwammigen Umgang mit rechts­extremistischen Bewegungen gibt und diese auch nicht geduldet werden.

Es ist schlichtweg unglaubwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sich die So­zialdemokraten hierherstellen und als Moralapostel aufspielen. (Bundesrat Weber: Ihr macht die Augen zu!) Kollege Weber hat bei der Anfragebegründung immer mit dem Finger in unsere Richtung gezeigt. (Bundesrat Weber: Was war das schon wieder? Das gibt es ja nicht!) Ich möchte dir, lieber Herr Kollege, sagen, dass zumindest drei Finger auf dich zurückzeigen, wenn du auf andere zeigst.

Ich kann das auch mit Argumenten belegen: Wo waren und sind Ihre mahnenden Worte, wenn es um den Antisemitismus Ihres Parteifreundes Jeremy Corbyn geht? (Bundesrat Beer: Unglaublich!) Wo sind Ihre mahnenden Worte, wenn es um Ihre Par­teifreunde in Rumänien geht? (Bundesrat Weber: Das ist nicht in Österreich! – Bun­desrätin Mühlwerth: Neuseeland ist auch nicht Österreich!) Sie werden vielleicht sa­gen, das ist nicht Österreich. Ich frage Sie aber auch: Wo waren Ihre mahnenden Wor­te, wo war Ihre Dringliche Anfrage an den SPÖ-Bundeskanzler, als vom Schwarzen Block und von der Antifa aus Protest gegen den Akademikerball die Innenstadt devas­tiert wurde? Wo waren Sie da? Da sind Sie auf einem Auge blind! Das ist scheinheilig und etwas, das ich Ihnen nicht als ehrlich abnehmen muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Beer: Das ist der ÖVP nicht würdig!)

Herr Kollege Weber, wenn Sie so scharfe Worte verwenden, von einer rechtsextremen Braut sprechen, dann denken Sie bitte darüber nach – der Herr Bundeskanzler hat es Ihnen gesagt –: Wir leben in einem demokratischen Staat, wo es Koalitionen unter­schiedlichster Art und Weise gibt. (Bundesrat Beer: Aber nicht mit den Rechtsextre­men!) Sie sind im Burgenland mit der Freiheitlichen Partei in einer Koalition. Warum denn nicht? Warum denn nicht? Ich werfe Ihnen das ja nicht vor, aber Sie werfen dem Herrn Bundeskanzler vor, dass er in einer Bundesregierung mit einer rechtsextremen Braut sei. Gilt das für Sie nicht? (Bundesrat Weber: Das habe ich nicht gesagt!) – Das haben Sie gesagt! (Weitere Zwischenrufe der Bundesräte Beer und Weber.)

Ich glaube, dass man hier auch entsprechend vorsichtig sein muss. Wir haben vollstes Vertrauen in die österreichischen Sicherheitsbehörden. Derzeit ist auch kein einziger


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Fall bekannt, wo Angehörige unserer Sicherheitsbehörden Teil von rechtsextremen Netzwerken sein sollen. Dennoch braucht es lückenlose Aufklärung, und wir bekennen uns auch dazu – der Herr Bundeskanzler hat es gesagt –, dass jede Verbindung mit dem Attentäter von Christchurch restlos und schonungslos aufzuklären ist.

Sie bemängeln jetzt auch, dass es eine Hausdurchsuchung gegeben hat (Bundesrat Schennach: Zu spät!): Auf der einen Seite wollen Sie das, auf der anderen Seite wol­len Sie das nicht (Rufe bei der SPÖ: Zu spät!) – das müssen Sie schon den Sicher­heitsbehörden überlassen! Wir haben Vertrauen in diesen Rechtsstaat, Sie haben es offenbar nicht. Wir haben Vertrauen in die Sicherheitsbehörden, dass sie ihre Arbeit auch gewissenhaft tun. (Bundesrat Weber: Nach einem Jahr!)

Auch die ständigen Diskussionen über das BVT werden uns irgendwann schaden – das möchte ich hier auch einmal festgehalten haben. Es wäre gut, wenn auch Bundes­räte der Sozialdemokratischen Partei im Nationalen Sicherheitsrat einen Sitz hätten. Ich war dabei und würde Ihnen empfehlen, innerparteilich dafür zu sorgen, dass die SPÖ-Bundesräte einen Vertreter oder eine Vertreterin dort hinsenden, denn dann hät­ten Sie auch Antworten auf Fragen bekommen, die Sie heute hier gestellt haben. Of­fenbar funktioniert die interne Kommunikation in der SPÖ doch nicht so gut. (Bundesrat Schennach: Nicht ablenken!)

Zusammenfassend: Extremismus, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Da­men und Herren, ist, egal wie dieser in dieser Republik motiviert ist, etwas, wofür es keinen Platz gibt. Extremismus brauchen wir nicht! Wir brauchen aber auch keine Angst- und Panikmache in dieser Republik. (Bundesrat Weber: Sie verharmlosen!) Un­sere Demokratie, unsere Republik funktionieren auf Basis der Rechtsstaatlichkeit, und die Bundesregierung, an der Spitze unser Bundeskanzler, sind die Garanten dafür, weil die Rechtsstaatlichkeit das Fundament dieser Bundesregierung ist. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.44


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.


16.44.36

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist manchmal, in gewissen Zusammenhängen, wirklich schade, dass man in diesem Haus das Wort Lüge nicht verwenden darf. Herr Kollege Weber hat mich heute herausgefordert, es zu sagen, denn was er zu Beginn zum Thema BVT, Hausdurchsuchungen et cetera gesagt hat, ist dutzendfach widerlegt. So kann ich nur sagen: Es ist leider nicht wahr, was Sie da von sich geben! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Weber: Nein, eh!)

Den Damen und Herren von der SPÖ, die heute ein bisschen überreagieren, möchte ich zwei Dinge vorlesen; zum einen Artikel 13 des Staatsgrundgesetzes, denn den dürften Sie nicht kennen (Bundesrätin Schumann: Oh!): „Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern.“ (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Die Europäische Menschenrechtskonvention (Bundesrätin Hahn: Die wollt ihr ja ab­schaffen!) sagt in Art. 10 Abs. 1 zur Freiheit der Meinungsäußerung: „Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Ein­griffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein.“


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Wenn Sie der Meinung sind, dass der Kampf um die eigene Identität, wenn man sich also Sorgen macht, dass man als Kultur mit eigener Identität untergehen könnte, rechtsextremistisch ist, dann ist auch die UNO nach Ihrer Lesart rechtsextremistisch. (Bundesrat Weber: Bitte! – Bundesrätin Hahn: Unglaublich! Jetzt reicht es aber! – Bundesrat Stögmüller: Geh bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Samt: Hört einmal zu!) – Okay, ich sehe schon, Sie wollen jetzt in Ihrer eigenen Ver­schwörungstheoriesuppe schwimmen und gar nichts anderes mehr hören; ich lese es Ihnen aber trotzdem vor. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Die Weltverschwörer sitzen von mir aus gesehen ja eindeutig auf der linken Seite, das hat sich heute schon mehrmals erwiesen.

Der UN-Bericht sagt zu Minderheitenrechten, ihre Mitglieder besitzen „bestimmte ethni­sche, religiöse oder linguistische Merkmale [...], die sich vom Rest der Bevölkerung un­terscheiden und die [...] von einer empfundenen Solidarität zeugen, die darauf gerichtet ist, ihre Kultur, Traditionen, Religion oder Sprache zu erhalten“. (Bundesrat Novak: Sie wollen nur die Identitären rechtfertigen!) Ähnliches sagt der UN-Bericht zu den Rechten eingeborener Völker. (Bundesrat Schennach: Wir sind Eingeborene!) Was schließen wir also aus dem UN-Bericht? – Es ist keinesfalls rechtsextrem, verwerflich oder sonst irgendwie strafgesetzlich ein Tatbestand, wenn man versucht, die eigene Religion, die eigene Kultur, die eigene Ethnie zu schützen. Um nichts anderes geht es. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Bei Ihnen vermisse ich ja den Kampf gegen Extremismus jeder Art. Sie sind ja auf dem linken Auge komplett blind, Sie gehen immer nur auf die angebliche, bedrohliche Ge­fahr von Rechtsextremisten los. (Bundesrat Weber: Sie verharmlosen das!) Dass die Linksextremisten – wie Kollege Bader schon gesagt hat –, wie der von den Grünen un­terstützte Schwarze Block, die halbe Innenstadt kaputtgeschlagen haben – überhaupt kein Problem! Der Schwarze Block, der die Sympathie und übrigens auch schon finan­zielle Unterstützung der Grünen genossen hat, zieht marodierend von Stadt zu Stadt, ohne ein politisches Ziel zu haben. Da geht es wirklich nur um Zerstörung und um Ge­walt! Der macht Stadtviertel in Hamburg kaputt, zieht durch Rom eine Gewaltschneise. Das berührt Sie alles überhaupt nicht! (Bundesrat Weber: Wir sind in Österreich!) Inter­essant! (Bundesrat Samt: Alles egal! Alles wurscht!)

So schlimm jetzt dieser Anschlag in Christchurch war – jeder einzelne Tote, egal wel­che Religion er hat und von wo er kommt, ist zu bedauern (Bundesrat Schabhüttl: Gott sei Dank!) –, frage ich mich aber schon, warum es von Ihnen noch nie eine Dringliche Anfrage zu den marodierenden Banden von Boko Haram gegeben hat, die vor allem Christen töten. 27 000 Menschen sind ermordet worden, zwei Millionen sind auf der Flucht, sie sind vor diesen islamistischen Banden in die Nachbarländer geflüchtet. Wie­so höre ich da nichts? (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Wieso haben Sie sich noch nie Sorgen darüber gemacht, dass weltweit Christen ermordet oder mit Todesstrafe be­droht werden? Wieso höre ich da nichts? (Bundesrat Weber: Sitzen die in Ihren Re­gierungskabinetten?) Sie sind schon sehr einseitig gestrickt! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die FPÖ hat schon 2016 in einer Sitzung festgehalten, dass es keinerlei Verbindung zu den Identitären gibt, dass wir mit ihnen auch nichts zu tun haben wollen. In einem Be­schluss wurde festgelegt, dass es in Überschneidung oder parallel zu einer Mitglied­schaft oder einer Betätigung bei den Identitären keine Funktionen innerhalb der FPÖ geben kann.

Vizekanzler Strache hat in Bezug auf die Freiheitlichen in der Bundesregierung – das gilt natürlich für die gesamte Bundesregierung – immer gesagt (Bundesrat Weber: Ge­sagt!): Extremismus hat in unserer Gesellschaft nichts verloren, egal ob er von links kommt, von rechts kommt, ob er politisch, ob er religiös oder sonst wie motiviert ist. Ich


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weiß nicht, wie oft man Klarstellungen treffen muss, damit sie endlich einmal bei Ihnen ankommen. Offensichtlich muss man das bei Ihnen öfter machen, weil die Halbwerts­zeit des Gedächtnisses sehr kurz ist. (Bundesrat Weber: Nicht Worte, Taten! – Bun­desrat Krusche: Welche Taten?) Es gibt für uns keinerlei Gründe mehr, uns zum wie­derholten Male davon abzugrenzen und zu sagen, dass wir mit den Identitären nichts zu tun haben.

Es gibt für uns eine Strafjustiz, keine Gesinnungsjustiz. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Dazu stehe ich, dass es keine Gesinnungsjustiz geben darf, denn wenn Sie das unterstützen, dann haben Sie mit der Demokratie aufgehört; dann befinden Sie sich in einer Einheit mit jedem diktatorischen Regime, in denen Leute, die eine andere Meinung haben, verhaftet, eingesperrt, gefoltert und auch getötet werden. Sie plaudern immer, wie wichtig Ihnen die Demokratie sei, wie sehr man sie hochhalten müsse und wie sehr man sie schützen und vor jeder Bedrohung bewahren müsse. – Dann halten Sie sich doch bitte einmal an die eigenen Vorgaben und agieren Sie nicht wie in einem totalitären Regime! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die Vorwürfe, von denen die Identitären schon freigesprochen sind, kennen Sie ja hof­fentlich. Es sind jetzt neue Vorwürfe dazugekommen, die sollen auch untersucht wer­den, die werden auch untersucht werden. Die Gerichte werden darüber befinden, ob es richtig oder falsch ist, und werden ihre Urteile sprechen. Bis dahin gilt das, was für alle Angeklagten in diesem Land gilt, nämlich die Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen ist. Wir müssen uns hier nicht noch einmal extra abgrenzen. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Wir haben das schon mehrfach getan, wir haben damit nichts zu tun.

Ich finde es schon ein bisschen weit hergeholt, dass Sie bei diesen paar Hundert Hansln schon glauben, dass die Republik brennt. (Bundesrätin Grimling: Das ist Ver­harmlosen! – Bundesrätin Hahn: Das ist Rechtsextremismus! Das ist ihnen egal!) In den Anträgen, die Sie heute ja noch einbringen werden, sprechen Sie ausschließlich von Rechtsextremismus; Linksextremismus und übrigens auch politisch motivierter Ex­tremismus des Islam kommen überhaupt nicht vor. Das zeigt mir schon, dass Sie eine klare Absicht haben. Ihnen geht es ja überhaupt nicht um die Identitären, Ihnen geht es auch gar nicht um die Gefährdung der Republik, weil Sie ja wissen, dass diese nicht gefährdet ist. Es ist einfach Wahlkampf. Sie haben Angst, dass Sie bei der EU-Wahl komplett abschmieren, und jetzt versuchen Sie, sich halt noch schnell eine Bühne zu machen, wo man Ihnen zuhört. Das ist Ihre Motivation. (Beifall bei der FPÖ.)

Man merkt die Absicht, wenn man sich die Anträge anschaut. Ich kann Ihnen aber sagen: Ich bin nicht verstimmt, denn das ist es nicht wert. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Der Schieder wird sie schon retten!)

16.54


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr.


16.54.00

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Bundeskanzler! (Bundesrat Steiner: Heute keinen Pflasterstein mit?) – Der Run­ning Gag ist mittlerweile ein wenig langweilig. Werte Kollegen und Kolleginnen! Die Verflechtungen zwischen FPÖ und rechtsradikalen Gruppen sind aus meiner Sicht die größte Hypothek dieser Regierung.

Ich glaube nicht, dass man nicht die Identität schützen kann. Ich glaube nicht, dass alle innerhalb der FPÖ rechtsradikal sind. (Bundesrat Rösch: Seit wann?) Ich glaube auch nicht, dass alle ihre Wähler und Wählerinnen rechtsextrem sind. (Bundesrat Krusche: Das ist ja großzügig! – Bundesrat Ofner: Sagt die mit dem Pflasterstein!) Nichtsdesto-


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trotz ist es bekannt, dass ein starker Kern innerhalb der Freiheitlichen Partei immer schon rechtsradikale Propaganda verbreitet hat, und das war auch Ihnen, Herr Bun­deskanzler, bekannt. (Bundesrat Steiner: Wo ist der? Der Kern ist schon lange weg!)

Niemand, der sich genau mit der Thematik beschäftigt, wird in Abrede stellen, dass man wahrscheinlich nur gehofft hat, dass es erstens nicht so schnell und zweitens nicht so gravierend zum Thema wird, dass es diesen Kern innerhalb der FPÖ gibt. Jetzt ist die Katze aus dem Sack, nach dieser Affäre um die Spenden an Sellner. Es wird Untersuchungen geben, ja, das stimmt auch, aber diese Abgrenzung ist tatsäch­lich nicht wirklich glaubwürdig.

Diese Hausdurchsuchungen mit 200 Polizeibeamten, bei denen niemand festgenom­men worden ist, wo vor einem Jahr ein Konzert in der steiermärkischen Pampa statt­gefunden hat und man jetzt ein paar Tätowierungen und Waffen festgestellt hat, sollen und dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit nationalen und interna­tionalen brandgefährlichen Verbindungen zu tun haben. (Unruhe im Saal.)

Jedenfalls ist es ein durchsichtiges Manöver und mit Sicherheit kein Befreiungsschlag für diese Regierung. Die Gefahr sitzt nämlich nicht irgendwo auf Konzertbänken, son­dern mitten in den Kabinetten. Das wissen Sie. Auch wenn viele jetzt die Verbindungen abstreiten, gibt es ja genug Überschneidungen, nicht nur ideologische, sondern auch personelle.

Frau Mühlwerth, es geht hier nicht um Identität, sondern es geht hier um rechtsextreme Ideologien, die Sie mit den Identitären gemeinsam haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Falsch, Frau Kollegin! Komplett falsch!) Es geht hier um Invasion, Umvolkung, Über­fremdung, Verschwörungstheorien, Kriminalisierung von Zugewanderten, Sündenbö­cke. Es sind die gleichen Argumentationsstrategien, und das werden Sie nicht abstrei­ten, das ist bestens dokumentiert.

„Der Große Austausch“ war nicht nur auf einem Transparent der Identitären zu lesen, die eine Donnerstagsdemo gestört haben, sondern war auch der Titel des Hassmani­fests des Attentäters aus Neuseeland. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Auch das wissen Sie ganz genau. Die Identitären und die FPÖ – das muss man klar sagen – sind Teile des­selben Spektrums. (Bundesrätin Mühlwerth: Wie die Linken und der Schwarze Block!)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben im Wissen um genau dieses Milieu trotzdem die Frei­heitlichen in die Regierung geholt – in eine Bundesregierung. Wir reden hier nicht über Landesregierungsbeteiligungen, sondern über Ministerien, das ist schon noch einmal ein kleiner, aber feiner Unterschied. Sie haben die FPÖ dadurch salonfähig gemacht und ihr zusätzlich auch noch das Innen-, das Verteidigungsministerium und den ge­samten Sicherheitsapparat samt den Geheimdiensten übertragen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Sie und die ÖVP tragen deshalb mit die persönli­che Verantwortung dafür, was es jetzt aufzuklären gilt.

Wenn jetzt diese Verbindungen abgestritten werden, obwohl sie bestens dokumentiert sind, möchte ich schon einige Dinge hervorstreichen: Die sogenannten Identitären sind in Österreich seit circa 2013 aktiv. Schon früh hat das Dokumentationsarchiv des ös­terreichischen Wiederstands diese Gruppierung als rechtsextrem eingestuft. Auch der Verfassungsschutz beobachtet die Identitären in Österreich schon seit Langem. Trotz dieser Fakten hat Vizekanzler Strache diese Gruppe als junge Aktivisten verteidigt, nachdem sie ein Theaterstück an der Universität Wien, an dem auch Kinder, Flücht­lingskinder beteiligt waren, gestürmt haben – auch dazu gibt es Dokumentation, falls Sie sich nicht erinnern können –; er hat sogar das Video geteilt.

Worüber reden wir hier überhaupt? – FPÖ-Landtagspräsident Kurzmann demonstriert mit Identitären gegen eine Flüchtlingsunterkunft. FPÖ-Gemeinderat Sickl ist Ordner bei einem Identitären-Aufmarsch. Der FPÖ-Vizebürgermeister der Stadt Graz ist ebenso


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bei einem Aufmarsch der Identitären dabei. Innenminister Kickl hält vor Identitären eine Rede auf einem rechten Kongress. FPÖ-Abgeordneter Zanger hält eine Rede bei ei­nem Identitären-Aufmarsch. Der Freiheitliche Akademikerverband macht eine Veran­staltung mit Martin Sellner.

Es gibt Inserate für FPÖ-Spitzenkandidat Vilimsky im Magazin „Info-Direkt“, das eine Plattform der Identitären ist. Es ist ein weiterer Verein in der Villa Hagen aufgetaucht, wo mittlerweile die Mietverträge gekündigt worden sind. Auch in unseren Reihen – er hat sich grade verflüchtigt – sitzt ein Bundesrat, der gemeint hat, er sei gar nicht Kas­sier von einem Verein in dieser Villa Hagen, obwohl er aber genau das amtlich unter­schreiben musste. Bitte veräppeln Sie uns also nicht – das ist alles dokumentiert! Das steht alles schwarz auf weiß, davon gibt es Dokumente und amtliche Beweise. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Eine Kurzzusammenfassung abseits dieser Verbindungen bei Aufmärschen und De­monstrationen gibt es auch noch. Ich weiß nicht, ob Sie kurzsichtig sind, aber ich könnte hier Abhilfe schaffen, wenn Sie das mit dem Konsequentsein wirklich ernst mei­nen; schauen wir uns vor allem die Ministerien an:

Insgesamt konnten bei bisher mindestens 48 Personen aus der FPÖ direkte oder indi­rekte Verflechtungs- und Berührungspunkte zu den Identitären identifiziert werden.

Zumindest vier FPÖ-geführte Ministerien und drei weitere hochrangige FPÖ-Politiker beschäftigen Personen, die mit den Identitären in direktem Kontakt sind oder Sympa­thien bekundet haben.

Zumindest zwölf aktive FPÖ-Politiker beziehungsweise FPÖ-Mitarbeiter haben an rechtsextremen und Identitären-nahen Kongressen teilgenommen.

Zumindest neun aktive Politiker und Politikerinnen der FPÖ beziehungsweise deren Mitarbeiter haben, und zwar – das wiederhole ich – nachdem der österreichische Ver­fassungsschutz diese Gruppierung als rechtsextrem eingestuft hat, an Kundgebungen dieser Identitären dokumentierterweise teilgenommen.

Zumindest neun aktive FPÖ-Politiker beziehungsweise FPÖ-Mitarbeiter waren gemein­sam mit rechtsextremen Identitären bei Stammtischen und Infotischen vertreten.

Zumindest sechs FPÖ-Politiker und Personen aus FPÖ-Vorfeldorganisationen haben die Identitären – ich wiederhole: nachdem der österreichische Verfassungsschutz diese Gruppierung als rechtsextrem eingestuft hat – öffentlich beworben, verteidigt und/oder verharmlost; darunter unser Vizekanzler Strache.

Zumindest 14 FPÖ-Politiker beziehungsweise FPÖ-Mitarbeiter sind, nachdem der ös­terreichische Verfassungsschutz die Identitären als rechtsextrem eingestuft hat, in Identitären-nahen Medien aufgetreten oder haben in diesen Medien inseriert oder sind sogar Teilhaber dieser Medien.

Jetzt kommen wir zu Ihrer Abgrenzung, zu Ihrer Glaubwürdigkeit und zu der Konse­quenz, die Sie angekündigt haben: Kein einziger FPÖ-Politiker wurde bislang allein aufgrund eines Naheverhältnisses zu den Identitären aus der Partei ausgeschlossen, kein einziger Mitarbeiter deshalb aus einem Ministerium entlassen und noch keine ein­zige Unterstützung für ein Identitären-nahes Medium wurde, seit wir diesen Skandal auf dem Tisch haben, eingestellt. Ist das konsequent? Meinen Sie das mit konse­quent? – Ich nicht! Das geht sich nicht aus! (Bundesrat Spanring: Jetzt mache ich mir datenrechtliche Sorgen! Von wo weiß die unsere Mitglieder?)

An dieser Stelle möchte ich mich für die aufwendigen Recherchen bei Stoppt die Rech­ten und SOS Mitmensch bedanken. Da sitzen nämlich Personen, die sich diese Ver­flechtungen genauestens anschauen, sodass Sie diese nicht verneinen können. (Bun­desrat Spanring: Schwachsinn! – Bundesrätin Mühlwerth: Sie haben den Schwarzen


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Block unterstützt!) – Lenken Sie nicht ab! Ich sage als Grüne, bei uns ist Gewaltfreiheit nicht nur ein Grundwert, sondern eine Koalition mit der FPÖ ein No-Go. (Bundesrätin Mühlwerth: Der Pflasterstein ist ja auch ein Symbol der Gewaltfreiheit!) – Lenken Sie nicht permanent ab, wir reden jetzt nicht über den Schwarzen Block! Wir reden hier über etwas Brandgefährliches, über eine brandgefährliche rechtsextreme Gruppierung, mit der Sie zum Teil zusammenarbeiten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist ja noch nicht alles! Es gibt wirklich brisante Dokumente zu dem Ganzen. Aus einem Kampagnenplan der Identitären – kennen Sie den? – geht hervor, wie der ge­meinsame Krieg der FPÖ und der Identitären gegen den bereits erwähnten Großen Austausch aussehen soll. (Bundesrat Spanring: Das hat wahrscheinlich ein Grüner geschrieben!) Im Rahmen der Gegenöffentlichkeit, heißt es hier, werden als Kanäle FPÖ-Medien genannt, die mit Berichten gefüttert werden sollen, zum Beispiel: „Zur Zeit“ – bekannt –, „Aula“ – auch schon länger bekannt –, sogar die Facebook-Seite von Vizekanzler Strache steht in diesem Kampagnenplan drinnen, „FPÖ TV“, „Info-Direkt“. Die Umsetzung dieser Kampagne ist ebenso gut dokumentiert. Die Umsetzung dieser Kampagne stellt eine Sicherheitsgefahr dar, sonst gar nichts.

Kommen wir jetzt zu der eigentlichen Sicherheitsgefahr! Die „Washington Post“ hat ja berichtet, dass Dokumente über Sellners Kontakte zur FPÖ bei der BVT-Razzia mitge­nommen worden seien. Das ist im Moment nicht verifizierbar, aber allein der Hinweis darauf sollte wirklich bei allen Parteien die Alarmglocken läuten lassen. (Bundesrat Weber: Ablenkung!)

Wir wissen, dass gegen Sellner aktuell wegen des Verdachts auf Gründung einer oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird. Wir wissen und kön­nen täglich auf Twitter mitlesen, was Sellner so von sich gibt. Sie sind da zum Beispiel für einige in der FPÖ ein Weichei. Für Sellner hat die FPÖ ihn zum Beispiel verraten, und er will jetzt im EU-Wahlkampf alles veröffentlichen – was nochmals gut dokumen­tiert, wie die Verbindungen und Verflechtungen sind. Wie Sie da wieder herauskom­men, schauen wir uns dann jedenfalls gut an.

Das BVT soll weiters eine Liste von 500 Identitären in Österreich haben, auch darüber werden wir sicher noch reden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich frage mich, wo Sie das al­les herhaben! Vielleicht sollten wir darüber einmal reden!) Diese Razzia beim BVT – und das wissen Sie auch – hat ja nicht nur national, sondern eben auch international für Aufsehen gesorgt. Ich frage mich schon, wie man es schaffen kann, in eineinhalb Jahren Regierungsbeteiligung von ÖVP und FPÖ den Ruf dieser Republik derart zu zerstören, dass nicht einmal mehr die Geheimdienste Österreich vertrauen. Das ist wirklich eine Kunst! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Regierung, Ministerien, Polizei und Bundesheer werden bekanntlich von rechtsextre­mem Gedankengut unterwandert, während Sie zuschauen. Hinzu kommt auch noch, dass es innerhalb der FPÖ nicht wirklich Einigkeit gibt, wie man damit umgeht. In Ober­österreich oder in der Steiermark gab es durchaus Personen, die die Meinung von Heinz-Christian Strache, dass er sich davon abgrenzen möchte, offen torpediert haben. Wir wissen auch, dass der Identitären-Chef Sellner nicht einmal ein Hehl daraus macht, dass er vor 13 Jahren Hakenkreuze an eine Synagoge in Baden geklebt hat und einer seiner Weggefährten der verurteilte Neonazi Gottfried Küssel ist. (Bundesrätin Mühl­werth: Dafür ist er auch verurteilt worden!)

Ich habe jetzt ergänzend zu den zehn Fragen aus der Dringlichen Anfrage eine wirklich ernst gemeinte Frage an Sie, Herr Bundeskanzler. (Bundesrätin Mühlwerth: Das an­dere war nicht ernst gemeint?) Ich frage mich nämlich, wer die Bevölkerung in Öster­reich vor diesen angeblichen Verteidigern des Abendlandes verteidigt. Innenminister Kickl wird das nicht tun, er teilt nämlich deren Ideologie. Auch Verteidigungsminister Kunasek wird das nicht tun, denn er ist nicht nur mit der Umsetzung des Überwa-


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chungsstaates beschäftigt, sondern auch er pflegt beste Kontakte zu Wehrsportlern und Identitären, Neonazis.

Deshalb wollen wir von Ihnen wissen, wie Sie das mit der Konsequenz tatsächlich mei­nen, und bringen einen Entschließungsantrag mit folgender Begründung ein:

„Das DÖW stuft die Identitäre Bewegung als ‚rechtsextreme Jugendorganisation mit vielfältigen faschistischen Anklängen in Theorie, Ästhetik, Rhetorik und Stil’ ein. Eben­so wird im Verfassungsschutzbericht von 2017 die Identitäre Bewegung als ‚eine der wesentlichen Trägerinnen des modernisierten Rechtsextremismus’ bezeichnet und da­mit als rechtsextreme Vereinigung qualifiziert. Verteidigungsminister Mario Kunasek verkündete auf dieser Grundlage, dass Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewegung beim Bundesheer wieder in Kraft treten werden“ – wohlgemerkt, nachdem Sie interveniert haben.

Wir stellen daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber und Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewe­gung Österreich im Öffentlichen Dienst“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären innerhalb des Öffentlichen Dienstes einzuführen, da Rechtsextremismus innerhalb des Öffentlichen Dienstes nicht zu dulden ist.“

*****

Herr Bundeskanzler, seien Sie konsequent, sonst sind Sie Geschichte! – Danke. (Bei­fall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.10


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.


17.11.07

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die aktuelle Situation gibt wirklich Anlass zur Sorge, und da geht es nicht um politische Scharmützel, sondern da gibt es wirklich Sorge, Sorge wegen der Ereignisse, die statt­gefunden haben.

Der schreckliche und verabscheuungswürdige Anschlag in Christchurch hat 50 Todes­opfer gefordert. Zurück bleiben die schmerzerfüllten Angehörigen der Opfer, die Bevöl­kerung Neuseelands, die höchst betroffen ist und die in beispielhafter Weise ihre Soli­darität mit den muslimischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen erklärt hat. Die Erhebun­gen nach dem Anschlag haben enge Verbindungen des Attentäters zur rechtsradikalen Organisation der Identitären in Österreich zutage gebracht.

Der Umstand, dass enge Vernetzungen von politisch Handelnden der FPÖ und ihrer Mitarbeiterstäbe mit dieser Gruppierung immer wieder und bereits über einen längeren


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Zeitraum festgestellt werden und belegt sind, ist für uns einfach ein schwerwiegendes Alarmsignal, und es sollte für Sie auch eines sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Diese Verwebungen zeigen sich aber auch in einem weiteren Bereich besonders stark, nämlich in der Sprache. In dem rund 70-seitigen Dokument des Hasses, mit dem der Attentäter seine Tat rechtfertigt, finden sich dieselben Codes und sprachlichen Muster, wie sie von den Identitären und zum Teil leider auch von der FPÖ verwendet werden. Es ist eine Sprache, die Angst macht und Hass sät, denn es geht nicht nur um das Handeln – und ich zitiere hier den ehemaligen Nationalratspräsidenten Khol –, es geht auch um die Werthaltung.

Die Identitären handeln und äußern sich in stark demokratiefeindlicher Weise. Das ist grundsätzlich abzulehnen und zu bekämpfen. Jede Form, wirklich jede Form von Ge­walt ist abzulehnen, von welcher Seite sie auch immer kommt. Es geht aber weit über das Setzen von Gewaltakten hinaus. Auch eine extremistische, rassistische, faschisti­sche, frauenfeindliche, antisemitische, verfassungsfeindliche und antidemokratische Wert­haltung ist einfach grundsätzlich abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Wir alle hier sind Patriotinnen und Patrioten, wir lieben unsere Heimat – das bedeutet aber nicht in der Abgrenzung zu anderen, sondern in der Freude an einer weltoffenen und humanistischen Gesellschaft. Identitäre haben Gewaltakte gesetzt, antisemitische Zeichen verbreitet und Angriffe gegen rechtsstaatliche Prinzipien wie die Medienfreiheit geplant. Umso wichtiger wäre es gewesen, schon längst gegen diese Gruppierung auf­zutreten und klare Handlungen gegen sie zu setzen – vor allem in Regierungsverant­wortung.

Es bedarf einer strikten Ablehnung und bedingungslosen Abgrenzung von der Ideolo­gie und dem Auftreten der Identitären und keiner Scheinaktionen und Razzien – die längst hätten stattfinden müssen –, um das eigentliche Thema zu überdecken. Es wäre dringend notwendig, von Regierungsseite Maßnahmen zu setzen, die die Gefährdung der Menschen durch diese Gruppe verhindern. Das ist die Verantwortung des Bundes­kanzlers. Hass und Ausgrenzung dürfen in keiner Weise geduldet und gefördert wer­den, denn sie sind der Anfang vom Ende unserer Demokratie, und das wollen wir alle nicht; davon bin ich grundlegend überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.) Eine halbherzige Distanzierung kann deshalb nicht geduldet werden. Der Ruf unseres Landes darf nicht durch diese Vorkommnisse leiden. Österreich darf nicht mit der Duldung rechtsextre­mer Bewegungen in Verbindung gebracht werden. Das gebietet bitte auch unsere his­torische Verantwortung, der wir uns alle verpflichtet fühlen sollten. Das gilt in Öster­reich, aber auch auf europäischer Ebene.

Wenn wir am 26. Mai das Europäische Parlament wählen, wird die FPÖ eine Allianz eingehen, die in dieser Form vor wenigen Jahren noch nicht denkbar gewesen wäre, aber heute Realität ist. Es ist eine Allianz, die sich gegen die europäische Idee wendet und wohl alles dafür tun wird, um dieses gemeinsame Friedensprojekt zu schwächen oder sogar zum Scheitern zu bringen. Es ist eine Allianz mit Parteien wie dem franzö­sischen Front National, den Schwedendemokraten, den Wahren Finnen oder der AfD in Deutschland. Das muss dem Bundeskanzler unseres Landes bitte klar sein! Es reicht nicht, in diesem Zusammenhang zu sagen: Ich muss nicht auf jeden Inhalt einge­hen, den ich ablehne!

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Maß­nahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“


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Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, den jährlichen Rechtsextremismusbericht unverzüglich wiedereinzuführen und bereits für das Berichtsjahr 2018 gemeinsam mit dem Verfassungsschutzbericht vorzulegen sowie das im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus tätige Personal in den Organen des Verfassungsschutzes und anderer Organe des Bundes analog zu den Maßnahmen in Deutschland um 50% aufzustocken.“

*****

Ich ersuche Sie eindringlich, setzen Sie dieses so wichtige Zeichen und unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dzie­dzic und Stögmüller.)

Grundsätzlich sind demokratische Strukturen zu stärken, vor allen Dingen indem Sie die in unserem Land so erfolgreich erprobten Möglichkeiten zur Teilhabe nicht reduzie­ren. Die Arbeit dieser Regierung aber ist geprägt vom Außerkraftsetzen der Sozialpart­nerschaft, dem Ignorieren von zwei höchst beteiligungsstarken Volksbegehren, der Re­duktion der parlamentarischen Rechte, dem Hinterfragen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dem Wunsch, die ArbeitnehmerInnenvertretung möglichst zu schwächen, und einem beschämenden Umgang mit den Ärmsten der Bevölkerung. Sie müssen sich bewusst sein: Alle diese Handlungen und Vorgangsweisen schwächen unsere De­mokratie und gefährden den sozialen Frieden.

Die Grundlagen für ein friedvolles, hassfreies, respektvolles und tolerantes Miteinander der Menschen in diesem Land zu schaffen sollte für uns – und ich bin mir sicher, darin sind wir uns einig – die Maxime unseres politischen Handelns sein. Ich ersuche auch Sie, Herr Bundeskanzler (ein Zeichen der Wahrnehmung von Bundeskanzler Kurz ab­wartend – Zwischenrufe bei der SPÖ – Heiterkeit der Rednerin und bei BundesrätInnen der SPÖ – Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz) – Gratulation, wunderbar! –, unsere Forderung nach einer demokratischen Haltung auf allen Ebenen zu unterstüt­zen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten Martin Weber, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist David Stögmüller. Ich erteile es ihm.


17.19.25

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt meine Rede ein bisschen über Bord geworfen, weil schon viele Punkte angesprochen worden sind. Ich glaube aber, man muss da schon auch ganz einfach Fakten auf den Tisch legen.

Wenn Kollege Bader als Klubobmann sagt, Rechtsextremismus sei in Österreich ohne­dies nicht so tragisch, dann muss ich festhalten: Wir haben bei rechtsextremistischen Tathandlungen seit Jahren - - (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, dass es nicht eine so große Gefahr für Österreich ist. (Bundesrat Bader: Das habe ich ja nicht gesagt!) – Das ist schon ein bisschen so rübergekommen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben seit Jahren einen Anstieg bei rechtsextremen Tathandlungen in Österreich, erst letztes Jahr wieder einen Anstieg von 2,9 Prozent, und jedes Jahr steigende Zah-


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len. Das ist nicht unabdingbar. (Bundesrat Seeber: Linksextremismus?) – Nein, der Linksextremismus ist sinkend, Herr Kollege, das müssen Sie bitte nachschauen! Schauen Sie in den Sicherheitsbericht! Der ist nicht von den Grünen, der kommt von Kickl höchstpersönlich. Linksextremismus ist sinkend, geht nach unten, seit Jahren. Den Linksextremismus will ich auf keinen Fall verteidigen. Meiner Meinung nach gehört jedem Extremismus, egal welcher Art, etwas entgegengesetzt. Ich glaube, darin sind sich alle Parteien hier – hoffentlich – klar einig.

Rechtsextremismus aber wird immer mehr zu einem Problem in diesem Staat, und er wird immer mehr salonfähig. Das ist das riesengroße Problem dahinter. Dabei ist Ober­österreich immer wieder Spitzenreiter, und ich werde das jetzt auch ansprechen. Es ist kein Wunder, dass Oberösterreich immer wieder heraussticht, wenn es um Veranstal­tungen der Identitären und der Rechtsnationalen, Rechtsradikalen geht und wenn da Treffen, gerade auch von den Identitären, zustande kommen.

Ein Highlight war das Vernetzungstreffen Verteidiger Europas: Der Kongress in Linz war laut seiner Selbstbeschreibung der „erste österreichische Kongress gegen die ethno­kulturelle Verdrängung der europäischen Völker“. Dort waren nachweislich haufenwei­se Identitäre vertreten – davon gibt es Fotos –, und es gibt mehr als genug Beweise dafür, dass dort nicht nur Identitäre vertreten waren, sondern auch schlagende Bur­schis, Putin-Anbeter und Neonazis, nämlich bekannte Neonazis; und ja (eine Tafel in die Höhe haltend, auf der Fotos von Herbert Kickl, Felix Menzel, Maram Susli und Phi­lip Stein zu sehen sind), auch der Herr Innenminister war einer der Vertreter, die dort vor Ort gesprochen haben. Ich stelle das jetzt einmal so hin (die Tafel auf das Redner­pult stellend), denn man soll es ja ein bisschen sehen.

Er war einer, der da vorne auf der Bühne gestanden ist und gesagt hat, er sei jetzt un­ter Gleichgesinnten. Unter Gleichgesinnten! Wer sind denn diese Gleichgesinnten? – Es sind Sascha Roßmüller, ein bekannter, mehrfach verurteilter Neonazi aus Bayern, oder der Wiener Rechtsextreme Wolfgang L., der als Sowilo bekannt ist, um nur ein paar zu nennen, Herr Bundeskanzler. Was sagt Kickl zu diesem Publikum? – Und das ist nämlich die Frechheit: „Das ist ein Publikum, wie ich mir das wünsche und wie ich es mir vorstelle“ – zu diesen Rechtsextremen! Man weiß also schon, wohin genau die­se FPÖ tendiert: zu Identitären, Rechtsradikalen, als Neonazis Verurteilten. Das ist meine Gesellschaft, dieses Publikum wünsche ich mir, „wie ich es mir vorstelle“!

Also liebe ÖVP – und ich appelliere gar nicht an die FPÖ, das brauche ich gar nicht, sondern eher an die ÖVP –, diese Verbindungen zwischen FPÖ und den Identitären und den Rechtsextremen, der rechtsnationalen Szene, sind doch mehr als belegt. Das muss man doch nicht irgendwie mit Überraschung feststellen. Das hat man ja schon gewusst, das weiß man ja! Auch die Abgrenzungsversuche sind so etwas von un­glaubwürdig; auch wenn ich mir wünsche, dass da etwas vorangetrieben wird, aber die Abgrenzungsversuche sind so etwas von unglaubwürdig!

Schauen wir weiter nach Oberösterreich, ich will das noch ein bisschen aufgreifen: Der Büroleiter des Linzer Vizebürgermeisters Hein, Ulrich Püschel, nahm zum Beispiel an der Identitärendemo teil. Er ist auch Miteigentümer von „Info-Direkt“. Zu „Info-Direkt“ kommen wir gleich: „Info-Direkt“ strotzt nämlich nur so von Verschwörungstheorien, teilweise Antisemitismus bis hin zu rechtem Gedankengut. Wer sind denn die Eigentü­mer? – Ich darf Ihnen kurz vorlesen, wer die Eigentümer von „Info-Direkt“ sind. Im Ei­gentum von: Michael Scharfmüller, Ex-Mitglied des Bundes freier Jugend, 40 Prozent; Ulrich Püschel, Büroleiter des Linzer FP-Chefs Markus Hein, 30 Prozent; Jan Acker­meier, politischer Referent in der FP-Landespartei, 30 Prozent. – Das sind alles FPÖ-Leute.

Und was plakatieren sie?– So etwas kommt dabei heraus (eine weitere Tafel in die Hö­he haltend, auf der ein Ruderboot und darüber Porträtfotos von Sebastian Kurz, Martin


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Sellner, Heinz-Christian Strache, Michael Scharfmüller und Manfred Haimbuchner zu sehen sind): Da wird Herr Bundeskanzler Kurz – hier sind Sie (in Richtung Bundes­kanzler Kurz), auf dem Foto – in ein Boot gesetzt mit Sellner, mit Strache. Und wer ist noch drin? – Haimbuchner! Da sind sie alle. Und was steht drüber? – „Wir Patrioten sit­zen in einem Boot mit Martin Sellner“. – Wir sollen uns solidarisch mit den Identitären verhalten.

Alles FPÖler, denen dieses Magazin gehört – da frage ich mich schon: Wo ist denn da die Abgrenzung? Das ist doch nicht okay! Also wenn das mein Parteichef wäre, würde ich mich von dem Ganzen so schnell distanzieren, wie es nur geht. Das ist meiner Mei­nung nach eine Frechheit. Das muss man hier auch ganz klar benennen. So! (Zwi­schenruf der Bundesrätin Ecker. – Rufe bei der FPÖ: „So!“ Genau! „So!“) – Nein, so schnell bin ich noch nicht fertig, es gibt da noch so viel mehr.

Schauen wir einmal – weil es schon angesprochen wurde – zur Villa Hagen in Linz! Dort haben nicht nur die Identitären ihr patriotisches Zentrum – so nennen sie das – eingerichtet, in diesem Haus sind nicht nur die Identitären, sondern dort ist auch die Burschenschaft Arminia Czernowitz. In der Arminia Czernowitz sind superprominente Mitglieder vertreten, sie sind dort ein und aus gegangen, mit Sellner, wahrscheinlich jede Woche einmal. Das ist nichts Unbekanntes, jeder in Linz weiß, dass die Identi­tären dort ihr Zuhause haben, jeder hat das gewusst. Es gibt eine Facebook-Seite, auf der sich immer wieder Ankündigungen der Identitären für Veranstaltungen in diesem Haus, der Villa Hagen, finden. Das kann ich Ihnen alles beweisen.

FPÖ-Politiker wie Detlef Wimmer sind dort ein und aus gegangen. Michael Raml, den wir hier im Bundesrat alle kennen, ist ein und aus gegangen. Kollege Michael Schilch­egger, der jetzt nicht da ist, ist dort auch noch als Kassier in einen Verein verwickelt, nämlich in der Akademischen Burschenschaft Markomania zu Linz. Jeder Linzer weiß, was das ist. Die sind dort verankert und haben dort Veranstaltungen. Also da jetzt zu behaupten, man kenne sich nicht, ist doch absurd!

Man muss sich nur die Strukturen dieses Hauses anschauen, Herr Bundeskanzler. Schauen wir doch hinein! Wer ist denn dort, in der Villa Hagen, überhaupt dafür ver­antwortlich, wer sich da einmietet? – Es ist Wolfgang Grabmayr, FPÖ-Gemeinderat in Linz – das ist einer, der die Verantwortung über das Haus hat –, und es ist Wolfgang Kitzmüller, der Mann der Dritten Nationalratspräsidentin. Das sind alles Leute aus der FPÖ-nahen Umgebung, und sie haben Mietverträge mit denen unterschrieben. Und da frage ich mich: Da weiß man nicht, dass die Identitären dort unten hausen? – Entschul­digung, wenn ich es weiß?! Also ich verstehe das nicht.

Alle diese Herren wissen von den Identitären, und verarschen können Sie uns nicht, das muss man hier auch klarstellen. Das ist bekannt – und fertig! Es gibt genügend Belege dafür, und das wissen die Identitären und die FPÖ, dass es genug Über­schneidungen und Verbindungen gibt.

Schauen wir einmal in die Steiermark! Ich habe Ihnen da auch wieder ein Foto mit­genommen (ein Foto in die Höhe haltend, auf dem Demonstranten mit einem Banner und Fahnen der Identitären Bewegung zu sehen sind): Das ist eine Demonstration der Identitären Bewegung Österreich. Wer ist auf dem Foto zu sehen? – Martin Krainer, Ring Freiheitlicher Jugend; Gerhard Kurzmann, Freiheitliche Partei Österreich; Armin Sippel, FPÖ; Landtagsabgeordnete Helga Kügerl; Michael Wallner – alles Leute aus der FPÖ-Riege, bei der Identitären Bewegung Österreich an vorderster Front. Das sind alles Belege, das sind alles Beweise, die wir haben. (Bundesrätin Ecker: Sind das Be­lege für Straftaten oder was?!)

Na, welche Straftaten? Mir geht es nicht um die Straftaten. Es geht mir darum, dass das Ideengut, das Gedankengut, das gleiche Spektrum daherkommt, und das ist das Problem dahinter. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Pscht-Rufe bei der FPÖ.)


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Das ist doch kein normales Gedankengut, wenn Leute aus Neuseeland für Sellner Geld spenden und FPÖler mit der gleichen Ideologie auf der gleichen Demo für das Gleiche kämpfen. Sich davon abzugrenzen, da werden Sie sich schwertun.

Herr Bundeskanzler - - (Bundesrat Steiner: Aber gibt es nicht ein Foto mit Van der Bel­len auch?) – Kraut und Rüben! Es geht mir nicht darum, ob jemand auf einem Foto ist. Ich könnte Ihnen auch Tausende andere Fotos zeigen, ich könnte auch das Foto, auf dem Strache zufällig am Stammtisch von Identitären auftaucht, zeigen; so zufällig: Huch, da ist der Identitären-Block da! (Anhaltende Zwischenrufe des Bundesrates Stei­ner.) Ich tue das nicht. Da geht es um eine ganz bewusste Tathandlung: dass ich bei einer Demonstration (Bundesrat Steiner: Tathandlung! Tathandlung!) mit dabei bin.

Herr Bundeskanzler, ziehen Sie endlich einen Schlussstrich! Mir geht es hier um An­stand. Ich nehme es Ihnen ab – wirklich ernsthaft –, dass Sie mit diesem Gedankengut nichts zu tun haben; das glaube ich wirklich, davon bin ich fest überzeugt. Das aber zu akzeptieren ist ein anderer Punkt. Wir fordern Sie und die gesamte ÖVP auf, heute un­seren Entschließungsantrag zu unterstützen. Zeigen Sie Haltung und treten Sie Rechts­extremismus im öffentlichen Dienst klar entgegen!

Ich bringe noch einen weiteren Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Martin Weber, Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Aufnahme des Verbotes der Verwendung von Symbolen der Identitären Bewegung in das Symbole-Gesetz“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, dem Parlament einen Entwurf für die Aufnahme des Verbotes der Verwendung von Symbolen der Identitären Bewegung in das Symbole-Gesetz vorzulegen, da die Ziele dieser rechtsextremistischen Gruppie­rungen im Widerspruch zu den Grundwerten der Republik Österreich und zum Prinzip der gesellschaftlichen Pluralität stehen.“

*****

Ich glaube, man könnte damit auch einen Punkt setzen: Mit dem Symbole-Gesetz sol­len Symbole extremistischer Gruppierungen, deren Ziele im Widerspruch – und gilt für die Identitären – zu den Grundwerten der Republik Österreich und zum Prinzip der ge­sellschaftlichen Pluralität stehen, sowie anderer Bewegungen, deren Symbole als Auf­ruf, Verherrlichung und Unterstützung von Gewalt verwendet werden, verboten wer­den. Das wäre einmal ein Schritt, das wäre der erste Schritt dahin, dass wir Ihnen ab­kaufen würden, dass Sie ganz klar etwas gegen Rechtsextremismus und gegen die Identitären, die diesen Staat zerstören wollen, unternehmen.

Zum Stichwort zerstören möchte ich noch Folgendes anfügen: Wenn wir uns die Pro­zessakten von Graz durchlesen – sie wurden schon publik gemacht –, sehen wir, da steht auch ganz wunderbar drinnen, dass es sich um eine extremistische Gruppe han­delt. Lesen wir es durch! Sellner schreibt handschriftlich dort hinein – und man muss sich das vorstellen; in den Kampagnen gibt es viel darüber, wie man die FPÖ unter­wandert, sie entsprechend aufrührt und in die FPÖ hineinkommt –, da steht wortwört­lich drinnen: „Damit dieser Krieg gewonnen werden kann“ – damit meint er den Krieg gegen Linke, gegen Ausländer, gegen alles, was Pluralität bedeutet – „, muss er be­gonnen werden.“ – Da muss ich schon sagen: Das ist doch definitiv extremistisches Gedankengut. Ich glaube, das will keiner. Wenn eine Gruppierung in Österreich von


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Krieg redet, müssen wir uns dem entgegenstellen – fertig, Punkt, aus! Dementspre­chend müssen wir auch einen klaren Schritt setzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hat Sellner höchstpersönlich geschrieben und unterschrieben. Das ist doch nicht okay und nicht zu akzeptieren!

Sehr geehrte Damen und Herren, die Identitäre Bewegung Österreich ist eine Gefahr, und deswegen hoffe ich, nein, sehr geehrte ÖVP, ich erwarte mir von Ihnen, dass Sie heute eine klare Position beziehen, sonst sind Sie und auch die gesamte - - (Bundesrat Bader: Haben wir ja! Das haben wir ja eh schon!) – Nein, ich meine wirklich: klare Position! Ich erwarte, dass Sie sich klar positionieren, dass Sie diese extremistische Gruppe in Österreich nicht haben wollen; sonst riskieren Sie auch einen Krieg in Öster­reich – das wollen diese Gruppen –, wenn Sie da nicht endlich einen Schlussstrich zie­hen. (Ruf bei der FPÖ: Kommt noch was?!) – Das ist alles, Sie brauchen nur die Akten durchzulesen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sind unglaubwürdig, genauso wie die gesamte ÖVP – und auch die FPÖ –, wenn Sie das nicht tun, wenn Sie nicht endlich einmal Ab­grenzungsversuche durchführen.

Herr Kurz, haben Sie Haltung! Ich traue es Ihnen zu, dass Sie sie haben. Schauen wir, ob Sie sie auch wirklich umsetzen. Ich hoffe es, denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Demokratie in dieser Republik und um eine extremistische Bewe­gung, die diese zerstören will. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

17.33


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Der von den Bundesräten David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Auf­nahme des Verbotes der Verwendung von Symbolen der Identitären Bewegung in das Symbole-Gesetz“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Anton Froschauer. Ich erteile es ihm.


17.33.51

Bundesrat Anton Froschauer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte interessierte Bürgerinnen und Bürger! Eine Debat­te zum Thema Extremismus kann nur emotional sein. Wenn wir unsere Aufgabe ernst nehmen, dann sind der Schutz und die Verteidigung eines demokratischen Österreichs eine der zentralsten Aufgaben, die wir haben.

Wenn wir über Extremismus nachdenken – und das hat Frau Mag. Grossmann bereits ausgeführt –, dann zeigt sich, dass dieser meistens einige funktionale Elemente hat. Sie haben den Begriff Bewegung ins Spiel gebracht, wie er auch vom Landespolizei­kommandanten Pilsl im Zuge des Landessicherheitsrates in Oberösterreich einge­bracht wurde. Diese funktionalen Elemente sind einerseits, sich Bewegung zu nennen, keine Mitgliedschaften im herkömmlichen Sinn zu haben, Ängste zu schüren und zu bedienen, und andererseits, immer wieder auf sich aufmerksam zu machen.

Wenn wir dem Extremismus ernsthaft entgegentreten wollen, dann müssen wir über Folgendes nachdenken: Bedienen wir manche dieser funktionalen Elemente, indem wir diese Bewegungen besonders laut, besonders intensiv und besonders lange themati­sieren? (Bundesrätin Schumann: Schweigen?!) – Nein, ich meine damit nicht, zu schwei­gen, sondern ich meine damit, diesen Bewegungen mit dieser Aufgeregtheit eine Be­deutung zu verleihen, die in deren ureigenstem Sinn sind. (Ruf bei der SPÖ: Nicht ernst nehmen?! – Bundesrat Weber: Die Augen zumachen, wie Kurz?!)

Wir reden konkret – ich zitiere den Landessicherheitsrat – von etwa 60 Personen in Ober­österreich, von etwa 600 in Österreich aus diesem Bereich. (Bundesrat Weber: Wer


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schweigt, stimmt zu!) – Ich bin ganz bei Ihnen: Es geht nicht um Schweigen, sondern es geht um die Aufgeregtheit dieser Diskussion.

Wir haben eines, wir haben einen funktionierenden Rechtsstaat. Wir haben eine Ge­waltentrennung. Wenn wir uns hier ernst nehmen, dann müssen wir auch diese Ge­waltentrennung ernst nehmen. Ich kann damit einverstanden sein, wie die einzelnen Ressorts besetzt sind, oder auch nicht, aber Investigation ist ganz eindeutig Sache der Exekutive. Wenn es Dokumentationen gibt, dann übermitteln Sie diese den Behörden, dann übermitteln Sie diese den Gerichten.

Ich glaube, es bringt uns nicht weiter, wenn wir hier Großinquisition betreiben und gleichzeitig verurteilen. Ich denke – wir haben jetzt einige Beispiele gehört, in denen Urteile gesprochen wurden –, wir sind gut beraten, Extremismus sehr, sehr ernst zu nehmen und uns sehr besonnen mit diesem Thema auseinanderzusetzen. So wie es Kollege Weber und Frau Kollegin Schumann schon angesprochen haben: Es gilt, jede Form von Extremismus sehr, sehr ernst zu nehmen und als Politik den zuständigen Behörden, den zuständigen Gerichten die Mittel in die Hand zu geben, um diesem Ex­tremismus entgegenzutreten. Rechtsstaatlichkeit bedeutet aber auch, aufgrund von Ur­teilen, aufgrund von gesetzlichen Voraussetzungen zu handeln. Das macht es so schwer. Wenn uns Emotion bewegt und wenn uns Ängste bewegen, dass diese Demokratie in Gefahr ist, dann macht es das so schwer, dabei besonnen zu bleiben.

Noch einmal, Kollege Weber: Mit besonnen meine ich nicht, zu schweigen, sondern mit besonnen meine ich, gemeinsam zu überlegen, was die Schritte, die wir setzen müs­sen, sind (Bundesrätin Schumann: Stimmt bei den Initiativanträgen mit!), um diese Din­ge in Österreich Schritt für Schritt zurückzudrängen.

Ich bin dem Herrn Bundeskanzler und den Mitgliedern der Bundesregierung dankbar, dass klare Worte gefunden wurden, und ich bin auch dankbar für die Besonnenheit, keine Vorverurteilungen zu treffen, sondern einfach zu sagen: Es gibt eine Grenze und da muss ein Bekenntnis erfolgen. Ich nehme es den Damen und Herren der Bundes­regierung ab, wenn sie diese Grenze auch verbal ziehen, weil ich Vertrauen habe, nicht nur in unsere Gerichte, nicht nur in unser Innenministerium, sondern auch in un­seren Rechtsstaat Österreich. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.39


17.39.10Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Echte Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechts­extremismus“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.


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Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte David Stögmüller, Martin Weber, Kollegin­nen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Aufnahme des Verbo­tes der Verwendung von Symbolen der Identitären Bewegung in das Symbole-Gesetz“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.41.05Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Ich nehme nun die Verhandlungen zur Tages­ordnung wieder auf. Wir setzen die Verhandlung über Tagesordnungspunkt 12: Be­richt des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvor­schau 2019 fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schabhüttl. – Bitte.


17.41.22

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher hier auf der Galerie und zu Hause! Es ist jetzt schwierig, wieder zur Tagesordnung zurückzukommen. Es ist schade, Herr Vizekanzler, dass Sie dieser Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers nicht beiwohnen konnten oder es auch nicht wollten. Es wäre, glaube ich, auch für Sie recht interessant gewesen.

Ich möchte Ihnen berichten, dass Ihnen Ihre Kollegin Mühlwerth keinen großen Dienst erwiesen hat, denn in einigen Interviews ist eine Abgrenzung Ihrerseits erfolgt, die Fraktionsvorsitzende Ihrer Partei hat diese hier nicht wahrgenommen. (Ruf bei der FPÖ: Na, für dich vielleicht! – Bundesrat Samt: Zur Sache, Herr Kollege!) Das möchte ich Ihnen an dieser Stelle sagen.

Da die Freiheitlichen „zur Sache“ einfordern: Herr Kollege Schererbauer als Vorsitzen­der des Sportausschusses hat vorhin als erster Redner gesprochen. Auf der Tagesord­nung steht die EU-Jahresvorschau 2019 des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport. Er hat diese EU-Jahresvorschau in seinem Redebeitrag mit keinem einzigen Wort erwähnt. (Bundesrat Steiner: Hast wieder nicht aufgepasst!) Er hat sehr positiv zum Sport gesprochen, er hat über sein eigenes Engagement im Sport gespro­chen, aber zur Jahresvorschau 2019 wurde kein einziges Wort gesagt. So viel zu „zur Sache“. (Bundesrat Steiner: Mach du das jetzt!)

Kollegin Zeidler-Beck hat diese Jahresvorschau zumindest gestreift. In ihrem Redebei­trag sind wenigstens ein paar Sätze dazu vorgekommen. Ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist. Ich weiß nicht, wer von euch sich diese Jahresvorschau angeschaut hat oder sie vor sich hat. (Der Redner hält die EU-Jahresvorschau 2019 in die Höhe und zeigt einzelne Seiten daraus.) Sie besteht aus zwölf Seiten im türkis-blauen De­sign. Wenn man Seite 2 aufschlägt, findet man im Impressum: „Layout: Raphael Van Loo“. Eine Grafikkanzlei hat das entworfen. Für diese zwölf Seiten bräuchte ein Minis­terium keinen halben Tag und es bräuchte keine Grafikkanzlei damit zu beauftragen.

Dann geht man weiter auf Seite 3: „EU-Jahresvorschau 2019“ – eh klar, kann ja nichts anderes sein –; Seite 4: „Inhalt“ – ist auch noch nicht viel drinnen –; Seite 5: „Arbeits­programm der Europäischen Kommission 2019 – Versprechen einlösen und unsere Zukunft gestalten“ – hier ist kein Zusammenhang mit dem Ressort Sport und öffent­licher Dienst –; Seite 6 ist die Fortsetzung. Weiters gibt es Anhänge: fünf Anhänge, fünf Punkte: „1. Neue Initiativen – Es besteht keine Zuständigkeit des BMöDS“; „2. REFIT-Initiativen – Es besteht keine Zuständigkeit des BMöDS“. Punkt 3 regelt auch nicht die


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Zuständigkeiten in Ihrem Ressort, sondern in den anderen Ressorts; „4. Rücknah­men – Es besteht keine Zuständigkeit des BMöDS“; „5. Geplante Aufhebungen – Es besteht keine Zuständigkeit des BMöDS“.

Dann findet sich auf Seite 7 das „Achtzehnmonats-Programm des Rates“. Der letzte Absatz bezieht sich auf den Brexit, auf britische Staatsbürger, die im öffentlichen Dienst stehen. Dazu gleich eine Kleinigkeit aus dem Ausschuss: Jemand aus dem Sportminis­terium war anwesend, und wir haben ihm die Frage gestellt, wie es mit den britischen Staatsbürgern, die bei uns im öffentlichen Dienst tätig sind, ausschaut. Man hat uns die Auskunft gegeben, er sei nur für den Sport zuständig, diese Frage könne er nicht beantworten. Also: Wenn wir diese Jahresvorschau, die den öffentlichen Dienst und den Sport betrifft, im Ausschuss behandeln, ist entweder der Ausschussvorsitzende – das ist ohnedies jemand aus Ihrer Partei – oder das Ministerium dafür zuständig, dass jemand geschickt wird, der die Expertise für den gesamten Ausschuss hat.

Ich möchte noch weiterschauen: Auf Seite 8 finden sich Verweise auf irgendwelche Gesetze. Auf Seite 9 ist nochmals ganz kurz – auf einer halben Seite – der Vierjahres­plan von 2017 bis 2020 abgedruckt, also auch nichts sehr, sehr Neues. Auf Seite 10 sind wir jetzt beim EU-Ratsvorsitz von Rumänien. Da geht es das erste Mal um den Sport. Auf Seite 11 sind Termine des Ratsvorsitzes, und dann haben wir als Letztes noch Seite 12, und wir sind wieder bei dem schönen Layout, das der Grafiker entwor­fen hat.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wir haben schon sehr viele gute Berichte aus ver­schiedenen Ministerien gesehen, dieser Bericht aber bietet inhaltlich nichts. Er hat viel­leicht ein schönes Layout, das der Grafiker entworfen hat, sonst aber ist er ein Sinnbild dafür, wie das Ministerium mit Sport und Sportagenden umgeht.

Das hat noch einen anderen Hintergrund. Ich habe mir angeschaut, wie viele Sportaus­schüsse es im Nationalrat gegeben hat, seit Sie Sportminister sind. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – So viele wie nie? – Na ja, da kann ich Sie eines anderen belehren, denn ich war in der vorigen Periode im Sportausschuss, und da hat Frau Abgeordnete Ste­ger immer wieder Themen gebracht. Jetzt ist Frau Steger Vorsitzende im Sportaus­schuss und Sie sind Sportminister, und seitdem hat es zwei Sportausschusssitzungen gegeben. Bei einer hat es eine aktuelle Frage-Antwort-Runde gegeben, da ist kein einziges Thema behandelt worden, und bei der zweiten ist diese EU-Jahresvor­schau 2019 vertagt worden. Das ist das Einzige, das im Sportbereich inzwischen ge­schehen ist. Ich muss ehrlich sagen, viel ist das nicht. (Heiterkeit des Vizekanzlers Strache sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.) Man kann sagen, es ist vielleicht mehr als früher, aber viel ist es nicht.

Ich denke da etwas ganz anderes. Als Vizekanzler hat man natürlich sehr viele Aufga­ben, die man in der Republik wahrnehmen muss, und da konzentriert man sich, wenn man es sich aussuchen kann, vielleicht nicht auf intensive Bereiche, da nimmt man sich nicht etwas in die Zuständigkeit, das sehr arbeitsintensiv ist. Da sucht man sich vielleicht den öffentlichen Dienst aus. Der öffentliche Dienst funktioniert sehr, sehr gut, der ist gut aufgestellt. Es gibt sehr viele Beamtinnen und Beamte in Österreich, die ihre Arbeit konsequent und sehr gut machen, und da braucht man nur einmal im Jahr Ge­haltsverhandlungen zu führen. Und man nimmt sich den Sport dazu, denn da kann man zu Sportveranstaltungen gehen, ist dort immer in der ersten Reihe und kann, auch wenn man sonst keine Akzente setzt, immer medienwirksam sein Gesicht zeigen. So sehe ich das, ich sage das jetzt ganz ehrlich: Wenn in eineinhalb Jahren keine oder nur ganz, ganz wenige Initiativen gesetzt werden, dann kann man nicht davon sprechen, dass gute Arbeit geleistet wird. – So, ich habe Ihnen das jetzt gesagt. (Bundesrat Stei­ner: Gratuliere ...!)


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Zum Abschluss noch zwei Dinge – es passt zwar nicht dazu, aber ich habe wenigs­tens über diese EU-Jahresvorschau gesprochen –: Sagen Sie nicht immer, wir kriegen 4 000 neue Planstellen für Polizistinnen und Polizisten! Sie wissen ganz genau, es sind keine 4 000 neuen Planstellen. Wir müssen schauen, dass wir die Abgänge, die wir durch Pensionierungen in den nächsten Jahren haben, überhaupt 1 : 1 ersetzen kön­nen. – Das ist also ein Schmäh.

Das Zweite ist die Karfreitagsgeschichte. Ich bin selbst Bürgermeister und habe wie viele andere Bürgermeister – auch viele ÖVP-Bürgermeister – meinen Gemeindebe­diensteten aus Solidarität und als Anerkennung ihrer Leistung, die sie den ganzen Tag erbringen, an diesem Tag einfach freigegeben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.50


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


17.50.19

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Schab­hüttl, Sie haben eigentlich überhaupt nichts zum Sport gesagt. Ich nehme an – so wie ich Sie beurteilen kann –, dass Sie mit Sport auch nicht viel am Hut haben. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Dass Sie gegen unseren Vizekanzler Heinz-Christian Strache vorgehen, haben Sie bei Ihrer Antrittsrede schon unter Beweis gestellt, da war der Herr Vizekanzler gar nicht anwesend. Das ist bei Ihnen ein Perpetuum mobile, das ist nichts Neues. Sie machen das bei jedem Tagesordnungspunkt, egal, zu welchem Thema. Das bleibt Ihnen über­lassen, hat aber mit dem Thema überhaupt nichts zu tun. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, was anderes kann er halt nicht! – Bundesrat Schabhüttl: ... war sportlich!)

Ich bin seit 2010 im Bundesrat und habe mich gerade vorhin bei meinen Kollegen er­kundigt, bei wem denn die Sportagenden eigentlich zuvor angesiedelt waren. Ich habe gehört: beim Verteidigungsministerium. Mir ist das ehrlich gesagt neun Jahre lang über­haupt nicht aufgefallen. Das waren, glaube ich, alles sozialistische Verteidigungsminis­ter. (Bundesrätin Mühlwerth: Man sieht es ihm nicht an!)

Ich möchte auf die Sportagenda unseres Vizekanzlers eingehen, für die ich ihm sehr, sehr dankbar bin. Es geht nämlich um den Leistungs- und Spitzensport von uns Öster­reichern und von Österreichs Idolen einst und jetzt. Der Wettbewerb, dieses citius, al­tius, fortius, dieses schneller, höher, stärker, dieses Paradigma der Olympischen Spie­le, 1896 aus der Antike wiederbelebt, von Henri Didon genannt und von Coubertin um­gesetzt, das ist das Leitthema, davon lebt die Sportwelt, der Leistungs- und der Spit­zensport, für das arbeiten vor allem unsere österreichischen Sportler. (Bundesrätin Schu­mann: Vergessen wir den Breitensport nicht!)

Die Initiative unseres Vizekanzlers – um es gleich auf den Punkt zu bringen –, ein Mu­seum – ich möchte es eine Hall of Fame, einen Ruhmesort, nennen – für unsere be­rühmten Sportler, die dafür sorgen, dass sich bei den Wettbewerben ein Millionenpubli­kum vor den Bildschirmen und an den Sportstätten versammelt, das bewundert, ap­plaudiert und anfeuert, einzurichten, ist, finde ich, eine ganz, ganz tolle Initiative.

Ich darf an die großen Österreicher des Sports erinnern: ein Niki Lauda – einer der ganz großen Rennfahrer und Automobilweltmeister –, ein Toni Innauer – unvergesslich sein 176-Meter-Weitsprung damals in Oberstdorf, ein Weltrekordhalter –, ein Hugo Simon – Hugo Nationale genannt –, ein Karl Schranz, eine Trixi Schuba, eine Annemarie Moser-Pröll, ein Thomas Muster – der Leistungssportler par excellence –, ein Reinhold Mess­ner und ein Peter Habeler, die auch zu nennen sind. Es ist wichtig, sich all diese und vie-


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le andere zu vergegenwärtigen, denn für viele sportbegeisterte Jugendliche sind diese Sportler nach wie vor bewundernswerte Idole. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Für diese eine Musealisierung zu erwirken, ein Museum einzurichten und sie damit für die Ewigkeit sichtbar zu machen, ist eine ganz tolle Initiative, die wir natürlich mit allen Mitteln unterstützen wollen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wichtig sind aber auch die österreichischen Konzerne, die als Sponsoren mitwirken, und zwar als Privatinitiative; zu nennen sind zum Beispiel die Raiffeisenbank, Uniqa, Red Bull oder natürlich auch das Bundesheer. Der Spitzensport ist ein Ergebnis der Arbeit der Sportstätten, der Sportfunktionäre und der Sporttrainer, die da mitwirken – viele von ihnen auf freiwilliger Basis.

Ich möchte da auf Wien zu sprechen kommen, weil Wien da wieder einmal anders ist, auf das, was sich beim Wiener Eislauf-Verein abgespielt hat. Vor zwei Jahren – es ist gerade eine Ausstellung in Wien zu sehen – hat er sein 150-jähriges Bestehen gefeiert. Der Wiener Eislauf-Verein wurde 1867 gegründet, ab 1869 haben dort Bewerbe statt­gefunden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Mit 26 Europameisterschaftsme­daillen, 24 WM-Medaillen und 12 Olympiamedaillen im Eiskunstlauf war das – leider muss ich sagen: war – eine historische Institution. (Bundesrätin Schumann: Der hängt so in der Vergangenheit, der Kollege!) – Ich komme schon zur Gegenwart.

In Budapest wurden auch 12 000 Quadratmeter Eislaufplatz eingerichtet, in Wien wa­ren es 10 000 Quadratmeter, sie feiern heuer ihr 150-jähriges Bestehen. Was ist dort passiert? – Heute ist dort ein Millionenpublikum, es gibt Sportwettbewerbe. Man hat dort einen rekonstruierten, wiedererrichteten und erneuerten Bau in der Jugendstilbau­kultur der damaligen monarchistischen Zeit.

Was ist in Österreich passiert? (Bundesrätin Schumann: Eislaufen am Rathaus­platz!) – In Österreich – ich komme schon zur Gegenwart! – hat das rote, sozialistische Wien im Sinne des Klassenkampfs 1963 den Jugendstilbau von Ludwig Baumann nie­dergerissen. (Bundesrat Steiner: Ihr kommt auch gut mit Sport aus!) Was haben sie gemacht? – Einen Betonklotz hingebaut, das Hotel Intercontinental. (Bundesrat Novak: Erzählst du schon ...!) Es sind nur mehr 6 000 Quadratmeter. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Novak.) – Moment, ich komme schon zur Gegenwart!

Heute ist dieser WEV, dieser Wiener Eislauf-Verein, abgewirtschaftet, ruiniert, ein Tor­so seiner selbst, und der Stadt Wien fällt nicht mehr ein, als das zu verscherbeln und einem Investor zuzuschanzen (Bundesrätin Schumann: Eislaufen vor dem Rathaus! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), der die damals, vor 150 Jahren von der Monarchie für die österreichische und die Wiener Bevölkerung geplante Sportstätte devastieren wird.

Es ist ja kein Wunder, die Auswirkungen – deshalb erzähle ich das – gibt es deshalb, weil der Spitzensport im Eiskunstlauf verloren gegangen ist. Das ist nur ein Beispiel – leider ein negatives – dafür, dass Spitzensport, Breitensport, Sportstätten und Sport­funktionäre eine Einheit bilden müssen. Wenn Sie der Bevölkerung die Sportstätten nehmen, bekommt man auch keinen Spitzensport mehr, worauf aber ein Millionen­publikum vor dem Fernseher wartet.

Fazit: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Vizekanzler, für deine Initiative eines Erinne­rungsortes für Österreichs großartige Spitzensportler! Vielen Dank für deine Initiative gegen diesen Monsterbau am Heumarkt! – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.56


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Wort gemeldet. Ich erteile es.



BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 146

17.56.41

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bun­desräte! Da Herr Bundesrat Schabhüttl vorhin doch in einer gewissen Zweischneidig­keit gesprochen hat, gehe ich natürlich gerne am Beginn auch auf ihn ein. Im Bur­genland arbeitet er ja sehr gut mit der Freiheitlichen Partei zusammen. Da er heute hier als Bundesrat ein paar Dinge angesprochen hat, gehe ich gerne auch inhaltlich darauf ein.

Sie haben ein Layout gezeigt und dieses Layout kritisiert. Na ja, ich glaube, da sollten Sie sich vielleicht einmal bei der Stadtregierung in Wien melden, die ein neues Logo um 700 000 Euro kreieren hat lassen. (Bundesrätin Schumann: 44,8 Millionen Euro Werbekosten ausgegeben!) Da kann man sich nur wundern. Ich sage, wenn es um Logos geht, können wir den Vergleich schon anstellen, denn die österreichische Bun­desregierung hat für ihre CI und ihr Logo 70 000 Euro ausgegeben (Bundesrätin Schu­mann: 44,8 Millionen Euro Werbekosten!), und die Stadt Wien schafft es, für das alte Logo mit gleicher Qualität, nur mit anderem Schriftzug 700 000 Euro auszugeben. (Bundesrat Novak: 45 Millionen!) Da kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes nur wundern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Entschuldigen Sie, dass ich vielleicht auch auf noch ein Thema eingehe, das von Herrn Bundesrat Schabhüttl angesprochen worden ist: Ja, wir haben einen Scherbenhaufen übernommen (Bundesrat Novak: Applaus für die 45 Millionen!), auch im Bereich der Planstellenentwicklung bei der Exekutive, und genau dort steuern wir dagegen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.)

Vielleicht sollte man Ihnen das auch noch einmal faktisch aufzeigen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann): Mit der Ausbildungsoffensive, die wir nun seit Beginn dieser neuen Regierung sichergestellt haben, schaffen wir 2 100 neue Ausbildungsplanstellen (Bundesrätin Schumann: Zu wenig Polizisten für Wien!), die besetzt sind. Die jungen Kollegen, die momentan in Ausbildung sind, haben eine zweijährige Ausbildung und dann ein Jahr Praktikum zu absolvieren. Genau so lange dauert es (Zwischenruf bei der SPÖ), nämlich drei Jahre, bis wir den Scherbenhaufen, den Sie bei den Planstellen hinterlassen haben, auch repariert haben. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Aber wir machen das, und das macht den Unterschied aus, weil das am Ende genau die 2 100 Planstellen der Exekutive sind (Bundesrat Novak: Schon dreimal gesagt!), die dadurch zusätzlich trotz Pensionsabgang besetzt werden. Und es sind die 2 000 Aus­bildungsplanstellen, die wir neu geschaffen haben. (Rufe bei der SPÖ: Sobotka ...! Das hat mit Strasser angefangen!) Das genau macht eben den Qualitätsunterschied aus. Wenn man sich hier schon herstellt, dann sollte man bitte immer bei den Fakten und bei der Wahrheit bleiben und auch sichtbar machen, wie es wirklich ist.

Sie haben vom Sport im Allgemeinen gesprochen: Den Vergleich nehme ich auch ger­ne auf. In der letzten Regierungsperiode hat es in fünf Jahren, glaube ich, zwei Sportaus­schusssitzungen gegeben, und wir haben im ersten Jahr zwei geschafft – nur als Ver­gleichswert. Unter sozialistischen Sportministern war der Sport im wahrsten Sinne des Wortes ein Stiefkind. (Bundesrätin Schumann: Sozialdemokratisch heißt das!) Ich finde es ja schade, dass Bundesrat Schabhüttl jetzt gar nicht da ist und sich sozusagen die­ser Antwort entzieht; aber es ist bezeichnend. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wir haben erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik endlich eine österreichi­sche Sportstrategie entwickelt, beschlossen und sichergestellt, damit die Defizite, die da hinterlassen worden sind – weil der Sport eben leider bis dato Vorgängern nicht wirklich wichtig gewesen ist –, aufgearbeitet werden können und man auch nachweis-


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lich aufgrund von Punkten, die wir definiert haben, dokumentieren kann, was alles in Umsetzung geht und dann auch zu einem Erfolg führt und messbar sein wird.

Die sozialistischen Sportminister (Bundesrätin Schumann: Sozialdemokratische!) – das waren zwei burgenländische, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, Herr Dara­bos und Herr Doskozil (Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesrätin Schumann ‑: Ihr sagt zu uns auch Nazis, locker sein!) – haben mir eine Aufarbeitung der Subventionen der letzten zehn Jahre hinterlassen. 10 000 Vereine sind nicht ordnungsgemäß geprüft worden (Bundesrätin Schumann: Ich hab kein Wort von Nazis gesagt!), 2,6 Millionen Euro an Subventionen ist man schuldig geblieben, sind nicht rückgefordert worden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wir haben in einem Jahr diesen hinterlas­senen Scherbenhaufen von zehn Jahren aufgearbeitet und sind dabei, genau diese Rückstände auch einzufordern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben in einer Bundes-Sport GmbH dafür Sorge getragen, dass die Förderrichtli­nien endlich optimiert worden sind, damit nämlich jeder Förderungseuro nach Möglich­keit auch direkt zum Sportler kommt. Da wird sich Herr Nationalratsabgeordneter Krist über Ihre Aussage nur wundern, weil wir nämlich da in einem wirklich guten Einverneh­men sicherstellen, dass die Dachverbände all unsere Strukturen im Sinne der Sport­strategie auch in Umsetzung bringen.

Wir korrigieren auch endlich das Defizit, das wir bezüglich täglicher Bewegungseinheit und täglicher Sportstunde in den Schulen übernommen haben, und tragen dafür Sorge, dass vom Kindergarten bis zumindest zum Abschluss der Volksschule eine 100-Pro­zent-Abdeckung dieser täglichen Bewegungs- und Sporteinheit stattfinden wird, weil wir bis dato lächerlicherweise nicht einmal bei 50 Prozent waren.

Da sieht man dann, wo was hinterlassen wurde und was wir im Unterschied zu Vor­gängern in Umsetzung bringen.

Darüber hinaus ist vielleicht eines festzumachen: In diesem einen Jahr haben wir schon vieles auf die Reise gebracht, was demnächst auch gesetzlich umgesetzt wird, nämlich die Sportstättenentwicklung, bei der wir ganz klar die Prioritäten definiert haben und in Investitionen getreten sind. Wir haben ganz klar die Mehrwertsteuersenkung bei Sport­stättenbenützung definiert. Wir haben klar definiert, dass im Glücksspielbereich – gerade im Bereich der Onlinewetten – in Zukunft neue Einnahmen für den Sport gene­riert werden.

Ich als Sportminister werde dafür Sorge tragen, dass der Sport so viel an Mitteln wie nie zuvor zur Verfügung hat und wir in den fachspezifischen Bereichen im Breitensport, aber auch im Spitzensport unsere österreichische Bevölkerung besser und zielorien­tierter unterstützen können.

Wir haben ein Berufssportgesetz, das am Ende der Ausarbeitung steht und demnächst beschlossen wird – erstmals in der Geschichte und notwendig. Wir haben zudem be­reits nach nur einem Jahr eine Forschungs- und Technologieanstalt umgesetzt, näm­lich für den Wintersport in Innsbruck mit 1,6 Millionen Euro, womit gerade die Spitzen­sportler Österreichs endlich bei der besten Ausstattung – wenn es um Reibflächen, An­züge und vieles mehr geht – nicht mehr im Stich gelassen werden und damit natürlich auch die Medaillenchancen verbessert und optimiert werden, weil es da um Zehntelse­kunden geht. Das Gleiche gibt es im Übrigen auch für den Sommersport, und zwar an die Technische Universität Wien angehängt. (Bundesrätin Schumann: Dopingbekämp­fung wäre mal eine Idee!)

Das alles in nur einem Jahr, und wir sind noch lange nicht am Ziel! Aber den Vergleich scheue ich nicht, auf den freue ich mich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nun zum eigentlichen Thema: Es geht heute um die Erörterung dessen, was wir unter unserem Ratsvorsitz geschafft und auf die Reise gebracht haben. Für Herrn Bundesrat


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Schabhüttl vielleicht nur zur Ordnung, damit er das auch versteht, weil er es vielleicht nicht weiß: Es gibt auf EU-Ebene gar keine gesetzliche Kompetenz für den Sport, das ist nationalstaatliche Kompetenz. – Nur damit er es einmal weiß. Das ist weiterhin na­tionalstaatliche Kompetenz, und da gibt es Vorhabensberichte und Diskussionen, wenn es um strategische inhaltliche Linien geht.

Wir haben bei unserem Ratsvorsitz im Halbjahr 2018 unsere Aufgaben entsprechend gemeistert. Wir haben in den Angelegenheiten meines Ressorts – dafür möchte ich mich bei den Beamtinnen und Beamten, aber auch bei den Vertragsbediensteten noch einmal recht herzlich bedanken – einiges auf die Reise gebracht, und zwar mit weit we­niger finanziellen Mitteln als bei meinen Vorgängern – auch das ist ein interessanter Vergleich. Wir haben es geschafft, mehr Veranstaltungen als in der Vergangenheit si­cherzustellen, nämlich fünf hochkarätige Veranstaltungen in Wien und Salzburg.

Wir haben auch die Weichen für die Arbeit der Europäischen Union für das Jahr 2019 gestellt. Sehr geehrte Damen und Herren, die Basis der Arbeit des 2019er-Jahres lie­fert natürlich der EU-Arbeitsplan für den Sport 2017 bis 2020. Dieser Plan hat drei Säu­len. Das ist einerseits die Beschäftigung mit der wirtschaftlichen Dimension des Sports, die wir immer schon vorangetrieben haben und bei der wir Europameister sind – das können Sie auch schlechtzureden versuchen. Wir sind heute in Österreich mit einem 4,2-Prozent-Anteil am Bruttoinlandsprodukt Europameister, das heißt, der Anteil, den der Sport an der Wirtschaft hat, ist doppelt so hoch wie durchschnittlich in der Europäi­schen Union, gemessen am BIP. Das zeigt, welche Kraft da dahintersteckt, welchen extremen Vorsprung wir da vor allem gegenüber allen anderen Ländern der Europäi­schen Union haben und dass wir letztlich ein Pionier sind.

Wir haben zu diesem Thema auch eine Konferenz in Wien veranstaltet. Ziel dieser Konferenz war es, diese vielfältige wirtschaftliche Dimension des Sports aufzuzeigen und letztlich auch den Anteil an der Beschäftigung sichtbar zu machen, der nämlich mit über 5,67 Millionen Menschen in der Europäischen Union ein sehr hoher ist.

Leider ist es so, dass die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Sports immer noch von vielen einfach unterschätzt und nicht wertgeschätzt wird. Genau da steuern wir massiv dagegen. Unter dem österreichischen Ratsvorsitz sind die Schlussfolgerungen gerade zu diesem Thema entwickelt und dabei die wirtschaftliche Dimension des Sports und seine sozioökonomischen Vorteile hervorgehoben worden. Genau dort wird auch für die Jahre 2019 und 2020 angesetzt, in denen es darum geht, diese Erkenntnisse zu vertiefen und auszubauen. Der Sportbereich ist im Übrigen stärker als der Bereich der Bauwirtschaft, wenn man sie im direkten Vergleich gegenüberstellt, und auch stärker als andere wichtige wirtschaftliche Bereiche. Wir haben auch für Nachhaltigkeit Sorge getragen.

Im Juni 2019 – das wissen Sie – ist Rumänien mit einer Veranstaltung zum Thema Sport und digitaler Binnenmarkt tätig, bei welcher die Möglichkeiten einer besseren Fi­nanzierung des Sports ausgelotet und erörtert werden. Rumänien hat ja bekannter­weise im ersten Halbjahr den EU-Vorsitz inne. Ein Schwerpunkt der aktuellen Arbeit ist die Entwicklung von Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zum Zugang zum Sport für Menschen mit Behinderungen, weil das uns allen grundsätzlich ein Herzens­anliegen ist. Beim Sportministerrat am 23. Mai in Brüssel wird das auch verabschiedet.

Dieses Thema liegt uns allen am Herzen und ist auch ein besonders wichtiges, weil es da um Inklusion geht. Nach Schätzungen von Eurostat werden im Jahr 2020 rund 120 Millionen Menschen mit Behinderungen im EU-Raum leben. Das ist eine Zahl, die größer ist als die Bevölkerungszahlen von Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengerechnet. Es ist in der Tat eine große Herausforderung, die wir national­staatlich in Österreich intensiv leben, auch durch Gleichstellungen, die das erste Mal unter mir als Sportminister erfolgt sind und die es vorher nicht gab, wenn es nämlich


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um die Paralympics und andere Bereiche geht, bei denen ich erstmals sichergestellt habe, dass die Sportler von der Republik und vom Sportministerium finanziert werden, was noch nie zuvor der Fall gewesen ist – zur Unterstützung des Behindertensports und der Inklusion. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich habe auch erstmals im Bereich der Sporthilfe die völlige Gleichstellung sicherge­stellt, die es zuvor nicht gegeben hat, weil es offenbar den Vorgängern, den SPÖ-Sportministern, wurscht gewesen ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das sind halt die Re­alitäten, mit denen muss man sich halt dann, wenn man sich hierherstellt und falsche Sachen behauptet, auch in der Kritik auseinandersetzen.

Behinderte Menschen in den organisierten Sport miteinzubeziehen, ihnen den Zugang zum Sport zu ermöglichen und zu erleichtern, ist ein ganz wesentliches und wichtiges Anliegen. Genau das leben wir. Das leben wir mit den österreichischen Sportverbän­den, das leben wir mit den Sportvereinen und das leben wir als Veranstalter von gro­ßen Sportevents. Da gibt es unglaublich tolle Arbeit, nämlich auch aktuell beim Mara­thon, wenn man das in Erinnerung rufen darf. Wir haben den Vienna City Marathon un­ter meiner Verantwortung als Sportminister erstmals zusätzlich unterstützt, was bis da­to nicht der Fall gewesen ist. Wir stehen eben hinter solchen Großveranstaltungen und wollen auch mehr für Österreich gewinnen und holen, weil das nämlich insgesamt wie­der die Wirtschaft und den Tourismus ankurbelt und natürlich auch dem Sport im Allge­meinen etwas bringt. Am Marathon haben 800 Menschen mit und ohne Behinderung teilgenommen, was natürlich auch eine Steigerung der Aufmerksamkeit für dieses The­ma bringt. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Meine Damen und Herren, ein weiteres wichtiges Thema, das man im zweiten Halb­jahr 2019 unter finnischem Ratsvorsitz behandeln wird, ist das Thema Schutz von Min­derjährigen im Sport und Sicherstellung der Rechte von jungen Sportlerinnen und Sportlern auf allen Ebenen des Sports. Auch da werden wir uns nachhaltig einbringen.

Im zweiten Halbjahr 2019 findet auch die fünfte Ausgabe der Europäischen Woche des Sports statt. Gestatten Sie mir auch da einen kurzen Blick zurück zu unserer Ratsprä­sidentschaft: Wir haben am 22. September 2018 die europaweite Auftaktveranstaltung zur Europäischen Woche des Sports im Wiener Prater organisiert. Es war eine un­glaublich tolle Veranstaltung, die von Hunderttausenden Menschen besucht worden ist – eine große Bühne, ein europäisches Dorf –, und bei der der traditionelle Tag des Sports mit der Europäischen Woche des Sports verbunden wurde. Letztlich waren der zuständige Kommissar Tibor Navracsics und viele andere nicht nur begeistert, sondern haben das sogar als Best-Practice-Modell mitgenommen.

Im Übrigen gibt es den Tag des Sports seit dem Jahr 2001, unter einem freiheitlichen Sportstaatssekretär gegründet und auf die Reise gebracht. Wir setzen genau dort mit unserem Know-how und unseren Erfahrungen an und stellen diese natürlich auch zur Verfügung, damit diese Europäische Woche des Sports von anderen in dieser Profes­sionalität übernommen wird.

Hohes Haus! Es gibt natürlich auch Schattenseiten im Sport, die uns ebenso beschäf­tigen, aber da sind wir auf einem guten und richtigen Weg. Wir haben die Nada, die Nationale Anti-Doping Agentur. Zum Glück gibt es die, denn sie hat seit geraumer Zeit, nämlich seit über einem Dreivierteljahr, mit den Polizeibehörden Deutschlands, aber auch Österreichs engstens zusammengearbeitet, damit man überhaupt die ganzen Do­pingskandalfälle aufdecken konnte. (Präsident Appé übernimmt den Vorsitz.)

Es geht da auch darum, den Kampf gegen Doping, Match Fixing und Korruption effi­zient zu führen. Wir führen ihn im Unterschied zu anderen Ländern der Europäischen Union, denn da gibt es leider solche Antidopingbehörden nicht und auch nicht den Strafrahmen, den wir in Österreich haben. Erstmals wird nach diesen Fällen dieser


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Strafrahmen greifen – auf Sportbetrug stehen bis zu zehn Jahre Haft, und jenen, die Doping betreiben, drohen bis zu drei Jahre Haft. Genau das werden dann die Gerichte entsprechend zu bewerten haben, wenn es eben um diese Dopingfälle oder um krimi­nelle Machenschaften in diesem Zusammenhang geht.

Das alles zeigt auf, was da in nur einem Jahr und drei Monaten in vielen Bereichen auf die Reise gebracht worden ist. Das ist mehr als erfreulich. Da können Sie schlechtre­den, was Sie wollen, gesamt ist überall – im Sportbereich, in den Vereinen, bei den sportbegeisterten Menschen – spürbar, dass sich da endlich der Zugang zum Sport in der Politik verändert hat und endlich der Sport eine prioritäre Stellung bekommt, weil er nämlich gesellschaftspolitisch extrem wichtig ist und wir auch eine Verantwortung ha­ben, endlich die Defizite im Schulbereich abzubauen, damit wir wieder eine gesündere Gesellschaft sicherstellen.

Durch die negative Entwicklung der letzten zehn, 20 Jahre im Sportbereich – da müs­sen Sie die Frage stellen (in Richtung SPÖ), wer da die Sportminister waren – hat man im Schulsport abgebaut und hat letztlich auch Entwicklungen zu verantworten, dass heute Grundwehrdiener bei der Stellung katastrophalste Werte im Vergleich zu vor zehn, 20 Jahren haben, die Gesellschaft kränklicher wird und die Gesundheitskosten dramatisch gestiegen sind, weil man nicht in den Bereich Prävention von klein auf in den Kindergärten und Schulen investiert hat. Dort muss man ansetzen, um die Kinder für den Sport zu begeistern und zu gewinnen, um diese auch für Vereinsstrukturen zu gewinnen, damit letztlich auch der Gesellschaft nachhaltig ein guter Dienst geleistet wird, indem die Gesellschaft gesünder wird und die dramatischen Folgekosten im Be­reich der Gesundheit wieder zurückgedrängt werden können. (Bundesrätin Hahn: Aber Rauchen dürfen wir!?)

Das ist unser aller Verantwortung. (Bundesrätin Hahn: Aber Rauchen ist okay?!) Zu dieser Verantwortung stehe ich und genau dieser Verantwortung komme ich nach. Da würde ich mir sehr wünschen, dass man das endlich einmal abseits von parteipoliti­schen, ideologischen Dingen wirklich auf Basis von Fakten bewertet und aus Respekt gegenüber den tollen ehrenamtlichen Mitarbeitern im Sportbereich, die sich heute freu­en, dass sich einiges im positiven Sinne bewegt und endlich in die richtige Richtung geht, zur Kenntnis nimmt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.13

18.13.42


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Vizekanzler.

Gibt es weitere Wortmeldungen dazu? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.14.1613. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (503 d.B. und 539 d.B. sowie 10141/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich bitte um den


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Bericht.


18.14.37

Berichterstatter Ing. Bernhard Rösch: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Gesundheit über den Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird.

„Dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde mit der 56. ASVG-Novelle [...] aufgetragen, für den gesamten Vollzugsbereich der Sozialversi­cherung flächendeckend ein ‚Elektronisches Verwaltungssystem‘ – kurz: ELSY – einzu­führen und dessen Betrieb zu gewährleisten. Primär soll es die Verwaltungsabläufe zwischen den beteiligten Akteuren unterstützen und es soll eine weitgehende Vollzie­hung des SV-Rechts ohne papierschriftliche Unterlagen erzielt werden.“

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Gesundheit stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Bundesrat.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


18.16.18

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzter Herr Vizekanzler in Vertretung der Bundesministerin Hartinger-Klein! Sehr geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Wir haben ja heute Vormit­tag schon viel von Digitalisierung gehört und darüber gesprochen. Jeder von uns nutzt in vielen Bereichen seines Lebens die zunehmenden Möglichkeiten der Digitalisierung.

Auch in den Verwaltungsabläufen der Ärzte und Apotheken bleibt die Welt nicht ste­hen. Die Neuerung im Gesundheitswesen, nämlich die Umsetzung des elektronischen Rezepts, kommt da zeitgerecht. Damit setzen wir einen wichtigen und innovativen Schritt. Wir sehen das als Serviceleistung einerseits für die Versicherten und anderer­seits für die Dienstleister im Gesundheitsbereich.

Wie können wir uns den Ablauf des elektronischen Rezepts vorstellen? – Zuerst er­fasst der Arzt das e-Rezept im e-card-System, der Patient erhält dann auf Wunsch den e-Rezeptbeleg oder doch einen Ausdruck. Damit geht er zum Apotheker – es funktio­niert auch in der Hausapotheke –, dieser scannt den Code, steckt die e-card und ruft damit das Rezept ab. Der Patient nimmt sein Medikament und geht nach Hause. Der Apotheker rechnet das e-Rezept mit der Sozialversicherung ab. – Kurz, bündig, ein­fach.

Die Patienten können ihre Rezepte auch über eine App im Portal der Sozialversiche­rung unter www.meinesv.at elektronisch abrufen oder mittels e-card. So gibt es auch eine komplette Übersicht über all ihre Rezepte, denn oft gehen ja Rezepte verloren oder werden unlesbar, und künftig kann jeder Versicherte diese Daten am Gesundheitspor­tal mit seiner Handysignatur oder mit der Bürgerkarte abrufen.

Das bedeutet auch mehr Sicherheit für den Patienten, denn er kann die gesamte e-Me­dikationsliste einsehen. Das ist besonders wichtig, um etwaige Wechselwirkungen der einzelnen Medikamente prüfen zu können. Jetzt denkt man sich, das macht der Arzt bei der Verschreibung, aber wir wissen, viele Medikamente, die wir uns selbst in der Apotheke holen, sind rezeptfrei. Steckt der Apotheker die e-card, kann er auch prüfen, ob dieses rezeptfreie Medikament eine Wechselwirkung mit einer anderen Dauermedi­kation oder einem anderen Medikament, das man fallweise einnimmt, hat, und das er­folgt ganz automatisiert. Das erhöht die Patientensicherheit und unterstützt die Ärzte und Apotheker in ihrer Arbeit.


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Es ist trotzdem ganz wichtig zu sagen: Die e-Medikation ist nicht verpflichtend. Jeder Versicherte kann sagen, er möchte wie bisher sein Papierrezept. Ich denke da beson­ders an die ältere Generation, für die es beruhigend ist, zu wissen, dass das Rezept­einlösen auch wie bisher gewohnt funktioniert und man sich darum keine Sorgen ma­chen muss. Ansonsten aber ist wie gesagt kein Papierbeleg mehr notwendig.

Hat sich jemand von Ihnen einmal Gedanken darüber gemacht, wie viele Rezepte in ei­nem Jahr ausgestellt werden? – Es ist eine hohe Zahl: 60 Millionen Stück pro Jahr. Diese werden in Hinkunft zum überwiegenden Teil elektronisch abgewickelt. Damit ist auch gewährleistet, dass ein Rezept nicht mehrfach eingelöst, nicht kopiert und nicht gefälscht werden kann.

Die Ärzte und die Arzthelfer werden durch diese Änderung in ihrer täglichen Arbeit wirklich sehr unterstützt, die Abläufe werden vereinfacht. Es ist auch wichtig hervorzu­heben, dass Rezepte auch dann nur infolge eines Arzt-Patienten-Kontakts ausgestellt werden. Durch das Stecken der e-card wird überprüft, ob ein gültiger Versicherungsan­spruch besteht, und es können weitere notwendige Prozesse veranlasst werden wie et­wa eine chefärztliche Bewilligung oder eine Zuweisung.

Die Ausstellung elektronischer Rezepte wird auch von den Apothekern begrüßt. Man darf nicht vergessen, die öffentlichen Apotheken sind neben den Hausapotheken am meisten mit dem Einlösen und mit Abrechnungen von Kassenrezepten befasst, daher wird die Ausstellung elektronischer Rezepte zu einer eindeutigen administrativen Er­leichterung für die Apotheken führen. Es ist auch wichtig, die Apotheken bei der Um­setzung dieses Change-Prozesses miteinzubeziehen, denn diese innovative Änderung soll für alle praktisch und nutzerfreundlich angewendet werden können.

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat daher mit der Apo­thekerkammer eine einvernehmliche Vorgehensweise bei der Vorbereitung und Einfüh­rung der e-Rezepte beschlossen. In Vorarlberg wurde ja damit bereits begonnen, wir haben es im Ausschuss gehört. Die Erfahrungsberichte sind sehr gut. Derzeit arbeiten bereits mehr als 300 Vertragsärzte und viele Apotheken mit der e-Medikation.

Diese Erfahrungen sind auch für die nächsten Herausforderungen von Nutzen. Im Rah­men der Elektronischen Gesundheitsakte steht in Zukunft neben der e-Medikation auch der Einsatz der Medikationsanalyse und des Medikationsmanagements an. Genauso sollen der elektronische Transportschein, der elektronische Impfpass und auch der elektronische Mutter-Kind-Pass umgesetzt werden.

Natürlich sind bei der Umsetzung auch hier die Datensicherheitsmaßnahmen einzuhal­ten und es gilt grundsätzlich die Verschlüsselungspflicht. Mittels Admin-Karte und PIN ist so eine eindeutige Identifikation möglich. Genutzt wird – auch das wurde uns im Ausschuss erklärt – ein Teil der Infrastruktur, die auch für die e-card verwendet wird, und das wird daher zu keinen zusätzlichen Kosten führen.

Diese Novelle des Rezeptpflichtgesetzes bringt große Vorteile für Patienten, Ärzte und Apotheker und treibt den Bürokratieabbau voran. Ich freue mich, dass dieser Tages­ordnungspunkt, zumindest voraussichtlich, die Zustimmung aller finden wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.22


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. Ich erteile es ihr.


18.22.40

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geehrte Zuschauer auf der Galerie und via Livestream! Mit der vorliegenden


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Änderung des Rezeptpflichtgesetzes kann der Arzt ein elektronisches Rezept ohne qualifizierte elektronische Signatur ausstellen. Die gesetzliche Grundlage dafür bietet das Gesundheitstelematikgesetz. Dieses fordert keine zusätzliche qualifizierte elektro­nische Signatur, wenn ohnedies in einem für Gesundheitsdaten gesicherten Netz gear­beitet wird.

Mit der bestehenden Infrastruktur kann der Arzt per Knopfdruck das Rezept an die Apo­theke schicken. Wie meine Vorrednerin bereits gesagt hat, wären es 60 Millionen Re­zepte, die elektronisch signiert und einzeln bestätigt werden müssten. Es ist also ein im­menser Verwaltungsaufwand, der den Patienten nichts nützt.

Man kann das Rezept aber nach wie vor ausdrucken lassen und selber zur Apotheke bringen. Ich selber bin als Datenträger nur bedingt geeignet. Bei mir verschwindet so ein Rezept meistens in den Untiefen meiner Handtasche. Wenn ich es dann heraus­hole, ist es zerknittert. So etwas kann durch elektronische Übertragung vermieden wer­den, so bleiben die Rezepte immer leserlich.

Auf einem ausgedruckten Rezept steht dann ein Code drauf, der in der Apotheke ein­gelesen wird. Der Patient kann in der Apotheke aber auch seine e-card in das entspre­chende Gerät stecken. Dann wird ihm das Medikament ausgegeben und es werden zu­sätzlich alle Medikamente, die verordneten und die rezeptfreien, in der e-Medikations­liste gespeichert, vorausgesetzt der Patient nimmt an der Elektronischen Gesundheits­akte teil.

Mit dem elektronischen Rezept wird die Verbindung von der Apotheke zur Elektroni­schen Gesundheitsakte geschlossen. Im September 2019 soll die Elektronische Ge­sundheitsakte flächendeckend eingeführt sein. Es fehlen aktuell noch die Bundeslän­der Burgenland, Niederösterreich und Wien.

Anfang 2020 soll dann das elektronische Rezept eingeführt werden. Dann sollen so­wohl der Arzt als auch die Apotheke und der Patient Zugriff auf die e-Medikationsliste haben, um einen Überblick darüber zu haben, was denn alles an Medikamenten aus­gegeben wurde.

Das ist, wie die Kollegin schon gesagt hat, ein Mehr an Sicherheit für den Patienten, gerade in Bezug auf unerwünschte Wechselwirkungen, die vor allem ältere Patienten und Patienten mit Mehrfacherkrankungen betreffen. Der Apotheker, die Apothekerin kann zielgerichteter in Bezug auf rezeptfreie Medikamente beraten, damit diese die verordneten bestmöglich ergänzen.

Ja, die Digitalisierung schreitet voran, und gerade in diesem Bereich, meine Kollegin­nen und Kollegen, kann man die Vorteile den Patienten, den Menschen sehr gut er­klären, weil sie für jeden spürbar sind.

Wir haben heute sehr viel über Digitalisierung und Maßnahmen bezüglich Digitalisie­rung gesprochen. Nun gilt es, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die Vorteile der Di­gitalisierung auch zu erklären, zu kommunizieren. Das erhöht die Akzeptanz des 5G-Netzausbaus, des Breitbandausbaus, und weckt die Neugier und Lust, digitales Wis­sen zu erwerben, worüber wir heute auch schon gesprochen haben.

Zum Schluss möchte ich noch Herrn Dr. Alexander Biach, den Vorstandsvorsitzenden im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, zitieren: „Die Sozial­versicherung hat sehr lange für diesen Moment gearbeitet, weil wir wissen, welchen gewaltigen Entwicklungssprung unser Gesundheitssystem damit in Richtung Patienten­sicherheit machen kann.“

In diesem Sinne befürwortet unsere Fraktion, und ich denke alle Fraktionen, eine ra­sche und unbürokratische Einführung des e-Rezepts. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der BundesrätInnen Grimling und Stögmüller.)

18.27



BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 154

Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich er­teile es ihr.


18.27.19

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um die Geduld nicht überzustrapazieren: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – unsere Partei ist die Sozialdemokra­tische Partei, wir sind nicht die Sozialisten (Bundesrätin Mühlwerth: Weil sich jetzt die Kommunisten Sozialisten nennen!) – werden diesem Gesetz zustimmen, und das, zu­sammengefasst, aus zwei oder sagen wir drei Gründen.

Der erste Grund ist: Das, nämlich die Digitalisierung des Gesundheitssystems, ist eine Entwicklung, die schon sehr lange vonstattengegangen ist, und zwar mit Vorarbeit des Hauptverbandes. Elga war der erste Schritt, jetzt kommt die e-Medikation, und der nächste Schritt wird das papierfreie Rezept sein.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten standen dieser Entwicklung immer auf­geschlossen gegenüber. Natürlich besteht die Möglichkeit, sich sowohl von Elga als auch von der e-Medikation abzumelden. Auch das ist ein, glaube ich, ganz wesentli­cher Punkt. Das ist eine freiwillige Entscheidung.

Die FPÖ tut sich manchmal ein bisschen schwer, wie sie mit dieser digitalen Form um­gehen soll. Es gibt FPÖ-Seiten, in denen noch dazu aufgerufen wird, sich von Elga ab­zumelden, weil dadurch der gläserne Patient, die gläserne Patientin entstehen wür­de. – Das ist nicht unser Zugang. Wir glauben an eine sicheres und modernes Gesund­heitssystem.

All diese Entwicklungen, die der Hauptverband schon wunderbar vorbereitet hat – Vor­standsvorsitzender Biach wurde ja bereits von meiner Vorrednerin am Schluss ihrer Rede zitiert –, sind großartig umgesetzt worden. Vor allem nutzen sie den Menschen, und das ist unser Zugang: Nutzen für jene, die sozial schwächer sind.

All jene, die von der Rezeptgebühr befreit sind, werden zukünftig vom elektronischen Rezept großen Nutzen haben, weil für sie tagesaktuell eingetragen wird, wann sie die Rezeptobergrenze überschritten haben, ab der sie gebührenbefreit werden. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt, gerade für jene Menschengruppe, die sich nicht allzu viel leisten kann.

Ich glaube, man muss sich entscheiden, ob man für eine moderne Gesundheitsversor­gung ist. Für all diese Maßnahmen im Rahmen der Digitalisierung, für all diese Maß­nahmen bezüglich e-Rezept hätten wir die Sozialversicherungsreform nicht gebraucht. Diese Sozialversicherungsreform wird in Wahrheit ein Milliardengrab werden, obwohl immer behauptet wird, es gäbe die Patientenmilliarde. Niemand in diesem Land glaubt mehr an die Patientenmilliarde.

Innovation kann stattfinden. Dazu braucht man keine Umfärbelungsaktionen, da sind wir uns ganz sicher. Das Ganze wird aber jetzt mit der Prüfung durch den Verfassungs­gerichtshof noch ein Nachspiel haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.30

18.30.10


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich bedanke mich beim Herrn Vizekanzler.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 155

18.30.4614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Handelsübereinkom­men zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits (441 d.B. und 518 d.B. sowie 10147/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors (436 d.B. und 519 d.B. sowie 10148/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen zur Grün­dung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und Zentralamerika andererseits (504 d.B. und 520 d.B. sowie 10149/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 14 bis 16, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Dazu darf ich die zuständige Bundesministerin Karin Kneissl recht herzlich bei uns be­grüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu diesen Tagesordnungspunkten ist Herr Bundesrat Christoph Läng­le. – Ich bitte um die Berichte.

18.31.59


Berichterstatter Christoph Längle, BA: Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für aus­wärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 be­treffend Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters komme ich zum Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecua­dors.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 156

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Abschließend darf ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaa­ten einerseits und Zentralamerika andererseits zur Kenntnis bringen.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Ingo Appé: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm. – Bitte.


18.34.30

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir haben hier zwei Freihandelsabkom­men vor uns, die etwas old-fashioned sind. Sie sind sehr mangelhaft, was die prinzi­pielle Zielsetzung solcher Handelsabkommen betrifft. Es geht ja nicht nur um die Schaf­fung einer Freihandelszone, die Beseitigung hoher Zölle und Handelshemmnisse und die Liberalisierung von Dienstleistungen, sondern das sollten aus europäischer Sicht Handelsabkommen sein, die auch einen Beitrag zur Entwicklung der Staaten und der Region leisten.

Diese beiden sind schon 2012 respektive 2013 unterzeichnet worden, und damit haben wir auch einige Fakten am Tisch. Vor wenigen Wochen war ich bei einem Hearing beim neuen Generaldirektor der European Union Agency for Fundamental Rights. Ich habe ihm damals schon gesagt: Wenn die Europäische Union nun auf die Fundamen­tal Rights, also die grundlegenden Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokra­tieentwicklung besonderen Wert legt, dann wird sie sich mit ihren Handelsabkommen ganz schnell in eine Sackgasse bewegen. Das ist bei diesen beiden Abkommen auch passiert.

Da konnte der neue Generaldirektor für Fundamental Rights der Europäischen Kom­mission jetzt auch gar nicht wahnsinnig viel widersprechen; das hier sind absolute Min­deststandards und vor allem eine sehr, sehr schwache Verankerung der Menschen­rechtsnormen.

Das haben wir bei vielen dieser altertümlichen – old-fashioned – EU-Handelsverträgen, dass das nämlich in ein Extrakapitel abgeschoben wird, in eine sogenannte Menschen­rechtsklausel – nur kann man das dann bei Verstößen nicht einklagen. Dazu kommt noch, dass die Umwelt- und die Sozialstandards meistens in ein Nachhaltigkeitskapi­tel – auch nicht einklagbar – abgeschoben werden – also nicht beim Streitschlichtungs­mechanismus, nicht bei den Sanktionsmöglichkeiten – und dass es keine Kohärenz zwi­schen den Bereichen Entwicklungspolitik oder Entwicklungszusammenarbeit und Han­del gibt.

Was hier auffällt, ist: Was haben eigentlich Peru und Kolumbien bisher davon ge­habt? – Im Falle Perus einen dramatischen Abbau der Handelsüberschüsse; im Falle


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 157

Kolumbiens eine einseitige Steigerung von Exporten bestimmter Produkte, die im Land selbst nur enorme Probleme geschaffen haben, nämlich die unmäßig expandierenden und ausufernden Ölplantagen. Dabei wird nämlich kleinen Bauern und indigenen Völkern das Land weggenommen, um gigantische Monokulturplantagen zu schaffen; und so kommen Zucker, Palmöl und Kohle nach Europa. Dazu kommen noch Kaffee und Bananen, aber das ist nicht so wichtig.

Wichtig ist, dass es in Kolumbien einen gesellschaftlichen Disput über die Ölpalmen­plantagen gibt, die nämlich dem Land die Chance auf Grundnahrungsmittel für das ei­gene Volk wegnehmen. Wenn Sie heute in Europa Schokolade oder sonstige Süßwa­ren kaufen, haben Sie überall Palmöl drinnen, und das hat damit etwas zu tun.

Bei Peru fällt auch der signifikante Anstieg der Avocadoexporte auf. Das ist schön für uns, es ist eine interessante Frucht, sehr fetthaltig und vitaminreich. Wenn sie aber in Monokulturen angebaut wird, fehlt irgendetwas in der Versorgung der Menschen und die kleinen Bauern verlieren Land, weil es ihnen größtenteils weggenommen wird.

Dazu kommt der extreme Einsatz von Pestiziden. Bei jeder Monokultur, die man hat, stimmt dann etwas nicht, da braucht man dann eine ganz unglaublich große Menge an Pestiziden.

Wenn wir noch den Menschenrechtsfaktor ansprechen: Amnesty International hat auch im jüngsten Bericht von einer besorgniserregenden Situation in Kolumbien gesprochen. Die Gewerkschaften sind dort sehr stark, und die Gewerkschafter und Gewerkschafte­rinnen werden gezielt getötet. Dazu kommt noch, dass sich seit 2018 die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten steigern und wir damit in eine Sackgasse kommen, was die Pressefreiheit betrifft.

Das heißt, die Form dieser Verträge führt nicht zu einer Handelspolitik, die auch beim Partner eine nachhaltige Entwicklung und damit Frieden und Stabilität sichert, sondern zu einer, die Konflikte im Bereich der Menschenrechte, Arbeitsrechte, Sozialrechte und hinsichtlich Umweltstandards auslöst. Da in diesen beiden Abkommen genau in diesen kritischen Punkten jegliche Form von Sanktionen fehlt, werden wir unsere Zustimmung verweigern.

Ein kleines PS zur vorhergehenden Rede, nur für das Protokoll: In seinem Jubel und Selbstlob hat der Herr Vizekanzler, glaube ich, nur einen Fehler gemacht, den er nicht ernst meinte. Er hat gesagt, beim Wiener Marathon sind 800 Menschen mitgelaufen. – Würden da nur 800 Menschen mitlaufen, wäre das ein Rohrkrepierer. (Bundesrat Stei­ner: 800 Menschen mehr!) Es waren 38 046 (Bundesrat Steiner: Du hörst ein biss­chen schlecht, Stefan!) – nur für das Protokoll, denn die 800 wären ein bisschen wenig. (Ruf bei der ÖVP: Ja, Herr Oberlehrer!)

Im Sinne dessen sind wir für eine faire Handelspolitik. Wir sind dafür, dass Sozialstan­dards, Umweltstandards eingehalten werden, deshalb werden wir diesen beiden Abkom­men nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.41


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.


18.41.57

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Lieber Stefan Schennach, du solltest ein bisschen an deinem Hörvermögen arbeiten. Der Herr Vizekanzler hat gesagt: 800 Menschen mehr; vielleicht ist das aber untergegangen, das kann ja sein. Daher sage ich dir jetzt auch fürs Protokoll: Er hat gesagt, es sind um 800 Menschen mehr als im Vorjahr gelaufen.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 158

Wenn man deinen Ausführungen lauscht, Herr Kollege, dann würde ich vorschlagen, wir kehren wieder zur Vierfelderwirtschaft zurück. Das ist die einzige Variante, die eine Option wäre, wenn wir dafür sorgen wollen, dass die kleinen Bauern nicht unter die Rä­der kommen. Selbstverständlich muss man darauf achten, dass die kleinen Bauern nicht unter die Räder kommen. Es war nicht alles falsch, was du gesagt hast, aber so, wie du es darstellst, endet es in einer Vierfelderwirtschaft. Das ist in einer globalisierten Welt vor allem des Handels unmöglich, das geht einfach nicht. Wir schauen auch auf unsere kleinen Bauern, wir schauen vor allem auf unsere Bergbauern, die ja nicht nur in Bezug auf Ernte, sondern auch auf Landschaftspflege et cetera wirklich Hervorra­gendes leisten.

Die Länder Südamerikas – das wissen wir ja – haben jahrzehntelange Kämpfe hinter sich, in Kolumbien, in Peru, in Ecuador; dort haben sich linke und rechte Guerillas auf Kosten der Bevölkerung Gefechte mit Tausenden Toten, mit Folter, mit Gewalt gelie­fert. Wir hoffen halt, dass es besser wird, und es gibt ja eben auch diese Klausel, dass Menschenrechte, Umweltstandards einzuhalten sind. Man kann ein Abkommen, wenn es partout nicht erfüllt wird, auch wieder kündigen, man kann auch wieder aussteigen – so gesehen gibt es also natürlich sehr wohl Sanktionsmöglichkeiten.

Wir haben aktuell aber zum Beispiel eine Katastrophenlage in Venezuela, die du inter­essanterweise völlig unerwähnt gelassen hast. Vielleicht weil dort ein Sozialist regiert? Das ist jetzt nur eine Vermutung. (Bundesrat Schennach: Na servus!) Wir verfolgen jetzt seit Monaten, welche dramatischen Geschehnisse sich in Venezuela abspielen. Die Bevölkerung hat nichts mehr zu essen, und weil sie nichts mehr zu essen hat, hat dieser sagenhafte sozialistische Präsident auch noch alle Hilfstransporte behindert und verhindert, dass die Bevölkerung über andere Wege etwas zu essen bekommt. Die Wasserversorgung ist aufgrund des Stromausfalls gekappt. (Bundesrat Steiner: Sozia­lismus in Reinkultur!) Man kann in Venezuela einen Kanister Wasser um 100 Dollar kaufen, weil dort natürlich der Schwarzmarkt blüht. Das Mindesteinkommen in Vene­zuela sind 6 Dollar pro Monat – da kann man sich ausrechnen, was das heißt. Wie lange hält ein Kanister Wasser und für wie viele Köpfe? Da geht es ja nicht nur um Essenszubereitung, sondern auch um die Hygiene. Es ist unbeschreiblich! Die Kran­kenversorgung ist natürlich auch nicht mehr gewährleistet, weil auch die Aggregate aufgrund von Energiemangel nicht mehr funktionieren.

Vielleicht hättest du auch dazu ein Wort verlieren können. Der rechtmäßig gewählte Parlamentspräsident, der dann entmachtet worden ist, wurde auch von der EU als Interimspräsident anerkannt, bis endlich freie und faire Wahlen gewährleistet sind, die ja vorher nicht stattgefunden haben. Ich glaube, das wäre schon auch ein Wort des Abscheus wert gewesen, denn darauf seid ihr ja heute konditioniert. Da kommt aber genau gar nichts.

Ich glaube, dass diese Handelsübereinkommen, auch wenn sie deiner Meinung nach old-fashioned sind, durchaus sinnvoll sind. Wir müssen den Staaten dort schon auch die Gelegenheit geben, ihre Waren zu verkaufen. In Handelsübereinkommen werden eben gewisse Abkommen getroffen, die das Leben dort, die Standards, letzten Endes auch die Politik zum Positiven verändern sollen. Seien wir jetzt einmal nicht so pessi­mistisch, seien wir zur Abwechslung einmal ein bisschen positiv gestimmt und sagen wir: Ja, wir stimmen diesen Handelsübereinkommen jetzt zu! Sollte sich herausstellen, dass das alles nicht eingehalten wird, dann wird man sich das noch einmal anschauen und dann muss man auch etwas tun. Das wird auch geschehen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 159

18.47


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.


18.47.37

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn ich im Vergleich mit Herrn Bundesrat Schennach noch jung in politischen Ämtern bin, kann ich diese Sa­che nicht so negativ sehen, wie er sie beurteilt hat. Handelsabkommen bringen immer einen Kontakt, sie bringen immer die Möglichkeit, miteinander zu sprechen und Für und Wider zu teilen.

Diese Handelsabkommen mit Kolumbien, Peru und Ecuador und das Assoziierungsab­kommen mit Zentralamerika sollen ja die Handelshemmnisse, hauptsächlich im Indus­trie- und Agrarsektor, abbauen. Ich glaube, dass dort, wo die Wirtschaft durch Handel angekurbelt und erfolgreich wird, meist auch die Demokratie gestärkt wird. Es ist sicher mit einem kleinen Vorsichtspunkt zu versehen, aber so grundsätzlich ablehnen kann man das wirklich nicht. Ich glaube, dass diese Abkommen zur Stabilisierung in der Re­gion beitragen. Wir haben auch im Ausschuss gehört, wenn man das Für und Wider abwägt, ist die Förderung des politischen Dialogs mit Zentralamerika und die Förde­rung der wirtschaftlichen Beziehungen durch bessere Konditionen für den Handel auf alle Fälle positiv.

Ich möchte im Nachhang der Frau Bundesrätin Mühlwerth auch auf Venezuela zu spre­chen kommen und über ein persönliches Erlebnis berichten. Vor wenigen Wochen hat­ten wir in Innsbruck im Rahmen der Meisterkonzerte eine ganz besonders bekannte, weltberühmte Pianistin zu Gast: Gabriela Montero; sie ist vielleicht einigen bekannt. Sie ist gebürtige Venezolanerin und hat nicht nur den Konzertsaal – 1 400 Menschen – mit ihrem Spiel begeistert, sie hat am Ende ihrer Darbietung auch auf ihr Heimatland Ve­nezuela Bezug genommen. Sie hat auf die verzweifelte Lage ihres Landes hingewie­sen, sie hat den politischen Kampf um ihre Heimat aufgezeigt, sie hat das Elend ge­schildert, sie hat um Hilfe gebeten, und sie hat uns eindringlich gebeten: Bitte, schwei­gen Sie nicht über Venezuela! Sprechen Sie, wann immer es möglich ist, über dieses Land!

Es ist richtig, dass sich die Europäische Union in diesem Fall engagiert. Venezuela wä­re ja ein reiches Land, in das die EU seit 2016 aber 60 Millionen Euro gepumpt hat, um das Überleben zu sichern. Für mich ist Venezuela ein ganz trauriges Beispiel, wie ein reiches Land abgewirtschaftet wurde. Die verheerenden Lebensbedingungen haben ei­ne der größten Fluchtbewegungen in Lateinamerika hervorgerufen. Nach Schätzungen finden sich derzeit bereits drei Millionen Venezolaner auf der Flucht, wobei die Zahl der Flüchtlinge bis Jahresende sogar noch auf über fünf Millionen steigen kann. Ich hoffe sehr, dass es bald einen Neuanfang geben wird und dass dieses Land nach jahrelan­ger schrecklicher Diktatur wieder demokratisch aufgebaut werden kann, denn die so­zialistischen Experimente sind gescheitert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich danke auch für den gemeinsamen Entschließungsantrag im Nationalrat, mit dem die Frau Bundesminister gebeten wurde, sich bestmöglich einzusetzen, damit es zu ei­ner friedlichen und demokratischen Lösung in Venezuela kommt, um mit allen natio­nalen und europäischen Möglichkeiten zu einer Verbesserung der humanitären Lage der Bevölkerung beizutragen.

Zurück zu den Handelsabkommen: Wir haben die Fachleute gehört, die uns das Pro und Kontra solcher Abkommen erläutert haben. Die Meinung war, dass die Vorteile überwiegen. Ich möchte wiederholen, dass ich glaube, dass es immer besser ist, mit diesen Ländern Handel und damit Kontakte zu pflegen, um einen Einfluss zu haben und auch einen Austausch der Gedanken zu ermöglichen.

Mit unserer Zustimmung zu diesen Handelsübereinkommen reihen wir uns in eine grö­ßere Anzahl von Staaten ein, die schon dafür gestimmt haben, 26 von der EU, die USA, auch die Schweiz, Norwegen und Island. Alle Möglichkeiten, die im Nachhaltigkeits-


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 160

kapitel festgeschrieben wurden, sollten ausgenützt werden, um die Situation vor Ort zu verbessern. Menschenrechte und Demokratie sind für uns wichtig, auch die Möglich­keit, sie dort ein bisschen stärker in Schwung zu bringen. Deshalb glaube ich, dass wir diese Handelsübereinkommen mit Zustimmung versehen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.52


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Anton Froschauer. Ich er­teile es ihm.


18.53.02

Bundesrat Anton Froschauer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe in­teressierte Bürgerinnen und Bürger! Es ist ein Handelsabkommen, das Sie, Kollege Schennach, salopp old-fashioned genannt haben. Da bin ich teilweise Ihrer Meinung – teilweise.

Sie haben mit Ihren Schilderungen im Jahr 2012 begonnen. Eigentlich ist die Basis be­reits 2006 im Zuge der Lateinamerikakonferenz in Wien gelegt worden. Zwischendurch hat Kolumbien die Verhandlungen verlassen. Im Jahr 2012 ist es gelungen, ein Abkom­men zu erzielen, in dem als Inhalte eine Liberalisierung des Waren- und Dienstleis­tungsverkehrs plus weitgehende Bestimmungen zu nichttarifären Handelshemmnissen, öffentlichem Beschaffungswesen, geistigem Eigentum et cetera enthalten waren.

Ja, ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege, das solide Nachhaltigkeitskapitel ist in einem ei­genen Bereich untergebracht – Verbot der Schlechterstellung im Arbeits- und Umwelt­recht, eine Einbindung der Zivilgesellschaft –, aber es ist explizit ein Überwachungs- und Konsultationsmechanismus angeführt. Ziel ist es, Perspektiven zu schaffen. Ich bin ein Verfechter davon, Menschen Perspektiven zu geben, Menschen Perspektiven auf­zuzeigen. Perspektivenlosigkeit ist Hoffnungslosigkeit. Wie meine Kollegin Klara Neu­rauter gerade angesprochen hat, können wir erst im Dialog an Einsichten und an ge­meinsamen Wertevorstellungen arbeiten.

Die Abkommen mit Kanada und Japan, die wir dann unter den Tagesordnungspunk­ten 17 und 18 behandeln und verabschieden werden, basieren auf gleichen Wertege­rüsten, auf gleichen Wertevorstellungen. Davon sind wir mit diesen lateinamerikani­schen Ländern zurzeit noch weit entfernt. Ich glaube, dass ein Sanktionsmechanismus, der immer wieder angesprochen wurde, der aber nie explizit im Detail erläutert wurde, gar nicht zu einem Abkommen geführt hätte. Das Abkommen jedoch, das hier getroffen wurde, erlaubt uns, den Dialog aufzunehmen, erlaubt vielleicht auch, in den einen oder anderen Punkten, ein gemeinsames Unrechts- beziehungsweise Rechtsbewusstsein zu entwickeln und dort einen Schritt vorwärtszukommen.

Geben Sie den Ländern, geben Sie den Perspektiven für die Menschen eine Chance, stimmen Sie diesen Abkommen zu und betrachten Sie sie als ersten Schritt, gemein­sam daran zu arbeiten, dass die Perspektive, die Situation der Menschen dort in die­sen Ländern eine bessere wird! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.56

18.56.18


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 161

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungsberei­che der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß § 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäi­schen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors.

Da der gegenständliche Beschluss ebenfalls Angelegenheiten der selbständigen Wir­kungsbereiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates ge­mäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika anderer­seits.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungsberei­che der Länder regelt, bedarf auch dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßi­ge Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 162

19.00.3017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und Kanada andererseits (330 d.B. und 521 d.B. sowie 10150/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und Japan andererseits (283 d.B. und 522 d.B. sowie 10151/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 17 und 18, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich bitte um den Bericht.


19.01.06

Berichterstatter Gottfried Sperl: Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegen­heiten über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkom­men über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme zum Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen über eine stra­tegische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten ei­nerseits und Japan andererseits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Bundesrat.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. – Bitte.


19.03.17

Bundesrat Christoph Längle, BA (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! In Verhandlung stehen zwei Abkom­men: einmal das Abkommen mit Kanada und das andere Abkommen mit Japan. Es


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 163

geht um eine strategische Partnerschaft. Es freut mich, dass hier allem Anschein nach Einstimmigkeit herrschen wird. Ich denke, dass diese Abkommen durchaus sehr wich­tig sind.

Kanada ist flächenmäßig der zweitgrößte Staat auf Erden, auf der anderen Seite ist es mit 36 Millionen Einwohnern relativ wenig dicht bevölkert. Wirtschaftlich sind dort die Landwirtschaft, aber auch die Elektrotechnologie große Themen. Kanada selbst gehört sicherlich zu den Top-15-Staaten weltweit. Die Verhandlungseröffnung war schon 2011, 2016 kam es dann zur Vertragsunterzeichnung mit der EU in Brüssel, und wir im Par­lament schließen das jetzt eben 2019 ab.

Worum geht es konkret? – Es geht einerseits um die Stärkung der Menschenrechte, es geht um den Ausbau der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Zum anderen geht es aber auch um die Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, der, wie wir leider feststellen muss­ten, immer wieder vorkommt. Es geht weiters um die Stärkung der Wirtschaft; eine funktionierende Wirtschaft bedeutet ja auch Wohlstand. Es geht aber auch um den Umweltschutz, das heißt, dass wir auf internationaler Ebene den Umweltschutz weiter ausbauen und verbessern. Ich denke, dass das immer mehr und mehr ein Thema wird.

Bei Japan ist recht interessant, dass dort die Bevölkerungszahl zurückgeht. Derzeit sind es rund 126 Millionen Einwohner, es soll aber in den nächsten 20 bis 30 Jahren eine starke Überalterung der Bevölkerung eintreten, sodass es dann nur noch rund 107 Millionen Einwohner haben soll. Somit ist dort mit einem Rückgang der Bevöl­kerung um 20 Millionen zu rechnen. Japan selbst ist aber einer der Topstaaten welt­weit, stark im Export, vor allem in der Automobilindustrie und in der Elektrotechnik.

Mit Japan erfolgte 2013 der Verhandlungsstart, 2018 kam es dann zum Abschluss. In­haltlich ist es sehr ähnlich wie das Abkommen mit Kanada. Es geht auch da prinzipiell um die Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen, den Ausbau der Menschen­rechte, die Stärkung der Demokratie und auch die Eindämmung der Massenvernich­tungswaffen.

Ein weiterer Aspekt ist auch noch die Verbrechensbekämpfung. Wie wir alle wissen, sind ja Menschen, die sich eher der Kriminalität verschrieben haben, nicht jene, die an Staatsgrenzen haltmachen, sondern auch international operieren. Daher denke ich, dass es wichtig ist, dass hier die internationale Verbrechensbekämpfung forciert wird.

Noch ein Punkt zu den Weltmeeren: Japan liegt ja am Pazifischen Ozean. Der Pazifik nimmt ungefähr 35 Prozent der Gesamterdoberfläche ein, er ist der größte Ozean, und die Erde ist ja ohnedies mit rund zwei Dritteln von Wasser bedeckt. So denke ich, dass es schon sehr, sehr wichtig ist, dass international gut zusammengearbeitet wird, hier auch die internationale Gemeinschaft wie beispielsweise die UNO gefordert ist, um den internationalen Umweltschutz zu fördern und die Umweltverschmutzung einzudämmen.

Wir kennen mittlerweile alle die Bilder von Plastik in den Ozeanen, von Plastik in Tier­körpern, und es gibt mittlerweile ja auch diese Plastikinseln. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass wir auch hier Akzente setzen und auch gegen diese Umweltverschmut­zung vorgehen.

Abschließend halte ich fest, dass für uns die gute Partnerschaft wichtig ist, der Ausbau der Wirtschaft, der Ausbau der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, die Verbre­chensbekämpfung und vor allem auch die Förderung des Umweltschutzes. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)


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19.07


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Anton Froschauer. – Bitte.


19.07.45

Bundesrat Anton Froschauer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Geschätzte interessierte Bürgerinnen und Bürger! Wir sind bei diesen beiden Abkom­men deutlich weiter als beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt. Es geht hier um strategische Partnerschaften. Kollege Längle hat es schon erläutert und hat viele der Punkte angesprochen, die von diesen Partnerschaften, von diesen Abkommen umfasst sind, von den außen- und sicherheitspolitischen Fragen, inklusive Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Kleinwaffen über Terrorismusbekämp­fung, Förderung von Frieden und Sicherheit, sektorale Zusammenarbeit in den Berei­chen Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung bis zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Das Schöne ist, dass wir uns hier schon auf ein gemeinsames Verständnis stützen. Hier stützen wir uns auf gemeinsame Werte und Grundsätze im Bereich De­mokratie, im Bereich Menschenrechte und im Bereich Rechtsstaatlichkeit.

Das zeigt, wie wichtig dieser Dialog und eine ständige Weiterentwicklung dieses Dialo­ges sind. Es hat ja eigentlich schon lange Tradition. Mit Kanada zum Beispiel hat es schon 1976 ein Rahmenabkommen hinsichtlich einer handelspolitischen und wirt­schaftlichen Zusammenarbeit gegeben, 1990 eine Erklärung hinsichtlich der transatlan­tischen Beziehungen, 1996 eine gemeinsame politische Erklärung mit einem gemein­samen Aktionsplan, 2004 eine Partnerschaftsagenda EU-Kanada, 2005 eine Rahmen­vereinbarung hinsichtlich Krisenbewältigungsoperationen zwischen Kanada und EU.

Zu Japan haben die Beziehungen ebenfalls lange Tradition hinsichtlich der politischen, wirtschaftlichen und sektorbezogenen Zusammenarbeit. Ich führe nur die Gründung ei­ner strategischen Partnerschaft 2001 an. Jetzt geht es um die Vertiefung dieser Bezie­hungen. Ich weiß, es gibt den einen oder anderen Wermutstropfen, gerade diese offi­zielle Wiederaufnahme des kommerziellen Walfanges, aber auch hier setze ich auf den Dialog, auch hier setze ich auf diese Partnerschaft und auf diesen Austausch, um ge­meinsame Einsichten weiterzuentwickeln.

Wir stimmen mit großer Freude diesen beiden Abkommen zu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.10


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Bundesrat Hubert Kol­ler. – Bitte.


19.10.19

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Meine zwei Vor­redner haben ja schon Wesentliches ausgeführt. Der Ausbau der strategischen Part­nerschaft mit Kanada und Japan und die engere Zusammenarbeit über die Bereiche Handel und Wirtschaft hinaus werden von der Sozialdemokratie unterstützt. Das ändert zwar nichts an unserer Kritik an Ceta, aber wir werden diesen beiden Abkommen zu­stimmen.

Die Europäische Union ist die stärkste Wirtschaftskraft unserer Erde. Das passt nicht jedem, vor allem den Großmächten wie den USA, aber auch Russland und China. Dies merkt man bei zahlreichen Versuchen der Destabilisierung, der Zersplitterung dieser Union. Das merkt man aber auch an der Reaktion der Europäischen Union mit neuen Verordnungen und Mitteilungen, welche Bedrohungsszenarien wie zum Beispiel auch einer möglichen Wahlmanipulation bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai dieses Jahres vorbeugen sollen. Hier geht es nicht nur um die Gewährleistung freier Wahlen, sondern auch darum, Desinformation entgegenzuwirken. Wir haben das im EU-Ausschuss am Mittwoch gehört und beraten.


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Man kann über den Brexit sagen oder denken, was man will, man hört jedenfalls sehr viel darüber, aber eines ist daraus für mich ganz klar erkennbar: Es führt uns vor Au­gen, dass Wahlsiege aufgrund populistischer Versprechungen zum Chaos führen kön­nen. Es hat sich keine der Parteien im UK über die möglichen Konsequenzen eines ne­gativen Ausgangs des Referendums über einen Verbleib in der Europäischen Union Gedanken gemacht. Das Chaos wurde in Kauf genommen, die Verantwortlichen haben ihre Verantwortung nicht wahrgenommen.

Unsere guten Eigenschaften, die Eigenschaften der derzeit noch 28 EU-Mitgliedstaa­ten, grenzen sich sehr von denen der stark bewaffneten Weltmächte ab. Wir setzen auf Dialog und Vermittlung, auf eine demokratische Ordnung, die uns den Frieden sichert, und ein Bekenntnis zum Multilateralismus. Deshalb stehen wir als Sozialdemokraten auch sehr dahinter, sowohl mit Kanada als auch mit Japan eine enge Partnerschaft einzugehen. Diese traditionelle transatlantische Partnerschaft hat Europa immer ge­prägt und beiden Seiten stets zum Vorteil gereicht.

Zum Abkommen mit Kanada: Mit diesem Abkommen wird der institutionelle Rahmen für den politischen Dialog zwischen der EU und Kanada festgeschrieben, so wird auch ein gemeinsamer Ministerausschuss festgesetzt. Kanada gilt als ein sehr enger Ver­bündeter Europas. Kanada ist nicht nur Gründungsmitglied der UN und der Nato und Mitglied der OSZE, Kanada ist auch Partner der Gemeinsamen Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik der EU und an mehreren EU-Polizeimissionen beteiligt.

Dieses Abkommen zielt auf eine Vertiefung dieser Zusammenarbeit, insbesondere in außenpolitischen und in Sicherheitsfragen. Es wird aber auch eine Vertiefung auf an­deren Feldern geben, wie es Kollege Längle schon angedeutet hat: Migration, Klima­wandel, alle wichtigen Gebiete sind eingebunden.

Zum Abkommen mit Japan: Als Mitglied der parlamentarischen Freundschaftsgruppe freut es mich sehr – wir haben ja gerade jetzt 150 Jahre Freundschaft von Österreich und Japan gefeiert und eine tolle Ausstellung eröffnet –, dass wir dieses erste bilatera­le Rahmenabkommen abschließen, um diese politische und wirtschaftliche Zusammen­arbeit zu verstärken.

Wir haben es schon gehört, hier geht es auch um andere Dinge, die sehr schwerwie­gend sind: Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung, Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Cyberkri­minalität, Maßnahmen gegen Korruption, aber auch um so wichtige Bereiche wie Kli­mawandel. Dafür wird auch ein gemischter Ausschuss eingesetzt, der die Koordination übernehmen wird.

Abschließend eine Bitte dazu: Im Nationalrat wurde von uns der Wunsch geäußert, das Abkommen auch zu nutzen, um Japan wieder zu bewegen, dem Internationalen Über­einkommen zur Regelung des Walfangs wieder beizutreten und das Jagen von Walen für kommerzielle Zwecke zu unterlassen. Ich bitte die Frau Bundesministerin, sich da­für einzusetzen.

Wie gesagt, wir stimmen beiden Abkommen zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

19.15


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Dr. Karin Kneissl. – Bitte.


19.15.33

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich habe Ihren Ausführungen zu den strategischen Abkommen mit Japan und Kanada aufmerksam gelauscht. Ich


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darf Ihnen nur ein paar Aspekte mitteilen, da ich vor zwei Wochen von einer Japan­reise zurückgekehrt bin.

Wir haben so etwas wie eine moralische Autorität in Japan, die mir in dem Umfang nicht bewusst war. Ich hatte das Privileg, Nagasaki zu besuchen, und hatte einen sehr ausführlichen Gedankenaustausch mit dem Bürgermeister von Nagasaki. Österreichi­sche Diplomaten, österreichische Unterhändler, die in den Neunzigerjahren, zu Beginn der Nullerjahre das UN-Abkommen zum Verbot sämtlicher Nuklearwaffen ausverhan­delt haben, haben sich dort einen wirklich beeindruckenden Stellenwert erarbeitet. Es ist schön, wenn man dann als Ministerin sozusagen diese Ernte einfahren darf. Man spürt einfach die Atmosphäre eines sehr, sehr respektvollen Entgegenkommens.

Ich hatte dann auch Gelegenheit, an der Universität von Kyōto einen Vortrag über die Entwicklung des Energiemixes in Japan zu halten. Trotz der Erfahrung von Fukushima, trotz all dem, was eben auch Atomwaffen verursacht haben, aber vor allem wenn man an das nukleare Unglück von Fukushima mit all den nicht nur technischen, sondern menschlichen Unzulänglichkeiten, die hier ins Spiel kamen, denkt, ist bedauerlicher­weise der Anteil der Nuklearkraft am japanischen Energiemix über 23 Prozent und wach­send. Ich hatte darüber auch einen Gedankenaustausch, und vielleicht können wir uns auch auf der Ebene dieses Handelsabkommens bei einem Gedankenaustausch gera­de in Energiefragen auch weiter in Richtung anderer Energieformen bewegen.

Mit Außenminister Tarō Kōno habe ich im letzten Jahr mehrfach Begegnungen gehabt und habe ihn als einen sehr klugen, nachdenklichen Beobachter vor allem der geo­politischen Entwicklungen im asiatisch-pazifischen Raum schätzen gelernt. Wie Sie wis­sen, habe ich im Außenministerium, hat die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit einen Fokus auf diese Hinwendung zum asiatisch-pazifischen Raum gelegt. Dazu gehört nicht nur die Volksrepublik China, dazu gehört zweifellos die drittgrößte Volkswirtschaft Japan.

Es wurde auch das demografische Element von einigen Rednern aufgebracht. Ich ha­be vor einigen Jahren, als ich ein Buch zur Thematik Demografieentwicklung schrieb, durch Zufall folgende Statistik gefunden: Im Mai 2012 wurden erstmals mehr Windeln in Japan für die Altenpflege zum Einsatz gebracht als für Kinder. Ich glaube, wenn man sich diese Zahl vor Augen hält, weiß man, was das für die demografische Entwicklung in dem Land bedeutet, mit all dem, was da für den Arbeitsmarkt einhergeht.

Das war meine erste Reise nach Japan, und wenn man sieht, dass Menschen mit 70 plus am Bau oder sonst wo tätig sind, dann schafft das schon einige Nachdenklich­keiten, was sozusagen auch andernorts vielleicht noch an Entwicklungen kommen könnte.

Ich freue mich, dass das Abkommen Ihre Zustimmung gefunden hat. Ich bin mir ziem­lich sicher, dass wir hier vor allem in der Entwicklung und Forschung Arbeitsplätze schaf­fen, aber natürlich langfristig hoffentlich auch zur Diversifizierung des Energiemixes ei­nen Beitrag leisten können. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

19.19

19.19.10


Präsident Ingo Appé: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Auch hier erfolgt die Abstimmung getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits.


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Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen mit der Hand. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß § 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit an­genommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Euro­päischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits.

Da der gegenständliche Beschluss ebenfalls Angelegenheiten der selbständigen Wir­kungsbereiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates ge­mäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

19.21.5419. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 betreffend Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und der Republik Singapur andererseits (475 d.B. und 523 d.B. sowie 10152/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zu Punkt 19 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich bitte um den Bericht.


19.22.21

Berichterstatter Gottfried Sperl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswär­tige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2019 be­treffend Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Uni­on und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Singapur andererseits.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, erstens gegen den vorliegenden Be-


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schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und zweitens dem vorliegen­den Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Bundesrat.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


19.23.31

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Lieber Kollege Froschauer, ich teile alles, was du zu Kanada gesagt hast. Es ist völlig richtig, das sind moderne Abkommen, und deshalb haben wir dem auch zugestimmt. Wenn die beiden Abkommen zu Peru und Kolumbien, die vorher Thema waren, von mir als „old-fashioned“ bezeichnet wurden, dann kann ich sagen, dass wir hier ein modernes Abkommen haben – ein modernes Abkommen mit einem kleinen Schönheitsfehler. Der Schönheitsfehler ist, es ist ein umfassendes Abkommen. So soll es auch sein. Es ist immer wieder die Diskussion: Sind es gemixte Abkommen zwischen den Nationalstaaten und der Kommission und dem Europäischen Parlament oder sind die nationalen Parlamente ausgeschlossen?

Dieses Abkommen mit Singapur hat den Weg zum Europäischen Gerichtshof gefun­den, der entschieden hat, dass die Investitionskapitel in die Zuständigkeiten der natio­nalen Mitgliedstaaten fallen und nicht durch die EU-Kommission unterzeichnet werden. Daraufhin hat man sie ausgegliedert, das Freihandelsabkommen gelassen und ein an­deres Abkommen gemacht, in dem man sich zu den Investitionskapiteln an die natio­nalen Mitgliedstaaten wendet, sozusagen ein Partnerschafts- und Kooperationsabkom­men, das letztlich ein Investitionsschutzabkommen ist.

Was ist nun modern daran? – Modern ist daran, dass es im Grunde alles inkludiert: Menschenrechte, den Internationalen Strafgerichtshof, Verbot von Massenvernich­tungswaffen, Verbot von Kleinwaffen und leichten Waffen sowie gemeinsame Maßnah­men zur Terrorismusbekämpfung, die Zusammenarbeit in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Klimawandel, Energie, Bildung und Kultur, aber auch in den Bereichen Arbeit, Migration, Beschäftigung, Soziales und – was bezüglich Singapur nicht ganz unwichtig ist – die Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche und organisierter Kriminalität. Wa­rum betone ich das so? – Weil über 10 000 europäische Firmen ihren Hauptsitz in Sin­gapur haben, um den asiatischen Markt effizient zu bewirtschaften.

Warum stehe ich hier als Kontraredner? Das ist jetzt noch die Frage, nicht? – Das kann man schon herausarbeiten: Es ist ein komplexes Abkommen mit Drittstaaten, und ich denke, wir sollten bei solchen Abkommen mit Drittstaaten prinzipiell von den europäi­schen Institutionen verlangen, dass sie den nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden.

Vor allem gibt es hier einen – wie soll man sagen? – Wermutstropfen. Singapur ist ein ziemlich autoritärer und sehr rigider Staat und hat sich in den Verhandlungen mit der EU geweigert, zwei Dinge, die eigentlich für uns Parlamentarier und Parlamentarierin­nen Kernelemente sind, aufzunehmen. Sie haben sich geweigert, zum Ersten das Recht auf Versammlungsfreiheit, das es so in Singapur nicht gibt, und zum Zweiten das Verbot von Diskriminierung am Arbeitsplatz, also ein ganz wichtiges Sozial- und Menschenrecht, aufzunehmen. Sie haben sich geweigert, diese beiden aufzunehmen. Singapur ist wichtig für die EU, es ist der wichtigste Wirtschaftsplatz in Asien, vor allem aufgrund dieser Drehscheibenfunktion. Wir bedauern das und finden, dass in Zukunft alle Verträge dieser Art auch den nationalen Parlamenten vorzulegen sind.

Nun zu einem Punkt, liebe Monika Mühlwerth: Ich verstehe ja, dass man hin und wie­der versucht, dem politischen Gegner eine Wuchtel reinzudrücken (Bundesrätin Mühl-


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werth – erheitert –: Ja!) – ja, verstehe ich, ja, ist okay –, mir dann aber mit Venezuela zu kommen, ist ein bisschen seltsam gewesen, sage ich dir. Wir haben den Handels­vertrag mit Peru und Kolumbien und die Aufnahme von Ecuador gehabt. Im Assozi­ierungsvertrag haben wir Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama – weit weg. Du hättest mir aber vorher, vor der Debatte, sagen können, du möchtest über Argentinien, Chile, Brasilien und so weiter reden, dann hätten wir natürlich auch über Venezuela reden können. Nur: Venezuela hat keinen sachlichen Zusammenhang. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich habe jetzt noch einmal die Staaten genannt, die hier vorgekommen sind, und des­halb an die Adresse von Frau Mühlwerth: Liebe Frau Mühlwerth, wir hoffen alle, dass das Regime Maduro unblutig ein Ende findet. Dazu muss man das Regime Maduro erst einmal vom Militär trennen, denn andernfalls wird es nämlich blutig, und wir wollen alle keine Menschenleben riskieren.

Deshalb ist eine ganz große Aufgabe der UNO, Konfliktmanagement zu machen. Die EU hat richtig gehandelt, aber in der Tat, man muss im Grunde ohne Blutvergießen erzwingen, dass die zahlreichen Hilfskonvois mit Medikamenten und Nahrungsmitteln, die es schon gibt, endlich in das Land gelassen werden, denn wenn man schon Blut vergießen will, wollen wir nicht, dass die Menschen an Krankheiten und an Hunger sterben. Insofern denke ich, treffen wir uns hier alle auf dieser menschenrechtlichen Ebene, und das ist sicher eine der großen Aufgaben der UNO als Konfliktvermittler. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.30


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Samt. Ich erteile ihm dieses.


19.30.26

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße die noch übrig gebliebenen Zuseher auf der Galerie und die Menschen, die via Livestream bis jetzt durchgehalten haben. Das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU einerseits und Sin­gapur andererseits – unter anderem, denn der Auftrag, den im November 2004 die Kommission vom EU-Rat bekommen hat, lautete sechs Asean-Länder einschließlich Singapur – ist nun Thema.

Zur Historie: Im Oktober 2005 sind die Verhandlungen aufgenommen worden, im Mai 2013 wurde das Abkommen abgeschlossen und im Oktober 2018 schlussendlich unterzeichnet. Es ist ein bilaterales Abkommen. Die wesentlichen Details hat Kollege Schennach schon dargestellt. Es ist in Wirklichkeit die Weiterführung oder die Anhe­bung auf eine weitere, höhere Ebene des bestehenden Freihandelsabkommens von 2013.

Spannend ist, sich Singapur anzuschauen. Es war für mich Neuland. Singapur ist ein Stadtstaat, der auf 710 Quadratkilometern Grund steht. Die höchste Erhebung ist an­geblich 169 Meter hoch. – Also mit den Tsunamis müssen sie dort ein wenig aufpassen.

Spannend ist auch, dass dieser Stadtstaat von der Fläche her wächst. Es wird Landge­winnung betrieben und der Plan verfolgt, bis zum Jahr 2030 800 Quadratkilometer zur Verfügung zu haben. Wenn man es mit Wien vergleicht: Wien hat in etwa 430 Quadrat­kilometer und circa 1,9 Millionen – oder ein bisschen mehr – Einwohner. Dort gibt es 5,6 Millionen Einwohner. Das heißt, es sind sehr gut verbaute Gegenden.

Was jetzt im Wesentlichen für uns interessant ist – und das hat Kollege Schennach auch schon erwähnt –: Für Europa ist es das Tor zu Asien. Das ist es ganz eindeutig. Die Wirtschaft dort ist enorm stark, und auch das Maß an Wohlstand ist sehr hoch.


BundesratStenographisches Protokoll891. Sitzung, 891. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2019 / Seite 170

Spannend für mich ist – das habe ich so aus gewissen Veröffentlichungen herausge­lesen – die Politik der dort vorherrschenden Partei. Kritiker sprechen ja davon, dass Sin­gapur seit längerer Zeit ein Einparteienstaat ist. Die dort regierende PAP hat durchaus sozialistische Aspekte, so wie ich es lese, vor allem mit groß angelegten öffentlichen Wohnraumprogrammen und einer Dominanz staatlicher Unternehmen in der lokalen Wirtschaft. Trotzdem hat es eine der stärksten Volkswirtschaften. Es ist sicher eine in­teressante Idee, Singapur als Partner der Europäischen Union hineinzunehmen. Es spricht meiner Meinung und auch unserer Meinung nach nichts dagegen.

Charakteristisch für Singapur ist – das sollte man vielleicht noch erklären – die geringe Korruption. Es befindet sich auf weltweiten Indizes sehr weit vorne, an vierter oder fünf­ter Stelle. Ebenso charakteristisch für Singapur sind hohe und drakonische Strafen bei Vergehen, selbst bei einfachen Vergehen wie der bewussten Müllentsorgung oder dem Wegschnepfen von Zigarettenstummeln. Da haben einige Touristen ihr blaues Wunder erlebt.

Trotz alledem ist es, glaube ich, ein sehr, sehr interessanter Partner, den die EU hat. Natürlich wird es, wenn man es genauer betrachtet – und es ist eben kein mitteleuro­päischer Staat –, Defizite geben, die in weiterer Zukunft zu beobachten sind und die auch zu korrigieren wären.

Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass der Stadtstaat Singapur sehr gut als Han­delspartner geeignet ist. Deswegen werden wir von unserer Seite die volle Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.35


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buch­mann. Ich erteile ihm dieses.


19.35.48

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwi­schen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten und der Republik Singapur ist Gegenstand der Beratungen.

Wir haben von den Vorrednern gehört, dass es ein Abkommen ist, das manche Fragen aufwirft, aber gleichzeitig große Chancen für die Europäische Union und damit auch für die Republik Österreich bringt.

Wir haben uns heute im Verlauf der Debatten am Nachmittag mit der Wirtschaftsmi­nisterin über die EU-Vorhaben aus wirtschaftspolitischer Sicht ausgetauscht. Dabei ist auch das Thema der Außenwirtschaft angesprochen worden. Ich weiß, dass das ein Partnerschaftsabkommen der neuen Generation ist, das weit über ein klassisches Handelsabkommen hinausgeht. Es ist aber gleichzeitig im strategischen Interesse der Europäischen Union und damit auch Österreichs, in diesem Raum, in Asien, stärker Fuß zu fassen. Es wurde gesagt, dass es ein Tor in den asiatischen Raum sein kann. Ich glaube, dass wir diese Chance jedenfalls nutzen sollten, in diesem Raum stärker präsent zu sein und gemeinsam Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Ebenfalls erwähnt wurde, dass bereits rund 10 000 europäische Unternehmungen in Singapur präsent sind und diesen Raum bearbeiten. Für diese Unternehmungen geht es auch um Rechtssicherheit und um die wirtschaftliche Sicherheit ihrer Investitionen. Alles das kann durch dieses Partnerschaftsabkommen unterstützt werden.

Es wurde angedeutet, dass diese Region eine ganz besonders spannende für Europa ist – daher auch dieses strategische Interesse der Europäischen Union und ihrer Mit­gliedstaaten – und dass sich Singapur über die Jahre sehr dynamisch entwickelt hat.


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Wenn ich es richtig mitverfolgt habe, dann war Singapur vor 40 Jahren noch bei Wei­tem nicht mit jenen Standards ausgestattet, wie es heute der Fall ist. Heute gehört es zu den leading regions weltweit und ist insbesondere auch im Bereich der neuen Tech­nologien ein echter Fortschrittstreiber.

Wenn ich mir anschaue, dass es die größten Forschungseinrichtungen im Bereich der Gesundheit, der Medizin und der Biotechnologie hat – Themenbereiche, die uns in wirt­schaftlicher, aber auch in Forschungshinsicht ganz besonders interessieren –, dann macht es schon aus diesem Titel heraus Sinn, zu kooperieren.

Wenn man sich ansieht, dass Singapur einen der größten Häfen weltweit – ich glaube, den viertgrößten Hafen weltweit – hat und damit auch ein Umschlagplatz für Güter und Waren aus Europa ist, wenn man sich anschaut, dass Singapur den zweiten Platz im globalen internationalen Wettbewerb hat, dann ist das Ausdruck einer Chancenausge­staltung, die wir jedenfalls nutzen sollten.

Ich sehe dieses Partnerschaftsabkommen aber auch als ein Abkommen, das europäi­sche Standards möglicherweise vertieft einbringt. Es wurden Schwachstellen ange­sprochen, die es vielleicht besser gemeinsam zu bearbeiten gibt. Daher ist die Empfeh­lung, dieses Abkommen jedenfalls anzunehmen.

Die Chancen sollten wir nutzen, das Tor ist weit offen. Wenn wir im transatlantischen Verhältnis die eine oder andere Fragestellung haben, warum sollten wir sie dann nicht im asiatischen Raum beantworten? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.39


19.39.46

Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuchen jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenom­men.

19.40.5520. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-671-BR/2019 d.B. sowie 10153/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Peter Samt. – Ich bitte um den


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Bericht.


19.41.12

Berichterstatter Peter Samt: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019. Der gegenständliche Bericht stellt die wichtigsten EU-Themen dar, die im Jahr 2019 in den Ressortbereichen Europa, Inte­gration und Äußeres zu behandeln sind.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. April 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Bundesrat.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.


19.42.06

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Außenministerin! Ich glaube, ich muss mit meiner Fraktion reden, denn die hat mich in so ein Disharmonieseminar geschickt; ich habe hier immer die Ablehnungen zu prä­sentieren. Wir werden das aber jetzt als letzten Tagesordnungspunkt noch bespre­chen.

Zur Erinnerung – speziell für Monika Mühlwerth, weil ich weiß, dass sie gleich versu­chen wird, mich zu unterbrechen; das ist eine lange Geschichte, nicht? –: Wir haben heute vier EU-Vorhabensberichten unsere Zustimmung gegeben: betreffend Verkehr, Bildung, öffentlichen Dienst und Sport und Wirtschaft, und man muss dazusagen, dass alle Ministerien ihre EU-Vorhabensberichte beispielhaft präsentiert haben. Bei diesem aber verweigern wir die Zustimmung beziehungsweise die Kenntnisnahme, denn ver­suchen Sie einmal, aus dem EU-Vorhabensbericht, der hier vorliegt, herauszulesen, was bei den anderen EU-Vorhabensberichten klar war: Was ist die österreichische Priori­tät? Was ist die österreichische Position? Wo sind die Prioritätensetzungen?

Die österreichischen Positionen müssen Sie suchen, wir müssen uns eine Lupe kau­fen, um sie vielleicht zu finden. Darüber hinaus fehlen ein paar Dinge, was uns wirklich maßgeblich stört, nämlich die Fragen in Bezug auf Steuerflucht, Steuerhinterziehung und Steuersümpfe, aber auch das, was dem Vizekanzler heute so gut gefallen hat, wie mir vorgekommen ist: der Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten. Das brau­chen wir so nicht.

In Zukunft brauchen wir in der Europäischen Union klare Spielregeln, damit diese un­fassbare Steuerhinterziehung aufhört. Es werden da Unmengen an Geldern verbracht und der Steuer entzogen, große Megakonzerne zahlen keine Steuern, aber jedes klei­ne Unternehmen muss Steuern zahlen. Das ist auch im Rahmen des österreichischen Ratsvorsitzes in dieser Form überhaupt nicht vorgekommen. Der Steuerwettbewerb ist ja nur schädlich: Er ist sozial schädlich, er ist umweltpolitisch schädlich. (Bundesrat Pisec: Nein, der ist sehr gut!) – Ja, wenn man nur an Gewinnmaximierung denkt, ist er gut, wenn man aber eine Gesamtentwicklung in Europa haben will, in der Soziales, Umwelt, Arbeitsrecht und so weiter gleichwertig sind, und nicht will, dass einige Staa­ten mit 9 Prozent oder 15 Prozent alles runterdrücken und dann zum Beispiel im Ge­sundheitsbereich oder im Bildungsbereich nichts mehr finanzieren können, dann ist er schädlich.

Was überhaupt nicht drinnen ist, sind Zahlen zu diesen unfassbaren Exporten von Waffen aus Europa – Sipri, das Abrüstungsinstitut in Schweden, hat gerade den neu­esten Report veröffentlicht –, und wir wundern uns dann, warum Flüchtlinge aus diesen Regionen kommen. In dieser Hinsicht muss man vor allem unseren großen Nachbar Deutschland nennen, der, glaube ich, jetzt schon völlig durch die Decke geht, was Waf-


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fenexporte betrifft, die genau in jene Regionen gehen, in denen derzeit Kriege geführt werden beziehungsweise in denen dann Fluchtursachen angelegt sind.

Der mehrjährige Finanzrahmen ist ein Teil dieses Berichtes. Ich bin immer für die Wahrheit, ich bin dafür, dass man ehrlich ist. Wenn ich jetzt in Richtung Vertreter der Landwirtschaft schaue, dann denke ich mir, ihr seid die Ersten, die die Förderung aus dem EU-Budget, aus dem Agrartopf, wieder haben wollen. Dann schaue ich zu an­deren, die sagen: Wir wollen alles aus dem Kohäsionsbereich! – Dann schaue ich zu den Dritten, die wollen alles aus diesen und jenen Bereichen. – Das wird es nicht spielen, wenn es nicht à la longue auch eine Form der Erhöhung gibt. Wenn man in diesen Bericht wieder reinschreibt, man wolle nichts erhöhen, wird man sich am Ende nicht daran halten können, weil es eine ganze Reihe von Dingen gibt, bei denen Ko­finanzierungen und andere Instrumente vorgesehen sind. Es gibt die neue Säule der sozialen Sicherheit, man will Frontex ausbauen: Das alles passiert nicht einfach nur so – und gleichzeitig steckt man die Einnahmenverluste aufgrund des Austritts des Vereinigten Königreichs einfach so weg!

Manche Dinge im Bericht sind gut. Ich finde es gut, dass der Beziehung zu Russland ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Ich halte ein Nachdenken darüber, ob die Wirt­schaftssanktionen, wie es sie derzeit gibt, wirklich dem Minsker Abkommen zur Durch­setzung verhelfen, für richtig. Ich bezweifle das. Ich war erst vor Kurzem in einer Mis­sion direkt an der Demarkationslinie zur Ostukraine und habe gesehen, dass es so nicht geht. Das heißt, wir müssen in einen Gesprächsrahmen mit Russland zurückfin­den, um ein Stück weiterzukommen, denn Frieden und Entwicklung in Europa wird es ohne ein gutes Einvernehmen mit Russland nicht geben.

Was mir komplett fehlt: Die Bundesregierung bemüht sich nicht in ausreichendem Maß, dass die Europäische Arbeitsagentur nach Wien kommt. Das ist etwas Essenzielles. Die Medizinagentur ist nicht nach Wien gekommen, die Bankenaufsichtsbehörde ist nicht nach Wien gekommen. Wir sollten jetzt alles tun, um die Arbeitsagentur nach Wien zu holen.

Was noch fehlt: Man hat die österreichische Idee der Transaktionssteuer gekübelt; sie kommt nicht einmal mehr namentlich vor. Das halte ich für schlecht. Außerdem muss ein Nachfolgemechanismus für das Dublinsystem geschaffen werden, daran muss ge­arbeitet werden.

Es gibt auch gute Dinge, das möchte ich unterstreichen, zum Beispiel die intelligente Visapolitik – wie hat man uns damals im EU-Ausschuss ausgelacht, als wir sie präsen­tiert haben – oder ein europäisches Kompetenzzentrum gegen Cyberkriminalität. All das sind sehr moderne Dinge.

Was die Agenda 2030 betrifft: Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen sind sehr gespannt, was da von Ihrer Seite noch kommt, denn wenn man einen Regie­rungspartner hat, dessen Nummer eins den Klimawandel leugnet und sagt, das sei nur eine Fantasie, es seien nur irgendwelche leicht beschwipsten Professoren, die das er­klären (Ruf bei der FPÖ: Wer sagt das?), dann möchte ich mir anschauen, wie wir die Agenda 2030 in diesem Land wirklich durchsetzen.

In diesem Sinne ist das heute der einzige EU-Vorhabensbericht, den wir in dieser Form nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.50


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile dieses.


19.50.53

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren Zuhörer und


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Zuseher! Von der Frau Bundesministerin wurde uns ein umfangreicher Bericht zum EU-Arbeitsprogramm 2019 vorgelegt, aus dem ich einige Punkte herausgreifen möchte.

Zunächst möchte ich auf die externen Aspekte der Migrationspolitik eingehen: Wäh­rend des österreichischen EU-Ratsvorsitzes wurden große Fortschritte hinsichtlich der Eindämmung irregulärer Ankünfte und der effektiven Rückführung erzielt; diese sollen erhalten und vertieft werden. Es soll weiter an einem effektiven und nachhaltigen Sys­tem zur Migrationssteuerung, an der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asyl­systems und an einem Ausbau des EU-Grenzschutzes gearbeitet werden.

Ein wesentlicher Teil dieser Migrationspolitik sind die Ansätze gegenüber Afrika. Auf Basis der Malta-Deklaration von 2017 soll das dort entwickelte Maßnahmenpaket aus­gebaut werden. Eines der Schlüsselländer in diesem Bereich stellt Libyen dar, die Maßnahmen dort beinhalten die Ausweitung der Ausbildung und Ausrüstung der liby­schen Küstenwache, um die Schmuggelrouten zu blockieren. Wie schnell sich die Lage ändern kann, zeigte sich in den letzten Tagen, als der Bürgerkrieg in Libyen wieder aufgeflammt ist. Der Ausgang ist ungewiss.

Die Maßnahmen zur Verringerung der Migration werden aber auch durch die südliche Nachbarschaftsinitiative der EU sowie durch Partnerschaften mit den Staaten Westafri­kas, der Sahel- und der Tschadregion sowie den Staaten am Horn von Afrika unter­stützt. Österreich unterstützt diese Migrationspolitik zusammen mit der IOM, dem UNHCR und dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitik.

Eine weitere Absicherung der bereits gelungenen Eindämmung der irregulären Migra­tion ist natürlich auch im Bereich des östlichen Mittelmeeres und des Balkanraumes notwendig. Sie alle werden in den letzten Tagen mehrmals gelesen haben, dass die Flüchtlingsströme dort wieder zunehmen und sich verstärken, daher sind Maßnahmen zur Verbesserung des Grenzschutzes und der dortigen Asylsysteme notwendig.

Dies führt mich zu einem weiteren Punkt im Bericht: die Heranführung Südosteuropas an die EU. Zunächst einmal ein Kompliment: Frau Bundesminister, Sie haben in der „Pressestunde“ am Sonntag ganz klar gesagt, es heiße nicht Westbalkan, sondern Südosteuropa, da diese Staaten eigentlich zum europäischen Kulturraum gehören. Das hat mir sehr gefallen. Es ist wichtig, dass Österreich im Vorfeld aktiv an der Heran­führung der Beitrittswerber an die EU mitarbeitet, obwohl natürlich unbestritten ist – Sie wissen das alle –, dass die Verhandlungen in diesem Bereich mitunter mühsam und langwierig sind. Gerade Österreich sollte da aber weiterhin eine Vorreiterrolle spielen.

Anders ist die Position Österreichs zum EU-Beitritt der Türkei. Dazu gibt es die klare Position: Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind auszusetzen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Bader.)

Zuletzt noch zum Thema Sicherheit: Die Sicherheit unserer Bürger und damit auch der Bürger der EU hat höchste Priorität. Dieser dienen Maßnahmen zur Sicherung der Au­ßengrenzen, Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und gewaltbereitem Extre­mismus, die Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaa­ten – zum Beispiel Ecris – sowie die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspoli­tik. Dieser Bereich ist im Bericht sehr umfangreich dargestellt und zeigt sehr ausführ­lich die laufenden und geplanten Aktivitäten im militärischen Bereich. Ein Schwerpunkt ist zum Beispiel die Verbesserung der militärischen Mobilität zur Erhöhung der Reak­tionsgeschwindigkeit; dies ist, glaube ich, in Österreich selbst ein sehr dringendes und notwendiges Anliegen. Weitere Schwerpunkte betreffen die Verbesserung der Koope­ration mit der Nato, die Bewältigung hybrider Bedrohungen sowie die Abwehr von Des­informationskampagnen. Der Bericht listet auch eine Reihe von militärischen und zi­vilen Missionen und Operationen im Rahmen der GSVP, der Gemeinsamen Sicher­heits- und Verteidigungspolitik, auf.


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Zusammenfassend: Es ist ein sehr umfangreicher Bericht, er ist sehr detailliert und sehr ambitioniert. Ich bin überzeugt, die Umsetzung ist bei Ihnen, Frau Bundesminister, sehr gut aufgehoben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.57


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich er­teile dieses.


19.57.22

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher via Live­stream! Zu dem Bericht, den Kollege Schennach offensichtlich verkannt hat – zu den Themen Arbeit, Steuerflucht und Finanzen wirst du wahrscheinlich auf den Bericht des Finanzministeriums warten müssen; wir reden hier über den Bericht über Europa, Inte­gration und Äußeres –: Ich denke, dass es ein sehr guter und sehr detaillierter Bericht ist, der die wichtigen Vorhaben für die nächsten Jahre zeigt. Wir haben heute schon ein paarmal darüber geredet, dass sich die EU um die großen Dinge kümmern muss und die kleinen Dinge die Länder regeln lassen soll.

Ich denke, es gibt gerade in diesem Bereich sehr viele große Dinge, welche die EU an­gehen muss. Das eine ist der schon angesprochene Außenschutz, das Thema Migra­tion. Diesbezüglich hat es im Jahr 2015 eine große Krise gegeben, bei der die Men­schen das Vertrauen in die Souveränität der Länder, in die Souveränität der EU verlo­ren haben. Sie befürchteten, dass die Länder die Souveränität über ihr Gebiet, ihre Ge­bietshoheit verloren haben. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass wir das Ver­trauen wiederherstellen. Die EU war damals eigentlich über Monate und Jahre hinweg in einer Art Schockstarre, und der Erste – aus den Regierungsparteien aller Länder in der EU –, der das wirklich richtig angegangen ist und aufgegriffen hat, war unser jetzi­ger Bundeskanzler, als er gesagt hat: Die Balkanroute muss geschlossen werden!

Genauso sehe ich das bei der Migration über das Mittelmeer: Damals, vor fast genau zwei Jahren, hat Kanzler Kurz gesagt, das Agieren der NGOs im Mittelmeer müsse überprüft werden. Es kam zu einem Riesenaufschrei in der ganzen EU, doch letzten Endes führte es zu einer Diskussion, die richtig angegangen worden ist. Jetzt gibt es Vorgaben für die NGOs, dahin gehend, wie sie dort arbeiten müssen, wobei es nun zu einem Rückgang der Migrationsströme über das Mittelmeer, aber auch zu einem Rückgang des Sterbens im Mittelmeer gekommen ist. Im Jahr 2016 gab es noch rund 5 000 Tote, im Vorjahr waren es nur mehr 2 200.

Deshalb ist es wichtig – und auch das steht in dem Bericht –, mit den Ländern Nord­afrikas Übereinkommen zu finden, damit sie mit uns in die Richtung arbeiten, dass die Schlepperei unterbunden wird. Die Schlepperei ist derzeit eines der besten Geschäfte weltweit, und wir müssen versuchen, das bestmöglich auszuschalten.

Auch die in diesem Bericht angesprochene Bekämpfung des Terrorismus und der Fi­nanzierung des Terrorismus ist eine ganz wichtige Angelegenheit für die nächsten Jahre, der sich die EU widmen muss. Wir haben selbst in Österreich einen Anschlag vereiteln können. Eine gute internationale Zusammenarbeit kann da Vorsorge treffen, damit wir in Zukunft weniger von diesen ganz hässlichen Anschlägen, wie wir sie in den letzten Jahren gesehen haben, sehen müssen.

Ein Teil des Berichts ist auch der Subsidiarität gewidmet, und ich glaube, da haben wir auch großen Handlungsbedarf. Wir sehen das bei uns im EU-Ausschuss: Bei den Ge­setzen, die uns vorgelegt werden, ist dann doch sehr oft von delegierten Rechtsakten die Rede, die irgendwann im Nachhinein erlassen werden. Wir, aber auch viele andere Länder, haben immer sehr große Kritik daran geübt. Jetzt gibt es Regelungen für diese Rechtsakte, dahin gehend, wie diese in Zukunft aussehen dürfen und sollen. Ich glau-


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be, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es können noch einige folgen, aber diese Schritte werden die EU wieder näher zu den Menschen in den einzelnen Ländern bringen und bei diesen vielleicht auch in Zukunft mehr Verständnis für die Arbeit der EU herstellen.

Bei den Beziehungen zu den einzelnen Ländern bin ich auch dafür, dass wir zur Tür­keifrage klare Worte finden. Es bringt nichts, da immer in einem schwammigen Ver­handlungszustand fortzufahren. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Türkei ein Mit­gliedsland werden kann, ich glaube, das sollte auch klar ausgesprochen werden.

Auch die Position zu Russland gehört überdacht. Die Sanktionen haben nichts ge­bracht, die russische Wirtschaft erholt sich eigentlich dadurch, und Russland macht wo­anders seine Geschäfte. So haben die Sanktionen eigentlich überhaupt keine Wirkung und haben uns vielleicht sogar ein wenig geschadet. Wenn ich daran denke, dass auch der Europarat Sanktionen gegenüber Russland ausgesprochen und Russland ausge­schlossen hat, dann ist das nicht gut, weil es eigentlich nur dazu geführt hat, dass die Menschen in Russland jetzt keinen Zugang mehr zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte haben. Wir müssen unsere Position überdenken und vielleicht wieder mehr in Diskussion kommen, damit wir dort in Zukunft eine bessere Lösung erreichen.

Ich danke auch dafür, dass im Bericht die Weiterführung der makroregionalen Strate­gien unterstützt wird. Ich selbst bin Obmann einer Kleinregion von 15 Gemeinden. Wir haben im Interreg-Programm mit Tschechien schon sehr viele Projekte umgesetzt, ge­rade vor einer Woche haben wir wieder ein Projekt über 1 Million Euro genehmigt be­kommen. So können wir diese Grenzregion, die so lange durch diese Grenze Schaden erlitten hat, auch wieder an die pulsierenden Zentren heranbringen und einen Auf­schwung für unseren Tourismus und für unsere Betriebe erreichen. Ich glaube, es ist sehr, sehr wichtig, dass diese Initiativen fortgeführt werden.

Zuletzt möchte ich noch auf einen Teil eingehen, der die Nuklearpolitik betrifft, weil die­ses Thema auch von sehr großer Aktualität ist. Gestern wurde im Umweltausschuss ein Allparteienbeschluss, der dem Nationalrat vorgelegt wird, gefasst, dahin gehend, dass die Regierung alle Maßnahmen, die möglich sind, ergreifen soll, um den Bau in Mochovce zu überwachen, vor allem aber auch mit Tschechien über das geplante End­lager in Diskussion treten soll. Gerade wir im Norden Österreichs sehen das natürlich sehr, sehr skeptisch, weil wir davon ausgehen, dass man einen Lagerort an einer Gren­ze suchen wird und dass das womöglich sehr, sehr nahe bei uns sein wird. Ich bitte darum, Frau Außenministerin, dass Sie auch alle Ihre Möglichkeiten nutzen, um mit den Tschechen in Diskussion zu treten, um darauf zu achten, dass auch ein gewisser Schutzkorridor eingehalten wird und dass die geologischen und hydrologischen und alle Gegebenheiten, die beachtet werden müssen, auch beachtet werden, damit wir in unserer Region in Zukunft auch ein ruhiges Leben führen können.

Danke für den sehr guten und umfangreichen Bericht, ich hoffe, dass alles davon um­gesetzt werden kann. Die Vorhaben werden, wie gesagt, die EU den Menschen etwas näherbringen, und ich hoffe, dass die großen Dinge angegangen werden können. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.05


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Karin Kneissl. Ich erteile dieses.


20.05.21

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich darf den gerade ausgesprochenen Dank an die Kollegenschaft des Außenministeriums wei­tergeben – einige der Autoren sind ja auch hier.


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Eine der Prioritäten Österreichs ist seit Jahren Südosteuropa. Um für Südosteuropa europäische Perspektiven zu schaffen, müssen wir vor allem in Nordwesteuropa arbei­ten, weil dort einfach wesentliche Skepsis, Widerstände et cetera bestehen. In diesem Sinne werden wir auch bilateral tätig. Wir wissen alle, Geografie bestimmt den Blick, und da ist man einfach in Nordwesteuropa ein ganzes Stück weiter weg, als wenn man eben die geografische, die historische, aber natürlich auch die menschliche Nähe zur Region Südosteuropa hat, in der ein Vakuum entstanden ist, seitdem der Krieg nicht mehr tobt – setzen wir das mit dem Jahr 1999 an.

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in allen Staatskanzleien die sogenannten Balkanexper­ten, diese wurden spätestens mit dem 11. September 2001 durch die Terrorismusexper­ten ersetzt, und da verschwand die Region vom Radar vieler Staatskanzleien. Das war in Wien nicht der Fall, aber ich merke vor allem in den bilateralen Begegnungen mit Kollegen aus Nordwesteuropa, dass es einfach schwierig ist, da das Bewusstsein zu schaffen, das uns eigen ist.

Es wurden viele Themen angesprochen. Ich danke für das Interesse, ich danke auch für die Kritik. Sie haben die Waffenproblematik angesprochen: Gerade da haben wir fast einen Antagonismus, der gegenwärtig zwischen Paris und Berlin entstanden ist, gerade wenn es um das deutsche Waffenembargo Richtung Saudi-Arabien geht. Da­ran kann man ablesen, welche tiefen Klüfte da bestehen. Das österreichische Kriegs­materialgesetz und das bereits von der Vorgängerregierung betreffend Jemenkrieg be­schlossene Verbot der Ausfuhr von Kriegsmaterialien sind bekannt; wir führen also auch da eine aktive Neutralitätspolitik, gerade wenn es um diese Kriegssituationen geht.

Ich darf den Fokus darauf richten, was heute, am 11. April, erforderlich ist, wenn wir uns das Jahr 2019 ansehen. Dieser Bericht wurde in weiten Teilen zu Jahresbeginn ver­fasst und redigiert. Wir haben heute, am 11. April, eine andere Situation. Wenn wir den großen Ehrgeiz haben, die Europäische Union weltpolitikfähig zu machen, wie das Schlagwort lautet, dann sind wir natürlich vor dem Hintergrund der gestrigen Be­schlüsse zum Brexit in einer anderen Situation.

Ich darf sagen, ich bin ebenso wie Bundeskanzler Sebastian Kurz für eine kürzere, für eine strengere, klarere Frist eingetreten. Wir waren stets der Meinung, dass eine kurze Frist aufgrund der Wahlen zum Europäischen Parlament zwischen dem 23. und 26. Mai mehr Sinn gemacht hätte. Bei einer Teilnahme der britischen Politiker stellt sich natür­lich auch die Frage, wer sich unter der Prämisse, dass man vielleicht nach drei Mo­naten wieder aus dem Parlament ausscheidet, aufstellen wird. Who runs? Welche de­mokratiepolitischen Implikationen hat das langfristig? Das ist eine Thematik, die ich auch in den letzten Tagen in zahlreichen Interviews mit der BBC immer wieder angespro­chen habe. Was gestern erzielt wurde, ist wie immer ein Kompromiss. Der 31.10. ist eben dieser Zwischenweg zwischen dem, was wir an sich angestrebt hatten – nämlich einen Zeitpunkt vor den Europawahlen –, und dem langen Zeitraum, der von einigen Mit­gliedstaaten bevorzugt wurde.

Es ist klar, dass ein geordneter Austritt nur über das Abkommen stattfinden kann. Die­ses Abkommen – das wurde mehrfach kundgetan – wird nicht wieder aufgemacht. Wo­rüber man verhandeln kann und wird, ist die sogenannte politische Erklärung. Auch diese wurde an sich am 25. November verabschiedet. Was immer man da noch über die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäi­schen Union bis hin zu einer Zollunion hineinpacken möchte, wie es ja auch seitens ei­niger Repräsentanten im britischen Parlament angesprochen wurde, bleibt abzuwarten.

Wie gesagt, ich gehöre zu den Skeptikern, wenn es um den Verbleib von UK-Abgeord­neten für nur drei Monate geht, aber wir erwarten uns eine konstruktive Mitarbeit der Briten für diesen Zeitraum. Sollten sie beschließen, das Abkommen doch noch früher zu ratifizieren: most welcome! Das würde ermöglichen, die Weltpolitikfähigkeit der Eu-


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ropäischen Union bereits 2019 stärker auf Schiene zu bringen – ob es jetzt eine China­strategie ist, die nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellt, wenn man das Ganze ernst nimmt, bei der viele in verschiedenste Richtungen ausscheren, oder ob es darum geht, Problemen wie den grundsätzlichen geopolitischen Wandelmomenten, aber na­türlich auch der von Ihnen angesprochenen Migration mit einer weltpolitikfähigen Stra­tegie zu begegnen. Dafür muss man sich mit anderem als mit dem Brexit beschäfti­gen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

20.10

20.11.01


Präsident Ingo Appé: Vielen Dank, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.11.3121. Punkt

Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Dr. Magnus Brunner, Monika Mühlwerth, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete ge­mäß § 66 GO-BR zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ (257/A-BR/2019)

20.12.26


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Es gibt dazu keine Wortmeldungen.

Ich möchte mich bei den Fraktionen der ÖVP und der FPÖ für den kollegialen Konsens zur Aufnahme dieses Punktes in die Tagesordnung bedanken.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Mag­nus Brunner, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen auf Abhaltung einer parla­mentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Trinkwasser schützen und si­chern“.

Ich möchte meine Fraktion darauf aufmerksam machen, dass es jetzt um die Abstim­mung über die Enquete geht (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ), und bitte jene Bundesrä­tinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzei­chen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest und möchte mich dafür bedanken. Der Antrag auf Abhaltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zu­gegangenen Selbständigen Antrag 257/A-BR/2019 verweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.13.31Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesra­tes David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsord-


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nung dem Ausschuss für Kinderrechte zur Berichterstattung über den Entschließungs­antrag 237/A(E)-BR/2017 betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ eine Frist bis 9. Mai 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der An­trag ist somit abgelehnt.

20.14.13Einlauf und Zuweisungen


Präsident Ingo Appé: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen, 3642/J-BR/2019 bis 3647/J-BR/2019, ein­gebracht wurden.

Eingelangt ist der Selbständige Entschließungsantrag 258/A(E)-BR/2019 der Bundes­räte David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen wird,

sowie der Selbständige Entschließungsantrag 259/A(E)-BR/2019 der Bundesräte Da­vid Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 9. Mai 2019, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 7. Mai 2019, 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

20.15.36Schluss der Sitzung: 20.15 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien