Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

878. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 5. April 2018

 

 


Stenographisches Protokoll

878. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 5. April 2018

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 5. April 2018: 9.02 – 20.33 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl von Schriftführern/-innen für den Rest des 1. Halbjahres 2018

2. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend zum Arbeits­programm der Kommission für 2018 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2017/18 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 erlassen wird, mit dem das Alternativfinanzierungsgesetz, das Bankwesengesetz, das E-Geldge­setz 2010, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Investment­fondsgesetz 2011, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Nationalbankgesetz 1984, das Sanktionengesetz 2010, das Unternehmensgesetzbuch, das Verbraucherzahlungs­konto­gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Versicherungsvertrags­gesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Ver­sicherungsvertragsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (Versicherungsvertriebsrechts­Änderungsgesetz 2018 – VersVertrRÄG 2018)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlage­produkte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP-Vollzugsgesetz) erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird

6. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

8. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2018 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates

9. Punkt: Vertrag über das Verbot von Kernwaffen


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 2

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über den Amtssitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

11. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Tunesischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung

12. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2018

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nicht­raucherschutzgesetz – TNRSG geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geän­dert wird

15. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz betreffend Jahresvorschau 2018 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG

16. Punkt: Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten

17. Punkt:  Administratives und Technisches Durchführungsübereinkommen zum Überein­kommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten

18. Punkt: Sicherheitsbericht 2016

19. Punkt: Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeits­programm der Europäischen Kommission für 2018 sowie dem Achtzehnmonats­programm des estnischen, bulgarischen und österreichischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Antrag 250/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Integrationsklassen an Sonderschulen“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 25. April 2018 zu setzen – Ablehnung .............  28, 185

Antrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 249/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 25. April 2018 zu setzen – Ablehnung ................................  29, 185

1. Punkt: Wahl von Schriftführern/-innen für den Rest des 1. Halbjahres 2018 ........... 29


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 3

Unterbrechung der Sitzung .........................................................................  84, 145, 146

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung:

Inge Posch-Gruska ...................................................................................................... 84

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ........................  144, 146

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Ordnungsruf ................................................................................................................. 155

Aktuelle Stunde (59.)

Thema: „Frauenpolitik im Fokus – Maßnahmenpaket der Bundesregierung“                         10

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ..... 10

Renate Anderl ......................................................................................................... ..... 13

Rosa Ecker .............................................................................................................. ..... 16

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ..........................................  18, 27

Marianne Hackl ........................................................................................................ ..... 21

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 22

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 24

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 25

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 28

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 28

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 28

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Ein­sparungsprojekte zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger in der österreichischen Schieneninfrastruktur“ (3473/J-BR/2018) .............................. 114

Begründung: Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................. 115

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 118

Debatte:

Günther Novak ........................................................................................................ ... 124

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 125

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 127

David Stögmüller .................................................................................................... ... 129

Hubert Koller, MA ................................................................................................... ... 132

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 133

René Pfister ............................................................................................................. ... 135


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 4

Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekenntnis zum Erhalt und Ausbau der österreichischen Nebenbahnen“ – Ablehnung ............................................................................................................  131, 137

Verhandlungen

2. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2018 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2017/18 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-650-BR/2018 d.B. sowie 9932/BR d.B.) ............................................ 29

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 29

RednerInnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 30

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 32

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 34

Rosa Ecker .............................................................................................................. ..... 37

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................... ..... 38

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 40

Sandra Kern ............................................................................................................ ..... 42

Mag. Dr. Michael Raml ............................................................................................ ..... 43

Renate Anderl ......................................................................................................... ..... 46

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-650-BR/2018 d.B zur Kenntnis zu nehmen          ............................................................................................................................... 46

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 erlassen wird, mit dem das Alternativfinanzierungsgesetz, das Bankwesengesetz, das E-Geldgesetz 2010, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Nationalbank­gesetz 1984, das Sanktionengesetz 2010, das Unternehmensgesetzbuch, das Verbraucherzahlungskontogesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden (11 d.B. und 60 d.B. sowie 9939/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 46

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 47

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Versicherungs­vertragsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (Ver­sicherungsvertriebsrechts­Änderungsgesetz 2018 – VersVertrRÄG 2018) (26 d.B. und 61 d.B. sowie 9940/BR d.B.) .......................................................................................... 46

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 47

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bun­­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP-Vollzugsgesetz) erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird (24 d.B. und 62 d.B. sowie 9941/BR d.B.) ................................................................................................................. 46

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 47


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 5

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung (6 d.B. und 63 d.B. sowie 9942/BR d.B.) ................................................................................................................. 47

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 47

RednerInnen:

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ..... 48

Peter Oberlehner .................................................................................................... ..... 49

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 51

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ..... 52

Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................... ..... 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 56

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (23 d.B. und 58 d.B. sowie 9943/BR d.B.)                        56

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 57

RednerInnen:

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ..... 57

Christian Poglitsch ................................................................................................. ..... 58

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................ ..... 60

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 61

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................... ..... 63

Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................... ..... 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 64

8. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2018 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-644-BR/2018 d.B. sowie 9933/BR d.B.) .................................................. 64

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 65

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 65

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 67

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 68

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 71

Dr. Heidelinde Reiter (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 73

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................... ..... 74


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 6

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 75

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 77

Peter Samt ............................................................................................................... ..... 79

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-644-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 80

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (9 d.B. und 49 d.B. sowie 9928/BR d.B.) ................................................... 81

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 81

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über den Amtssitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (12 d.B. und 50 d.B. sowie 9929/BR d.B.) ............................................................................................................................... 81

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 81

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Tunesischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkun­den von der Beglaubigung (5 d.B. und 51 d.B. sowie 9930/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 81

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 81

RednerInnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 82

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ..... 83

Hubert Koller, MA ................................................................................................... ..... 85

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................... ..... 86

Gottfried Sperl ........................................................................................................ ..... 88

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 89

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 90

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ..... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 92

12. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2018 (III-639-BR/2018 d.B. sowie 9931/BR d.B.) ............................. 92

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 92

RednerInnen:

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................................  93, 103

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 94

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ..... 97


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 7

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 99

Christoph Längle .................................................................................................... ... 101

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 102

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „humanitäre Katastrophe infolge der türkischen Militäroffensive in Afrin“ – Ablehnung  93, 104

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Edgar Mayer, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend „humanitäre Versorgung und Wiederhe­rstellung der Sicherheit für die Zivilbevölkerung in Afrin“ – Annahme (E 253-BR/2018) .................................................................................  102, 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-639-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 104

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucher­schutzgesetz – TNRSG geändert wird (107/A und 33 d.B. sowie 9934/BR d.B.) ..................................................................................................... 104

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 104

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................ ... 104

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 108

David Stögmüller .................................................................................................... ... 110

Robert Seeber ....................................................................................................  113, 137

Renate Anderl ......................................................................................................... ... 139

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 141

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 144

Antrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz geändert wird (107/A und 33 d.B. sowie 9934/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR Einspruch zu erheben – Ablehnung (namentliche Abstimmung) ........................  107, 144

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 145

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ...................................................... 146

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 146

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (25 d.B. und 43 d.B. sowie 9944/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 147

Berichterstatterin: Rosa Ecker .................................................................................... 147

RednerInnen:

René Pfister ............................................................................................................. ... 148

Ing. Bernhard Rösch .............................................................................................. ... 150

David Stögmüller .................................................................................................... ... 152

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 154

Sandra Kern ............................................................................................................ ... 155

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 156


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 8

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 157

15. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jahresvorschau 2018 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-638-BR/2018 d.B. sowie 9945/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 157

Berichterstatter: Christoph Längle ............................................................................. 157

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 158

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ... 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-638-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 161

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Über­einkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Ver­fol­gung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten (7 d.B. und 41 d.B. sowie 9935/BR d.B.) ................................................................................. 161

Berichterstatter: Mag. Dr. Michael Raml .................................................................... 161

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Adminis­tratives und Technisches Durchführungsübereinkommen zum Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Re­publik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten (8 d.B. und 42 d.B. sowie 9936/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 161

Berichterstatter: Mag. Dr. Michael Raml .................................................................... 161

RednerInnen:

Georg Schuster ....................................................................................................... ... 162

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ... 163

Martin Weber ........................................................................................................... ... 164

Gottfried Sperl ........................................................................................................ ... 165

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen................... 165

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen................... 166

18. Punkt: Sicherheitsbericht 2016 (III-636-BR/2018 d.B. sowie 9937/BR d.B.) ........ 166

Berichterstatter: Christoph Längle ............................................................................. 166

RednerInnen:

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ............................................................................................... 167

Edgar Mayer (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 169

Mag. Dr. Ewa Dziedzic (tatsächliche Berichtigung) ................................................... 169


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 9

Georg Schuster ....................................................................................................... ... 169

Armin Forstner, MPA ............................................................................................. ... 172

Martin Weber ........................................................................................................... ... 174

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler .......................................................... ... 176

Mag. Dr. Michael Raml ............................................................................................ ... 180

Mag. Michael Lindner ............................................................................................. ... 181

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-636-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 184

19. Punkt: Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2018 sowie dem Achtzehn­monatsprogramm des estnischen, bulgarischen und österreichischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-641-BR/2018 d.B. sowie 9938/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 184

Berichterstatter: Christoph Längle ............................................................................. 184

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-641-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 185

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend CRISPR und die neuen Gentechnik-Methoden (3472/J-BR/2018)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einsparungsprojekte zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger in der österreichischen Schieneninfrastruktur (3473/J-BR/2018)

 

 

 

 

 

 


 


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 10

09.02.22Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Reinhard Todt, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vizepräsident Ewald Lindinger.

*****


Präsident Reinhard Todt: Ich eröffne die 878. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 877. Sitzung des Bundesrates vom 3. April 2018 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Jutta Arztmann, Wolfgang Beer, Mag. Christian Buchmann und Dr. Dietmar Schmittner.

09.02.54Aktuelle Stunde


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Frauenpolitik im Fokus – Maßnahmenpaket der Bundesregierung“

Dazu darf ich die Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Ju­liane Bogner-Strauß recht herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wie­derum eine Rednerin beziehungsweise ein Redner der Fraktionen sowie an­schließend je eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.


9.04.19

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Guten Morgen, Herr Präsident! – Vielen Dank für die Info, ich habe das mit den 10 Minuten eh gewusst, aber: Schauen wir einmal, ob ich damit auskommen werde! – Guten Morgen, Frau Ministerin! Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Frauenpolitik im Fokus – Maßnahmenpaket der Bundesregierung“: Da geht einer Frau natürlich das Herz auf, da ja sehr viel darüber im Regierungsprogramm steht und die Frau Ministerin schon sehr vieles angekündigt hat, was wir jetzt umsetzen können.

Wir Frauen in Österreich sind vielfältig und unterschiedlich, jede von uns hat täglich Mehrfachaufgaben zu bewältigen, sei es in der Familie, im Beruf, im Ehrenamt oder wie bei uns konkret in der Politik. Täglich übernehmen wir Verantwortung in allen ge­sellschaftsrelevanten Bereichen wie Erziehung, Pflege, Bildung, Wissenschaft, Umwelt und Kirche. Daher braucht es natürlich auch Rahmenbedingungen, die es uns Frauen ermöglichen, alles unter einen Hut zu bekommen, damit es uns gut geht.

Dieser Bundesregierung sind Frauen ein besonderes Anliegen, nicht zuletzt erkennt frau es daran, dass gerade Frauenthemen gleich zu Beginn aktiv angegangen werden.


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Vielen Dank Ihnen, Frau Bundesministerin, stellvertretend für das Team um Bundes­kanzler Sebastian Kurz, dass Sie sich da so engagiert einsetzen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die wichtigsten Maßnahmen für uns Frauen im Regierungsprogramm sind (ein Exem­plar des Regierungsprogramms in die Höhe haltend): gleicher Lohn für gleich­wertige Arbeit, Förderung des Anteils von Frauen in Führungsebenen, Gewaltprävention, Wahl­freiheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ausbau der Kinderbetreuung, so­ziale Sicherheit für Frauen auch im Alter, Frauengesundheit und bessere Unter­stützung von Schwangeren.

Ich komme nun zu ein paar Fakten: „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Gleich­stellung von Frauen am Arbeitsmarkt“ – bis Ende 2018 sollen alle bestehenden Einkommensberichte evaluiert und zusammengeführt werden. Der Ausbau von bestehenden Tools wie dem Gehaltsrechner oder www.fairer-lohn.gv.at soll erfolgen, um noch mehr Einkommenstransparenz zu bekommen. Da wäre eine große Bitte von mir, Frau Ministerin, dass es dann nur mehr einen Einkommensbericht gibt und nicht so viele wie jetzt, sodass in Zukunft wirklich eine Vergleichbarkeit gegeben ist.

Österreich gehört leider immer noch zu den EU-Ländern mit den größten Lohnunter­schieden zwischen Frauen und Männern. Daher bedarf es eines Aktionsplanes, auch das ist Gott sei Dank angeführt, und da sind Sie sicher ein Garant dafür, dass das auch weiter umgesetzt wird, um Projekte für Frauen – die das wollen und anstreben – in Führungsetagen und in Aufsichtsräte zu fördern, Stichwort gläserne Decke, das kennen wir leider alle. Frauen in Führungspositionen sind sehr wichtig, davon profitiert Österreich – die Unternehmen und die Wirtschaft –, das sichert Arbeitsplätze. Des­wegen bedarf es gezielter Frauenförderung. Es braucht den Wegfall von Benach­teili­gungen von Frauen am Arbeitsmarkt und von Diskriminierungen in Kollektiv­verträgen. Keine Anrechnung von Karenzzeiten, keine Vorrückungen et cetera, das darf es nicht geben. Da gibt es leider doch noch einiges zu tun.

Das kann gut gelingen, wenn wir den Weg weitergehen, dass wir Frauen in tech­nischen Berufen vermehrt forcieren, eine bessere Qualifizierung von Frauen am Arbeitsplatz erreichen und natürlich auch die Partnerschaftlichkeit fördern, damit sich Männer hinsichtlich Betreuungs- und Erziehungspflichten verstärkt einbringen.

Natürlich ist auch der Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten ein großes Thema, nicht nur was Kindergärten und Horte in den Gemeinden betrifft, sondern auch Tagesmütter oder Betriebskindergärten. Die Au-pair-Regelung gehört erleichtert. Also da gibt es noch einiges zu tun, und ich bin guter Dinge, dass Sie, Frau Ministerin, das weiter sehr gut auf den Weg bringen.

Familienfreundlichkeit in den Unternehmen, Förderung von Frauen in Führungs­ebenen, wie gesagt, und natürlich auch die Arbeitszeitflexibilisierung, bei der wir die Wirt­schaft dringend im Boot haben müssen, denn Frauenfreundlichkeit und Familien­freundlichkeit zahlen sich eben für alle, die involviert sind, aus, sind anzustreben.

Leider ist „Gewaltprävention und Integration von Frauen“ nach wie vor ein sehr großes Thema. Es wurde angekündigt, dass bis zum Jahr 2022 100 neue Betreuungsplätze für von Gewalt betroffene Frauen geschaffen werden sollen. Auch das Angebot in Frauenhäusern und Notunterkünften wird in den nächsten Jahren ausgebaut werden, denn Gewalt passiert nach wie vor. Wir hatten ja schon das Thema „Null Toleranz bei Gewalt gegen Frauen“ hier im Bundesrat. Das ist eben ein wirklich wichtiges und drängendes Thema, von dem unabhängig von sozialer Herkunft und Nationalität immer noch viele betroffen sind.


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Hilfe und Beratung müssen daher verbessert werden, das Gewaltschutzgesetz gehört weiterentwickelt, ein flächendeckender weiterer Ausbau der Frauenberatungsstellen muss erfolgen. Wir haben Gott sei Dank in Österreich in 70 von 80 politischen Bezirken zumindest eine Frauenservicestelle oder eine Frauen- und Mädchenberatungsein­richtung, die von Ihnen, Frau Bundesministerin, kofinanziert werden; das entspricht einem Flächendeckungsgrad von 88 Prozent. Auch für 2018 wird von einem Wert von über 80 Prozent ausgegangen.

Es geht darum, flächendeckend niederschwellige Angebote zu haben. Ich weiß als Vorsitzende des Vereins Frauenhilfe Salzburg, wie notwendig diese niederschwellige Sozialberatung ist, wie viele Frauen diese Beratung brauchen und auch annehmen. Vielen Dank an dieser Stelle allen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern für ihren täglichen Einsatz! (Allgemeiner Beifall.)

Wir brauchen leider einen weiteren Ausbau dieser Plätze in den Frauenhäusern. Wir brauchen auch eine Nachschärfung des Strafrechts in Kooperation mit den Opfer­schutzvereinen und Frauenservicestellen. Diesbezüglich engagiert sich unsere Salz­burger Staatssekretärin Karoline Edtstadler in der bereits eingerichteten Taskforce, da die bisherigen Anstrengungen, eine Ausgewogenheit zwischen der Strafdrohung für Vermögensdelikte einerseits und für Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit andererseits herzustellen, noch nicht gefruchtet haben. Ziel der Taskforce ist, wie schon gesagt, null Toleranz bei Gewalt gegen Frauen und Kinder. Darum ist es auch so wichtig, dass diese Taskforce jetzt engagiert weiterarbeitet.

Betreffend qualitätsvolle Betreuung unserer Kinder, insbesondere den Ausbau von institutionellen Kinderbetreuungsangeboten: Wir haben schon gesagt, wir forcieren einen bedarfsorientierten und flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungs­ange­boten in qualitativer und auch in quantitativer Hinsicht in Kooperation mit den Ländern und Gemeinden, denn nur so kann die Wahlfreiheit für Frauen erreicht werden und damit auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert und wirklich gelebt werden.

Ein Leuchtturmprojekt ist unserer Meinung nach der Familienbonus Plus, durch den 950 000 Familien und rund 1,6 Millionen Kinder mit 1,5 Milliarden Euro ab dem Jahr 2019 entlastet werden. Der Familienbonus Plus wirkt daher bereits ab dem ersten Steuereuro. Das ist, bitte, wirklich eine Entlastung für jede Familie, auch für jene Familien, deren Einkommen unter dem österreichischen Durchschnittseinkommen liegt. Er reduziert die Steuerlast der betroffenen Eltern, sodass bei geringverdienenden Steuerzahlern die Steuerlast komplett wegfällt. Das ist ein echter Anreiz auch für uns Frauen, nach der Karenz wieder erwerbstätig zu werden.

„Soziale Sicherheit für Frauen, auch im Alter“: Durch unterschiedliche Familien­karrieren, Kindererziehung, Teilzeitarbeit, Scheidung oder Krankheiten haben Frauen leider oft keine ausreichende Absicherung für ihre Pension im Alter. Daher bedarf es verpflichtender Informationskampagnen der Pensionsversicherungsanstalt und des Sozialministeriums, um die Frauen auch wirklich aufzuklären und ihnen zu sagen, was sie erwartet, wenn sie sich für die eine oder andere Möglichkeit entscheiden; also echte Wahlfreiheit.

Zur Forcierung des Pensionssplittings: Diese Möglichkeit wurde 2005 auf freiwilliger Basis eingeführt, ist aber leider sehr wenig bekannt; es würde auch helfen, dass Frauen im Alter mehr Pension haben, wenn wir diese Maßnahme weiter forcieren.

Abschließend noch zum Thema „Frauengesundheit und bessere Unterstützung von Schwangeren“. Wir wissen, dass gerade die Situation, wenn Kinder auf die Welt kom­men, eine große Herausforderung darstellt. Daher bedarf es entsprechender Unterstüt­zung.


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In Salzburg haben wir das Projekt birdi mit der Salzburger Gebietskrankenkasse und dem Land Salzburg auf die Beine gestellt, im Rahmen dessen Familien gerade in diesen belastenden Situationen unterstützt und beraten werden.

Mir ist es auch wichtig, die Vorsorgeprogramme zu spezifischen Frauengesund­heits­problemen wieder bundesweit zu vereinheitlichen. Ich denke da an den Zugang zum Mammografiescreening für Frauen über 70 Jahre und an die Osteoporose­unter­suchung für unter 50-Jährige. Das muss wieder einfach mittels Überweisung durch den Hausarzt oder Frauenarzt möglich sein.

Abschließend noch eine kurze Bemerkung: Mir ist es wichtig, dass es nicht one size gibt, sondern dass wir die Wahlfreiheit für Frauen haben, dass wir es Frauen ermög­lichen, die Dinge, die sie wirklich wollen, dann auch umzusetzen. Wie erreichen wir die Frauen? Das ist meiner Meinung noch eine wichtige Aufgabe. Wie informieren wir sie, ohne das eine als gut und das andere als schlecht darzustellen? Da haben wir noch einiges zu tun.

Danke für Ihre Aktivitäten, Frau Bundesministerin! Wir werden Sie aktiv bei der Umsetzung unterstützen: für die Frauen in Österreich, damit es ihnen wirklich gut geht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.15


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Renate Anderl. Ich erteile ihr dieses.


9.15.26

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Als GewerkschafterInnen, als Teil der Sozialpartnerschaft haben wir uns natürlich das vorliegende Regierungsprogramm sehr genau angesehen. Eine gewisse Schlagseite haben wir schon bemerkt, seitens der Interessenvertretung haben wir nämlich festgestellt, dass die Wörter Unternehmer, Unternehmerin und Un­ter­nehmen über hundertmal vorkommen, die Begriffe Arbeitnehmer oder Arbeitneh­merin nur knapp zwanzigmal.

Wenn ich mir den Bereich Frauen ansehe, dann muss ich in diesem Punkt meiner Vorrednerin leider widersprechen, denn wenn ein Regierungsprogramm vorliegt, in dem von 182 Seiten gerade einmal zweieinhalb Seiten den Frauen gewidmet sind, dann kann man nicht davon sprechen, dass es sehr umfangreich für Frauen geschrie­ben ist.

Wo ich ihr schon recht geben kann, ist hinsichtlich der Ankündigungen unserer Minis­terin. Es sind schon sehr positive Ankündigungen über die Medien zu uns durchge­drungen, und wir hoffen auch, dass wir gemeinsam weitere Schritte machen können, um Verbesserungen für die Frauen zu erreichen. Ein Punkt im Regierungsprogramm ist ja auch vorhin von meiner Vorrednerin angesprochen worden, dieser ist, gemein­sam mit den Sozialpartnern Diskriminierungen in den Kollektivverträgen zu prüfen und zu beseitigen.

Ich kann Ihnen von dieser Stelle aus versichern, dass die Gewerkschaften in den Kollektivvertragsverhandlungen ständig bemüht sind, Diskriminierungen zu beseitigen, sofern sie überhaupt noch vorhanden sind. Wir sind aber auch ständig bemüht, Verbesserungen für Frauen in den Kollektivverträgen umsetzen zu können, nämlich sozialpartnerschaftlich, gemeinsam mit der Wirtschaftskammer. So haben wir, glaube ich, auch in der letzten Zeit bewiesen, dass wir sehr gute kollektivvertragliche Min­destlöhne umsetzen können. Auch da kann man sagen, dass das überwiegend einen Vorteil für Frauen bringt. Warum ist das ein Vorteil für Frauen? – Weil es leider nach wie vor der Fall ist, dass Frauen in den untersten Lohngruppen zu finden sind und es


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daher für sie finanzielle Verbesserungen bedeutet, wenn wir die unteren KV-Ebenen anheben.

Angesprochen wurden schon Elternkarenzen. Auch in puncto Elternkarenzen kann ich versichern, dass wir daran arbeiten, dass die Anrechnung der gesetzlichen Eltern­karen­zen auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche erfolgt und dass wir dies als Forderungspunkte in all unseren Kollektivvertragsverhandlungen haben. Das ist ein Punkt, der ganz oben auf der Agenda steht, und das ist nicht nur für uns ein For­derungspunkt, denn gemeinsam mit der Wirtschaft ist es uns gelungen, diese Anrech­nung der Elternkarenzen auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche mittlerweile in sehr vielen Kollektivverträgen zu verankern.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, unsere Berechnungen haben uns auch gezeigt, dass es, wenn diese Zeiten nicht angerechnet werden, für manche Frauen in manchen Bereichen – man muss sagen, diese Anrechnung gilt ja für beide Elternteile, für Männer und für Frauen – mehr als 2 000 Euro brutto an finanziellen Nachteilen be­deutet. Das sind finanzielle Nachteile, die sie in Wirklichkeit bis zu ihrer Pension nicht mehr aufholen können.

Es ist aber nicht nur das, es sind auch Nachteile wie jene, dass Frauen dann häufig nicht zu einem Dienstjubiläum kommen – das ist noch gar nicht mitgerechnet –, oder auch, dass Frauen einen Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche sehr häufig später oder gar nicht erwerben.

Ich hatte unlängst erst das Erlebnis, dass mich eine Friseurin gefragt hat, ob ihr Chef sie irgendwann abgemeldet hat. Sie ist, seitdem sie Lehrling war, im selben Frisier­salon tätig, ist 26 Jahre dort beschäftigt, und ihr Chef hat ihr gesagt, sie habe noch immer keinen Anspruch auf die sechste Urlaubswoche. Nach Durchsicht ihrer Unter­lagen war mir klar, warum das so ist. Sie hat deswegen keinen Anspruch darauf, weil sie sich erlaubt hat, zwei Kinder zu bekommen und auch die komplette gesetzliche Karenz auszunützen, da sie in Niederösterreich zu Hause ist und es dort relativ schwierig ist, ein Kind unter drei Jahren ganztags in einem Kindergarten unter­zubrin­gen.

Das bedeutet, diese Frau muss, wenn diese Zeiten nicht angerechnet werden, noch zwei weitere Jahre warten – sie braucht also 28 Beschäftigungsjahre –, bis sie zur sechsten Urlaubswoche kommt.

Daher ersuche ich Sie, Frau Ministerin, mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir diese Anrechnung auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche nicht langsam und schwierig über die Kollektivverträge regeln, sondern – das ist die Forderung der ÖGB-Frauen – dass wir das auf gesetzlicher Ebene schaffen, denn das kann nicht davon abhängig sein, wo frau, wo man beschäftigt ist. Ich glaube, das ist ein Anspruch, der für beide Geschlechter, für Eltern in allen Bereichen, in allen Branchen Gültigkeit haben muss, da wir schon im 20. Jahrhundert leben. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass diese Anrechnung finanzielle Vorteile hat, habe ich eben erwähnt. Da ich das Stichwort finanziell nannte: Von meiner Vorrednerin ist auch schon das Thema gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit angesprochen worden. Ich kann Ihnen versichern, seit vier Jahrzehnten begleitet mich dieser Satz, seit vier Jahrzehnten hoffe ich, dass es irgendwann zum Schließen dieser Schere kommt.

Man kann sagen, dass das schon vor 80 Jahren ein Thema gewesen ist und nicht erst heute eines ist. Ich glaube schon, dass man sagen kann, dass es der letzten Bun­desregierung erfreulicherweise doch gelungen ist, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, um diese Lohnschere zu schließen, indem es zur Einführung der Einkommensberichte, die auch schon angesprochen worden sind, gekommen ist. 2011


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war deren Einführung, ab 2014 müssten alle Betriebe, die mehr als 150 Beschäftigte haben, diesen sogenannten Einkommensbericht legen. (Ruf bei der FPÖ: Zahnlos!)

In diesem Zusammenhang haben Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, in einem Interview gesagt, dass viele Beschäftigte nicht wissen, dass es diesen Einkommensbericht über­haupt gibt, und dass dieser evaluiert gehört. Ja, es stimmt, wir müssen einiges tun – auch da kann ich Ihnen recht geben –, dass der Einkommensbericht bekannter wird. Zur Evaluierung muss ich aber sagen: Dieser Einkommensbericht wurde schon evaluiert. Man hat ihn damals evaluiert, und wir haben dadurch gesehen, wo die Schwach­stellen sind, wo es Verbesserungen braucht. Dazu hat es ein Sozial­part­nergespräch gegeben. Leider sind wir dabei aber auf ein eindeutiges Nein gestoßen, nämlich ein eindeutiges Nein der Wirtschaft gegenüber dem Versuch, dass wir da Ver­besserungen schaffen.

Daher ersuche ich auch Sie, uns dabei zu unterstützen, dass wir uns diese Evaluie­rung, die schon stattgefunden hat, noch einmal ansehen. Vielleicht schaffen wir es, dass wir da gemeinsam Verbesserungen schaffen, nämlich dass die Regelung auch für Betriebe gelten muss, die weniger als 150 Beschäftigte haben, dass die Gehalts­bestandteile besser aufgeschlüsselt gehören, sodass man einen besseren Überblick hat, aber auch, dass die Ergebnisse in Wirklichkeit in den jährlichen Wirtschafts­gesprächen mit den Betriebsratskörperschaften Thema sein müssen. Das heißt, sie müssen dort auf der Agenda stehen, sodass man darüber spricht. Vielleicht schaffen wir auch, dass es auch Sanktionen gibt, wenn Einkommensberichte Diskriminierung zwischen den Geschlechtern ausweisen. Ich glaube, da haben wir gemeinsam noch ganz viel zu tun.

Ich habe mich auch gefreut, als ich gelesen habe, dass Sie erwähnt haben, dass auch Sie eine Befürworterin der innerbetrieblichen Offenlegung der Gehälter sind. Wir müssen also keine Angst haben, dass es da zu irgendwelchen Diskrepanzen kommt. Wir haben auch das Begehren unserer damaligen Frauenministerin Dr.in Sabine Oberhauser, die gesagt hat, dass wir innerbetriebliche Lohntransparenz brauchen, unterstützt.

Wenn wir gemeinsam an diesem Thema weiterarbeiten, dann – so hoffe ich – schaffen wir es auch gemeinsam, die Ideen in Taten umzusetzen, dass wir sozusagen Nägel mit Köpfen machen, also diese innerbetriebliche Lohntransparenz umsetzen. Das wäre ein weiterer wichtiger Schritt, ein weiteres Instrument, um dafür zu sorgen, dass die Lohnschere geschlossen wird.

Ein zentraler Faktor für die Einkommensunterschiede, für die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen liegt aber auch in der Familienpolitik. Daher, glaube ich, ist es ganz dringend notwendig, Impulse für eine partnerschaftliche Familienpolitik zu setzen. Ich glaube, die derzeitigen Aussagen, wenn wir über einen 12-Stunden-Tag dis­kutieren, zeigen, wie weit wir davon entfernt sind, im Arbeitsleben etwas partnerschaftlich umsetzen zu können. Eine Annäherung der Arbeitszeiten von Frauen, die Teilzeit arbeiten, aber häufiger mehr arbeiten wollen, und Männern, die oft weniger arbeiten wollen, wäre der richtige Schritt, um auch da familienpolitische Akzente setzen und vor allem die Frauen entlasten zu können.

In diesem Zusammenhang wurde ja schon öfters – auch von Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin – Homeoffice erwähnt. Ich glaube, dass Homeoffice in diesem Fall nicht viele Verbesserungen bringt, denn erstens dürfen wir nicht vergessen, dass es auch nur für einen kleinen Teil der Frauen möglich ist, Homeoffice zu machen. Ich denke da an die heute schon erwähnte Friseurin, die Supermarktverkäuferin oder eine Textilarbeiterin, die sich mit Homeoffice schwer tun werden. Das Einzige, was man sich beim Homeoffice tatsächlich erspart, sind die Wege zur Arbeit und wieder nach Hause.


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Ich glaube, dass das für die eine oder andere zwar schon eine Entlastung sein kann, aber eine Kompensation für einen 12-Stunden-Tag ist es definitiv nicht, wenn man sagt, dass man jetzt in Richtung Homeoffice geht.

Statt Rückschritten in der Frauen- und Familienpolitik, aber auch in der Arbeitswelt erwarten wir uns von einer Bundesregierung Schritte in die Zukunft, und zwar in die Zukunft, die es tatsächlich ermöglicht, Beruf, Familie und Freizeit zu vereinbaren, und die es tatsächlich ermöglicht, dass Beschäftigte, und zwar unabhängig vom Ge­schlecht, einen fairen Lohn bekommen, und zwar einen fairen Lohn, mit dem sie auch ein gutes Leben führen können und mit dem sie bei Vollzeitarbeit weit davon entfernt sind, ein Leben an der Armutsgrenze zu führen.

Das heißt, wir haben noch sehr viel zu tun. Wenn wir es gemeinsam angehen – so wie in einigen Ihrer Aussendungen schon zu lesen war –, bin ich zuversichtlich, dass wir auch im Bereich der Frauen- und Familienpolitik Schritte in die Zukunft setzen können. Vielleicht schafft man es bei einem nächsten Regierungsprogramm, dass Frauen von 182 Seiten mehr als zweieinhalb Seiten gewidmet werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der BundesrätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.)

9.26


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile ihr dieses.


9.27.06

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Zuseher hier im Saal und des Livestreams! Anlässlich des Titels der heutigen Aktuellen Stunde „Frauenpolitik im Fokus – Maßnahmenpaket der Bundesregierung“ möchte ich zum Einstieg daran erinnern, dass heuer auch das Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich im Fokus steht. 1918 markiert den Start der Frauenpolitik in Österreich. Meiner Meinung nach war es auch ein weiterer sehr wertvoller, wichtiger Schritt in Richtung einer positiven Zukunft der Frauen, als vor rund 40 Jahren, nämlich 1975, die Gleichberechtigung der Frauen ausgerufen wurde – und von Gleichberechtigung und Gleichbehandlung sprechen wir jetzt, hundert Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts ja noch immer –, seitdem dürfen Frauen arbeiten gehen, ohne dass es der Mann verbieten kann.

Frauen haben dieses Entwicklungspotenzial seither sehr gut genutzt. Sie sind in allen Lebens- und Arbeitsbereichen gut vertreten. Frauen nutzen also großteils die Chancen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, und sie übernehmen auch die Verantwortung dafür, denn Chancengleichheit darf kein leeres Schlagwort sein; das betrifft einerseits die Chancengleichheit in der Familie und andererseits die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zu diesen Grundvoraussetzungen zählt auch noch die Gleichstellung im Arbeitsleben, besonders im monetären Bereich, nämlich wenn es um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit geht.

Es wurde heute schon angesprochen, dass es verschiedene Arten von Einkom­mens­berichten gibt, oft nicht bezüglich Vollzeit und Teilzeit bereinigt. Da wäre eine trans­parente Darstellung aussagekräftiger, um die Einkommen auch realer vergleichbar zu machen. Ein einziger Einkommensbericht, so wie es meine Vorrednerin von der ÖVP auch schon gesagt hat, wäre sehr sinnvoll.

Was erwarten sich Frauen, egal. welchen Alters und welcher Qualifikation, von der Politik in Österreich? – Frauen erwarten sich Sicherheit im öffentlichen Raum, aber auch im familiären Umfeld und Unterstützung, wenn sie von Sexismus oder Gewalt


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betroffen sind. Gewalt – das haben wir ja bereits in der letzten Bundesratssitzung gehört –, Gewalt an Frauen darf in keiner Weise toleriert werden. Es brauch ein gutes Angebot an Gewaltprävention und Gewaltschutz – und das muss neben höheren Strafen unser oberstes Ziel sein.

Es gibt auch in Österreich Frauen in besonderen Lebenslagen, etwa Frauen mit Be­einträchtigung, mit Migrationshintergrund, Frauen, die Pflege- und Betreuungspflichten erfüllen, und Alleinerzieherinnen. Für diese braucht es seitens der Politik erhöhte Aufmerksamkeit, Unterstützungsangebote und eine finanzielle Absicherung, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung und Evaluierung der Unterhaltshöchstgrenzen.

Frauen erwarten sich auch Anerkennung und Wertschätzung im Arbeitsleben, nicht nur beim Start ins Berufsleben, sondern auch beim Wiedereinstieg – ganz besonders ältere Frauen über 50. Wie oft hört man, dass eine Frau eben schon zu alt für eine höhere Position sei, obwohl gerade in diesem Alter meist die Kinder kein Hindernis­grund mehr wären? – Das Potenzial der Frauen auf dem Arbeitsmarkt muss genutzt werden. Frauen müssen ermutigt und unterstützt werden, Führungspositionen auch anzunehmen, damit die angesprochene Chancengleichheit auf dem Papier eben auch im Alltagsleben tatsächlich sichtbar wird. Damit wird weites Bewusstsein für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie für die Gleichstellung geschaffen.

Gleichzeitig – und jetzt komme ich trotzdem zur Wirtschaft – ist es eine Tatsache, dass Unternehmen mit Frauen und Männern in Führungspositionen, mit gemischten Führungsgremien im Schnitt mehr Gewinn machen und krisenstabiler sind. Davon abgesehen hat es für die Unternehmenskultur durchaus positive Auswirkungen. Diese Tatsache wird den Unternehmen auch immer mehr bewusst. Es tut sich bereits sehr viel zugunsten der Frauen, und davon profitieren sie eben auch als Arbeitnehmerinnen.

Ich bin auch Landesobfrau der Freiheitlichen Frauen in Oberösterreich. Für uns ist eines ganz besonders wichtig: die Wahlfreiheit – die Wahlfreiheit, ob Beruf, Familie oder Beruf und Familie. Gerade in Österreich besagen alle diesbezüglichen Studien, dass gerade junge Frauen sehr gerne in der ersten Zeit ihres Kindes – und wir reden hier vom Babyalter – die Betreuung selbst übernehmen wollen. Danach greifen sie aber gerne auf qualitative Kinderbetreuung zurück, und da braucht es gute, bedarfs­orientierte Angebote.

Ich erlebe aber auch in meinem Umfeld, dass die jungen Mütter auch die Beteiligung der Väter einfordern. Damit diese Frauen wieder gerne und etwas unbelasteter ins Berufsleben zurückkehren, braucht es eben dieses gute Netz an Kinderbetreuung und eine unbürokratischere und damit auch attraktivere Väterkarenz. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

Insgesamt braucht es überhaupt eine frauenfreundlichere und damit eine familien­freundlichere Gesellschaft, denn Familie ohne Frauen geht nicht. Es braucht ein Entgegenkommen in der Arbeitswelt in Bezug auf familienfreundlichere, frauen­freund­lichere Rahmenbedingungen. Das Werben um die guten Mitarbeiterinnen wird – das wird nicht mehr lange dauern – oft nicht das angebotene Gehalt entscheiden, sondern weiche Faktoren wie Arbeitszeiten, die an die Kinderbetreuung angepasst werden können, vielleicht ein zusätzlicher freier Tag für Elternsprechtag oder Einschulung oder zwei Wochen garantierter Urlaub, damit die Sommerferien leichter überbrückt werden können.

Ich möchte hier auch die geplante Vereinheitlichung der einzelnen freien Schultage ansprechen, denn das halte ich diesbezüglich für eine sehr gute Maßnahme. Das alles in Summe entlastet Frauen im Berufsleben und unterstützt sie beim Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit – und das ist die beste Absicherung für die Frauen.


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Zusätzlich brauchen Frauen aber auch gezielte Informationen, zum Beispiel was die Nachteile der Teilzeitbeschäftigung in Bezug auf die zu erwartende Pension betrifft. Ich habe gestern gehört, das sei doch eine Holschuld. Wir sind uns aber schon alle einig, dass sich Frauen aufgrund ihrer Mehrfachbelastung oft genau um diesen Aspekt nicht kümmern, weil es vordergründig etwas Wichtigeres zu tun gibt. Genau das bestätigt auch eine Imas-Studie aus dem Jahr 2017, welche ergab, dass drei Viertel der befragten Frauen eine selbständige und unabhängige Lebensführung sehr wichtig ist, sie aber ihre beruflichen Entscheidungen unter dem Aspekt der Priorität von Kin­derbetreuung und Pflege von Angehörigen treffen. Die eigene finanzielle Absicherung, speziell im Hinblick auf die eigene Person, wird vernachlässigt.

Diesbezüglich wäre eine automatische Zusendung des jährlichen Überblicks über das Pensionskonto vielleicht sinnvoll. Es würde manche Frau daran erinnern, dass es pensionstechnisch nicht so gut ausschaut. Die Beratungsstellen würde es ja geben, um sich die Informationen darüber, was man machen könnte, um es besser zu machen, zu holen.

Meiner Meinung nach ist Frauenpolitik sehr eng mit Familienpolitik verbunden. Familie ist einzigartig und äußerst vielschichtig. Familie ist ein offenes System, immer im Wandel, abhängig von der aktuellen Lebenssituation, im Besonderen von den Lebens­situationen und Entscheidungen der Frauen, nämlich für oder gegen Kinder.

Durch die steuerliche Entlastung im Rahmen des Familienbonus profitieren auch Allein­erzieherinnen oder Frauen, die sich beruflich für eine höhere Teilzeitstun­den­­anzahl entscheiden. Oft steigt nämlich das Familieneinkommen nur wenig, da die Steuerfalle voll zuschlägt. Da wirkt der Steuervorteil durch den Kinderbonus besonders positiv.

Geht der Trend tatsächlich weg von der kleinen Kernfamilie hin zu anderen Familien­formen? – Betrachten wir die Statistiken, die es zu Familienformen gibt, fällt wider Erwarten Folgendes auf: Drei Viertel der Familien bestehen aus verheirateten Eltern mit Kindern. Von 2010 bis 2015 ist die Zahl dieser Gruppe um 1 Prozentpunkt auf 68 Prozent gesunken. Es folgen die nicht ehelichen Lebensgemeinschaften mit Kin­dern mit knapp 18 Prozent; die Zahl dieser Familienform ist im gleichen Zeitraum um 2 Prozentpunkte gestiegen. Dann folgen wiederum die Alleinerziehenden; die Zahl dieser hat sich von 2010 bis 2015 von 15 auf 14 Prozent verringert. Das bedeutet meiner Ansicht nach, dass sich das traditionelle Familienbild beständig hält, und das sehe ich als eindeutiges Statement auch der Frauen an.

Oberösterreich hat die sehr gute Frauenstrategie 2030 entwickelt und ist da gut auf­gestellt. Es liegt an uns, auch bundesweit ressortübergreifend Maßnahmen zu suchen, zu finden und umzusetzen, um Frauen zu unterstützen. Das vorliegende Regie­rungsprogramm – wenn auch sehr kurz gefasst – stimmt mich doch sehr optimistisch, dass alle von mir jetzt angesprochenen Erwartungen, die die Frauen in Österreich haben, auch umgesetzt werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.36


Präsident Reinhard Todt: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Bogner-Strauß. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.


9.36.20

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Es wurde schon sehr vieles gesagt, und was mich dabei positiv stimmt, ist die Tatsache, dass alle Fraktionen eigentlich das


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Gleiche für Frauen tun wollen: Wir wollen Frauen stärken, wir wollen Frauen fördern und wir wissen, dass Frauenpolitik noch immer im Fokus stehen muss, obwohl es, wie auch heute schon gesagt wurde, seit 100 Jahren ein Frauenwahlrecht in Österreich gibt und wir im Jahr 2018 eigentlich annehmen können sollten, dass wir bei Gleich­stellung, Chancengleichheit und Gleichberechtigung angekommen sind – wir sind aber leider noch weit davon entfernt.

Frauen sollen die Möglichkeit haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Frauen übernehmen Verantwortung in allen Lebensbereichen, in gesellschaftlichen, in wirt­schaftlichen. Da geht es nicht nur um Anerkennung, da geht es vor allem um Rah­menbedingungen, die sich Frauen schaffen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Ich glaube, da braucht es eine extreme Stärkung der Frauen und auch Unter­stützung für Frauen. Ich möchte das gemeinsam mit Ihnen allen in den nächsten Jahren umsetzen. Ich habe heute hier schon ganz tolle Ideen gehört, Ideen, bei deren Umsetzung wir vielleicht alle unterschiedliche Wege gehen wollen, aber im Endeffekt verfolgen wir alle das gleiche Ziel. Ich denke, das ist ganz wichtig, um zu sehen, dass wir in den nächsten Jahren gemeinsam etwas für die Frauen in Österreich bewegen können.

Es wurde auch schon erwähnt, dass es nicht viele Seiten im Regierungsprogramm sind, wo man sich mit dem Thema Frauen befasst, aber ich glaube, da geht es eher um die Qualität in Bezug auf die Frage: Was wollen wir für Frauen machen? und nicht um die Quantität der sich damit befassten Seiten in einem Regierungsprogramm. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn es um das Thema Frauen geht, ist Gewalt gegen Frauen noch ein zentrales Thema. Es ist erschreckend: Gewalt gegen Frauen wird in Österreich nicht weniger – weder die körperliche Gewalt noch die sexuelle Gewalt. Warum gibt es so viel Gewalt? – Gewalt ist die extremste Ausdrucksform von ungleichen Machtverhältnissen, sowohl zwischen Männern und Frauen als auch zwischen Männern. Was braucht es, um Gewalt zu reduzieren? – Es braucht eine Gleichstellung. Es braucht Gleich­berechtigung zwischen Männern und Frauen und zwischen Männern.

Es gibt daher auch eine diesbezügliche EU-Konvention. Österreich hat zu den ersten 13 Staaten gehört, die diese EU-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt unterschrieben haben, ratifiziert haben; 2014 ist sie in Kraft getreten. Mit dieser sogenannten Istanbulkonvention gibt es diesbezüglich auch ein Druckmittel. Es gibt eine Überwachung, wenn man das so sagen darf, der Staaten, die diese Konvention unterschrieben haben, dahin gehend, ob sie etwas gegen Gewalt gegen Frauen tun. Wir können also nachvollziehen, was wir machen.

Österreich steht eigentlich ganz gut da, aber auch in Österreich gibt es noch immer Kritikpunkte und noch immer viel zu tun. Also: Was können wir tun, um Gewalt gegen Frauen zu verringern? – Wir müssen Gleichberechtigung schaffen. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist ganz wichtig. Gerechter Lohn macht Frauen unabhängig, und Unabhängigkeit führt zu weniger Gewalt.

Es wurden hier schon die Einkommensberichte angesprochen. Die Einkommens­berichte wurden evaluiert. Studien zeigen uns, dass leider nur 25 Prozent der Frauen in den Betrieben, in denen es Einkommensberichte gibt, von diesen Einkommens­berichten wissen. Das heißt, wir müssen mehr Bewusstsein dafür schaffen. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um das Wissen darüber zu erhöhen, denn die Frauen, die davon wissen, profitieren extrem davon.

Wir müssen Frauen auch darin bestärken, öfter zu Lohnverhandlungen zu gehen, denn wir wissen, dass Frauen bei Lohnverhandlungen gleich erfolgreich sind wie Männer,


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sie gehen nur nicht so oft zu Lohnverhandlungen wie Männer. Es gilt also, wirklich viele Maßnahmen zu setzen, was die Bewusstseinsschärfung angeht.

Fehlende finanzielle Eigenständigkeit trifft oft vor allem Frauen mit Migrations­hinter­grund. Daher haben wir es uns auch zum Ziel gesetzt, vor allem Frauen mit Migra­tionshintergrund dabei zu unterstützen, eine entsprechende Arbeitsstelle zu finden, damit sie mit einem gerechten Lohn ein selbstbestimmtes Leben führen können und damit aus der Gewaltspirale herauskommen.

Ich habe in den letzten Monaten auch viele Frauenhäuser besucht, ich war im Orient Express, ich war gestern bei Rosa Logar in der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Es macht mich betroffen, wie viele Frauen und Kinder, aber auch Männer in Österreich noch immer von Gewalt betroffen sind.

Deshalb werden 50 Prozent des Frauenbudgets in meinem Ressort für Gewalt­schutz­maßnahmen ausgegeben, für Prävention, für Beratung. Damit können wir Frauen unterstützen. Wir müssen die Opfer schützen, vor allem möchten wir diese Opfer aber nicht mehr als Opfer dastehen lassen. Sie brauchen Sicherheit, sie brauchen Stabilität, sie müssen in ein selbstbestimmtes Lebensumfeld zurückkehren können. Das ist mir sehr wichtig, und deshalb ist das ein Punkt im Regierungsprogramm, dessen Um­setzung mir besonders wichtig ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben uns auch dazu bekannt: Wir werden 100 neue Betreuungsplätze für Frauen – Notunterkünfte, Übergangswohnungen – schaffen. Frauenhäuser sind Ländersache; natürlich wäre es auch schön, wenn die Länder sich dazu bekennen würden, die Kapazitäten auszubauen. Mir geht es aber vor allem um Notunterkünfte, Interventionsstellen und Übergangswohnungen.

Der Familienbonus Plus wurde auch schon genannt, und ich möchte dazu sagen: Frauen sind, wie wir wissen, noch immer großteils dafür verantwortlich, die unbezahlte Arbeit zu übernehmen. Das ist hauptsächlich Familienarbeit, aber Familienarbeit im erweiterten Sinn. Es geht nicht nur um Kinderbetreuung, es geht auch um die Pflege pflegebedürftiger Menschen; auch das ist Familienarbeit. Wir müssen diese Fami­lienarbeit gerechter verteilen, um Frauen zu entlasten. Eine Möglichkeit zur Entlastung ist vielleicht der Familienbonus. Wir nehmen 1,5 Milliarden Euro in die Hand und entlasten damit Mütter und Väter von 1,6 Millionen Kindern. Auch alleinerziehende Frauen werden dadurch unterstützt. Vor allem alleinerziehende Frauen, die wirklich wenig verdienen, werden unterstützt, sie bekommen pro Kind noch 250 Euro dazu.

Ich möchte hier einfach sagen: Wertschätzen Sie dieses Paket bitte! Es bekommt jeder mehr, als er zuvor bekommen hat. (Bundesrat Schennach: Genau! Die, die mehr haben, kriegen mehr!) Wir haben uns dieses Mal einfach überlegt, bei dieser Steuer­reform steuerzahlende Familien zu entlasten. (Bundesrätin Posch-Gruska: Ja, super!) Das letzte Steuerreformpaket im Jahr 2016 hat die Geringverdiener entlastet. Ich denke, wir müssen auch einmal die mitnehmen, die Steuern zahlen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Steuerzahlende Familien haben eine Mehrbelastung: Oft arbeiten beide Elternteile, die Kindererziehung muss mit erledigt werden. Ich denke, es ist nur fair, dass der Familienbonus steuerzahlende Eltern entlastet, aber – und das ist mir sehr wichtig – ich möchte noch einmal betonen, dass er auch Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen, Alleinverdiener und Alleinverdienerinnen berücksichtigt. Wir haben auf sie nicht vergessen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kinderbetreuung für Frauen extrem wichtig ist. Es ist schade, sagen zu müssen, dass sie für Frauen extrem wichtig ist, denn sie sollte für Eltern extrem wichtig sein. Ich habe es aber schon erwähnt: Meistens sind es


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Frauen, die sich um die Pflege von Familienmitgliedern kümmern, die sich um die Kinder kümmern. Deshalb geht es darum, Frauen dahin gehend noch stärker zu unterstützen, deswegen wollen wir auch die Kinderbetreuung ausbauen. Wir haben gesagt: Wir werden wieder zweckgebundene Mittel hergeben, um die Kinderbetreuung quantitativ, aber auch qualitativ auszubauen. Heute wurde nämlich schon ange­sprochen, dass man Kinder nur dort in Betreuung geben möchte, wo die Qualität hoch ist. Deshalb ist mir das auch ein großes Anliegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravoruf bei der ÖVP.)

Wir haben heute schon von anderen Dingen gehört, die Frauen benachteiligen. Deshalb sage ich: Es ist meine Aufgabe als Frauenministerin, Familienministerin und Jugendministerin, Unterstützung vonseiten der Politik anzubieten. Ich glaube aber, da ist auch die Wirtschaft gefordert, und es ist auch die Gesellschaft gefordert. Alle von uns haben eine Holschuld und eine Bringschuld. Ich denke, Bewusstseinsschaffung, im Dialog mit Ihnen allen arbeiten, um gute Rahmenbedingungen zu schaffen, ist das Wichtigste, um Frauen in Zukunft zu stärken. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.47


Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen, Frau Bundesministerin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. Ich erteile ihr dieses.


9.47.24

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Bun­desministerin, ich darf Ihnen sagen: Ich kann jedes Wort in diesem Maßnahmenpaket nur unterstreichen und darf dazu jetzt schon herzlich gratulieren.

Die Frauen übernehmen einen wesentlichen Teil der Aufgaben in Erziehung, Bildung, Pflege, Wirtschaft und Umwelt und einen wesentlichen Teil der ehrenamtlichen Tätigkeiten. Sie übernehmen hier große Verantwortung, und diese Leistungen müssen besser gewürdigt werden. Die Verschiedenheit von Frau und Mann ist anzuerkennen, denn genau diese Besonderheiten machen den Mehrwert in unserer Gesellschaft aus.

Ich darf zu Kollegin Anderl noch sagen: Wir zählen nicht die Wörter im Maßnah­menpaket, sondern wir setzen um, und zwar für alle Frauen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Anderl.)

Es steht durch dieses Maßnahmenpaket, das ja schon erläutert wurde, nicht nur die Frauenpolitik im Fokus, sondern es ist auch ein Aufschwung in der Familienpolitik zu erwarten. Mit dem notwendigen Ausbau der Kinderbetreuung und der Forderung nach familienfreundlichen Bildungs- und Arbeitsbedingungen wird die Familie stärker ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt.

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – über das Gehalt der Kollegen spricht man nicht. – Warum nicht? Ist es nicht fair, zu erfahren, was ein männlicher Kollege verdient? Transparenz ist ein wichtiges Instrument, um die Einkommensschere zu schließen. Österreich zählt noch immer zu den EU-Ländern mit großen Lohnunter­schieden zwischen Frau und Mann. Daher ist es jetzt an der Zeit, dies nicht außer Acht zu lassen.

Gewaltprävention, Integration von Frauen: Gewalt gegen Frauen ist zu verhindern, aber hohe Strafen allein sind nicht die Lösung des Problems, das Augenmerk muss vielmehr auf der Gewaltprävention liegen. Gewalt allgemein, aber besonders gegen­über Frauen und Kindern ist das Allerletzte.


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Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine der wichtigsten Herausforderungen für die Familienpolitik. Die Aufgabe der Politik ist es, die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich kann mit Überzeugung sagen, es ist für die Frau täglich eine Heraus­forderung. – Ich habe diese Herausforderung dreimal angenommen, vor 31 Jahren, vor 25 Jahren und vor 20 Jahren, und es ist wirklich eine Herausforderung, bis heute. Durch familienpolitische Schwerpunktsetzungen wurde in den letzten Jahren einiges erreicht und umgesetzt, aber genau da müssen wir weitermachen.

Förderung von Frauen in Führungsebenen: Neben den Gründen der Gerechtigkeit sprechen vor allem wirtschaftliche Argumente dafür, gezielt mehr qualifizierte Frauen zu motivieren, um sie in Führungspositionen zu bringen. Das Qualifikationsniveau von Frauen ist sehr hoch, aber viel Potenzial bleibt ungenützt. Durch den Einsatz von Frauen und die Nutzung ihres Wissens besonders in Führungspositionen profitieren die Unternehmen und unsere Wirtschaft, und das sichert Arbeitsplätze.

Zum Abschluss darf ich sagen: Wir Frauen haben bereits viel erreicht, dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir die letzten entscheidenden Schritte zur faktischen Gleich­stellung in Österreich und damit auch im Burgenland noch nicht geschafft haben. Dank dieses Maßnahmenpakets sehe ich als Frau aber sehr positiv in die Zukunft und darf mich noch einmal bei Ihnen, Frau Ministerin, bedanken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.51


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Inge Posch-Gruska. Ich erteile dieses.


9.51.59

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Den letzten Sätzen meiner Vor­rednerin stimme ich absolut zu. Ich gebe dir recht, liebe Marianne, die Frauen haben schon sehr viel erreicht, aber sie haben noch nicht alles erreicht, auch nicht im Burgenland. Das ist ganz, ganz richtig, das unterschreibe ich ganz groß. (Heiterkeit und Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Den letzten Teil des Satzes, dass wir mit diesem Paket gut in die Zukunft schauen können, unterschreibe ich aber nicht. Da habe ich große, große Angst. Ich glaube, dass wir da noch sehr viel tun müssen.

Ich habe es von diesem Rednerpult aus schon einmal gesagt und komme immer wieder darauf zurück: Wir haben leider eine Schlagzeilenregierung, eine Regierung, die sehr viele Ankündigungen macht, eine Regierung, die sehr viele Versprechen abgibt, aber die Taten bleiben leider auf der Strecke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Längle: Ah geh, das ist ja lächerlich!)

Im Budget sind 100 neue Plätze für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, vorgesehen, gleichzeitig wird aber – und das haben wir beim letzten Mal hier diskutiert – das Sexualstrafrecht nicht beziehungsweise nicht seriös evaluiert, von Expertinnen und Experten, sodass wirklich etwas herausgeholt werden kann und für die Frauen Ver­besserungen geschaffen werden können. Drei Jahre nach dem Inkrafttreten sollte das Sexualstrafrecht evaluiert werden, und es ist am 1. Jänner 2016 in Kraft getreten. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war noch Rot-Schwarz, oder?) – Monika, du kommst eh gleich dran. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, eh! Aber das war noch Rot-Schwarz, oder?) – Eh, aber wir haben gesagt, es gibt nach drei Jahren eine Evaluierung, und drei Jahre seit 2016 ergibt 2019. Die alte Regierung hätte das vielleicht noch aus­rechnen können, die neue leider nicht.

Ich glaube also, dass wir bei sehr vielen dieser Punkte aufpassen müssen, dass wir wirklich auch Handlungen für die Frauen setzen, dass wir dort Handlungen setzen, wo die Frauen es brauchen.


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Schauen wir uns das Budget noch einmal etwas genauer an! Ich bin bei der Ansicht dabei, dass nicht die Worte wichtig sind, sondern die Zahlen und die Taten. Meine Kollegin Anderl hat aber auch nicht gemeint, dass nur die Worte wichtig wären, aber es ist schon symptomatisch, wenn die Frauen oder die ArbeitnehmerInnen so wenig erwähnt werden.

Im Budget 2018 sowie auch im Budget 2019 sind 10,1 Millionen Euro Frauenbudget veranschlagt. Schaue ich mir aber die Aufteilung an, nämlich dahin gehend, was für Förderungen, Projekte und Frauenberatungsstellen enthalten ist, und das, was für büro­kratische Aufwendungen – Mieten, Zinse und so weiter – enthalten ist, so sehe ich, dass jedes Jahr von dem Paket, von den Förderungen und Geld für Beratungs­stellen, von den Unterstützungen 200 000 Euro weggenommen werden. Wie soll das zusammengehen? Warum sind die Aufwendungen, warum ist die Bürokratie mehr wert als die Förderungen und die Frauenberatungsstellen? Damit können diese 100 neuen Plätze auch nicht mehr sichergestellt werden, und ich fürchte, dass es sich auch da wieder nur um Ankündigungen einer Schlagzeilenregierung handelt.

Eigentlich wollte ich die Kinderbetreuung gar nicht erwähnen, weil es mich schon so ärgert, dass Frauen und Familie in einem Ressort zusammengepackt wurden. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, dass es sich die Frauen wirklich verdient hätten, ein eigenes Ministerium zu haben; das habe ich wirklich lange, lange gefordert.

Wir haben jetzt bei allen Reden gehört – Frau Ministerin, Sie haben das auch gesagt, und das kann ich auch unterschreiben –, dass die Väterkarenz eines der wichtigsten Dinge ist, die wir wirklich vorantreiben müssen, die wir brauchen, um endlich dieses Paket Familie so aufzuschnüren, dass die Väter, sprich die Männer, die gleichen Möglichkeiten haben, an der Familie teilzuhaben, wie es die Frauen jetzt haben. Davon sind der Papamonat und die Väterkarenz ein wichtiger Teil. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Ich mache jetzt einmal einen Punkt bei der Kinderbetreuung, meine Redezeit ist eh gleich vorbei.

Frau Ministerin! Ich denke daran – auch Sie haben das erwähnt –, dass vor 100 Jahren das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Ich gehe nach all dem, was ich in den Geschichtsbüchern gelesen habe, nach all dem, was ich über die Entwicklung der Frauenrechte und auch über die Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter weiß, davon aus, dass es all diese Verbesserungen nicht gegeben hätte, wenn jene Men­schen, die diese Verbesserungen eingefordert haben, nicht laut gewesen wären. Hätten die Frauen nicht den Mut gehabt, laut zu sein, hätten sie nicht mit viel Kraft und mit viel Mut Forderungen gestellt, dann hätten wir diese Errungenschaften jetzt nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass Frauen, wenn sie gestärkt werden sollen – das ist es, von dem Sie auch gesagt haben, dass Sie es gerne möchten; das wollen alle Par­teien –, gute und starke Vorbilder brauchen. Sie brauchen gute und starke Vorbilder, die ihnen Kraft und Mut geben, diese Forderungen auch zu erheben.

Sehr geehrte Frau Ministerin, das Frauenvolksbegehren haben Sie leider nicht unter­schrieben. 247 436 Menschen haben das aber getan, und ich glaube, dass das ein sehr, sehr wichtiger Ruf von Frauen und Männern ist, dass da noch viel umgesetzt gehört. Es hat nichts damit zu tun, welche Regierung; bei jeder Regierung hätte noch viel umgesetzt gehört. Ich würde Sie aber darum bitten, dass Sie jetzt zumindest den Wunschtermin der Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens – Mitte Juni – unter­stützen, damit für die Frauen ein wichtiger und richtiger Schritt gesetzt werden kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.)

9.57



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 24

Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.


9.58.07

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man merkt es an der Debatte: Vieles eint uns, manches trennt uns, meistens eher, was den Weg betrifft, weniger das Ziel an sich. Es gibt den Spruch: Viele Wege führen nach Rom, und so werden auch in diesem Bereich verschiedene Wege zum Ziel führen.

Geschätzte Kolleginnen der SPÖ! Sie selber wissen doch aus eigener Erfahrung, dass es gar nicht immer so einfach ist, die Ziele zu erreichen. Sie haben ja auch einige Jahre lang die Frauenministerin gestellt, und heute stehen wir immer noch da und unterhalten uns über die Lohnschere, über gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Politik, auch Frauenpolitik, ist eben schon manchmal das Bohren harter Bretter, das wissen Sie auch. Wir werden aber weiterbohren und schauen, dass wir irgendwann einmal zum Ziel kommen.

Selbstverständlich ist es für uns alle klar, dass wir für gleichwertige Arbeit auch gleichen Lohn haben wollen. Es gibt verschiedene Ursachen, warum das nicht ganz funktioniert – übrigens auch in Skandinavien, wo trotz eines Gesetzes zur Einkom­menstransparenz die Schere nicht ganz geschlossen werden konnte; es gibt dort immer noch eine Lücke von rund 10 Prozent. Da steht uns allen wirklich noch einiges bevor.

Die Kolleginnen vor mir haben das völlig richtig gesagt, und das war auch das Erste, was ich mir notiert habe: Es geht nicht um die Anzahl der Seiten im Regierungs­programm, sondern um die Inhalte. Frauenpolitik ist ein Teil, aber Frauenpolitik ist ja nicht nur für sich alleine zu sehen, sondern betrifft ja viele Bereiche.

Wir haben in diesem Kapitel eben auch die Sicherung im Alter, die ja vor allem Frauen betrifft, und zwar vor allem dann, wenn sie sich eine Zeit lang der Kindererziehung gewidmet haben. In diesem Zusammenhang ist nach wie vor das Thema Wahlfreiheit ein völlig richtiges und auch sehr wichtiges Thema. Es ist zu akzeptieren und zu unterstützen, dass Frauen die Möglichkeit haben, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wollen. Da sind wir zwar einer Meinung, aber es gibt immer Dinge, bei denen die Meinungen auseinandergehen. Wir wissen, dass es auf der einen Seite Frauen gibt, die bis zum dritten Lebensjahr ihres Kindes, bis es dann in den Kindergarten geht, gerne zu Hause bleiben wollen, und dass es auf der anderen Seite Frauen gibt, die gleich nach der Karenzzeit wieder arbeiten gehen wollen, und diese Dinge sind von uns zu unterstützen, aber auch zu fördern, um sie den Frauen überhaupt möglich zu machen.

Die Frauen sollen, wie es meine Kollegin Ecker schon gesagt hat, auch darüber informiert werden – und es wird ja auch getan –, was sie erwartet, wenn sie in Pension gehen, welche Auswirkungen die Entscheidung, die sie treffen, auf ihre künftige Pen­sion haben wird. Aber es wird – Gott sei Dank, sage ich jetzt – immer Frauen geben, die sagen: Ich nehme das in Kauf, weil es mir wichtig ist, im ersten Abschnitt des Lebens meiner Kinder bei ihnen zu Hause zu sein. Das ist eine Entscheidung, die von uns allen, glaube ich, zu akzeptieren ist.

Es ist noch nicht alles umgesetzt von den vielen Maßnahmen, die hier schon ange­sprochen worden sind, aber wir sind jetzt erst drei Monate in der Regierung. Wir haben unser Regierungsprogramm auf eine Legislaturperiode ausgerichtet, und Sie werden hoffentlich nicht erwarten, dass etwas, was im Regierungsprogramm auf fünf Jahre ausgerichtet ist, schon in den ersten drei Monaten umgesetzt wird. Sie wissen selbst,


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 25

auch aus eigener Erfahrung, dass Dinge Zeit brauchen und Schritt für Schritt gemacht werden müssen. Was aber fehlt und die letzten 40 Jahre immer wieder auffällt, ist, dass wir es noch immer nicht geschafft haben, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen – ähnlich wie in Skandinavien –, in welchem es selbstverständlich ist, dass ein Mann aus einem Meeting geht, weil er seine Kinder vom Kindergarten abholen muss.

Mir hat eine Ärztin vor einiger Zeit erzählt, sie könne alles sagen, was sie vorhat, sie könne sogar sagen, dass sie shoppen gehen muss, aber sie könne nicht sagen: Ich hole meine Kinder vom Kindergarten ab! Das ist etwas – und das ist ja jetzt nur ein Synonym für das Klima insgesamt –, wo wir es schaffen müssen, dass es auch bei uns eine Selbstverständlichkeit ist, das zu sagen, denn Kinder sind ein wichtiger, ja der wesentliche Bestandteil unserer Familien, und es sollte so sein, dass sich Männer und Frauen gleichermaßen um die Kinder kümmern können. Aber da muss auch die Wirtschaft mitziehen und dafür sorgen, dass das friktionsfrei möglich ist, dass das nicht ein Exotikum ist, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Ich bin da durchaus optimistisch, denn es hat ja jetzt alles ganz gut geklungen in der Hinsicht, dass wir uns einigermaßen einig sind bei dem, was wir wollen, und in weiten Bereichen auch bei der Umsetzung. Wenn wir hier alle – vor allem wir Frauen – an einem Strang ziehen, kann es uns durchaus gelingen, in die richtige Richtung voranzuschreiten und dann auch unsere Ziele und unsere Hoffnungen erfüllt zu bekommen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.03


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic. – Bitte.


10.03.43

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Werter Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Vor 125 Jahren wurde in Österreich der erste Frauenverein gegründet. Vor 121 Jahren durften Frauen zum ersten Mal studieren. Vor 100 Jahren wurde, wie wir heute schon gehört haben, das Frauenwahlrecht in Österreich eingeführt, dann war Krieg, und auf das Mutterkreuz folgte dann die sogenannte Drei-K-Politik, sprich: Kinder, Küche, Kirche. Erst vor 52 Jahren wurde eine Frau Ministerin in Österreich, und zwar für Soziales. Vor 48 Jahren wurde die Stellung des unehelichen Kindes aufgewertet, und vor 43 Jahren kam es schlussendlich zum Kompromiss bei der Fristenlösung.

Im gleichen Jahr, also 1975, gelang es sogar, durchzusetzen, dass Frauen in Öster­reich ohne Zustimmung des Ehemannes arbeiten gehen durften, über den Wohnsitz und sogar über den Familiennamen entscheiden konnten. Vor 40 Jahren schließlich gab es in Österreich das erste Frauenhaus, die väterliche Gewalt wurde abgeschafft und das Ehescheidungsrecht abgeändert. Es dauerte elf weitere Jahre, bis schließlich Vergewaltigung in der Ehe strafbar wurde. Ein Jahr später, also 1990, hatte Österreich schließlich die erste Frauenministerin. Seit 25 Jahren gibt es in Österreich das Gleichbehandlungsgesetz. Vor 20 Jahren haben rund 650 000 Menschen in Österreich das erste Frauenvolksbegehren unterzeichnet.

Heuer ist sicher ein historisches Jahr: Wir feiern nicht nur 100 Jahre Frauenwahlrecht und 100 Jahre Demokratie, wir gedenken nicht nur des „Anschlusses“ Österreichs an Nazi-Deutschland vor 80 Jahren, sondern es gab jetzt auch die Möglichkeit, Unter­stützungserklärungen für das zweite Frauenvolksbegehren abzugeben. Das war deshalb so wichtig, weil von den elf Forderungen im ersten Frauenvolksbegehren bis dato keine einzige erfüllt worden ist. Die Anrechnung des Partnereinkommens bei der


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Notstandshilfe wurde zwar beschlossen, aber nachdem Schwarz-Blau diese Unter­stützung jetzt abschaffen möchte, ist damit zu rechnen, dass es gar nicht so weit kommen wird.

Das aktuelle Frauenvolksbegehren enthält – das werden Sie mittlerweile wissen – neun Forderungen und strotzt, könnte man sagen, vor Selbstverständlichkeiten. Da geht es um gleichen Lohn, da geht es um Schutz vor Gewalt, um ein Stück Macht und um Kinderbetreuung. Es ist das dritterfolgreichste Volksbegehren in Österreich in der Unterstützungsphase.

Ich habe schon öfters gesagt, dass ich es bedauere, dass die Regierungsmitglieder dieses Frauenvolksbegehren nicht unterstützen. Auch wenn es tatsächlich da und dort visionär sein mag, zu diskutieren lohnt es sich aber allemal. Die Argumente dagegen sind ein bisschen fadenscheinig, und – ich glaube, es ist wichtig, das zu sagen – wenn wir heute genau diese Dinge einfordern, die im Maßnahmenpaket drinnen stehen, dann sehe ich nicht ein, wieso Sie nicht auch gleichzeitig sagen können, dass, wenn 250 000 Menschen eine Unterstützung für das zweite Frauenvolksbegehren abge­geben haben und es daher im Parlament behandelt werden muss, dieses zumindest auch ein Thema für die Regierung sein kann.

Es ist heute schon das Stichwort Lohngerechtigkeit gefallen. Da ist Österreich tatsäch­lich noch immer Schlusslicht und sicher nicht vergleichbar mit den skandinavischen Ländern. Die Einkommenstransparenzberichte gibt es seit 2011, aber auch nur ab einer großen Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnenzahl, und diese müssen nur dem Betriebs­rat vorgelegt werden.

Gewalt ist allgegenwärtig, es gibt Frauenarmut, es herrschen Hass und Hetze im Netz und Diskriminierung im Alltag, und es ist das Fehlen von Frauen in Aufsichtsräten festzustellen. Wir wissen, dass es sehr viel zu tun gäbe.

Was mir schon Sorgen macht, trotz des Umstandes, dass ich es schon würdige, dass es dieses Maßnahmenpaket gibt – und es geht dabei nicht um ein paar Seiten, sondern um den Willen, um das Faktische dahinter, um das, was umgesetzt wird –, ist, dass das Frauenbudget mickrige 10 Millionen Euro beträgt und nicht an die Inflation angepasst worden ist, während das sogenannte Körberlgeld beispielsweise für den Kanzler 35,4 Millionen Euro beträgt, für den Vizekanzler 7,5 Millionen Euro und für den Verteidigungsminister 30 Millionen Euro. (Beifall der BundesrätInnen Reiter und Stögmüller.)

Ich komme nicht umhin, auch wenn es gut ist, dass es dieses Paket gibt, trotzdem zu kritisieren, dass darin lediglich ein paar Versprechen gemacht worden sind. Wir werden diese Regierung daran messen, was sie tatsächlich umsetzt. Es ist ganz wichtig, nicht nur darauf zu schauen, dass es für die tiefgreifenden strukturellen Änderungen, die notwendig sind, ein angemessenes Budget gibt, sondern sich auch in den Ländern, in den Gemeinden und in den anderen Ressorts anzuschauen, wie das sogenannte Gender Budgeting funktioniert, das heißt, wie die Umverteilung der Gelder in allen Bereichen vonstattengeht und dass sie sich nicht nur auf die Frauenpolitik beschränkt. In diesem Sinne – und da sind wir uns einig – gibt es noch sehr viel zu tun.

Wir von den Grünen fordern schnellere Maßnahmen, und wir würden uns darüber freuen, wenn es der Regierung doch noch gelänge, über ihren eigenen Schatten zu springen und die neun Forderungen des zweiten Frauenvolksbegehrens, diese wirklich großartige Initiative, hinter der so viele Menschen stehen, wahrzunehmen, sich ge­nauer anzuschauen und vielleicht doch noch mehr zu diskutieren. – Vielen Dank. (Beifall der BundesrätInnen Reiter und Stögmüller.)

10.09



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 27

Präsident Reinhard Todt: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Bogner-Strauß zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


10.10.11

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Herzlichen Dank für Ihre Statements. – Ich möchte auf zwei Dinge aufmerksam machen. Ich möchte Sie um Wertschätzung bitten. Ich wertschätze Ihre Ideen, ich wertschätze Ihre Maßnahmen und möchte sie umsetzen. Ich habe es vorhin schon erwähnt: Wir haben alle offensichtlich dieselben Ziele, aber wir verfolgen andere Wege dorthin. Ich glaube, wir können es nur gemeinsam schaf­fen, diese Ziele zu erreichen. Deshalb bitte ich Sie um Solidarität. Ich glaube, gerade Frauensolidarität ist etwas, was noch gestärkt gehört. Wir müssen Schulter an Schulter stehen, wir müssen einander unterstützen. Das wäre die eine Bitte, die ich an Sie habe – eine Selbstverständlichkeit, die heute eigentlich schon gegeben sein sollte.

Nun komme ich auf das Frauenvolksbegehren zu sprechen. Erstens einmal möchte ich sagen, dass ich nicht glaube, dass es Aufgabe der Politik ist, ein Volksbegehren für sich zu vereinnahmen. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt bei diesem Frauenvolksbegehren ist, dass es da – und ich habe das schon einige Male erwähnt – sehr viele Gemeinsamkeiten gibt, und genau auf diese möchte ich hinweisen. Es sind ja in diesem Frauenvolksbegehren viele Punkte veran­kert, die ich voll und ganz unterstütze. Ich habe heute schon die Gewaltprävention als Beispiel genannt und die Verringerung der Lohnschere; auch das ist mir ein großes Anliegen. Aber es gibt Punkte, die nicht frauenspezifisch sind. Das ist zum Beispiel die 30-Stunden-Woche bei Lohnausgleich. Ich komme aus einem wirtschaftlichen Betrieb, ich war auf der Universität tätig und glaube, dass, wenn Eltern in die Elternteilzeit gehen möchten, das beide Elternteile tun können, und darauf möchte ich aufmerksam machen. Es ist möglich, dass beide Elternteile Elternteilzeit wahrnehmen. Ich denke, auch dafür muss das Bewusstsein geschaffen werden. Wir müssen sowohl Männern als auch Frauen sagen beziehungsweise aufzeigen, dass es möglich ist, dann, wenn es um Familienpflichten geht, Elternteilzeit wahrzunehmen.

Außerdem möchte ich noch eines sagen: Messen Sie uns bitte an unseren Taten! (Bundesrätin Posch-Gruska: Na eben!) Es sind erst drei Monate vergangen. (Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Posch-Gruska.) Noch einmal: Es sind erst drei Monate vergangen! Unser Regierungsprogramm sollte fünf Jahre Zeit haben, um abgearbeitet zu werden. Nach drei Monaten hier hinzuhauen und immer nur auf die gleichen Punkte einzugehen, ist, finde ich, einfach eine geringe Wertschätzung Kolle­ginnen und Kollegen gegenüber. Wir werden unser Bestes geben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Lassen Sie uns einen Schritt nach dem anderen gehen und lassen Sie uns bitte im Dialog die Ziele erreichen, um Frauen die besten Rahmenbedingungen für ein selb­ständiges und selbstbestimmtes Leben zu geben! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.13


Präsident Reinhard Todt: Danke.

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich darf auf der Besuchergalerie unseren ehemaligen Präsidenten des Bundesrates Josef Saller begrüßen. Es freut mich, dass du da bist. (Allgemeiner Beifall. – Herr Saller erhebt sich von seinem Platz und dankt mit einer Verbeugung.)


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 28

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Reinhard Todt: Ich gebe bekannt, dass Herr Bundesminister für Landes­verteidigung Mario Kunasek Frau Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl gemäß Artikel 73 B-VG mit seiner Vertretung beauftragt hat.

10.14.25Einlauf und Zuweisungen


Präsident Reinhard Todt: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berich­te, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl von Schrift­führerInnen für den Rest des 1. Halbjahres 2018 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Reinhard Todt: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 3 bis 6, 9 bis 11 sowie 16 und 17 unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

10.15.25Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Reinhard Todt: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bun­desrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsparungsprojekte zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger in der österreichischen Schieneninfrastruktur“ an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.16.06Fristsetzungsanträge


Präsident Reinhard Todt: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass die Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen einen Fristset­zungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Antrag 250/A(E)-BR/2018 der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Integrationsklassen an Sonderschulen“ eine Frist bis zum 25.4.2018 gesetzt wird.


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Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristset­zungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

*****

Weiters gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 249/A(E)-BR/2018 der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weiterfüh­rung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis zum 25.4.2018 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristset­zungsantrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen, und zwar nach der Abstimmung über den Fristsetzungsantrag zu 250/A(E)-BR/2018.

10.17.58 1. Punkt

Wahl von Schriftführern/-innen für den Rest des 1. Halbjahres 2018


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Marianne Hackl zur ersten Schrift­führerin des Bundesrates und Herrn Bundesrat Peter Oberlehner zum vierten Schriftführer des Bundesrates für den Rest des 1. Halbjahres 2018 zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Frau Bundesrätin Marianne Hackl? (Bundesrätin Hackl: Danke, ich nehme die Wahl sehr gerne an!)

Herr Bundesrat Peter Oberlehner? (Bundesrat Oberlehner: Danke, ich nehme die Wahl an!)

10.18.502. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend zum Arbeits­programm der Kommission für 2018 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2017/18 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-650-BR/2018 d.B. sowie 9932/BR d.B.)


Präsident Reinhard Todt: Nun gelangen wir zum 2. Punkt  der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. Ich bitte um den Bericht.

10.19.32


Berichterstatterin Marianne Hackl: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2018 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2017/18 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-650-BR/2018 d.B. sowie 9932/BR d.B.).


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 30

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2018 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2017/18 zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.


10.20.48

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit dem Bericht beginne, Frau Ministerin, würde ich gerne etwas zu Ihrer einge­forderten Frauensolidarität sagen.

In meiner Fraktion, der sozialdemokratischen Fraktion, fühlen wir uns seit jeher vor allem mit jenen Frauen solidarisch verbunden, die von vornherein nicht mit Rahmen­bedingungen gesegnet sind, die ihnen viel Wahlfreiheit ermöglichen, sondern die jeden Tag damit zu kämpfen haben, das eigene Überleben und das ihrer Familie sicher­zustellen, und die oft nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, auszuwählen. Genau mit diesen Frauen fühlen wir uns solidarisch, und genau für diese wollen wir diese Handlungsspielräume und diese Freiheit erkämpfen.

In diesem Sinne würde ich Sie auch bitten – vielleicht verstehen Sie es auch als Zeichen der Wertschätzung und der konstruktiven Kritik –, dass Sie sich mit uns gemeinsam dieser Gruppe besonders annehmen; wir haben ja durchaus auch mit konstruktiven Vorschlägen zur Erreichung oft ähnlicher Zielsetzungen beigetragen. Das wollte ich nur sagen, dass Sie das vielleicht auch als Form der Wertschätzung und der konstruktiven Kritik vonseiten der Opposition verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wozu ich mich eigentlich zu Wort gemeldet habe, ist etwas anderes, und zwar der Bericht Ihres Ministeriums über das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das laufende Jahr, für 2018, und auch über das 18-Monatsprogramm des Rates für 2017 und 2018, das quasi drei Ratspräsidentschaften umfasst. Jene Estlands ist ja schon vorbei, Bulgarien hat jetzt gerade die Ratspräsidentschaft inne, und Österreich ist in Vorbereitung darauf: Wir starten am 1. Juli 2018 zum dritten Mal mit einer Ratspräsidentschaft. Das ist natürlich immer auch ein guter Anlass für einen Staat, für eine Regierung, sich zu positionieren, Akzente auf europäischer Ebene zu setzen, aber durchaus auch Impulse für das eigene Land, für den eigenen Staat zu setzen.

Der Titel dieses Arbeitsprogramms der Kommission, der ja vorgegeben ist, ist durch­aus vielversprechend: „Agenda für ein enger vereintes, stärkeres und demokra­tischeres Europa“. Es geht also um den Zusammenhalt von Europa, um ein geeintes Auftreten und auch – ich empfinde es so, auch selbstkritisch – um mehr Demokratie in unserer gemeinsamen Arbeit innerhalb der Europäischen Union. Es werden hier verschiedenste, sehr ambitionierte Prioritäten für das laufende Jahr genannt, es geht um Impulse für den Arbeitsmarkt, um einen vernetzten digitalen Binnenmarkt, um eine robuste Energieunion samt Klimaschutzpolitik, um eine neue Migrationspolitik, um demokratischen Wandel und so weiter – also durchaus große Themen, die uns hier bevorstehen und die verschiedenste Aktivitäten verlangen.

Was die Vorhaben der drei Ratspräsidentschaften betrifft und damit auch Österreichs, gibt es noch einmal speziellere Schwerpunktsetzungen. In diesem Bericht gibt es durch­aus sehr viele begrüßenswerte Überschriften. Zum Thema Frauen und Gleich­stellung haben wir ja jetzt schon einiges erfahren, aber der Fokus liegt auf Gender-Mainstreaming, auf der Stärkung der partnerschaftlichen Aufteilung von Haushalts- und Pflegetätigkeiten und so weiter. Das sind natürlich Themen, die auch meine Fraktion


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 31

begrüßt, allein – und da setzt wieder unsere Kritik an – es fehlen uns die authen­tischen, engagierten, ambitionierten Maßnahmen zur Umsetzung in diesem Bericht, der relativ knapp ausgefallen ist.

Wenn ich hier zum Beispiel lese, dass es vor allem um einen Dialog über Geschlech­tergleichstellung geht, um die Stärkung des Diskurses über Geschlechtergleichstellung, dann werde ich als Frau mittlerweile ein bisschen ungeduldig (Bundesrätin Mühlwerth: Der Bericht ist aber noch von Rot-Schwarz erstellt!), weil ich denke, wir haben zu diesem Thema schon so viel Know-how, wir wissen, wie die Verhältnisse sind. Daher braucht es weniger einen Diskurs als vielmehr die Umsetzung von Maßnahmen. (Bundesrätin Mühlwerth: An dem Bericht war ja eure Regierung beteiligt! – Bundesrat Krusche: Das haben sie vergessen!) Mir fehlt in diesem Bericht ein bisschen die Auflistung dessen, was hier konkret geplant ist. Ein weiterer Diskurs erscheint mir hier eigentlich nicht mehr notwendig, wir müssen in die Umsetzung gehen. (Bundesrat Mayer: Der Bericht kommt von der alten Regierung! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist das mit der partiellen Amnesie!)

Auch im Bereich Jugend gibt es viele Themen, die wichtig sind: Jugendbeschäftigung, Ausbildung bis 18, No Hate Speech, Erasmus+; dieses EU-Programm wird wahr­scheinlich unter unserer Präsidentschaft neu abgeschlossen werden und damit in eine nächste Periode geschickt, das ist eine tolle Chance auch für uns. Es sind teilweise auch Maßnahmen schon aus vorigen Regierungsperioden darin enthalten. (Bundes­rätin Mühlwerth: Da war aber die SPÖ nicht dabei, oder?) Aber spannend wird es, wenn wir lesen, welche österreichische Positionierung zu diesen Punkten vorgenom­men wird, denn da geht es dann um Migration und Sicherheit, um Außengrenzschutz, um Cybersicherheit, um den Westbalkan. Dann bekommen diese Themen plötzlich eine ganz neue Ausrichtung und eine andere Wendung.

Wenn ich beispielsweise lese, was erfreulich ist, dass Ratsschlussfolgerungen zur Rolle der Jugendarbeit im Kontext von Migration und Flucht erarbeitet werden sollen, dann bin ich schon sehr neugierig darauf. Ich denke aber, es geht hier weniger um dieses Abschotten, um den Grenzschutz, sondern im Bereich Jugend, Familie und Frauen geht es vor allem auch um Integrationsbemühungen.

Das ist aber etwas, was in diesem Bericht so gut wie gar nicht vorkommt, nämlich das Thema Integration. Es ist in diesem Bericht fast gar nicht die Rede vom Thema Bildung, wobei Bildung eigentlich der Schlüssel ist, wenn es um mehr Demokratie geht, und Demokratisierung ist ja eines der Ziele. Es kommt auch nie das Thema der sozialen Sicherheit vor, obwohl das die Grundlage für ein friedliches Miteinander ist, auch für die Stärkung der Frauenrechte und so weiter. Also diese Themen fehlen mir in diesem Bericht, die habe ich nicht gefunden.

Jetzt kann ich es mir eigentlich nicht verkneifen zu sagen, gerade wenn ich in Er­wartung dieser Vorschläge zur Jugendbeschäftigung und zum Thema Migration bin: Ich kann es mir fast nicht vorstellen, dass ein Verbot des Kopftuch-Tragens für junge Mädchen eine der wichtigsten Maßnahmen sein soll, weil wir wissen, dass Verbote in diesem Bereich relativ wenige Probleme lösen. Man muss dieses Thema differenzierter angehen; eine Symbolpolitik, die bei Kindern ansetzt, wird dieses große Thema nicht einer Lösung zuführen. (Bundesrat Mayer: Was hast du für einen Bericht?)

Zum Schluss will ich Ihnen noch ein paar Fragen mit auf den Weg geben, weil beim vorgestern stattgefundenen Ausschuss, wo ich gerne noch einige Fragen gestellt hätte, leider keine VertreterInnen des Ministeriums anwesend waren. Beispielsweise hätte uns interessiert, was sich hinter der Aussage: Es ist „ein Bündel an Maßnahmen“ zur Verringerung des Lohngefälles geplant, verbirgt. Welche Maßnahmen werden das konkret sein? Uns hätte auch interessiert – es soll der Europäische Freiwilligendienst in


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 32

ein Europäisches Solidaritätskorps umgewandelt werden –: Was ist der Grund dafür, was ist die Zielsetzung dieser neuen Form, warum verzögert sich hier die Implemen­tierung? Das hätte uns interessiert. Und eine dritte Frage: Was sind die österreichi­schen Erfahrungen mit der Methode des Strukturierten Dialogs?, denn auf die wird sehr stark gesetzt. Hier hätten mich eine Evaluierung und eine Vorausschau interes­siert.

Zusammengefasst: Die genannten Vorschläge und Vorhaben der EU sind allesamt begrüßenswert. Wir können uns aber nicht des Eindrucks erwehren, dass die öster­reichische Regierung hier mehr das Pflichtprogramm erfüllt, als sehr innovativ und begeistert die Dinge voranzutreiben. Wir finden das schade, weil so eine Präsident­schaft ein großes inhaltliches Potenzial hat.

Wir werden deshalb diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Reiter. – Bundesrätin Mühlwerth: Seit einem Jahr ist das vorbereitet, das war eure Regierung, meine Liebe!)

10.29


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdi­nand Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.


10.30.21

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundes­minis­ter! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein 18-Monatsprogramm ist, wie ich letzte Woche erfahren habe, ein Programm, das vor 18 Monaten mit den Ratspräsidentschaftsländern Estland und Bulgarien erstellt worden ist, und damals sind wir, soweit ich weiß, mit euch von der SPÖ noch in einer Koalition gewesen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das hat die SPÖ vergessen!)

Ich muss aber trotzdem eure Ministerin verteidigen, weil ein Programm, das hier erstellt wird - - (Bundesrätin Grimling: Wir haben nie eine Familienministerin gehabt!) Wir haben heute in der Aktuellen Stunde schon gesehen, dass es schon auf österreichi­scher Ebene sehr schwierig ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden, noch schwie­riger wird es auf europäischer Ebene sein, einen zu finden. (Zwischenruf der Bun­desrätin Posch-Gruska.) – Inge, du kannst nachher eh hinausgehen und reden! (Bun­desrätin Posch-Gruska: Nein, ich mag nicht hinausgehen!) 

Wenn wir zum Thema Frauenpolitik einen Vergleich auf europäischer Ebene ziehen, allein was die verschiedenen Konfessionen betrifft, wenn wir einen Vergleich zwischen den Nationalitäten ziehen, wenn wir die Frauenpolitik Polens mit der Frauenpolitik Italiens oder jener in skandinavischen Ländern vergleichen, dann sehen wir, es gibt da schon recht unterschiedliche Zugänge. Dadurch wird es immer schwieriger, hier einen gemeinsamen Nenner auf europäischer Ebene zu finden. Ich denke, das hier erstellte Programm ist sehr offen, da kann man viel hineintransportieren, das ist ein wichtiger und auch schlüssiger Punkt. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin überzeugt davon, dass das Thema Gleichstellung von Männern und Frauen zur politischen Priorität erhoben worden ist; das ist ein wichtiger Punkt, der sich in diesem Programm wiederfindet, und das kann man nur unterstützen.

Das betrifft auch das Thema Gewalt in der Familie, Gewalt gegen Frauen. Wir sprechen immer von sexueller Gewalt, von körperlicher Gewalt, aber die psychische Gewalt ist genauso kritisch zu sehen. Ich habe erst vor Kurzem eine Person kennen­gelernt, die psychischer Gewalt ausgesetzt war, indem der Mann eine Woche oder einen Monat mit ihr nicht gesprochen hat. Sie hat gesagt, vielleicht wäre es nicht so schmerzhaft gewesen, wenn er mich geschlagen hätte, wie wenn er einen Monat nicht mit mir spricht. Also auch solche Probleme haben wir. Gewalt wird auf jeden Fall auch in


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 33

Zukunft keinen Platz in unserer Gesellschaft haben, egal, welche Glaubensorientierung die Menschen haben, welcher Nationalität sie angehören.

Wichtig ist aber auch das Thema Kindererziehung, das Thema Pflege. Wir wissen alle, die Frauen oder Mütter sind diejenigen, die die meiste Leistung in diesem Bereich erbringen. Auch da haben wir auf europäischer Ebene einen Weg zu finden. Viele Frauen aus Osteuropa arbeiten in den finanziell besser situierten Ländern im Pflege­bereich, um für sich und ihre Familien in ihren Heimatländern Geld zu verdienen. Hier müssen wir uns überlegen, wie das entsprechend unterstützt werden kann.

Auf österreichischer Ebene müssen wir schauen, wie viele Kindergärten geschaffen werden können. Ich glaube, bei der Kinderbetreuung sind wir wirklich ein Vorreiterland: Wir haben die betriebliche, die überbetriebliche Kinderbetreuung, auch die Kinderbe­treuung in den Kommunen. Sie gehört weiterentwickelt, und ich glaube, wir haben mit der Ratspräsidentschaft im kommenden Herbst eine große Chance, dass Österreich hier als Vorreiter auftritt.

Wir haben bei der letzten Ratspräsidentschaft gezeigt, dass österreichische Program­me auf europäischer Ebene übernommen worden sind, etwa die Lehre mit Matura – ein hervorragendes Produkt, das wir hier verkaufen können.

Das Thema Migration/Immigration wird uns nicht nur in diesem Jahr während der Präsidentschaft beschäftigen, sondern es wird uns noch Jahre beschäftigen. Wir müssen es auf europäischer Ebene schaffen, die Integration voranzutreiben, damit sich diese Menschen auch an unsere Kultur anpassen.

Es geht aber auch um das Beschäftigungsprogramm. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, Österreich liegt beim Akademisierungsgrad hinten. Wir wissen aber auch, Österreich hat eine weit geringere Jugendarbeitslosigkeit als die skandinavischen Länder. Wir müssen schauen, dass junge Menschen zu Jobs kommen, und das ist auch in diesem Arbeitsprogramm niedergeschrieben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Also ich kann aus den wenigen Seiten, die wir hier vorfinden, sehr viel herauslesen. Entscheidend ist, aus welcher Sicht man es betrachtet. Ich bin überzeugt davon, das Europäische Solidaritätskorps im Freiwilligenbereich wird uns auch in Zukunft be­schäftigen, gibt es hier doch unterschiedliche Zugänge. Österreich sagt, die Finanzie­rung soll hundertprozentig aus europäischen Mitteln, das heißt durch Umschichtungen, erfolgen. Die Europäische Union, viele Mitgliedstaaten sagen, 75 Prozent sollen aus einer Umschichtung von EU-Mitteln, der restliche Teil aus den nationalen Budgets kommen.

Wir müssen wirklich schauen, dass wir uns als Land in der Ratspräsidentschaft hervor­ragend einbringen. Ich bin überzeugt davon, dass unser Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Vizekanzler Strache und all den Ministerien diesbezüglich schon sehr gute Vorarbeit geleistet haben. Ich durfte das jetzt auch in Sofia bei der Sicherheits­konferenz erleben. Österreich hat schon vor zwei Jahren begonnen, sich in diesen Bereich einzubringen, Kroatien und Rumänien haben bis jetzt noch kein Programm für ihre Nachfolgepräsidentschaft. Also wir können schon sagen, wir sind immer an der Spitze, und das werden wir auch in Zukunft sein, wenn wir einen gemeinsamen Weg finden und uns nicht immer durch verschiedene politische Ansichten hier schwächen.

Ich glaube, in Zeiten wie diesen, in denen sich Europa um Arbeitsplätze bemüht, das Wachstum sicherlich nicht endlos sein wird, wir an den Märkten schon wieder ein bisschen sehen, dass sich die Konjunktur vielleicht nicht ganz so stark entwickeln wird, wie wir es erhoffen, in Zeiten wie diesen muss die Wettbewerbsfähigkeit in Europa gestärkt werden, auch unter Bedachtnahme auf den Brexit, mit dem wir sicherlich auch noch einige Herausforderungen vor uns haben werden.


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In diesem Sinne kann ich nur sagen, es ist ein gutes Programm, und Österreich wird das Beste daraus machen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.36


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.


10.36.39

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­ter Herr Vizepräsident! Erster Vizepräsidenteneinsatz. Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir besprechen heute den Bericht der Frauen-, Familien- und Jugendministerin zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das Jahr 2018.

Frau Ministerin, wenn ich mir diesen Vorhabensbericht und die österreichische Position dazu durchlese, wenn ich diese in diesem Bericht überhaupt finde, dann kommt es mir leider so vor, dass Sie in die Fußstapfen Ihrer Amtsvorgängerin treten, die ganz ehrlich nicht besonders schwer auszufüllen sind.

Bei dem großen Schwerpunkt Frauen verweisen Sie durchgängig auf die Zuständigkeit der anderen MinisterInnen. Wenn man sich diesen Bericht durchliest, kommt es einem so vor, als wären Sie als Frauenministerin hier überhaupt nirgends involviert. Sie fehlen hier komplett. Es fehlen teilweise österreichische Positionen in diesem Bericht, wie zum Beispiel bei der Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung – überhaupt keine österreichische Position bei einem solch wichtigen Thema.

Im Ausschuss hatten wir nicht die Möglichkeit, irgendwelche Fragen zu stellen – es waren ja keine Beamten von Ihnen da. Auch wieder ein Beweis dafür, dass Sie in die Fußstapfen Ihrer Amtsvorgängerin treten werden.

Auch wichtige Themenschwerpunkte und Problemfelder werden ausgeblendet. Ein großes Thema, das wir in Österreich haben, ist die Kinderbetreuung, und da gebe ich Herrn Kollegen Tiefnig überhaupt nicht recht, wenn er sagt, dass wir hier Vorreiter sind. Das sind wir nämlich wirklich nicht. So heißt es im aktuellen Länderbericht 2018 der Europäischen Kommission: Bei den Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren wurden die Ziele nicht erreicht. Zudem bestehen große regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern. Wenn wir uns die aktuelle Statistik in Österreich anschauen, sehen wir ein massives Defizit in der Kinderbetreuung. Frau Ministerin, das Ziel sollte sein, eine flächendeckende Betreuung von Kindern in Österreich zu gewährleisten. Es geht ja um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das wäre nötig. Leider hinken wir hier weit nach, wirklich weit nach, Frau Ministerin.

Das EU-Ziel, das sogenannte Barcelona-Ziel, sind 33 Prozent, aktuell haben wir eine Betreuungsquote von 27,9 Prozent, inklusive Tagesmütter und Tagesväter. Eigentlich sollten wir schon seit 2010 – seit 2010! – dieses Ziel erreicht haben. Seit 2010 ist nichts passiert. Es ist jetzt auch nicht neu, dass die für den Jugendbereich zuständige Ministerin der ÖVP angehört, das war auch schon früher so, ich erwarte mir deshalb, dass hier endlich etwas passiert.

Wien ist immerhin mit 45,8 Prozent an der Spitze bei der Betreuung von Kindern. Schlusslicht sind Oberösterreich und die Steiermark. Oberösterreich mit der aktuellen Quote von 17,4 Prozent und die Steiermark mit 19 Prozent sind die Schlusslichter bei der Erreichung des Barcelona-Ziels, das heißt bei der Betreuungsquote der unter Dreijährigen.


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Also hier wäre einiges zu tun. Laut dem EU-Vorhabensbericht Ihrer Amtsvorgängerin sollte das schon im Vorjahr, also bereits 2017, in allen Bundesländern umgesetzt wor­den sein. Und wenn ich mir nächstes Jahr wieder den Vorhabensbericht anschaue, wird wieder nichts passiert sein, so wie wir es von den vorhergehenden Vorhabens­berichten schon gewöhnt sind.

Es ist eher das Gegenteil passiert, es wurden sogar noch extra Beiträge für die Nach­mittagsbetreuung in den Kindergärten zum Beispiel in Oberösterreich eingeführt. Dieses Jahr läuft die 15a-Vereinbarung mit den Bundesländern aus, und ich hoffe wirklich, dass wir einen einheitlichen Mindeststandard im Bereich der Kinderbetreuung schaffen und dem Barcelona-Ziel endlich näherkommen beziehungsweise es erfüllen werden.

Ein Thema, das mir persönlich sehr wichtig ist, sind Jugendliche, die besonders schwierige Ausgangs- und Rahmenbedingungen haben. Ich möchte ganz besonders die sogenannten Care Leavers ansprechen. Sie haben im Vorhabensbericht im Punkt Jugendbeschäftigung nur die Jugendlichen angesprochen, denen die finanzielle Mög­lichkeit beziehungsweise auch die dafür nötige Familienstruktur geboten wird, hoch­wertige Qualifikationen zu erlangen, um überhaupt Unternehmergeist zu entwickeln und sich mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu befassen, aber wir müssen allen Kindern und Jugendlichen in Österreich, in Europa die Chance geben, Bildung zu erlangen, um überhaupt eine Chance am Arbeitsmarkt zu bekommen.

Diese Care Leavers haben es besonders schwer. Im Schnitt ziehen junge Erwachsene in Österreich im Alter von circa 24 Jahren von zu Hause aus und erhalten meistens noch finanzielle Unterstützung seitens der Erziehungsberechtigten. Das ist aber nicht so bei jenen, die außerhalb einer Familienstruktur, außerhalb eines Familiengefüges, zum Beispiel in Wohngemeinschaften oder in Pflegefamilien, aufgewachsen sind. Diese müssen schon mit 18 Jahren auf eigenen Füßen stehen, und in genau diesen Fällen sprechen wir von den Care Leavers. Für diese Jugendlichen ist der Start in das Erwachsenenleben wirklich nicht leicht, weil sie eben nicht, so wie wir es gewohnt sind, im Familienverband aufgewachsen sind, und diese Jugendlichen tragen dann, wenn sie die Fremdunterbringung verlassen müssen, ein erhöhtes Risiko, an den Hürden hinein ins Erwachsenenleben zu scheitern oder auf dem Arbeitsmarkt einfach zu versagen.

Es gibt zwar die Möglichkeit der vollen Erziehung, aber es kommt auf das Bundesland an, in dem man aufwächst, und genau darin sehe ich wieder einen wichtigen Punkt, um zu handeln, Frau Ministerin! Wir brauchen Maßnahmen, dass der Rechtsanspruch auf Verlängerung der Wiederaufnahme der Betreuung mindestens bis zum 21. Lebensjahr gewährleistet wird. Ich würde Sie bitten, Frau Ministerin, sich für diese jungen Men­schen einzusetzen. Es braucht ganz dringend Maßnahmen und eine entsprechen­de Novelle des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013. Ich warte auch schon gespannt auf den Evaluierungsbericht Ihres Ministeriums; ich glaube, mittlerweile sind seit dem Entschließungsantrag im Nationalrat bereits mehr als fünf Jahre vergangen. Es hat geheißen, dass er uns im Sommer vorgelegt wird, und ich hoffe wirklich, wir können im Sommer endlich über die Novellierung dieses Gesetzes reden und sie entsprechend umsetzen.

Zurück zum Vorhabensbericht! – Sehr oft lese ich Ihre politischen Floskeln in diesem Bericht wie, Sie begrüßen die Maßnahmen, Sie begrüßen die Maßnahmen nicht. Konkrete Positionen findet man kaum, Begründungen oder ordentliche Kritik der Maßnahmen fehlen oft oder sogar komplett, auch beim großen Thema Jugend. Gerade Ihnen als Jugendministerin sage ich, wir sollten während der nun bevorstehenden Ratspräsidentschaft Österreichs aktive Botschafter für Kinder- und Jugendrechte in ganz Europa sein und uns klar gegen Kinderarmut und Jugendarmut oder gegen


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 36

Gewalt gegen Kinder aussprechen. Leider verpassen Sie die Möglichkeit, in diese Richtung aktiv zu werden.

Ganz im Gegenteil! Ihr großes Steckenpferd ist die Indexierung der Familienbeihilfe. Wir Grüne sprechen uns seit Aufkommen dieser Idee auf allen Ebenen gegen diesen Vorschlag aus. Sie wissen, dass ein nationaler Alleingang hinsichtlich der Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder gegen das derzeit geltende Unionsrecht, insbesondere gegen den Artikel 67 der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, verstößt. Auch für den Fall, dass die geplante Novel­lierung des Familienlastenausgleichsgesetzes beschlossen werden soll, drohen die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission sowie die Befassung des EuGH durch Gerichte auf Anregung Betroffener im Wege des Vorhabensentscheidungsverfahrens.

Eine Änderung der unionsrechtlichen Vorgaben durch die EU-Verordnung wäre im Falle einer entsprechenden Mehrheitsfindung im Europäischen Rat und im Parlament zwar möglich, würde aber einen Abbau individueller Rechte von WanderarbeiterInnen, die vom Unionsgesetzgeber sowie durch die Judikatur des EuGH über Jahrzehnte ausgeformt wurden, darstellen und damit diametral dem Geist des Binnenmarktes widersprechen.

Das Wichtigste dazu aber ist: Es geht zum Großteil um Frauen, die hier in Österreich arbeiten, unsere Eltern und Großeltern versorgen und pflegen, die hier Steuern zahlen und oftmals sehr prekär in eine Scheinselbständigkeit gedrängt werden.

Auch ansonsten finden wir im Kapitel Jugend keine ordentliche Begründung dafür, warum Sie beziehungsweise Österreich bei den einzelnen Vorhaben der Europäischen Union Vorbehalte haben oder sie darin unterstützen; Beispiel: das Europäische Soli­daritätskorps. Diese Möglichkeit ist ja noch ganz frisch, sie wurde erst im März 2018, glaube ich, im Europäischen Parlament verabschiedet und ist gerade Teil der Trilog­verhandlungen. Also wir Grüne unterstützen die Möglichkeit für 18- bis 30-Jährige, sich im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps für Freiwilligen- und auch Beschäfti­gungsprojekte zu engagieren. Die Kommission hat vorgeschlagen, dieses Solidaritäts­korps zu 80 Prozent für Freiwilligenarbeit und zu 20 Prozent für Praktika und Jobs einzusetzen. Wir Grüne werden uns auf EU-Ebene eher für eine Reduzierung des Praktikumsbereiches einsetzen, denn es gibt bereits andere gut funktionierende Pro­gramme, die für Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden; unserer Meinung nach sollte dieses Solidaritätskorps auch tatsächlich für europäische Freiwilligenarbeit eingesetzt werden.

In der Frage der Budgetierung dieses Programms sind wir Grüne dafür, dass frisches Geld eingesetzt wird und nicht Geld von bestehenden und zum Teil gut funktio­nierenden Programmen wie etwa Erasmus+ oder auch dem Europäischen Sozialfonds abgezogen wird, so wie die österreichische Regierung oder so wie Sie es gerne hätten.

Frau Ministerin! Es gäbe im Frauen-, Jugend- und Familienbereich genügend zu tun, vor allem was das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder den Übergang vom Jugendlichen- ins Erwachsenenleben betrifft.

Wir Grüne werden diesen Bericht heute nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit sowie der Bundesrätin Gruber-Pruner.)

10.46


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 37

10.46.42

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Ja, jetzt bin ich irritiert. Ich hätte eine Supereinleitung, aber wissen Sie, Kollege Stögmüller, Frauen und Schuhe, das ist ein gefährliches Thema, denn auf Schuhe legen Frauen besonders großen Wert. Der Schuh der ehemaligen Familienministerin – und ich habe sie gerade in Bezug auf familienfreundliche Gemeinden und so weiter einige Male erlebt –, das traue ich mich einmal festzustellen, wird auch der neuen Ministerin passen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Der andere Schuh – das dürfen wir eindeutig feststellen –, der andere Schuh, von dem Herr Kollege Stögmüller gesprochen hat, kommt aus der SPÖ, und den hat zuerst Frauenminister Stöger und dann Kurzzeitministerin Rendi-Wagner getragen, und ich glaube, es kann nicht das Ziel der neuen Frauenministerin sein, dass dieser Schuh passt. Ich denke, dieser Schuh ist viel zu klein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt zu den Themen, die der Bericht uns vorgibt! – Vorweg möchte ich noch hinzu­fügen, es ist eine Freude, dass die Themen heute im Bundesrat zu Beginn so frauen­dominierend sind, und wir können uns von diesen Frauenthemen jetzt auch nicht lösen.

Die Themenschwerpunkte im vorliegenden Bericht sind der Bereich Antidiskriminie­rung, die Förderung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie Gender-Mainstreaming; all das eingebunden in politische Maßnahmen, und zwar, ich habe es schon in der Aktuellen Stunde gesagt, ressortübergreifend – es betrifft nicht alles nur das Frauenministerium und das Familienministerium –, als globale Strategie der EU und im Zusammenhang mit den Menschenrechten, dem Frieden und der Sicherheit.

Im Bereich Frauen und Gleichstellung wird sich die Kommission besonders bei der Antidiskriminierung, bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben, bei der Verrin­gerung des Lohngefälles und bei der ausgewogenen Besetzung von Aufsichtsrats­posten einsetzen. Diesen Punkt habe ich mir im Besonderen angesehen. Wie schaut es da aus, wie ist der Status quo in Österreich? – 96 Prozent der Vorstandsetagen von börsennotierten Unternehmen sind männlich besetzt. Das positivste Beispiel dazu ist die Vienna Insurance Group mit einer Frau als Vorsitzenden und noch einer Frau im Vorstand; das bedeutet ein Drittel Frauen.

Vorstandsmitglieder werden vom Aufsichtsrat ernannt, und dort ist die Situation schon bedeutend weiblicher. Betrachten wir die 40 Unternehmen des Prime-Market-Sektors von der Wiener Börse, dann ist festzustellen, unter den 417 AufsichtsrätInnen sind 72 Frauen; also etwa 17 Prozent Frauenanteil und deutlich unter der Quote von 30 Prozent, welche die vorherige Bundesregierung angepeilt hatte. Und daran sieht man – auch die SPÖ! –, dass das offensichtlich nicht so einfach ist.

Sehr viel besser schaut es in den staatsnahen Unternehmen aus. Dort ist durch­schnitt­lich etwa ein Drittel weiblich besetzt. Aufgrund der Selbstverpflichtung im halböffent­lichen Bereich ist es sehr gut gelungen, den Frauenanteil zu erhöhen.

Mich stimmt in diesem Bereich sehr optimistisch – das werden die Männer vielleicht nicht so gerne hören –: Mehr Frauen als Männer haben einen Tertiärabschluss, also einen Abschluss eines Kollegs, einer Fachhochschule oder einen Uniabschluss, also bin ich davon überzeugt (Bundesrat Schabhüttl: Das musst du deiner Fraktion erzählen!), dass diese gut qualifizierten Frauen auch die Aufsichtsratsposten noch erobern werden. (Bundesrat Stögmüller: Das sieht man ja in eurer Fraktion!) – Entschuldigung, Herr Kollege, wie schaut es mit dem Studium aus? (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich weiß, dass ich meines Ende Juni beenden werde. Ich habe alle Prüfungen erledigt und brauche nur noch meine Masterarbeit abzugeben. Wenn Sie mit mir Schritt halten können, dann machen Sie das. (Beifall und Bravoruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 38

In Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt es einige Fakten, die ins Auge fallen und zum Großteil auch die Lohn- und Gehaltsunterschiede bewirken. Die Zahl der in Teilzeit Beschäftigten hat sich in Österreich in den letzten 20 Jahren ver­doppelt, und – wir haben es heute, glaube ich, auch schon gehört – 80 Prozent der Beschäftigten sind weiblich. Was sind die Gründe dafür? – Wichtigstes Motiv – das haben wir auch schon gehört –: Kinderbetreuung.

Statistisch gesehen hat sich der Kuchen Arbeit, welche Frauen insgesamt leisten, in den letzten 20 Jahren nur etwas vergrößert, aber auf weit mehr berufstätige Frauen verteilt. 2004 arbeiteten die Frauen insgesamt 2,5 Milliarden Stunden, 2016 waren es 2,9 Milliarden Stunden, und das bedeutet nicht mehr Einkommen für die Frauen im Durchschnitt. Wir haben im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gehört, dass die Zahl der in Vollzeit beschäftigten Frauen etwas steigt, aber von einer Trendwende kann noch nicht gesprochen werden. Aufgrund dieser Teilzeitbe­schäfti­gung machen natürlich auch weniger Frauen Karriere.

Die neue Initiative der Europäischen Kommission zum EU-Aktionsplan 2017-2019 für die Verringerung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen soll dazu beitragen, dieses zu verringern. Also ich weiß nicht, was daran so schlecht sein soll?! Zusätzlich wird sie für die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht nur auf dem Arbeits­markt, sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext eintreten und Strategien gegen Gewalt gegen Frauen – das ist ja ein Thema, das uns allen sehr wichtig ist – weiterhin unterstützen.

Wir sind der Meinung, dass den Frauen am meisten geholfen ist, wenn man dem Lohn­gefälle gegensteuert, wenn man die Lohn-, Gehalts- und Pensionsverluste abbaut, und das nicht nur zwischen Männern und Frauen; es gibt sehr viele Ungleichstellungen. Die Betreuungsarbeit, die sorgende und versorgende Tätigkeit von Frauen darf zu keinem Nachteil führen und gehört gesellschaftlich noch besser anerkannt, wozu noch ein enormer Diskurs notwendig sein wird. Es geht um eine riesengroße finanzielle Benach­teiligung, die zum großen Teil Frauen betrifft.

Zusammengefasst ist zu sagen, es ist unbestritten, dass Gleichstellung noch nicht real erreicht wurde. Wenn man sich den Frauenmonitor anschaut, dann kann man fest­stellen, es gibt zwar da und dort Verbesserungen, aber die Maßnahmen zur Herstel­lung der Chancengleichheit bewirkten zu wenig. Im Gegenteil! Österreich war im Jahr 2016 unter jenen acht Ländern, in denen sich der Indexwert verschlechtert hat. Darum ist es wünschenswert, dass auch die Maßnahmen der österreichischen Rats­prä­sidentschaft positiv zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen beitra­gen. Ich kann mir das sehr gut vorstellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Juliane Bogner-Strauß. Ich erteile es ihr.


10.53.01

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst sagen, wir haben uns für unsere EU-Ratspräsidentschaft sehr viel vorgenommen. Wir werden die Abschlussverhandlungen zum Brexit führen; das wird eine große Aufgabe sein. Wir werden für den mehrjährigen Finanzrahmen verantwortlich sein; auch das wird eine große Aufgabe sein, deren Ausgang die EU in Zukunft prägen und lenken wird.

Aber jetzt möchte ich auf meinen Vorhabensbericht zu sprechen kommen und nur kurz einmal darauf hinweisen, dass es, glaube ich, bei diesem Tagesordnungspunkt um EU-


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Vorhaben geht und ich wirklich auf diese EU-Vorhaben eingehen und nicht in andere Themen abschweifen möchte. Trotzdem möchte ich eine Lanze für meine Amtsvor­gängerInnen brechen, denn ich kann das hier nicht so stehen lassen, dass in den letzten Jahren nichts für die Kinderbetreuung getan wurde. Seit dem Jahr 2008 haben wir 65 000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bun­desrat Stögmüller: Seit 2010 sind wir säumig!)

Wie schon erwähnt möchte ich auf den EU-Vorhabensbericht zu sprechen kommen und über unsere Vorhaben während der EU-Ratspräsidentschaft referieren.

Frauen und Gleichstellung ist ein Querschnittthema, und ich möchte darauf hinweisen: Es gibt weder für Frauen noch für Familien einen formellen Rat, es gibt nur für die Jugend einen formellen Rat. Deshalb nehme ich Ihre Kritik zur Kenntnis, aber ich möchte darauf hinweisen, dass das Thema Frauen und Gleichstellung von vielen Ressorts Beachtung finden und behandelt werden wird – ich glaube, das ist sehr wichtig –, und deswegen wird sich auch das Thema Frauen und Gleichstellung wäh­rend unserer EU-Ratspräsidentschaft als ganz wichtiges Thema positioniert finden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es geht um die Fortsetzung der Verhandlungen über die Richtlinienvorschläge im Bereich Antidiskriminierung, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, es geht um eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten, und es wird auch über den Beitritt der EU zur Istanbul-Konvention verhandelt. Weiters gibt es einen EU-Aktionsplan, was die Verringerung des Lohngefälles angeht. Ich glaube, das sind wichtige Themen, die uns sowohl national als auch auf EU-Ebene etwas angehen, die uns betreffen und denen wir nur Zustimmung entgegenbringen können.

Im Rahmen des österreichischen Ratsvorsitzes bekennt sich die Triopräsidentschaft auch dazu, die Förderung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie von Gender-Mainstreaming zu forcieren. Das ist, wie schon gesagt, ein Querschnittthema über viele Ressorts, und ich denke, es wird sehr viel getan werden, um für Gleich­stellung, für Gender-Mainstreaming Prioritäten zu setzen.

Der inhaltliche Schwerpunkt, was die Gleichstellung angeht, wird aber auch die Jugend betreffen, es wird vor allem auch um Jugend- und Gendergleichstellung gehen. Es wird eine Konferenz im Oktober geben, die für drei Tage anberaumt ist, bei der es auch informelle Treffen, ExpertInnentreffen geben wird, und es wird auch ein formelles Treffen der Jugendminister im November geben.

Worum geht es bei den Jugendthemen? – Es sind ja schon alle Themen angesprochen worden. Es geht um den Teil Jugend im Erasmus+-Programm, der weiterhin 10 Pro­zent des Budgets umfassen soll. Das wäre uns ein großes Anliegen. Es geht um das Europäische Solidaritätskorps, wie es schon besprochen wurde. Das ist Thema der Bulgaren, eventuell bringen es schon die Bulgaren zum Abschluss, aber sollten sie es nicht zum Abschluss bringen, werden wir es natürlich mit in unsere EU-Ratspräsident­schaft nehmen und zum Abschluss bringen. Das ist uns wichtig.

Es wurde ebenfalls schon erwähnt, dass es dabei um einen Freiwilligendienst bezie­hungsweise um Jobs und Praktika geht. Auch wir möchten die Jobs und Praktika auf ein minimales Ausmaß reduzieren. Das ist auch unser Ansinnen – wenn ich dies­bezüglich (in Richtung Bundesrat Stögmüller) auf gleiche Meinung pochen darf –, denn es gibt viele Jobs und Praktika, und das ist auch vom Sozialministerium bereits erkannt worden. Es wird schwierig werden, denn leider gehen da die Meinungen der Mitglied­staaten sehr auseinander. Manche wünschen sich einen 20-Prozent-Anteil, aber ich denke, wir werden uns vielleicht bei 5 bis 10 Prozent einpendeln können.


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Auch ganz wichtig für die Jugend ist natürlich die EU-Jugendstrategie. Die EU-Jugendstrategie wurde für die letzten acht Jahre ausverhandelt, sie lief von 2010 bis 2018. Wir brauchen eine neue EU-Jugendstrategie und warten derzeit auf ein Vor­schlagspapier von der Europäischen Kommission. Es gab extrem viele Befragungen von Jugendlichen, es gab zwei Jugendkonferenzen während der letzten zwölf Monate. Die Themen der Jugendlichen werden eingebracht, aber wir sind noch beim Über­legen, für welchen Zeitraum wir diese EU-Jugendstrategie beantragen möchten, weil wir denken, dass heutzutage alles sehr schnell im Fluss ist, und wir sind uns nicht so klar darüber, ob wieder ein Paket für acht oder zehn Jahre oder eventuell doch eines für einen kürzeren Zeitraum ausgelegt werden soll, um wirklich auf die Bedürfnisse der Jugendlichen zu reagieren und sehr konkrete Maßnahmen zu setzen.

Es wird eine Jugendkonferenz in Wien von 2. bis 4. September, ein informelles Treffen der Jugendminister in Wien am 3. September und, wie ich schon erwähnt habe, ein formelles Treffen der Jugendminister im November in Brüssel geben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.59


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Ana Blatnik zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


11.00.10

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Ruf bei der FPÖ: Deutsch bitte! – Bundesrätin Posch-Gruska: Wir verstehen Vorarlbergerisch auch nicht immer!) Ich möchte darauf hinweisen, dass es einen einstimmigen Be­schluss gibt – also auch mit den Stimmen der FPÖ –, dass ich in zwei Sprachen reden darf, dass ich eine Zusammenfassung in meiner Muttersprache machen und sie zumindest dafür verwenden darf. Ich bitte Sie wirklich, wenn wir von Wertschätzung und Solidarität reden, sich daran zu erinnern, dass ich das nicht als selbstverständlich erachte und dafür dankbar bin, aber ich bitte Sie gleichzeitig, dies zu akzeptieren, zu respektieren und wertzuschätzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte in meiner Stellungnahme, in meiner Rede einen Schwerpunkt auf die Gleichstellung legen. Ich möchte nichts wiederholen und betonen, dass ich jedes Wort, das unsere Erstrednerin, Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner, gesagt hat, nur unterstreichen kann. Gleichstellung ist keine Priorität der Frauen. Gleichstellung trifft sowohl Frauen als auch Männer. Gleichstellung ist keine Bevorzugung, Gleichstellung ist ein Grundrecht und steht in der Verfassung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass uns nicht das Geschlecht trennt, sondern die Einstellung, und ich meine darüber hinaus, dass man im Kopf etwas ändern muss. Da muss sich etwas ändern! Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass Gleichstellung im 21. Jahrhundert eigentlich etwas ganz Normales sein sollte.

Geschlechtergleichstellung ist laut Bericht ein fundamentaler Wert in der EU und Geschlechtergleichstellung soll, gleichfalls laut Bericht, eine politische Priorität sein. Diese Bereiche sind angesprochen worden – die Frau Ministerin (auf den leeren Sitzplatz auf der Regierungsbank weisend) ist leider schon gegangen, aber sie hat sie angesprochen –: Es geht da um Antidiskriminierung, es geht um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Privatleben, es geht um die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten, und es geht um die Bekämpfung von Gewalt.

Ich meine, dass wir wirklich, und zwar national wie auch international, dafür eintreten müssen – und das auch wollen, tun und auch weiterhin tun sollten –, dass diese Gleichstellung tatsächlich Realität wird. Fakt ist nämlich, dass, wenn es um die Gleich-


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stellung von Frauen geht, Frauen noch immer nicht die gleichen Chancen haben und in der Arbeitswelt nicht gleichgestellt sind. Führungspositionen sind noch immer von Männern dominiert, und das, obwohl Frauen so gut ausgebildet sind wie noch nie. Es wurde schon gesagt: Wir haben mehr Maturantinnen als Maturanten, wir haben mehr Uniabgängerinnen, und trotzdem schaut die Arbeitswelt anders aus.

Fakt ist auch, dass so viele Frauen erwerbstätig sind wie noch nie, aber fast jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit. Ich stehe zur Wahlfreiheit und akzeptiere, wenn sich eine Frau selbstbestimmt und eigenständig dafür entschieden hat, dass sie das macht, aber – und das betone ich auch – man muss auch sagen, was Teilzeit bedeutet. Teil­zeit bedeutet weniger Lohn, weniger Pension, Teilzeit bedeutet auch, dass damit sehr viel Risiko verbunden ist, weil meistens jene Frauen gekündigt werden beziehungs­weise schneller gekündigt werden, die teilzeitbeschäftigt sind. Und was Teilzeit und Führungspositionen betrifft, das würde Bände füllen.

Warum arbeiten Frauen in Teilzeit? – Ganz einfach, weil sie sich zum Großteil noch immer für die Kindererziehung, für den Haushalt, für die Pflege verantwortlich fühlen und leider auch im 21. Jahrhundert noch immer in Teilzeit investieren; wenn die Männer in Teilzeit gehen – es sind 9 Prozent –, machen sie das meistens dann, wenn sie ihren Job wechseln oder wenn sie Karriere machen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich denke, es ist sehr wichtig, dass weiterhin Maß­nahmen gesetzt werden. Vieles ist passiert, vieles ist verändert worden, und ich möchte einige Namen von Frauen nennen, die wir alle kennen, die gerade in puncto Frauen und Gleichstellung sehr viel geleistet haben: Johanna Dohnal, Barbara Prammer, Helga Konrad mit dem Slogan halbe-halbe, aber auch unsere Gabi Heinisch-Hosek – und ich könnte noch viele aufzählen.

Ich möchte an das erste Gewaltschutzgesetz und das zweite Gewaltschutzgesetz erinnern, an die Familienrechtsreform, an die Informationspflicht für Teilzeitbeschäf­tigte, wenn der Betrieb vollzeitbeschäftigte Menschen sucht, Stellenausschreibungen, den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, und, und, und. Es sind Maßnahmen gesetzt worden, es ist der richtige Weg beschritten worden, und dieser Weg muss fortgesetzt werden – in der Berufsorientierung, im Ausbau von Kinderbetreuungs­einrichtungen, im Ausbau von Ganztagsschulen, das sind nämlich die Kriterien, das sind die Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, dass sich Frauen selbst entschei­den können, dass sie sowohl Kinder bekommen als auch arbeiten können. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Die widerspricht sich ja! Das ist ein Widerspruch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür ist selbstverständlich ein frauenförderndes Budget notwendig. Wir brauchen Geld, damit wir die Rahmenbedingungen ausbauen können, damit Frauen selbst entscheiden können, damit sie eigenständig und unab­hängig sind. Und ich bin schon ein bisschen irritiert, dass gerade jene 500 000 Euro, um die das Frauenbudget im vergangenen Jahr praktisch aufgestockt worden ist, leider von dieser Regierung gestrichen worden sind.

Es ist zwar im Regierungsprogramm verankert, dass es eine Absicherung des Frauen­budgets gibt, dass gerade in Gewaltprävention, in Gewaltschutzzentren investiert wird, aber wenn man die Gesamtheit des Budgets anschaut, muss man sagen, das spricht eine andere Sprache, und ich habe einfach Angst, dass wieder bei den Frauen gespart wird.

Ich bitte diese Bundesregierung und fordere sie auf: Wenn wir glaubwürdig sein sollen und wollen und wenn wir wirklich die Gleichstellung von Frauen ernst nehmen, dann müssen wir auch Geld bereitstellen, und ich bitte Sie (in Richtung Bundesministerin Bogner-Strauß, die wieder auf der Regierungsbank sitzt), liebe Frau Ministerin, das auch zu tun und sich dafür einzusetzen.


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Liebe Kollegen und Kolleginnen, es ist an der Zeit, Abschied zu nehmen, es ist an der Zeit, danke zu sagen: danke für die Zusammenarbeit hier, danke aber auch für die Zusammenarbeit mit jedem und jeder Einzelnen! Trotz politischer Unterschiede war diese Zusammenarbeit wertschätzend und respektvoll, auch wenn ich Äußerungen, die jetzt gekommen sind, nicht so ganz verstehe.

Ich möchte auch sagen, dass ich sehr froh bin – und ich hoffe, dass die FPÖ das genau so sieht –, dass ich meine Muttersprache habe verwenden dürfen, was für mich nicht selbstverständlich war, aber wenn wir von der EU reden, dann ist Mehrsprachig­keit eine Bereicherung – ich hoffe, ihr seht das auch so – und niemals eine Bedrohung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe sehr viele Erfahrungen mitnehmen können, sehr viele wertvolle Erfahrungen, und ich bin sehr gerne Bundesrätin gewesen. Ich habe versucht, Brücken zu bauen. Mein Motto war immer, das Miteinander zu fördern, aber nie das Nebeneinander und das Gegeneinander, und ihr habt mir dabei geholfen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Mayer: Hvala lepa!)

11.11


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Liebe Ana Blatnik, ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, um dir zu danken und dich hiermit zu verabschieden – du gehst ja in den Kärntner Landtag. Du bist fast auf den Tag genau seit 14 Jahren Mitglied des Bundesrates, und viele von uns erinnern sich noch an das Motto deiner Präsidentschaft im Jahr 2014: „Erinnern, Versöhnen, Zukunft gestalten“. – Ich denke, du als Kärntner Slowenin hast auch einen sehr wichtigen Beitrag zur Aussöhnung in Kärnten geleistet. Dafür und für deinen Einsatz herzlichen Dank und alles Gute! (Allge­meiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Kern. Ich erteile es ihr.


11.12.21

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Unsere Familien­minis­terin hat uns heute ihr ambitioniertes Arbeitsprogramm für die nächsten Monate präsentiert. Vor allem die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die Verringe­rung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern sollen intensiv angegangen und auch umgesetzt werden. Ich denke, dass wir uns darin einig sind, dass diese Themen uns allen ein so großes Anliegen sind, dass wir gemeinsam daran arbeiten, eine rasche Umsetzung zu ermöglichen.

Meine liebe Frau Ministerin, ich hoffe, du gestattest mir trotzdem, etwas auszu­schwei­fen, denn ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nützen, um auf einen familien­politischen Meilenstein in Österreich einzugehen; ich finde, gerade während des EU-Ratsvorsitzes ist es wichtig, die positiven Beispiele in der Entwicklung der Familien­politik Österreichs anzuführen. Die neue österreichische Bundesregierung ist seit mehr als 100 Tagen im Amt, und unser Bundeskanzler Sebastian Kurz hat gemeinsam mit Familienministerin Juliane Bogner-Strauß bereits im Jänner den Familienbonus prä­sentiert. Der Familienbonus unterstützt jene, die das System erhalten und langfristig sichern: unsere Familien in Österreich. Für eine funktionierende Gesellschaft ist es aus meiner Sicht unerlässlich, die Familie in den Mittelpunkt unserer Politik zu stellen, und das machen wir mit dem Familienbonus Plus.

Worum geht es im Detail? – Ab 1. Jänner 2019 gibt es eine steuerliche Entlastung von 1 500 Euro pro Jahr und Kind (Bundesrat Stögmüller: Das ist jetzt aber nicht zum


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Vorhabensbericht!), davon profitieren über 700 000 Familien und ganz Österreich. (Ruf bei der SPÖ: Nicht jeder!) Insgesamt nehmen wir dafür 1,5 Milliarden Euro in die Hand (Bundesrat Stögmüller: Zu welchem Thema ist das?) – ich habe angekündigt, dass ich etwas ausschweifen darf (Bundesrat Stögmüller: Okay!) –, das ist die größte familienpolitische Maßnahme der letzten Jahrzehnte. Der Familienbonus wirkt bereits ab einem Bruttoeinkommen von 1 700 Euro, und Alleinerzieher und Alleinverdiener werden ebenfalls berücksichtigt; auch das wurde schon erwähnt.

Ich möchte es anhand zweier konkreter Beispiele ausführen: Bei einer Angestellten und Alleinverdienerin mit einem Bruttoeinkommen von 2 500 Euro mit zwei Kindern würde sich die Steuerbelastung im Vergleich zu jetzt um 80 Prozent reduzieren. Ein Arbeiter mit einem Bruttoeinkommen von 1 700 Euro und einem Kind würde vom Familienbonus voll profitieren, die Steuerbelastung würde sich auf null reduzieren. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das sind keineswegs Großverdiener! Darüber hinaus kann der Absetzbetrag in einem Haushalt wahlweise von einem Partner in Anspruch genommen oder auf beide Elternteile aufgeteilt werden.

Ja, es ist richtig: Mit dem Familienbonus Plus fallen der derzeitige Kinderfreibetrag und die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten weg, und zwar aus Gründen der Vereinfachung und der Transparenz. Wir sprechen dabei aber von 300 000 Euro, und – das ist mir ganz wichtig – wir unterstützen die Familien im Gegenzug mit 1,5 Mil­liarden Euro: Das ist das Fünffache der bisherigen Unterstützungen und Familienleis­tungen!

Nicht nur die Bundesregierung engagiert sich für Familien, sondern auch die Bundes­länder wissen: Eine moderne Familienpolitik ist das A und O einer modernen Gesell­schaft. Im Jänner dieses Jahres hat unsere Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner deshalb ein Familienpaket blau-gelb präsentiert. Wir wollen damit Partner von Familien sein und keinesfalls Vormund. Heute ist es schon angesprochen worden: Uns ist der Ausbau der Kleinstkinderbetreuung ganz wichtig, weil erstens die Nachfrage ständig steigt und weil wir zweitens die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern wollen. Genau aus diesem Grund hat unsere Landeshauptfrau 100 zusätzliche Kleinstkinder­be­treuungsplätze angekündigt, und auch die Förderung von Tageseltern in Nieder­öster­reich wurde ausgebaut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, wir haben in der Vergangenheit schon vieles umgesetzt, und jetzt machen wir gemeinsam einen großen Schritt in die Zukunft. Mit dem Familienbonus Plus unterstützen wir unsere Familien wirklich nachhaltig. Der Familienbonus ist der größte Wurf in der Familienpolitik seit vielen Jahren. Noch nie wurde so viel Geld in unsere Familien investiert.

Liebe Frau Minister, wir haben in den nächsten Jahren noch einiges für unsere Familien vor. Eines ist sicher: Auf unsere Unterstützung in den Bundesländern kannst du immer zählen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

11.17


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Bundesrat Mag. Michael Raml zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


11.17.37

Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Ministerin! Ich darf auch Herrn Staatssekretär Dr. Fuchs bei uns begrüßen. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als geschäftsführender Bundes­ob­mann des Rings Freiheitlicher Jugend ist mir natürlich das Thema Jugend, das Thema junge Menschen ein großes Anliegen. Allein unter dem österreichischen Rats-


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vorsitz in der zweiten Jahreshälfte – das hat die Frau Ministerin schon erwähnt – sind sehr, sehr viele Jugendveranstaltungen beziehungsweise sehr viele Sitzungen geplant, die sich mit dem Thema Jugend beschäftigen.

Es ist auch schon erwähnt worden, dass die EU-Jugendstrategie erneuert wird. Bei der EU-Jugendstrategie, Frau Minister, würde auch ich den Ansatz unterstützen, dass man den Zeitraum etwas verkürzt, denn es ist schon ein Phänomen, das man gerade bei den jungen Menschen – und zwar nicht nur in Österreich, ich denke, das ist ein weltweites Phänomen – erkennt, dass sich die Gegebenheiten schneller ändern – was heute interessant ist, ist vielleicht morgen nicht mehr ganz so auf der Tagesordnung –, und es ist da sehr, sehr zielführend, wenn man sich diesbezüglich nicht künstlich einen zu langen Zeitraum gibt.

Was aber beim Thema Jugend darüber hinaus wichtig ist, ist, dass heuer auch noch die Ratsschlussfolgerungen zur Rolle der Jugendarbeit im Kontext von Migration und Flucht verabschiedet werden. In diesem Zusammenhang ist mir schon einiges wichtig, was betont gehört: Zum einen müssen wir uns dessen bewusst sein, und das hat sehr, sehr stark mit jungen Menschen zu tun, dass mit der letzten großen Zuwande­rungs­welle, die wir aufgrund einer falschen Grenzpolitik erlebt haben, das sage ich auch ganz offen, gerade auch im Jugendbereich viel Kriminalität, viel Gewalt importiert worden ist. Unsere jungen Menschen sind gerade in den Städten damit konfrontiert, und das möchte ich schon betonen – in den Gemeinden ist das Problem sicher oder Gott sei Dank nicht so vorhanden, aber in den Städten merken wir das –, dass in den Schulen, beim Fortgehen die Gewalt zunimmt, und die Gewalttäter sind nicht immer, aber sehr, sehr oft erst seit Kurzem in Österreich. 

Da ist es mir, wenn wir über Jugendarbeit sprechen, ein großes Anliegen, dass wir gerade den jungen Zuwanderern klarmachen, welche Werte wir in Österreich leben, welche Werte wir in der Europäischen Union leben. Und eines muss auch klar sein: Eine Kuschelpolitik ist da sehr, sehr oft fehl am Platz. Eine Kuschelpolitik ist da sehr, sehr oft zu wenig. Es muss gerade diesen jungen Menschen, die, ich sage einmal, sehr stolz zu uns kommen, ganz klar aufgezeigt werden: Es gibt bei uns Grenzen, und wer diese Grenze überschreitet, der hat auch mit Konsequenzen zu rechnen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da wir beim Thema Werte sind: Frau Ministerin, bitte verzeihen Sie mir einen kleinen Schlenker, aber das ist mir ein großes Anliegen. Ich möchte mich wirklich bei Ihnen bedanken, sozusagen stellvertretend für die Bundesregierung, dass Sie jetzt diesen mutigen Schritt setzen und das Kopftuchverbot in Kindergärten und in Volksschulen angehen. Das ist ein wichtiger Schritt, mit dem man jungen Menschen unsere Werte näherbringt, mit dem man aber vor allem junge Menschen davor schützt, dass sie von anderer Seite politisch vereinnahmt werden – gerade vom Islam. Wir haben heute auch schon über das Thema Frauenrechte gesprochen; da wissen wir, dass der Islam diesbezüglich ein sehr, ich sage einmal so, differenziertes Bild aufweist.

Wenn wir beim Thema Werte, beim Thema Zusammenleben und auch Jugendarbeit sind, dann ist auch die Sprache ein großes Thema. Es muss ganz klar sein: Wer zu uns kommt – und gerade auch da setzen wir wieder auf extrem frühe Bildung –, wer bei uns lebt (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), muss unsere Sprache nicht nur lernen, sondern muss unsere Sprache auch konsequent anwenden. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Die Deutschkurse werden gekürzt! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Ich spreche mich hier klar dafür aus, dass wir Deutsch nicht nur als Unterrichtssprache anwenden, sondern dass Deutsch auch in der Schule generell gesprochen werden muss (Bundesrätin Gruber-Pruner: Die Deutschkurse werden gekürzt! – Bundesrat Stögmüller: ... keine Integrationsklassen mehr!), denn


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nur so kann man junge Menschen dazu motivieren und dazu bewegen, dass sie unsere Staatssprache – Artikel 8 B-VG – auch konsequent anwenden.

Ich habe mich auch immer dafür ausgesprochen, auch noch in meiner Zeit als Linzer Gemeinderat - - (Bundesrätin Gruber-Pruner: Was hat das mit dem EU-Bericht zu tun?) – Das ist Jugendarbeit, Frau Kollegin! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner. – Bundesrat Stögmüller: Ja, aber es gehört nicht zum EU-Bericht!) – Das ist ein Thema, das auch in anderen Ländern der EU wesentlich ist, Kollege Stögmüller; selbstverständlich ist das auch im Bericht. Wenn wir über die Rolle der Jugendarbeit im Kontext von Migration und Flucht sprechen, dann, glaube ich, gehört schon die deutsche Sprache auch dazu. Sind wir uns da einig? (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Dass die Grünen Integration anders sehen, das ist mir eh klar, das ist mir eh ganz klar. (Bundesrat Stögmüller: In Oberösterreich funktioniert es ganz gut!) – Ja, Oberösterreich geht auch mit gutem Beispiel voran (Bundesrat Stögmüller: Danke!), wenn wir von Deutsch in Schulen und so weiter sprechen. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

Mir wäre auch wichtig, dass Deutsch verpflichtend in Hausordnungen von Jugend­zentren aufgenommen wird. Wenn ein Jugendzentrum – auch das ist etwas für die SPÖ, denn das Thema Jugendzentrum ist ja bei euch momentan ein bissel heikel, ich erinnere noch einmal an Wels, an euer Drogenjugendzentrum (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling) – von staatlichen Subventionen gefördert wird (Bundesrat Stögmüller: So wie die Burschenschaften! – neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), dann muss dort unsere Staatssprache angewendet werden. – Da wird deutsch gesprochen, Kollege Stögmüller, mach dir keine Sorgen, mach dir keine Sor­gen!

Ein letzter Punkt noch: Wenn wir - - (Bundesrat Stögmüller: Da ist Geld da! Da ist Geld da! – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – Mein Gott, regt euch nicht so auf, seid doch nicht so nervös! Seid doch nicht so nervös! Wir haben heute noch viel Zeit, um über gewisse Dinge zu plaudern.

Ein Thema noch, das ganz wichtig ist: Jugendbeschäftigung. Auch das ist im 18-Mo­natsprogramm vorgesehen. Das Thema Jugendbeschäftigung ist deswegen für Öster­reich wichtig, weil die Jugend die Generation sein wird, die unsere Zukunft sichern muss. Wir haben ein sehr schönes Land übernommen, das kostet auch alles Geld, und das Sozialsystem kostet Geld, und es ist wichtig, dass wir dieses gute System auch in Zukunft erleben und erhalten können.

Wir haben in der parlamentarischen Enquete vor drei Wochen das Thema Jugend und Armut behandelt. Ich glaube, bei allen verschiedenen Sichtweisen, die wir dort gehabt haben, hat sich eines herauskristallisiert: Die zentrale Lösung, um Jugendarmut wirk­sam bekämpfen zu können, ist Bildung, Bildung und nochmals Bildung (Bundesrätin Grimling: Deutsch lernen!) – Bildung als Grundstein für eine gute Zukunft. Unter Bildung verstehe ich nicht nur unser gutes, differenziertes Schulsystem – da ist das Motto Vielfalt statt Einfalt wichtig –, sondern zur Bildung, zur Ausbildung gehört ein funktionierendes Lehrsystem. Wir haben eine Lehre, eine duale Ausbildung, um die uns die ganze Welt beneidet. Auch das müssen wir weiter ausbauen, auch diese guten Beispiele können wir im Rahmen der Europäischen Union einbringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir sind gespannt auf die neue EU-Jugendstrategie. Wir werden uns da auch gerne einbringen, und wir sind davon überzeugt, dass man mit den richtigen Parametern Österreich und auch die Europäische Union im Bereich der Jugend in eine gute Zukunft führen kann. –Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.25



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 46

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Renate Anderl. Ich erteile es ihr. – Bitte.


11.25.28

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Ich wollte vorhin nicht wirklich unter­brechen, als Bundesrätin Sandra Kern gemeint hat, sie darf mehr ausschweifen, ich möchte aber schon festhalten, dass es eine tolle Werbung für den Familienbonus war – den man sehen kann, wie immer man möchte –, dass es aber mit dem Thema Bericht der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission absolut nichts zu tun hatte, und daher sage ich, dass es eine Themenverfehlung war. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrätin Mühlwerth: Na super!)

11.26

11.26.13


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung kommen, darf ich ganz herzlich unseren Staatssekretär Dr. Hubert Fuchs bei uns begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

11.26.473. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 erlassen wird, mit dem das Alternativ­finanzierungsgesetz, das Bankwesengesetz, das E-Geldgesetz 2010, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Finanz­markt­aufsichtsbehördengesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Investment­fondsgesetz 2011, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Nationalbank­gesetz 1984, das Sanktionengesetz 2010, das Unternehmensgesetzbuch, das Verbraucher­zah­lungskontogesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Versiche­rungs­vertragsgesetz geändert werden (11 d.B. und 60 d.B. sowie 9939/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Versicherungsvertrags­gesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (Versicherungs­vertriebsrechts-Änderungsgesetz 2018 – VersVertrRÄG 2018) (26 d.B. und 61 d.B. sowie 9940/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP-Vollzugsgesetz) erlassen


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 47

und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird (24 d.B. und 62 d.B. sowie 9941/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerver­kürzung und -umgehung (6 d.B. und 63 d.B. sowie 9942/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung.

Berichterstatter zu all diesen Punkten ist Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich bitte um die Berichte.


11.27.45

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungs­dienstegesetz 2018 erlassen wird, mit dem das Alternativfinanzierungsgesetz, das Bankwesengesetz, das E-Geldgesetz 2010, das Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Kapitalabfluss-Melde­gesetz, das Nationalbankgesetz 1984, das Sanktionengesetz 2010, das Unter­neh­mens­­gesetzbuch, das Verbraucherzahlungskontogesetz, das Versicherungsaufsichts­ge­setz 2016 und das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versiche­rungsaufsichtsgesetz 2016, das Versicherungsvertragsgesetz und das Einkommen­steuergesetz 1988 geändert werden – Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsge­setz 2018.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basis­informationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungs­anlageprodukte (PRIIP-Vollzugsgesetz) erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehör­dengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 48

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und ‑umgehung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herzlichen Dank für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. – Ich erteile es ihm.


11.30.43

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Der Berichterstatter hat die Punkte – zumindest die Gesetzesänderungen und welche Gesetze betroffen sind – schon vorgelesen. Es klingt sehr, sehr sperrig und kompliziert. Ich will jetzt nicht alles erneut erörtern, aber ich werde versuchen, auf einige Punkte einzugehen, und werde diese Punkte aus dem Blickwinkel unserer Fraktion näher erläutern und auch zerpflücken.

Im TOP 3 soll das Zahlungsdienstegesetz geändert werden; die Zahlungsdienste­richtlinie soll an die technischen Marktentwicklungen angepasst werden. Unter ande­rem werden Zahlungsauslösedienstleister, die Daten zwischen Kunden, Unternehmen und Banken übermitteln, ohne in den Besitz der Gelder zu gelangen, unter Konzes­sionspflicht gestellt, Kontoinformationsdienstleister sollen registriert werden. Für Online­zahlungen wird die Sicherheit bei Zahlungsabwicklung durch eine stärkere Kundenauthentifizierung erhöht, und die Haftungsregeln werden aus der Sicht des Zahlers verbessert. Die gewerbliche Betätigung als Zahlungsdienstleister bedarf einer Konzession der Finanzmarktaufsicht – so weit, so gut.

Wesentlich für uns ist das 3. Hauptstück des Gesetzes über die Transparenz der Vertragsbedingungen und die Informationspflichten für Zahlungsdienste. Die Informa­tionen sind in der Regel kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Informationen sind dem Zahlungsdienstnutzer in leicht zugänglicher Form verfügbar zu machen, erst auf Verlangen des Zahlungsdienstnutzers in Papierform. Informationen sind jene zu den Vertragsbedingungen beziehungsweise nach Auslösung des Zahlungsauftrags. Die Kritik der Arbeiterkammer in ihrer Stellungnahme, der wir uns anschließen, bezieht sich darauf, dass das Formerfordernis der Papierform gestrichen wurde, daher der Zah­lungs­dienst dem Kunden die elektronische Kommunikation aufzwingen kann und dem Kunden die Wahlfreiheit nicht zusteht.

Beim TOP 4 geht es um die Regierungsvorlage, mit der das Versicherungs­aufsichts­gesetz 2016 geändert werden soll; damit wird eine EU-Richtlinie umgesetzt. Das Bundesministerium für Finanzen erwähnt ausdrücklich, dass mit der EU-Richtlinie eine


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 49

Mindestharmonisierung vorgenommen wird und bei der nationalen Umsetzung kein Gold Plating erfolgt. Die Richtlinie soll die Informations- und Beratungspflichten im Versicherungsvertrieb verbessern. Wesentliche Kritikpunkte für uns sind, dass die Bundesregierung absichtlich nur den Mindeststandard umsetzen will und damit die Senkung des Verbraucherschutzniveaus in Kauf nimmt.

Ich gebe hier auch zwei Beispiele bekannt: Erstens müssen die Versicherungsunter­nehmen zum Beispiel zusätzlich eine Beschwerdestelle einrichten, was wir an und für sich gut finden. Allerdings enthält das Gesetz keine Frist, bis zu welchem Zeitpunkt eine Beschwerde zu beantworten wäre, sondern nur eine Beantwortungspflicht. Zweitens gibt es Wohlverhaltensregeln, die besagen, dass die Auskunftserteilung auch über eine Webseite erfolgen kann, wenn der Versicherungsnehmer zugestimmt hat. Nach der Meinung der AK ist diese allgemeine Formulierung zu wenig.

Ich gehe gleich auf Tagesordnungspunkt 5 ein: Das ist die Regierungsvorlage, mit der die Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger geändert werden sollen. Mit dieser Vorlage werden Bestimmungen der Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte ergänzt. Wie in der Verordnung vorgesehen, sind die Verträge für prämienbegünstigte Zukunftsvorsorgen und Pen­sionszusatzversicherungen aus dem Anwendungsbereich ausgenommen worden, was, weil es sich dabei um langfristige Verträge handelt, schon im Ausschuss von uns kritisiert wurde.

Zusammenfassend zu TOP 3 und 5 ist zu sagen, dass sich die Sozialdemokratie generell für den Konsumentenschutz ausspricht, diesen als ihre ureigenste Aufgabe sieht. Wir kritisieren hier, dass von der Bundesregierung mit der Umsetzung dieser Richtlinie nur der europäische Mindeststandard erfüllt wurde. Österreich sollte auch in Zukunft die hohen Konsumentenschutzstandards beibehalten, deshalb werden wir bei den Punkten 3 und 5 nicht unsere Zustimmung erteilen.

Damit komme ich jetzt zu Tagesordnungspunkt 6: Das ist die Regierungsvorlage betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung. Ich kann dazu kurz sagen: Wenn Doppelbesteuerungen abgeschafft werden und hier ein dementsprechendes Abkom­men vorliegt, dann werden wir diesem auch zustimmen.

Ich hoffe, Sie haben meinen Ausführungen folgen können (Bundesrätin Mühlwerth: Schwer!), und ich erwarte Ihre Beiträge. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.36


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. – Ich erteile es ihm.


11.36.44

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Es wurde schon gesagt: Gleich vier Tagesordnungspunkte und viele Gesetzesvorlagen verhandeln wir jetzt unter einem. Mein Vorredner hat schon einige Details ausgeführt. Weitestgehend geht es aus meiner Sicht um die Übernahme von EU-Vorgaben, also von Unionsrecht, die wir quasi als Mindeststandards im Sinne einer Anpassung und Vereinheitlichung im gesamten EU-Raum auch in Österreich über­nehmen wollen, müssen und dürfen.

Großteils ergeben sich daraus für Österreich eigentlich nur geringe Veränderungen, weil wir in vielen der angesprochenen Bereiche bereits jetzt höhere Standards haben, als in diesen Vorgaben enthalten sind. Es geht also um die Herstellung einheitlicher


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 50

Wettbewerbsbedingungen und einheitlicher Schutzniveaus im gesamten EU-Raum. Ich glaube, wir alle sind dafür, dass das gemacht werden soll.

Insgesamt zielen all diese Änderungen darauf ab, dem Konsumenten einerseits in der Handhabung des elektronischen Zahlungsverkehrs und andererseits im Umgang mit Anlageprodukten auf dem Finanzmarkt ebenso wie im Umgang mit Versicherungs­produkten, die in der Vergangenheit immer komplexer und unübersichtlicher für den Konsumenten geworden sind, mehr Informationen und letztlich auch mehr Sicherheit in all diesen Bereichen zu geben. Dies gilt sowohl für das Zahlungsdienstegesetz als auch für das Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetz.

Es geht einfach darum, aufgrund der dramatischen Veränderungen in Richtung elek­tronischer Anwendungen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen für den Konsumen­ten in all diesen Bereichen zu treffen. Ich glaube, dass das mit diesen Gesetzen insge­samt gut geschafft wird. Das Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetz bringt dazu vor allem auch eine Reihe von Veränderungen für die Versicherungen selbst, viele Neuerungen, die sich wieder auf die Informationspflichten und Wohlverhaltens­regeln im Versicherungsvertrieb beziehen.

Ebenso um den Schutz der Konsumenten geht es beim PRIIP-Vollzugsgesetz, bei dem es letztlich vor allem auch um mehr Transparenz geht, was bei Finanzanlageprodukten und anderen diesbezüglichen Produkten sehr, sehr wichtig ist. Durch standardisierte Unterlagen und standardisierte Informationsblätter soll die Handhabung, vor allem für die Konsumenten, in all diesen Bereichen entsprechend erleichtert werden.

Schließlich geht es auch – das wurde auch schon angesprochen – um die Erneuerung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Japan, das aus meiner Sicht sehr, sehr wichtig ist, weil gerade für die heimische Wirtschaft Japan natürlich ein wichtiger Han­delspartner ist. Das bestehende Abkommen mit Japan stammt aus dem Jahr 1961 und ist daher also nicht mehr ganz aktuell. Es ist sicher wichtig, es entsprechend zu erneuern. Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Japan sind ja sehr, sehr intensiv und sollen – was natürlich auch ein Wunsch der österreichischen Wirtschaft ist – noch weiter ausgebaut werden. Daher ist es auch besonders wichtig, die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten und dass auch da alle steuer­recht­lichen Dinge gut angepasst werden.

Faire und transparente Handelsabkommen sind generell etwas sehr, sehr Wichtiges und dienen der Erhaltung des Wohlstandes und auch der Wettbewerbsfähigkeit, sowohl unseres Landes als auch der gesamten Europäischen Union. Gerade Japan, und das ist kein Geheimnis, ist dabei ein sehr wichtiger Handelspartner im Fernen Osten. Japan ist der zweitwichtigste Handelspartner überhaupt in Asien. Im Jahr 2016 zum Beispiel betrugen allein die direkten Exporte Österreichs nach Japan etwas mehr als 1,3 Milliarden Euro, und die Tendenz ist dabei stark steigend. Circa 60 japanische Niederlassungen gibt es in Österreich, und umgekehrt gibt es circa 80 österreichische Unternehmen, die in Japan eine Niederlassung haben. Steuerliche Sicherheit für all diese Unternehmen ist daher etwas ganz, ganz Wichtiges. Mit diesem Abkommen wird diese Sicherheit entsprechend verbessert und ist dann entsprechend gegeben.

Ich denke, dass all die Maßnahmen in den vorliegenden Gesetzen notwendig und wich­tig sind, sie geben vor allem den Konsumenten mehr Sicherheit und schaffen Transparenz. Das Abkommen mit Japan ist für den Wirtschaftsstandort Österreich eine ganz wichtige Sache.

Seitens meiner Fraktion werden wir daher allen vorliegenden Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates unsere Zustimmung erteilen. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.41



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 51

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Ich erteile es ihm.


11.41.40

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Gesetzesvorlagen – drei Gesetze insgesamt – dienen der Finanzmarktregulierung, sind wichtig für den Verbraucherschutz und für die Sicherheit im Netz. Also es geht da eher um die Sicherheit im Netz, um vor Hackerangriffen und vor unerlaubter Benützung gesichert zu sein. Es sind Vorgaben der EU, die eigentlich schon letztes Jahr, noch von der alten Regierung, hätten umgesetzt werden müssen, weil sie im Jänner 2018 bereits in Kraft getreten sind – beziehungsweise hätten in Kraft treten müssen. Da war die alte Regierung (in Richtung SPÖ) säumig. Ich nehme aufgrund der ersten Rede an, dass es irgendwie mit Desinteresse oder Unwissenheit zusammenhängt.

Ich habe mir zwei Kernthemen, zwei Kernstücke herausgenommen, das ist auf der einen Seite das Zahlungssystem – PSD –, und auf der anderen Seite das System PRIIP. Es ist eine Erkenntnis aus der Finanzkrise, die damit – ohnedies sehr spät, aber nun doch – endlich umgesetzt wird und auch wieder den Konsumenten und auch dem Verbraucherschutz dienlich ist und auch sein muss; das ist wichtig.

Zum ersten Gesetz, betreffend PSD: Da geht es um mehr Wettbewerb. Wir wissen alle, dass jeder ein Konto auf einer Bank hat, ein Girokonto, und die Verfügung über dieses Konto, der Zugriff auf dieses Konto nicht nur Banken obliegt, sondern mit Zustimmung des Konsumenten, des Kunden, auch sogenannten Drittanbietern erlaubt werden muss und erlaubt werden darf, die heute im Onlinedienst, im Onlineeinkauf sowieso schon längst tätig sind. Diese Sicherheit, diese Regulierungen waren bis jetzt aber noch nicht gegeben, und die werden mit diesem Gesetz, durch neue Rahmenbedingungen prak­tisch vorgegeben und vorgezeichnet. Es ist sicherer, es ist einfacher, es ist vor allem schneller und es ist auch billiger für den Konsumenten, weil mehr Wettbewerb herrscht und weil die Monopolstellung der Banken gegenüber dem Kontoinhaber hiermit aufge­brochen wird.

In Deutschland, an der Börse, im Scale, ist zum Beispiel jedes dritte neue Unter­nehmen ein FinTech-Unternehmen, ein Unternehmen aus der Finanzdienstleistung. Das ist eine unheimlich dynamische und junge Branche, sehr aktiv, sehr innovativ und sehr erfindungsreich; die gehört unterstützt und der gehört ein Rahmen gegeben, denn sie alle dienen den Menschen. Das Internet ist kein Feind des Menschen, die Digitalisie­rung ist kein Feind des Menschen, sondern muss dem Menschen dienen. Wir alle haben ein Handy, jeder nützt eine App, und diese Finanzdienstleistungen werden auf die App programmiert, auf das Handy programmiert, und dort ist die Kontover­waltung in Zukunft möglich. PayPal, Handy Parken oder N26, die Kontoverwaltung, das sind alles Dienstleistungen, die mit diesem Gesetz irgendwie im weitesten Sinne zusammenhängen und einer Regelung unterliegen. Die Sicherheit in dieser digitalen Welt muss für den Konsumenten gewährleistet werden, dazu gehört natürlich auch die Authentifizierung, dass der, der das benützt, auch wirklich verlässlich authentifiziert wird. Daher ist dieses Gesetz extrem wichtig – kommt aber, wie gesagt, viel zu spät, es hätte schon von der alten Regierung umgesetzt werden müssen.

Zum Zweiten: PRIIP – die Namen sind zwar sperrig, sie kommen aus dem Englischen, sind aber letztlich einfach zu handhaben –, das sind auch Compliancevorschriften und, wie Mifid II, eine Erkenntnis aus der Finanzkrise. Das sind diese Basisinformations­blätter. Ich habe eines von der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien mitge­nommen (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Diese Basisinformationsblätter sind sehr transparent und einfach für den Konsumenten dargestellt (Zwischenruf des


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 52

Bundesrates Schabhüttl), damit sich Vorfälle wie jene, die sich genau heute oder – plus/minus – diese Woche vor zehn Jahren ereigneten, die Fälle, die die Finanzkrise hervorgerufen haben, nicht wiederholen. Der Konkurs, eigentlich die Bankrotterklärung der US-amerikanischen Investmentbank Bear Stearns, die dann von JPMorgan hat übernommen werden müssen, ist genau zehn Jahre her.

Die Erkenntnis daraus ist, dass Produkte nicht so verpackt werden dürfen, dass sie für den Konsumenten und selbst für den Spezialisten nicht mehr erkennbar sind. Daher wurden Basisinformationsblätter geschaffen, mit einem Gesetz unterlegt. Es ist darin ganz einfach erklärt, um welche Art von Produkt es sich handelt, welche Risiken bestehen, vor allem – auch sehr wichtig – welche Kosten entstehen, ob man die Anlage länger halten oder das Geld vorzeitig entnehmen kann und wo man sich beschweren kann. Sie sind auf maximal drei Seiten beschränkt, einfach und ver­ständlich verfasst, gehören zu den Compliancevorschriften, dienen dem Konsumenten, dem Verbraucherschutz und der Transparenz und sind Teil – das ist auch wichtig – der Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, die auch endlich nach Österreich greift und ein vereinheitlichtes Regelwerk für den Verbraucher, für den Konsumenten und für die Sicherheit der Menschen, der Österreicher und Österreicherinnen, schafft.

Ein weiterer Punkt: Japan. Das ist ein anderes Thema, das mit der Finanzmarkt­regulierung nichts zu tun hat, das aber mit dem Welthandel zusammenhängt. Wir alle wissen, was sich in den letzten Tagen abgespielt hat: die Auseinandersetzungen – ich möchte nicht sagen, der Handelskrieg – im Welthandel zwischen China und den Vereinigten Staaten, wo Europa mehr oder minder unter die Räder kommen kann. Da ist Japan als drittgrößte Volkswirtschaft ein wesentlicher und wichtiger Markt für die Europäische Union als Ganzes gesehen, daher ist es auch wichtig, dass man die Grundvoraussetzungen dafür schafft, den Handel zu fördern und zu stimulieren. Japan ist auch Teil des transpazifischen Handelsabkommens. China ist da nicht dabei, und das ist auch wichtig, weil China Hegemonialbestrebungen hat und nicht nur immer auf die Wirtschaft fokussiert ist. Daher ist es wichtig, da mit Japan einen Gegenpol zu schaffen, und das ist sicherlich auch für uns von der FPÖ in jeder Hinsicht unterstüt­zenswert.

Meine Gratulation an den Herrn Staatssekretär und an das neue Finanzministerium! Dort weht sicherlich ein frischer Wind, was dringend notwendig ist. Zurzeit ist in einem anderen Lokal ein Budgethearing, und da sieht man, dass das Finanzwesen, der Finanzmarkt, der Kapitalmarkt als solcher in neuen und guten Händen ist, daher diesbezüglich meine Gratulation! Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätIn­nen der ÖVP.)

11.47


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


11.48.20

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Fuchs! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Zur Rede des Herrn Kollegen Jürgen Schabhüttl ganz am Anfang: Er hat versucht, aus der Zusam­menfassung der Stellungnahme der Bundesarbeitskammer zu diesem Gesetz und dem FMA-Rundschreiben etwas herauszuzitieren und davon abzuleiten, dass man das ablehnen muss.

Ganz im Gegenteil: Wenn man sich das durchliest – das Ganze hat vier Seiten –, dann sieht man: „Die BAK begrüßt die durch den FMA-Entwurf festgelegten Informations­standards und konkrete sprachliche Vorgaben.“ Das steht da drinnen. Da kann man


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 53

auch Kollegin Anderl fragen, die ja die zukünftige Präsidentin ist und das ganz genau weiß. Wenn man also nur zwei, drei Meter rübergegangen wäre und sich informiert hätte, hätte man die gleiche Information bekommen.

Natürlich schreibt die BAK auch – es wurde jetzt ein ganz kleiner Teil, der Kritik enthält, zitiert –, aber damit hat es etwas anderes auf sich, dass es von der Regulierung der Basisinformationsblätter nur ganz wenige Ausnahmen geben soll. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Wenn wir uns zurückerinnern, hat ja der Staat die staatlich geförderte Pensionsvor­sorge herausgebracht. Wenn der Staat etwas fördert und herausbringt, dann ist es selbstverständlich, dass man da jetzt nicht im Nachhinein den Staat noch einmal kontrollieren und den Bürger vor dem Staat sozusagen warnen muss, denn das ist ja von der Finanzmarktaufsicht praktisch damals schon abgenommen worden. Das geht bis hin zur Salcher-Polizze, die ja die SPÖ damals auch mitinitiiert hat, und auch bei den PZV-Produkten war die SPÖ mit am Verhandlungstisch dabei und hat sich auch darum bemüht. Und dass man dann gewisse Sachen ausnehmen kann, ist nicht verwunderlich. Deswegen geht das völlig ins Leere, kann ich wirklich sagen, und ich weiß, wovon ich da spreche. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Die Punkte 3 bis 6 beschäftigen sich nun einmal mit dem Finanzwesen, mit seiner Sicherheit und mit der Transparenz, die von der Europäischen Union ja auch gefordert wurde. Das ist nicht einfach etwas, was uns jetzt eingefallen ist, was wir jetzt unbedingt machen wollen. Nein, wir hätten es auch machen müssen, wenn es die Europäische Union nicht vorgegeben hätte! Die Standards in Österreich sind sehr hoch, und manch­mal kommt es auch denen, die es umsetzen müssen, etwas überzogen vor. Wenn man zum Beispiel Konsumentenschutz gewöhnt ist, bei dem Mindeststandards in Europa ganz einfach nicht da sind, muss man sagen, sind unsere Standards im Konsumen­tenschutz schon so hoch, dass sie praktisch das, was das Gesetz mit sich bringt, schon toppen.

Man braucht, wenn man eine Polizze bekommt, keine Cooling-off-Phase mehr. Wenn man sein Auto anmelden möchte oder Ähnliches, und dann bekommt man das Produktinformationsblatt, und ich hoffe, dass sich die FMA, dass sich Dr. Pfleger von der FMA da noch erbarmen wird, dass nicht der Kunde, der ein Auto anmelden will, das Produktinformationsblatt bekommt und dann mit der Cooling-off-Phase vielleicht eine halbe Stunde warten muss, um zu überlegen, ob er das wirklich bei der Versiche­rung anmelden möchte.

Das sind eher meine Bedenken, und da, sage ich, werden wir uns noch einschleifen müssen. Von den Standards her aber, wie sie beschrieben und wie sie eingefordert sind, ist das ein großer Fortschritt und an und für sich eine Weiterentwicklung, eine Antwort auf die Digitalisierung, weil diese Produkte ja dadurch viel schneller und viel komplexer geworden sind.

Wenn man sich die Vorredner angehört hat, wird sich der eine oder andere, der nicht mit der Materie befasst ist, gefragt haben, worum es da jetzt im Konkreten geht, und wird sich gedacht haben: Da wird es um meine Sicherheit gehen, okay, dann wird das schon in Ordnung sein!

Dass sich die Europäische Union und die österreichische Regierung darüber Gedan­ken machen, ist ganz in Ordnung. Ich kann nur sagen, auf die Produktgenehmigungs­verfahren und die genaue Definition – zum Beispiel was zielgenaue Bedarfsdeckung betrifft, damit der Kunde nicht mehr irgendwelche Pakete bekommt, wobei er dann vielleicht das eine oder andere gar nicht braucht und vielleicht zu viel zahlt –schaut jetzt die FMA.


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Was die Kostenübersicht betrifft, so hat auch die BAK ganz genau geschrieben, dass es ganz wichtig ist, dass zum Beispiel bei KID überall auch die Kosten mit drauf sind.

Dann gibt es eine Bedingungsübersicht, die erklärt, worum es denn geht. Man bekommt das ursprüngliche Blatt, das Produktinformationsblatt, das endlich auch in der Versicherung so heißen wird, und da steht, was die Grundpfeiler von dem, was man kauft, sind. In den weiteren Bedingungen steht dann, was, besser werdend, davon ab­weichen kann. Die Grundbedingungen aber sind einmal klar ersichtlich auf einem Blatt beschrieben.

Das kann man nicht ablehnen! Also wenn man es wirklich mit Konsumentenschutz und mit fairen Bedingungen, mit Leuten, die das nicht studiert haben und die trotzdem Finanzprodukte kaufen wollen, ernst meint, dann muss man dem ganz einfach zustim­men!

Auch wenn man auf das Kündigungsrecht und die Auflösungsbedingungen in den Produkten schaut: Wir wissen, dass die FMA das ganz, ganz bitter ernst meint, wenn sie sagt: Du hast Bedingungen verletzt! Dazu hat auch Herr Finanzminister Dr. Löger geschrieben, dass das lebenslange Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen bleiben soll, bei denen damals zum Beispiel nicht die richtigen Bedingungen ausgegeben wur­den. Daran sehen wir, dass Österreich in diesem Bereich in Wirklichkeit in der Euro­päischen Union ganz vorne liegt.

Auch die Ausbildung der Berater wird vorgegeben, und man muss einen Nachweis erbringen. Früher hat man das noch gekannt, dass man vielleicht auf einem Bierdeckel ein Produkt verkaufen konnte. Heute geht das so nicht mehr. Heute muss man viele Nachweise erbringen, man hat einen Zweiphasenverkauf, man muss über das Produkt einen Beratungsbogen abgeben und, und, und. Es hat sich da schon sehr viel zugunsten der Konsumenten weiterentwickelt. Da muss ich ganz einfach sagen: Das ist auch gut so!

Was allerdings noch nicht nachgezogen wurde – und da schaue ich da rüber (in Rich­tung SPÖ), und es ist schade, dass Kollegin Anderl nicht da ist –, sind die Kollektiv­verträge im Außen- oder im Innendienst. Solange es noch Außendienstmitarbeiter gibt, die mit einem Grundlohn von 300 Euro besoldet werden und das andere über Provi­sionen irgendwie bekommen müssen und manchmal die Auffüllung des kollektiv­vertraglichen Minimums bekommen müssen, müssen sich die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft schon einmal etwas überlegen, und da spreche ich die SPÖ ganz speziell an! Der Kollektivvertrag ist aus einer Zeit, in der 1930 die Phönix-Versicherung in die Insolvenz gekommen ist, und 1950 ist dann der Kollektivvertrag noch einmal überarbeitet worden, hat sich aber im Wesentlichen nicht weiterentwickelt. (Die BundesrätInnen Schabhüttl und Anderl deuten in Richtung ÖVP.) Da muss man in das Zeitalter der Digitalisierung eintreten und für die Mitarbeiter Bedingungen schaffen, dass sie nicht das moralische Wagnis eingehen müssen, irgendetwas zu tun, was vielleicht nicht korrekt wäre.

Das ist mir ein wirklich ganz großes Anliegen. Bei den Kollektivvertragsverhandlungen bei den Banken war es jetzt ganz in Ordnung mit den 2,8 Prozent. (Zwischenruf der Bun­desrätin Grimling.) Bei den Versicherungen habe ich gesehen, dass es in den letzten Jahren wesentlich weniger war. Da hat man zum Beispiel von der Produkti­vitäts­steigerung der letzten Jahre nichts mitbekommen. Die KV-Lohnerhöhungen sind ja keine Ist-Lohnerhöhungen, sondern man bekommt nur eine Erhöhung auf den KV-Mindestlohn (Bundesrätin Anderl: ... da musst aufpassen! ... das stimmt nicht!), damit ist nicht einmal die Inflation abgegolten. Dort muss man ansetzen, dass man die Mitarbeiter so ordentlich bezahlt (Bundesrat Schabhüttl: Da musst auf die andere


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 55

Seite rüberreden!), dass sie auch nicht mit dem moralischen Wagnis hinausgehen, das zu verkaufen. (Neuerliche Zwischenrufe der BundesrätInnen Schabhüttl und Grimling.)

Das, was wir hier an Vorlage haben, ist ausgezeichnet. Das ist etwas, was europa­weit – da bin ich mir sicher – einzigartig ist, und in vielen Bereichen ist - - (Bundesrat Schennach: Jetzt ist dir der Faden gerissen!) – Jetzt ist mir der Faden gerissen! (Heiterkeit bei BundesrätInnen von FPÖ, ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Na, es ist ganz einfach die Sicherheit. In vielen europäischen Ländern ist diese Sicher­heit bei Weitem noch nicht erreicht. Deswegen: Überlegt es euch! Das, was du da herausgesucht hast, ist fadenscheinig und nur vordergründig, um etwas abzulehnen, macht aber absolut keinen Sinn. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.58


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staats­sekretär Dr. Hubert Fuchs. – Bitte, Herr Staatssekretär.


11.58.23

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Dr. Brunner! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Mit dem Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetz, TOP 4, wird die Versicherungsvertriebsrichtlinie der EU umgesetzt. In diesem Zusammenhang möchte ich festhalten, dass bis dato eine Lösung des Problems der ewigen Rücktrittsrechte bei den Lebensversicherungen noch nicht erreicht werden konnte.

Insofern ist auch folgender Aufruf der Liste Pilz falsch, den ich hier kurz zitieren darf: „Achtung (fondsgebundene) Lebensversicherungen! Wer (infolge falscher oder fehlen­der Rücktrittsbelehrung) den Rücktritt erklärt, bekommt derzeit seine Einzahlun­gen samt 4% Zinsen erstattet. Kursverluste trägt die Versicherung. Schwarz-Blau plant, dass ab 30.4.2018 der Versicherungsnehmer den Kursverlust tragen muss. Das soll am Mi“ – der 21.3.2018 wäre das gewesen – „im Nationalrat durchgepeitscht werden.“

Die Liste Pilz verkennt hier die Rechtslage, die ich im Folgenden kurz umreißen darf (Bundesrat Stögmüller: Es gibt keine Liste Pilz bei uns! – Rufe bei der SPÖ: Gibt’s nicht! Die Liste Pilz gibt’s hier nicht! Weder eine Liste noch Pilz! – Bundesrat Mayer: Lassen Sie einmal ausreden, bitte!): Nach der Rechtsprechung des EuGH ist jedenfalls das Erlöschen des Rücktrittsrechts nach einem Jahr – trotz fehlerhafter Belehrung über das Rücktrittsrecht – europarechtswidrig. Die Rechtsfolgen des Rücktritts sind noch nicht höchstgerichtlich geklärt. Es gibt hier zwei Extrempositionen, die ich kurz um­reißen darf:

Nach der einen Extremposition bekommt der Versicherungsnehmer nur den Rück­kaufs­wert – er trägt also die Anlageverluste –, und nach der anderen Extremposition bekommt er die Prämien samt 4 Prozent Zinsen plus allfällige höhere Kapitalanlage­ergeb­nisse. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Die Wahrheit wird wohl – wie so oft – in der Mitte liegen.

Da potenziell sämtliche Lebensversicherungsverträge seit 1994 unrichtige Belehrungen enthalten, müssen wir dafür Sorge tragen, dass nicht eine Rücktrittswelle die Stabilität des Versicherungssektors gefährdet. Hier braucht es eine ausgewogene Lösung, mit der einerseits die Stabilität des Versicherungssektors sichergestellt ist und zum anderen – ganz wichtig! – auch die Rechte der Konsumenten gewahrt werden. An dieser Lösung zur Zufriedenheit beider Seiten wird noch gearbeitet. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.01

12.01.20



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 56

Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz 2018 erlassen wird und das Alternativfinanzierungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetz 2018.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das PRIIP-Vollzugsgesetz erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungs­be­reiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

12.04.29 7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (23 d.B. und 58 d.B. sowie 9943/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 57

Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir kommen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich bitte um den Bericht.


12.05.00

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Ewald Lindinger|: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. Ich erteile ihm dieses.


12.05.27

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Umsatzsteuergesetz soll geändert werden. Ich habe hier den Text der Regierungs­vorlage, in der es heißt: „Zur Stärkung der Wettbewerbsposition des österreichischen Tourismus soll der Steuersatz für Leistungen von Beherbergungs- und Campingum­sätzen von 13% auf 10% gesenkt werden.“ Aufgrund dieser Maßnahme soll die öster­reichi­sche Tourismusbranche im Vergleich zu den Nachbarstaaten gestärkt werden.

Ja, wie wir alle wissen, war diese Maßnahme der letzten Bundesregierung, die Erhö­hung dieses Steuersatzes von 10 auf 13 Prozent, eine der Maßnahmen zur Gegen­finanzierung der Steuerreform. Wir haben diese Gegenfinanzierung zusammen mit der ÖVP beschlossen, und die ÖVP hat das auch mitgetragen. Ich gehe davon aus, dass damals jene Bundesräte von der ÖVP, die auch jetzt wieder hier sitzen, das ebenfalls mitgetragen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ja, es ist noch gar nicht so lange her! Aber das ist ja jetzt nichts Neues (Bundesrat Preineder: Ja, mitgetragen, hast du richtig gesagt!) – mitgetragen, ja, es ist so –: Jetzt, da vieles neu ist, da vieles in Bewegung ist, nimmt man diese Maßnahme wieder zurück – und in Wirklichkeit schenkt man damit den Tourismusbetrieben circa 120 Millionen Euro.

Ich persönlich sehe in dieser Politik wenig Bewegung, noch sehe ich darin etwas Neues. Es handelt sich eher um Klientelpolitik der alten ÖVP. Dieses Mal aber, muss ich dazusagen, wird sie von der FPÖ unterstützt, die ja immer gegen diese Form der Klientelpolitik war und aufgetreten ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber auch gegen den 13-prozentigen Umsatzsteuersatz!) – Ja, früher waren Sie sowieso gegen alles. (Bundesrat Samt: Ihr habt gesagt, mit euch „mitgetragen“! Also: Keine Geschichten erzählen!) – Ich bin ja noch nicht fertig.

Unsere Position ist da immer klar gewesen (Bundesrat Samt: Ihr habt immer eine klare Position!): Die Tourismuswirtschaft hat ja mit diesem verminderten Steuersatz, ob es jetzt 10 oder 13 Prozent sind, immer schon einen bevorzugten Steuersatz gegen­über anderen Unternehmen gehabt, die mit 20 Prozent besteuert wurden. Weiters glaube ich nicht, dass die Tourismussparte nach der Einführung dieser 13 Prozent zusammengebrochen ist oder dass sich ihre Werte so verschlechtert haben.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 58

Ich bin ja ohnehin davon ausgegangen – das werden mir wahrscheinlich sehr viele auch bestätigen können –, dass ein Unternehmen, das immer gut kalkuliert, diese Erhöhung so oder so an den Urlauber und an den Besucher weitergegeben hat. Im Umkehrschluss glaube ich auch nicht, dass die Angebote künftig um diese 3 Prozent günstiger werden. Ich bin schon neugierig darauf, ob wir, wenn wir in Zukunft den Preisvergleich anstellen, da eine Vergünstigung feststellen können.

Ich finde es generell falsch, dass wir unsere Tourismusbranche beim Vergleich mit anderen Tourismusländern nur anhand des Preises messen. Es sollten dabei vielmehr Attribute wie Qualität, erhöhtes Angebot, Freundlichkeit und natürlich eine gewisse Sicherheit eine maßgebende Rolle spielen.

Für eine nachhaltig funktionierende Freizeitwirtschaft und für einen nachhaltig funk­tionierenden Tourismusbereich reicht es meiner Meinung nach nicht, diesen Steuersatz mit der Gießkanne wieder um 3 Prozent zu senken. Hier sind wesentlich weiter reichende Maßnahmen zu treffen, verbesserte Rahmenbedingungen zu setzen, und es ist natürlich auch – wenn wir wieder an die Mitarbeiter denken – für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen.

Abschließend möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass es sich bei der Rücknahme dieses damals von 10 auf 13 Prozent erhöhten Steuersatzes auf nunmehr wieder 10 Prozent um reine Klientelpolitik handelt – und dabei werden wir sicher nicht mitgehen. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

12.10


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist nun Kollege Christian Poglitsch. Ich erteile ihm dieses.


12.10.26

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es ist schon spannend, wie die SPÖ Tourismus und Wirtschaft sieht, aber das zeigt, dass sie überhaupt kein Verständnis für die Wirtschaft und für den Tourismus in diesem Land hat. Ich glaube, eines muss von dieser Stelle aus schon klar und deutlich gesagt werden: Wenn wir uns die österreichische Tourismuswirtschaft anschauen, dann wissen wir ganz genau, dass diese europaweit – und ich sage: weltweit – führend ist, dass sie Tourismusweltmeister ist, und das aus gutem Grund: weil die Touris­mus­wirtschaft es über Jahre verstanden hat, auch ordentlich zu wirtschaften und mit dem Geld ordentlich umzugehen.

Wenn heute hier davon gesprochen wird, dass die Mehrwertsteuersenkung von 13 auf 10 Prozent der Tourismuswirtschaft in der Struktur nicht hilft und reine Klientelpolitik ist, dann versteht man Tourismuswirtschaft nicht, denn wir wissen ganz genau, dass Touris­mus in erster Linie von einer guten Stimmung und in zweiter Linie von der Qualität der Infrastruktur lebt, der Qualität der Betriebe und der Qualität der Infra­struktur in den Gemeinden. Die Änderung dieses Gesetzes und die Reduzierung der Mehrwertsteuer hat ausschließlich ein Ziel, nämlich die Tourismuswirtschaft so zu stärken, dass die 300 000 Arbeitsplätze, die sie auch in Kärnten zur Verfügung stellt, auch erhalten bleiben. Wenn nämlich die Tourismuswirtschaft nicht in Qualität inves­tieren kann, dann wird ganz, ganz schnell auch der Gast dies bemerken und Österreich nicht mehr so gerne besuchen. Das muss man auch einmal wissen! Wenn man schon selber von Tourismuswirtschaft keine Ahnung hat, dann sollte man sich das vielleicht von den Professionisten, und das sind in dieser Frage wir, erklären lassen. Das ist daher keine Klientelpolitik, so wie ihr das darstellt.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 59

Weil ihr auch von Qualität gesprochen habt, so sage ich hier auch ganz offen: Auch das ist eine neue Qualität der Politik, dass man etwas zugibt. Ihr habt vollkommen recht, hier sitzen Bundesräte, die damals mitgestimmt haben, aber das war damals ein Antrag der SPÖ, und in der Koalition ist das auch mitgetragen worden – nicht mehr und nicht weniger. Aus Koalitionstreue hat man das mitgetragen – im Wissen, dass das ein Fehler war, und das geben wir heute auch zu. Es ist aber eine neue Qualität der Politik, dass man das zugibt und dann auch ändert. Das wird daher von uns jetzt auch geändert, und ich bin froh, dass unsere Tourismusministerin die Vorlage für diese Änderung eingebracht hat und diese auch mit dem Finanzminister abgesprochen hat. Sie haben nämlich erkannt, dass es der Tourismuswirtschaft hilft, mit diesen 3 Prozent an zusätzlichen Mitteln in die Qualität zu investieren, denn wir wollen die 144 Millionen Nächtigungen in Österreich halten und ausbauen und vor allen Dingen – und das sollte die SPÖ interessieren – auch die 300 000 Arbeitsplätze sichern (Ruf bei der ÖVP: Richtig!), denn das ist auch etwas Wesentliches. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie Bravoruf bei der ÖVP.)

Aber das ist euch anscheinend egal, denn es geht euch schlicht und einfach nur darum, diese neue Regierung – egal, was auch immer sie macht – schlecht darzu­stellen. (Ruf bei der SPÖ: Na, na!) Das ist das Einzige (Bundesrätin Grimling: Nein, uns geht es um die Sache!), denn die Argumente, lieber Kollege, sind dir ganz, ganz schnell ausgegangen. Und jetzt werde ich dir noch etwas verraten: In ganz Europa haben von den 28 EU-Mitgliedstaaten 20 einen niedrigeren Steuersatz. Da reden wir in der Schweiz von 3,7 Prozent und in Deutschland von 7 Prozent – damit wir wissen, wovon wir reden.

Reden Sie daher bei 10 Prozent nicht von einem ermäßigten Steuersatz, denn: Wir liegen damit noch immer deutlich darüber – das muss man auch sagen –, aber in Anbe­tracht dessen, dass dies der Steuersatz ist, der zuvor gegolten hat, hat man sich auf diese 10 Prozent geeinigt. – Das ist das Problem: dass ihr von Tourismus und Wirtschaft überhaupt keine Ahnung habt! Also stellt euch bitte nicht hier her, um uns zu erzählen, wie es geht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Und jeder Touristiker wird auch bestätigen – weil du die Frage angesprochen hast, ob sich das dann im Preis niederschlagen wird, ob dieser günstiger werden wird –: Es hat damals, als von 10 auf 13 Prozent erhöht worden ist, niemand die 3 Prozent auf den Preis aufgeschlagen, weil er sich es gar nicht leisten kann, sie aufzuschlagen, weil all die internationalen Anbieter diesen Preis auch nie ersetzen oder verrechnen würden. Das muss man auch dazusagen. Egal, wie du deinen Preis kalkulierst, im Endeffekt muss es der Kunde zahlen, und die 3 Prozent musste dann der Unternehmer schlucken. Das war einfach so. Und jetzt wird ihm das zurückgegeben, damit er die Kraft hat, zu investieren. Wir wissen auch, was die Wertschöpfung der Tourismus­betriebe betrifft, dass diese ganz, ganz gering ist und dass auch die Eigenkapitalquote gering ist. Damit helfen wir ihnen jetzt, diese zu stärken. Ausschließlich das ist das Ziel, das diese Bundesregierung und unserer Frau Ministerin damit verfolgen: dass die Tourismuswirtschaft gestärkt wird, dass die Arbeitsplätze dort gesichert sind und dass die Tourismusbetriebe in diesem Land auch eine Zukunft haben.

Deswegen: Ein Dankeschön an die jetzt nicht anwesende – sie kann leider aus familiären Gründen heute nicht anwesend sein – Elli Köstinger, dass sie das auch durchgesetzt hat. Danke, liebe Elli, von hier aus Richtung Kärnten! (Beifall bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Da das heute meine letzte Rede in diesem Haus sein wird, möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich bei euch allen, wirklich allen, recht herzlich für die gute, tolle, konstruktive Zusammenarbeit auf Au­gen­höhe (Heiterkeit des Bundesrates Pfister sowie Zwischenruf der Bundesrätin


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 60

Grimling) zu bedanken. Ich glaube, da kann sich der Nationalrat von uns etwas abschauen, wenn es darum geht, wie man außerhalb dieses Gremiums, auch wenn es hier oft hart zur Sache gegangen ist, trotzdem zusammengestanden ist (Bundesrätin Grimling: Das darf nicht wahr sein! – Bundesrat Pfister – erheitert Beifall spendend –: Zwischenapplaus für Herrn Poglitsch!) und immer eine Kommunikationsbasis gehabt hat. Dafür möchte ich ein Dankeschön sagen.

Ich gebe diesem Haus etwas mit: Egal, in welcher politischen Funktion ich in Zukunft tätig sein werde, ich werde den Bundesrat gegenüber allen immer positiv vertreten. Ich wünsche Ihnen eine gute Zukunft, euch allen alles Gute und vor allen Dingen viel Gesundheit. Danke schön, dass ich ein Teil von euch sein durfte! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ und BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.16


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Kollege Poglitsch. Wir wünschen dir auf diesem Wege bei deiner verantwortungsvollen Aufgabe als Bürgermeister in Kärnten noch viel Kraft und Erfolg. Danke für deine Tätigkeit hier bei uns im Bundesrat und alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ und BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile ihm dieses.


12.17.01

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wunderschön, hier am Rednerpult zu stehen und bereits nach drei Monaten von dieser neuen Regierung endlich die erste Steuersenkung auf den Tisch zu bekommen. (Ruf bei der SPÖ: Aber für wen? Für wen?) „Endlich“ sage ich deswegen, weil wir 40 Jahre Sozialismus hinter uns haben und diese 40 Jahre So­zialis­mus es geschafft haben, Österreich zu einem Hochsteuerland zu machen (Bundesrätin Grimling: Hochkonjunktur!) und dieses Erbe einer neuen Bundes­regierung und vor allem den Menschen in diesem Land zu hinterlassen. Wir alle – nicht nur die Betriebe, auch die Mitarbeiter, alle! – leiden unter dieser unheimlich hohen Steuerbelastung. (Ruf bei der SPÖ: Wer war denn Finanzminister?)

Zwischen einem Bruttolohn und einem Nettolohn sind über 100 Prozent Unterschied, über 100 Prozent! Und was macht ihr mit diesem Geld? (Bundesrätin Grimling: Hoch­konjunktur!) Über 90 Prozent Staatsverschuldung habt ihr hinterlassen! (Bundesrat Novak – in Richtung ÖVP weisend –: Da ummi schauen! Wer war denn Finanzminis­ter?) Also das, was mein Vorredner Poglitsch gesagt hat, nämlich dass ihr nichts von Wirtschaft versteht, kann ich nur dreimal unterstreichen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Und dazu kommt folgende Erkenntnis: Ihr werdet auch in den nächsten 40 Jahren von Wirtschaft nichts verstehen! Der Maschinensteuerkanzler Kern kann froh sein, dass ihm ein angenehmer Rückzug aus seiner Position möglich war, denn mit dem hätten die Menschen angesichts dieser Hoch- und Höchststeuerbelastung ganz anderes vor. (Ruf bei der SPÖ: ... 30 Jahre Finanzminister?! – Bundesrat Schennach: Aufpassen! Die ÖVP hat schon länger die Finanzminister ...!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Gratulation zu dieser neuen Bundes­regierung, die sich endlich um den Arbeitsstandort und Wirtschaftsstandort Wien kümmert, denn nur Unternehmer und deren Mitarbeiter schaffen die Arbeitsplätze, die wir für unsere Menschen so dringend benötigen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 61

Gerade die Hoteliers- und die Tourismusbranche ist mit 15 Prozent Wertschöpfung eines der besten und bestvernetzten Wirtschaftssegmente Österreichs, aber dazu kommt, dass sie mit einer negativen Eigenkapitalquote von beinahe 30 Prozent aller Betriebe die am schlechtesten dastehende Branche ist. Also denen muss ja geholfen werden! Und wenn ich in Wien, und als Wiener darf ich das sagen, zwischen dem Michaelerplatz und dem Kaiserin-Maria-Theresia-Denkmal gehe und flaniere, wie Millionen andere Menschen jährlich auch – diese plus/minus 500 Meter sind der meistbegangene Tourismuspfad Österreichs –, dann denke ich: Diese Menschen müs­sen wir doch zum Verweilen in Österreich, in Wien, einladen! Denen müssen wir doch eine Möglichkeit bieten, nicht gleich wieder nach Hause zu fahren, weil wir hier in Österreich so ein teures und qualitativ nicht internationalen Standards entsprechendes Angebot haben! (Bundesrätin Reiter: Geh bitte! – Ruf bei der SPÖ: Wir haben ein Nächtigungsplus!)

Es ist ja auch eine Visitenkarte eines Landes – dass euch Österreich wurscht ist, das wis­sen wir eh schon lange –, da einen Standard anzubieten und den Menschen einen ent­sprechenden Komfort zu bieten, so wie es in Deutschland, in der Schweiz, in Südtirol oder in anderen Staaten, mittlerweile auch in der Slowakei und in Ungarn, bereits gang und gäbe ist. Die überhöhten Umsatzsteuern wurden ja schon ange­sprochen: Mit 13 Pro­zent sind wir far away von der Realität – die Schweiz hat 4 Pro­zent, auch Deutschland hat nur 7 Prozent, sogar das Hochsteuerland Italien hat nur 10 Prozent.

Ich möchte auch unserer Außenministerin Kneissl ein Lob aussprechen. (Bundesrat Schabhüttl: Die ist ja gar nicht da!) Sie hat es geschafft, die Neutralität Österreichs wiederzuerwecken, ganz im Sinne der Beziehungen Österreichs zu Russland. Wir hatten traditionell immer eine gute Beziehung. (Bundesrat Weber: Darum fliegt ihr immer zum Putin!) Der russische Gast ist in Österreich ein sehr gern gesehener Gast, ein willkommener Gast, er gibt nämlich doppelt so viel Geld wie alle anderen Touristen aus, also müssen wir uns auch dieses Gastes annehmen. (Bundesrätin Grimling: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

Einen letzten Punkt möchte ich noch erwähnen, zum rot-grünen Wien, wo ihr ja seit 100 Jahren regiert. Seit 100 Jahren regiert ihr in Wien! Im rot-grünen Wien haben sich gerade in den letzten Jahren Umwidmungen und Hochhausbauten breitgemacht (Bun­des­rat Schabhüttl: Themenverfehlung!) und die alte Kaiserstadt, das imperiale Wien – deswegen kommen ja diese Millionen Besucher in erster Linie nach Wien – stark in Misskredit gebracht.

Häuserabrisse, Hochhausbauten, Umwidmungen, das Zusammenspiel mit Bauspeku­lanten: Das ist ein großes Thema in Wien und wird die Wiener in den nächsten Jahren noch beschäftigen, weil immer mehr öffentliche Räume, alte Bauten aus der Grün­derzeit verschwinden und nicht mehr touristisch genützt werden können. Wir sind gegen die Umwidmungen und all diese Bauspekulanten in Wien, vor allem in Anbe­tracht dessen, was jetzt am Heumarkt passiert und was in absehbarer Zeit bei der Karlskirche passieren wird. Da könnt ihr regieren und wirklich aktiv gestalten und zeigen, dass euch der Tourismus am Herzen liegt, bei diesem Gesetz offensichtlich nicht. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

12.21


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Heide­linde Reiter. Ich erteile ihr dieses.


12.21.34

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich hoffe, dass ich die Emotionen aus diesem Thema etwas heraus-


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 62

bringe. (Bundesrat Schennach: Warum? Politik ist Emotion! – Bundesrätin Grimling: Warum?)

Wir werden dieser Senkung zustimmen. Ich bin in vielen Bereichen Pragmatikerin und kenne mich im Tourismus auch einigermaßen aus, gerade, was die Situation von Familienbetrieben – in diesem Bereich haben wir ja viele – betrifft und die Ertragslage, die es da gibt. Dass es natürlich eine Milchmädchenrechnung ist, zu glauben, dass sich das auf die Preise auswirkt, das zeigt ja schon der Vergleich mit der Schweiz. Die Preise in der Schweiz sind bei einer Steuerlast von 3,7 Prozent wieder ganz andere, das kann man nicht wirklich in Relation setzen. (Bundesrat Stögmüller: Ganz etwas anderes!)

Ich habe dennoch die Hoffnung, dass das gesparte Geld in Innovationen fließt, auch im Vertrauen auf unsere doch sehr starke Tourismusindustrie, unsere sehr innovative und sehr erfolgreiche Tourismusindustrie, und dass es auch in die Attraktivierung der Arbeitsplätze investiert wird, die auch immer wieder notwendig ist, wenn dieser Zweig überhaupt noch Menschen gewinnen will, dort zu arbeiten.

Da gehört heute vonseiten der Betriebsinhaber, der Betriebsführer viel dazu, ent­sprechendes Personal zu bekommen, da muss das Angebot schon stimmen, und auch dafür ist Geld notwendig. Eine Niedriglohnbranche ist nicht zielführend, gerade für den Tourismus, den wir in Österreich anbieten. Der Mensch ist im Tourismus nach wie vor wichtig, die Menschen in diesem Bereich sind nicht ersetzbar, auch nicht durch irgend­welche Digitalisierungen.

Das Ganze zeigt aber auch, dass wir in der EU natürlich eine Steuerharmonisierung dringendst brauchen. Wenn wir hier darüber sprechen, wie es gelingt, die Wettbe­werbssituation mit den angrenzenden Ländern zu erreichen, besteht immer wieder die Gefahr, dass es zu Steuerdumping kommt. Wenn sich einer bewegt und nach unten geht, dann ziehen die anderen mit und es fehlt dann natürlich dem Staat das Geld, um entsprechende Infrastruktur anbieten zu können, die in diesem Bereich unumgänglich ist.

Es ist also dringend notwendig, auf EU-Ebene – und das sollte wirklich von uns auch betrieben werden – zu Steuerharmonisierungen zu kommen, um die Wettbewerbs­situation zu verbessern. Es ist auch den Tourismusbetrieben, glaube ich, nicht zu erklären, warum Ketten wie Starbucks praktisch keine oder nur ganz geringe Steuern zahlen, während unsere Betriebe belastet, hoch belastet sind, auch mit der ganzen Büro­kratie rundherum. Wenn man sich ausrechnet, was solche Ketten in Österreich an Steuern zahlen müssten, dann ist das den Menschen nicht zu erklären.

Diese Fragen können nur auf EU-Ebene gelöst werden und müssen auf EU-Ebene gelöst werden, um da wirklich einen Wettbewerb herzustellen, und das sollte ja auch Ziel der EU sein.

Den Kleinen hängt man und den Großen lässt man laufen. – Es sollte nicht sein, dass sich der Kleine so fühlt. Dass man da sehr viel konsequenter und besser handelt, ist man, denke ich, den Betrieben gerade in Österreich, die ja immer noch zum größten Teil kleinstrukturiert sind, schuldig; auch damit der Staat und gerade die Länder die finanziellen Möglichkeiten haben, in die Infrastruktur zu investieren.

Der Tourismus ist natürlich auch ganz stark davon abhängig, ob der Staat investieren kann, angefangen von der Erhaltung von Denkmälern, von Investitionen in Kultur, in Straßen, die Bahn, die Infrastruktur und so weiter. Davon ist der Tourismus abhängig und dafür muss der Staat entsprechend Geld haben. Es ist der dringende Wunsch, dass das, wie gesagt, einerseits über eine Steuerharmonisierung erfolgen kann, aber


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 63

man andererseits endlich auch die Großen in den Ländern, in denen sie ihr Geld verdienen und in denen sie wirtschaftlich aktiv sind, entsprechend zur Kassa bittet. – Danke, wir stimmen zu. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei BundesrätIn­nen von ÖVP und SPÖ.)

12.26


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß. Ich erteile es ihr.


12.26.47

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf mich in Vertretung von Bundesministerin Elli Köstinger, die leider aus familiären Gründen heute nicht hier sein kann, zu Wort melden.

Wir haben schon sehr viel über die Umsatzsteuersenkung gehört. Wir werden den Fehler, den wir vor einigen Jahren begangen haben, mit 1. November 2018 wieder rückgängig machen, wir werden wieder von 13 auf 10 Prozent reduzieren. Warum tun wir das? – Das wurde schon gesagt: 20 Mitgliedstaaten der EU haben niedrigere Umsatzsteuern im Tourismus als Österreich. Was wünschen wir uns? – Wir wünschen uns, konkurrenzfähig zu bleiben. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) In der Schweiz sind wir bei 3,7 Prozent, in Deutschland – unserem großen Nachbarn, zu dem wir sehr gerne hinschauen und von dem wir auch sehr gerne etwas abschauen – sind wir bei 7 Prozent.

Wir sind jetzt bei 13 Prozent, und die Erhöhung von 10 auf 13 Prozent wurde damals nicht an die Gäste weitergegeben, sondern die Betriebe mussten diese Erhöhung schlucken, konnten weniger investieren und konnten sich weniger konkurrenzfähig machen unseren Nachbarn, unseren benachbarten Staaten gegenüber.

Der Tourismus ist in Österreich ein unglaublich wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es gibt 300 000 Beschäftigte, es gibt 30 000 Betriebe. Wir wollen sie unterstützen, wir lösen hiermit ein Wahlversprechen ein. Wir wollen die Wirtschaft in Österreich ankurbeln. Es gibt 144 Millionen Nächtigungen in Österreich, ich möchte das wiederholen, 144 Millio­nen Nächtigungen. (Bundesrat Schabhüttl: Trotz 13 Prozent!) Österreich ist ein Land der Gastfreundschaft und wir müssen unseren Betrieben, sowohl den kleinen, den Familienbetrieben, den Campingplätzen, aber auch den großen Betrieben, die sich in Skimetropolen oder in Tourismusmetropolen befinden, die Chance geben, zu inves­tieren. Nur wer investiert, mit der Zeit geht und seine Standards erhöht, wird auch weiterhin Touristen anziehen können. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!)

Die wichtigste Frage ist jetzt: Wie können wir diesen Betrieben helfen? Wir wollen, dass diese Betriebe weiterhin beschäftigen, wir wollen, dass diese Betriebe überleben. Ich glaube, gerade in den ländlichen Regionen sind diese Betriebe auch ganz wichtig gegen die Landflucht junger Menschen.

Indem wir die Umsatzsteuer von 13 auf 10 Prozent reduzieren, gehen wir viele Prob­leme gleichzeitig an: Wir unterstützen die Wirtschaft, wir unterstützen nachhaltige Förderungen in die Wirtschaft, nachhaltige Investitionen, wir erhalten Arbeitsplätze, wir erhalten Kleinbetriebe und wir erhalten Österreich als eines der gastfreundlichsten Länder der Welt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.29


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 64

Eine weitere Wortmeldung dazu: Herr Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs. Ich erteile ihm das Wort.


12.30.34

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Hohes Präsidium! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Es ist heute schon vieles gesagt worden, das meiste davon war richtig, aber einiges war wirt­schaftsfremd.

Die 13 Prozent Umsatzsteuer waren ein klarer Standortnachteil für Österreich. Im Ver­gleich zu vielen EU-Staaten – wie zum Beispiel Deutschland mit 7 Prozent – wendet Österreich derzeit noch einen nahezu doppelt so hohen Umsatzsteuersatz für Beherbergungs- und Campingumsätze an.

Der Tourismus ist einer der zentralsten Wirtschaftsfaktoren in Österreich, der Touris­mus erbringt eine direkte und indirekte Wertschöpfung von 56,5 Milliarden Euro oder 16,1 Prozent des BIPs. Mehr als 30 000 Betriebe in Österreich profitieren von der Senkung der Umsatzsteuer, 490 000 Beschäftigte sind in der Gastronomie und Hotel­lerie tätig, und diese Arbeitsplätze werden durch die Senkung der Umsatzsteuer stär­ker abgesichert, aber auch weiter ausgebaut. Diese Maßnahme stärkt somit unseren gesamten Wirtschaftsstandort. Im Übrigen dient die Reduktion des Umsatzsteuer­sat­zes auch einem wichtigen Regierungsvorhaben, nämlich der Senkung der Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent, noch besser darunter. (Beifall FPÖ und ÖVP.)

Lassen Sie mich auf einen weiteren Fehler eingehen, den die Vorgängerregierung unter der sozialistischen Beteiligung begangen hat: Der erste Fehler war die Erhöhung der Umsatzsteuer von 10 auf 13 Prozent und der zweite Fehler war, dass die Ab­schreibungsdauer im Rahmen der letzten Steuerreform von 33 Jahre auf 40 Jahre erhöht wurde. Auch da werden wir im Rahmen der Steuerreform einen Umkehrprozess einleiten. Wir werden die Abschreibungsdauer verlängern (Ruf bei der ÖVP: Verkür­zen! – Ruf bei der FPÖ: Nicht, dass du dich vertust!), Entschuldigung, verkürzen (Bun­desrat Schennach: Sonst wäre es blöd!) und auch flexibler gestalten. Hier brauchen wir eine Angleichung an die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten. Wir werden zum Beispiel auch eine degressive Abschreibung einführen, um sicherzustellen, dass die Abschreibungsdauer der wirtschaftlichen Lebensdauer und somit dem Investitions­zyklus entspricht. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.33

12.33.20


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.33.508. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jah­resvorschau 2018 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-644-BR/2018 d.B. sowie 9933/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 65

Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. Ich bitte um den Bericht.


12.34.10

Berichterstatterin Marianne Hackl: Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jah­resvorschau 2018 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahres­vorschau 2018 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


12.35.26

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Werte Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Berichterstatterin hat uns schon mitgeteilt, dass die Frau Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, Bundesministerin Köstinger, diese Jahresvorschau 2018 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des Programms des Rates, das über 18 Monate läuft, vorgelegt hat. Wir werden es, auch in Kärnten, ab kom­menden Sommer für sechs Monate mitbetreuen.

Dieser Bericht umfasst eine ganze Reihe wesentlicher Positionen. Was auf uns zukommt, was den Umweltbereich anlangt, ist im Grunde genommen so umfangreich, dass man bei dieser Gelegenheit nur einzelne Themen herausnehmen kann. Es braucht dazu wahrscheinlich auch mehrere, die diesen Bericht beleuchten.

Wenn man sich das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union für die Zeit der Ratspräsidentschaft Österreichs ab 1. Juli 2018 anschaut, das in erster Linie, das muss man auch betonen, von der Frau Bundes­minis­terin angekündigt und vorbereitet worden ist, sieht man, dass es in dieser Zeit sehr viele Punkte umfasst, die mit Umwelt-, Klima- und Energiepolitik, mit Landwirtschaft und Fischerei und auch mit Kohäsionspolitik zu tun haben. Es liegt eine Menge Arbeit vor uns.

Tatsächlich steht auf EU-Ebene eine ganze Reihe wichtiger Entscheidungen zu Um­weltagenden an, wie die integrierte Klima- und Energiestrategie, der Umwelt- und der Klimaschutz und auch der koordinierte Umgang mit dem Pariser Klimaschutz­abkom­men. Das sind wirklich bedeutende Themen für eine Ratspräsidentschaft, die ohnedies vom Brexit, der jetzt verhandelt wird und vor der Tür steht, geprägt sein wird. Damit verbunden ist, dass das auch finanzielle Auswirkungen für die Zukunft haben wird, unter anderem werden Einsparungen notwendig sein, die wahrscheinlich auch oder sicher im EU-Agrarbudget gemacht werden müssen und damit auszugleichen sind.

Gerade unter diesen Vorzeichen hätte man sich von diesem Bericht klare Aussagen zur Klimapolitik erwarten können. Es fehlt jedoch in diesem Bereich eine klare Po­sitionierung Österreichs, eine solche ist nicht enthalten. Nicht nur in diesem Bericht gibt es dazu keine klaren Aussagen, auch das Fehlen von entsprechenden Mitteln für den Umweltschutz im Budget, das kürzlich vom Herrn Finanzminister vorgelegt wurde, zielt


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in diese Richtung. Ein klarer Standpunkt Österreichs in der Klimapolitik ist daraus ebenfalls nicht abzuleiten; dazu wird mein Kollege Schennach noch etwas sagen.

Auch zum Punkt nachhaltiges Europa sind diesem Bericht keine verbindlichen Aus­sagen zu entnehmen. Es ist zu befürchten, dass die Nachhaltigkeit – die Betonung liegt auf Nachhaltigkeit – den Interessen der Wirtschaft und der Landwirtschaft unterge­ordnet wird. Was bedeutet Nachhaltigkeit? – Ich als Bürgermeister einer National­park­gemeinde muss feststellen, dass Nachhaltigkeit für mich eine Zielsetzung ist, die nicht nur für den nächsten Wahltermin oder die aktuelle Legislaturperiode von Bedeutung ist. Nachhaltigkeit bedeutet auch, für die nachfolgenden Generationen unsere Plandaten ebenso auszurichten wie unsere Umwelt. Wir müssen sie für unsere Nachkommen lebenswert hinterlassen, damit sie etwas vorfinden, worüber sie sich freuen können; so wie diese saubere Umwelt, in der wir heute leben.

Meiner Meinung nach kommt dieses Geld, das nachhaltig gesichert wird, ausschließ­lich den Interessen der Landwirtschaft und der Agrarindustrie zugute – da spreche ich die Agrarindustrie an. Zu kurz kommen – das ist im Grunde genommen der Ansatz meiner Seite – die Themen Trinkwasser, Glyphosat, Tierseuchen, all die Pestizide. Umwelt hat auch mit Gesundheit zu tun, aber man hat sich immer in erster Linie für die Anliegen der Wirtschaft und der Agrarindustrie – da wiederhole ich mich – interessiert und darum gekümmert.

In der gestrigen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses zum Beispiel wurde die SPÖ bezüglich des Glyphosatverbots wieder niedergestimmt. Wir wissen, dass die EU in dieser Hinsicht mitzureden hat, aber ich glaube, dass es notwendig wäre – wir haben das in Kärnten auch so gemacht –, in diesem Bereich mehr aufs Gas zu steigen, um die Möglichkeit zu schaffen, die Pflanzenschutzmittel so schnell wie möglich von unse­ren Feldern wegzubekommen, da ihre krebserregende Wirkung in Studien nach­ge­wiesen wurde. Mir ist schon klar, dass es Ersatzmittel dafür geben muss, aber das Ganze ist wieder verlängert worden, und dass es für unsere Kinder und für die Umwelt schädigend ist, darüber, glaube ich, brauchen wir nicht zu reden. Klar ist auch, dass der Schutz der Artenvielfalt vor den Pestiziden notwendig ist und wir versuchen müssen, das Ganze zu entflechten und schneller über die Bühne zu bringen.

Wir hören und sehen auch immer wieder im Fernsehen, dass der Bestand der Insek­ten, insbesondere bei den Bestäubern, in den letzten Jahren dramatisch abgenommen hat.

Die Themen Gesundheit und Umwelt sind im Grunde genommen zweitrangig – leider Gottes. Mittlerweile, das wissen alle in diesem Land, ist Folgendes klar – dessen soll­ten wir uns auch bewusst sein –: Umweltpolitik ist auch – ich habe es schon gesagt – Gesundheitspolitik, denn eine gesunde Umwelt ist die wichtigste Ressource für ein gesundes Aufwachsen.

Meine Damen und Herren, wie wichtig diese Umweltpolitik genommen wird, haben wir leider Gottes im Budget gesehen. Ich habe das Gefühl, es wurde vom Finanzminister entgegen dem ursprünglichen Entwurf zum Umweltförderungsgesetz die Wichtigkeit vor allem des Bereichs der Gewässerökologie im aktuellen Budget nicht berücksichtigt.

Wie auch immer, es ist viel zu tun, vor allem im nächsten halben Jahr. Ich hoffe, dass in diesem Bereich noch sehr viel zusätzliches Geld aufgewendet wird, um die Umwelt zu erhalten. Vergessen wir nicht, dass wir ohne die Umwelt nichts sind und dass un­sere Nachkommen stolz auf uns sein sollten für das, was wir ihnen hinterlassen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätinnen Dziedzic und Reiter.)

12.43


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.


12.43.39

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus sehe ich sicher aus anderer Perspektive. Lieber Kollege Novak, du hast nur einen Bereich, nämlich den der Um­welt, herausgenommen. Es sind aber viele Bereiche in dieser EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus enthalten, und besonders ist da der Tourismus verankert. Ich glaube, es ist wichtig, dass auch die Digitalisierung im ländlichen Raum, genauso wie die Bildung und die Ausbildung im Tourismusbereich entsprechend vorangetrieben werden, damit Österreich ein gutes und ein hervor­ragen­des Tourismusland bleibt.

Das Thema Umwelt ist natürlich auch von maßgeblicher Bedeutung. Du sprichst von Nachhaltigkeit – das Wort Nachhaltigkeit kommt aus der Forstwirtschaft und aus der Landwirtschaft –: Österreich hat seit seinem EU-Beitritt und auch schon vorher mit seinen Umweltprogrammen für Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft gesorgt. Wir haben gemeinsam mit Finnland die beste Wasserqualität in Europa – das ist herzeigbar –, darum müssen wir da nicht unbedingt Verschärfungen machen, denn alle beneiden uns um unser Trinkwasser. Die Deutschen holen das Wasser aus unserer Region, aus dem oberösterreichischen Innviertel, weil sie solch eine Qualität nicht vorweisen können. Wir haben die Wasserrahmenrichtlinie, die jetzt wieder auf EU-Ebene ausgearbeitet wird und verschärft werden sollte.

Zum Thema Landwirtschaft werden wir in Zukunft natürlich eine heiße und heraus­fordernde Diskussion führen, besonders bezüglich des Brexit und der Frage, wie wir in Zukunft die Finanzierung sichern und die Mittel zur Verfügung stellen können werden.

Das Thema Kohäsionsfonds ist ebenfalls ein wichtiger Punkt für die ländlichen Re­gionen: Wie werden wir den Kohäsionsfonds in Zukunft befüllen? Im Endeffekt sind es jetzt 32,5 Prozent der Mittel, die in den Kohäsionsfonds hineinfließen, um den länd­lichen Raum zu stärken.

Das Thema Boden wird uns alle beschäftigen, nämlich der Bodenverbrauch in Europa nicht nur durch Verbau, sondern auch durch Verödung, Verwüstung, Klimawandel. In Italien, teilweise auch in Deutschland, besonders in Norddeutschland, wird durch die Befahrung von viel zu schweren Maschinen der Boden so verdichtet, dass das Leben im Boden abstirbt und somit der Boden seine Fruchtbarkeit verliert.

Es wird immer wieder von Tierarzneimitteln gesprochen: In Österreich werden Tier­arzneimittel nur im Beisein von Tierärzten eingesetzt, in anderen europäischen Län­dern haben wir andere Voraussetzungen, wonach – gerne auch von der Arbeiterkam­mer – das österreichische Produkt kritisiert wird, weil es zu teuer ist, weil es den Verbraucherpreisindex anregt. Aber wenn wir wollen, dass wir hohe Qualität haben, dann müssen wir auch bereit sein, für diese Qualität zu zahlen.

Das Thema Donauraumstrategie ist, so glaube ich, besonders wichtig. In der Donau­strategie wollen wir die Zusammenarbeit mit den Ländern Rumänien, Bulgarien und Ungarn auch im landwirtschaftlichen Bereich vorantreiben, damit wir von der Eiweiß­produktion des südamerikanischen Raums nicht mehr so abhängig sind – das wird wichtig sein.

In der E-Mobilität ist Österreich mit Holland Vorreiter, sodass wir auch diesbezüglich im Umweltbereich in den letzten Jahren sehr viel vorangebracht haben.


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Bei der Atompolitik sind wir die Bremser und wir schauen darauf, dass sich in Zukunft die Nachhaltigkeit auch bei der Energiepolitik noch mehr wiederfinden wird. Da haben wir natürlich wieder die Probleme im Naturschutz- und Umweltschutzbereich, wo man gegen Windräder und Wasserkraftwerke ist. Man verhindert somit sehr viele Projekte, die in Österreich möglich wären.

Österreich als Speicherplatz für nachhaltige Energie wäre auch eine Möglichkeit, die wir entsprechend nutzen sollten.

Die Biodiversität wurde schon angesprochen: Ja, das ist ein Thema, Biodiversität geht verloren. Das ist auch eine Aufgabe für uns Landwirte. Wir werden auch die Heraus­forderung in Zukunft annehmen. Wir werden Projekte starten, um die Biodiversität weiter voranzutreiben, damit sich die Insekten bei uns heimisch fühlen und auch die Vogelwelt nicht vom Aussterben bedroht ist.

Wir müssen aber auch wissen, dass Glyphosat nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt wird, sondern dass ein Drittel des Glyphosats im öffentlichen Bereich und in Privathaushalten eingesetzt wird. Vergleicht man diese Flächen mit den Flächen in der Landwirtschaft, so kann man sagen, dass die Intensität dieses Mitteleinsatzes auf Fläche gesehen in Privathaushalten und im öffentlichen Bereich weit stärker ist als in der Landwirtschaft. Ich bin kein Befürworter von Glyphosat; wenn es krebserregend ist, dann gehört es verboten, aber dazu gehören wissenschaftliche Studien aufbereitet, und auf diese müssen wir warten. (Bundesrat Schennach: Die sind vorhanden! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Die gibt’s!) – Es gibt einseitige, wissenschaftliche Studien. (Bundesrat Schennach: „Einseitig“?!) – Ja, es ist leider so. Ich habe den Befund und diese Unterlagen auch schon bekommen. Wir müssen entsprechend objektiv darauf schauen.

Bei Neonicotinoiden hat Österreich entsprechende Maßnahmen gesetzt, wir werden in Zukunft keine Neonicotinoide einsetzen, da sie nachteilig für die Gesundheit sind.

In diesem Sinne kann ich nur sagen: Der Bericht ist umfassend, auch sehr breit ge­fächert, und natürlich, wie ich schon vorher gesagt habe, für die unterschiedlichen Einstellungen der Nationen aufbereitet. Wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen. Es ist ein Bericht, der zukunftsweisend ist und für die österreichische Weiterent­wick­lung in der Biodiversität, in der Umwelt, in der Nachhaltigkeit, aber auch in der Land­wirtschaft von Vorteil ist. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.49


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


12.49.44

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es hat heute schon zwei Abschiedsreden gegeben. Ich kann Ihnen nicht zu 100 Prozent versprechen, dass ich bei der nächsten Sitzung gar nichts sagen werde, aber trotzdem ist dies wahrscheinlich die letzte Rede, die ich zu meinem absoluten Herzensthema halten kann und darf.

Es ist auch die Rede, in die die meisten Erfahrungen aus meinem politischen Leben einfließen, aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Klimawandel – ich bin als Biologin in die Politik gekommen, sehr beeindruckt vom Club of Rome in den 1970er-Jahren und diesen Berichten –, das ist die eine Seite. Die andere Seite ist mein wirklich tiefes Entsetzen über die Seichtheit und die völlige Inhaltsleere dieses vorliegenden Berichts. (Bundesrat Mayer: Na geh! – Bundesrat Längle: Na geh, bitte!)


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Lassen Sie mich dazu etwas in die Geschichte ausschweifen: Wir hatten einmal ein Toronto-Ziel, daran werden sich manche noch erinnern. Wir als Österreich haben uns dazu bekannt und wir haben versucht, Berichte und so weiter zu machen, um dieses Ziel zu erreichen.

Dann gab es das Kyoto-Ziel, das auch international verbindlich war. Umweltministerin Flemming – die Ressortverantwortung für diesen Bereich ist schon relativ lange bei der ÖVP – hat damals, im Mai 1990, eine Kommission entsprechend der deutschen Enquete-Kommission gegründet. Die Verpflichtung war, minus 20 Prozent CO2 bis 2005 zu erreichen, bezogen auf das Referenzjahr 1988.

Es wurde das Interministerielle Komitee Klima gegründet und es hätten alle Alarm­glocken schrillen müssen, als das Finanzministerium in dieses Komitee gar keinen Vertreter gesandt hat; man ist da ziemlich steckengeblieben. Jahrelang hat man dann ergebnislos einen 15a-Vertrag verhandelt, um zu schauen, wen – Gemeinden, Länder oder Bund – man belastet oder wen man dafür verantwortlich macht, dass nichts weitergeht. Jährliche Emissionsbilanzen hat man für andere Klimagase wie CH4 und N2O gar nicht gezogen, dazu gab es nur Abschätzungen. Quantifizierende Pläne zur Reduktion fehlten.

Man muss dazu rückblickend sagen: Die Bekenntnisse waren immer ambitioniert, die Maßnahmen völlig ungenügend. Seit 2000 ist die wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung und der zuständigen Ministerien zur Klimaproblematik zum Erliegen gekommen. Der Wissenschaftliche Beirat für Umweltfragen ist nach 25 Jahren sanft entschlafen. Kyoto ist bis 2013 und dann in die Verlängerung gegangen. Es wurde Bilanz gezogen: Wir hatten 2013 um 60 Prozent höhere Treibhausgasemissionen als in den 1990er-Jahren – von Sparen also gar keine Rede. Die Industriestaaten insgesamt übrigens haben die Ziele erfüllt und auch die EU. Österreich hat sie krachend verfehlt, was 400 Millionen Euro für den Zukauf der entsprechenden Emissionsrechte gekostet hat. (Bundesrat Samt: Das war mehr, Frau Kollegin, das war mehr!)

Auch für die zweite Periode: minus 16 Prozent bezogen auf 2005. Dabei ist 2005 ein für uns tolles Referenzjahr, denn da waren die Emissionen so hoch wie nie. Also auch für diese Periode sind wir nicht on track. Wir haben de facto um keine Tonne reduziert, wir haben die Emissionen mühsamst stabilisiert, und seit den letzten dreieinhalb Jahren sind sie wieder im Steigen.

Das heißt, Österreich hält sehr hartnäckig am mangelnden Umsetzungswillen fest. Dabei wäre Kyoto eigentlich nur eine Aufwärmübung, ein Aufwärmtraining für das, was uns bevorsteht, wenn das 2-Grad-Ziel erreicht werden soll. Es steht uns ein Marathon­lauf bevor. Kyoto hat uns gezeigt, dass wir nicht einmal für ein leichtes morgendliches Training aus dem Bett kommen. – Das ist die Situation.

Sieht man sich im Lichte dessen den Bericht an, so ist zum Thema Umwelt von An­gleichung von Zeitplänen bestimmter Berichterstattungspflichten die Rede. Im Bereich Fahrzeugemissionen zum Beispiel – unser größtes Problem, der Verkehr – kommt es dazu, dass wir Subsidiaritätsrügen im EU-Ausschuss aussprechen, aber nicht, was wir tatsächlich hier in Österreich tun wollen, um zu Senkungen zu kommen.

Meine Damen und Herren, wir müssen bis 2050 in unserer Wirtschaft komplett dekarbonisiert haben, als Industrienation 2030. Das ist das internationale Ziel. Da ist sehr viel weniger Platz, als ich meiner Rückschau hier dargestellt habe.

Es sitzt jetzt eine Partei in der Regierung, die ernsthaft darüber diskutiert, Tempo 140 auf den Autobahnen einzuführen. Wir haben Tempo 80 eingeführt, weil wir eben die Immissionsgrenzwerte in der Luft nicht erreicht haben. (Zwischenruf des Bundesrates Raml.) – Das war der Grund. Die Alternative war, Industriebetriebe nicht mehr


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zuzulassen, zuzusperren oder die gesamte Autobahn für drei Wochen zu sperren. Das hätte den gleichen Senkungszahlen entsprochen.

Zum Thema Ölheizungen: Jetzt ist davon die Rede, dass man diese ab 2020 irgend­wann einmal doch verbieten wird. Gleichzeitig wird über den Konzern OMV überhaupt nicht geredet, außer wenn er neue Ölfelder gefunden hat, aber darüber, wie es mit diesem Konzern im Lichte der Dekarbonisierung weitergehen soll, herrscht Schweigen im Walde. Wir wissen nichts darüber. Die OMV aber fördert die Initiative „Heizen mit Öl“, das ist im Netz nachzulesen. Der fünfzigtausendste Antragsteller ist gerade gefeiert worden, er konnte sich dort die Förderung für die neue Ölheizung und auch gleich die Ölheizung abholen. – Ich weiß nicht, ich orte da schon eine ziemliche Schizo­phrenie. (Bundesrätin Ecker: Das hatten wir schon!)

Zum Kapitel Chemikalien: In diesem Bereich halte ich die Politik gar nicht mehr für handlungsfähig, wenn wir uns anschauen, dass die EU gerade der Fusion von Monsanto und Bayer zugestimmt hat. 53 Milliarden Euro ist diese Fusion schwer, wobei internationale Investoren das eigentlich nur von einer Hand in die andere schaufeln. Auch die Auflagen sind derart, dass aus Bayer sozusagen ein weiterer inter­nationaler Konzern werden und sich die Zahl der Agrochemiekonzerne international von sechs auf vier reduzieren wird.

Welchen Einfluss diese Konzerne schon derzeit haben, hat die Glyphosatdiskussion auch auf europäischer Ebene ganz klar gezeigt: Anstatt Monsanto und auch Bayer zu zerschlagen und sie in eine Dimension zu bringen, die die Politik und die Länder überhaupt handlungsfähig werden lässt, lässt man sie auch noch fusionieren.

Es findet sich im Bericht kein Wort darüber, was wir mit der chemischen Belastung überhaupt tun wollen. Nehmen Sie etwa die Phthalate: Jeder von uns hier hat diese Weichmacher im Blut, bei Neugeborenen finden Sie im Nabelschnurblut inzwischen 150 toxische Substanzen. Im Bericht steht davon kein Wort, es wird darin lediglich ein Minipaket Abfall geschnürt. So geht man mit diesen Problemen um!

Zur Kohäsionspolitik: Es steht auch sehr entlarvend im Bericht, dass vom öster­reichi­schen EU-Ratsvorsitz keine größeren inhaltlichen Beiträge beziehungsweise Weichen­stellungen in Richtung einer territorialen Agenda 2020 intendiert sind. Man wird also während des EU-Ratsvorsitzes nichts machen und nichts einführen.

Mein Vorredner hat schon kurz zu Naturschutz und Biodiversität gesprochen. Meine Damen und Herren, bevor der heutige Tag vergangen sein wird, werden mindestens weitere 30 Arten ausgestorben sein. Täglich sterben zwischen 30 und 160 Arten aus.

Das Insektensterben war ebenfalls Thema: In deutschen Naturschutzgebieten, die untersucht wurden, hat man in den letzten 30 Jahren 75 Prozent der gesamten Bio­masse an Insekten verloren. Das ist ganz klar ersichtlich, Sie brauchen die Scheibe Ihres Autos heute nicht mehr zu putzen, wenn Sie von Salzburg nach Wien fahren, oder in der Autowaschanlage könnte man auch denjenigen, der früher die Scheiben geputzt hatte, abschaffen. Es gibt diese Insekten nicht mehr. Was das fürs Ökosystem heißt, da ja Insekten die Futtergrundlage für Vögel und Amphibien sind, brauche ich, glaube ich, hier nicht auszuführen.

Es gibt diesbezüglich Langzeitstudien, die besagen: Wir haben in Salzburg in den letzten Jahren 83 Prozent der Grasfrösche verloren, der Hauptart bei den Amphibien. Wir haben laut einer oberösterreichischen Untersuchung bei Vögeln zwischen 33 Pro­zent und 80 Prozent der Bestände verloren. Und im Bericht steht darüber: Hauptur­sachen des Biodiversitätsverlustes werden wir bekämpfen. Es steht nichts darüber drinnen, wer, wie und wann, sondern nur, dass zahlreiche internationale Konferenzen


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stattfinden werden, aber nicht, wie sich Österreich in diesem Zusammenhang positio­niert.

Wir kennen die Hauptschuldigen, wir wissen, es ist die Landwirtschaft, es sind Ge­bietsverluste – meine Redezeit geht zu Ende und die Probleme in der Landwirtschaft, die viele schon für nicht mehr reformierbar halten, der Verlust von Betrieben in diesem Bereich. Die Biobauernrate stagniert in Salzburg seit vielen Jahren; darauf kann ich jetzt aber nicht mehr eingehen.

Einer meiner Wünsche wäre ja zum Beispiel, dass die Lebensmittelkennzeichnung verändert wird. Es sollte nicht draufstehen: Bioapfel!, sondern es sollte, im umge­kehrten Fall, draufgeschrieben werden: Vorsicht, dieser Apfel wurde 32 Mal gespritzt!, oder: Vorsicht, dieses Fleisch ist höchstwahrscheinlich mit Antibiotika belastet! Das Einkaufsverhalten würde sich dann wahrscheinlich sehr schnell ändern.

Auch den Bereich Energie muss ich jetzt auslassen. Diesen Bereich betreffend gibt es gar keine Festlegungen in diesem Bericht, außer – dankenswerterweise – was Atom­kraftwerke angeht. Es wird aber nur gesagt, dass es acht Legislativdossiers im Ener­giebereich gibt, und es wird der Verhandlungsstand vorgestellt, nicht aber, wie wir uns diesbezüglich positionieren werden, dabei sinken der Anteil der Erneuerbaren und die Investitionen in Erneuerbare in ganz Europa. Man ist auf dem besten Weg, diesen Industriezweig in Europa und auch in Österreich zu ruinieren, aber in dem Bericht steht nichts darüber, dass die österreichische Präsidentschaft etwas dagegen tun würde.

Lassen Sie mich nur noch ein Resümee aus dem Ganzen ziehen – und dieses Resü­mee ist traurig und erschütternd –: Die Zerstörung unserer Lebensgrundlage ist aus wirtschaftlichen Gründen unverzichtbar. Ein Überleben der Menschheit können wir uns im Interesse des Wirtschaftswachstums nicht leisten. – Diesen Geist atmet dieser Bericht.

Das ist ein trauriges Resümee, das sage ich auch nach so vielen Jahren politischer Tätigkeit, und ich hoffe, es gelingt noch irgendjemandem, das Ruder herumzureißen. Ich werde mich sicher in einen Unruhestand begeben, aber auch traurig sein über jedes Gramm CO2, das in die Erstellung eines solchen Berichts geflossen ist. – Danke. (Beifall der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

13.02


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke. – Frau Kollegin Heidelinde Reiter, du hast ein bewegtes politisches Leben hinter dir, fast 30 Jahre lang hast du von der Kom­munalpolitik über den Salzburger Landtag bis – die letzten fünf Jahre – hier im Bundes­rat deine Beiträge geleistet. Ich bedanke mich für deine Arbeit, für deine Beiträge hier im Bundesrat. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft und viel Kraft. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile ihm dieses.


13.03.44

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben es ja bereits gehört: Es ist ein sehr umfangreicher und vielfältiger Bericht mit über 30 Kapiteln und Abschnitten. Ich werde mich heute nicht zehnmal hier zu Wort melden, um alle diese Kapitel behandeln zu können (Bundesrätin Mühlwerth: Schade!), sondern werde mich auf Weniges konzentrieren.

Gleich am Beginn des Berichts steht natürlich die Klimapolitik; sie wurde ja bereits angesprochen. Diese kann selbstverständlich auch nicht ganz losgelöst von der kürzlich von der Frau Bundesminister präsentierten Klimastrategie betrachtet werden.


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Da ist ja von durchaus ambitionierten Zielen die Rede, von einer CO2-Reduktion um 36 Prozent und davon, dass man bis 2030 100 Prozent erneuerbare Energie aufbrin­gen möchte. Derzeit liegen wir erst bei etwa einem Drittel. Seit 2001 ist Österreich über das Jahr gesehen ein Importeur von Strom aus Deutschland und aus Tschechien. Es sind ungefähr 15 Prozent des Jahresbedarfs, die da importiert werden.

Es ist natürlich auch klar, dass der Anteil an erneuerbarer Energie nur dann wirklich kontrollierbar ist, wenn wir auf diesem Gebiet autark und nicht von Importen abhängig sind, denn bekanntermaßen hat ja der Strom kein Mascherl, auch wenn dies den Konsumenten fälschlicherweise oft vorgegaukelt wird. Man braucht sich nur die Stromabrechnung eines privaten Haushaltes anzuschauen, da hat man – wunderbar! – eigentlich 100 Prozent erneuerbare Energie, die, ich weiß nicht, grün aus der Steck­dose kommt. In Wirklichkeit ist es jedoch so, dass der Anteil an nicht erneuerbarer Energie den Industriebetrieben zugeordnet wird, denn diese sehen das, sage ich jetzt einmal, weniger emotional.

Um das vorhin erwähnte Ziel zu erreichen, ist es natürlich notwendig, die heimische Energieproduktion auszubauen, und da sind Wasser- und Windkraft notwendig, aber natürlich auch ein entsprechender Leitungsbau. Und weil ich gerade ihre Rede gehört habe – Frau Kollegin Reiter ist jetzt leider nicht im Saal –: Es sind ja in erster Linie die Grünen, die sich gegen diese Form der Energie und gegen solche Projekte wehren. Ich erinnere nur an das Murkraftwerk in der Steiermark, an Kleinkraftwerke wie an der Kleinen Sulm, Leitungen in Salzburg und so weiter, überall gibt es Widerstand. – Meine lieben Damen und Herren von den Grünen, von nichts wird nichts kommen, auch nicht die erneuerbare Energie.

Wenn Sie mir noch einen Satz zur Frau Kollegin Reiter gestatten: Frau Kollegin Reiter hat gemeint, dass sie der Club of Rome in den Siebzigerjahren geprägt hat. Dazu muss ich sagen: Das ist leider der Beweis dafür, dass sie in den letzten 40 Jahren eigentlich nichts dazugelernt hat. Auch ich kann mich noch an die Horrorszenarien erinnern, die der Club of Rome damals gezeichnet hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir hätten heute keinen Wald mehr, wenn das eingetreten wäre, was der Club of Rome als mehr oder weniger sicher vorausgesagt hat.

Zu der Geschichte mit den Insekten: Die Frau Kollegin hat auf dem Weg nach Salz­burg – ich frage mich zwar, warum sie nicht mit dem Zug fährt (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP) – keine Insekten auf dem Auto, ich habe, wenn ich von Wien nach Leoben fahre, sehr wohl Insekten auf der Windschutzscheibe. Aber wahrscheinlich fährt sie so langsam, dass die Insekten ihr ausweichen können. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Eines muss ich Kollegin Reiter allerdings zugutehalten – Frau Kollegin Reiter ist jetzt wieder hier (Bundesrätin Reiter: Ich habe Sie schon hinten auch gehört!) –: Sie, Frau Kollegin, haben Ihre Ausführungen wirklich mit Leidenschaft gemacht, nur werden sie dadurch leider nicht besser oder richtiger.

Wir haben es also in diesem Bereich mit einem sehr komplexen System zu tun. Auf der einen Seite wollen wir ja auch die E-Mobilität fördern, was aber wiederum zur Folge haben wird, dass wir mehr Strom benötigen – und dazu müssen wir ihn auch pro­duzieren. Auch die gute Wirtschaftslage, die hoffentlich anhalten wird, wird ihren Bei­trag zu einem erhöhten Energieverbrauch liefern.

Zur Geschichte mit der E-Mobilität, die da drinsteht: Dazu, das muss ich zugeben, habe ich persönlich ein bisschen ein gestörtes Verhältnis. Ich frage mich manchmal, ob da nicht ein Irrweg beschritten wird. Mir kommt das ein bisschen so vor wie der seinerzeitige Hype um die Energiesparlampen, als von der EU diese giftigen Bomben an Energiesparlampen, diese Quecksilberbomben, verordnet wurden – heute kräht


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kein Hahn mehr nach den Energiesparlampen, weil sie sich durch die Entwicklung der LED-Technik, die wesentlich umweltfreundlicher ist, faktisch selbst überlebt haben. Und so erscheint mir auch die Umweltbilanz eines solchen E-Autos durchaus hinterfragenswert.

Ein zweiter Punkt in diesem Zusammenhang ist die Diskussion um die Kraftfahrzeuge, um die Pkws, die immer geführt wird; das steht ja auch in diesem Bericht drinnen. Die Diskussion um Diesel-Pkws ist ja hinlänglich bekannt. Natürlich ist sie durch vor allem die deutsche Automobilindustrie teilweise selbst verschuldet, aber sie konterkariert auf der anderen Seite wieder die Bestrebungen der CO2-Reduktion, da Dieselmotoren ja bekanntermaßen einen höheren Wirkungsgrad und damit einen geringeren Kraftstoff­verbrauch haben.

Es gibt Rechenbeispiele aus Deutschland, zum Beispiel aus dem Jahr 2016, als der Anteil der Diesel-Pkws 46 Prozent betrug. Der Durchschnitts-Pkw – also Diesel und Benziner – verursachte im Jahr 2016 einen Ausstoß von 126,5 Gramm CO2 pro Kilometer. Würde man jetzt all die Dieselfahrzeuge durch Benziner ersetzen, dann läge dieser rechnerische Gesamtausstoß pro Kilometer bei 132,7 Gramm CO2. In Öster­reich haben wir, das müssen wir auch noch berücksichtigen, einen höheren Diesel­anteil, nämlich einen von über 50 Prozent. Das Problem – ich weiß, das kommt jetzt, NOx –, das die Diesel haben, hat man mit den neuen Euro-6d-Regelungen eigentlich mittlerweile im Griff; das sollte man also auch nicht vernachlässigen.

Besonders wichtig in der gesamten Debatte sind mir die notwendige Verhältnismäßig­keit und das Augenmaß. Diese Beispiele haben ja gezeigt: Dreht man an einer Schraube, hat das oft sehr komplexe Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Wir leben in Österreich nicht auf einer Insel der Seligen: CO2-Emissionen, Verkehrsbelastungen machen nicht an unserer Staatsgrenze halt, und deshalb ist es wichtig, dass wir da im europäischen Gleichklang arbeiten. Ein Gold Plating in Österreich in diesen Bereichen würde dem Klima nicht helfen, aber dem Wirtschaftsstandort Österreich massiven Schaden zufügen. Deshalb ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass die Verhältnismäßig­keit in Betracht gezogen wird.

Ganz besonders freut mich als Montanisten natürlich – ein ganz anderes Thema –, dass in diesem Bericht auch ein Kapitel der Versorgung mit kritischen Rohstoffen gewidmet ist. Die Montanuniversität Leoben ist ja da an einer sogenannten KIC – Knowledge and Innovation Community Raw Materials vertreten und Sitz des regio­nalen Innovation Centers für Süd- und Südosteuropa. Das freut mich ganz beson­ders, und ich werde der Frau Bundesminister, wenn sie hier ist, persönlich sagen, da ja der Bergbau jetzt in ihrer ministeriellen Verantwortung ist, dass sie auf die Bergleute nicht vergessen soll. Ich schließe mit einem Glück auf! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.13


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort ge­meldet hat sich Frau Dr. Reiter. – Bitte.


13.14.04

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Kollege Krusche, ich habe mit keinem Wort davon gesprochen, dass das mit den Insekten auf der Windschutzscheibe meine persönliche Fahrerfahrung ist. Ich bin in den ganzen fünf Jahren immer mit dem Zug gefahren und nicht mit dem Auto, aber ich habe angenommen, dass Ihnen die Erfahrung mit dem Auto wesentlich näher ist (Beifall der Bundesrätin Dziedzic sowie bei der SPÖ) als eine abstrakte Untersuchung in Naturschutzgebieten, die Sie offen­sichtlich ohnehin wieder anzweifeln.

13.14



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Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Bundesministerin Dr. Bogner-Strauß. – Bitte.


13.14.44

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die EU-Jahresvorschau für 2018 von Bundesministerin Köstinger ist sehr ausführlich, das haben Sie sicher schon gesehen. Ich habe von ihr die Unterlagen bekommen und darf meine Ausführungen jetzt auf einige wenige Themenfelder reduzieren und auf diese eingehen; die meisten davon wurden bereits erwähnt.

Die wichtigsten Fokussierungen betreffen die Bereiche Umwelt, Klima- und Energie­politik, Landwirtschaft, Fischerei und Kohäsionspolitik. Das gemeinsame Ziel all dieser Politikfelder ist die Umsetzung einer nachhaltigen Politik, und dafür ist die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung eine ganz wichtige Orientierung.

Auf den Bereich Umwelt und Klima werden wir einen starken Fokus in dieser Präsi­dentschaft legen. Die Klimapolitik wird durch die Vertragsstaatenkonferenz geprägt, die Ende 2018 in Katowice stattfinden wird. Dabei wird die Umsetzung des Pariser Abkom­mens inhaltlich konkretisiert werden. Das dafür benötigte EU-Verhandlungs­mandat für die COP 24 in Polen wird unter österreichischem Vorsitz festgelegt werden. Österreich wird als Vorsitzland die Verhandlungen führen.

Der Umweltbereich wird durch Verhandlungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes im Verkehr geprägt, insbesondere in den Dossiers zu den CO2-Flottenzielen für Pkws und leichte Nutzfahrzeuge sowie in einem weiteren Dossier für schwere Nutzfahrzeuge, das die Kommission im Mai 2018 vorzulegen plant.

Auch der Bereich Abfallvermeidung ist sehr wichtig und wurde heute schon genannt. Zur Kreislaufwirtschaft konnten die Verhandlungen zu sechs Abfallrichtlinien kürzlich nach mehrjährigen und sehr intensiven Verhandlungen abgeschlossen werden. Als weitere Maßnahme des Aktionsplans Kreislaufwirtschaft und der Plastikstrategie hat die Kommission für 2018 die Vorlage eines Legislativvorschlages zu Einwegplastik und Meeresmüll angekündigt. – Das Thema Einwegplastik sehen wir hier auch als Priorität.

Im Bereich der Chemiepolitik, auch darüber wurde schon ausführlich diskutiert, wollen wir durch eine Reihe von Initiativen sicherstellen, dass eine klare Vorstellung davon entwickelt wird, welcher Beitrag seitens der Chemiepolitik zur Kreislaufwirtschaft zu erwarten ist.

Im Bereich Energie hat die Europäische Kommission im November 2016 das Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ vorgelegt. Dabei handelt es sich um das größte Energiepaket, das die EU jemals verhandelt hat. Das Paket ist einerseits ein wichtiger Meilenstein zur Umsetzung der Pariser Klimabeschlüsse, andererseits soll es die europäische Energiepolitik unter einem gemeinsamen Dach, der Energieunion, zusammenführen. Die Vorschläge betreffen die Themen Energieeffizienz, Elektrizitäts­binnenmarktdesign, erneuerbare Energien und Governance als Steuerungsrahmen für die Energieunion.

Unser Ziel ist ambitioniert. Wir streben in unserer Präsidentschaft die Abschlussreife aller noch verbleibenden Dossiers an.

Im Agrarbereich wird 2018 der Schwerpunkt auf der Zukunft der Gemeinsamen Agrar­politik nach 2020 liegen. Basierend auf der Mitteilung „Ernährung und Landwirtschaft der Zukunft“ arbeitet die Kommission derzeit an Legislativvorschlägen zu diesem Thema; auch diese sollen Ende Mai vorgelegt werden. Der Vorschlag zur Verbesse­rung der EU-Lebensmittelversorgungskette soll bereits im April vorgelegt werden.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 75

Das Ziel von Bundesministerin Köstinger ist es, beide Dossiers während ihres Vorsit­zes – unseres Vorsitzes – so weit wie möglich voranzubringen.

Die Schwerpunkte im Forstbereich betreffen die versuchte Wiederaufnahme der Ver­hand­lungen einer paneuropäischen Waldkonvention sowie die Einleitung des Reviews der EU-Waldstrategie.

Und genauso wie die Gemeinsame Agrarpolitik derzeit grundlegend überarbeitet wird, plant die Kommission für Ende Mai auch einen Vorschlag für die Zukunft der Kohä­sionspolitik nach 2020.

Da Höhe und Verteilungsmechanismen vom Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 plus abhängig sind, konzentrieren sich die Verhandlungen auf Fragen der thematischen Ausrichtung und der technischen Abwicklung.

Wir werden uns dabei insbesondere für eine fokussierte Mittelverwendung und für eine vereinfachte Verwaltung sowie auch für vereinfachte Verwaltungsverfahren einset­zen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.20


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Frau Bundesministerin.

Zu Wort ist Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


13.20.27

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin, ich weiß, Sie springen hier für Ihre Kollegin ein, und ich gehe auch nicht davon aus, dass Sie den EU-Vorhabensbericht tatsächlich gelesen haben, denn sonst würden Sie ja nicht zu der Aussage kommen, dass es sich um eine umfang­reiche Stellungnahme handelt. Die EU hat ein umfangreiches Umwelt-, Energie- und Natur­schutzpaket vorgelegt, aber die Stellungnahme der österreichischen Bundes­minis­terin ist eine Leermeldung.

Wenn ich alle Zeilen zusammenzähle, in denen eine Stellungnahme Österreichs vor­kommt, komme ich bei den 24 Seiten auf 15 Zeilen. Das ist also eine absolute Leermeldung. Noch dazu steht geschrieben, dass man das begrüßt, unterstützt und so weiter und eine Strategie erarbeiten wird. – Es ist keine Zeit mehr zum Erarbeiten von Strategien, das hat bereits eine Vorrednerin ausführlich dargelegt!

Zum wichtigen Thema EU-Umweltrecht – Better Regulation Agenda, Peer-Reviews-Aktionsplan und so weiter – gibt es nichts, da gibt es keine Stellungnahme Österreichs. Das ist ein Aktionsplan! Der Aktionsplan kommt, aber Österreich hat dazu nichts zu sagen. Im Bereich der Bioökonomie, der ganz wichtig ist, steht drinnen, dass man eine Strategie erarbeiten wird. Im Rahmen der Europäischen Union sind wir da schon wesentlich weiter.

Ein weiteres Beispiel ist das von Kollegen Tiefnig angesprochene Thema. Die Land­wirtschaft sagt: Wir werden uns einsetzen. – Wenn die Landwirtschaft so beginnt, dann weiß man, dass gar nichts kommt, dass alles abgewiegelt wird. Leider hat Kollege Tiefnig seine Äußerung zur Biodiversität so begonnen. 95 Prozent der Biodiversität weltweit ist verschwunden.

Wenn die Landwirtschaft sagt, dass man sich einsetzen wird, dann schauen wir bitter drein. Und wenn wir dann auch noch hören, dass alle vorliegenden Studien zu Glypho­sat einseitig sind, dann würde ich sagen: Bitte, liebe Landwirtschaft, ich weiß schon, dass ihr in Wirklichkeit von diesem Bericht komplett ausgenommen worden seid!

Wenn du auch noch die Wasserrahmenrichtlinie zitierst, dann möchte ich nur an eines erinnern: Zu dieser Wasserrahmenrichtlinie gehört ja nicht nur das Trinkwasser und


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 76

das Badewasser, sondern auch das Abwasser. Und Kollege Mayer weiß ganz genau, wer uns in der Sitzung des EU-Ausschusses gezwungen hat, eine Stellungnahme der Aufweichung zu machen, nämlich das Land Niederösterreich. Aus Agrarinteressen wird die Abwasserrichtlinie aufgeweicht, weil sie seitens der EU zu streng ist.

Das heißt, genau das Gegenteil ist da der Fall. Ich bin ja ganz neugierig, wie die Um­setzung der Verordnung über die gebietsfremden invasiven Arten vor sich geht.

Es gibt im Bericht einen interessanten Satz der Frau Ministerin zur Kreislaufwirtschaft – das ist etwas, das alle unsere Gemeinden machen –, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Es steht drinnen: „Recycling um jeden Preis sollte vermieden werden.“ – Dieser Satz ist interpretationswürdig. Wir versuchen seit 20 Jahren die Kommunen zu einer Kreislaufwirtschaft zu bringen, und sie tun das auch auf perfekte Weise. Im Bericht aber steht: „Recycling um jeden Preis sollte vermieden werden.“ – Das halte ich für mehr als bedenklich.

Nun komme ich aber zum Punkt CO2, der ja im Zentrum steht. Es war von der Strategie her nicht vorgesehen, dass vor zwei Tagen die Klima- und Energiestrategie vorgestellt wurde. Dazu muss ich sagen: schockierend. Ich kenne ja überhaupt niemanden aus dem Fachbereich – Professor Schleicher aus Graz, Professor Kromp-Kolb und so weiter, die verschiedenen Windkraft- und Biomasseverbände –, der das nicht auch so sehen würde. Das ist ja unglaublich! Diese Strategie ist ein Bauchfleck der Sonderklasse.

Wie dieses Papier vor der Präsentation ausgesehen hätte, wäre interessant gewesen. Da sind aber dann die Landwirtschaft, die Wirtschaft und der Finanzminister ins Spiel gekommen, die das ausgeplündert haben. Und nun haben wir eine Art Torso, der sich Klima- und Energiestrategie nennt und weder Budget noch Zeitplan hat – nichts.

In der Strategie steht aber, was bekannt ist, nämlich dass 6 Milliarden unserer Förde­rungen in klimafeindliche Bereiche gehen. Sehr etablierte und namhafte Institute haben das alles in den letzten Jahren ganz genau erarbeitet, nun aber heißt es, dass man Arbeitsgruppen dazu braucht. Das heißt, wir finanzieren weiterhin Antiklimamaß­nah­men und Antiklimastrategien.

Dann noch etwas: Ich war sehr beteiligt daran, dass es FEMIP, das genau in diesem Bereich tätig ist, bei der Europäischen Investitionsbank gibt. Dieses hat gleich zu Anfang gesagt, dass wir Energieeffizienz und die thermische Sanierung von Häusern brauchen. Genau diese thermische Sanierung, die so gut läuft, wird nun gekürzt!? Die Mittel werden gekürzt!

Die Frau Ministerin sagt, dass das eine Strategie mit Hausverstand ist – das ist schon ganz interessant –, die Klimaschutz und Wirtschaft nicht gegeneinander ausspielt, sondern sie zusammenbringt. – Das ist ja nett! Die Landwirtschaft wurde nicht in die Strategie aufgenommen, das Gewerbe und die Industrie sind nicht davon betroffen. Der Hausverstand scheint also irgendwo anders zu regieren, nicht aber in dieser Strategie.

Wenn man sich auch anschaut, dass noch bis 2020 massiv Ölheizungen – übrigens geförderte – installiert werden können und erst 2025 mit dem Ausstieg begonnen wird – nicht bei den frisch geförderten, sondern bei den alten –, dann frage ich mich schon, ob das nicht ein faschingshafter Beitrag sein soll. Oder was soll das sonst sein?

Ich meine, wir haben ganz klare Ziele für den Ausstieg aus der fossilen Energie. Die fossile Energie als Träger gehört diskriminiert. Heute zu dieser Stunde arbeiten 1 260 Windkraftwerke in Österreich, die ungefähr 11 Prozent der Energie erbringen. Das Land Burgenland zum Beispiel erzeugt 108 Prozent seines Energieverbrauchs durch Windräder. Das heißt, das Land Burgenland exportiert die überschüssigen 8 Pro-


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 77

zent in andere Bundesländer. Insgesamt werden in Österreich nur 11 Prozent der Energie durch Windräder erzeugt. Das ist zu wenig. Das ist zu wenig, um die verbindlichen Pariser Ausstiegsziele zu schaffen.

Diese Klima- und Energiestrategie, die nun vorliegt, die keinen Zeitplan und kein Budget enthält, die ohne Ambitionen ist und kontraproduktive Maßnahmen enthält, entspricht auch nicht dem, was hier heute angenommen wird, nämlich der EU-Jahresvorschau. Im Kapitel zur CO2-Reduzierung steht etwas anderes als im zwei Tage alten österreichischen Papier, was ja interessant ist. Es gibt da eine Spannung, die, muss ich sagen, wirklich nicht durchdacht ist.

Vor drei Tagen noch hätte diese Strategie auf dem EU-Papier gefußt und wäre daher interessant gewesen – das sagen alle, die irgendwie am Rande daran beteiligt sind –, und was ich so von den Expertinnen und Experten, von den NGOs oder von der Wis­senschaft höre, liegt das jetzt fünf Wochen auf. Wenn das so bleibt und eine Klima- und Energiestrategie zur Erfüllung der Pariser Ziele ohne Landwirtschaft, ohne Gewerbe, ohne Industrie, ohne Budget und ohne Zeitplan gemacht wird, dann zahlen das irgendwann unsere Kinder, das muss schon klar sein. Es kommen dann nämlich Strafzahlungen und andere Dinge, die wirksam werden, auf uns zu, und das ist bitter!

Da das eine Leermeldung ist, sagen wir ohne Vorbehalte Ja zu den Vorhaben der EU, aber Nein zu einer inhaltsleeren Meldung! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.)

13.29


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort ist Herr Bundesrat Preineder gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


13.29.55

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren die EU-Jahresvorschau, die eine sehr umfangreiche Vorschau ist und nicht – wie von manchen Vorrednern bezeichnet – eine Leermeldung. Sie beinhaltet sehr viele Teilbereiche. (Präsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf voranstellen, dass das Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus neu ge­ord­net wurde und nun ein sehr umfangreiches Ministerium ist, das viele Bereiche beinhaltet, die verzahnt sind, nämlich Umwelt, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Energie und Tourismus. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, zu lösende Probleme in einem Haus zu lösen.

In der Jahresvorschau wird deutlich, dass wir die Klimaziele von Paris unterschreiben und daran arbeiten möchten. Es ist aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Kollege Novak, liebe Frau Kollegin Reiter, lieber Herr Kollege Schennach, immer wichtig, dass man das mit Hausverstand und im Sinne der Machbarkeit angeht. Klima­schutz muss Hand in Hand mit der Wirtschaft gehen. Man kann Umweltschutz nicht gegen die Landwirtschaft betreiben. Wachstum und Umweltschutz sollen möglich, verzahnbar und nach Möglichkeit auch sozial verträglich sein. (Bundesrätin Reiter: Wirtschaft, die Umweltschutz betreibt?!)

Wir von der Österreichischen Volkspartei nennen das ökosoziale Marktwirtschaft. Es tut mir immer weh, wenn wir uns nur auf die Umwelt und Insekten fokussieren, wenn wir über die Umwelt diskutieren – wichtig, richtig –, wenn wir nur die Arbeitsplätze sehen, wenn wir über Wirtschaft diskutieren, wenn wir nur den Wirtschaftsbereich sehen, wenn wir über Soziales oder über die Wirtschaft diskutieren. Die Schwierigkeit und die politische Aufgabe, geschätzte Damen und Herren, ist, das alles miteinander zu vereinen und machbar zu machen.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 78

Sich hohe Ziele zu stecken, klingt zwar hier in diesem Haus und an diesem Rednerpult gut, wenn diese dann aber nicht umgesetzt werden, hilft das den Menschen draußen vor Ort sehr wenig. Darum bitte ich Sie, bei diesem Thema mitzugehen, wenn es um Nachhaltigkeit geht, damit wir die Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialem Gefüge aufrechterhalten, denn nur so können wir unsere Gesellschaft und unser Land entsprechend weiterentwickeln.

Wer sagt, dass diese Vorschau inhaltsleer ist: Seit zwei Tagen, Kollege Schennach, gibt es die neue Klima- und Energiestrategie. Diese ist keineswegs inhaltsleer, denn es steht drinnen: minus 36 Prozent bei den Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahr 2005, 100 Prozent Strom – aber nicht 100 Prozent Energie – aus erneuerbaren Energieträgern – in Niederösterreich bereits umgesetzt –, 45 bis 50 Prozent des Ge­samt­energiebedarfs sollen aus erneuerbarer Energie kommen, wobei wir da vor allem im Bereich der Mobilität gefordert sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.) Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch, das heißt, es geht darum, einen Energiemix entsprechend zu platzieren.

Es geht um einen langfristigen Ausstieg aus der fossilen Energie; ein kurzfristiger Ausstieg wäre zwar schön, wird aber wirtschaftlich und sozial nicht gehen, daher müssen wir das machbar und umsetzbar machen. In der Strategie finden sich des Weiteren maximale Versorgungssicherheit und die thermische Sanierung von Ge­bäuden.

Wer sagt, dass der Ausstieg aus Ölheizungen zu spät erfolgt: Es ist das erste Mal, dass eine Bundesregierung beschließt, dass es keine Neuinstallierungen mehr geben wird. Bitte also auch keine Panik machen, dass jemand, der eine Ölheizung hat, diese ausbauen muss! Dieses Verbot neuer Ölheizungen haben wir in Niederösterreich ebenfalls bereits umgesetzt. Das ist ohnehin etwas, das 25 Jahre Vorlaufzeit hat, aber diese Regierung tut es.

Verstärkung der E-Mobilität, Ausbau des Schienenverkehrs, Verstärkung der öffent­lichen Verkehrsanbindungen, Photovoltaikinitiative mit dem 100 000-Dächer-Programm: Das alles sind wichtige Schritte in einem Netzwerk. Es gibt nicht eine Maßnahme oder die Maßnahme, die das Klima rettet, sondern es werden viele, viele Maßnahmen notwendig sein. Genauso ist es im Bereich der Landwirtschaft. Da ist es wichtig – und das finden wir auch in diesem Bericht –, dass die Stellung der Landwirtschaft gegen­über dem Handel und der Verarbeitung gestärkt wird, also eine Stärkung im Bereich der Lebensmittelkette.

Es ist notwendig – diese Diskussion wird momentan geführt –, dass auch bei einem EU-Austritt Großbritanniens nach 2020 die Mittel für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen, und zwar nicht wegen Klientelpolitik, sondern weil die Landwirtschaft im Bereich der Umwelt, des ländlichen Raums und der Tourismuswirtschaft eine wichtige Rolle hat und diese Umweltleistungen nur dann entsprechend erbracht werden können, wenn sie honoriert werden. Wir müssen auch nachhaltig auf die junge Generation schauen und die Attraktivität der Landwirtschaft steigern, damit wir in der Zukunft noch Bauern in den Dörfern haben.

Wenn in diesem Bereich Förderungsmaßnahmen greifen, kommen sie auch den Kon­sumenten zugute, weil wir in Österreich ökologisch produzierte, sichere und leistbare Lebensmittel haben wollen. Frau Kollegin Reiter – ich schätze dich sehr, du hast wirk­lich einen sehr besorgten Eindruck bei mir hinterlassen –, ich kann dich beruhigen: Der Anteil der Biolandwirtschaft in Österreich ist im Steigen begriffen, sowohl gemes­sen an der Fläche als auch an der Anzahl der Betriebe. Wir sind auf einem guten Weg, der auch fortgesetzt werden soll.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 79

Die Forstwirtschaft in Österreich ist eine nachhaltige, europaweit müssen wir sie wie in Österreich gestalten. Die Bereiche Nachhaltigkeit und Forstwirtschaft sind in diesem Bericht auch beinhaltet.

Für die Tourismuswirtschaft haben wir vorhin eine Sofortmaßnahme beschlossen, nämlich die Reduktion der Mehrwertsteuer.

Wir stehen vor vielen Aufgaben, die wir aber nur im Kontext aller politischen Bereiche und gemeinsam in diesem Haus, im Parlament, bewältigen können. In diesem Sinne: Der österreichischen Bundesregierung alles Gute für die Ratspräsidentschaft und gutes Gelingen beim Umsetzen der vielfältigen Pläne! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.36


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster ist Bundesrat Peter Samt zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. – Bitte.


13.37.02

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuseher! Diese EU-Jahresvor­schau erweckt, wie wir nun bei vielen Vorrednern gehört haben, starke Emotionen, die bis zum tiefsten Pessimismus reichen; es schlägt aber auch in die andere Richtung aus.

Es ist von meiner Seite her nun nicht wirklich notwendig, auf den Umfang einzugehen. Frau Kollegin Reiter meinte betreffend den vorhergehenden Bericht, dass der Umfang klein sei; nun ist der Umfang groß, das sagt aber auch nichts aus, Kollege Schennach hat von einer Leermeldung gesprochen und von Kollegen Novak ist sehr viel Pessimis­mus gekommen.

Was mir dabei aufgefallen ist: Kollege Novak hat behauptet, dass das Thema Trink­wasser beziehungsweise Wasser zu kurz gekommen sei. Da ich mich mit zwei The­menbereichen in diesem Bericht stärker und näher befasst habe, nämlich gerade mit dem Thema Wasser und auch mit dem Thema Energie – zur Energie ist auch schon sehr viel gesagt worden –, möchte ich schon sagen, dass die EU-Wasserrahmenricht­linie eine interessante Geschichte werden wird. Viele Zukunftsforscher haben nämlich bestätigt, dass sich die Zukunft um das Wasser drehen wird.

Im mitteleuropäischen Raum haben wir reichlich Wasser von hoher Qualität. Das Was­serdossier wird ganz eindeutig eine wichtige Rolle während der österreichischen Ratspräsidentschaft spielen, insbesondere auch deswegen, weil am 20. und am 21. September dieses Jahres die EU-Wasserkonferenz in Österreich stattfinden wird, die gemeinsam von der Kommission und der österreichischen Ratspräsidentschaft ausgerichtet wird. Dass man diesem Thema zu wenig Augenmerk schenkt, glaube ich nicht.

In diesem Bericht ist bereits zu finden, dass es um Verordnungen geht, die den Min­deststandard von gereinigten Abwässern betreffen. Auch diesbezüglich macht man sich also schon sehr exakte Gedanken. Diese werden auch uns und unserer Zukunft zugutekommen müssen, weil wir wissen, dass Ressourcen wie Wasser heute oder morgen begrenzt sein werden.

Hier zu sagen, das komme da nicht vor, das sei eigentlich alles nur leer und flach, Herr Kollege Schennach, das ist ein bisschen überzogen. Vielleicht ist das aber auch in vielen Bereichen oder bei vielen der hier anwesenden Redner die Art und Weise, um gewisse Dinge aufzuzeigen, die man durchaus auch so akzeptieren kann.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 80

Das Zweite, worauf ich noch kurz einen Blick werfen möchte, ist das Thema Energie und, weil es auch zur Energie gehört, das Thema Nuklearenergie. Nachdem ich diesen Bereich schon sehr, sehr viele Jahre beobachtet habe und auch die Entwicklungen in der EU teilweise mit Sorgen beobachtet habe – so ähnlich wie die Frau Kollegin –, sehe ich in dieser Agenda und in dieser Vorschau doch zum ersten Mal, dass es hier schon sehr klare Positionen gibt; klare Positionen vonseiten Österreichs, die jetzt doch schon sehr vehement auf allen Ebenen deklariert sind und darauf hinweisen, dass von der Atomenergie mit all ihren Begleiterscheinungen große Gefahren und große Aufwendungen in der Zukunft ausgehen.

Die Möglichkeiten, die hier genutzt werden, dass Österreich auf EU-Ebene wirklich alle möglichen Mittel ausschöpft, um auf diese Gefahren und auf die Ausstiegsszenarien hinzuweisen, möchte ich nicht in Abrede stellen. Ich möchte auch persönlich sagen, dass ich darum bitte, dass das so bleibt und hier auch weiterbetrieben wird.

Zum Thema Energiepolitik – die Frau Minister hat das auch schon kurz angekündigt –: Das Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ ist meines Wissens und meiner Information nach das größte Energiepaket, das bis jetzt von der EU auf den Weg gebracht worden ist. Ein bisschen bin ich da auch bei meinem Kollegen Krusche, der schon gesagt hat: Mit der E-Mobilität sollten wir doch ein wenig vorsichtig sein, weil wir dabei anscheinend vergessen, dass wir dadurch mehr Strom brauchen werden, den wir natürlich nachhaltig erzeugen müssen. Auch da ist Österreich aber meiner Meinung nach auf einem sehr guten Weg und nicht Schlusslicht oder schwach, und es wird auch nicht irgendwelche Dinge versäumen.

Was noch nicht erwähnt wurde, ist, dass Österreich in seiner Stellungnahme die Grün­dung der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, der ACER, sehr kritisch sieht. Wenn man sich das näher anschaut, sieht man, es ist auch klar begründet, warum wir das kritisch sehen: Es wird zu vermehrten Kosten in diesem Bereich kommen. Wenn man das jetzt unter Berücksichtigung des Brexits sieht, wo man schon darüber nachdenkt, wie man das Loch, das Großbritannien reißen wird, auch auf Österreich verteilt, muss man sagen, es ist nur richtig und wichtig, dass wir gerade durch solche Entwicklungen, durch Behörden, die übergreifende und überbor­dende Befugnisse haben werden und bis in den österreichischen Strommarkt hinein wirken werden – obwohl sich dieses Paket dort natürlich auch auswirken wird –, nicht noch zusätzlich belastet werden.

Schlussendlich – und damit bin ich beim Schluss, denn es ist praktisch alles gesagt worden; die Kollegin sagt immer: aber nicht von jedem!, also sollte man sich da auch zurückhalten – sehen wir hier schon sehr, sehr viele positive Ansätze, die es bislang so noch nicht gab, auch auf der Diskussionsebene zwischen Österreich und der EU, deswegen werden wir diese EU-Vorschau auch entsprechend zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.43

13.43.40


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 81

13.44.139. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (9 d.B. und 49 d.B. sowie 9928/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für Sicherheit und Zusam­men­arbeit in Europa (OSZE) über den Amtssitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (12 d.B. und 50 d.B. sowie 9929/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Erklärung der Re­publik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Tunesischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkun­den von der Beglaubigung (5 d.B. und 51 d.B. sowie 9930/BR d.B.)


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 11.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. Ich bitte um die Berichte.


13.45.07

Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich darf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Vertrag über das Verbot von Kernwaffen zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich stelle daher gleich den Antrag.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf weiters den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über den Amtssitz der Organisation für Sicherheit und Zusam­men­arbeit in Europa zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich stelle daher gleich den Antrag.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich darf weiters den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Tunesischen Republik zum Über­einkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung zur Kenntnis bringen.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich stelle daher wiederum gleich den Antrag.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 82

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile es ihm.


13.47.10

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit drei sicherlich nicht sehr aufregenden, aber durchaus positiv zu beurteilenden Vorlagen zu tun.

Die erste Vorlage befasst sich mit dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffen. Ich habe zwar die leise Befürchtung, dass dieser Vertrag keinen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit in der Welt leisten wird, sehe das aber nach dem Motto: Auch wenn es nichts nützt, schaden kann es auf keinen Fall. – Österreich ist ja in der Vergangenheit immer an vorderster Front gegen Atomrüstung aufgetreten, deshalb steht es uns gut an, bei diesem Punkt einer der Ersten zu sein, die den Vertrag ratifi­zieren. Näheres dazu wird dann ja noch mein Kollege Sperl ausführen.

Die zweite Vorlage betrifft das Amtssitzabkommen mit der OSZE. Als ich diesen Punkt gesehen habe, habe ich mich zuerst gewundert und gefragt: Was, das gibt es noch nicht? – Es ist aber tatsächlich so. Ich kann mich noch erinnern, in der Vergangenheit war ich einmal weniger begeistert bei einem solchen Amtssitzabkommen und den damit verbundenen Privilegien, das war beim König-Abdullah-Zentrum, aber die OSZE ist da ja über jeden Verdacht erhaben.

Für Wien als Sitz von internationalen Organisationen ist die OSZE natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen von eminenter Bedeutung. Es ist durchaus angebracht, dieser Organisation mit diesem Übereinkommen Respekt und entsprechende Anerken­nung entgegenzubringen.

Der letzte Punkt, bei dem es um den Einspruch gegen den Beitritt Tunesiens zum Übereinkommen zur Befreiung von der Beglaubigung von Urkunden geht, ist eigentlich ein unerfreulicher Punkt, denn in der Problemanalyse in den Unterlagen des Minis­teriums heißt es wörtlich: Seit der Revolution 2011 ist die Korruption angestiegen.

Das ist der Fall, obwohl Tunesien als das einzige Land gehandelt wird, das sich seit diesem sogenannten Arabischen Frühling eigentlich eher positiv entwickelt hat. Der seinerzeit vom Westen euphorisch gefeierte Arabische Frühling hat ja in Wirklichkeit nur ein Mehr an Krisen, ein Mehr an Islamismus gebracht. Heute ist der Westen eigentlich heilfroh, wenn zum Beispiel in Ägypten eine halbwegs stabile Regierung und Quasi-Militärdiktatur mit al-Sisi an der Spitze am Ruder ist.

Aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht gibt es ja in einiger Zeit die Möglichkeit, diesen Einspruch wieder aufzuheben, sollte Tunesien zu ent­sprechend verlässlichen und stabilen Verhältnissen kommen. Derzeit ist es leider so, dass vor allem den Dokumenten, die dort mit einer Apostille versehen werden, die inhaltliche Richtigkeit nicht im nötigen Ausmaß zugetraut werden kann. Deshalb sind wir gezwungen, diesen Einspruch zu erheben.

So weit zu diesen drei Vorlagen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.51


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ing. Eduard Köck. Ich erteile es ihm.



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 83

13.51.45

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Die betreffenden Ge­setze wurden schon angesprochen. Zum ersten, dem Verbot von Kernwaffen, ist nur noch zu sagen: Ein Betreiber dieses Abkommens ist Österreich, gemeinsam mit Bra­silien, Irland, Mexiko, Nigeria und Südafrika. Es wurde eben auch von den Vereinten Nationen aufgenommen und unterzeichnet. Es muss von 50 Ländern ratifiziert werden, damit es in den Ländern gilt, in denen es ratifiziert wird.

Leider sind die Atommächte nicht dabei. Nichtsdestoweniger glaube ich, wir haben die Gegnerschaft zu Atomenergie und Atomwaffen in Österreich in der DNA, wir sollten dieses Abkommen unterzeichnen und andere dazu animieren, das auch zu tun, damit es zumindest in 50 Staaten gilt und in Zukunft vielleicht auch Nachahmer findet, oder um dieses Thema immer noch in Diskussion zu halten.

Zum Abkommen mit der OSZE möchte ich zuerst auf die Vorsitzführung Österreichs in der OSZE im vergangenen Jahr eingehen. Die Bilanz unseres Vorsitzes wird weltweit als eine sehr gute bewertet. Wenn dies einerseits der Außenminister von Russland, andererseits der Außenminister der USA sowie viele andere öffentlich kundtun, dann zeigt das schon, dass dort der Vorsitz sehr gut beobachtet wurde.

Ich glaube, es ist auch einiges passiert. Sebastian Kurz konnte bei den Personalfragen die Blockade von Russland brechen, und bei der Tagung in Mauerbach konnten letzten Endes die vier wichtigsten Positionen wiederum besetzt werden, insbesondere auch die Position des Generalsekretärs.

Die Missionen in der Ukraine und in Zentralasien konnten verlängert werden. Die Kon­flikte dort schwelen noch immer, und es ist notwendig, dass dorthin weiter Beobachter entsendet werden. Das heißt aber auch, dass diese Konflikte weiter bearbeitet werden.

Zu Transnistrien gab es sehr viele Verträge, die das Leben dort vereinfachen. Dazu gehört zum Beispiel ein Vertrag, der es den Bauern wieder erlaubt, zu ihren Feldern zu kommen, die jenseits der Grenze liegen, die die Russen jetzt eingezogen haben. Auch hier wird es noch weitere und intensivere Verhandlungen geben müssen.

Sebastian Kurz setzte einen Schwerpunkt im Kampf gegen Radikalisierung und Extre­mismus, auch das fand international großen Anklang. Das bringt dieses Thema ins Bewusstsein, und es wird hoffentlich auch weiterhin bearbeitet. Mit dieser Vorsitz­führung konnten wir Österreicher wieder einmal unsere internationale Kompetenz demonstrieren und festigen.

Die OSZE hat ihr Sekretariat in Wien. Wöchentlich tagen hier der Ständige Rat und andere Ausschüsse. Die Parlamentarische Versammlung der OSZE hat zwei Tagun­gen im Jahr. Seit dem Jahr 2000 wird die Wintertagung hier bei uns in Österreich in der Hofburg abgehalten.

Bei meinen Tagungen im Europarat treffe ich sehr viele Vertreter anderer Länder, die mich immer wieder auf diese Wintertagungen der OSZE ansprechen und die vor allem hervorstreichen, wie toll diese organisiert sind, wie schön Wien und Österreich sind und wie toll das Ambiente in der Hofburg ist. Sie tragen das auch in ihre Länder. Deshalb ist es sehr gut und wichtig, dass dieser Standort der OSZE hier bei uns in Wien ist.

Ein Abkommen mit dieser Organisation, wie es für Völkerrechtsorganisationen der Fall ist, ist daher mehr als angebracht. Hier hat man sich dazu entschieden, dies über das Gewohnheitsrecht zu lösen. Das heißt, dass wir davon ausgehen, dass es sich bei der


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 84

OSZE um eine internationale Völkerrechtsorganisation handelt, da sie seit Jahren auch so handelt.

Im September wurde dieses Abkommen von der OSZE unterzeichnet. Es wird hiermit auch von Österreich abgesegnet. Dieses Abkommen ist ebenso ein Erfolg von Sebastian Kurz und gibt den Bediensteten in Wien jene Privilegien und die Immunität, die diese bei anderen internationalen Organisationen auch haben. Von 3 500 Mitarbeitern der OSZE arbeiten 380 bei uns in Wien.

Zum dritten Beschluss des Nationalrates bezüglich des Einspruchs gegen den Beitritt der Tunesischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung hat mein Kollege schon sehr viel Richtiges gesagt. Wir haben erst gestern im EU-Ausschuss gehört, dass es in Europa doch möglich ist, die Identität zu wechseln, die Aufenthaltsorte zu ändern, und dass somit auch eine Flucht aufgrund von Rechtsbrüchen möglich ist und eine Verfolgung einige Jahre verschleppt werden kann.

Daher ist es wichtig, dass wir Dokumente, die aus Ländern kommen, bei denen wir keine große Sicherheit haben, dass sie auch richtig sind, derzeit nicht so einfach beglaubigen. Deutschland geht auch diesen Weg, und ich denke daher, dass auch dieser Beschluss richtig ist.

Wir werden diese Beschlüsse des Nationalrates unterstützen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.56


Präsident Reinhard Todt: Danke, Herr Bundesrat. – Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Mitglieder der Präsidiale zu mir.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 13.57 Uhr unterbrochen und um 14.01 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****


Präsident Reinhard Todt: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich begrüße hier bei uns Frau Sozialministerin Hartinger-Klein und freue mich, dass sie die Ministervertretung für die verhinderte Frau Außenministerin Kneissl übernommen hat. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesministerin Hartinger-Klein: Gerne! – Bundesrätin Posch-Gruska: Zur Geschäftsordnung!)

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Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Posch-Gruska zur Geschäfts­behandlung. – Bitte.


14.02.02

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland) (zur Geschäftsbehandlung): Ich freue mich sehr, dass die Frau Ministerin diese Vertretung so kurzfristig übernehmen kann. Ich gehe davon aus, dass die schriftliche Bestätigung, dass Sie die Vertretung übernehmen, noch nachkommen wird. (Bundesministerin Hartinger-Klein: Danke! Die kommt nach!) – Sie wissen, dass wir eine schriftliche Bestätigung brauchen und ich


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würde mich sehr freuen, wenn die Regierungsparteien auch den Wert des Bundesrates schätzen und wirklich die Minister zeitgerecht zu uns herschicken würden, denn ich finde das ist wirklich eine Nichtachtung des Bundesrates. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

14.02

*****

 


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Hubert Koller. Ich erteile es ihm.


14.02.46

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Sozialministerin in Vertretung der Außenministerin! Ich kann sie entschuldigen, wahrscheinlich ist sie beim Steiermark-Frühling am Rathausplatz, da muss ich als Steirer sagen: Da drücke ich ein Auge zu. (Heiterkeit des Bundesrates Mayer.)

Meine Damen und Herren! Sehr geschätztes Publikum! Wir haben heute hier drei Punkte unter einem zu behandeln: Das Verbot von Kernwaffen, das OSZE- Amtssitz­abkommen und den Einspruch Österreichs gegen den Beitritt der Tunesischen Re­publik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung, wo es darum geht, die Urkunden von österreichischer Seite nicht mehr zu beglaubigen.

Ich möchte zuerst zu diesem Verbot von Kernwaffen sprechen, weil es ja in unserer Partei ein großes Anliegen war, hier voranzuschreiten. Dieses völkerrechtliche Nukle­ar­waffenverbot, das hiermit erreicht werden soll – die Vorredner haben es schon gesagt –, muss insgesamt von 50 Staaten ratifiziert werden, damit es in Kraft treten kann. Es gibt Argumente dafür, die kennen wir alle. Insgesamt gibt es 15 000 solcher Waffen auf der Welt und man weiß nicht, in welchen Händen sie dann doch in die Luft gehen könnten. Länder in Europa wie Frankreich und auch das Vereinigte Königreich, aber vor allem Russland und die USA, Israel, Indien, Nordkorea haben solche Waffen. Der Inhalt dieses Vertrags ist völkerrechtlich bindend. Es geht um eine weltweite Abrüstung nuklearer Waffen.

Mit diesem Vertrag soll Folgendes verhindert werden, wozu sich die unterzeichnenden Staaten verpflichten: keine Entwicklung in diese Richtung, keine Herstellung von Waffen, keine Weitergabe von Waffen an andere Staaten, keine Unterstützung anderer Staaten bei der Weiterentwicklung und beim Einsatz von Kernwaffen, keine Kernwaffen anderer Staaten auf unserem Gebiet, auf eigenem Hoheitsgebiet und auch nicht einmal eine Drohung soll laut diesem Abkommen erlaubt sein. Wir haben nachgefragt: Auch Tests sind verboten. Bezüglich der Forschung wurde uns leider im Ausschuss keine Antwort gegeben. Die Rolle Österreichs ist klar. Wir sind das erste Land – das wurde schon gesagt –, das diesen Vertrag ratifiziert. Wir waren da ziemlich alleine mit Schweden und Malta. In der EU findet man auch kein gutes Echo, diesem Vertrag beizutreten.

Meine Sorge besteht darin, dass sich nur Österreich und Irland damals für eine Ratifi­zierung ausgesprochen haben und die anderen EU-Staaten kein Interesse zeigen. Wir ersuchen deshalb unsere Bundesregierung und auch die Ministerin, hier diese Weiter­führung der österreichischen Tradition zu wahren und vielleicht die Rats­präsidentschaft zu nutzen, zumindest jene Staaten in der EU, die keine nuklearen Waffen haben, dazu zu bewegen, sich diesem Abkommen anzuschließen und dieses zu ratifizieren. Die SPÖ tritt für eine weltweite nuklearfreie Zone ein und wird natürlich dieser Ratifizierung gerne zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 86

Zum zweiten Thema, dem Abkommen über den OSZE-Amtssitz, ist zu sagen, dass es ja, wie bereits ausgeführt, ein OSZE-Gesetz gegeben hat. Dieses hat bereits diesen Status normiert, der jetzt in die richtige Form gebracht werden soll. Er war damals angelehnt an beziehungsweise abgestimmt auf das Amtssitzabkommen der UNO. Was Österreich dabei angewandt hat und was vielleicht auch noch diskutiert werden wird, ist das Völkergewohnheitsrecht. Wir sind sehr erfreut darüber, dass dieses Recht angewandt wurde und uns wurden auch Beispiele aus anderen Ländern – zum Beispiel Polen – genannt, wo dieses Recht auch angewandt wurde.

Was ändert sich? – Im Detail für die Organisation, für die Mitarbeiter, für die Ständigen Vertreter, für die Delegationen und Kooperationspartner wird es keine Änderungen geben. Es werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für dieses Amtssitzabkommen geschaffen. Deshalb wird die SPÖ auch gerne diesem Abkommen zustimmen und auch nach Artikel 50 ihre Zustimmung geben.

Der letzte Punkt ist der Einspruch Österreichs gegen den Beitritt der Tunesischen Republik zum Haager Beglaubigungsübereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung. Wir haben gehört, es gibt Gründe für diesen Einspruch. Die österreichische Botschaft hat uns mitgeteilt, dass da starke Mängel vorhanden sind. Wir haben auch gehört, dass zwei bis vier Staaten diesem Abkommen beitreten wollen – es sind ja schon viele dabei. Wir haben auch gehört, dass es über 1 500 Dokumente sind, die hier Beglaubigung finden, um eben von öster­reichischen, inländischen Behörden als Urkunden angesehen zu werden. Es geht um die Anbringung dieser Apostille. Wenn diese auf der Urkunde ist, dann braucht man letztere nicht zu prüfen. Ich habe die Gründe für den Einspruch angeführt. Österreich hat am 12.1. rechtzeitig den Einspruch eingebracht, um diesen parlamentarischen Pro­zess einzuleiten.

Aus diesem Grund werden wir, die SPÖ, diesem auch so zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

14.08


Präsident Reinhard Todt: Frau Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic gelangt als Nächste zu Wort. Ich erteile es ihr.


14.09.08

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Bun­des­ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich hoffe, die fehlende Aufmerksamkeit liegt nicht an der Vertretung und auch nicht am Thema. Ich finde dieses nämlich sehr wichtig, vor allem den ersten der drei Punkte. Österreich, wie wir wissen, engagierte sich sehr stark im Bereich der nuklearen Abrüstung und leistete auch einen aktiven Beitrag zum vorliegenden Vertrag. Dass 122 UN-Staaten für den Vertrag über ein völkerrechtliches Nuklearwaffenverbot stimmten, ist natürlich sehr erfreulich; dass gerade jene Länder, die selber über welche verfügen, da nicht mitstimmen, ist verheerend und erhöht klarerweise auch den Druck, den wir auf sie ausüben müssen.

Dass sich alle österreichischen Parteien diesbezüglich einig sind, ist natürlich be­grüßenswert. Das war ja beim Thema Atom allgemein nicht immer so.

Ein Aspekt ist mir auch noch wichtig: Im Nationalrat – Sie werden es vielleicht wissen – gab es einen einstimmigen Beschluss zu einem Entschließungsantrag, in dem es um Frieden und Neutralität gegangen ist, aber auch um die Abwendung von Katastrophen. Leider gab es hier keinerlei Kritik an der sogenannten Strukturieren Zusammenarbeit, an der Pesco. Da hat man gemerkt, dass die Grünen im Nationalrat doch fehlen. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht wirklich! – Bundesrat Krusche: Das glaub’ ich nicht!)


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Was meiner Meinung hier in der Debatte fehlt, ist schon eine grundsätzliche Kritik am Waffenwahn, daran, mit Waffen – nicht nur nuklearen, sondern auch sonstigen – Geld zu verdienen, und auch am Widerspruch, der sich daraus ergibt, wo sich Österreich da verortet. Auf der einen Seite nämlich fordern wir die Abrüstung nuklearer Waffen, auf der anderen Seite rüsten wir aber Länder mit Waffen aus. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele:

Im Sommer 2015 greifen saudische Soldaten mit österreichischen Gewehren bewaff­net in den Bürgerkrieg im Jemen ein. Ebenfalls 2015 wurde die Ausfuhr von 150 000 40-Millimeter-Splittergranaten aus Oberösterreich nach Abu Dhabi durch das BMI genehmigt, obwohl Abu Dhabi als Teil der Vereinigten Arabischen Emirate Mitglied in der kriegführenden Koalition war. Im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 1.1.2016 wurden alleine für die Vereinigten Arabischen Emirate 24 Ausfuhrbewilligungen sowie 22 weitere für Saudi-Arabien erteilt. Das umfasste Granaten, Granatwerfer, Gewehre, Maschinenpistolen, Munition und Panzerminen – alles Unterstützung für kriegerische Konflikte made in Austria.

Obwohl Österreich in Relation ein eher kleineres Land ist, ist es der fünfund­zwan­zigstgrößte Rüstungsexporteur der Welt. So hat es 2013 einen Auftrag an Glock  im Wert von 9 Millionen Pfund gegeben, und auch die Radpanzer, die nach Gabun oder in die USA geliefert worden sind, haben ordentlich Gelder nach Österreich gebracht.

Im Jahr 2010 sind Geschäfte mit Libyen unter Diktator al-Gaddafi abgeschlossen worden. Im gleichen Jahr wurden Waffenexporte im Wert von 100 000 Euro auch nach Tunesien genehmigt.

In einer Untersuchung von Amnesty International von 2005 bis 2009 wurde zu Recht angeprangert, dass Österreich neben Italien das einzige Land war – ich wiederhole: das einzige Land war –, das den Export von Waffen, Munition und Ausrüstung nach Syrien genehmigt hat. 2006 sind zusätzlich für 2 Millionen Euro gepanzerte Fahrzeuge an das syrische Regime verkauft worden, genauso wie auch Panzer und Waffen um eine halbe Million Euro an Bahrain.

Im Mittleren Osten verdient Österreich am meisten: Alleine 2010 zahlten die Ver­einigten Arabischen Emirate mehr als 56 Millionen Euro, Saudi-Arabien 5,6 Millionen Euro.

Die Kriterien für Ausfuhrgenehmigungen – vor allem beim BMI, wo es um Kriegs­material geht – werden in Österreich, sagen wir, sehr situationselastisch gehandhabt. Ein gutes Geschäft, so scheint es, hat Vorrang vor dem, was die Beurteilung der Konflikte vor Ort zeigt. Wir müssen uns schon auch damit auseinandersetzen, dass damit die Fluchtursachen geschaffen werden, von denen in Österreich so viel die Rede ist.

Österreich schlägt aus der fortschreitenden Destabilisierung vieler Krisengebiete auch gerade im Jahr 2015, als wir über Flüchtlinge in Österreich debattiert haben, Profit. Auch das muss man ausgesprochen haben. Zitat: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört.“ – Das ist nicht umsonst ein Slogan einer Flüchtlingsinitiative.

Was also nicht genügt, ist jetzt dieser Vertrag zur Abrüstung der Nuklearwaffen und auch Neutralitätsbekundungen aus Österreich, sondern es braucht auch eine Aus­einandersetzung mit österreichischen Waffenexporten in Länder, die von Konflikten geprägt sind und in denen wir nicht ausschließen können, dass die Waffen zu Kriegszwecken eingesetzt werden. Österreich braucht hier also nicht nur ein Durch­denken der Mitverantwortung, sondern auch Konsequenz bei der Erstellung einer Liste von verbotenen Ländern. Es braucht offengelegte Kriterien für die Ausfuhrgenehmi­gungen, und aus Österreich dürfen Waffen und Panzer nicht exportiert werden, wenn


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wir wissen, dass in den jeweiligen Ländern Krieg herrscht. Da muss man ganz genau hinschauen.

Dass wir gar keine Waffen exportieren, bleibt wahrscheinlich ein Wunsch der Grünen. Dazu wird es nicht kommen. Ich finde es trotzdem sehr, sehr wichtig, das anzu­sprechen. Wenn wir uns hier schon einig sind, dass nukleare Waffen nicht an Länder geschickt werden sollten und dass die UN da gefordert ist, dann sollten wir auch konsequent sein und uns anschauen, wohin Österreich Waffen schickt und womit Fluchtursachen geschaffen werden und wie wir daran selber verdienen. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Reiter sowie bei der SPÖ.)

14.16


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile es ihm.


14.16.34

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! 73 Jahre ist es her, dass die Atombomben in Japan abgeworfen wurden; es ist aber auch bereits 72 Jahre her, seit es die erste Resolution der Vereinten Nationen zu diesem Thema gegeben hat, nämlich diese Atomwaffen­abwürfe, diese Versuche einzustellen. Wie wir aber alle wissen, ist in den Jahren danach der Rüstungswettlauf im atomaren Bereich erst richtig losgegangen. Tausende Atomsprengköpfe für unterschiedlichste Trägersysteme – für die Verwendung mit Flugzeugen, Schiffen, U-Booten –, aber auch konventionelle Waffen wurden gebaut.

Erst in den 1960er-Jahren begannen die Rüstungsbegrenzungsverhandlungen – Salt I, in weiterer Folge Salt II. 1968 kam es zum Atomwaffensperrvertrag, der dann 1970 unterzeichnet wurde. In weiterer Folge kam es zu den ersten Abrüstungsver­hand­lungen: Start I, Start II; dann begann man mit der Rüstung.

Was man aber auch sagen muss, ist, dass daneben die Forschung im Zusammenhang mit und Weiterentwicklung der Atomwaffen weiterging, dass man von den großen Atomwaffen abkam und in Richtung kleine Atomwaffen – taktische Atomwaffen, wie sie auch heißen – ging. Nach dem letzten Start-Vertrag, dem New-Start-Vertrag im Jahre 2010, wurde zwischen den USA und Russland vereinbart, die Zahl der Sprengköpfe, die zu diesem Zeitpunkt bereits auf 2 200 Stück auf amerikanischer Seite herun­tergesetzt war, weiter zu reduzieren. Ob das tatsächlich durchgeführt worden ist, weiß man bis jetzt nicht – ich zumindest nicht.

Was mich dabei jedoch bedenklich stimmt, ist, dass man gleichzeitig von amerika­nischer Seite hört, dass mehr Geld in die Forschung und Weiterentwicklung der Atom­waffen gesteckt werden soll. Wir hoffen, dass dem nicht so ist.

Für mich und uns ist besonders wichtig, dass viele Staaten diesen Vertrag zum Verbot der Kernwaffen, bei dessen Entstehung eben auch Österreich eine Vorreiterrolle einge­nommen hat, unterzeichnen.

Ich möchte noch auf einen besonderen Artikel in diesem Vertrag eingehen, nämlich den Artikel 12. Im Artikel 12 verpflichten sich die Vertragsstaaten, andere Staaten zu ermutigen, ebenfalls Vertragsstaaten zu werden und so die Universalisierung des Ver­trags voranzutreiben. – Das heißt, wir sollen das tun. Dies ist aber nur möglich, wenn man entsprechende diplomatische Verbindungen mit diesen Staaten hat. Und in diesem Zusammenhang möchte ich auf Begebenheiten hinweisen, die sich in den letzten Wochen zugetragen haben, nämlich dass von Europa und den USA wegen der Spionageaffäre beziehungsweise wegen der Vergiftung eines Doppelagenten in England, in Großbritannien nun Diplomaten nach Hause geschickt werden und das


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gegenseitig nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir; schickst du mir 20 nach Hause, schicke ich dir auch 20 nach Hause. – So wird eigentlich die diplomatische Präsenz verringert.

Ich bin sehr froh darüber, dass Österreich dieses Spiel nicht mitgemacht hat und wir den Beispielen nicht gefolgt sind, die Reduzierung der diplomatischen Gesprächsmög­lich­keiten widerspricht nämlich auch dem Artikel 12 dieses Vertrags. Ich begrüße daher ganz ausdrücklich die Entscheidung unserer Bundesregierung, da nicht mitzumachen. Ich bin überzeugt davon, dass wir dadurch die Chance haben, gemäß diesem Artikel 12 entsprechende Verhandlungen mit anderen Staaten zu führen, um auch im Sinne der Abrüstung tätig zu werden. Und ich bin überzeugt davon, mit unserer Frau Außenministerin haben wir auch die richtige Person, die das durchführen kann, diese Verhandlungen führen kann und sie auch führen wird. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.22


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


14.22.59

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mit der heutigen Beschlussfassung, die ja einstimmig sein wird, sind wir das siebte Land, das dieses Abkommen ratifiziert. Irgendjemand hat vorhin gesagt, Österreich war sehr aktiv. Das ist fast ein bisschen untertrieben: Österreich war eigentlich einer der Motoren dieser Konvention, dieses völkerrechtlichen Vertrages, den wir hier heute beschließen. 122 Staaten haben dem damals zugestimmt, und das ist seit 1966 eine tatsächliche, echte, substanzielle völkerrechtliche Vereinbarung, und das ist schon etwas von besonderer Wichtigkeit.

Warum ich ein bisschen auf die Rolle Österreichs hinweise: 2014 ist zum Beispiel ein Mitarbeiter des Außenministeriums, Herr Alexander Kmentt, zur Abrüstungsper­sönlich­keit des Jahres gewählt worden, genauso wie der österreichische UN-Botschafter Jan Kickert von der Hohen Beauftragten für Abrüstung regelmäßig als Experte beigezogen wird. Das hat damit zu tun, dass Österreich in den letzten Jahren wirklich federführend daran gearbeitet hat, und es ist schön, dass wir das siebte Land sind, das diese Ratifizierung vornimmt. Es wird noch ein langer Weg bis zu Ratifizierungen durch 50 Staaten sein, aber es macht Druck, wenn ein Staat die Ratifizierung vornimmt.

Natürlich war 1966 das Verbot der Nuklearwaffenversuche bereits ein großer Erfolg. Erinnern wir uns: In Polynesien gab es durch Atomwaffenversuche einen Riss durch das gesamte Bikini-Atoll. Bestimmte Bereiche Polynesiens wie etwa Palau sind als Mandatsgebiete widerrechtlich besetzt geblieben. Es gab also auch ganz schlimme Formen von Neokolonialismus.

Zum anderen Bereich, den Urkunden: Ja, wir haben im Falle von sieben Ländern solche Einsprüche gemacht, das ist jetzt der siebte Einspruch, und ein bedauerlicher Einspruch, denn Tunesien ist das einzige Land, in dem die Arabische Revolution in eine demokratische Situation übergeführt werden konnte. Es ist wünschenswert, dass dieser Einspruch nur möglichst kurz aufrechtbleibt. Das würden wir uns auch für Kirgisien wünschen. Beide Länder haben es geschafft, eine demokratische Entwick­lung zu nehmen, und in beiden Fällen haben wir Einspruch gegen die Anerkennung von Urkunden erhoben. Ich hoffe sehr, dass die Behörden in beiden Ländern in Kürze so weit fit sind, dass sowohl andere europäische Staaten als auch Österreich diese Einsprüche aufheben können, insbesondere im Fall Tunesiens oder Kirgisiens, wo wir ja echte Demokratien haben.


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Nun zur OSZE, unserem Nachbarn hier nebenan im Haus: Man hat sich schon so an den Amtssitz in Österreich und an die Bedeutung der OSZE in Österreich gewöhnt, dass man dabei eigentlich ganz übersehen hat, dass diese Organisation gar keine internationale Rechtspersönlichkeit hat, und ich finde es sehr charmant, dass gemäß dem Völkergewohnheitsrecht nun dieser Vorschlag seitens Österreich kommt, die OSZE in Österreich auf demselben Level wie die UNO als eine internationale Rechts­persönlichkeit mit allen Immunitäten, Privilegien, aber auch Pflichten zu etablieren.

Die EU will auch in den nächsten Jahren verstärkt die Rolle der OSZE fördern. Ich darf daran erinnern, dass zur OSZE noch drei völlig autonome Institutionen gehören. Wir haben endlich wieder eine Medienbeauftragte, wir haben das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, das ist in Warschau, Medien ist in Wien, und den Hochkommissar für nationale Minderheiten. Und für Österreich sehr vertraut sind die OSZE-Feldmissionen, sechs alleine am Westbalkan. Es gibt auch die OSZE-Special-Monitoring-Mission unter Leitung des Botschafters Martin Sajdik in der Ukraine und eine Mission im Kaukasus in Zentralasien.

Letztes Jahr hatte ich eine Konferenz, zu der ich drei OSZE-Botschafter eingeladen habe, und alle drei waren Österreicher. Darunter möchte ich einen besonders hervor­heben, OSZE-Botschafter Heim, der bei den Verhandlungen, die wir zu Transnistrien geführt haben, in der Zeit, in der er für die OSZE Botschafter für den Transnistrien-Konflikt war, dort wirklich ein gewaltiges Stück weitergebracht hat.

In diesem Sinne sind wir hier, so glaube ich, alle wirklich froh, dass die OSZE nun eine verstärkte Rechtspersönlichkeit hat, dass der Amtssitz in Österreich bleibt und die OSZE mit ihrer Bedeutung für Demokratie, Sicherheit und Weiterentwicklung der Men­schenrechte mit Durchsetzung aller OSZE-Prinzipien weiter ihre Heimat in Österreich hat.

Ich möchte daran erinnern und ihr danken, dass Christine Muttonen, die frühere Natio­nalratsabgeordnete, die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der OSZE im letzten Jahr war und vor allem im Kaukasus, aber auch am Westbalkan ganz wichtige Initiativen setzte. Das heißt, in all diesen Bereichen gibt es eine starke öster­reichische Präsenz, und das ist gut so – und auch dass sie hier ist und wir Nachbarn sind, ist gut so.

In diesem Sinne werden wir allen Punkten zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.29


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdi­nand Tiefnig. Ich erteile es ihm.


14.29.53

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesminister! Herr Prä­sident! Ganz kurz: Danke schön, lieber Kollege Schennach, dass du die OSZE schon erwähnt hast, denn die Vorredner sind fast alle nur auf das Atomabkommen eingegan­gen. Ich finde es auch sehr, sehr wichtig, dass wir den Sitz der OSZE in Österreich durch dieses Abkommen, durch diese Unterzeichnung gestärkt haben, und dass sie sich jetzt in Österreich auf Augenhöhe mit der UNO wiederfindet.

Zum Thema Tunesien: Dass wir hier einen Einspruch im Sinne der Sicherheit gemacht haben, finde ich notwendig, weil auch Transparency International aufzeigt, dass die Urkundenfälschung in Tunesien von 75 auf 76 Prozent gestiegen ist, und in diesem Bereich müssen wir wirklich darauf schauen, dass, wenn Tunesien beitreten will oder dabei sein will, es auch entsprechende rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen muss.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 91

Das Atomabkommen ist natürlich ein wichtiger Punkt. Wenn wir sehen, was sich jetzt international abspielt, ob das China ist, ob das die USA oder auch Russland, der Iran und Saudi-Arabien sind: Wir haben ein weltweites Spannungsfeld, wie wir es seit dem Kalten Krieg noch nie hatten, und daher ist es auch wichtig, dass sich unsere Außen­ministerin und unser Bundeskanzler Sebastian Kurz eingeschaltet und Österreich als Vermittler angeboten haben. Das wird wichtig sein. Österreich hat immer seinen Bei­trag für Friedenslösungen geleistet, wie das beim Nahostfrieden der Fall gewesen ist, aber auch jetzt wird es wichtig sein. Abrüstung nicht nur bei Atomwaffen, auch eine Abrüstung der Worte international wird für die Sicherheit in der Staatengemeinschaft ein vorrangiges Ziel sein müssen; zuerst Abrüstung der Worte, dann Abrüstung der Waffen.

Und da bin ich sicherlich der Meinung von Kollegin Dziedzic, dass wir schauen müs­sen, dass nicht Länder mit Waffen bestückt werden, die aus Österreich stammen, um Kriege noch zusätzlich anzuheizen. Der Iran und Saudi-Arabien liegen in weltweiten Spannungsfeldern.

In diesem Sinne werden wir von unserer Fraktion natürlich diesen Punkten zustim­men. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.32


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein. Ich erteile es ihr.


14.32.19

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bun­desrates! Zuerst gestatten Sie mir zu sagen, dass Sie die Wertschätzung der gesam­ten Regierung haben und natürlich besonders meine. Ich weiß – ich war einmal Abgeordnete –, wie wichtig es ist, auch als Minister dazustehen. Für mich ist das selbstverständlich. (Allgemeiner Beifall.)

Zu den Punkten in Vertretung der Frau Außenminister: Ich freue mich sehr über Ihre Redebeiträge, was das Verbot der Kernwaffen betrifft. Das ist nicht nur ein großes Anliegen der Regierung, sondern natürlich auch mein persönliches.

Weiter zum Thema OSZE: Auch die Stärkung der OSZE hinsichtlich Rechtsper­sön­lichkeit, hinsichtlich des Standortes Wien ist eine Selbstverständlichkeit für die Frau Außenminister und natürlich auch für mich, und deshalb freue ich mich auch über Ihre Zustimmung.

Was den dritten Punkt betrifft, Tunesien: Es ist schade, sage ich einmal aus meiner Wahrnehmung, dass so etwas passiert, und ich hoffe, dass sich die Rechtslage in Tunesien bald ändern wird, sodass wir das also auch, sage ich einmal, von unserer Seite befürworten können. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.33

14.33.18


Präsident Reinhard Todt: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Vertrag über das Verbot von Kernwaffen.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 92

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über den Amtssitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungsbe­reiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Tunesischen Republik zum Übereinkommen zur Befreiung ausländi­scher öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

14.36.0912. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2018 (III-639-BR/2018 d.B. sowie 9931/BR d.B.)

Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zu Punkt 12 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. Ich bitte um den Bericht.


14.36.30

Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2018 bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm für 2018 zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Reinhard Todt: Danke für den Bericht.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 93

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr.


14.37.18

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Das Gewicht der Außen- und Euro­pa­politik ist eher gering. Ganze dreieinhalb Seiten von 180 im – wohlgemerkt! – längsten Koalitionspakt aller Zeiten sind der Europa- und Außenpolitik gewidmet, für die Außenpolitik bleiben genau drei Absätze.

Die weiterhin mit 20 Millionen Euro niedrig veranschlagten Ausgaben für die humani­täre Hilfe werden in der EU mit Sicherheit eher als Knausrigkeit registriert und dies konterkariert auch die Linie, dass die ÖVP, wie vorhin schon erwähnt, die Flucht­ursachen bekämpfen möchte. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Ich möchte jetzt aber auf ein sehr aktuelles Thema eingehen, das uns schon länger beschäftigt und das in der österreichischen Politik aus unserer Sicht eine zu geringe Rolle spielt. Ich hätte gerne – die bringe ich natürlich ein – an Frau Kneissl, wäre sie da gewesen, ein paar Fragen gestellt.

Sie hat nämlich seit Beginn des türkischen Angriffskrieges auf die syrische Region Afrin zweimal den türkischen Außenminister getroffen, einmal in Istanbul und einmal in Wien. Mich würde interessieren, ob sie diesen auf diesen Angriffskrieg angesprochen und sich erkundigt hat, was Österreich da als Staat machen könnte. Diese Anfrage wird wohl schriftlich beantwortet werden müssen.

Ich möchte im Zuge dieser Debatte auch einen Entschließungsantrag einbringen. Sie haben ihn mittlerweile alle vorliegen. Ich werde die Begründung nicht verlesen, lediglich den Entschließungsantrag selbst.

Da heißt es:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend „humanitäre Katastrophe infolge der türkischen Militäroffensive in Afrin“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert, sich mit allen politischen Mitteln – insbesondere auf EU-Ebene – dafür einzusetzen, dass es zu einer Beendigung der türkischen Militärof­fen­sive gegen Afrin und zu einer raschen Verbesserung der Situation für die betroffene Zivilbevölkerung kommt.

 Ziel dieser Bemühungen der Bundesregierung auf internationaler Ebene soll insbe­sondere sein die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen, der Abzug der türkischen Truppen und der verbündeten jihadistischen Milizen, ein Bekenntnis zu einer internationalen Kontrolle über Afrin, die Schaffung eines ‚Safe Haven‘ nach dem Vorbild Irak 1991, damit die Zivilbevölkerung der Region zurückkehren kann.

Um den Druck auf die Türkei zur Erreichung dieser Ziele zu erhöhen, wird die Bundesregierung aufgefordert, sich auf EU-Ebene für eine formelle Aussetzung der Beitrittsverhandlungen und ein Einfrieren der EU-Heranführungsgelder einzusetzen.


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Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, zur Linderung der in Afrin drohen­den humanitären Krise Sofortmittel aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfü­gung zu stellen.“

*****

Ich denke, diese Forderungen sind nicht parteipolitisch geprägt, sondern wir alle sind als österreichisches Parlament dafür verantwortlich, Stellung zu beziehen, wenn so etwas in der Welt, egal wo passiert. Ich habe, bevor ich hier herausgekommen bin, noch kurz die Meldung gelesen, dass es gerade jetzt an einer türkischen Uni vier Tote gibt, und denke, wir dürfen hier nicht wegschauen, sondern müssen, auch wenn wir uns manchmal im Staat Österreich machtlos fühlen, doch Zeichen setzen und diese Entschließung auch unterstützen. Auf eine ertragreiche Debatte freue ich mich. – Danke. (Beifall der BundesrätInnen Reiter und Stögmüller.)

14.41


Präsident Reinhard Todt: Der von Frau Bundesrätin Dziedzic, Kolleginnen und Kolle­gen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „humanitäre Katastrophe infolge der türkischen Militäroffensive in Afrin“ ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


14.42.06

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Dziedzic, ich bin jetzt etwas verwundert. Sie sind als Kontrarednerin gemeldet und das Einzige, was ich von Ihnen gehört habe, war, dass Ihrer Meinung nach im Regierungsprogramm zu wenig drinnen steht, zum Arbeitsprogramm selbst kam von Ihnen nicht ein Wort.

Sie haben den Entschließungsantrag eingebracht, der übrigens nicht ganz neu ist. Es gab schon im Nationalrat einen Allparteienantrag zu genau diesem Thema, mit der gleichen Befürchtung und mit der gleichen Sorge. Aber es ging um das EU-Arbeitsprogramm 2018 (ein Schriftstück in die Höhe haltend) und darüber haben Sie jetzt nicht ein Wort verloren. (Bundesrätin Dziedzic: Ich kann aber schon einen Antrag im Zuge der Debatte einbringen!)

Dieses EU-Arbeitsprogramm ist recht umfangreich, sehr ambitioniert und auch durch­aus sehr konkret auf seinen 60 Seiten, die es beinhaltet, und fußt übrigens auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission. So ein Arbeits­programm wird ja nicht am Wochenende vom 31.3. auf den 2.4. erstellt, sondern das dauert schon einiges länger, zumal es ja auch die Vorhaben betreffend den Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2018 beinhaltet. Das heißt, da hat schon die Vorgängerregierung fleißig daran gearbeitet, da ja auch ein Ratsvorsitz nicht innerhalb einer Woche auf die Beine zu stellen ist.

Und hier gibt es wirklich sehr konkrete Dinge, die uns auch beim Ratsvorsitz be­schäf­tigen werden. Wir folgen ja einer logischen Kette der Staaten, die vor uns den Vorsitz hatten, nämlich Estland und Bulgarien – und als drittes Land nun eben Österreich –, bei denen der Brexit natürlich voll hineinspielt, wobei bis jetzt von Großbritan­nien jedoch keine wirklich konkreten Vorschläge gekommen sind, wie es sich denn eigent­lich den Brexit vorstellt.

Einer der Beamten aus dem Außenministerium hat es am Dienstag im Ausschuss wirklich mit einem guten Vergleich untermalt, indem er gesagt hat, das sei wie bei einer


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Scheidung. Man sagt: Wie soll jetzt die Scheidung vonstattengehen? – Aber eine Scheidung ist eine Scheidung. Und wie ist das jetzt mit dem Haus? – Ja, das Haus ist das Haus, aber wir wissen nicht, wie wir das Haus jetzt aufteilen sollen.

So ähnlich geht es der Europäischen Union jetzt mit dem Austritt Großbritanniens, wo man ja schon vermuten kann, dass die vielleicht gar nicht wirklich austreten wollen und die Bevölkerung diese Entscheidung, die sie getroffen hat, mittlerweile bereut. Aber sie ist nun einmal gefallen und das könnte nur Großbritannien selbst lösen. Da sollten konkrete Vorschläge kommen, wie Großbritannien diesen Brexit vornehmen will, welches Verhältnis es künftig zur EU haben will. Das wird auch für uns noch eine sehr spannende Zeit werden.

Was auch drinnen steht – und das ist mir auch wichtig zu erwähnen –, ist eine Ver­besserung der Europäischen Bürgerinitiative – wir sind da ja immer sehr offen, was die Stärkung der Rechte anbelangt. Nun wird die Europäische Bürgerinitiative – und es war ja wirklich zum Teil sehr schwierig, eine derartige Initiative auf die Beine zu stel­len – etwas unkomplizierter, zugänglicher und bürgerfreundlicher gemacht. Die Sen­kung des Mindestalters von 18 auf 16 Jahre wird erfolgen, was ja auch eine Anpas­sung an unser Wahlalter ist. In Österreich darf man ja auch ab 16 Jahren wählen – warum soll man dann nicht bei einer Europäischen Bürgerinitiative mitmachen dürfen? Zudem wird es für Organisationen kostenfrei und auch vom System her einfacher sein. Das ist also wirklich eine sehr gute Sache.

Als weiteres Kapitel wird uns beschäftigen, wie es mit der Europäischen Union weitergeht. Da gibt es ja dann im Juli den Bericht der Taskforce, die sich damit in Bezug auf Subsidiarität beschäftigt – was uns ein besonderes Anliegen ist; dieses Thema haben wir immer wieder im EU-Ausschuss, es ist eine wichtige Grundlage –, auch unserer Mitteilungen an Brüssel, was die Subsidiarität betrifft und wie sich Europa überhaupt gestalten soll. Es gibt ja verschiedene Punkte, die Juncker vorgeschlagen hat, wie man es machen könnte. Mir persönlich gefällt halt sehr gut, wenn man sagt, die EU soll die innere, die äußere Sicherheit, die Verteidigung übernehmen, aber nicht darüber abstimmen, ob die Pommes so oder so braun sein dürfen oder ob der Staubsauger so und so viel Watt haben darf oder nicht.

Ein weiteres Kapitel, das hier zu Recht behandelt wird, ist natürlich die interne und die externe Migrationspolitik. Das ist etwas, das uns beschäftigt. Und ja, wir wollen nicht, dass alle nach Europa kommen, die nicht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention hier Asylrecht haben. Daher muss das natürlich auch gesteuert und geregelt werden. Natürlich will auch niemand, dass die Leute zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken, weil die Schlepper sie über diese Route führen. Das sind alles Dinge, die hier sehr konkret beschrieben werden, auch, wie die Kooperationen zu machen sind. Das betrifft nicht nur die Länder vor unserer Haustüre, sondern auch alle, die etwas weiter weg sind.

Natürlich ist auch ein Kapitel – da das ja Hand in Hand geht – das Schützen unserer Außengrenzen. Schengen kann nur funktionieren, wenn es gelingt, die Außengrenzen auch tatsächlich zu schützen. Daher liegen auch diesem Punkt konkrete Vorschläge zugrunde.

Ein weiteres Kapitel ist der Schutz religiöser Minderheiten. Da reden wir jetzt nicht nur vom Islam, wir reden auch von den Christen, die geschützt gehören, weil ja in vielen Ländern, auch um den EU-Raum, viele Christen verfolgt, auch getötet werden und sich bis jetzt einfach niemand darum gekümmert hat, dass das so ist – bislang habe ich das jedenfalls so empfunden –, oder nur sehr wenig. Das ist auch etwas, wo man wirklich in den Dialog eintreten muss.

Man sieht ja auch, wie diese Fragen alle anderen Bereiche betreffen. Wir haben das heute nicht nur bei diesem, sondern auch bei anderen Tagesordnungspunkten schon


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behandelt, wie es mit der Wertepolitik in Europa und in der Europäischen Union ist, wie der Umgang miteinander ist, Gewalt, sexuelle Gewalt, psychische Gewalt, andere physische Gewalt, die sehr wohl auch mit der Migration etwas zu tun haben, da halt auch viele kommen, die sich zwar freuen, dass sie hier in Europa sein dürfen, aber andererseits glauben, sie können genauso leben wie bisher zu Hause, und die noch nicht verstanden haben, dass es bei uns einfach eine Straftat ist, wenn man seine Frau schlägt, da es in ihren Herkunftsländern oftmals ein Mittel ist, das Recht des Mannes zu zeigen, dieses zu tun.

All das sind Dinge, bei denen man den Leuten klarmachen muss, das geht bei uns nicht, und wenn du glaubst, dass du das nicht beachten willst, dann müssen wir uns überlegen, wie wir weiter mit dir tun und du gehst im allerschlimmsten Fall, wenn es gar nicht geht, auch wieder zurück nach Hause.

Es gibt ja aber auch andere Länder, die eine Assoziierung mit der Europäischen Union möchten, auch wenn sie keine Mitgliedschaft anstreben, wie zum Beispiel Armenien, Aserbaidschan, Belarus und so weiter. Und da sieht man, wie – auch durch die Welt des Internets, durch die Vernetzungen der digitalen Welt – klein die Welt eigentlich geworden ist und dass Länder, die geografisch ziemlich weit entfernt sind, doch sehr nahe an uns herangerückt sind und es daher natürlich auch den Wunsch gibt – und es ja auch sinnvoll ist –, mit ihnen Kooperationen einzugehen, ohne dass man gleich sagen muss, es müssen jetzt alle Mitglieder der Europäischen Union werden. Denn auch hier haben wir ja schon in der Vergangenheit gesehen, dass es nicht immer so einfach ist, dann alles auf gleicher Ebene zu haben. Wir haben bei Bulgarien, bei Rumänien, die bis zum heutigen Tag Schwierigkeiten mit der Korruption, mit der Wirt­schaftsleistung et cetera haben, gesehen, dass der Beitritt zur EU nicht immer das allein selig machende Allzweckmittel ist.

Aber es gibt ja Länder wie Serbien – das jetzt eine Beitrittsoption hat –, Albanien, den Kosovo und so weiter, mit denen durchaus Gespräche stattfinden und man dann halt schauen muss, wie man mit ihnen kooperiert: als vollwertiges Mitglied, als assoziiertes Mitglied, als Partner mit entsprechenden Kooperationsverträgen.

Damit komme ich auch noch zu einem letzten Kapitel – da die Kollegin jetzt den Antrag eingebracht hat –, denn daran ist ja auch die Türkei beteiligt. Mit dieser haben wir ja wirklich unsere Probleme, überhaupt seit dort Erdoǧan die Macht übernommen hat, die er ja wie ein Pascha ausweitet, der allein regiert und wo man sieht, wie recht wir hatten, dass wir immer davor gewarnt haben, so zu tun, als ob das ein europäisches Land wäre. Und nicht wir sind schuld, dass sich Erdoǧan so entwickelt hat, sondern Erdoǧan hat das von sich aus angestrebt. Wir haben immer gesagt: Kooperation mit der Türkei, selbstverständlich, aber nicht ein vollwertiges Mitglied der EU.

In Wirklichkeit ist das, was Erdoǧan jetzt gerade versucht, ein Anknüpfen an die alte osmanische Macht, da die Türken ja über ziemlich weite Teile Syriens, des Iraks et cetera geherrscht haben. Diese Einflusssphäre möchte er offensichtlich wieder erweitern, dann sind wir wieder im 19. Jahrhundert gelandet, wobei ja Erdoǧan mit seiner Art der Politik für mich eher so im 15./16. Jahrhundert gelandet ist. Und das ist etwas, was sich mit Europa und mit der Europäischen Union überhaupt nicht verträgt. Daher ist auch dem ein Kapitel gewidmet und es ist richtig, die Beitrittsverhandlungen – wie wir immer gesagt haben – auszusetzen – das hat auch Bundeskanzler Kurz ge­sagt, sie werden ausgesetzt –, aber auch die neuen Verhandlungen über eine Zoll­union.

Das alles sind richtige Dinge. Auch wenn unsere Außenministerin richtigerweise den Kontakt zu den türkischen Vertretern gesucht hat, um mit ihnen wieder in einen Dialog einzutreten, ist aber trotzdem klar, dass man Grenzen setzen muss. Man muss sagen:


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Bis hier her und nicht weiter! Da können wir einfach nicht mehr mit und da muss sich die andere Seite auch einmal bewegen. Es kann nur dann funktionieren, wenn beide aufeinander zugehen.

So gesehen gratuliere ich dem Außenministerium zu diesem ausgezeichneten Arbeits­programm, bedanke mich für die Arbeit, die auch damit verbunden ist, und wir werden diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.54


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gregor Hammerl. Ich erteile es ihm.


14.54.32

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Die Frau Kollegin Mühlwerth hat bereits viele Punkte angesprochen und unter anderem auch erwähnt, dass das ein ganz wichtiger Bericht ist. Ich glaube, es ist einer der wichtigsten Berichte im Jahr 2018. Frau Kollegin Dziedzic, ich schätze Sie sehr, aber das ist wirklich ein ausgezeichneter Bericht, auch inhaltlich.

Meine Damen und Herren, mit 197 Punkten auf knapp 60 Seiten über das EU-Arbeitsprogramm 2018 ist der Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres sehr umfangreich. Natürlich ist das Arbeitsprogramm geprägt von der Tatsache, dass ab 1. Juli 2018 Österreich zum dritten Mal den EU-Vorsitz innehat. Den Rahmen für den Arbeitsschwerpunkt bildet damit das sogenannte Trioprogramm, das von den drei Ratsvorsitzenden Estland, Bulgarien und Österreich erarbeitet wurde.

Die Hauptpunkte sind damit vorgegeben, innerhalb dieser gibt es aber viele Mög­lichkeiten von Initiativen, die die österreichische Handschrift tragen. In vielen Punkten stimmt das Arbeitsprogramm zudem mit dem Vorhabenbericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien überein, und es ist gut, dass es eine gemeinsame Vorgehensweise gibt.

Meine Damen und Herren, nur wenn alle die vorgeschlagenen Maßnahmen mittragen und das, was durch den Rahmen der EU ermöglicht wird, nützen, kann der Ratsvorsitz nicht nur ein Erfolg für Österreich, sondern auch für die EU werden. Innerhalb der vorgegebenen Hauptthemen des Brexits, der Beitrittsverhandlungen mit den Ländern des Westbalkans und der Subsidiaritätsdebatte kann die Handschrift Österreichs sichtbar werden und eigenständige Variationen innerhalb der vorgegebenen Positionen sind gerade angesichts einer Skepsis verschiedener Kreise der EU gegenüber als neue Akzente für die EU auszugestalten.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass Außen­ministerin Karin Kneissl insbesondere hinsichtlich der Eindämmung – das wurde heute schon von der Kollegin Mühlwerth erwähnt – der illegalen Migration, des Schutzes der EU-Außengrenzen und der Verwirklichung der Sicherheitsunion Akzente setzen und so die Themen weitertreiben will. Ein mutiger Schritt, aber ein wichtiger Schritt! Dabei geht es meines Erachtens in erster Linie nicht darum, die EU zu einer Festung auszubauen, sondern die mit Schwerpunkten versehenen notwendigen Entwicklungen weiterzu­führen.

In Bezug auf die Migration geht es darum, wie das Recht auf Asyl so gestaltet werden kann, dass dadurch das Recht auf Heimat nicht nur nicht verunmöglicht, sondern sogar gefördert wird. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass unge­regelte und illegale Migration dazu führen kann, dass jene, die wirklich Asyl angesichts der Gefahr für ihr Leben brauchen, dies dann nicht erhalten. Damit jeder, der ein An-


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recht auf Asyl hat, dieses Recht auch zugesprochen bekommen kann, ist es wichtig, alles zu tun, dass die Aufnahmeländer der Asylanten nicht überfordert werden.

Meine Damen und Herren, natürlich werden jetzt sofort einige sagen: Wir sind ja nicht überfordert. Aber denken wir nach, wenn sich die Stimmung der Bevölkerung ange­sichts der hohen Zahlen auch von illegalen Migranten gegen Asylsuchende richtet, so ist keinem gedient. Leidenschaft und Augenmaß müssen in einem solchen Fall zusam­menkommen. Dazu gilt es, die Partnerschaft mit den Balkanstaaten zu vertiefen und mit den Herkunftsländern der Migranten im Sinne einer Bekämpfung der Flucht­ursachen zusammenzuarbeiten.

Die Absicht, Migrationsdialoge mit den Staaten Westafrikas, der Sahelzone oder der Tschadregion zu führen, ist nicht nur hinsichtlich der Rücknahmevereinbarungen wichtig, sondern auch im Hinblick auf die Bekämpfung von Fluchtursachen. Natürlich ist es illusorisch zu glauben, mit einem Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit sei automatisch ein Rückgang der Migration verbunden. Aber ein erster Schritt in Richtung Eindämmung der Fluchtursachen ist damit gegeben.

In diesem Sinne kann auch die Bereitschaft, Rücknahmeabkommen zu schließen, erhöht werden, gleichzeitig kann in einem rechtlichen Rahmen die Solidarität der EU-Mitgliedstaaten in der Aufnahme von Asylanten gestärkt werden. Dazu bedarf es allerdings eines Fingerspitzengefühls, wie es auch im Blick auf Konfliktzonen, wie sie sich etwa in Richtung Türkei, Russland oder USA auftun, notwendig ist. Das Austa­rieren von gesamteuropäischer Solidarität und eigenen außenpolitischen Akzenten bleibt eine Gratwanderung, die mit Besonnenheit und diplomatischem Geschick weiter­gegangen werden muss.

Solches gilt auch hinsichtlich des großen Themas der Vertiefung der Sicherheitsunion. Mit der Sicherung der EU-Außengrenzen, einem verstärkten Informationsaustausch über das Schengener Informationssystem oder dem Europäischen Strafregisterinfor­mationssystem und einer besseren Vernetzung zwischen den Informationssystemen der EU-Mitgliedstaaten und der Nachrichtendienste sind wichtige Schritte beabsichtigt. Und das zeigt auch dieser Bericht auf.

Es wird aber auch der Sensibilität und des diplomatischen Geschicks bedürfen, dass es auf diesen Feldern nicht zu einem Missbrauch kommt, der nicht die Basis für einen Aufbau von Vertrauen bilden kann.

Der Terrorismus, das wurde heute schon erwähnt, bleibt weiterhin eine Gefahr. Ja, diese droht größer zu werden, und es ist alles zu tun, dass er nicht auch bei uns in Österreich und Europa verstärkt Platz finden kann. Von ihrer Profession her und als Kennerin der Verhältnisse im Nahen Osten ist von unserer Ministerin in diesem Zusam­menhang ein zielführendes Vorgehen zu erwarten. Ich wünsche ihr und uns allen viel Erfolg, denn, meine Damen und Herren, es wird wesentlich auch davon abhängen, ob wir in Zukunft in sicheren und geschützten Verhältnissen leben können.

Österreich hat immer wieder wichtige Akzente in der Außenpolitik gesetzt, indem es sich etwa als Gastgeber großer Konferenzen für Verhandlungen angeboten hat. Öster­reich hat sich immer wieder auch als ein guter Ort für Friedensverhandlungen erwie­sen; vielleicht ist es in Zukunft auch brauchbar. Als relativ kleines Land, meine Damen und Herren, konnte Österreich so wesentliche Akzente in Zurückhaltung, aber auch in klarer Position setzen. Möge das auch in Zukunft so sein!

Ich wünsche unserer Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres, die heute dienstlich verhindert ist, viel Erfolg. Meine Damen und Herren, es ist das dann nicht nur ein Erfolg für die Bundesministerin, sondern für ganz Österreich, Europa und schließ­lich für die ganze Welt.


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Ich danke für diesen ausgezeichneten Bericht und bitte alle, dass sie diesen auch lesen. Sie werden sehen, das ist ein Bericht, den wir heuer noch, im Jahr 2018, öfter durchfließen lassen müssen, weil darin alle Punkte enthalten sind, auch in den Verhandlungen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.01


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


15.02.03

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Lieber Gregor Hammerl, ich teile deine Meinung, dass das ein guter Bericht ist. Vielleicht kann man das gleich als Empfehlung an Frau Ministerin Köstinger weitergeben, wie ein Bericht an den Bundesrat auszusehen hat. Man kann ihn durchaus als Lehrbeispiel nehmen, dann ist auch die Diskussion nicht so ver­wunderlich.

Dieser Bericht enthält natürlich auch Dinge, für welche Frau Bundesministerin Kneissl nicht zuständig ist, zum Beispiel im Bereich der gesamten Energie- und Klimapolitik. Aber im Unterschied zu dem Bericht, den wir vorher hatten, wird darin ganz klarge­macht, lieber Freund Hammerl, dass zum Beispiel die Land- und Waldnutzung in die Klima- und Energiepolitik miteinzubeziehen ist und sein wird – auch die Lastenver­teilungsverordnung sagt das – und dass es zu einer völligen Änderung des Emissions­handels kommt. Das sind alles Dinge, die die EU in diesem Bereich vornimmt. Es wird nicht ganz in der Hand der Ministerin liegen, aber das ist wichtig.

Es zeigt natürlich, dass der Kitt der Koalition ein Stichwort hat, das Subsidiarität heißt. Deshalb wird es gleich an die zweite Stelle des Berichtes geschoben. Also ich bezweifle den Satz, dass die Subsidiarität das „Kernelement“ der Zukunft Europas ist. Das ist ja hanebüchen. (Bundesrat Raml: Das ist aber ein Grundprinzip! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Nein, ein Kernelement! (Bundesrat Mayer: Kern-Element, ein kausaler Zusammenhang!) Für mich gibt es verschiedene wichtige Dinge, Dinge, die wesentlich wichtiger sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie ist aber trotzdem nicht so schlecht, nicht unwichtig!) Aber die Subsidiarität der Prüfungen und der Verhältnismäßigkeit, die wir machen, ist etwas anderes als das, was hier in diesem Bericht gemeint ist, lieber Edgar Mayer. Das weißt du auch. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Die Subsidiaritätsprüfungen, die die nationalen Parlamente durchführen – ein ganz wichtiger Schritt der Demokratisierung der EU durch den Lissaboner Vertrag, den so manche verteufelt haben – sind etwas anderes, als das, was hier gemeint ist. – Aber lassen wir das!

Es gibt etwas, das natürlich Freude bereitet. In der vorherigen Ratspräsidentschaft Österreichs hatten wir den Lateinamerikagipfel. Das war etwas ganz Neues für die Europäische Union. Portugal hat den lusophonen Gipfel gehabt, und jetzt fällt der Asem-Gipfel in unsere Präsidentschaft, also der Gipfel mit Asien. Asien ist einer der dynamischsten Kontinente schlechthin. Dieser Bericht bereitet auf die Ratspräsident­schaft auch vor.

Interessant und wichtig ist – und das steht jetzt auch einmal in dem Bericht – ein Thema, bei dem wir auch Karten haben: die Erweiterung am Westbalkan. Erstens brauchen die Staaten des Westbalkans eine Perspektive, und zweitens brauchen auch wir mit unseren Stabilitätsmaßnahmen am Balkan entsprechende Perspektiven.

Zur Türkei: Die Türkei hat den Boden der Rechtsstaatlichkeit und auch den Boden einer normalen parlamentarischen Demokratie längst verlassen. Auf dieser Ebene kann die Türkei nicht Mitglied einer Gemeinschaft demokratischer Staaten sein, das ist


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klar. Allerdings wird es für die Europäische Union aufgrund dessen, dass Millionen Staatsbürger und -bürgerinnen der Türkei in Europa als Europäer oder in der Migration in Europa leben, immer ein besonderes Verhältnis zur Türkei geben müssen.

Aber in der demokratischen Verfassung, in der sich die Türkei derzeit präsentiert, ist es tatsächlich zu überlegen – wie auch der Europäische Rechnungshof sagt –, ob hier nicht einige Milliarden als Stranded Investments anzusehen sind, weil sie ja eigentlich Investments in Richtung mehr Rechtsstaatlichkeit sein sollten.

Ein bisschen, Frau Mühlwerth, kann sich die Bedeutung vielleicht auch in der geringen Darstellung der Donauraumstrategie ausdrücken. Sie ist etwas, das wir vonseiten des Bundesrates immer ganz stark getragen haben. In diesem Bericht an uns ist die Donauraumstrategie geradezu lediglich eine Fußnote. Liebe Monika Mühlwerth, viel­leicht kannst du mit deiner Ministerin reden und ihr sagen, dass die Donauraum­strategie für uns etwas sehr Wichtiges ist.

Wichtig sind auch die beiden sehr ausführlichen Kapitel über die Nachbarschaftspolitik der EU – die südliche Dimension, die östliche Dimension. Alles geht auf Romano Prodi zurück. Es kann nicht an den Grenzen der EU einen Bruch geben, ein Wohlstands­gefälle oder was auch immer. Dadurch hat man in der südlichen Nachbarschafts­politik – ich war selbst dort acht Jahre im Vorsitz – auch ein parlamentarisches Gremium. Man hat eine Art Kommission und Aktionspläne geschaffen. Was schmerz­lich ist, das haben Vorredner gesagt: Die Rücknahmeverfahren funktionieren mit ein, zwei Staaten so gut wie überhaupt nicht, denn anders als in unserer Verfassung, nach der jeder Österreicher oder jede Österreicherin, die im Ausland eines Verbrechens schuldig ist, nach Österreich auf jeden Fall zurückkehren kann, dürfen in bestimmten Ländern Staatsbürger oder Staatsbürgerinnen, die im Ausland ein Verbrechen begangen haben, nicht mehr in die Heimat zurück. Das muss geändert werden.

Bei der östlichen Partnerschaft ist der EU – wie soll ich sagen? – die wirtschaftliche Sucht durchgegangen, nämlich nur den Wirtschaftsraum zu sehen, in diesem Fall die fossile Energie. Dadurch sind wir jetzt in eine Reihe von Komplikationen gestürzt – ich sage nur: Ukraine –, und es ist auch so, dass man Länder wie das kleine, arme Moldawien zu einer Haltung zwingt, die lautet: Entweder bist du für uns oder gegen uns! Warum können diese Länder, die eine lange Tradition auch im Handel mit Russland haben, nicht mit beiden Handel betreiben? Warum muss man einem armen Land sagen, du darfst nicht mit Russland, du darfst nur mit uns Handel treiben? So etwas ist Unfug. Serbien zeigt, dass man mit beiden Blöcken Handel treiben kann. Das ist irgendwie ganz normal.

Kommen wir noch ganz kurz zu folgendem Thema: Der Bericht greift auf, dass eine der größten Bedrohungen, die wir haben – ich sage jetzt nur Facebook-Affäre –, die Cyber­sicherheit, die Datensicherheit ist. Das ist das neue Gold, aber es ist auch der neue kriminelle Handel. Auch dazu finden sich im Bericht Vorhaben, die alle richtig sind.

Worüber ich mich ein bisschen wundere, ist, dass die Integration – es ist ja immerhin Europa und Integration – nur dürftige eineinhalb Seiten einnimmt. Vielleicht zur Erin­nerung, dass die EU ja einige Maßnahmen in Österreich zur Verfestigung der Migration finanziert: Da kommen über den Amif allein 64,5 Millionen Euro jährlich nach Österreich, und zur Starthilfe für Flüchtlinge sind es weitere 6,5 Millionen Euro, die Österreich aus EU-Mitteln erhält. Das ist alles korrekt dargestellt.

Zum Wunsch, der ebenfalls drinnen steht, dass die Europäische Union Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention wird: Das diskutieren wir schon seit vier Jahren, ich glaube, das wird auch unter österreichischer Präsidentschaft nicht pas­sieren, weil sie sich dann dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof unterwerfen müsste. Damit hat die EU Probleme, obwohl alle EU-Staaten Mitglied in Straßburg


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sind. Ich denke aber, dass die Istanbul-Konvention, die heute schon sehr unterstrichen wurde, zu schaffen ist. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Die Außenpolitik kommt in diesem Bericht auch vor. Ich möchte nur erinnern: 16 Mis­sionen laufen derzeit in der Welt, Österreich ist an sieben davon beteiligt. Die größte Beteiligung ist nach wie vor historisch in Bosnien, das ist richtig, das ist gut. Insgesamt ist die EU mit 5 800 Personen – das sind Truppen, Polizei, Expertinnen und Experten – an solchen Projekten beteiligt. Das geht von der Bekämpfung des Schleppens über das Mittelmeer bis zur Sicherung in Bosnien, Kosovo, Georgien, Libyen, Mali, Paläs­tina, Sahel, Somalia und so weiter und so fort. Österreich ist auch in der Ukraine tätig. Wo wir nicht tätig sind, ist in den anderen Bereichen, die hier fehlen, aber das gehört in den Außenpolitischen Bericht.

Zum Schluss kommend: Wir werden den beiden Entschließungsanträgen, die hier vorgelegt werden, zustimmen, wobei ich der Regierung sage: Ihr habt ein bisschen mehr Möglichkeiten und Mittel, schneller zu arbeiten, denn dieser Entschließungs­antrag ist vom 28. Februar. Bei euch kommt im vierten Absatz noch vor, dass die Kämpfe andauern. Mittlerweile ist Afrin erobert – das möchte ich schon sagen –, und wir wissen, wie viele Menschen gestorben sind. Es dauern noch Kämpfe an, aber Afrin ist schon erobert und das schon seit einigen Wochen. Aber wir sind nicht so und stimmen beiden Entschließungsanträgen zu, nur: Alte Hüte sind nicht so gut. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.12


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf auf der Galerie ganz herzlich eine Besuchergruppe aus der Gemeinde Dobl-Zwaring begrüßen, begleitet von unserem ehemaligen Vizepräsidenten und jetzigen Nationalratsabgeordneten Ernst Gödl. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm.


15.12.43

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Geschätzte Damen und Herren! Es wurde bereits vieles gesagt, die Ausführungen von Herrn Kolle­gen Hammerl sind zu unterstreichen, selbstverständlich auch die Ausführungen von Frau Kollegin Mühlwerth. Zu Ihnen, Herr Kollege Schennach, ein paar Worte: Wenn Sie hier herauskommen und sagen, dass die Subsidiarität nicht so wichtig ist, kann ich das nicht unterstreichen. Ich persönlich finde sie sehr, sehr wichtig und halte es auch für gut, dass das gleich am Anfang des Berichtes steht, denn Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind grundsätzlich nie verkehrt, da kann man besser handeln und agieren und ist viel, viel näher an den Leuten dran. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Subsidiarität betreffend ist es aber auch nicht so, dass man jetzt ins Blaue schießt, nein, das wird sehr stringent und fachlich fundiert gemacht. Wir haben eine Kom­mission eingesetzt, die sich explizit mit dieser Angelegenheit und Thematik beschäftigt und schon seit Jänner tagt. Im Laufe des Jahres werden wir Ergebnisse sehen.

Wo die EU sehr viel machen kann, ist im Bereich der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Das ist schon sehr wichtig, denn die EU sollte eigentlich gewähr­leisten, dass die europäischen Bürger, unsere Werte und vor allem auch unsere Kultur geschützt werden.

Leider haben wir in den vergangenen Jahren erlebt, dass das nicht immer der Fall war, Stichwort 2015 und die Migrationskrise. Wir haben mittlerweile spüren müssen, dass wir jetzt hier nicht nur eine Migrationskrise, sondern auch eine Integrationskrise haben. Da muss man schon dazusagen: Man kann nicht jeden aufnehmen, sondern nur so viele Menschen, wie wir auch bewältigen können und wie für unsere Gesellschafts-


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und Wirtschaftssysteme auch verkraftbar sind. Seien wir froh, dass unsere Bun­desregierung nun Maßnahmen und Initiativen ergreift, um gezielt gegen diese Dinge vorzugehen. Zu nennen sind hier die Auslandseinsätze, die weitergeführt und verbes­sert werden. Zu erwähnen sind hier die Dinge, die in Nordafrika verbessert werden, also bessere Überwachung der Küsten, Aufbau der Sicherheitskräfte der Küstenwache in den nordafrikanischen Staaten. Das alles geht aus dem Bericht hervor.

Auch zu Ihnen noch ein paar Worte, Frau Kollegin Dziedzic: Lesen Sie die 60 Seiten! Das ist sehr umfangreich, sehr fundiert, sehr gut, da steht sehr, sehr viel Positives drin. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.15


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. Ich erteile es ihm.


15.15.16

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Damen und Herren auf der Galerie! Herr Altvizepräsident Nationalrat Gödl und Menschen aus deiner Heimatgemeinde, herzlich willkommen auch von meiner Seite! Wir haben sehr viele Jahre sehr gut zusammengearbeitet, und alles, was er kann, hat er sozusagen im Bundesrat gelernt. Das möchte ich Ihnen mit auf den Weg in die Steiermark geben. (Allgemeine Heiterkeit.)

Frau Kollegin Dziedzic, zu Ihrem Entschließungsantrag ist anzuführen, dass auch wir einen Entschließungsantrag einbringen möchten, weil uns die Thematik schon sehr bewusst ist und auch sehr am Herzen liegt. Es ist keineswegs so, dass wir diese ganzen Vorkommnisse, die kriegerischen Handlungen und Auseinandersetzungen in den Kurdengebieten rund um Afrin auch nur in irgendeiner Weise tolerieren oder unter­stützen. Keineswegs!

Unser Entschließungsantrag ist an den Entschließungsantrag des Nationalrates ange­lehnt, der sehr gut und sehr präzise formuliert ist, auch im Hinblick darauf, wie und wo interveniert werden sollte. Das sind, glaube ich, entscheidende Punkte. Es ist im Nationalrat ein Allparteienantrag eingebracht worden, der schlussendlich auch ein­stimmig beschlossen wurde – ohne das jetzt noch weiter auszubauen. Er ist im Zuge der EU-Debatte über den Bericht des Bundesministeriums für Europa und Integration eingebracht und diskutiert worden, und das ist auch der richtige Punkt, um hier einen Entschließungsantrag einzubringen – um das jetzt nicht falsch zu verstehen.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein – Kollege Schennach, das ist alles, aber nur kein alter Hut; das ist schon eine sehr aktuelle Geschichte –:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Edgar Mayer, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „humanitäre Versorgung und Wiederherstellung der Sicherheit für die Zivilbe­völkerung in Afrin“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres wird ersucht, im Rahmen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und anderen internationalen Organisationen, sowie in bilateralen Kontakten mit den Staaten in der Region, auf die Dringlichkeit der Unterstützung der Zivilbevölkerung in den betroffenen kurdischen Gebieten, insbesondere der Stadt Afrin hinzuweisen.


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Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, sich mit aller Kraft für einen Waffen­stillstand und den Schutz der Bevölkerung, insbesondere von ansässigen Minderheiten in den betroffenen Gebieten einzusetzen sowie eine Sicherstellung der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger durch die Errichtung eines humanitären Korridors einzu­fordern, um eine drohende humanitäre Katastrophe abzuwenden.“

*****

(Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Edgar Mayer, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „humanitäre Versorgung und Wiederherstellung der Sicherheit für die Zivilbevölkerung in Afrin“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrätin Dziedzic gibt ein Zeichen.) – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. (Bundesrätin Dziedzic gibt neuerlich ein Zeichen.) – Entschuldigung, das habe ich übersehen. – Bitte, Frau Bundesrätin Dziedzic.


15.18.48

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Eine ganz kurze Ergänzung – danke, Frau Mühlwerth, dass Sie sich so um meine Ausführungen kümmern –, da ich mir dieses Mal erlaubt habe, vielleicht nicht so explizit auf den Bericht einzugehen.

Dazu nur zwei Sätze: Die europapolitische Grundlinie der Regierung, weniger EU, konterkariert sozusagen schon die Behauptung, dass vor allem die ÖVP eine Euro­papartei ist.

Zur Subsidiarität – weil sie heute auch Thema war – nur so viel: Sie wurde unter Schwarz-Blau II schon damals sehr stark forciert. Es gab schon damals die Rüge im Vertrag von Lissabon, die sozusagen erwirkt worden ist. Es hat weder Handlungs­fähigkeit gebracht, noch irgendetwas an Legitimation in Richtung Europäische Union erhöht.

Was die Integration und die Schließung der Außengrenzen anlangt, so wird das noch Thema beim Bericht zum Inneren sein, da werde ich darauf zurückkommen.

Ich freue mich sehr, dass es einen weiteren Entschließungsantrag zu Afrin gibt, ich würde aber darum bitten, dass Sie vielleicht die konkreten Unterschiede zwischen den zwei Anträgen herausarbeiten. Ich habe nämlich keine entdeckt. Also sowohl die Einstellung der Kampfhandlungen als auch der Korridor und auch die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen sind alles Dinge, wo wir uns einig sein dürften. Ich bin mir nicht sicher, ob es zwei Anträge braucht, aber vielleicht ist es Ihnen (Bundesrätin Mühlwerth: Dann zieh einfach deinen zurück!) noch möglich, hier im Detail zu sagen (Bundesrätin Mühlwerth: Ich gebe dir ja recht!), was die konkreten Unterschiede sind. Wir werden diesen Antrag selbstverständlich auch unterstützen, würden uns aber natürlich auch über Unterstützung unseres Antrages freuen, da es kaum Unterschiede gibt. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Reiter.  Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

15.20

15.20.43



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 104

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Dr.in Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „humanitäre Katastrophe infolge der türki­schen Militäroffensive in Afrin“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt ein weiterer Antrag der BundesrätInnen Edgar Mayer, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „humanitäre Versorgung und Wiederherstellung der Sicherheit für die Zivilbevölkerung in Afrin“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 253-BR/2018)

15.22.1013. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz  – TNRSG geändert wird (107/A und 33 d.B. sowie 9934/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 13.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat Tiefnig.


15.22.39

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucher­schutz­gesetz – TNRSG geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zu Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


15.23.18

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Werte Frau Bundes­ministerin! Werte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


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Dass wir heute hier über einen Beschluss des Nationalrates, nämlich das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz abzuändern, debattieren, das ist im Grunde genommen ein Kuriosum. Es ist nämlich wirklich einzigartig, dass sich ein Parlament mit Mehrheit – und leider wohl auch wider besseres Wissen – für einen Rückschritt in Sachen Nichtraucherschutz entscheidet.

Ich weiß noch, wie wir – nicht hier, sondern im Parlamentsgebäude – darüber im Jahr 2015 im Bundesrat abgestimmt haben, auch mit der ÖVP, dass wir den Nicht­raucherschutz einführen, der jetzt hätte umgesetzt werden sollen. Damals haben wir gemeinsam dafür gestimmt, dass das so sein soll. Da haben im Nationalrat 28 ÖVP-Abgeordnete dafür gestimmt, und jetzt ist dieses Gesetz gestürzt worden.

Ich habe mir im Vorfeld ein bisschen die Zeitungen durchgelesen, gelesen, was damals alles gesagt wurde, und möchte einzelne Personen nennen und ein bisschen vor den Vorhang holen. Das ist zum einen bei der ÖVP der Arzt und Ex-Rektor der Medi­zinischen Universität Graz Josef Smolle, der damals gesagt hat, er werde im Natio­nalrat für das Rauchverbot kämpfen, bis er umfalle. Ja, er ist umgefallen. Er hat keiner Zeitung ein Interview gegeben und er hat – und das muss man ihm zur Rettung seiner Ehre zugestehen – nicht mitgestimmt, er hat den Saal verlassen.

Schauen wir, was im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Kärnten passiert ist, vor allem zum Schluss, als man gesehen hat, dass es bei der SPÖ relativ gut läuft und bei den Freiheitlichen – man kann nicht sagen, dass es schlecht gelaufen ist  nicht so, wie man sich das vorgestellt hat: Mag. Darmann hat als Landesrat gesagt, eigentlich sei er für eine Volksabstimmung, die solle man machen. Er hat gedacht, damit bekomme er, ohne den Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens zu unterschreiben, doch noch ein bisschen Rückenwind.

Das ist aber nicht alles. Mein Kollege Angerer, Bürgermeisterkollege im Mölltal, der den Wahlkampf geleitet hat, fährt dann über die Pack nach Wien und macht dort genau das Gegenteil: Er hat dafür gestimmt. So viel zur Ehrlichkeit der Politik insgesamt.

Wenn ich meinen Kollegen Gödl da oben auf der Galerie sehe – es ist ein Zufall, dass du gerade jetzt hier bist! –, muss ich sagen: Du warst auch einer jener, die das mit uns gemeinsam so beschlossen haben, und im Nationalrat hast du jetzt anders gestimmt. (Ruf bei der SPÖ: Du hast auch mit aufgezeigt!)

Ich möchte aber auch zu den Freiheitlichen noch etwas feststellen, da es ja immer um direkte Demokratie gegangen ist. Ich habe auch dazu etwas gefunden, es ist von Frau Nationalrätin Dagmar Belakowitsch, der Gesundheitssprecherin, ich glaube, sie hat 2010 noch Jenewein geheißen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.Belakowitsch-Jenewein, Doppelnamen, ja, 2010. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. Bundesrätin Posch-Gruska: Oje, hör nicht hin!) Okay, passt. Frau Dagmar Belakowitsch hat 2010 festgestellt: Wir machen eine Volksabstimmung! Jetzt ist sie umgefallen.

Wie auch immer, ich glaube, die Bevölkerung versteht sehr gut, was da passiert ist. Last but not least noch eine letzte Meldung aus der Zeitung, bei der ich auch den Kopf schütteln musste:  „Den Konflikt vieler ÖVP-Abgeordneter sprach Carmen Jeitler-Cincelli an. ,Loyalität ist die Basis einer soliden Partnerschaft‘, sagte sie mit Blick auf die Koalition mit der FPÖ. Als Mutter dreier Kinder“ – das muss man sich vorstellen! – (Bundesrätin Mühlwerth: Na und? – Bundesrat Längle: Ja und?) – „habe sie keine Freude mit dem Gesetz, manchmal aber sei mehr Mut erforderlich, einen Kompromiss einzugehen.“Das sagt eine Mutter von drei Kindern!

Wie auch immer: Es ist so, wie es ist. Noch kurioser ist, mit welchen zum Teil heftigen Wortgefechten und mit welcher Leidenschaft im Parlament über eine Angelegenheit,


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die sachlich und wissenschaftlich betrachtet relativ klar ist, gesprochen wurde. Aus wissenschaftlicher, medizinischer Sicht kann es überhaupt keine Zweifel geben, es wird auch den Regierungsparteien nicht möglich sein, zu widerlegen, dass Rauchen nun einmal die Hauptursache für Lungenkrebs ist. Alles, was das Rauchen, vor allem auch das unfreiwillige Passivrauchen fördert, ist gesundheitspolitisch und, wenn Sie so wollen, moralisch ein Schritt in die falsche Richtung.

Denken wir nur daran – und das ist belegt –, dass im Jahr zwischen 13 000 und 14 000 Personen durch Tabakkonsum sterben. Noch viel schlimmer ist es, dass tausend Personen aufgrund von Passivrauchen sterben. Das heißt, das sind mehr Personen, als in Österreich auf den Straßen umkommen. In Österreich kommen nicht tausend Personen pro Jahr auf den Straßen um, aber es sind tausend Personen, die durch Passivrauchen sterben.

Der Absurdität noch nicht genug, ist es ausgerechnet unsere Gesundheitsministerin, die dieses Vorgehen als traditionelle Gastfreundschaft, persönliche Freiheit, nicht maß­regeln zu wollen, kleine Schwächen von Besuchern bezeichnet oder mit der Vermei­dung von Ausgrenzung von Minderheiten und Suchtkranken rechtfertigt.

Frau Gesundheitsministerin! Für mich ist es unvorstellbar, dass Sie solche Meinungen vertreten. Rauchen ist eine höchstpersönliche Entscheidung, keine Frage. Wenn jemand freiwillig in eine Gaststätte geht, in der geraucht wird, so muss er das für sich selbst entscheiden, dann muss er es auch verantworten.

Dem Staat und uns als Abgeordneten obliegt es aber (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), vor den persönlichen Konsequen­zen – ich habe selbst geraucht (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP) –, die bis zum Tod führen können, zu warnen, aber auch den Menschen zu sagen, dass es gesundheits­politische Folgen für die gesamte Bevölkerung gibt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Noch mehr sind wir verpflichtet, jene zu schützen, die sich nicht freiwillig dem Rauchen aussetzen, zum Beispiel Kellnerinnen und Kellner, die aus beruflichen Gründen als Passivraucher gezwungenermaßen acht Stunden am Tag das alles aushalten müssen. Wer kümmert sich um ihre persönliche Freiheit? (Ruf bei der ÖVP: 95 Prozent der Kellner rauchen in Österreich!)

Passivrauchen – und das muss man sich vergegenwärtigen – ist für Kinder und Kleinst­kinder besonders gefährlich, denn bei einem Körper in der Entwicklung ist die Atemfrequenz so hoch, dass die Aufnahme von Schadstoffen um ein x-Faches höher ist. Die medizinischen Fakten liegen also auf dem Tisch, die Meinung aller relevanten Experten ist eindeutig.

Was kann es nur sein, das das Kippen dieses Nichtraucherschutzgesetzes recht­fertigen könnte? Sind das wirtschaftliche Gründe, die mehr wiegen als die Gesundheit? Ich weiß es nicht. Ist es tatsächlich das befürchtete Wirtesterben? In Bayern war es zum Beispiel nicht so. Das IHS hat in einer Studie, für die Wissen aus 16 Ländern zusammengetragen wurde, gezeigt, dass es keine Rückgänge gibt, abgesehen von Kleinstbereichen in Lokalen.

Ich glaube, man könnte der Gastronomie mehr helfen, wenn man sich mit Problemen wie Nachfolger, Bürokratie, Personalmangel befassen würde, eine Unterstützung zur Lösung des Problems, dass es zum Beispiel in Salzburg und in Tirol nicht ausreichend viele Köche gibt, anbieten könnte (Bundesrätin Mühlwerth: Ist aber nicht wegen Rauchen, oder?), wenn man das in die Hand nähme, anstatt dieses Thema anzu­schneiden.


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Es stellt sich wirklich die Frage, ob es dabei um ganz persönliche Vorlieben einzelner rauchender Politiker geht. Zumindest können wir die Beweggründe der ÖVP, die vor nicht allzu langer Zeit für das Nichtraucherschutzgesetz noch mitverantwortlich war, nicht verstehen. Dort ist es schlichtweg Parteipolitik und willfähriges Verhalten gegen­über dem Koalitionspartner, denn ich möchte nicht annehmen, dass man so schnell und vor allem so konsequent die Überzeugung geändert hat. Das ist Parteipolitik auf Kosten der Gesundheit.

Etwas Positives hat diese unsägliche Debatte aber doch: Es hat sich gezeigt, dass sich das Volk mit diesen Dingen nicht abfinden kann. So ist das Einleitungsverfahren jetzt mit 591 000 Stimmen, glaube ich, zu Ende gegangen. Ich glaube, dass Sie da komplett auf dem falschen Weg sind. Dieses Don’t-smoke-Volksbegehren, glaube ich, werden wir noch irgendwo im Hinterkopf haben, auch wenn der Vizekanzler für sich selbst festlegt, dass es 900 000 Stimmen sein müssen, damit es eine Volksabstimmung gibt. Ich glaube, wenn wir 900 000 haben, werden es eine Million oder 1,2 Millionen sein. Schauen wir uns das einmal an!

Frau Bundesministerin Hartinger-Klein! Ich muss Ihnen ehrlich sagen, Sie sind für mich keine Gesundheitsministerin. (Ruf bei der FPÖ: Na geh,  ... !) – Nein, Sie sind für mich keine Gesundheitsministerin (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist unglaublich!), senn in diesem Fall sind Sie eher eine Unterstützung für die Tabakindustrie. Ich muss ehrlich sagen: Schämen Sie sich als Gesundheitsministerin! (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Samt: Na geh, jetzt brems dich ein! Schön langsam wird’s kritisch!)

Ich möchte gerne folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nicht­raucherschutzgesetz – TNRSG geändert wird

„Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz­gesetz – TNRSG geändert wird (107/A und 33 d.B. sowie 9943/BR d.B.),

einen Einspruch zu erheben.“

*****

Ich darf hinsichtlich der Begründung den gegenständlichen Antrag in seinen Kern­punkten wie folgt kurz erläutern. Zum einen geht es um gesundheitliche Aspekte, die ich schon angeführt habe, um Passivrauchen und jene Menschen, die leider Gottes dadurch zu Tode kommen. Zum Zweiten gibt es sehr viele Aussagen von Ärzten und vor allem von Landeshauptleuten (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), die ich gar nicht vorlesen möchte. Ich nehme nur einige heraus: Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner, Herr Landeshauptmann Thomas Stelzer, Herr Landeshauptmann Wilfried Haslauer, unser Landeshauptmann in Kärnten, Peter Kaiser, Herr Landeshauptmann Günther Platter, alle diese Menschen sind dafür, dass das nicht so zustande kommt, wie es jetzt abläuft. (Bundesrat Stögmüller: Haberlander in Oberösterreich!)

Last but not least, einen letzten Absatz noch, denn wenn ich das jetzt alles vorlese, sind wir in einer halben Stunde noch da:


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„Im Bundesrat sind gemäß Art. 34 Abs. 1 B-VG die Länder im Verhältnis zur Bürger­zahl im Land vertreten. Der Bundesrat nimmt die Interessen der Länder im Bereich der Bundesgesetzgebung wahr.

Der gegensätzliche Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist wohl einer der um­strittensten der letzten Jahrzehnte. Er hat wie kein anderer Gesetzesbeschluss die Bürgerinnen und Bürger bewegt und betroffen gemacht. Folge war unter anderem der Start eines Volksbegehren gegen dieses Gesetzesvorhaben der Schwarz/Blauen-Bun­desregierung, welches historisch gesehen die meisten Unterschriften in der Einlei­tungs­phase aufweist. 591.146 Bürgerinnen und Bürger haben das Begehren unter­stützt und stemmen sich mit ihrer Stimme gegen diesen Gesetzesbeschluss des Nationalrates.

Das Ansehen Österreichs in Europa wird massiv und dauerhaft beschädigt, was in Anbetracht der österreichischen EU-Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2018 als politisches Harakiri zu bezeichnen ist.“

Ich bitte, über diesen Antrag abzustimmen. – Danke schön.

15.36


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der eben gehörten Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung. Dieser Antrag wurde im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten gerade vom Kollegen Novak mündlich erläu­tert.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.


15.37.35

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich habe im Zuge dieser Debatte öfters den Kopf schütteln müssen; das letzte Mal bei den Schlussworten des Kollegen Novak, seinen unqualifizierten Unterstellungen betreffend die Frau Bundesminister Hartinger-Klein, und davor beispielsweise als ich lesen musste, was die ehemalige Gesundheitsministerin Rendi-Wagner gesagt hat: „[...] stoppen Sie diesen unfassbaren Verrat an der Gesundheit der Bevölkerung.“ – Also die Aufgeregtheit ist ja wirklich enorm. Wenn diese Regierung gesagt hätte, wir nehmen Zwentendorf als Kernkraftwerk in Betrieb, dann könnte sie wahrscheinlich nicht größer sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie sollten mit Ihren Emotionen etwas sparsamer umgehen. Wer weiß, was noch alles kommt? (Ruf bei der SPÖ: ... werdet euch noch wundern!) Dann haben Sie Ihr ganzes Pulver schon verschossen und keine Kraft mehr. (Ruf bei der SPÖ: Brauchst keine Angst haben!)

Sie kritisieren auch, dass mit dieser heutigen Vorlage ein Rückschritt stattfindet. Meine Damen und Herren! Wenn ein Gesetz, das ja noch gar nicht in Kraft ist, jetzt sozusagen nicht vollzogen wird, so kann das keinen Rückschritt darstellen. Ja es stellt in der Praxis nicht einmal einen Stillstand dar, denn in Wirklichkeit wird ja der Gesundheitsschutz erhöht. Ich erinnere an das im Gesetz enthaltene Verkaufsverbot von Zigaretten an unter 18-Jährige, ebenso wie an das Rauchverbot im Pkw. Auch wenn einige von Ihnen anzweifeln, dass man das kontrollieren kann, man kann es ge­nauso gut kontrollieren wie das Handyverbot. Und es gibt ja auch schon einige Staaten in Europa – Italien, Griechenland, Zypern, Frankreich –, die dieses Rauchverbot im Pkw haben.


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Bedenklich wird die Hysterie dann, wenn man sich diesen offenen Brief, den ja alle Bundesräte bekommen haben, des Bundesleiters der Schutzgemeinschaft für Nicht­raucher durchliest, in dem zu lesen steht:  „Vermeidbare Gesundheitsschäden vom Volk abzuwenden ist Aufgabe der Regierung [...].“

Das erinnert mich irgendwie fatal an: Der große und gütige Führer Kim sorgt für euch. – Das hat durchaus totalitäre Tendenzen à la Nordkorea und Ex-DDR (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrat Pfister: Das glaubst ja selber nicht!): Wir als gute Regierung wissen, was für die Menschen gesund ist, was für sie gut ist, und dazu verpflichten wir sie mit Gesetzen.

Die Menschen setzen sich ja in der Praxis ständig vermeidbaren Gesundheitsschäden aus: beim Autofahren, beim Skifahren, beim Bergsteigen und Drachenfliegen, beim Essen von Schweinefleisch, geräucherter Wurst und Mehlspeisen. (Bundesrat Weber: Man muss es ja nicht steigern!) Ich sage: Wehret den Anfängen!, denn wo hört denn dann diese militante Bevormundung der Bevölkerung zum – unter Anführungs­zeichen – „Wohl der Menschen“ auf?! Damit wird Tür und Tor geöffnet.

Weil Sie hier so konkrete Zahlen genannt haben, wie viele Tote das Rauchen verur­sacht (Bundesrat Weber: Das haben Sie zu verantworten!): Da frage ich mich schon, warum der zuständige Beamte des Ministeriums auf ebendiese Fragen im Ausschuss keine Antwort geben konnte und auch begründet hat, warum es hiezu keine konkreten Zahlen gibt, die das belegen.

Weiters heißt es: „Die Glaubwürdigkeit Österreichs in der Weltöffentlichkeit steht auf dem Spiel.“ – So ein Schmarren, kann ich da nur sagen! Die Weltöffentlichkeit hat nichts anderes zu tun, als zu schauen, ob bei uns im Wirtshaus geraucht wird oder nicht? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Weiters schreibt dieser Herr Bundesleiter:

 „Immer mehr Österreicherinnen und Österreicher sind über die Schädlichkeit des Rauchens und Passivrauchens informiert und nicht länger willens, sich durch den giftigen Tabakrauch gesundheitlich schädigen zu lassen oder die Unannehmlichkeit stinkender Haare und Kleider in Kauf zu nehmen. Eine rauchfreie Gastronomie führt zu Umsatzsteigerungen.“

Na wunderbar! Wenn das so ist, dann ist ja das Ziel dieser Debatte ohnehin erreicht, dann brauchen wir kein Verbot mehr! Oder glauben Sie, dass die Wirte wirklich so dumm sind und sich ins eigene Fleisch schneiden, indem Sie wissen, dass sie als Raucherlokal Umsatzeinbußen haben, und das dann beibehalten? Das glaube ich nicht.

Natürlich wird diese ganze Debatte auch – ich habe das selber in Leoben erlebt – von manchen Wirten als guter Marketinggag verwendet. Da erklären plötzlich Lokale: Wir sind ab sofort rauchfrei! Wenn man sich das aber genauer anschaut, dann weiß man auch, warum die jetzt rauchfrei werden: weil sie nämlich die bisherigen gesetzlichen Regelungen schon nicht eingehalten haben und jetzt sozusagen vorauseilend denken: Na, jetzt schlage ich daraus ein bisschen Kapital. – Das sei ihnen durchaus unbe­nommen, wenn sie das machen wollen.

Wir, meine Damen und Herren, sind eine Partei, die das Wort Freiheit nicht nur im Namen trägt, sondern auch lebt. (Bundesrätin Grimling: Aber!) Dazu gehört die Freiheit, dass jeder Wirt entscheiden kann, ob er ein Raucherlokal machen will oder nicht, und dazu gehört auch die Freiheit jedes Gastes, sich zu entscheiden, ob er in ein Raucherlokal gehen will oder nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Dziedzic: Hauptsache Kleidervorschriften für Frauen!) – Ich habe noch nicht erfahren, dass


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Raucher Bomben schmeißen oder Messerattacken machen. – So viel nur zu Ihrem hinkenden Vergleich, den Sie ansprechen.

Hinzu kommen noch die Investitionen, die die Wirte getätigt haben – was eine Pflan­zerei gewesen wäre, wenn man das Gesetz jetzt in Kraft treten hätte lassen. Die haben doch beträchtliche Summen in die Abtrennung ihrer Räumlichkeiten investiert, die sich in dieser kurzen Zeit mit Sicherheit noch nicht gerechnet und amortisiert hätten.

Zum Thema Volksabstimmung verstehe ich auch die Aufgeregtheit nicht ganz. Jetzt warten wir einmal ab! Jetzt ist ja erst das Einleitungsverfahren, dann gibt es eine Auflagefrist, dann gibt es noch einmal eine Eintragungswoche, und dann wird man sehen, was herauskommt. Auch Nichtraucher haben sich an diese Gesetze zu halten. Und dann, wenn es so weit ist, wird sich das Parlament damit befassen und dank der Regierungsmehrheit eine mit Sicherheit entsprechend gescheite Entscheidung treffen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.45


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.


15.46.14

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich) (ein T-Shirt mit der Aufschrift „Diese Bundesregierung schädigt Ihre Lunge.“ tragend): Wertes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Gesundheitsministerin! Heute ist ein ganz, ganz dunkler Tag in der Geschichte der österreichischen Gesundheitspolitik. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Heute entscheidet die Mehrheit in diesem Parlament endgültig, dass Menschen da draußen weiterhin aufgrund von Tabakrauchen sterben werden. (Bundesrat Bernard: Ja so was! – Bundesrätin Mühlwerth: Da sterbe ich eher, wenn du redest!) Es ist ganz ehrlich eine Schande, was heute im Bundesrat passiert, denn eigentlich sollte es Ihre Aufgabe als Gesundheitsministerin sein, die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu stärken und sie nicht noch mehr in eine Suchtabhängigkeit zu drängen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, Frau Ministerin, wirklich voll und ganz hinter diesem Antrag stehen, auch nicht aus sozialökonomischer Sicht. Sie wissen, dass Österreich trauriger Spitzenreiter in Europa ist, wenn es um die meisten jugendlichen Raucher geht. 77 Prozent der Raucherinnen und Raucher sind bereits mit 18 Jahren regelmäßige KonsumentInnen. 77 Prozent!

24 Prozent der ÖsterreicherInnen greifen täglich zur Zigarette, im OECD-Durchschnitt sind es knapp einmal 18 Prozent. In den meisten Ländern Europas sinkt diese Zahl, nur in Österreich stagniert sie seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau. Im Jahr 2000 waren es europaweit noch 25 Prozent, 2015 nur mehr 18,4 Prozent. Man sieht eine Abnahme der Zahl der RaucherInnen. In Österreich liegt der Anteil, wie schon erwähnt, seit Jahren bei 24 Prozent. Das zeigt, dass die Maßnahmen, die Österreich gesetzt hat, wenn man in den letzten Jahren überhaupt von Maßnahmen sprechen kann, überhaupt nicht gegriffen haben. Das gehört zu meiner Kritik.

Es braucht ein Gesamtpaket, um einen wirklichen Erfolg in der Tabakprävention zu erzielen. Das betrifft zum einen den NichtraucherInnenschutz und zum anderen die Prävention bei Jugendlichen. Beides wird in Österreich schon seit Jahren verabsäumt und dank FPÖ und ÖVP jetzt abgesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Jugendschutz soll uns allen hier wirklich ein großes Anliegen sein, und ich zitiere den Zigarettenhersteller Philip Morris: „Die Kinder von heute sind die potenziellen Kunden von morgen [...].“ – Genau das beschreibt die Verkaufsstrategie der Zigaretten­her­steller perfekt.


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Ziel dieser Milliardenkonzerne – und das sind sie – ist, dass die Jugendlichen und die Kinder Rauchen als cool oder zumindest als normal zum Alltag gehörend empfinden. Genau hier würde der generelle Nichtraucherschutz greifen, denn Suchtprävention für Kinder und Jugendliche muss bei den Erwachsenen ansetzen. Es sind wir Erwach­sene, die die Gesellschaftsnormen vorgeben und leben.

Wenn wir es als normal vorleben, dass in Wirtshäusern, in Restaurants, bei Sport­veranstaltungen, in Kinos und sonst irgendwo überhaupt geraucht wird, dann sind wir schlechte Vorbilder. Wir sind schlechte Vorbilder für unsere Kinder und Jugendlichen. (Bundesrat Spanring: Aber Kiffen ist gut!) Hier hätte der Gesetzgeber wirklich einen Hebel in der Hand gehabt und ein sinnvolles Gesetz verabschieden können. Wir hätten hier einen wirkungsvollen Hebel, Menschenleben nachhaltig zu verbessern, Leben zu retten oder, wenn Sie es so wollen, auch Geld bei den Behandlungskosten zu sparen. Genau das haben Sie ja studiert, genau das wäre es, Sie müssten es ja wissen.

Leider wird das aufgrund von Parteiengstirnigkeit abgeblasen. Ich verstehe das genau­so wenig wie die mehr als 591 000 Menschen, die das Nichtrauchervolksbegehren unterschrieben haben, denn Studien aus anderen Ländern zeigen klar auf, dass das Rauchverbot in der Gastronomie dazu führen kann, dass auch zu Hause weniger geraucht wird. Selten ist etwas so gut bewiesen und belegt worden wie die positive Wirkung des Nichtraucherschutzes auf die Bevölkerung.

Alleine die Zahlen, Frau Ministerin: 14 000 Menschen sterben jährlich in Österreich an den Folgen der Nikotinsucht. Knapp jeder vierte männliche und jede fünfte weibliche Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren raucht täglich, also knapp 24 Prozent der Teenager in Österreich.

Jeder fünfte Jugendliche ist bei sich zu Hause Tabakrauch ausgesetzt – jeder fünfte Jugendliche! Zwei bis drei ÖsterreicherInnen sterben täglich durch Passivrauchen. Durchschnittlich sterben in Österreich mehr als 1 000 Menschen im Jahr aufgrund von Passivrauchen, mehr als im Straßenverkehr. Und eines, sehr geehrte Damen und Herren, muss uns allen klar sein: Rauchen tötet! Das kann man sich auch nicht schön­reden: Es tötet! Die gesetzliche Regelung – und das ist wichtig – muss sich immer am Potenzial der Gefährdung und der Schädigung orientieren, nicht nur an Parteipro­grammen. Das wäre eigentlich unsere Verantwortung, die wir als Politiker hätten.

Mein politischer Ansatz ist, dass jeder Mensch in seinem persönlichen Umfeld tun und lassen soll, was er will – kein Problem –, solange er niemand anderen gefährdet. Das wäre ja eigentlich auch immer wieder der freiheitliche Gedanke gewesen: man soll tun und lassen, was man will; aber mir ist wichtig, dass wir niemand anderen gefährden. Ich will niemandem das Rauchen verbieten, nein, ganz und gar nicht. Es ist jedem sein eigenes Ding, was er machen will und wie er sich schädigen will oder was ihm Spaß macht. (Bundesrat Raml: Der Herr Bundespräsident!) Es darf aber nicht sein, dass sich Kinder, Jugendliche oder andere Erwachsene, wie zum Beispiel Arbeitnehme­rinnen oder Arbeitnehmer oder ältere Menschen, dieser Gefahr aussetzen müssen.

Das Kippen des Rauchverbots schadet der Jugend, der Gesundheit und auch massiv der Prävention. Da muss diese Regierung und da müssen Sie, Frau Ministerin, hin­nehmen, dass Sie als Gesundheitsministerin gegen die Gesundheit der Menschen agieren. Ich weiß, Sie werden in ein paar Minuten bei Ihrer Rede sagen, man habe zwar das Rauchverbot gekippt, aber man verstärke immerhin den Schutz der Jugend vor Tabak und man setze auf Verhaltensprävention.

Ich bin voll bei Ihnen und begrüße wirklich diese Maßnahme, das Anheben des Jugendschutzalters betreffend Tabak auf 18 Jahre, aber das ist jetzt wirklich keine Neuerung. Sie wissen, dass das mit der damaligen Jugendministerin Karmasin bereits im Bundesrat diskutiert worden ist, dass bereits angekündigt worden ist, dass das die-


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sen Sommer passieren wird. Das ist keine Errungenschaft von Ihnen, sondern es wurde auch in der Landesjugendkonferenz bereits letztes Jahr beschlossen und mitgeteilt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja uninteressant!) Das alleine wird es aber leider nicht bringen, und das wissen Sie auch, denn starke präventive Wirkung hat die Anhebung des Jugendschutzalters betreffend Tabak nur in jenen Ländern gezeigt, wo auch rauchfreie Gastronomie eingeführt und die Tabaksteuer deutlich angehoben wurde.

Großbritannien ist ein gutes Beispiel. Das britische Parlament hat 2007 das Rauch­verbot ohne Fraktionszwang eingeführt – da hat also jeder Abgeordnete frei wählen können, ohne dass man die eigene Fraktion vertritt –, und 2017 wurde das Alter von 16 auf 18 Jahre erhöht. Bei den 16- bis 17-Jährigen ist der Raucheranteil um 30 Prozent gesunken und bei den 11- bis 15-Jährigen wurde der Raucheranteil sogar signifikant um 33 Prozent vermindert. Sogar England mit einer wirklich großen Bar- und Pubkultur entschied sich ganz bewusst für den NichtraucherInnenschutz. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!)

Bevor ich zum Thema Präventionsmaßnahmen komme, muss ich noch schnell dieses heutige Gesetz auch bildlich beschreiben: In Zukunft darf der 16-jährige David keine Zigarette mehr rauchen – so weit, so gut. (Bundesrat Mayer: Aber Kiffen!) Er darf aber den ganzen Tag im Raucherlokal, wo er gerade eine Lehre als Kellner begonnen hat, diesen Sog von den Kundinnen und Kunden einatmen – kein Problem, acht Stunden lang Passivrauchen pur! (Bundesrat Rösch: Das ist unwahr! Das ist Unsinn! Keine Ahnung, der Mensch!) Beim Abholen müssen Davids Eltern dann aber aufpassen, denn im Auto darf David keinem Tabakrauch ausgesetzt werden. – Das Ganze ist absurd! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Jetzt zum Thema Präventionsmaßnahmen: Zurzeit geben wir gerade einmal 1 Prozent des Gesundheitsbudgets für Prävention aus. Da wird an der falschen Stelle gespart. Prävention muss bereits in der Elementarpädagogik anfangen. Es braucht ein umfassendes Programm, wo Suchtprävention stattfindet, aber auch Umgang mit Konflikten, mit emotionalen Belastungen und Stress thematisiert wird. Auch das Raucher­kammerl für die PädagogInnen, das es vereinzelt noch in Schulen gibt, hat definitiv keine Vorbildwirkung für unsere Kinder und jungen Menschen in den Schulen.

Es stellt sich aber auch prinzipiell die Frage, ob dieses Gesundheitsministerium nicht schon seine Kompetenz und Glaubwürdigkeit verloren hat. Ich weiß zum Beispiel von der Österreichischen Arge Suchtvorbeugung, die ein Zusammenschluss aller neun Fachstellen für Suchtprävention der Länder ist, dass sie aufgrund der aktuellen Entwicklungen – und da spricht die Arge ganz bewusst Ihre Gesundheitspolitik an, Frau Ministerin – keine Verhaltensprävention als Begleitmaßnahme zum Jugendschutz umsetzen wollen. (Bundesrätin Mühlwerth: Deine Gesundheitspolitik ist vollkommen daneben, wenn du für die Freigabe von Haschisch bist! Das ist ja viel gesünder!)

Ich zitiere daraus: „Prävention und Jugendschutz dürfen nicht das Feigenblatt der Politik sein. Wir lassen uns nicht vor den Karren spannen, um das Kippen des Rauch­verbots nicht ganz so negativ aussehen zu lassen. Denn es ist und bleibt aus Sicht der Suchtprävention negativ, was die Regierung hier vorhat.“ – Das ist ein Zitat aus einer Presseaussendung der Österreichischen Arge Suchtvorbeugung, dem Zusammen­schluss aller neun österreichischen Fachstellen für Suchtprävention. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist heuchlerisch!)

Ja, Frau Ministerin, diese Bundesregierung hat Schuld daran, dass wir weiterhin auf Platz 34 von 34 in Europa im Bereich des Nichtraucherschutzes und der Tabak­prävention sein werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir vorher auch schon gehabt!) Diese Bundesregierung hat Schuld daran, dass wir in der internationalen


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Presse als Ashtray of Europe, als Aschenbecher Europas bezeichnet werden. Daran sind Sie schuld. Die Bundesregierung hat Schuld daran, dass Jugendliche es weiterhin als cool und normal ansehen, dass geraucht wird. (Bundesrat Rösch: Um Himmels willen! Was ist das für ein Theater?) Diese Bundesregierung hat Schuld daran, dass auch weiterhin so viele Menschen an den Folgen des Passivrauchens sterben und auch weiterhin so viele Menschen aktiv zu Zigaretten greifen.

Es ist traurig, dass Sie als Gesundheitsministerin so in die österreichische Geschichte eingehen werden. Ich hoffe, Sie werden an die 1 000 Familien denken, die jährlich eine Mutter, einen Vater, Oma oder Opa oder einen anderen geliebten Menschen durch die Folgen von Passivrauchen verlieren. (Bundesrat Rösch: Herr Kollege!) Diese Regie­rung hätte es in der Hand gehabt, diese Zahl zu reduzieren. Das Ganze heute ist sehr, sehr traurig. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätinnen Dziedzic und Reiter sowie bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Ecker. – Bundesrätin Mühlwerth: Zieh das Leiberl wieder aus! Das stimmt nicht!)

15.56


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Bitte.

Ich darf dich darauf hinweisen, dass die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes um 16 Uhr unterbrochen wird. Das heißt, dass du dich entweder tummeln musst oder ich dich unterbrechen muss.


15.56.53

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Was ich jetzt vom Kollegen Stögmüller von den Grünen gehört habe, ist aus meiner Sicht eigentlich symptomatisch. Lieber Kollege Stögmüller, mach dir vielleicht einmal Gedanken darüber, warum ihr bei den letzten Wahlen immer verloren habt. Darüber würde ich mir einmal Gedanken machen, denn ich glaube, diese aggressive Art, dieses Bashing auf gewisse Gruppen und diese Verbotskultur, die die Grünen laufend praktizieren, wollen die Österreicher nicht. Ich würde mir da wirklich einmal Gedanken machen, denn das hat seinen Grund. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Auch das mit dem Haschisch!)

Meine Damen und Herren! Ich stehe jetzt an dieser Stelle nicht als Befürworter der Raucher, ich rede nicht dem Rauchen das Wort. Es weiß, glaube ich, heute jeder, der einmal Medizin studiert hat, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, und ich beginne mit den Worten: Wenn wir es schaffen, dass die Menschen im Kindesalter und als Jugendliche nicht zu rauchen beginnen, dann haben wir es richtig gemacht. Ich möchte an dieser Stelle einmal ein bisschen Sachlichkeit hereinbringen und die Emotionen aus einem Thema, bei dem wirklich jeder mitredet, herausnehmen.

Sie wissen alle, dass ich Gastronomieunternehmer mit mehreren Betrieben bin, das heißt, ich weiß auch in der Praxis, wie das funktioniert und was wirklich Sache ist. Bei den Speiselokalen – nur um das einmal sachlich festzuhalten – gibt es kein Problem. Da haben fast alle, die ich kenne, schon umgestellt. In meinen Betrieben, die zu den größeren gehören, sind neun Zehntel für Nichtraucher vorgesehen, und einen kleinen Bereich habe ich für die Raucher. Das funktioniert super.

Wir haben nun einmal eine Branche mit unterschiedlichen Interessenlagen. Wir sind eine Gesellschaft der Pluralität und nicht der Konformität, und diesen unterschiedlichen Interessenlagen hat das neue Gesetz, wie es eingebracht wurde, Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren! Ich habe mir in diesem Zusammenhang die letzte Presseaussendung der Wirtschaftskammer herausgesucht, damit man das auch hier einmal gehört hat: Obwohl einige oder sehr viele schon auf ein Nichtraucherlokal


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umgestellt haben, sind zwei Drittel der Betriebe mit der derzeitigen Regelung zufrieden. Das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Eyett sagt, dass 60 Prozent der Betriebe mit der Regelung zufrieden sind, bei der Eventgastronomie, bei Discos und Pubs liegt der Zustimmungsgrad sogar bei 72 Prozent.

Es ist nur bedauerlich, dass so emotional argumentiert wird und immer am Rücken einer Branche, nämlich der Gastronomie. Ich weiß nicht, wie es Ihnen erginge, wenn über einen einzelnen Berufszweig so negativ gesprochen würde – denn hier wird ja so getan, als wären alle Wirte schuld daran, dass in Österreich geraucht wird. (Bundesrat Weber: Nicht sie, die Regierung!) Dagegen verwahre ich mich, das möchte ich hier einmal feststellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich sachlich noch einmal sagen, wie es ums Rauchen in Europa wirklich bestellt ist! Es heißt ja immer, wir sind das letzte Raucherparadies. (Bundesrat Weber: So ist es!) Es schaut vielmehr so aus: In unserem Nachbarland Schweiz ist in 20 von insgesamt 27 Kantonen das Rauchen erlaubt – mit Bedienung in einem abgegrenzten Raucherraum. Das muss man einmal gehört haben.

In Deutschland, einem anderen Nachbarland von uns, ist es bundesländerweit geregelt. In allen Bundesländern gibt es Raucherräume. In den Gastronomiebetrieben bis 75 Quadratmeter beziehungsweise in Ein-Mann-Betrieben darf man auch rauchen, ein generelles Rauchverbot gibt es lediglich in Bayern und Nordrhein-Westfalen; damit das auch einmal gesagt ist.

Wie schaut es in Europa aus? – Zwölf Länder der Europäischen Union bekennen sich zu einem generellen Nichtraucherschutz.

16.01


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Bundesrat Seeber, ich muss dich bitten, schön langsam zum Schluss zu kommen, ansonsten muss ich dich unter­brechen. Du kannst nachher weiterreden.

(Beifall bei ÖVP und FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Bundesrat Seeber. – Bundesrat Raml: Erzähl uns nachher was!)

Ich darf dich herzlich einladen, später, wenn wir wieder zur Tagesordnung kommen, weiterzusprechen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnung und begrüße den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Herrn Ing. Norbert Hofer, bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.02.17Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Ein­sparungsprojekte zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger in der österreichischen Schieneninfrastruktur“ (3473/J-BR/2018)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kollegin­nen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­nologie.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch die Schriftführung.


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Ich erteile Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


16.02.45

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die österreichische Schienen­infrastruktur war schon einmal Gegenstand einer Anfrage hier im Parlament, hier im Bundesrat. Es wurde nämlich von Bundesrat René Pfister, Kolleginnen und Kollegen eine Anfrage gestellt betreffend - - (Bundesrätin Mühlwerth: Na das war schon vorher Gegenstand ...!) – Können Sie sich bitte ein bisschen im Zaum halten, damit ich die Anfrage erläutern kann, Frau Kollegin Mühlwerth?! (Bundesrätin Mühlwerth: Ich sag’s nur!) Kollege Pfister hat eine Anfrage betreffend „Auswirkungen des Regierungs­pro­gramms auf die Bundesländer“ gestellt. Diese haben Sie am 22. Februar wie folgt für das Bundesland Steiermark beantwortet:

„Im Bereich der Schieneninfrastruktur stellt das Zielnetz 2025+ die langfristige, bundes­länderübergreifende Planungsgrundlage dar. Es enthält konkrete verkehrspolitische Maßnahmen und etappenweise Umsetzungspläne zur Zielerreichung. Im Regierungs­programm 2017-2022 ist eine Weiterentwicklung des Zielnetz 2025+ vorgesehen. Das Zielnetz 2025+ wird schrittweise durch sechsjährige Investitionsprogramme (ÖBB-Rahmenpläne) umgesetzt, die“ – und das ist der entscheidende Punkt – „in der Regel jährlich fortgeschrieben werden.“

Sie haben dann auch einen Passus hineingenommen, dass nämlich das Ganze im Zuge der Budgetbeschlüsse noch finalisiert wird. Diese scheinen Ihnen jetzt irgendwo zum Verhängnis geworden zu sein, denn in der Anfragebeantwortung war von Kür­zungen, wie gesagt, keine Rede. Nun erfahren wir aber aus verschiedenen medialen Quellen – in der „Kleinen Zeitung“ wurde darüber ausführlich berichtet –, dass Sie nun als Verkehrsminister die Fertigstellung des Koralmtunnels um bis zu zwei Jahre verschieben lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind natürlich verlässliche Quellen!) Ursprünglich war die Inbetriebnahme für Dezember 2024 geplant gewesen; diese soll nun bis 2026 hinausgeschoben werden.

Wenn es um den Koralmtunnel geht, ist natürlich auch einiges dazu zu sagen: Es handelt sich da um einen 33 Kilometer langen zweiröhrigen Tunnel, der eine ganz zentrale Bedeutung für die Infrastruktur Österreichs, aber insgesamt auch für die Infra­struktur Europas hat, denn er stellt einen ganz wichtigen Bauabschnitt auf der Baltisch-Adriatischen Achse dar und verkürzt die Wegstrecken zwischen den Landes­hauptstädten Klagenfurt und Graz. (Bundesrätin Mühlwerth: Hätte der nicht schon heuer fertig sein sollen unter dem SPÖ-Verkehrsminister? – Bundesrat Rösch: Das ist wie das Krankenhaus Nord! Da hätte die SPÖ ihr Wahlversprechen einhalten sollen!)

Das ist von entscheidender Bedeutung für den Personenverkehr, aber vor allem auch für den Gütertransport und soll natürlich auch einen Beitrag dazu leisten, dass Güter verstärkt auf der Schiene transportiert werden. Österreich ist nämlich extrem transit­belastet, und wir sind ein Exportland. Gerade im Süden Österreichs haben wir den Autocluster, haben wir Schwerindustrie, in der Obersteiermark, in Leoben, in Kapfen­berg und so weiter, und da geht es eben darum, die Güter wirklich umweltfreundlich und auch entsprechend freundlich für die Anrainer/Anrainerinnen auf der Schiene transportieren zu können, und eben darum, diese Achsen auch zu schließen. Wenn es Verzögerungen gibt, dann ist das ein immenser Schaden für die Lebensqualität der Bevölkerung, ein immenser Schaden für die Wirtschaft insgesamt, aber natürlich ganz besonders für die Wirtschaft in den angrenzenden Regionen.


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Dazu möchte ich den weststeirischen Unternehmer Manfred Kainz zitieren; er ist den ÖVP-Kolleginnen und -Kollegen ja bestens bekannt, er ist für sie nämlich im Landtag gesessen. Er sagt ganz deutlich:

„Wir fordern die Beibehaltung des bisherigen Fahrplans, sonst droht der Wirtschaft hier ein enormer Schaden.“ Die Verschiebung stelle viele Business- und Investitionspläne auf den Kopf, und „Unternehmen brauchen Planungssicherheit.“

Er zitiert auch einen Unternehmer, der vorgehabt hat, in der Region Weststeiermark in der Nähe des Bahnhofes ein Headquarter zu errichten und damit 200 Arbeitsplätze zu schaffen. Und wenn wir als Standort ein unzuverlässiges Bild abgeben, dann ist dieser klarerweise weg. Das kann sich kein Unternehmer, keine Unternehmerin leisten.

Ähnlich wird auch auf der Kärntner Seite argumentiert; meine Kolleginnen und Kolle­gen aus Kärnten werden dazu noch Stellung nehmen.

Wir wissen, 90 Prozent des Bauvorhabens sind bereits fertiggestellt, und viele weitere Infrastrukturmaßnahmen im Verkehrsbereich sind genau auf diesen Plan abgestimmt. Folgeinvestitionen werden getätigt, die eben genau auf diesen Plan, der kommuniziert wurde, abgestimmt werden. Es gibt Berechnungen, wonach der Standortnutzen für die gesamte Koralmbahn rund 250 Millionen Euro pro Jahr beträgt. Dementsprechend groß sind natürlich auch die Verluste speziell für Steiermark und Kärnten, wenn es zu Verzögerungen kommt. Das muss auch bei den Folgekosten berücksichtigt werden.

Dazu kommen noch die arbeitsmarktpolitischen Folgen. 1 300 Personen sind bei diesem Großprojekt beschäftigt, 800 unmittelbar beim Koralmtunnel. Es sind also auch Arbeitsplätze bedroht, wenn Baulose verspätet ausgeschrieben werden. (Bundesrat Krusche: Nein, länger gesichert!) Wir wissen auch: Je länger die Bauphase insgesamt dauert, desto höher werden auch die Kosten. Das wissen wir von privaten Bau­pro­jekten. (Bundesrat Samt: Das weiß die SPÖ ganz genau!) – Hoffentlich wissen Sie das, Herr Kollege Samt, Sie sind ja vom Fach! Umso unverständlicher ist es, dass Sie diese Dinge so teilnahmslos hinnehmen.

Diejenigen, die am besten wissen müssen, wie es um die geologischen Bedingungen steht, nämlich die ÖBB-Verantwortlichen, waren sehr überrascht über die plötzliche Ankündigung aus dem Ministerbüro, dass es zu einer zeitlichen Verschiebung von bis zu zwei Jahren kommen soll. Sie konnten das überhaupt nicht nachvollziehen. Es war bekannt, dass es geologische Schwierigkeiten gibt. Diese Tunnelvortriebsmaschinen, die von Kindern liebevoll Mauli 1 und Mauli 2 benannt wurden, sind im Sommer letzten Jahres einmal stecken geblieben. Das war, und das wurde von den ÖBB-Verant­wortlichen auch sofort mitgeteilt, im Gesamtbauplan und im Zeitplan auch einkalkuliert und ist jetzt kein Grund für eine Verschiebung. Nun waren alle völlig überrascht, als plötzlich aus dem politischen Büro die Nachricht kam, dass es zu einer Bauzeit­ver­zögerung kommen soll.

Überrascht war man auch im Büro des Kärntner Landeshauptmannes, der dazu eine entsprechende Stellungnahme abgegeben hat, dass nämlich die geologischen Prob­leme auch Grundlage dafür waren, dass die Inbetriebnahme mit einem Zeitpuffer versehen war. Da wird auch die Annahme aufgestellt, dass die Verschiebung lediglich die Wiedergabe der budgetären Kürzungen ist und eben nichts mit den geologischen Gegebenheiten zu tun hat; wie gesagt, die waren einkalkuliert. Hier geht es offen­sichtlich um die Verteilung der budgetären Vorgaben. Es wäre ganz wichtig, das auch so zu artikulieren beziehungsweise ganz klar zu sagen, was Sache ist, damit man sich das in der Öffentlichkeit nicht irgendwie aus Medienberichten zusammenreimen muss.

Ich habe in der Anfrage geschrieben, dass in der Öffentlichkeit ein Papier kursiert, das nun im Bereich der Schieneninfrastruktur Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro in ganz


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Österreich in Aussicht stellt. Nun ist vor ein paar Minuten ein Rahmenplan herein­geflattert, gemeinsam mit anderen Unterlagen und Berichten aus Ihrem Haus – spät aber doch, muss ich dazu sagen –, und in der kurzen Zeit konnte man sich zwar nur einen Überblick verschaffen, aber schon erkennen, dass eigentlich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt werden, denn hier ist jetzt von Einsparungen im Bereich der Schieneninfrastruktur im Umfang von 2 Milliarden Euro die Rede. Das ist besonders zukunftsvergessen, würde ich sagen, weil wir doch wissen, dass Investitionen in die Schieneninfrastruktur einen Kosten-Nutzen-Quotienten von 1,2 bis 1,3 alleine in der Bauphase aufweisen. Das heißt, pro investierten Euro entsteht ein Nutzen von 1,2 Euro beziehungsweise 1,3 Euro.

Wie gesagt, bei der Koralmbahn glauben Sie, die geologischen Gegebenheiten als argumentativen Anker gefunden zu haben, aber wie erklären Sie andere Einsparungs­maßnahmen? Ich würde Sie dringend ersuchen – deshalb die Dringliche Anfrage –: Erläutern Sie ganz klar und deutlich, wo Sie Einsparungen vornehmen wollen, die einzelnen Maßnahmen, die zeitliche Dimension, auf Bundesländer aufgeschlüsselt, welche Kostendifferenz sich daraus ergibt! Erklären Sie bitte auch die Sinnhaftigkeit der einzelnen Maßnahmen! Bitte erklären Sie uns, wo im Bereich der Sicherheit Sie vorhaben, zu sparen, wo im Bereich der Qualität! Irgendwo müssen die 2 Milliar­den Euro ja herkommen. Sagen Sie bitte ganz deutlich, welches Projekt, in welchem Bundesland, in welcher Region, sagen Sie, was Sie konkret vorhaben! Das wäre ganz, ganz wichtig, um den Menschen Klarheit und Planungssicherheit zu geben.

Wir als Parlament haben natürlich ein besonders gesteigertes Interesse daran, ganz genau zu wissen, was Sie vorhaben. Wir haben nicht nur ein Interesse daran, wir haben auch ein Recht darauf, immerhin hat das Parlament die Budgethoheit. Es geht darum, eine klare Entscheidungsgrundlage zu haben, und natürlich auch darum, dass die Öffentlichkeit ganz offen informiert wird und diese Informationen nicht zizerlweise zusammentragen muss. Im Moment ist es nämlich so: Hier steht etwas in irgendeiner Zeitung, dort wird ein Hintergrundgespräch geführt, und um zu wissen, wie es in Öster­reich weitergeht, muss man das wie ein Puzzle zusammenstellen. So kann es einfach nicht sein!

Ich ersuche Sie daher wirklich, dass Sie den Österreicherinnen und Österreichern – Sie sind Burgenländer, Herr Minister – reinen Wein einschenken. Ich ersuche Sie auch – angesichts der widersprüchlichen Äußerungen, die von ÖBB-Verantwortlichen und von Ihnen gemacht worden sind, beziehungsweise angesichts von Äußerungen, die aus Ihrem politischen Umfeld, aus dem politischen Büro, aus dem Ministerium gekommen sind –, aufzuklären, wie es denn wirklich um die Koralmbahn bestellt ist.

Dazu werden natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen noch einige Fragen an Sie haben, aber ich ersuche Sie, vorerst wirklich auf diese 26 Fragen einzugehen. Dieses Konvolut, das Sie uns vor Kurzem übermittelt haben, schafft nicht ganz Klarheit darüber, was konkret gemeint ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe gar nichts gekriegt!) Ich ersuche Sie um entsprechende Erläuterungen und darum, dass Sie wirklich ganz klar Priorität auf die Schieneninfrastruktur legen und für Klarheit und Transparenz in der Politik sorgen.

Mein Ersuchen nochmals: Schenken Sie den Österreicherinnen und Österreichern und hier im Parlament natürlich den Abgeordneten reinen Wein ein! – Danke für Ihre Auf­merk­­samkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen ohne Fraktionszuge­hörig­keit.)

16.17


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zur Beantwortung hat sich Herr Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. – Bitte schön.



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16.17.15

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst für die Möglichkeit bedanken, im Rahmen dieser Sitzung einige Informationen zum Rahmenplan der ÖBB beziehungsweise der Schiene weitergeben zu können. Mir ist vollkommen bewusst, dass die SPÖ ein sehr enges Naheverhältnis zur Bahn hat, weil sich diese Partei über viele Jahre hinweg sehr dafür eingesetzt hat, dass dieses Unternehmen wächst und gedeiht, sodass es ihm gelungen ist, international und im EU-Vergleich wettbe­werbs­fähig zu werden. Auch der Chef der ÖBB ist jemand, der der SPÖ recht nahesteht und einen sehr, sehr guten Job macht. Das möchte ich heute doppelt betonen.

Meine Damen und Herren! Wir haben im ÖBB-Rahmenplan, der auch Ihnen vorliegt, in den nächsten fünf Jahren sehr hohe Investitionen vorgesehen, nämlich in Summe 13,9 Milliarden Euro. Das ist ein so hoher Betrag, wie er noch nie zuvor in der Geschichte der Bahn zur Verfügung gestanden ist.

Höhepunkt wird das Jahr 2021 sein. In diesem Jahr werden wir nämlich 2,6 Milliarden Euro in die Bahn, in die Schiene investieren. Wenn wir das auf die Bevölkerung um­rechnen, heißt das, dass wir für jeden Österreicher, egal ob Greis oder Baby, 300 Euro in die Schieneninfrastruktur in diesem Jahr investieren werden. Insgesamt wird für jeden Österreicher ein Betrag von 2 000 Euro investiert und damit werden 56 000 Ar­beitsplätze geschaffen und gesichert.

Die budgetären Vorgaben waren nicht ganz einfach. Sie wissen, wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Steuer- und Abgabenquote in Österreich auf etwa 40 Prozent zu senken. Ich weiß, da gibt es verschiedene politische Ansätze. Nicht jede Partei ist davon überzeugt, dass dieser Weg der richtige für Österreich ist. Das ist eben Sache der politischen Ausrichtung, und wir alle müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass da auch gewisse ideologische Unterschiede vorhanden sind.

Ziel dieser Bundesregierung war es aber, auf diese 40 Prozent zu gehen. Daher war auch die Überlegung: Investiert man jetzt noch mehr als diese 13,9 Milliarden Euro in einer Phase, in der wir eine Hochkonjunktur haben, in der Gott sei Dank die Zahl der Menschen, die vom Schicksal der Arbeitslosigkeit betroffen sind, sinkt, oder wäre es klug, einen Teil zurückzuhalten, um auch später weiterhin so kräftig investieren zu können, denn in einer Phase, in der die Konjunktur wieder schwächeln und die Arbeits­losigkeit wieder steigen wird, wird der Staat wieder besonders gefordert sein, Probleme, die es im Bereich der Wirtschaft geben wird, abzufedern?

Es ist gelungen, ausgegangen vom Jahr 2017, bis 2021 eine Investitionssteigerung von nahezu 50 Prozent sicherzustellen. Das ist ein sehr, sehr großer Anteil. Es ist auch gelungen, erstmals wichtige neue Projekte in den Rahmenplan aufzunehmen; so etwa die Elektrifizierung und Attraktivierung von zwei Bahnstrecken im Südosten Öster­reichs, nämlich die Steirische Ostbahn von Graz nach Jennersdorf und die Matter­sburger Bahn von Wiener Neustadt nach Sopron. Das ist ein weiterer Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Ich möchte betonen, dass die ÖBB das wichtigste Klimaschutzunternehmen Österreichs sind. Wir haben derzeit einen Grad der Elek­trifizierung von 73 Prozent und wollen das bis 2030 auf 85 Prozent steigern. Die Bahn ist um den Faktor 10 energieeffizienter als der Pkw und als der Lkw.

Es wurde auch – wie im Regierungsprogramm vorgesehen – ein Sondertopf zur Attraktivierung von ÖBB-Regionalbahnstrecken eingeführt. Bis 2023 stehen dafür rund 140 Millionen Euro zur Verfügung. Die Mitfinanzierung der Länder nach dem verein­barten Schlüssel ist Voraussetzung zum Abruf der Mittel. Ich war in den letzten zwei Tagen auch damit beschäftigt, mir einige Nebenbahnprojekte anzusehen. Ich bin auch sehr darum bemüht, diese zu sichern, denn es gibt einige Nebenbahnen, die gefährdet


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sind. Ich glaube, es ist schon auch wichtig, nicht sofort zuzusperren, sondern zu schau­en, wie man diese Bahn attraktiver machen kann, wie auch dort die Zahl der Personen, die mit dieser Nebenbahn fahren, gesteigert werden kann. Das sind ja auch Zulauf­strecken für die Hauptstrecken, die für uns so wichtig sind – ich habe gesehen, es wird heute auch ein Antrag betreffend Ausbau und Erhalt der österreichischen Neben­bahnen eingebracht werden –, und ich glaube, dass das ein sehr, sehr wichtiger Beitrag auch für die Wirtschaft in Österreich ist.

Dazu kommt noch der Ausbau der viergleisigen Westbahnstrecke Linz–Marchtrenk; sie wird bis Wels weitergeführt. Für den Güterverkehr ist der Umbau des Terminals Fürnitz vorgesehen. Das kommt später auch in der Beantwortung einer Frage, die Sie eingebracht haben, vor. Die Mattigtalbahn von Steindorf nach Braunau – wir haben es hier vorhin kurz diskutiert – wird für den Personennahverkehr attraktiviert werden. Auch diesbezüglich gab es Medienberichte, die eigentlich das Gegenteil behauptet haben – das ist tatsächlich nicht der Fall.

In Summe wird somit ein Paket beschlossen, das den wirtschaftlichen Standort Öster­reich weiter stärkt und – meiner Überzeugung nach – zur Umsetzung der integrierten Energie- und Klimastrategie beitragen wird. Wir alle wissen, wir können noch so viel in den Individualverkehr investieren – wir haben jetzt bei den Elektrofahrzeugen eine Zulassungsquote von etwa 2,5 Prozent –, wir werden unsere Ziele nicht ohne den öffentlichen Verkehr und ohne die Bahn erreichen.

Wenn in Zukunft die Koralmbahn fertiggestellt ist – ich werde auch auf die Verzögerung eingehen, die Gott sei Dank keine zwei Jahre dauern wird, sondern ein Jahr; im Dezember 2025 wird es so weit sein –, wenn Koralm- und Semmeringtunnel fertig­gestellt und in Betrieb sind, dann wird man von Wien nach Klagenfurt in 2 Stun­den 40 Minuten reisen. Das werden Sie mit einem Pkw nicht schaffen, außer Sie sind auf eine Art und Weise unterwegs, die weit weg von allen legalen Geschwindig­keitslimits ist. Man wird von Graz nach Klagenfurt in 40 Minuten reisen. Ich bin fest davon über­zeugt, dass mit dieser Leistung noch viel mehr Menschen als bisher mit der Bahn unterwegs sein werden. Wir sind, was die Kundenzufriedenheit betrifft, wirklich top. Die Österreicher reisen im Schnitt über 1 400 Kilometer pro Jahr mit der Bahn. Wir belegen damit den zweiten Platz in der Europäischen Union. Ich bedanke mich auch bei allen Verantwortlichen bei den ÖBB und auch bei allen Politikern, die vor mir Verantwortung getragen haben, dass das möglich geworden ist.

Damit darf ich zur konkreten Beantwortung der Fragen kommen.

Zur Frage 1:

Die Arbeiten an der 130 Kilometer langen Koralmbahn laufen auf Hochtouren. Ich habe mich vor einiger Zeit bei einem Besuch im Tunnel davon überzeugen können. Ich darf Sie ebenfalls dazu einladen, man freut sich dort sehr, wenn politisch Verantwortliche sich das auch vor Ort ansehen und sehen, welche Leistungen die Mineure und Tunnelbauer dort erbringen. 90 Prozent sind bereits in Bau oder fertiggestellt. Der 33 Kilometer lange Tunnel ist zu 90 Prozent vorgetrieben. Das sind rund 58 Kilometer von in Summe 66 Kilometern, also wir haben zwei Röhren mit je 33 Kilometern Länge.

Es ist beim Tunnelbau generell kaum möglich, alle geologischen Risken vorweg vollk­ommen zu erfassen. Beim Koralmtunnel war das noch schwieriger, weil aufgrund der topografischen Verhältnisse die Risken besonders hoch waren. Er verläuft 1 200 Meter unter der Koralpe. Genau diese geologisch schwierigen Verhältnisse haben eben zu einem angespannten Zeitablauf geführt. Die Arbeiten mussten in den vergangenen Monaten immer wieder unterbrochen werden. Die Tunnelvortriebs­ma­schinen sind stellenweise dem extrem hohen Gebirgsdruck nicht gewachsen gewesen, sind stecken


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geblieben. Es ist darüber hinaus zu massiven Beschädigungen an den Maschinen gekommen.

Nur – und das darf ich Ihnen versichern – aufgrund dieser unaufholbaren zeitlichen Verzögerung musste der Zeitpunkt der Inbetriebnahme vom Fahrplanwechsel 2024 auf Fahrplanwechsel 2025/2026 angepasst werden. Ich glaube, dass genau dieser Begriff Fahrplan 2025/2026 zu dem Missverständnis geführt hat. Das bedeutet nicht, dass die Fertigstellung im Jahr 2026 passiert, sondern dass wir im Dezember 2025 Gott sei Dank fertig sein werden.

Zur Frage 2:

Welche budgetären Einsparungen ergeben sich daraus? – Keine, denn Sie alle wissen, dass Bauprojekte, die sich verzögern, die länger dauern, letztendlich nicht billiger werden, aber dass man in der Regel alles tun muss, damit keine Mehrkosten ent­stehen. Schauen Sie, ich nenne jetzt ein Beispiel, für das nicht eine Partei explizit ver­antwortlich ist, sondern für das wir alle gemeinsam Verantwortung tragen: die Sanie­rung des Parlaments! Da gab es ebenfalls Verzögerungen, und wir alle wissen, dass man jetzt alle Hände voll zu tun hat, um danach zu trachten, dass diese Verzöge­rungen nicht zu Mehrkosten führen. Es kann also sehr leicht passieren, dass durch Dinge, die man nicht vorhersehen konnte, ein Zeitplan einfach verschoben werden muss – umso mehr bei einem so schwierigen Projekt wie dem Koralmtunnel.

Zur Frage 3:

Der ÖBB-Rahmenplan, also der sechsjährige Investitionsplan, wird in der Regel jähr­lich fortgeschrieben. Im Zuge dieser Fortschreibung werden die bekannten Entwick­lungen der Projekte berücksichtigt und eingearbeitet. Dies war auch bei der aktuellen Rahmenplanbearbeitung der Fall. Unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten am Rah­menplan und der Beschlussfassung des Bundesfinanzrahmengesetzes wurden die zu­ständigen Gremien und die Öffentlichkeit darüber informiert. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Zu den Fragen 4 und 5:

Beim Koralmtunnel sind die Verzögerungen – wie bereits ausgeführt – den geologi­schen Risken geschuldet. Die kommunizierten Fertigstellungsdaten von Infrastruktur­vorhaben können grundsätzlich keinen rechtsverbindlichen Charakter aufweisen. Erfah­rungsgemäß können diese geologischen Risken Einsprüche bei Genehmigungs­verfahren, Anpassungen in den Zeitplänen verursachen. Festzuhalten ist, dass im Bahnbereich keines der Infrastrukturprojekte infrage gestellt wird – keines! – und in Österreich damit die positiven Standards und wirtschaftspolitischen Signale aufrecht­erhalten bleiben.

Es gibt mit den Bundesländern Steiermark und Kärnten auch einen gemeinsamen Lenkungsausschuss. Dort wurde im Spätherbst 2017, am 10. Oktober 2017, darüber informiert, dass alle Zeitreserven aufgrund der Probleme, die es bis zu diesem Zeit­punkt gegeben hat, aufgebraucht sind.

Zur Frage 6:

Nicht das Ministerium hat die ÖBB informiert, sondern über die geologischen Schwierigkeiten beim Vortrieb des Tunnels wurde ich – wie in Beantwortung von Frage 1 dargelegt – von der ÖBB-Infrastruktur AG informiert. Ich war darüber nicht sehr erfreut. Auch über die Notwendigkeit, den Inbetriebnahmezeitpunkt auf den Fahr­planwechsel 2025/2026 zu verschieben, wurde ich informiert. Die Information der Öffentlichkeit hat – wie in Beantwortung von Frage 3 ausgeführt – bereits stattge­fun­den.


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Zur Frage 7:

Die Anpassung des Bauzeitplanes der Koralmbahn ist geologisch und technisch bedingt und steht nicht im Zusammenhang mit Budgetvorgaben.

Zur Frage 8:

Ich plane natürlich in keinem Bundesland Bauverzögerungen, allerdings kann ich nicht ausschließen, dass aufgrund der Geologie, aufgrund des Bodenrisikos, aufgrund von Verzögerungen in Umwelt- und Naturschutzverfahren sowie aufgrund von Einsprüchen Betroffener Bauverzögerungen gegenüber den im Rahmenplan vorgesehenen Fertig­stellungsdaten entstehen. Ich habe die Erfahrung gemacht – und Sie haben es viel­leicht auch bemerkt –, dass noch vor einigen Jahren oftmals sehr, sehr stark gegen Straßenbauprojekte protestiert wurde. Das geschieht jetzt auch immer öfter bei Bahnprojekten. Auch da gibt es immer mehr Proteste von Anrainern, die sich Sorgen machen, dass der Lärm die Lebensqualität negativ beeinflussen könnte. Auch solche Bedenken und Einsprüche können zu Verzögerungen führen.

Bei einzelnen Projekten, die in der Entwicklungs- und Planungsphase sind, gibt es zeitliche Anpassungen aufgrund notwendiger Vorläufe, zum Beispiel betriebliche Abstimmungen. Bei weiteren in Bau befindlichen Projekten liegen keine signifikanten Verzögerungen vor.

Ich stehe, das möchte ich betonen, sofort zur Verfügung, wenn es zu einzelnen Projekten Fragen gibt, denn ich weiß, dass jeder von Ihnen sehr konkrete Fragen zu Projekten in der eigenen Umgebung, im Wahlkreis oder in anderen Gebieten hat. Ich würde anbieten, dass ich – vielleicht über mein Haus – diese konkreten Fragen, sollte es solche geben, sehr rasch schriftlich beantworte.

Zur Frage 9:

Die zeitliche Eintaktung des Umbaues der Bahnhöfe zwischen Bruck an der Mur und Graz, Mixnitz-Bärenschützklamm, Peggau-Deutschfeistritz und Gratwein-Gratkorn, steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Koralmbahn, um in diesem Abschnitt der Südstrecke die erforderlichen Kapazitäten durchgängig anbieten zu können.

Gleichzeitig musste berücksichtigt werden, dass die Umleitungsverkehre im Zuge der Sanierung des Karawankentunnels über die Südstrecke zu führen sind. Um die notwendige Qualität des Zugverkehrs während dieser sehr umfangreichen Baumaß­nahmen aufrechterhalten zu können, war dies bei den Bahnhofsumbauten zu berück­sichtigen.

Zur Frage 10:

Das ist natürlich der Fall. Die ÖBB-Infrastruktur AG hat sowohl für die Vorbereitung als auch für den Bau des Koralmtunnels – auch bei den aufgetretenen geologischen Prob­lemen – ein enorm breit gefächertes Tunnelbau-Know-how sofort und direkt aufge­boten. Auch aus dem wissenschaftlichen Bereich waren Experten involviert. Dadurch konnten Gott sei Dank viele aufgetretene Herausforderungen unmittelbar vor Ort gelöst werden. Sowohl auf Bauherrenseite als auch auf ausführender Seite ist somit umfas­sendes Tunnelbau-Know-how gegeben, wie dies auch bei den bisher erfolgreich abgewickelten Tunnelprojekten der Fall war.

Auch der beste Tunnelbauer, auch das beste Know-how sind aber gegenüber wirklich schwierigen und unvorhersehbaren geologischen Problemen machtlos.

Ich kann wirklich noch einmal dazu einladen, die Baustelle vor Ort zu besuchen und sich ein Bild davon zu machen, vor welchen Problemen man dort steht.


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Zur Frage 11:

Die Qualität sowie die technische und betriebliche Sicherheit im Bereich der Schie­neninfrastruktur stehen unverändert zentral im Fokus, Einsparungen sind daher dort nicht vorgesehen. Die Umsetzung der konkreten Maßnahmen orientiert sich an aktuel­len Rahmenbedingungen wie zum Beispiel technischen Entwicklungen und Abstim­mungen mit Projektpartnern wie beispielsweise den Ländern und Gemeinden bei der Sicherung von Eisenbahnkreuzungen; Stichwort: Funk.

Zur Frage 12:

Österreich nimmt gemäß allen Umfragen im Bereich der Kundenzufriedenheit im Bahn­bereich einen absoluten Spitzenplatz ein. Es werden weiterhin kontinuierlich Maßnah­men getätigt, um das hohe Niveau weiter auszubauen, zum Beispiel durch die Verbes­serung des Mobilfunknetzes entlang von Bahnstrecken, durch Auskunftssysteme, Zuganzeigen und so weiter.

Die Österreicher fahren im Schnitt 1 427 Kilometer pro Jahr mit der Bahn. Wir liegen damit auf dem ersten Platz in der Europäischen Union; die Kundenzufriedenheit betreffend liegen wir derzeit auf Platz drei – und ich bin davon überzeugt, dass wir noch weiter vorrücken können.

Zu den Fragen 13 bis 17:

Grundsätzlich ist anzumerken, dass mit dem neuen Rahmenplan 2018 bis 2023 mehr, und zwar wesentlich mehr in den Ausbau der Bahn investiert wird, als das in der Ver­gangenheit jemals der Fall gewesen ist. Beispielsweise beträgt die Investitions­steigerung von 2017 auf 2021, ich habe es vorhin schon gesagt, nahezu 50 Prozent.

Geringe zeitliche Anpassungen im Vergleich zum gesamten Planungs- und Realisie­rungszeitraum, welche aufgrund geologischer Risken oder komplexer Genehmigungs­verfahren immer wieder vorkommen, liegen bei Infrastrukturprojekten in der Bandbreite der makroökonomischen Modelle und können deshalb nicht allgemeingültig bewertet werden. Aufgrund der allgemeinen konjunkturellen Lage sind keine gesonderten kon­junk­turellen Impulse insbesondere für Bau- und Nebengewerbe dringend notwendig.

Ich sage noch einmal, 14 Milliarden Euro werden investiert, es handelt sich um exakt 13,9 Milliarden Euro, und damit sichert man 56 000 Arbeitsplätze.

Zu den Fragen 18, 19 und 20:

Ja, ich bekenne mich zu den vereinbarten Bahnlärmschutzmaßnahmen. Es gibt auf­grund der Beschlüsse zum neuen Rahmenplan keine Auswirkungen auf die mit dem Land Kärnten getroffenen Vereinbarungen im Bereich des Lärmschutzes im Kärntner Zentralraum. Das Umrüstprogramm bei den Güterwagen der Rail Cargo Austria hat bereits begonnen und wird laufend umgesetzt. Das Schienenschleifen als laufende Instandhaltungsarbeit wird durchgeführt.

Zur Frage 21:

Ich bekenne mich voll und ganz zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Für den Standort Villach Süd wurden deshalb auf Basis der einge­schätzten Marktpotenziale Maßnahmen in den Rahmenplan aufgenommen. Diese sehen vor, dass der Standort modulhaft entwickelt wird und sukzessive an die Bedürf­nisse der Logistikunternehmen angepasst werden kann – und das wird auch so ge­schehen.

Zur Frage 22 darf ich auf die Beantwortung der Fragen 13 bis 17 verweisen.


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Zur Frage 23:

Eine der wesentlichen Zielsetzungen des Ausbaues der Schieneninfrastruktur ist, schrittweise einen integrierten Taktfahrplan zu ermöglichen. Dieser integrierte Takt­fahrplan soll sicherstellen, dass einerseits schnelle Verbindungen zwischen den nationalen und internationalen Zentren geschaffen werden und andererseits der Regional- und Nahverkehr zeitoptimal angebunden wird.

Diese Zielsetzung gilt natürlich auch für die Koralmbahn, um auch da eine kunden­adäquate Verknüpfung des Fernverkehrs mit dem Nahverkehr zu schaffen. Die dazu notwendige Konkretisierung und Detailabstimmung, unter anderem der fahrplan­mäßigen Halte, ist zurzeit in Prüfung und erfolgt unter Berücksichtigung der neu abzuschließenden Verkehrsdienstverträge gemeinsam mit dem Land Kärnten. Da wird es mit Sicherheit eine sehr, sehr enge Zusammenarbeit geben, um auch Wünsche erfüllen zu können.

Zur Frage 24:

Im neuen Rahmenplan werden deutliche Akzente, insbesondere im Bereich von Elek­trifizierungsprojekten gesetzt. Die Elektrifizierung der Mattersburger Bahn und die Elektrifizierung der Steirischen Ostbahn wurden erstmals in den Rahmenplan aufge­nommen; dies stellt somit einen ersten Schritt für konkrete Maßnahmen im Hinblick auf die integrierte Energie- und Klimastrategie dar.

Ich habe vorhin erwähnt, wir liegen derzeit bei der Elektrifizierung bei 73 Prozent. Auf­grund der Maßnahmen, die bereits gesetzt worden sind, werden wir 78 Prozent erreichen, aber wir brauchen weitere Maßnahmen, um unser Ziel, nämlich 85 Prozent, bis zum Jahr 2030 zu erreichen.

Zu den Fragen 25 und 26:

Im Rahmen eines Planungsprozesses ist es üblich, Zwischenschritte zu setzen, um Vergleiche mit vorherigen Planungsschritten und Planungsvarianten herzustellen. Es gibt daher in meinem Haus sehr, sehr viele Vergleiche zu Projektabläufen, Kosten- und Zeitplanungen, die aber keiner Beschlussfassung unterliegen. Da arbeiten Mitarbeiter, die verschiedene Modelle errechnen, ansehen, dann kommt es zu einer Entschei­dungsfindung und erst danach zu einer Beschlussfassung. Diese Zwischenschritte haben somit keinen offiziellen Charakter. Ich verweise auf das transparente Verfahren zum Rahmenplan im Rahmen der Beschlussfassungen unter Einbeziehung des Ge­setz­gebers.

Relevant sind nur die durch Beschlussfassung legitimierten Rahmenpläne. Diese wurden und werden auch dem Hohen Haus und allen Abgeordneten zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren! Ich darf versichern, dass mir die ÖBB und der Schie­nen­verkehr ein echtes und ehrliches Anliegen sind. Mir ist vollkommen bewusst, dass wir die Probleme, die in Zukunft auf uns zukommen, mit der Straße alleine nicht werden bewältigen können, mit der Wasserstraße alleine nicht werden bewältigen können und mit der Luftfahrt alleine nicht werden bewältigen können.

Den wesentlichen Anteil der Leistungen am Verkehr der Zukunft, auch wenn auto­nomes Fahren bereits umgesetzt sein wird, auch wenn das Fahren mit Wasserstoff umgesetzt sein wird, wird die Schiene tragen – einfach deshalb, weil wir zu wenig Platz auf den Straßen haben. Wir sehen ja schon jetzt in Städten wie Linz, Graz und Salzburg, dass wir dort nicht nur während der Stunden des Morgenverkehrs enorme Probleme haben, sondern auch zu ganz anderen Tageszeiten. Das war vor einigen Jahren in diesem Ausmaß noch nicht der Fall.


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Ich muss mir auch überlegen, wie der Bund diese Städte besser unterstützen kann. Wir haben in Wien ganz klar die Vereinbarung, dass wir den U-Bahnbau mit 50 Prozent mitunterstützen. Der U-Bahnbau ist besonders teuer, und da muss der Bund auch unter die Arme greifen. Nur haben die anderen Städte eben keine U-Bahnen. Ich glaube, da müssen wir unser Modell überdenken und schauen, wie wir auch andere Städte bestmöglich unterstützen können.

Ich weiß, es gibt in Graz zum Beispiel den Plan, eine Schwebebahn für die Stadt zur Verfügung zu stellen. Ich halte sehr viel davon, weil ich glaube, dass man dadurch Bauzeit sparen kann; 50 Prozent weniger Bauzeit, 50 Prozent geringere Kosten im Vergleich zur Straßenbahn, und auch im Betrieb ist sie wesentlich günstiger. (Bun­desrat Pfister: Aber technisch ...!) Ich bin auch davon überzeugt, dass eine Schwebe­bahn von den Menschen sehr gerne angenommen werden wird, weil man da natürlich die Aussicht über die Stadt besser genießen kann. Technisch ist das nicht immer ganz einfach, aber dort, wo es möglich ist, schaut man sich das an. (Bundesrat Pfister: Forschung! Entwicklung!)  Sie haben recht, man muss auch sehr viel Geld in die Hand nehmen, um in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Im Burgenland wird es ein Pilotprojekt zu autonomem Fahren für die Bahn geben. Auch das ist ein Weg, den man sich genau anschauen wird. Dort, wo es keine Elek­trifizierung gibt, muss man schauen, ob man auch mit Wasserstoffloks fahren kann. All das wird für die Zukunft sehr, sehr wichtig sein.

Mir ist vollkommen bewusst, dass nicht alles, was ich mache oder versuche, perfekt ist, aber ich kann Ihnen ehrlich sagen, dass mir die Bahn wirklich ein Anliegen ist und dass ich bei allem, was ich tue, versuche, das nach bestem Wissen und Gewissen umzu­setzen. – Besten Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.41


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Herr Bundesminister, für die Beantwortung der Fragen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates/einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


16.41.30

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie müssen verstehen – und Sie haben es selbst in Ihren Ausführungen gesagt –, dass wir natürlich als diejenigen (Bundesrat Rösch: Jetzt ist er sprachlos!), die in Regionen leben, so wie ich in Kärnten lebe, aufge­scheucht werden, wenn wir hören, dass beim Koralmtunnel eine Verlängerung der Bauzeit von zwei Jahren gegeben ist. So ist es in der Zeitung gestanden. (Ruf bei der FPÖ: Stimmt ja nicht! – Bundesrat Mayer: Ein Jahr! – Bundesrätin Mühlwerth: Das hat man schon 2014 gewusst!) – Lassen Sie mich bitte einmal ausreden! (Bundesrätin Mühlwerth: 2014 war das schon klar!)

In den Medien ist es so dargestellt worden, als würde es eine zweijährige Verlängerung geben, und da sind wie bei uns in Kärnten dann reflexartig Pressekonferenzen abge­halten worden. Dass es, so wie Sie das heute auch sagen, doch nur ein Jahr sein könnte, hätte man dem Herrn Landeshauptmann oder uns vielleicht schon vorher einmal sagen können.


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Ich bin ja – unter Anführungszeichen – ein „Eisenbahner“, weil ich neben der Eisen­bahn in Mallnitz in Kärnten aufgewachsen bin. Ich weiß, wie wichtig die Eisenbahn für uns ist, mit all den Verbindungen über den Tauerntunnel und all dem, was jetzt dazukommt, Koralm, von Wien nach Klagenfurt, wie Sie gesagt haben, in 2,4 Stunden oder – unvorstellbar! – von Graz nach Klagenfurt in 40 Minuten. Damit, dass das schlussendlich so ist, wie es jetzt ist, haben sich schon viele Minister Lorbeeren verdient. Jetzt bitten wir einfach darum, dass das zu Ende geführt wird.

Man hört jetzt, dass 13,9 Milliarden Euro in den nächsten Jahren und im Jahr 2021 2,6 Milliarden Euro investiert werden. – Das ist sicher sensationell und tut uns gut, weil wir im Grunde genommen immer darüber diskutieren, dass wir die Autos von der Straße wegbekommen und den Verkehr auf die Schiene bekommen wollen.

Jetzt dreht sich die eine Frage, die meiner Meinung nach übrig geblieben ist, um diese 2 Milliarden Euro oder 1,8 Milliarden Euro, die da herumgeistern. Wo werden die eingespart? Wird da bei der Sicherheit oder bei der Qualität gespart? Sie haben ja ganz klar gesagt, bei der Qualität werde nicht gespart und noch weiter investiert. Wo sind diese 2 Milliarden Euro? – Wir haben das Gefühl gehabt – und es geistert so ein Papier darüber herum, dass da und dort Geld eingespart werden soll –, dass da der Koralmtunnel die Trägerrakete ist und dass es da auch um Nebenbereiche wie in Niederösterreich und in Kärnten geht. Das haben Sie ja ausführlich beantwortet; alle diese Vorhaben, zu denen ich Sie heute befragen wollte, sind im Grunde genommen auf Schiene und werden auch umgesetzt. Uns ist aber immer noch nicht klar – wir haben da immer noch so ein Gefühl –, wo die 2 Milliarden Euro eingespart werden. Wo in Österreich, in welchem Bereich wird da gespart? Wir sind in Kärnten schon so weit gewesen, dass wir uns dahin verstiegen haben, dass wir gesagt haben: Jetzt wird da eingespart, weil wir eine Koalition mit der ÖVP machen und nicht mit den Freiheitlichen und der Herr Bundesminister deshalb ein bisschen beleidigt ist.

Wie auch immer, wenn es um so große Dinge geht, werden eben auch Presse­aussendungen in diese Richtung gemacht. Wie auch immer, ich bitte Sie einfach nur noch einmal, uns darüber Auskunft zu geben, was es mit diesen 2 Milliarden Euro auf sich hat – das war ja der Ausgangspunkt – und was es bedeutet – meine Vorrednerin hat das schon gesagt, Sie, Herr Minister, haben es auch schon gesagt –, dass es durch den Bergdruck, dadurch, dass diese Maschinen lahmgelegt worden sind, um ein Jahr länger dauert. Es gibt Berechnungen, auch bei uns in Kärnten von Professor Bökemann, dass es 250 Millionen Euro im Jahr sind; es sind ja Vorleistungen auch vom Land und von Privaten gemacht worden, und dass diesen Verlust keiner zahlen wird, haben sie uns im Grunde relativ klar gesagt, sie können ja auch nichts dafür, dass sich der Berg bewegt. Hoffen wir, dass das zu einem guten Abschluss kommt.

Wir aus Kärnten werden uns über das Büro vom Herrn Landeshauptmann trotzdem noch einmal bemühen, Ihnen diese Fragen zu stellen, beziehungsweise werden wir dieses Protokoll dazulegen, denn unser Bereich, der in dieser Anfrage mit drinnen war, ist ja ausführlich behandelt worden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.46


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile ihm dieses.


16.46.48

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln die Dringliche Anfrage der Kollegen aus der Steiermark und aus Kärnten, weil sie ihre Sorge darüber zum Ausdruck bringen wollen, dass sich ein Projekt, das für die Südregion von großer


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Wichtigkeit ist, verzögern kann und verzögern wird. Die klare Frage, auf die es auch eine klare Antwort gibt, ist: Gibt es technische Probleme oder gibt es finanzielle Probleme? Das zu fragen ist das gute Recht der Opposition.

Die Geschichte des Koralmtunnels ist ja eine, die schon fast so lang ist wie der Tunnel selbst. (Zwischenruf des Bundesrates Pfister.) Ich darf aber daran erinnern, dass der Regierungsbeschluss, dieses 12-Milliarden-Euro-Projekt in Angriff zu nehmen, wäh­rend einer Regierungszeit von Freiheitlichen und ÖVP im Jahr 2000 gefallen ist. Ich kann Ihnen also, glaube ich, versichern, dass der politische Wille, gerade dieser beiden Parteien, da ist, dieses Projekt auch entsprechend umzusetzen.

Bei Großprojekten kann es zu Verzögerungen kommen, in diesem Fall aufgrund der Technik oder der Geologie, weil nicht alles beherrschbar ist, weil nicht alles machbar ist. Das ist auch nicht mit einem Beschluss hier in diesem Haus reparierbar, sondern der Natur und so manchen nicht steuerbaren Gegebenheiten muss man sich eben beugen.

Es gibt aber auch bei anderen Projekten Verzögerungen, die nicht technischer Natur sind. Denken wir an den Semmeringbasistunnel, der in seiner Konzeption komplett um­gestellt, aber dadurch zu einem besseren Projekt wurde, oder denken wir an das leidliche Problem der dritten Piste in Schwechat! (Zwischenruf des Bundesrates Pfister. – Bundesrätin Mühlwerth: ... Flughafen!)

Es gibt, wie gesagt, ein klares Bekenntnis, dieses Projekt so schnell und so gut wie möglich auszuführen. Letztlich führen aber nicht der Herr Bundesminister und das Ministerium den Bau durch, sondern die Österreichischen Bundesbahnen, die ÖBB, und sie haben auch darauf hingewiesen, dass es Probleme geben kann.

Ich darf die „Kronen Zeitung“ vom 18. August 2017 zitieren: „‚Wir haben gewusst, dass jetzt‘“ – nämlich auf den letzten Kilometern – „‚massive geologische Störzonen kom­men – mit dem Ausmaß haben wir aber nicht gerechnet‘, geben die ÖBB zu.“ – Das ist ein durchaus klares Bekenntnis, dass es technische Probleme gibt.

Der Herr Bundesminister hat dankenswerterweise sehr genau ausgeführt, was die Ziele der Bundesregierung sind, und Ziel ist der Ausbau des öffentlichen Schienen­verkehrs, weil es eine ökologische Notwendigkeit und auch eine Notwendigkeit hin­sichtlich des Platzangebots ist.

Es gibt aber klarerweise auch das Bekenntnis dieser Bundesregierung, keine zu­sätzlichen Schulden zu machen. Wenn technische Probleme auftreten, dann kann man das auch nicht unbedingt mit mehr Geld lösen, und das ist auch nicht das Ziel.

Ich glaube, man kann durchaus sagen, dass auch in den letzten Jahren sehr viel Geld in die Schieneninfrastruktur investiert wurde. Denken wir an die HL-Bahn, die durch Niederösterreich führen und bis Linz und jetzt letztlich bis Wels gebaut werden soll! Ich freue mich, dass in meiner Region, in Wiener Neustadt, die Bahnlinie Wien–Wiener Neustadt–Sopron mit Strom versorgt wird, um auch dem Umweltgedanken Rechnung zu tragen. Ich sage auch Danke, dass es kurzfristig möglich war – wir haben erst vor zwei Monaten die Zusage erhalten –, an der Aspangbahn eine Bahnunterführung zu errichten, damit der Pkw-Verkehr nicht ständig mit dem Bahnverkehr in Konkurrenz steht.

Es ist also ein breites Aktionsprogramm, das da angeboten wird. Es gibt ein klares Bekenntnis zur Schiene und zur Infrastruktur, das aber nicht auf Kosten der nächsten Generation gehen soll.

Ich darf Ihnen, Herr Minister, auch noch ein herzliches Dankeschön sagen, Sie haben eine Übersicht über alle Projekte, die umgesetzt werden sollen, an uns verteilt und uns


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damit auch eine gute Information geliefert. Ich sage Danke für die Dringliche Anfrage, aber auch Danke für die Antworten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.51


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile ihm dieses.


16.51.25

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Grossmann, ich habe schon Verständnis dafür, Sie sind ja da ein bisschen in der Opferrolle. Landeshauptmann­stellvertreter Schickhofer, der um sein Leiberl rennt, dürfte Sie vorgeschickt haben, damit er wieder irgendwie seine Rundumschläge, die er in letzter Zeit so gerne verteilt, anbringen kann. (Heiterkeit der BundesrätInnen Mayer und Mühlwerth.) Irgendwie beneide ich Sie aber, vor allem um diese Fragen, denn Sie zeigen, dass Sie in dieser Angelegenheit eigentlich genau das haben, was ich nicht habe, nämlich: keine Ahnung. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.)

Sie zweifeln massiv an, dass das geologisch bedingte Verzögerungen und keine Kos­ten­einsparungen sind. – Zur Erläuterung: Beim Koralmtunnel gibt es insgesamt zwei Hauptbaulose, KAT 2 und KAT 3, mit insgesamt drei Vortriebsmaschinen, die im Einsatz sind. Im Groben kann man sagen, es sind zwei in der Steiermark und eine in Kärnten. Die erste Maschine auf steirischer Seite ist mittlerweile durch und fertig, und zwar mit in etwa einem Jahr Verzögerung. Die zweite Maschine wird im Herbst 2018 durchschlagen; geplant war ursprünglich im März 2016, das sind also rund zweieinhalb Jahre Verzögerung. Alle Maschinen sind insgesamt so zwei, drei Mal stecken geblieben.

Die Maschine in Kärnten, in KAT 3, steht mehr oder weniger seit Mai 2017. Sie hat in dieser Zeit grob gesagt etwa 1,5 Ringe pro Woche geschafft; ein Ring sind 1,9 Meter, das heißt, das waren in diesem Zeitraum knapp 150 Meter. Man hat in dieser Stö­rungszone sehr aufwendig eine Umfahrung von 400 Metern im konventionellen Vortrieb machen müssen, um die Maschine freizubekommen. Jetzt wird die Maschine durchgezogen und planmäßig – das muss man sagen – umgerüstet von einer Single-Shield- zu einer Hartgesteins-TBM – wen es interessiert – und wird dann demnächst hoffentlich planmäßig weiterfahren.

Allein diese Tatsachen sollten Ihnen zeigen, dass das mit Kosteneinsparungen absolut nichts zu tun hat. Das anzunehmen ist blauäugig, denn eine Bauzeitverlängerung führt bei vergebenen Baulosen – da geht es nicht um irgendwelche ausstehenden Ver­gaben, da ist alles vergeben – unweigerlich zu Verteuerungen. Allein schon die Bau­stellengemeinkosten, die sich über einen größeren Zeitraum erstrecken, fallen massiv ins Gewicht. Es wird sicherlich so sein, dass die beteiligten Baufirmen die Mehrkosten nicht unbedingt aus dem eigenen Sack berappen wollen, sondern natürlich ent­sprechende Vergütung von den ÖBB erhalten wollen. Das wird, so steht zu vermuten, auch noch die Gerichte beschäftigen. Es ist also zu befürchten, dass es in Summe eher zu Mehrkosten kommen wird, und zwar infolge dieser Geologie, und auf gar keinen Fall zu Kosteneinsparungen.

Auf die Frage, wer für die Folgekosten für die Unternehmer aufkommt, würde ich sagen: Der erste Adressat, der mir da einfällt, wäre Ihr Parteigenosse Gusenbauer – ist er ja noch, glaube ich –, der 2007 verkündet hat, dass die Fertigstellung des Koralm­tunnels im Jahr 2018 erfolgen wird. Beginnt also einmal bei ihm mit dem Klagen!

Herr Landeshauptmannstellvertreter Schickhofer hat gefordert – Sie haben das in die Fragen eingepackt –, dass das gesamte Know-how im Bereich des Tunnelbaus gebün-


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delt werden soll. – Das ist schon lange gebündelt! Seit Jahren, seit zig Jahren, muss man jetzt schon sagen, gibt es alle zwei Jahre die sogenannte Südbahntagung, die alternierend einmal in Graz an der TU und einmal in Leoben an der Montanuniversität stattfindet. Das ist eine eintägige Veranstaltung, auf der alle Experten, alle Beteiligten, die damit zu tun haben, ihren organisatorischen und technischen Input geben und wo das Thema auf breiter, wissenschaftlicher Basis diskutiert wird. Diese Forderung ist also schon längt erfüllt.

Das Grundproblem, das viele nicht erkennen, ist, dass ein Tunnelvortrieb in Tieflage anders zu behandeln ist als beispielsweise Brückenbauwerke. Bei einem Baulos mit zehn Brücken kann man es sich aussuchen, ob man alle hintereinander oder jeweils zwei und zwei oder alle gleichzeitig baut. Das führt natürlich dann zu entsprechenden Veränderungen der Bauzeit. Ein Tunnel mit einer großen Überlagerung hat einen, vielleicht zwei Angriffspunkte. Da kann man nicht mehr machen, da ist man allein aufgrund dieser räumlichen Situation gebunden. Es hilft auch nichts, wenn 90 Prozent fertig sind und die restlichen 10 Prozent Probleme machen. Das wirkt sich natürlich auf die Gesamtbauzeit aus, denn es ist ja auch so, dass gewisse logistische Bauarbeiten – Innenausbau und so weiter – erst erfolgen können, wenn der Durchschlag erfolgt ist. Man kann da nicht so tun, als ob man auf der anderen Seite beschleunigende Maß­nahmen setzen könnte.

Um Ausschreibungen geht es überhaupt nicht, die Ausschreibungen sind alle schon längst draußen. Das ist alles im Bau, einschließlich der Nachbarbaulose wie beispiels­weise die Tunnelkette Granitztal oder die Strecke beim Klopeiner See. Das ist alles schon lange vergeben und im Bau.

Es gibt auch noch andere Verzögerungen, beispielsweise beim Brennerbasistunnel. Da gibt es jetzt auch schon ein Jahr Verzögerung, obwohl beim Hauptbaulos auf öster­reichischer Seite noch gar nicht begonnen wurde, weil das erst jetzt, vor wenigen Tagen, vergeben wurde. Es gab Einsprüche, weil der Bestbieter einen italienischen Partner gehabt hat, der pleitegegangen ist; der zweite hat auch mit italienischen Partnern Probleme gehabt. Das sind Dinge, die man im Vorfeld nicht planen und ab­schätzen kann, meine Damen und Herren!

Abschließend vielleicht noch Folgendes: Ich könnte Ihnen aus dem Stand mindestens eine Handvoll Tunnelbauprojekte weltweit nennen, bei denen es zu massiven Bau­zeitverzögerungen kommt. Nehmen wir nur Stuttgart 21: Da sind wir mittlerweile bei der Bauzeitverzögerung schon im Bereich von Jahrzehnten.

Ich war letztes Jahr auf der Baustelle, und da hat uns der DB-Verantwortliche einen Fertigstellungstermin genannt. Die zuständigen Bauleiter haben nur leise hinter vorgehaltener Hand gelacht und haben gesagt, der träumt, das hält nie und nimmer.

Natürlich ist es so – wenn Sie sich darauf beziehen: die ÖBB haben gesagt –, dass nicht irgendein ÖBB-Bauleiter oder sonst irgendwer gegenüber den Medien sagen wird, dass es zu Verzögerungen kommt, ohne dass das abgesprochen ist, ohne dass das wirklich alles auf fundierten Erkenntnissen basiert, denn wenn er das macht, ist er am nächsten Tag einen Kopf kürzer.

In einem anderen Fall, in Seattle, war es ein altes Wasserleitungsrohr, das zu einer über einjährigen oder fast zweijährigen Bauzeitverzögerung geführt hat, weil es dadurch zu einem massiven Schaden an der Maschine gekommen ist.

Sie dürfen also dem Herrn Bundesminister wirklich glauben, wenn er sagt, dass es bei dieser Verzögerung von nur einem Jahr nicht um Sparmaßnahmen geht.

Summa summarum ist das Erfreuliche dabei: Es wird mehr investiert in die Bahn. Sparen ist ja per se nicht so schlecht, vielleicht ist nur die Wortwahl ein bisschen


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falsch. Man hätte wahrscheinlich optimieren sagen sollen, dann würde das Ganze gleich viel besser klingen, wenn man Kosten optimieren statt sparen sagt. Sparen heißt nicht, dass Projekte gestrichen werden, denn man muss auch immer die Gesamtschau im Kopf haben. Es gibt Teilprojekte, die ihre Wirkung erst entfalten können, wenn auch ein anderer Teil wirksam wird. So ist es letztendlich auch bei der Südbahnstrecke, und ich hoffe, dass es beim Semmeringbasistunnel nicht zu Verzögerungen kommt. Die ersten Maschinen fangen erst im Sommer an, dort zu arbeiten, dann werden beide Abschnitte gleichzeitig in Betrieb genommen, und das ist eigentlich dann eine optimale Lösung.

In dieser Debatte gibt es also viel Aufregung um wenig Substanz. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

17.02


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrätin Mühlwerth: ÖBB- und Tunnelexperte!)


17.02.44

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Nein, Frau Klubobfrau, Sie brauchen keine Angst zu haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Schönes Leibchen!) – Danke für das Kompliment zum schönen Leibchen! Ich habe extra das Sakko drüber­gezogen, weil es Sie nicht betrifft, Herr Bundesminister. (Der Redner trägt unter dem Sakko ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „Diese Bundesregierung schädigt Ihre Lunge“.)

Danke an die SPÖ für diese Dringliche Anfrage! Ich glaube, das ist ein wichtiges Thema, das wir heute hier besprechen, auch wenn es dabei sehr stark um eine steirisch-regionalpolitische Perspektive geht und wir Grüne nicht gerade sehr positiv oder nicht immer - - (Bundesrat Krusche: Das ist eine transeuropäische Achse, die ist nicht regionalpolitisch!) – Die Anfrage bezieht sich darauf, auf die Koralmbahn. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr denkt halt nur kleinräumig!) – Wir Grüne stehen dem nicht so positiv gegenüber, stimmen da nicht immer überein, weil wir auch Hochbauten als sinnvoll erachten, anstatt immer nur Tiefbauten zu realisieren, und wir uns wünschen, dass sich die ÖBB hauptsächlich auf die Hochbauten konzentrieren und dafür Finanzen zur Verfügung stellen anstatt für Tiefbauten, die sehr kostenintensiv sind und deren Fertigstellung lange dauert. (Bundesrat Krusche: Bürotürme!)

Worum geht es jetzt beim Koralmtunnel? – Arbeitspolitisch, finde ich, greift diese Anfrage etwas zu kurz, weil andere Maßnahmen dieser schwarz-blauen Kürzungs­pläne wesentlich dramatischer sind als die vergleichsweise geringe Streckung der Fertigstellungsdauer des Koralmtunnels, dessen Nutzen im Übrigen in der Studie der WU und Co künstlich hochgerechnet werden musste, damit er wenigstens minimal über eins liegt. Beispielsweise schadet der Aufschub von Bahnhofsum- und -ausbauten in ganz Österreich massiv den Interessen der PendlerInnen und der Menschen mit Behinderung.

Zu den in der Anfrage erwähnten Bahnhofsumbauten zwischen Bruck und Graz ist zu sagen, dass die geplante Ausweitung des S-Bahn-Angebots dazu führt, dass die Realisierung der Barrierefreiheit in den Kundenbereichen und im Bereich der Bahn­steigzugänge vom Aufschub bedroht ist. Kurioserweise werden aber zugleich Verbes­serungen bei den Schienenanbindungen von Großunternehmen verschleppt. Man handelt da auch gegen die Wirtschaftsinteressen und gegen die Interessen des indus­triellen Klientels.

Wichtig ist es, weiters zu erwähnen, dass der Arbeitsplatzeffekt je eingesetzter Million Euro bei Projekten wie diesen um 50 Prozent größer ist als bei hochautomatisierten Tiefbauprojekten wie insbesondere Tunnelprojekten.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 130

Ähnliches gilt für die Elektrifizierungsprojekte. Immer noch ist ein ansehnlicher Teil des ÖBB-Schienennetzes – anders als in der Schweiz – nicht elektrifiziert. Das heißt, es wird mit Diesel gefahren, zur Freude der Ölscheichs und zulasten der Umwelt, und die Leistungsfähigkeit auf diesen Strecken ist geringer als eigentlich gewünscht. Hier müsste ein Schwerpunkt gesetzt werden, Maßnahmen sollten vorgezogen anstatt auf­geschoben werden. Es handelt sich vielfach um Pendlerstrecken und Gütertransport­strecken.

Das betrifft auch eine Strecke in meinem Heimatbundesland, Sie haben es heute schon angesprochen: die Mattigtalbahn. Da hat es aufgrund von Medienberichten sehr große Verunsicherung gegeben, und ich finde das auch nicht im Rahmenplan. Es werden vielleicht keine Aufträge storniert, aber die Realisierung wird weit nach hinten verschoben. Zum Beispiel finde ich den ÖBB-Bahnhofsbau, den Ausbau, in dem von Ihnen jetzt ausgesendeten Rahmenplan ab 2021. In der parlamentarischen Anfrage­beantwortung vor drei Wochen haben Sie geschrieben, dass der Ausbau 2019 fertig sein wird. Das heißt, hier gibt es einen Widerspruch zwischen diesem Rahmenplan und Ihrer parlamentarischen Anfragebeantwortung. Auch in allen Präsentationen der ÖBB, auch der Bürgermeister, der Initiativen war immer von 2019 die Rede. Auf der Mattigtalbahnstrecke wurden die Projekte eher nach hinten geschoben. Ich finde sie nicht im Rahmenplan; vielleicht können Sie sie mir zeigen, ich finde sie nicht. 2019 beginnen sie erst, 2021 und 2022 werden sie endlich umgesetzt. Das ist nicht das, was eigentlich versprochen worden ist, nämlich dass es bis 2019 umgesetzt werden soll.

Zur Klimastrategie sind eher wenig Fragen gestellt worden, aber das ist sehr wohl eine wichtige Frage. Ich glaube, die Frage in der Dringlichen kann nur rhetorisch gemeint sein, denn ein Infrastrukturprogramm, das viel Wichtiges und Nützliches um Jahre aufschieben will, passt selbstverständlich bestens zu einer Klimastrategie, die zwar hochgesteckte Ziele in Serie auflistet, aber keine Maßnahmen und kein Geld vorsieht, um diese Ziele auch zu erreichen. Genau das ist es: beides schwarz-blaue Qualitäts­arbeit vom Feinsten; auch da gibt es hochgesteckte Ziele, aber wir kommen nicht wirklich dorthin, wo wir hinwollen oder hinsollten.

Sie, Herr Minister, setzen sich ja immer ganz besonders für Barrierefreiheit ein. Wenn jetzt überfällige Investitionen gerade in die Barrierefreiheit in Bahnhöfen gestrichen werden, von Vorarlberg bis in den Osten Dutzende Projekte aufgeschoben und damit weiter verzögert werden, dann frage ich Sie: Wie passt denn das zusammen? Fahrgäste mit Behinderungen, Eltern mit Kinderwägen, alte Menschen sind alle nichts wert, sie können ruhig ein paar Jahre länger auf Barrierefreiheit warten? – Ich glaube nicht, wir müssen schnellstmöglich handeln!

Der Sondertopf für die Regionalbahnen im Rahmenplan in der Höhe von circa 140 Mil­lionen Euro bis 2023 ist grundsätzlich erfreulich. Es wäre aber hoch an der Zeit, auszuführen, was dieser konkret umfasst, denn sonst liegt angesichts des insgesamt reduzierten Volumens des Rahmenplans der Verdacht nahe, dass es sich hierbei – um bei diesem Wein-Beispiel zu bleiben – nur um einen neuen Schlauch für einen alten Wein handelt, also um nichts anderes als einen Schmäh.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass gerade im Bundesland Vorarlberg, in dem der öffentliche Verkehr teils zweistellige Zuwachsraten im Jahr hat, die Ein­sparungen am massivsten ausfallen. Mich würde interessieren, warum diese Bundes­regierung diejenigen, die beim Verlagern des Verkehrs auf die Schiene und beim Klimaschutz wirklich etwas weiterbringen, extra bestraft. Gerade in Vorarlberg ist wirklich sehr viel Potenzial vorhanden, die bemühen sich wirklich, den Verkehr auf die Schiene zu bringen, aber die Einsparungen sind dort am massivsten. Gerade dort sollte also nicht gespart werden.


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Wir Grüne sind natürlich dafür, dass der öffentliche Verkehr, vor allem auch die Regionalbahnen, ausgebaut wird. Ich glaube, Sie sollten sich dafür mehr und weniger für Tempo 140 einsetzen. Ich bin ein massiver Kritiker dieser Maßnahme, weil ich das einfach als sinnlos empfinde. Auf der West Autobahn – das betrifft mich ja als ober­österreichischer Bundesrat – ist ja eine Teststrecke geplant. Ich weiß, Sie haben uns heute eine Anfragebeantwortung zugeschickt, in der Sie schreiben, dass noch keine fixen Strecken geplant sind, es wird aber immer kolportiert, dass das auf der A 1 in Oberösterreich geschehen wird. 100 000 Euro investieren für ein paar Sekunden - - (Bundesrat Krusche: Wird die von den ÖBB betrieben?) – Es ist sinnvoller, in die ÖBB und in die Schiene zu investieren als in die Autobahn. Die 100 000 Euro wären dort zehnmal sinnvoller eingesetzt.

Um um ein paar Sekunden schneller von A bis Z zu kommen, in Kauf nehmen zu wollen, die Verkehrssicherheit zu senken, der Umwelt durch einen Anstieg der Stick­oxide, der CO2-Werte zu schaden, das ist absolut sinnlos und versteht doch keiner – und das alles für 10 km/h mehr. Auch vor dem Hintergrund, dass andere Länder in ganz Europa niedrigere Geschwindigkeitsbeschränkungen als Österreich haben, brauchen wir nicht noch über 10 km/h mehr zu reden.

Ich glaube, es wäre wirklich sinnvoller, sich endlich auf den Umweltschutz zu konzen­trieren, und Sie als Verkehrs- und Infrastrukturminister sind wirklich gefragt, die Schie­ne, den öffentlichen Verkehr massiv auszubauen, gerade auf den Neben­strecken. Das betrifft auch die Elektrifizierung, da sind wir wirklich noch weit hinten. Ich erwarte mir von Ihnen ehestmöglich Maßnahmen.

Ansonsten: Danke für die Anfragebeantwortung! (Beifall der Bundesrätinnen Dziedzic und Reiter sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Jetzt hätte ich fast vergessen, noch folgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Unselbständiger Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller, Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekenntnis zum Erhalt und Ausbau der österreichischen Neben­bahnen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, wird ersucht, die budgetäre Bedeckung der Schieneninfrastruktur-Inves­titionsprogramme (ÖBB-Rahmenpläne), so wie sie im Zielnetz 2025+ vorgesehen sind sicherzustellen, um damit den Erhalt und den Ausbau der ÖBB Nebenbahnstrecken garantieren zu können.“

*****

Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätinnen Dziedzic und Reiter sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.11


Vizepräsident Ewald Lindinger: Der von den Bundesräten David Stögmüller und Mag.a Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend „Bekenntnis zum Erhalt und Ausbau der österreichischen Neben­bahnen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.


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Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hubert Koller. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Mayer: Hubsi, der Bahnfahrer!)


17.12.10

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzter Herr Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein Bahn­fahrer, das stimmt (Bundesrat Mayer: Sag ich ja!), und ich bin ein Verfechter des öffentlichen Verkehrs, und deshalb ist diese Dringliche Anfrage für mich und für uns sehr wichtig. Herr Minister, entschuldigen Sie, dass wir Sie da so reinholen (Bundesrat Samt: Er hat schon ein schlechtes Gewissen!), aber in der Region draußen und bei den Bürgermeistern hat man große Sorge wegen zwei Jahren Verzögerung. Wir haben in der Region vorgearbeitet, wir haben ja die Kollegen da, die auch im Regional­ver­band bei uns in Verantwortung sind. Wir haben also vorgeplant, vorgearbeitet, und wenn dann so eine Meldung über die Zeitung kommt, sind alle aus dem Häuschen. (Bundesrat Samt: Man soll nicht alles glauben, was in der Zeitung steht!)

Das muss man verstehen, und als ehemaliger Bürgermeister – immerhin war ich 25 Jahre als Vizebürgermeister und Bürgermeister im Amt – weiß ich, was das heißt. Ich habe jahrelang für den öffentlichen Verkehr gekämpft, denn bis in die Soboth rauf, das ist eine schöne, weite Strecke, und da ist man froh, wenn sich das Angebot immer weiter verbessert. Verstehen Sie, dass die Länder – im Speziellen kann ich nur von der Steiermark reden; und ich spreche Sie jetzt als gebürtigen Steirer und jetzigen Burgenländer an (Heiterkeit bei der SPÖ) – wirklich viel unternommen haben, um die Bahn, die S-Bahnen schneller zu machen, die Vertaktung zu verbessern, damit die Leute sie auch benutzen!

Herr Krusche, ja, es wurde gut angenommen, es wurde sehr gut angenommen. Sie haben es fachlich sehr gut erklärt, Herr Kollege, aber deshalb dürfen Sie sich nicht anmaßen, meiner Kollegin zu sagen, sie verstehe davon nichts. Sie versteht die Sor­gen der Bürgermeister und der Leute, die dort wohnen, die ihren Arbeitsplatz oder die Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen, gefährdet sehen. Das möchte ich hier auch gesagt haben.

Es wurde schon der volkswirtschaftliche Nutzen genannt. Für uns ist es ein Jahr­hundertprojekt, das heißt aber nicht, dass es hundert Jahre dauern soll, bis dieses Projekt umgesetzt wird. Es sind viele Hoffnungen damit verbunden, bei jedem Einzel­nen, ich kann das wirklich bestätigen, und ich bin beruhigt und nehme Sie beim Wort, Herr Minister.

Wir haben auch ein gutes Gesprächsverhältnis mit den ÖBB, in unseren Gesprächen kam dieser Aspekt nicht so zum Tragen, dass die Geologie daran schuld sein soll. Ich habe selber einen österreichweit bekannten Geologen in meinem Heimatort Soboth, der gesagt hat, dass diese Dinge natürlich in der Vorschau berechenbar sind und auch einkalkuliert werden. Natürlich gibt es solche Sonderfälle wie im Herbst, wo einmal alles lange Zeit stehen kann, aber wir hoffen, dass es jetzt wieder so weitergeht, wie es früher weitergegangen ist, dass es eine lange Strecke gibt, wo nichts passiert und die Maschine ohne größere Schwierigkeiten durchkommt.

Im Bereich – und da muss ich sagen, das ist in der Steiermark und in Kärnten ziemlich ähnlich – dieser neuen Bahnlinie ist natürlich ein Aufbruch entstanden. Sie wissen, dass, wenn man Grundstücke sichern muss, wenn man diese Dinge auch in die Raum­ordnung verpacken muss, viel, viel Engagement dahinter sein muss und die Gemein­den, die Region und die Länder vorfinanzieren. Und ein Jahr mehr vorzufinanzieren, das bedeutet viel Geld für die Kommunen und auch für die Länder.


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Vor allem die Gemeinden im Laßnitztal – Sie haben es erwähnt, Sie waren dort, Sie haben sich das angeschaut – haben eine Standortentwicklung auf einem wirklich guten Weg vorangetrieben. Es wurde schon von meiner Kollegin Grossmann angesprochen, dass sich bereits Betreiber gemeldet haben, bereits konkrete Gespräche mit diesen geführt werden, die dort Arbeitsplätze errichten wollen, bis zu 200, 300, 400 Mitarbeiter beschäftigen wollen – und diese Gespräche stocken nun. Auch die Grundstücksan­käufe verzögern sich oder werden problematisch.

Alle fragen uns, wer bei dieser Verzögerung finanziell unterstützen kann. Sie haben gesagt, man kann es nicht voraussagen. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, vielleicht besteht die Chance, dass es jetzt gut vorangeht. Ich weiß nicht, ob eingeplant ist, dass dann doch vorher die Koralmbahn eröffnet werden kann, aber das wird wahrscheinlich nicht gehen, weil die Fahrpläne und Vertaktungen ja auch entsprechend vorgeplant werden müssen.

Zum Schluss noch, Sie haben das auch angeregt, und ich unterstütze dieses Projekt selbst auch sehr: Es gibt bei uns die Graz-Köflacher Bahn, die bis Wies-Eibiswald geht, und wir haben alle Vorbereitungen getroffen, um hier ein Projekt einzureichen, das die Verlängerung bis Eibiswald möglich macht. Das werde ich sehr gerne einbringen, und ich bitte Sie um vollste Unterstützung und zähle auf Ihr Wort. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP und bei BundesrätInnen ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

17.17


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Edgar Mayer, auch zum Tunnel. Ich erteile ihm dieses.


17.17.15

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Ich rede nicht nur über den Tunnel – Vorarlberg hat einige, wir brauchen momen­tan keinen. Ich komme aber vielleicht noch darauf zu sprechen, dass Vorarlberg im Rahmen dieser Infrastrukturprojekte bestraft werden soll.

Wir haben jetzt diese Dringliche Anfrage mehr oder weniger sehr gut abgearbeitet, der Herr Minister hat die Fragen in hoher Qualität und vor allem mit hoher Kompetenz beantwortet. Ich bin auch dankbar für diesen vorgelegten Maßnahmenplan 2018 bis 2023, der wirklich sehr informativ ist, wo die ganzen Schwerpunkte der Regierung auf­geführt sind. Da kann man nur sagen: Chapeau, das macht wirklich einen schlanken Fuß, Herr Minister!

Es ist in diesem Maßnahmenplan auch zu erkennen, dass sehr viel Geld, weiter Re­kord­summen in Baumaßnahmen, in die Infrastruktur der Bahn investiert werden, mehr als in den letzten Jahren, das muss man sagen. Dass hier Geld verschwendet wird beziehungsweise Geld verloren geht oder Geld nicht zur Verfügung steht, sehen wir nicht; ich komme dann noch einmal darauf zurück. Es werden wohl Laufzeiten abge­ändert, aber es wird kein Projekt gestrichen beziehungsweise kommen sogar neue Projekte dazu. Das muss man auch einmal in aller Form erwähnen.

Es wird auch kein Arbeitsplatz gefährdet. Diese 1 300 Arbeitsplätze, die da verloren gehen sollen, sehe ich absolut nicht, im Gegenteil: Wenn Projekte verlängert werden beziehungsweise eine längere Laufzeit haben, haben die Leute auch länger Arbeit, das ist eine logische Folge dessen. Und wenn die Maschine im Koralmtunnel nicht funk­tioniert, dann muss man halt schauen, wie man hier eine Lösung finden kann. Da ist jetzt offensichtlich etwas geschehen mit einer sogenannten Kaverne; Herr Krusche hat technisch wunderbar erklärt, wie das vor sich geht.


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Also da ist schon nach wie vor sehr viel Aktivität vorhanden und vor allem wurde schon sehr viel am Projekt gearbeitet, und warum sich das jetzt verzögert, hat man ganz klar erklärt. Da kann man dem Minister wirklich als Letztem einen Vorwurf machen, weil er wirklich bestrebt ist, dass diese Bauarbeiten entsprechend umgesetzt werden.

Der Ausbau des Schienennetzes insgesamt erfolgt nach dem sogenannten Master­plan 2025+, und diesen gilt es auch schrittweise abzuarbeiten.

Zu den wesentlichen Punkten, die in diesem Masterplan beinhaltet sind, gehört auch das Zielnetz. Wir investieren 13,9 Milliarden Euro in das Netz der ÖBB. Dazu darf ich vielleicht zwei Leute zitieren, die sich gestern bei einer Pressekonferenz mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. ÖBB-Chef Matthä, der nicht unbedingt ein Frei­heitlicher oder ein Vertreter der Volkspartei ist, sagte in der gestrigen Presseaus­sen­dung gemeinsam mit Manfred Reisner, dem Chef des Verbands der Bahnindustrie, sie seien zufrieden mit dem Finanzplan für die kommenden Jahre. Die Kürzungen seien ein „Jammern auf hohem Niveau“, sagte Matthä; die Kürzungen – ein „Jammern auf hohem Niveau“, so der Bahnchef. Über einen so langen Zeitraum, der jetzt angedacht ist, einige Hundert Millionen Euro sinnvoll am richtigen Ort einzusparen, so wie die Bundesregierung das eben vorhat, werde auch von der Bahn entsprechend akzeptiert.

Auch der Chef der Bahnindustrie sagt: „Es hätte viel schlimmer kommen können.“

Bahnchef Matthä weist außerdem darauf hin, dass die neue Bundesregierung ja auch die Finanzmittel deutlich hätte kürzen können“, es aber nicht gemacht hat.

„Das vorgesehene Budget sei ein starkes Bekenntnis zur Bahn. Es komme zwar zu Verzögerungen, aber das System sei nicht infrage gestellt.“

Matthä rechnet vor, dass die 13,9 Milliarden Euro, die ich vorhin erwähnt habe, auf sechs Jahre aufgerechnet im Schnitt 2,3 Milliarden Euro pro Jahr entsprechen und damit mehr Geld als in den vergangenen sechs Jahren zur Verfügung steht. Das ist schon ein klares Bekenntnis des Bahnchefs, dass es da wirklich sehr, sehr in die richtige Richtung geht, Herr Minister!

Jetzt noch ganz kurz zu Verzögerungen oder Änderungen, die sich auch bundeslän­derspezifisch darstellen. Kollege Stögmüller hat von einer Strafaktion gegenüber Vorarlberg gesprochen. Vorarlberg hat, auch zusammen mit dem Ministerium, wirklich sehr viel in Infrastruktur, in neues Bahnmaterial, in neues Zugmaterial investiert. Wir sind, was Steigerungszahlen anlangt, wirklich auf sehr gutem Niveau. Es gibt gute Programme gemeinsam mit der Regierung; das muss man einmal erwähnen. In Vorarlberg wird zwar jetzt ein Bahnhof nicht ausgebaut, aber die meisten an der Strecke Feldkirch–Bludenz sind ja bereits ausgebaut. Es handelt sich um eine Bau­verzögerung, weil es eben mit der Gemeinde noch keine Einigung gegeben hat. Das muss man auch sagen, nicht nur der Infrastrukturminister verzögert, sondern es gibt auch noch keine Einigung; also weitere Verhandlungen.

Auch die Bahnstrecke Feldkirch–Buchs in die Schweiz, wo die Trasse den ÖBB gehört, FL.A.CH. genannt, also FL für Fürstentum Liechtenstein, A für Austria und CH für Schweiz, wird eine Verzögerung in Kauf nehmen müssen. Da sind die Verhandlungen mit Liechtenstein nicht so weit gediehen, das kann man auch nicht unbedingt dem Infrastrukturminister umhängen. Wie der Plan sagt, wird der Ausbau der Verbindung St. Margarethen–Lauterach um ein Jahr verschoben, aber bis zum Jahr 2021 werden 186 Millionen Euro investiert.

Also, Kollege Stögmüller, von einer Strafaktion für Vorarlberg kann man nicht sprechen. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen und nicht der Wahrheit, weil in Vorarlberg gemeinsam mit Verkehrslandesrat Rauch sehr viel in diesem Bereich


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investiert und erreicht worden ist und natürlich auch zusammen mit dem Ministerium entsprechende Projekte umgesetzt und fertiggestellt worden sind.

Ja, es gibt immer Wünsche ans Christkind wie vielleicht den doppelgleisigen Ausbau der Bahnstrecke Langen am Arlberg–Bludenz; kaum umsetzbar und irre teuer. Wir könnten natürlich einen Tunnel von Innsbruck bis nach Feldkirch machen, das würde auch gehen. Ich meine also, man kann sich immer etwas wünschen, aber man muss auch der Realität ins Auge sehen.

In diesem Sinne sind wir jetzt über die Dringliche Anfrage zu einer Infra­struktur­dis­kussion gekommen. Die Brisanz war bei Weitem nicht so groß, und man konnte auch alles entkräften. Wir hoffen, dass es in diesem Sinne entsprechend rasch weitergeht und dass die Bundesregierung auch in dieser Tonart weitermacht: sinnvoll sparen, aber doch umsetzen, zielgerichtet umsetzen, die Infrastrukturprojekte entsprechend dem Maßnahmenplan, dem Strukturplan umsetzen. – Herr Minister, danke für diese Diskussion über die ÖBB und deren Infrastruktur. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Mayer begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesminister Hofer die Hand.)

17.24


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat René Pfister. Ich erteile ihm dieses.


17.24.51

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich mich wirklich recht herzlich bedanken, Herr Minister! Wir hatten seit Amtsantritt der neuen Bundesregierung schon Dringliche Anfragen, bei denen Minister weder auskunftsfreudig waren noch so ruhig und gelas­sen den Fragen der Abgeordneten Rede und Antwort gestanden sind, und dazu möchte ich Ihnen wirklich gratulieren, dass Sie das heute hier so souverän gemacht haben.

Ich komme aber schon auch dazu – wenn wir über die Projekte sprechen, und Sie haben die Zahlen auch genannt –: Speziell in Niederösterreich heißt das, wenn man das runterrechnet, nicht, wie Sie Anfang März angekündigt haben, dass 200 Millionen Euro im Jahr eingespart werden. Wenn wir die 15,6 Milliarden Euro, die laut Regie­rungsprogramm bis Juni 2017 für den Ausbau festgeschrieben waren, mit den, wie Sie jetzt gesagt haben, 13,8 Milliarden Euro, die jetzt im neuen Regierungsprogramm bis 2023 festgeschrieben sind, vergleichen, bedeutet das für Niederösterreich runter­gerechnet über 400 Millionen Euro pro Jahr, die an Investitionen fehlen. Das wirft für mich, das wirft für uns schon auch die Frage auf, ob man sich in den Verhandlungen über den Tisch hat ziehen lassen.

Bei Einsparungen im Infrastrukturbereich, vor allem in Zeiten wie diesen, in denen wir einem Nulldefizit entgegenstreben, ein solches zu erreichen der Herr Finanzminister auch ausgegeben hat, in Zeiten wie diesen, in denen die Konjunktur sehr, sehr gut läuft, wir sinkende Arbeitslosenzahlen, steigende Beschäftigungszahlen haben, am Finanz­markt die Zinsen für Kredite sehr, sehr niedrig sind, stellt sich für uns schon die Frage, warum man dann nicht auch sehr ambitioniert investiert und versucht, gewisse Projekte auch etwas schneller voranzubringen. Es liegt vielleicht auch der Verdacht nahe, dass gewisse budgetäre Mittel in anderen Bereichen für Prestigedinge einge­setzt werden, etwa für Steuersenkungen, Familienboni, und, und, und. Dafür wird die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufs Spiel gesetzt.


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Herr Minister, auch ich bin – Sie haben das zu Recht gesagt – ein leidenschaftlicher Bahnfahrer, auch wenn ich natürlich auch mit der Flugindustrie sehr, sehr verbunden bin. Durch die Streichungen im Zusammenhang mit der Bahninfrastruktur wird es aber auch zu gravierenden Nachteilen für die Pendlerinnen und Pendler kommen. Für Nie­derösterreich, ein Flächenbundesland, heißt das, dass die Menschen, die in die Städte pendeln, Nachteile haben, wenn gewisse Projekte nicht rasch realisiert werden.

Ich darf nur einige Projekte herausgreifen, die davon betroffen sind. Beispiel: Wien Blumental–Wampersdorf, die Pottendorfer Linie, wo Einsparungen von knapp 17 Millio­nen Euro veranschlagt sind. Das Projekt wurde schon mehrfach verschoben, und Sie wissen ganz genau, dass genau entlang dieser Linie ein sehr, sehr starkes Wachstum vor allem auch mit Ansiedelungen, mit Schaffung von Wohnraum zu verzeichnen ist und dass nicht nur sehr, sehr viele Pendler über die Süd Autobahn – ich glaube, Sie werden die Einmündung in Guntramsdorf sehr, sehr gut kennen, Herr Minister – an den Tagesrandverbindungen für extreme Herausforderungen sorgen, sondern natürlich auch der Schwerverkehr.

Zweites Beispiel: Bestandsstrecke Süßenbrunn im Norden von Wien. Dort sollen 209 Millionen Euro eingespart werden. Der Plan wäre, die Geschwindigkeit auf der Schiene auf 160 km/h auszuweiten, um bei Süßenbrunn auch Richtung Slowakei eine attraktive Knotenoptimierung zu erreichen.

In weiterer Folge ist auch die Schleife Ebenfurth schon sehr, sehr lange geplant, wird aber immer wieder aufgeschoben, obwohl es eine wichtige Fahrtzeitverkürzung brin­gen würde, müssten die Züge im Bahnhof nicht immer gewendet werden. Auch dieses Projekt soll, so der derzeitige Plan, gestrichen werden.

Oder Nord-Süd-Achse in Niederösterreich, St. Pölten–Krems: Die Elektrifizierung zwischen Herzogenburg und Krems um 21,2 Millionen Euro wird eingespart. Dazu muss ich aber schon auch sagen, wenn von St. Pölten bis Herzogenburg elektrifiziert ist und dann für das kurze Stück zwischen Herzogenburg und Krems wieder auf Diesel umgestellt werden muss, dann hat das nichts mit Effektivität zu tun. Ich glaube auch, dass wir da ambitionierter herangehen müssen, weil, wie wir wissen, durch den mitt­lerweile dreistufigen Ausbau der S 33 parallel dazu – die Straßen wurden inzwischen dreimal verbreitert, inklusive neuer Donauquerung – auch massiv auf den Pkw-Verkehr und nicht auf die Schiene gesetzt wird.

Die Bahn ist die Zukunft, das haben Sie uns auch gesagt, Herr Minister! Ein Sparen dieser Bundesregierung bei der Bahn ist ein Rückschritt. Österreich ist ein Land mit einer wachsenden Bevölkerungszahl, und insbesondere Ballungsräume rund um Wien und rund um die Landeshauptstädte weisen ein sehr, sehr starkes Wachstum auf. Sparen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln, Herr Minister, ist unserer Meinung nach der falsche Weg.

Ich möchte das jetzt nur noch mit einer Zahl unterstreichen – wenn wir diese 2 Milliar­den Euro runterrechnen, bedeutet das auch Folgendes: Die Investitionen in die Eisen­bahninfrastruktur steigern natürlich die Produktivität des Faktors Arbeit und senken die Kosten importierter Vorleistungen. Pro 68 300 Euro, die investiert werden, entsteht ein zusätzlicher Arbeitsplatz natürlich auch woanders, also nicht nur bei den Österreichi­schen Bundesbahnen. Investitionen in die Bahninfrastruktur setzen Nachfrage­im­pulse – das müsste auch der Wirtschaft, der Industriellenvereinigung und vor allem den Betrieben an einer Achse sehr, sehr wichtig sein –, schaffen beziehungsweise sichern – und das ist nicht eine Studie, die ich erfunden habe, sondern das ist die Studie „Der ökonomische Fußabdruck des Systems Bahn“ aus dem Jahr 2014 – somit jährlich 24 000 Arbeitsplätze bis 2020.


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Lieber Herr Minister, ich würde Sie schon bitten, auch darauf zu schauen, dass wir Beschäftigung schaffen, dass wir eine gute Konjunktur nicht dadurch abwürgen, dass am falschen Ort gespart wird, und dafür zu sorgen, dass in die Schieneninfrastruktur, in die Bahninfrastruktur investiert wird, um diese Projekte schneller und rascher voran­zubringen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.31

17.31.26


Vizepräsident Ewald Lindinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesrätinnen und Bundesräte David Stögmüller, Mag.a Eli­sabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung be­treffend „Bekenntnis zum Erhalt und Ausbau der österreichischen Nebenbahnen“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung einer gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Herr Bundesminister, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen.

17.32.28Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir setzen die Verhandlung über Tagesord­nungs­punkt 13 fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Robert Seeber, der seine Ausführungen vor dem Aufruf der Dringlichen Anfrage nicht mehr beenden konnte. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Mayer: Zweite Runde! – Bundesrat Seeber – auf dem Weg zum Redner­pult –: Ja, wie beim Boxen!)


17.32.57

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich) (fortsetzend): Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Nichtraucher meldet sich ein zweites Mal hier vom Podium aus zu Wort (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ), damit man weiß, dass die Gastronomen auch wissen, dass das Rauchen nicht gesund ist. Also darum, glaube ich, geht es nicht. Diese Pause, die wir jetzt aufgrund der Dringlichen genossen haben, war, glaube ich, ganz gut (Bundesrätin Mühlwerth: Eine Abkühlungsphase!), weil zu diesem Thema schon so viel gesagt wurde und so viele Emotionen im Spiel sind. Es geht mir wirklich darum, ein bisschen Sachlichkeit einzubringen, so wie das auch unsere Branche sieht.

Ich habe meine kurze Rede vorhin mit der Feststellung unterbrochen, dass auch be­züg­lich dessen, wie das mit dem Rauchen international gehandelt wird, sehr viele Falsch­meldungen herumgeistern. Ich habe erwähnt, dass in der Schweiz in 20 Kan­tonen das Rauchen in einem Raucherbereich erlaubt ist. Oder: In Deutschland gilt ein generelles Rauchverbot. – Das ist nur in Bayern und in Nordrhein-Westfalen der Fall, in den anderen Bundesländern darf man in Lokalen bis 75 Quadratmeter beziehungs­weise in Ein-Mann-Lokalen rauchen, und in größeren Betrieben gibt es die Möglichkeit, einen Raucherraum zu installieren.

International gibt es, was das Rauchen betrifft, zwölf Länder mit einem generellen Rauchverbot und vier Länder haben sich zu einer Kompromisslösung entschlossen. Das heißt, in Frankreich, in Luxemburg, in Schweden und in Finnland kann man in einem abgetrennten Raum rauchen, allerdings darf in diesem Raum nicht bedient werden. – Das muss mir, einem Gastronomen, einmal jemand erklären, dass das nicht


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polemisch ist! Wie man immer hört, gibt es auf Flughäfen ein Raucherzimmer, in Spitälern gibt es ein Raucherzimmer, wo sich auch Ärzte einfinden und rauchen, das sei ihnen auch unbenommen. Und in Gastronomiebetrieben dürfte es keinen Raum geben, wo man raucht?! Das ist für mich irgendwie nicht nachvollziehbar und eine scheinheilige, heuchlerische Diskussion. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum es mir wirklich geht und womit ich mich voll identifizieren kann – Kollege Krusche hat es ja heute schon einmal erwähnt –, das ist dieser Kampf, dieses Angehen dagegen, dass die Jugendlichen und die Kinder über­haupt zu rauchen anfangen. Wenn wir darüber reden, dann lassen Sie uns wirklich ganz ehrlich über die Problematik Rauchen reden! Um es zu verhindern, muss man ein gesellschaftliches Problem dort anpacken, wo die Wurzeln sind, und diese sind einfach bei den Jugendlichen und bei den Kindern. Im Schulhof wird geraucht, vor der Schule, auf der Straße wird geraucht, wie ich selber auch in Linz immer wieder sehe. Dort muss man mittels Aufklärung durch Ärzte, durch Apotheker ansetzen; ich weiß, im Hintergrund laufen auch schon Gespräche. Das ist der richtige Weg.

Ich ersuche wirklich darum – das bin ich auch unserer Branche schuldig –, nach außen nicht immer den Eindruck zu erzeugen, als ob die Gastronomen schuld daran seien, dass in Österreich geraucht wird. Das kommt immer so heraus und das finde ich ein­fach nicht okay. Ich finde es auch nicht okay – gestatten Sie mir, diesen meinen Ein­druck hier noch einmal zu manifestieren, ich habe mir angehört, welche Vorwürfe im Nationalrat gefallen sind –, ich finde es eigentlich letztklassig, wenn Krankenge­schich­ten hier im Hohen Haus präsentiert werden; so tragisch jeder einzelne Fall auch ist, natürlich ist es bedauerlich, wenn jemand an Lungenkrebs erkrankt! Die Conclusio, meine Damen und Herren, ist immer, dass man für all das das Rauchen verantwortlich macht und so tut, als ob das alles das Problem der Wirte sei. Das möchte ich zurück­weisen, denn es kann nicht sein, dass der Eindruck entsteht, die Gastronomie sei schuld daran, dass Alkohol getrunken wird, dass geraucht wird, dass ein Schweins­braten gegessen wird. Vielleicht sind wir Wirte ja auch noch für das Liebesleben der Österreicher zuständig, ich weiß es nicht. Also dem muss einmal Einhalt geboten werden, das finde ich einfach nicht okay. Der richtige Weg, meine Damen und Herren, ist, die Kinder zu schützen!

Es gibt heute, um bei der Sache zu bleiben, für Gastronomiebetriebe kollektiv­vertrag­liche Regelungen, wodurch auch Lehrlinge entsprechend geschützt sind. Überwiegend dürfen sie nicht in Raucherbereichen eingesetzt werden, und das neue Gesetz weist schon darauf hin, dass es auch möglich ist, die Jugendlichen dort gar nicht mehr zu be­schäftigen. Werdende Mütter dürfen auch jetzt schon nicht in Raucherbereichen arbei­ten. Es wird, wenn das jetzt so umgesetzt wird, wie die Regierungskoalition es vorge­sehen hat, eines der strengsten Jugendschutzgesetze in Europa, was das Rauchen betrifft, und das ist der richtige Weg.

Wahlfreiheit? – Ja, und zwar nicht nur für die Wirte, sondern vor allen Dingen für die Gäste, das muss man auch einmal gesagt haben, meine Damen und Herren! Wir Wirte sind dafür da, den Gästen einen schönen Abend zu bereiten und uns an deren Wün­schen zu orientieren. Das muss ganz klar sein, daher muss man da auch wirklich die Kirche im Dorf lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das neue Regierungsprogramm sieht das vor. Es wurden schon einige Erleichterungen für den Tourismus und das Gastgewerbe erzielt. Der Ansatz, dass wir in Zukunft die Jugend verstärkt schützen und die Wahl­freiheit für die Gäste und auch für die Wirte aufrechterhalten, ist ein gangbarer Weg, wie meine Ausführungen darüber, wie das europaweit geregelt ist, beweisen.


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Ich bitte, bei diesem Thema bei der Sache zu bleiben und Emotionen aus dem Spiel zu lassen, denn auch im Gastgewerbe, liebe Freunde, heißt es: Leben und leben las­sen! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Seeber begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundesministerin Hartinger-Klein die Hand.)

17.39


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Renate Anderl. Ich erteile ihr dieses.


17.39.43

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Vizepräsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich schließe mich meinem Vorredner an, wenn es um die Aufforderung geht, die Emotionen runterzuschrauben, dem kann ich gerne zustimmen.

Ich denke, dass wir hinsichtlich dessen, was wir da diskutieren – das ist heute nicht das erste Mal, das passiert ja schon seit Wochen und Monaten, dass über das soge­nannte Don’t-smoke-Volksbegehren diskutiert wird –, eines nicht tun können: doch fast 600 000 Unterschriften einfach so nicht zu beachten.

Ich sage es aber noch einmal, ich denke, es ist immer die Sache, von welcher Seite man eine Medaille betrachtet, denn wenn man eine Medaille betrachtet, dann sieht man eben unterschiedliche Seiten. Wenn mein Vorredner nämlich sagt, dass der Ju­gend­­schutz jetzt verbessert wird, dann sage ich: Ja, dafür bin ich auch, das halte ich für einen Vorteil innerhalb dieses Gesetzes! Seien wir uns aber doch einmal ehrlich: Der Jugendschutz greift, wenn es darum geht, dass ich in einem Auto, wenn mein 16-jähriger Sohn mitfährt, nicht mehr rauchen darf. – Gut so, das unterstütze ich. Gehe ich aber mit meinem 16-jährigen Sohn in einen sogenannten Raucherbereich, in dem sich 20 Personen aufhalten – und in der Regel rauchen diese 20 Personen natürlich –, dann ist das erlaubt. Das ist ein Widerspruch in sich, und darum geht es in Wirklichkeit.

Wir betrachten es, ich sage es noch einmal (Bundesrat Rösch: Nichtraucherverbot!) – Emotionen unten lassen! –, immer von unterschiedlichen Seiten, und als mein Vor­redner dann gesagt hat, dass die Jugendlichen in diesen Bereichen einfach gar nicht mehr beschäftigt werden, habe ich mich schon gefragt, wie laut dann der Schrei der Gastronomie und des Tourismus ist, wenn wir plötzlich gar keine Facharbeiter und Facharbeiterinnen mehr haben.

Ich denke, das können wir jetzt ewig diskutieren – was ich nicht tun möchte –, ich möchte aber schon eine Frage stellen, und vielleicht hat jemand Antworten für mich. Es wird in dem Zusammenhang, wenn wir vom Rauchen sprechen, immer darüber ge­redet oder es angesprochen – auch seitens unseres Vizekanzlers –, dass es um die Bevormundung der Bürger geht. Sehr geehrte Damen und sehr geehrte Herren, werde ich in meinem Leben nicht ständig bevormundet? (Bundesrat Rösch: Das wollen wir aber nicht! – Bundesrat Preineder: Aber wie viel!) Das ist nämlich die Frage, die wir uns stellen müssen!

Wenn ich heute zum Friseur gehe und dann auf mein Mofa steige, muss ich einen Helm tragen, und ich frage Sie: Wen würde ich schädigen, wenn ich das nicht tue? – Nur mich selbst! Ich greife keine Branche an, wie es heute auch schon gesagt wurde, ich greife nämlich die Gastronomen nicht an – das tue ich absolut nicht! –, ich greife auch nicht die Branche an, wenn es um den Bau geht, wo ich, wenn ich eine Besich­tigung auf einer Baustelle mache, einen Helm aufsetzen muss. Das ist keine Bevor­mundung, da geht es um den Schutz meiner Person. Wenn ich es aber nicht tue, schädige ich damit nur mich selbst. (Bundesrat Rösch: Aber das ist Arbeitsschutz!)


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 140

Ich bin auch dafür, dass es ein vollständiges Alkoholverbot gibt, wenn jemand ein Auto oder ein anderes Fahrzeug lenkt, weil er in dem Zustand natürlich andere Menschen verletzen oder sogar töten kann. Das ist richtig so!

Mir geht es immer darum: Welche Handlung setzt eine Person, mit der sie andere Menschen schädigt? Da ist es doch einfach die Überlegung wert, dass man sagt: Rauchen schädigt ja nicht nur jenen, der selbst raucht – das ist richtig, und ich denke, das brauchen wir hier auch nicht auszuführen, denn ich meine, es gibt niemanden in diesem Raum, der nicht weiß, dass Rauchen schädlich ist; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, denn das wissen alle Anwesenden, und ich sage es noch einmal, wahr­scheinlich ohne Ausnahme –, sondern es geht darum, dass man damit auch andere Menschen schädigt. Es geht dabei wirklich darum, dass Schwangere geschädigt wer­den, wenn sie den Rauch einatmen, was Folgen hat – und ich will jetzt nicht sagen, was alles passieren könnte; auch das ist heute schon zur Genüge gesagt worden.

Ich glaube ganz einfach, dass es Aufgabe der Politik ist – und nicht der Gastronomie, das ist richtig, sondern es ist Aufgabe der Politik –, dafür zu sorgen, dass die Men­schen gesund werden und gesund bleiben.

Sprechen wir vom Jugendschutz! Ich sage es noch einmal, ich bin die Erste, die dafür ist – ich spreche hier, ich sage es offen und ehrlich, als Mutter, als Großmutter, auch als eine Person, die weiß, was Chemotherapie bedeutet –, dass wir uns einfach überlegen, ob es fair ist, auch andere Menschen in das Problem mit hineinzuziehen. Ich verbiete niemandem, dass er raucht – im Gegenteil! –, die Frage ist nur: Wo wird geraucht? (Bundesrat Rösch: Genau!) Das ist mein Ansinnen, wobei ich darum ersuche - - (Bundesrat Rösch: In einem Raucherraum!) – Ja, aber in dem Raucher­raum ist halt der Beschäftigte in dem Lokal. (Zwischenruf des Bundesrates Längle.)

Nicht böse sein, aber in den Raucherraum muss ich auch – Bernhard, es tut mir leid, ich habe viele Beispiele dafür, und der Experte im Ausschuss hat es mir ja auch bestätigt. Das heißt nicht - - (Zwischenruf des Bundesrates Seeber.) Also in Wien habe ich das noch nicht gefunden, aber ich sage es noch einmal: Ich muss durch den Raucherbereich durch, und das gibt es in vielen Lokalen. Es ist nicht im Gesetz festgelegt, dass der Raucherraum so gestaltet sein muss, dass ich als Nichtraucherin nicht dort durchgehen muss. Also ich muss durch. Es steht auch im Gesetz, dass es zumutbar ist – und das sind die Dinge, die wir uns ansehen sollten. (Bundesrat Längle: Du musst ja nicht da hingehen!)

Ja, genau! Danke für den Hinweis: Ich muss ja nicht dort hingehen. Ich möchte hier nur ganz klar und deutlich sagen: Diskriminiert werden nicht die Raucher – es wird immer gesagt, das kommt nicht von mir, die Raucher sind die Diskriminierten –, in Wirklichkeit werden die Nichtraucher diskriminiert! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Alle sind diskriminiert! Die ganze Welt besteht nur aus Diskriminierung!) Ein Raucher kann nämlich in jedes Lokal gehen, indem er einfach sagt: Die ein, zwei Stunden genieße ich jetzt mein tolles Abendessen ohne Zigarette – das tun auch viele Raucher und Raucherinnen, keine Frage –, aber eine NichtraucherIn, die dem Rauch nicht ausgesetzt sein möchte, kann nicht in alle Lokale gehen. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)

Ich meine, ich sage es noch einmal, dass wir uns das in Ruhe anschauen sollten! Ich will das emotional nicht auf die Spitze treiben. (Bundesrat Schuster: Und was ist mit einem Raucher-Kellner, der in einem Nichtraucherbereich arbeiten muss? Der ist auch diskriminiert!)

Was mich schon auch interessiert, ist – das ist heute bereits erwähnt worden –, wie es doch einigen wirklich geht, die beim letzten Mal nicht nur mitgestimmt haben. Das


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 141

kennen wir alle: Koalitionsvereinbarungen, aber ich denke, wenn ich für etwas stehe, dann stehe ich hier und sage es laut und deutlich. Wenn ich mir bei einem Standpunkt nicht sicher wäre, ob das wirklich meine Meinung ist, lieber Edgar, dann würde ich jetzt nicht hier stehen. Du, lieber Edgar, hast beim letzten Mal wortwörtlich Folgendes gesagt (Bundesrat Mayer: Ich stelle mich auch nicht heraus!): „Bundesrat Edgar Mayer“ – darum stehst du heute nicht heraußen (Bundesrat Mayer: ... das mit dem Aschenbecher!) – „wertete ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie - -“ – jetzt lese ich nicht weiter. Du weißt, es endet mit dem „Aschenbecher“. (Bundesrat Mayer: Den die Rendi-Wagner kopiert hat!)

Was mich darüber hinaus interessiert, lieber Edgar, ist, wie es dir jetzt geht, denn in deinem Bundesland, nämlich in Vorarlberg, hat der Ausschuss des Landtages mit den Stimmen der ÖVP und der SPÖ jetzt genau dafür gestimmt, dass das Gesetz, das es gibt, bleibt, nur die FPÖ hat dagegen gestimmt. (Bundesrat Längle: Wir waren auch schon immer dagegen!) Ich gehe jetzt davon aus, da das die Stimmen im Ausschuss waren und es so abgesprochen war – das war gestern –, dass es auch im Landtag diesen Beschluss gibt. Lieber Edgar, ich kann mir vorstellen, es geht einem nicht sehr gut, wenn auch deine Fraktion im Landtag des eigenen Bundeslandes – der Landtag, von dem auch du entsendet worden bist, so wie wir von unserem Landtag – ein an­deres Abstimmungsverhalten an den Tag legt. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Mir geht es darum: Überlegen wir uns wirklich gut, wie wir damit umgehen! Ich will jetzt niemanden hier ans Kreuz nageln – auch dich nicht, lieber Edgar –, aber es geht um die Gesundheit unserer Kinder, und es ist ein Schritt mehr, dafür zu sorgen, dass un­sere Bevölkerung gesund bleibt. Das ist mein Appell. (Bundesrat Mayer: Aber ich möchte am Freitag wieder runter!) – Bitte, ist in Ordnung! Wir treffen uns in Vorarl­berg. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie bei den BundesrätInnen Dziedzic, Reiter und Stögmüller.)

17.47


Vizepräsident Ewald Lindinger: Herr Bundesrat Peter Oberlehner ist zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihm dieses.


17.48.03

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Kollege Robert Seeber hat es schon gesagt: Die Emotion ist zum Glück durch die Pause ein bisschen herausgenommen worden, das hat uns gutgetan. Ich denke trotzdem, dass mein Sager, den ich gerne vorher gesagt hätte, auch jetzt noch passt, nämlich: Ge­stattet mir festzuhalten, dass Politik manchmal schon ein bisschen eigenartig, um nicht zu sagen komisch sein kann und ist. – Das erleben wir halt auch hier gerade. Es werden mir alle recht geben, dass das so ist, aber wahrscheinlich aus verschiedenen Blickwinkeln.

Was meine ich damit? – Ich meine damit, dass wir hier auf relativ intensive Art und Weise über ein Thema streiten, und wir tun das eigentlich wider besseres Wissen, denn wir alle wissen, dass das Thema selbst eigentlich nur eine Folgewirkung einer anderen Geschichte ist. Diese andere Geschichte – das will ich jetzt ganz offen und ehrlich sagen, und ich glaube, es wurde auch gerade angesprochen, dass es in der Politik einfach so sein kann und dass es in verschiedenen Situationen Dinge gibt, hinter denen man persönlich eigentlich gar nicht steht – heißt Regierungsverhandlung. Bei Regierungsverhandlungen – das wissen, denke ich, auch alle, die hier im Raum sind –, ist es einfach so, dass es Wünsche gibt, dass es Forderungen gibt, und man muss sich zusammenraufen, um gemeinsam ein Paket zu schnüren.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 142

Da gab es dann Forderungen sowohl von der ÖVP als auch von der FPÖ, und eine davon betraf das Raucherthema, hinsichtlich dessen man sich zu einer Übereinkunft durchgerungen hat – das war nun einmal eine, wie man so schön sagt, Conditio sine qua non, ohne die es die Regierung nicht gäbe –, und es hat von ÖVP-Seite andere Themen gegeben, bei denen sich die FPÖ massiv bewegen musste, um das möglich zu machen.

Das Neue an dieser Geschichte überhaupt ist vielleicht, dass eben diese Zusam­men­arbeit auf so hohem Niveau ist und dass man dort versucht hat, in gegenseitiger Wertschätzung, in gegenseitigem Verständnis Dinge wahrzunehmen, wo man sagt: Okay, da kann der andere nicht drüber. Wenn wir gemeinsam arbeiten wollen, müssen wir uns da zusammenfinden! – Ich meine, das Besondere an der Regierung ist doch bis jetzt auch, dass es keinen Streit gibt. Also ich finde das hervorragend! Es ist das Schönste überhaupt, dass man das Gefühl hat, hier wird gemeinsam gearbeitet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Das hat nun einmal Gott sei Dank schon bei den Verhand­lungen begonnen, und das ist die Wirkung daraus.

Das sind jetzt nicht nur meine Worte, dieselben hat unser hoch geschätzter und erfolgreicher Bundeskanzler Sebastian Kurz in ähnlicher Form hier an dieser Stelle verwendet. (Zwischenruf der Bundesrätin Posch-Gruska.) Er hat eben auch gesagt, Pragmatismus ist angesagt, und wir müssen dazu stehen, dass es hier Dinge gibt, bei denen nicht jeder nur seine Wünsche hundertprozentig umsetzen und erfüllen kann.

Auch ich bin Nichtraucher – um auch das zu erwähnen –, bestenfalls dann und wann ein Gelegenheitsraucher, aber auch ich bin froh, wenn es in Lokalen keinen Rauch und keinen entsprechenden Gestank gibt, und ich habe mich eigentlich darauf gefreut, dass es ab 1. Mai anders sein wird. Jetzt lebe ich damit, dass es nicht anders sein wird, und halte es ganz mit unserem Landeshauptmann, weil das auch (einige Kopien in die Höhe haltend) in diesem Papier zitiert ist – ich danke dafür, dass ich diese Unterlage noch bekommen habe.

Landeshauptmann Thomas Stelzer, also mein Landeshauptmann in Oberösterreich, hat zum Beispiel gesagt: Ich habe keine Freude mit dem gekippten Rauchverbot, aber ohne diesen Punkt in die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen wäre die Regierung, wie wir sie jetzt haben, eben gescheitert, und jetzt gilt es darum, aus dieser Situation auch noch entsprechend Gutes zu entwickeln und zu machen.

Ich halte es für einen positiven Ansatz, dass es immerhin gelungen ist, nicht nur die Regelung wieder so zu übernehmen, wie sie vorher war und wie sie bis 1. Mai ohnehin gewesen wäre, sondern dass es im Jugendschutz immerhin einige zusätzliche Verbes­serungen gibt. Das ist auf alle Fälle einmal ein Faktum, das man sehr positiv festhalten kann.

Übertrieben finde ich, und das möchte ich auch sagen, dass man jetzt so tut, als ob durch diese Veränderung alle Krankheiten, die durch das Rauchen entstehen, wieder auftreten würden beziehungsweise als ob sie anderenfalls verhindert werden könnten. Ich behaupte, dass es immer Raucher geben wird, auch ich selbst habe in der Jugend entsprechende Erfahrungen gemacht: Bei dem, was verboten war, hat man dann schon ganz genau gewusst, wie man dazu kommt, es wieder zu tun. – Es wird immer Raucher geben und es wird nicht nur davon abhängen, ob man in einem Lokal rauchen darf oder nicht.

Natürlich stimmt es, dass vielleicht die Zahl der Raucher zurückgehen würde, aber ich glaube nicht, dass sich da wirklich sehr intensiv etwas ändern würde, weil letztlich der Mensch selbst entscheidet, ob er Raucher oder Nichtraucher sein will. Er entscheidet


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 143

letztlich auch, in welches Lokal er geht, das hat Robert Seeber schon gesagt. Ob dort geraucht wird oder nicht, das entscheidet auch der Gast dadurch, dass er selbst bestimmt, in welche Lokale er geht.

Eine Bitte habe ich an die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ-Fraktion – die ich wirklich alle sehr, sehr schätze, und ich finde die Zusammenarbeit im Bundesrat einfach hervorragend; es ist eigentlich eine Freude, hier arbeiten zu dürfen, auch wenn ich (in Richtung Bundesrätin Posch-Gruska weisend) Inge zum Beispiel anschaue und daran denke, wie wir als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in vielen Bereichen zusammenarbeiten –: Es wäre schade, wenn wir uns wegen solch einem Thema jetzt sozusagen so in die Haare kriegen, dass wir uns nicht mehr in die Augen schauen können, obwohl das Thema von ganz woanders herkommt.

Wenn ihr jetzt Anträge stellt und uns sagt: Da müsstet ihr doch auch mitstimmen, denn ihr habt ja vor einem Jahr oder zwei Jahren dagegen gestimmt!, dann wisst ihr selbst genau, dass ihr uns überfordert. Das ist einfach nicht realistisch! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Pfister – mit den Händen eine Balkenwaage imitierend –: Ja oder nein?)

Das würde umgekehrt auch nicht funktionieren, und daher kann ich euch jetzt schon sagen, wir werden diese Anträge nicht mitbeschließen. (Bundesrat Weber: Ich will, aber ich traue mich nicht!) – Nein, nicht: „Ich traue mich nicht!“, sondern wir stehen zu unserer Regierung. Wir unterstützen unsere Regierung bei diesem sehr emotionalen Thema (Bundesrat Weber: Aber was habt ihr denn da für eine Regierung?) und sagen eben, es gibt Dinge, die wichtiger sind als die vielleicht momentane Diskussion über das Rauchen. Da glaube ich tatsächlich, dass es für uns keine Frage ist, dass wir unsere Regierung unterstützen werden – übrigens auch mit Rückhalt unserer Lan­deshauptleute. Es stimmt also nicht, dass die Landeshauptleute dagegen wären, son­dern die sehen das alle genauso. Ich habe Thomas Stelzer zitiert, wie er das sieht und auch gesagt hat.

Daher denke ich mir – das ist jetzt kein Geheimnis, sondern eine ehrliche Antwort an euch –, wir werden als Fraktion hier selbstverständlich der Regierung den Rücken stärken. Wir werden den Nationalratsbeschluss mittragen und hier beschließen und logischerweise eure Anträge ablehnen.

Ich denke aber – das ist vielleicht auch ein Satz, den wir nicht ganz vergessen sollten –, wir in Österreich können uns auch ein wenig glücklich schätzen, wenn wir so ein The­ma dermaßen hochstilisieren können. Ich denke, es gibt Länder, die solch ein Thema nicht zu so einem Problem machen könnten, weil sie ganz andere Sorgen und Prob­leme haben. Das ist vielleicht auch positiv mitzunehmen: Es geht uns schon gut in Österreich, dass wir das in dieser Form diskutieren können.

In diesem Sinne würde ich vorschlagen: Warten wir ab, wie es nach dem Volks­begeh­ren weitergeht! Natürlich wird man 600 000 Unterschriften nicht negieren, natürlich wird es da Gespräche geben. Es wird im Nationalrat behandelt werden, und was auch immer sich dann noch daraus entwickelt, das warten wir ab. Ich denke, da ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.

In diesem Sinne halte ich fest, dass wir den Beschluss des Nationalrates selbst­ver­ständlich mittragen werden, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.55


Vizepräsident Ewald Lindinger: Eine weitere Wortmeldung liegt von Frau Bundes­minister Hartinger-Klein vor. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 144

17.55.23

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, dass Rauchen ungesund ist, bestreitet niemand.

Ich habe mich sehr lange mit Verhaltensänderung, Verhaltensforschung beschäftigt (Ruf bei der SPÖ: Mit der eigenen auch?), und natürlich ist das Rauchen eine Sucht. Es ist eine Suchterkrankung, die das Belohnungssystem im Gehirn anspricht, und deshalb ist es auch so schwierig für die Raucher, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich habe es selbst nie erlebt, ich habe nie angefangen mit dem Rauchen, aber ich habe mir das von vielen erzählen lassen.

Nur eines ist in der Verhaltensforschung klar: Verbote bringen es nicht. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Man muss bei der Jugend anfangen; die dürfen gar nicht anfangen mit dem Rauchen. Das muss unser Ziel sein. Das hat die Regierung festgelegt, und darauf bin ich stolz. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.56

17.56.21


Vizepräsident Ewald Lindinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begrün­dung Einspruch zu erheben.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich; „Ja“ bedeutet Ein­spruch, „Nein“ bedeutet kein Einspruch. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesrätinnen und Bun­desräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Hackl geben die BundesrätInnen ihr Stimm­verhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsident Ewald Lindinger|: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 145

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 18.03 Uhr unterbrochen und um 18.06 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Vizepräsident Ewald Lindinger: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, bei 53 abgegebenen Stimmen 21 „Ja“-Stimmen und 32 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag auf Erhebung eines Einspruches ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Anderl;

Dziedzic;

Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Koller;

Lindinger, Lindner;

Novak;

Pfister, Posch-Gruska, Prischl;

Reiter;

Schabhüttl, Schennach, Stögmüller;

Todt;

Wanner, Weber;

Zaggl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Bader, Bernard, Brunner;

Ecker, Eder-Gitschthaler;

Forstner;

Hackl, Hammerl;

Kern, Köck, Krusche;

Längle;

Mayer, Mühlwerth;

Oberlehner;

Pfurtscheller, Pisec, Preineder;

Raggl, Raml, Rösch;


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 146

Samt, Schererbauer, Schulz, Schuster, Seeber, Spanring, Sperl, Steiner;

Tiefnig;

Wagner;

Zwazl.

*****


Präsident Reinhard Todt (den Vorsitz übernehmend): Wir gelangen daher zur Abstim­mung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Es liegt mir auch hiezu ein Verlangen auf namentliche Abstimmung vor.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ – kein Ein­spruch – oder „Nein“ – Einspruch. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Hackl geben die BundesrätInnen ihr Stimm­verhalten mündlich bekannt.)

*****


Präsident Reinhard Todt: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 18.12 Uhr unterbrochen und um 18.13 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Reinhard Todt: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, bei 53 abgegebenen Stimmen 32 „Ja“-Stimmen und 21 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Bader, Bernard, Brunner;

Ecker, Eder-Gitschthaler;


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 147

Forstner;

Hackl, Hammerl;

Kern, Köck, Krusche;

Längle;

Mayer, Mühlwerth;

Oberlehner;

Pfurtscheller, Pisec, Preineder;

Raggl, Raml, Rösch;

Samt, Schererbauer, Schulz, Schuster, Seeber, Spanring, Sperl, Steiner;

Tiefnig;

Wagner;

Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Anderl;

Dziedzic;

Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Koller;

Lindinger, Lindner;

Novak;

Pfister, Posch-Gruska, Prischl;

Reiter;

Schabhüttl, Schennach, Stögmüller;

Todt;

Wanner, Weber;

Zaggl.

*****

18.13.3614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. März 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (25 d.B. und 43 d.B. sowie 9944/BR d.B.)


Präsident Reinhard Todt: Nunmehr gelangen wir zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich bitte um den Bericht.


18.14.00

Berichterstatterin Rosa Ecker: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 22. März


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 148

2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungs­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher zur Antragstellung kom­men.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Reinhard Todt: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat René Pfister. Ich erteile ihm dieses.


18.14.42

Bundesrat René Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorlage, die unter diesem Tagesord­nungspunkt heute zur Beschlussfassung vorliegt, geht es darum, dass die Einkom­mensstaffeln für die Leistung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung angehoben werden.

Wenn man das aus sozialpolitischer Sicht betrachtet, dann sieht das beim ersten Hinschauen natürlich durchaus positiv aus. Wenn man aber in die Tiefe geht und die Maßnahmen näher betrachtet und ein bisschen hinterfragt, dann kommt man auf einige Punkte drauf, die man vielleicht vorher nicht so im Detail berücksichtigt hat bezie­hungsweise die wir nicht sehr begrüßen.

Erstens: Genau mit dieser Anhebung kommt es auch dazu, dass unserem Arbeitsmarkt 140 Millionen Euro entzogen werden. Das heißt, Mittel, die wir für aktive Arbeits­marktpolitik brauchen, werden da nicht generiert. Diesbezüglich waren wir natürlich bereit, in Gespräche einzutreten, und in der Vergangenheit war das auch üblich, dass man alle Parteien eingeladen und auch entsprechende Refinanzierungen bezie­hungs­weise Ausfallhaftungen vorbereitet hat.

Das Zweite, das wir kritisieren, ist, dass nicht nur die 140 Millionen Euro an Einnahmen entgehen, sondern dass der Herr Finanzminister über die Hintertür, über Umwege, durch die Lohnsteuer, die dann auch fällig wird, wieder 50 Millionen Euro zurückholt. Man muss ganz klar sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, ihr schadet hier eurer eigenen Ministerin. Der Finanzminister holt sich das Geld, nämlich genau 50 Millionen Euro in der Berechnung, die hier liegt, wieder zurück, und das ist jenes Geld, das der Sozialministerin abhandenkommt und das sie nicht zur Verfügung hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Mach dir einfach um uns keine Sorgen!)

Das – ich habe es auch schon im Ausschuss gesagt – schwächt auch das Ministerium und vor allem eure Ministerin massiv, und sie hat dort keinen Handlungsspielraum und keine Möglichkeiten. Wenn wir uns die Nettoentlastung dabei anschauen, dann sieht man, dass das sage und schreibe 10,42 Euro monatlich sind, das sind im Jahr 122 Euro. Das, liebe Frau Ministerin, wird die Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in die rosige Zukunft, die da fabriziert wird, katapultieren, das wird die finanziellen Verhältnisse der Betroffenen natürlich auch wenig bis gar nicht ändern.

Aus unserer Sicht und vor allem aus meiner Sicht ist die Entlastung, wie Sie sie da formulieren, korrekt. Man muss aber auch aus dem Budget Gegenfinanzierungen vor­nehmen, die gibt es aber einfach nicht. Was kommt dabei heraus? – Dass jene Men­schen, die dringend Hilfe brauchen, nämlich jene, die arbeitslos sind, die krank sind,


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 149

die Schwierigkeiten haben, aus der Arbeitslosigkeit rauszukommen, keine Chance haben.

Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, Gott sei Dank, aufgrund der guten Konjunktur, die nicht die türkis-blaue Bundesregierung zu verantworten hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Roten aber auch nicht!) Die positive Konjunktur spielt Ihnen da nachweislich in die Hände, das wissen Sie. Die Arbeitslosigkeit ist Gott sei Dank zu­rück­gegangen. Allerdings lohnt es sich auch da, sehr genau hinzuschauen. Bei behinderten Menschen, bei Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, bei Langzeitarbeitslosen über 50, Stichwort Streichung der Aktion 20 000 (Bundesrat Rösch: Gott sei Dank!), hat es keine Verbesserung gegeben – genau bei dieser Personengruppe, und das ist, meiner Meinung nach, unwürdig. Es ist wichtig, dass man Langzeitarbeitslosen eine Perspektive gibt. Es ist unwürdig, wenn Arbeitslose nicht wissen, wie es weitergeht, und es ist auch unwürdig, wenn man Arbeitslosen erklärt, länger arbeiten zu müssen.

Vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung in ihrem Regierungs­übereinkom­men angekündigten und mittlerweile bereits in Teilen bekannt gewordenen Einspa­rungspolitik befürchte ich in der Folge deutliche Kürzungen im Budget für Arbeits­markt­politik und damit einhergehend Einschnitte entweder im Leistungsrecht der Arbeitslo­sen­versicherung oder bei den finanziellen Grundlagen für die Arbeitsmarktförderungs­maßnahmen inklusive Aus- und Weiterbildung, die wir bei Arbeitsuchenden unbedingt brauchen – darauf weise ich auch die Unternehmer hin, die daran auch ein Interesse haben, weil immer wieder die Diskussion geführt wird, dass man den großen Fach­kräftemangel beklagt.

Ich glaube, dass wir in Zeiten wie diesen auch die Möglichkeit haben, in Aus- und Weiterbildung zu investieren. Wenn ich höre, dass es Projekte gibt, die der Infra­strukturminister auf den Weg bringt, dass es die Konjunktur gibt, die positiv wirkt, dann sollten wir genau da auch schauen, dass wir mit diesem Zug, mit diesem Dampfer mitfahren können.

Insgesamt, wenn man alles zusammenzählt, werden laut den Berechnungen dem Bund dadurch Einnahmen von rund 500 Millionen Euro entzogen; durch die Reduktion der Arbeitslosenversicherungsbeiträge sind es – ich habe es Ihnen schon gesagt – 140 Millionen Euro. Die monatliche Nettoentlastung reicht von 10 Euro bis – im obersten Einkommensbereich – 26,94, also knapp 27 Euro.

Liebe Frau Ministerin, ich warne Sie auch vor dem, was die Umsetzung dessen be­deutet, was Sie im Regierungsübereinkommen auf Seite 144 geschrieben haben, nämlich dass man den Entfall und die Streichung der Valorisierung der Arbeits­losen­versicherung andenkt. Das steht auf Seite 144. Auch dazu gibt es bereits errechnete Zahlen. Wenn diese Valorisierung nicht stattfindet, dann bedeutet das nämlich für den unteren Einkommensbereich bereits nach zwei Jahren, dass das Ganze, was Sie als Wahlzuckerl versprochen haben oder jetzt verteilen, über die Hintertür den Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern wieder aus der Tasche gezogen wird. (Bundesrätin Mühlwerth: So wie das die SPÖ immer gemacht hat!) Das ist, glaube ich, nicht das, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdient haben.

Mit einer Beibehaltung dieses § 2 im Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz wäre wenigstens die durch den Bund vorzunehmende Abdeckung der Einnahmenausfälle bei der Arbeitslosenversicherung aufgrund gänzlicher beziehungsweise teilweiser Beitragsbefreiung außer Streit gestellt.

Liebe Frau Ministerin! Wenn man sich heute die Medien anschaut, dann kommt man, glaube ich, zu dem Schluss, dass meine Befürchtungen, was diesen Bereich betrifft, sehr, sehr begründet sind, weil Sie zuerst antreten und die AUVA auffordern, bis Ende


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2018 ein Konzept vorzulegen, wie man dort Einsparungen oder Effektivität bewirken wird, und ihr dann bereits am 5. April erklären, dass Sie sie sowieso auflösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem von der Wirtschaft! Wie geht es euch damit, dass die Sozialministerin sich zuerst hinstellt und ankündigt, wir warten zwölf Monate oder wir geben ihnen die Chance, etwas vorzulegen, und dann nach drei Monaten kommt und beinhart sagt: Dann bleibt mir nur noch die Auflösung!?

Liebe Frau Ministerin! Es gibt Unternehmen, die unter 50 Personen beschäftigen, und es wird von Ihnen nirgends kommuniziert, was das am Ende des Tages für sie be­deutet, wenn es um die Unterstützung bei der Prävention und um die Sicherheit geht. Steigt dann die Zahl der Arbeitsunfälle wieder? Gibt es dann wieder mehr Verletzte? Wer trägt diese Kosten?

Liebe Frau Ministerin, ich warne Sie wirklich davor, hier Schnellschüsse zu machen, wenn es um 3,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, die damit wirklich vor den Kopf gestoßen werden. Daher wundert es mich – nicht nur den Ärztekam­merpräsidenten –, dass hier alle sitzen, nicht nur in den Reihen der ÖVP, sondern auch in den Reihen der FPÖ, und dazu noch applaudieren; dass die Interes­senver­treter der Arbeitnehmer, wie sie alle hier sitzen – Bernhard Rösch, Edgar Mayer –, auch mitapplaudieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie geht es euch dabei, wenn man dort einfach bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Sparstift ansetzt?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich in den Spiegel schauen (Bundesrat Rösch: Der Spiegel der Medusa!) und ich weiß auch, wenn ich mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun habe, worum es da geht; nicht nur, wenn ich in einem kleinen Betrieb mit unter 50 Beschäftigten bin, sondern auch wenn ich in Großbe­trieben bin: Um präventiv gegen psychische und physische Belastung am Arbeitsplatz vorzugehen, dafür hat die AUVA die Experten! Die Frau Ministerin aber streicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann ja nicht sein, dass das die Politik ist, die die türkis-blaue Bundesregierung versprochen hat. Dieses Gesetz, die Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, und in weiterer Folge auch die Vorgangs­weise hinsichtlich AUVA ist nicht das, was Sie den Menschen versprochen haben, liebe Frau Ministerin und liebe Bundesregierung, denn Sie haben den Arbeit­neh­merin­nen und Arbeitnehmern eine umfassende Entlastung der unteren Einkom­mensbezieher und vor allem auch eine Kaufkraftstärkung versprochen. Das ist mit diesen Dingen, wenn man es sich genau anschaut und nicht nur die Überschriften liest, nicht gegeben, und daher werden wir das nicht unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.24


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile ihm das Wort.


18.24.42

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): So wie der Schelm denkt, so ist er. (Bundesrat Pfister: Aha?) Jetzt ist mir auch klar, warum in der letzten Regierungs­periode manches so ausgefallen ist, wie es passiert ist. Diese Fantasie, die du da entwickelt hast, die zeigt ja in Wirklichkeit, dass es irgendeine Ursache geben muss und dass es dazu schon Praktiken gibt. Wenn du, weil mit der AUVA und mit dem Management dort verhandelt wird, gleich über deren Auflösung und über alles Mögliche nachdenkst, dann, muss ich sagen, geht deine Fantasie sehr weit. Aber ja, im digitalen Zeitalter (Bundesrat Weber: Heutige „Presse“-Meldung! – Bundesrat Pfister: Der Obmann, der Herr Ofner, ist ein ÖVPler, und er sagt das! Lesen! Lesen!) – jaja – muss natürlich auch eine Verhandlung möglich sein.


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Dass es bei Arbeitsunfällen ganz sicher auch weiterhin einen Schutz geben wird, das brauchen wir uns nicht einmal anzuschauen, das ist so sicher wie das Amen im Gebet. Das weißt auch du, aber du redest wider besseres Wissen ganz einfach etwas ande­res. Vielleicht übst du gerade Opposition. Es gelingt dir aber noch nicht, denn du hast dir auch widersprochen, als du gesagt hast, der Finanzminister kann bei den unteren Einkommen – also praktisch dort, wo keine Steuern gezahlt werden – große Steuermengen einnehmen. Das zeigst du mir! Das wäre der erste Finanzminister, der von denen, die nichts haben, große Steuermengen einnehmen kann.

Gott sei Dank trifft diese Maßnahme – und, Frau Minister, das halte ich für einen ganz tollen Wurf, denn da sieht man auch, dass es genau die trifft, die das Geld brauchen: 140 Millionen Euro, 900 000 betrifft es – genau die Einkommensschwachen. Das ist zielgenau. Das ist genau dorthin gerichtet. (Zwischenruf des Bundesrates Pfister, der ein Schriftstück der Arbeiterkammer in die Höhe hält.) – Ich sehe das auf diese Entfernung nicht. Ich bin kurz- und weitsichtig, aber das schaffe ich nicht. (Bundesrat Pfister: Ja, das ist das Problem: Du kannst es nicht lesen, weil du es nicht lesen willst!) Es ist das meiste Unsinn. Man kann sich noch so sehr anstrengen und dann irgendwie versuchen, das anders hinzustellen – Fakten sind das, was in Wirklichkeit auf dem Tisch liegt und dann bewertet werden kann. (Bundesrat Pfister: Ja, das sind Fakten!)

Ich kann nur sagen, diese Bewertung geht auf: 140 Millionen Euro, die praktisch denen, die sie wirklich brauchen, entgegenkommen. Ihr habt das auch schon mit der Entlastung der Familien mit Kindern gezeigt: Da trifft es auch wieder genau diejenigen, die überlegen, ob sie sich überhaupt einen Urlaub leisten können oder nicht. (Bun­desrat Pfister: Das sind 10 Euro im Monat!) Da ist jeder Hunderter wichtig (Bundesrat Pfister: 10 Euro!), damit man dann vielleicht die Entscheidung treffen kann, privat doch das eine oder andere zu machen. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Es sind nicht mehr als 10 Euro!) Ich weiß, dass Sie das stört. Du bist in einer Einkommens­klasse, wo du nicht mitfühlen kannst. Ich kenne viele, die wirklich darauf angewiesen sind und die glücklich sind darüber, dass solche Maßnahmen gesetzt worden sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das sind dort im Durchschnitt 311 Euro im Jahr. Das scheint dir ganz einfach zu wenig zu sein, oder das ist vielleicht für dich nichts oder sonst irgendetwas, aber das ist für die Betroffenen ganz wichtig, und vor allem: In dieser Masse geht es auch in die Kaufneigung hinein. Und ja, wenn die Menschen dann etwas kaufen, wenn sie dieses Geld ausgeben, dann hat der Finanzminister etwas: Er hat natürlich 20 Prozent Umsatzsteuer, und wenn eine Firma einen Gewinn macht, dann kann er auch von dem Gewinn Steuern einnehmen. Damit wird aber auch wieder etwas angeschubst, was wir ja haben wollen, nämlich die Inlandsnachfrage. Das ist euch völlig fremd. Mit zentral­wirtschaftlichen Vorstellungen kannst du natürlich in einer makroökonomisch ordent­lichen Wirtschaft ins Schleudern kommen. Hier ist es ganz einfach so, dass Impulse gesetzt werden, dass der Inlandsmarkt damit ebenfalls bedient wird. (Bundesrat Pfister: ... 10 Euro monatlich! ... 300 Euro?!)

Ich habe es euch schon gesagt, weil ihr hier immer die Wunderwuzzis seid und euch herausstellt wie die Moralapostel, und ich kann es euch nur noch einmal sagen: Die KV-Löhne sind keine Istlöhne. (Zwischenruf des Bundesrates Pfister.) Wir haben es wieder öfters gesehen, dass die alten Formeln nicht mehr gelten. (Zwischenruf der Bun­desrätin Anderl.) – Ja, du solltest als nächste Arbeiterkammerpräsidentin der Gewerkschaft in Wirklichkeit in manchen Bereichen sogar die Verhandlungen wegneh­men. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Anderl.)

Ja, es ist einfach so. Unser Inlandsmarkt wird dadurch beeinflusst, und es müssen da sehr viele Maßnahmen gesetzt werden, wie etwa auch die 1 500 Euro. Da muss die


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Regierung einschreiten, weil eine Gewerkschaft mit der SPÖ ganz einfach nicht weiterkommt, weil wir dort überall Kaufkraftverluste haben (Bundesrat Pfister: Dann erklär den Unterschied zwischen Istlohn und KV-Lohn!), weil Produktivitätssteige­run­gen, die wir durch die Digitalisierung haben, nicht mehr abgegolten werden. Ihr seid einfach schwach! Ihr versagt überall, nicht nur in der Regierung! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Pfister: Erklär einmal den Unterschied! Du kannst den Unterschied nicht erklären, weil du ihn nicht weißt!)

Ich kann euch aber etwas sagen: Wenn wir zurückschauen auf die letzte Regierung – da warst du auch schon drinnen –, dann denke ich noch zurück an die Elternteilzeit, die da eingeführt wurde, und ich denke an den Mehrstundenzuschlag für die Teilzeit­arbeitenden, für die Frauen, für die, die meistens Teilzeit arbeiten und manchmal auch dazu angehalten werden, Mehrstunden zu leisten. Die 25 Prozent sind über eine Initiative von uns gekommen! (Heiterkeit des Bundesrates Pfister. – Zwischenruf der Bundesrätin Anderl.)

Dann das Kindergeld: Da habt ihr Jörg Haider damals noch geschimpft und habt ge­sagt, das geht gar nicht, und, und, und. (Bundesrätin Anderl: ...! Das ist ein Wah­nsinn!) – Ihr könnt sagen, das ist Wahnsinn. (Bundesrat Pfister: Wenn du nicht einmal den Unterschied zwischen Istlohn und KV-Lohn kennst und immer Blödsinn redest! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber „Blödsinn“ ist jetzt schon einen Ordnungsruf wert! – Bundesrat Samt: „Blödsinn“? Herr Präsident!) Ich kann es euch beweisen: Ihr stellt euch das nächste Mal hier heraus und glaubt wieder, dass das auf eurem Mist gewachsen ist – das ist so nicht; ich bringe euch die Anträge. Die Abfertigung Neu, daran kann ich mich auch noch gut erinnern, ist auch aus der Feder der Regierung Blau-Schwarz/Schwarz-Blau gekommen. Und das, muss ich ganz ehrlich sagen, waren die sozialpolitischen Meilensteine der letzten Jahrzehnte!

Wo war denn da die SPÖ, die sich hier herstellt und sagt, das bringt alles nichts? Wirk­lich, das ist zum Ärgern: Da gibt es viele, die für jeden Hunderter, den sie bekommen, dankbar sind, und glücklich sind, dass ihnen das zurückgegeben wird, weil ganz einfach bei den Löhnen gespart wird oder bei den Verhandlungen gespart wird, und dann kann man sich so etwas anhören. (Bundesrat Schabhüttl: Und wer spart?) – Nein, so wird das sicher nicht sein.

Frau Sozialminister, weiter so! Das sind sehr, sehr gute Maßnahmen. Es sind in diesem Paket auch noch andere Maßnahmen, über die man lesen konnte. Viel Erfolg dabei! (Bundesministerin Hartinger-Klein: Danke!) Österreich wird es brauchen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.31


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. – Bitte.


18.32.02

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, die Novelle rund um die Arbeitslosenversicherung ist, und das glaube ich auch wirklich, gut ge­meint, aber meiner Meinung nach und unserer Meinung nach falsch umgesetzt, und sie strotzt von Problemen, die in Zukunft auf die Arbeitslosenversicherung herein­pras­seln werden.

Ich fange auch gerne mit dem größten Einwand an, das ist das fehlende Geld für die Arbeitsmarktpolitik in Österreich. Die Arbeiterkammer rechnet mit knapp 500 Millionen Euro weniger für die Versicherungen: 500 Millionen Euro weniger für aktive Arbeits­markt­politik, weniger Geld im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Gerade jetzt aber


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bräuchten wir dieses Geld für die Gruppen der Langzeitarbeitslosen, der behinderten Menschen oder der Arbeitslosen 50 plus, die wir wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern wollen.

Ich weiß sehr wohl, dass Sie auch mit Geldern aus den zusätzlichen Rückflüssen aufgrund der erhöhten lohnsteuerrechtlichen Bemessungsbasis der Betroffenen oder auf zusätzliche Mittel durch erhöhte Umsatzsteuereinnahmen rechnen – aber die fließen doch nicht in die Versicherung! Darüber freut sich vielleicht der Finanzminister, aber nicht die Versicherung beziehungsweise die Arbeitslosenversicherung. Und eines muss man auch beachten: Das Budget der Arbeitslosenversicherung hat bereits ein Defizit von über 1,5 Milliarden Euro, und das wird jetzt noch einmal massiv angegriffen.

Ich möchte natürlich auch etwas Positives dazu sagen. Ich glaube auch, und darüber sind sich ja alle Parteien hier einig, dass es eine Entlastung des Faktors Arbeit braucht, aus Sicht von uns Grünen ganz besonders bei jenen Menschen, die wenig verdienen und dennoch jeden Tag ihre Lebenszeit für die Wirtschaft oder die Industrie aufwen­den. Gerade diese ArbeitnehmerInnen und Angestellten sind es, die es sich wirklich ver­dienen würden, dass sie mehr Geld zum Leben haben. Das Gesetz entlastet aber nicht mehr nur die, die wenig verdienen, sondern auch Arbeiterinnen und Arbeiter, die über dem Bruttomedianeinkommen der unselbständig Erwerbstätigen liegen, also mehr als 27 000 Euro Bruttoeinkommen haben. Auch da vermisse ich, Frau Ministerin, die soziale Ausgewogenheit dieser Maßnahme. Auch wenn es gut gemeint ist, aber die Niedrigverdiener gehören meiner Meinung nach mehr entlastet als die, die eh schon über dem Bruttomedianeinkommen liegen.

Die Maßnahme bringt auch dadurch ein wesentliches Problem mit sich, dass vor allem Teilzeitbeschäftigte von der Beitragssenkung profitieren werden. Wir alle wissen, dass Teilzeitbeschäftigung für die Betroffenen – meist Frauen – massive Probleme im Alter mit sich bringt – dazu braucht man sich nur den letzten Sozialbericht aus Ihrem Res­sort durchzulesen –, und wenn Teilzeit wieder attraktiver wird, werden gerade Frauen auf eine Ausweitung der Arbeitszeit verzichten, weil es sich schlicht und einfach nicht lohnt. Das führt zu niedrigen Pensionsbeiträgen und letztlich zu niedrigen Pensionen und zu Altersarmut.

Abschließend möchte ich noch auf den massiven Verwaltungsaufwand für die Lohn­verrechnung eingehen. Dazu hat die Wirtschaftskammerpräsidentin sicher auch etwas zu berichten, denn ich habe das aus der Stellungnahme der Wirtschaftskammer, die auch eine sehr kritische Stellungnahme zu dieser Maßnahme abgegeben hat. Vielleicht gehen Sie darauf ein – ich kann sie auch gerne heraussuchen, wenn Sie das vorlesen wollen. (Bundesrätin Zwazl: Du brauchst mich jetzt nicht per Sie anreden!) – Entschul­digung, ich bin es schon so gewohnt. – In der Stellungnahme der Wirtschafts­kammer ebenso wie auch in der Stellungnahme des Hauptverbandes der Sozial­versicherungs­träger wird das vorgesehene unterjährige Inkrafttreten der Maßnahme massiv kritisiert, auch insofern, als es dadurch einen erheblichen Programmieraufwand gibt. – Aber klar: Bevor man sinnvolle, sozial treffsichere Maßnahmen, deren Kosten auch entsprechend abgedeckt sind, in der wichtigen Arbeitsmarktpolitik macht, macht man lieber Schlag­zeilenpolitik, deren Auswirkungen wir dann im nächsten Jahr massiv spüren werden.

Schade, Frau Ministerin! Ich glaube wirklich, hinsichtlich der Entlastung des Faktors Arbeit könnte man sinnvollere Maßnahmen mit gezielter Wirkung setzen, wobei auch eine Abschätzung zu erfolgen hätte, wie die finanziellen Auswirkungen dieser Maß­nahme zu bedecken sind. Sie hätten sich die zahlreichen kritischen Stellungnahmen wirklich zu Herzen nehmen sollen, aber wie wir ja auch von anderen Paketen, die gerade in Vorbereitung sind, wissen, hält diese Regierung nichts von Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen abgeben – im Zusammenhang mit dem Datenschutz­paket soll ich das anmerken.


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Von unserer Seite wird es heute zu diesem Gesetz keine Zustimmung geben. – Danke schön.

18.36


Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile es ihr.


18.36.38

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! David, du hast vollkommen recht, als Unternehmerin bin ich überhaupt immer dagegen, wenn wir mehr Bürokratieaufwand haben oder wenn wir ganz einfach Umstellungen machen müssen. Trotzdem sage ich dir, es ist schon ein sehr großer Vorteil des vorliegenden Gesetzes, dass der Arbeits­losenversicherungsbeitrag gesenkt wird, weil das gerade für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Vorteil bringt, und gerade für die, die wenig verdienen. Deshalb machen wir es, zwar nicht ganz gern, aber wir machen es, und wir finden es sehr sinnvoll, weil es für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Entlastung bringt.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen und in der Debatte zu diesem Gesetz auf die aktuelle Diskussion zum Arbeitsmarktservice eingehen. Ich denke, es war keineswegs eine grundsätzliche Kritik unserer Regierungsspitze am AMS, wir dürfen aber nicht die Augen vor den Entwicklungen, denen wir gegenüberstehen, verschließen. Und in den meisten Fällen liegt es am Gesetzgeber, dem AMS den richtigen Gestaltungsspielraum zu geben. Ich denke da an die von Ihnen aufgeworfene Frage, Frau Bundesminister, ob das AMS wirklich die richtige Einrichtung ist, um generell Integrationsarbeit zu leisten. Aus meiner Sicht ist das AMS für die Integration in den Arbeitsmarkt zuständig, aber sicher nicht für die generelle Integration in unsere Gesellschaft.

Da denke ich zum Beispiel an unser Bildungssystem. Überall, wo wir bei der Bildung ansetzen, sichern wir Arbeit. Mir hat unser junger designierter Geschäftsführer des AMS Niederösterreich ein sehr prägnantes Beispiel gesagt. Er hat gesagt, einem 20-Jährigen, der maximal einen Pflichtschulabschluss hat, kann man sozusagen eine durch­schnittliche Arbeitslosigkeit von zwölf Jahren in seinem Erwerbsleben voraus­sagen, das kostet uns 147 000 Euro. Eine solide Ausbildung hingegen spart durch­schnittlich acht Jahre Arbeitslosigkeit und fast 90 000 Euro Leistungsbezug.

Bei uns in Niederösterreich wird die überregionale Vermittlung ausgebaut, um den Fach­kräftemangel dort zu decken, wo er ganz einfach anfällt. In der aktuellen Konjunk­tursituation ist der Fachkräftemangel nämlich das größte Wachstumshindernis für unsere Wirtschaft. Für uns in der Wirtschaft, aber auch für die Bevölkerung wird es im­mer unverständlicher, dass wir in vielen Regionen gut bezahlte freie Stellen haben, die nicht besetzt werden können. Ich nenne euch eine beeindruckende Zahl aus Nieder­österreich: Die Arbeitskräftenachfrage stieg in Niederösterreich in den letzten Jahren überproportional stark an. Im Vergleich zu 2014 stieg die Anzahl offener Stellen in Niederösterreich um knapp 22 000, das sind 38,3 Prozent.

Wir haben aber in anderen Regionen gleichzeitig eine nach wie vor hohe Arbeits­losigkeit. Es gilt schon, das Angebot und die Nachfrage besser zusammenzuführen, da muss man halt notfalls auch ein bisschen Druck machen. Wenn ich mir die moderne Angebotspalette des AMS ansehe, so muss ich sagen, es liegt sicher nicht an den För­derinstrumenten, wir haben unzählige Angebote zur Beschäftigungsförderung, wich­tige Maßnahmen für das Krisenmanagement und hervorragende Qualifizierungs­angebote. Ich spreche hier natürlich nur für mein Bundesland. Bei uns wird rasch auf die Bedürf­nisse der Wirtschaft eingegangen.


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Es ist klar, überall dort, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, aber ich bin über­zeugt, dass die rund 6 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AMS ihr Bestes für unseren Arbeitsmarkt geben. Es wird natürlich auch im AMS, so wie überall, Verbes­serungspotenziale geben. Wenn es jedoch um Fragen der Integration und des Sozial­missbrauchs geht, werden wir ganz einfach neue Sanktions- und Gestaltungsmöglich­keiten benötigen und gleichzeitig die Frage der Zuständigkeit beurteilen müssen, und das ist die Aufgabe des Gesetzgebers. – In diesem Sinne sehe ich den zukünftigen Diskussionen mit Interesse entgegen.

Arbeitsmarktpolitik ist kein Selbstzweck, sondern ist zutiefst Wirtschaftspolitik. Nur die Ausrichtung an der jeweiligen Wirtschaft wird auch unseren Erfolg fördern. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.41

18.41.37*****


Präsident Reinhard Todt: Bevor ich eine weitere Rednerin aufrufe, erteile ich Herrn Bundesrat Pfister für den Zwischenruf „Blödsinn“ einen Ordnungsruf. (Bundesrat Stögmüller: Wem?) – Pfister. (Ruf bei der FPÖ: Pfister! – Bundesrat Stögmüller: Ich fühle mich angesprochen! – Bundesrat Raml: Du kriegst ihn heute schon noch!)

*****

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Kern. Ich erteile es ihr.


18.42.10

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst, ich bleibe beim Thema; ich darf nur noch einmal kurz zusammenfassen, was wir da heute beschließen, näm­lich eine Entlastung für 900 000 Österreicherinnen und Österreicher ab Juli 2018.

Bernhard hat es schon erwähnt, es handelt sich um eine Entlastung in Höhe von durchschnittlich 311 Euro pro Jahr an Abgaben. Was bedeutet das konkret? – Ich darf das anhand zweier Beispiele ausführen: Ein junger Lagerarbeiter mit einem Monats­einkommen von 1 600 Euro brutto – das ist, glaube ich, nicht die Welt – erspart sich 448 Euro jährlich an Abgaben. Eine Kassiererin im Handel mit einem Einkommen von 1 900 Euro erspart sich etwa 266 Euro jährlich.

Wir sehen ganz klar und deutlich, und darauf möchte ich schon noch einmal hinweisen, von dieser Maßnahme profitieren gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkom­men, also diejenigen, die es wirklich brauchen. Unser Bundeskanzler Sebastian Kurz hat mit seiner Regierung genau das umgesetzt, wofür wir im Oktober gewählt wurden. Wir haben bereits im Wahlkampf versprochen, die Österreicherinnen und Österreicher zu entlasten und – das ist mir persönlich besonders wichtig – Leistung zu belohnen. Eine der ersten Maßnahmen war dabei die nun diskutierte Entlastung für Niedrigver­diener.

Klar ist für uns auch: Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein, und deswegen haben wir vor der Wahl klar gesagt und sagen auch heute Ja zur Entlastung für Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer, Ja zur Entlastung für diejenigen, die tagtäglich ar­beiten gehen und mit ihrem hart verdienten Geld ihr Leben finanzieren, und Ja zur Senkung der Abgabenquote.

Als ArbeitnehmerInnenvertreterin habe ich hier im Hohen Haus schon oft betont, dass diejenigen, die täglich arbeiten gehen, nicht die Dummen sein dürfen. Diejenigen, die


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ins System einzahlen, erwarten sich, dass der Staat sorgsam mit jedem Steuereuro umgeht und gerade die entlastet, die das System erhalten, und gerade deswegen setzen wir uns für die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen ein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Kritik, wir alle wissen, dass es ganz viele Menschen gibt, für die jeder Euro zählt, der im Monat überbleibt. Insgesamt bleiben den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 150 Millionen Euro mehr pro Jahr, 150 Millionen Euro mehr, das schafft Arbeitsplätze, 150 Millionen Euro mehr, das unter­stützt Familien, und 150 Millionen Euro mehr, das sorgt für eine stärkere Kaufkraft der Beschäftigten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich darf noch ganz kurz zwei Sätze zur Debatte ums AMS ergänzen, Sonja hat es schon erwähnt: Ich glaube, wir in Niederösterreich haben eine hervorragende Zusam­menarbeit mit dem AMS. Das AMS ist für uns ein starker Partner, wenn es um Quali­fizierungsmaßnahmen geht, wenn es um Weiterbildungsangebote geht und wenn es um Beschäftigungsmaßnahmen geht, aber trotzdem, glaube ich, muss es in der heutigen Zeit erlaubt sein, Evaluierungen durchzuführen und Organisationen und An­ge­bote zu überdenken.

Ich darf hier herinnen schon auch festhalten – und natürlich ist der Grund dafür die geringere Arbeitslosigkeit –, dass dem AMS pro Arbeitslosem heuer mehr Geld als im Vorjahr zur Verfügung steht. Das waren im Vorjahr 3 219 Euro und sind heuer 3 633 Euro Förderbudget pro Arbeitslosem. Ziel muss es jetzt sein, Strukturen zu überdenken, zu überlegen, zu evaluieren und zu schauen, ob wir die richtigen Maßnah­men im Bereich der Qualifizierung der Arbeitslosen schaffen. Sicher ist, das AMS leistet hervorragende und sinnvolle Arbeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, was wir heute beschließen, ist ein großes Zeichen der Wertschätzung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land. Ich darf Ihnen versprechen, das wird nicht die letzte Entlastung sein, die wir für unsere Beschäftigten beschließen. (Bundesrat Weber: Das befürchten wir auch!) Es werden weitere Reformschritte notwendig sein, um unser Land weiter nach vorne zu bringen, und wir wollen gemeinsam die Abgabenquote für die Österreicherinnen und Österreicher spürbar auf an die 40 Prozent senken, um ihnen wieder mehr finanzielle Freiheit zurückzugeben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.46


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Be­ate Hartinger-Klein. Ich erteile es ihr.


18.47.03

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Pfister von den Sozialdemokraten – verzeihen Sie, wenn ich das sage –, lernen Sie Rechnen und Lesen! (Bundesrat Schabhüttl: Dafür gibt es einen Ordnungsruf!) Erstens: Es hat einen einstimmigen Beschluss des AMS gegeben. Wir haben um 79 Millionen Euro mehr, als Sie im Vorjahr ausgegeben haben. – Also bitte, was wollen Sie? Wir haben weniger Arbeitslose, wir haben mehr Beschäftigung (Bun­desrat Schabhüttl: Das ist aber nicht Ihr Verdienst!), ich habe um 414 Euro pro Arbeitslosem mehr, als Sie im Vorjahr hatten. Ich verstehe Ihre Rechenbeispiele überhaupt nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Aktion 20 000 – und Sie wissen, ich habe sie evaluiert, ich habe sie mir genau angeschaut – ist nicht nachhaltig (Bundesrat Pfister: 4 400 in Niederösterreich!) und viel zu teuer. (Bundesrat Schabhüttl: Sagen Sie das den Menschen, die es betrifft!


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Gehen Sie hin! – Bundesrat Pfister: Kommen Sie nach Schwechat und schauen Sie sich das an!) Wir wollen mit der Aktion Job Aktiv genau diese Langzeitarbeitslosen wieder durch Qualifizierung in den Job bringen. (Bundesrat Schabhüttl: Mit welchen Maßnahmen?) Die Frau Kollegin hat es gesagt, wir wissen, die Wirtschaft braucht viele neue Arbeitnehmer, ja, wir haben auf der anderen Seite viele Arbeitslose, die so qualifiziert werden müssen, dass die Wirtschaft diese Arbeitnehmer einsetzen kann und nicht Arbeitnehmer aus dem Ausland, aus Drittstaaten oder was weiß ich nehmen muss. Das ist unser Ziel.

Wir wollen die Arbeitslosenzahlen senken, wir wollen mehr Beschäftigte, wir wollen ein Wirtschaftswachstum, und das haben wir in Österreich, und dazu stehe ich auch als Sozialministerin. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zum zweiten Punkt, zur AUVA: Auch da lesen Sie bitte genau! Im Regierungs­pro­gramm steht, die AUVA hat bis Ende 2018 ein Konzept vorzulegen und Erfolge vorzu­weisen. Wenn mir bis dato trotz vieler Aufforderungen kein Konzept vorgelegt wurde (Bundesrätin Grimling: Es ist Anfang April!), muss ich mir Gedanken machen, wie ich, sage ich einmal, mit den Themen der AUVA umgehe. Und bitte, betreiben Sie hier keine Verunsicherung! Es geht nicht darum, den Arbeitsschutz aufzulösen, die Unfall­krankenhäuser zu schließen oder andere Dinge, sondern man muss die Strukturen verändern, die Strukturen in einem System der Sozialversicherung. Glauben Sie mir, ich war lange genug in der Sozialversicherung, ich weiß, wovon ich rede, ich bin Ex­perte. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

18.49

18.49.36


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.50.0815. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz betreffend Jahresvorschau 2018 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-638-BR/2018 d.B. sowie 9945/BR d.B.)


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zu Punkt 15 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich bitte um den Bericht.


18.50.34

Berichterstatter Christoph Längle: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Bericht der Bun­desministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jah­resvorschau 2018 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht der Bun­desministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jahresvorschau 2018 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Reinhard Todt: Ich danke für den Bericht.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maga. Elisabeth Grossmann. Ich erteile es ihr. – Bitte.


18.51.33

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über die anstehenden Legislativvorhaben auf EU-Ebene und auch die aktuellen Verhandlungsstände im Sozial- und KonsumentInnenschutzbereich. Es ist insgesamt eine, ich würde sagen, brave Nacherzählung dessen, was auf EU-Ebene ansteht. Da ist auch einiges Interessantes und Unterstützenswertes dabei, wie zum Beispiel die Überarbeitung der Entsenderichtlinie, Initiativen für eine europäische Sozialversicherungsnummer und für eine Europäische Arbeitsbehörde und vieles mehr, die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, dazu gehören Familien­beihilfe und Familienleistungen, und die Antidiskriminierungsrichtlinie. Das sind die Dinge, die auf EU-Ebene anstehen, erwähnenswert an dieser Stelle ist aber, was nicht drinnen steht.

Wenn man sich vor Augen führt, dass Österreich in Kürze die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird, wäre es natürlich auch sehr interessant, mehr über den sozialpo­litischen Bereich zu erfahren, nämlich welche Prioritäten da gesetzt werden; beispiels­weise ist die Arbeitslosigkeit, die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa – nicht in Österreich, aber in der EU – im Bericht anscheinend kein Thema. (Bundesrat Mayer: Das kann man ihr nicht vorwerfen!) – Nein, es ist ja der Bericht der Bundesregierung, Herr Kollege.

Man hört von der derzeitigen Bundesregierung sehr oft die Begriffe Subsidiarität und Deregulierung, Begriffe, die durchaus ihren Sinn haben, die aber nicht als Vorwand dazu dienen dürfen, Schutzstandards im Bereich der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Konsumentinnen und Konsumenten zu senken. Alles dem Markt, dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, bedeutet nichts anderes als die Markt­macht der Stärkeren zu stärken und jene der Schwächeren zu schwächen, sprich, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Konsumentinnen und Konsu­men­ten zu schwächen.

Wenn europaweit gekauft, konsumiert und gearbeitet wird, muss natürlich auch das Regelwerk breiter gefasst werden und europaweit gelten, damit diese Schutzstandards auch wirklich greifen und damit die Marktmechanismen – zu denen wir uns ja beken­nen, mit Schutzstandards natürlich – auch funktionieren, damit eine faire Marktwirt­schaft und auch Fairness gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Konsumentinnen und Konsumenten gewährleistet ist.

Nun ist es gelungen, die Entsenderichtlinie zu überarbeiten, nach langem Widerstand der Kräfte, die eben auf Lohn- und Sozialdumping setzen und davon profitieren. Jetzt besteht natürlich Anlass zur Hoffnung, dass eine Beschlussfassung – es ist ein Kom­promiss, aber immerhin ein guter Kompromiss und eine Verbesserung der Istsitu­ation – noch vor dem Sommer erfolgt und dass das Realität wird.

Im Bereich der sozialen Gerechtigkeit einschließlich der Koordinierung der sozialen Systeme hoffe ich auch, dass seitens Österreichs die konstruktiven Kräfte unterstützt werden – wenn es zum Beispiel um die soziale Absicherung der atypisch Beschäftigten geht, wenn es darum geht, Umgehungskonstruktionen im Bereich der Entsende­richt­linie hintanzuhalten. Auch die Harmonisierung der Sozialsysteme muss in unserem Interesse liegen, aber in der Weise, dass die Sozial- und Lohnstandards in den Län-


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dern Südosteuropas angehoben werden, damit eben gerade die besondere geo­grafische Situation Österreichs entsprechend berücksichtigt wird.

Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass wir unsere Standards senken, aber manchmal hat man bei der derzeitigen Bundesregierung ein bisschen das Gefühl, dass sie Harmonisierung in dem Sinne versteht, dass sie unsere Standards auf das nied­rigere Niveau der anderen, der angrenzenden Staaten senken will. Das wollen wir von der Sozialdemokratie auf gar keinen Fall! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben in diesem Zusammenhang auch das Thema Konsumentinnen- und Konsu­men­tenschutz im Ausschuss diskutiert. Da wurde auch eine sehr kompetente Beamtin entsandt, die uns Auskunft darüber gegeben hat, was auf europäischer Ebene ansteht. Das ist durchaus hoffnungsverheißend, wenn es nämlich darum geht, die Verbraucher- und Verbraucherinnenrechte zu stärken, wenn es um die individuelle und kollektive Rechtsdurchsetzung geht, vor allem die Verbands- und Sammelklage betreffend. Dagegen hat es gerade in Österreich massive Widerstände gegeben – nämlich von­seiten unseres vorherigen Koalitionspartners. Ich hoffe, dass wir mit dem Schub auf europäischer Ebene auch in dieser Frage weiterkommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.57

 


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. Ich erteile es ihm.


18.57.39

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Der Bericht der Bun­desministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jahresvorschau 2018 liegt uns vor. Diese 48-seitige Jahresvorschau beinhaltet sehr viele und wichtige Themen, die uns mit Sicherheit noch intensiv beschäftigen werden. Einige Punkte dieses Berichts wurden in der jüngsten Vergangenheit schon sehr intensiv diskutiert, wie zum Beispiel die Überarbeitung der Trinkwasserrichtlinie, ein Aktionsplan für nationale Impfstrategien und eine neue Richtlinie über das Klonen von landwirtschaftlichen Nutztieren.

Bezug nehmend auf das Thema Trinkwasserrichtlinie, mit dem sich auch der EU-Aus­schuss des Bundesrates intensiv beschäftigt und dazu eine Subsidiaritätsrüge be­schlos­sen hat, ist anzumerken, dass eine Sicherung der Trinkwasserqualität natürlich anzustreben ist, diese Verordnung jedoch in vielen Fällen, in einigen Ländern auch zu finanziellem Mehraufwand führen wird.

Die EU-Kommission möchte mit dieser Richtlinie den Zugang zu qualitativ hochwer­tigem Trinkwasser in Europa verbessern und das Vertrauen der Bürger stärken. Die genannten Ziele gehen unter anderem auf die erste, sehr erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative Right2Water zurück. Dabei hatten circa 1,8 Millionen Europäer mit ihrer Unterschrift einen besseren Zugang zu unserem Lebensmittel Nummer eins gefordert. Es ist erschütternd, dass laut Statistik circa die Hälfte der Menschheit keinen direkten Zugang zu trinkbarem Wasser hat.

In der Praxis bedeutet die neue Vorschrift, dass Mitgliedsländer künftig im Rahmen einer erweiterten Informationspflicht Kampagnen durchführen müssen, um die Bürger über die Qualität des Wassers zu informieren. Weiters bedeutet die Vorschrift die Ein­führung eines Risikomanagements für die komplette Versorgungskette, vom Einzugs­gebiet bis zur Versorgungsstelle. Genau diese Ausweitung der Informationspflicht wird von vielen mehr als kritisch gesehen, denn die Angaben zur Geschäftsführung und Verwaltung der Wasserversorgungsunternehmen sowie über die geplanten Investitio-


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nen leisten kaum einen bis keinen Beitrag zu den originären Qualitätszielen der Trink­wasserrichtlinie.

Natürlich ist es begrüßenswert, dass die EU-Kommission die 20 Jahre alte EU-Wasser­rahmenrichtlinie an die heutigen Gegebenheiten anpasst. Es ist auch sinnvoll, das systematische Risikomanagement zu stärken, um Risikoquellen in Zukunft noch besser und schneller erkennen zu können.

Gleichwohl dürfen die kleinen und mittleren Wasserversorger mit den dadurch sichtbar werdenden Problemen nicht alleingelassen werden. Eine Degradierung der Wasser­wirtschaft zum bloßen Reparaturbetrieb ist in diesem Zusammenhang unzulässig.

Diese Jahresvorschau 2018 widmet sich auch dem Thema Klonen von landwirt­schaftlichen Nutztieren. Klonen ist die künstliche Erzeugung von Lebewesen mit iden­tischem Erbgut. Heutzutage ist es sogar möglich, aus einer einzelnen Körperzelle die identische Kopie eines erwachsenen Säugetiers zu schaffen. Die Körperzelle oder deren Zellkern mit den Erbinformationen wird dazu mit der entkernten, von den Erb­infor­mationen befreiten Eizelle eines Spendertiers zu einem künstlichen Embryo ver­schmolzen. Dieser wird in die Gebärmutter einer Leihmutter übertragen. Es ist diese Klontechnik, um die derzeit in der Europäischen Union gestritten wird. Mit Zwillings­bildung, wie wir sie aus der Natur kennen, hat dies nichts zu tun.

Das berühmte Klonschaf Dolly war 1996 das erste Tier, bei dem dieses Verfahren funktionierte. Dolly war die einzige Überlebende aus 277 Versuchen. Bis heute werden Tiere geklont. Fast immer müssen Hunderte Klone sterben, ehe ein Tier lebend zur Welt kommt, und genau wie Dolly sind die Tiere, die zunächst überleben, oft krank und sterben sehr früh.

Eine Zulassung von Lebensmitteln aus der Klontierzucht, wie sie zur Debatte steht, ist deshalb zugleich der erste Schritt, um anschließend auch Lebensmittel von genmani­pulierten Tieren auf den Markt zu bringen. Deshalb muss das Klonen von Tieren unver­züglich gestoppt und die Einführung von Lebensmitteln von Klontieren aus Drittländern verboten werden. Österreich hat dies auf europäischer Ebene immer wieder einge­fordert.

Beim Aktionsplan für nationale Impfstrategien geht es unter anderem darum, dass eine präventiv wirkende Errungenschaft der Medizin in letzter Zeit etwas ins Hintertreffen geraten ist, nämlich das Impfen selber. Impfen ist die wichtigste Prophylaxe gegen Infektionskrankheiten. Es wird dadurch die eigene Erkrankung beziehungsweise deren Weiterverbreitung verhindert. Dadurch ist es allen Staaten der Welt gemeinsam mit der WHO gelungen, die Pocken weltweit auszurotten. Es ist wichtig, dass mindestens 95 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, damit der Schutz auch nachhaltig wirkt. Das Problem ist, es werden immer weniger Menschen geimpft. Aktuell wird eine starke Zunahme an Masernerkrankungen registriert – dabei liegt Österreich auf Platz zwei in Europa –, wobei von den Betroffenen 71 Prozent nicht geimpft sind und bei über 20 Pro­zent der Impfstatus völlig unbekannt ist.

Faktum ist, wir haben einen österreichischen Impfplan, der klar regelt, wer wann und wie geimpft wird. Jedoch haben wir eine unklare Datenlage, daher ist die Durchimp­fungsrate und der daraus resultierende Schutz der Bevölkerung nicht gewährleistet und auch nicht bekannt. Ein wichtiger Schritt zu einer besseren Impflage ist die Implemen­tierung des elektronischen Impfpasses. Unsere Frau Gesundheitsminister hat diesbe­züglich betont, den elektronischen Impfpass so rasch als möglich umsetzen zu wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Jahresvorschau 2018 beinhaltet noch sehr viele wichtige Themen, bei deren Umsetzung ich der Bundesregierung sehr viel Erfolg wünsche. Ich möchte mich für diesen ambitionierten Bericht sehr herzlich be-


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 161

danken, und ich wünsche für den bevorstehenden EU-Ratsvorsitz alles Gute. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.03

19.03.28


Präsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.04.0016. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Übereinkommen zwi­schen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten (7 d.B. und 41 d.B. sowie 9935/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Administratives und Technisches Durchführungsübereinkommen zum Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßen­ver­kehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten (8 d.B. und 42 d.B. sowie 9936/BR d.B.)


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen zu den Punkten 16 und 17 der Tagesord­nung.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml. Ich bitte um die Berichte.


19.04.55

Berichterstatter Mag. Dr. Michael Raml: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Überein­kommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten.

Der Bericht ist Ihnen in schriftlicher Form zugegangen; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich erstatte weiters Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Administratives und Technisches Durchführungsübereinkommen zum Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 162

Auch dieser Bericht ist Ihnen schriftlich zugegangen; daher darf ich gleich zur Antrag­stellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Georg Schuster. Ich erteile es ihm.


19.06.40

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Wer kennt es nicht, man fährt auf der Süd Autobahn oder auf der Ost Autobahn und wird plötzlich von ausländischen Rasern oder Verkehrsrowdys im besten Fall überholt oder bedrängt und im schlimmsten Fall genötigt? Jährlich werden in Österreich über fünf Millionen Ge­schwindigkeitsübertretungen registriert. Davon wurde über eine Million mit Fahr­zeugen mit ausländischer Zulassung begangen. Das ist immerhin ein Fünftel aller Geschwindigkeitsübertretungen in ganz Österreich. Diese gefährden die Verkehrs­sicherheit durch sanktionsfreies Rasen, da es keine wirksamen Übereinkommen mit einigen Ländern in der EU gibt.

Leider ist die grenzüberschreitende Verfolgung aufgrund fehlender rechtlicher Grund­lagen und unzureichender Zusammenarbeit bisher schwierig. Daher braucht es Maß­nahmen auf zwischenstaatlicher Ebene und auf EU-Ebene.

Österreich hat deshalb im Jahr 2015 die EU-Richtlinie 413 zur Umsetzung gebracht, was bedeutet, dass mit den EU-Staaten ein Austausch von Informationen bei verkehrs­gefährdenden Delikten möglich ist. Mit diesen zusätzlichen Übereinkommen, die jetzt beschlossen werden, wird die Lenkerausforschung von ausländischen Verkehrsteilneh­mern noch effizienter.

Erstens: Sie beinhaltet nun auch die Rechtshilfe zur Ausforschung ausländischer Len­ker. Zweitens: Die behördliche Zustellung im Ausland wird ermöglicht. Drittens: Die Verbesserung der Zusammenarbeit zur Strafvollstreckung ist gewährleistet.

Die beiden zur Debatte stehenden Übereinkommen optimieren die Amtshilfe im Ver­wal­tungsstrafverfahren gegen ausländische Verkehrsübertreter. Die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsländern Ungarn, Kroatien, Bulgarien und Österreich wird dadurch noch effektiver. Dadurch wird gewährleistet, dass die Strafe beim ausländi­schen Lenker ankommt und vollstreckt wird. Der angenehme Nebeneffekt dieses Übereinkommens ist natürlich auch ein finanzieller, das kann man auch nicht verhehlen, denn es werden mehr als 2 Millionen Euro an Einnahmen in die Kasse gespült.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Umsetzung ein wichtiger Beitrag zur Gleichbe­handlung aller Verkehrsteilnehmer ist und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in Österreich beitragen wird.

Abschließend noch ein kurzes Wort zu den Kollegen der SPÖ, denn wir haben das im Innenausschuss diskutiert und es wurde gleich der Vorwurf laut: Na ja, dabei handelt es sich aber schon um eine Abzocke, nämlich vielleicht für die Österreicher, die nach Kroatien auf Urlaub fahren. – Meine Damen und Herren, ich erwarte mir von einem ausländischen Kraftfahrzeughalter, dass er in Österreich brav fährt und sich an die


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Straßenverkehrsordnung hält (Bundesrat Schennach: Vice versa gilt es auch!), und das erwarte ich mir auch von den Österreichern im Ausland. Deshalb kann ich Ihnen nicht ganz folgen, wenn Sie da von einer Abzocke sprechen wollen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.09


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gregor Hammerl. Ich erteile es ihm.


19.10.13

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin Edtstadler! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich noch an einen satirischen Artikel in einem österreichischen Wochenmagazin. Ich glaube, es war das „Profil“.

Der Verfasser berichtete über seinen Ärger, als er an einer Baustelle, mit einer Ge­schwindig­keitsbegrenzung von 30 km/h, von einem Auto mit ungarischem Kennzeichen mit weit überhöhter Geschwindigkeit überholt wurde, lebensgefährlich, wie er es wahrnahm. Dann schrieb der Verfasser darüber, wie es ihm in Ungarn ging. Es war eine ähnliche Situation: Er fährt mit dem Auto an einer Baustelle, die ungarischen Autofahrer halten sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung, er rast mit über 90 km/h an den langsam Fahrenden vorbei.

Meine Damen und Herren, man hatte ja nichts zu befürchten, außer man wäre direkt in Ungarn von einem Mann von der Rendőrség – der Polizei – aufgehalten worden, denn es gab damals keine Möglichkeit, ein Verkehrsdelikt, dass in Ungarn begangen wurde, in Österreich zu ahnden und ebenso umgekehrt.

Nicht, dass ich ein Vertreter der übertriebenen Strenge bei der Einhaltung der Ver­kehrs­regeln bin, aber es ist für sich selbst und für andere Verkehrsteilnehmer ge­fährlich, wenn Regeln überschritten werden. Das passiert in einem beträchtlichen Ausmaß dann, wenn man keine Strafverfolgung zu befürchten hat. Das gilt für Fah­rerinnen und Fahrer aus dem Ausland bei uns genauso wie auch dann, wenn wir im Ausland unterwegs sind. (Bundesrat Schennach: Genau!)

Meine Damen und Herren, deswegen ist es ganz wichtig, dass das Übereinkommen zwischen den Republiken Bulgarien und Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Verkehrssicher­heit gefährdenden Verkehrsdelikten zu begrüßen ist. Es geht nämlich um die Sicherheit im Straßenverkehr, die durch Regelübertretung gefährdet ist.

Natürlich – es wurde heute schon erwähnt – ist kleinlichem Vorgehen und Schikanen vorzubeugen, aber es braucht eine Ordnung, die erst schützen kann, wenn sie einge­halten wird.

Ich habe auch hier einmal gesagt: Ohne Straßenverkehrsordnung gäbe es nicht das Fest der Freiheit, sondern das Fest der Spengler und noch schlimmer, meine Damen und Herren, der Spitäler. Wir brauchen also eine Ordnung, die uns auch dadurch schützt, dass sie eingehalten wird, da ihre Nichteinhaltung mit Strafen bedroht ist. Durch das Administrative und Technische Durchführungsabkommen ist eine Verein­fachung der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten, die die Straßen­verkehrssicherheit gefährden, gegeben.

Die Ausforschung der Lenker, Zustellungsfragen, die elektronische Übermittlung von Vollstreckungsersuchen und die Abtretung der Geldstrafen wird dadurch effizienter gestaltet werden können. Meine Damen und Herren, das ist ein Beitrag zur Erhöhung


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 164

der Sicherheit, der sehr zu begrüßen ist. Danke, Frau Staatssekretärin. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.12


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile es ihm.


19.13.05

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Staatssekretärin! Die vorliegenden Über­einkommen dienen, wie meine Vorredner schon betont haben, der Verbesserung der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten, letztlich auch zur Stei­gerung der Sicherheit im Straßenverkehr.

Dieses Übereinkommen ermöglicht eine sichere Verfolgung von Verkehrssündern, nämlich von Inländern und von Ausländern. Es ermöglicht auch einen automatischen Abruf von Zulassungsdaten der ausländischen Verkehrsteilnehmer und Fahrzeug­halter. Dabei ist es mir besonders wichtig, dass es in diesem Zusammenhang ganz klare datenschutzrechtliche Bestimmungen gibt, die eingehalten und auch kontrolliert werden.

Diese Abkommen sind vor allem dann wichtig – wir hörten es heute schon –, wenn Fahrzeughalter aus dem Inland und aus dem Ausland ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Es wird sich schlussendlich auch zeigen, ob es tatsächlich – wie Schätzungen des Innenministeriums prognostizieren – 2 Millionen Euro sind, die dann zusätzlich ins Bundesbudget fließen werden.

Wir ermöglichen mit diesem Abkommen eine effektive Strafverfolgung der Verkehrs­teilnehmer in diesen genannten Staaten. Was bedeutet dies aber auch umgekehrt? – Das bedeutet auch, dass mögliche Vergehen von Österreicherinnen und Österreichern in den genannten Ländern nicht ungeahndet bleiben. Der Effekt ist natürlich in beiden Richtungen sehr wertvoll und gut.

Klar ist, dass man durch dieses Abkommen keine riesengroßen Wunder in puncto Ver­kehrsverhalten erwarten darf. Es wird aber – darauf dürfen wir alle hoffen – sicherlich zu einer gewissen Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. In diesem Zusam­menhang muss ich auch darauf hinweisen, dass das, was wir heute beschließen werden, nur dann funktioniert, wenn Verkehrskontrollen tatsächlich wirksam durch­geführt werden.

Den Plänen von Minister Hofer – er ist jetzt nicht mehr da – für die Verkehrsüber­wachung, nämlich die Tempokontrollen zu reduzieren oder höhere Tempolimits einzu­führen, liegt ja grundsätzlich schon ein problematischer Gedanke zugrunde. Sie sind im Zusammenhang mit dem heutigen Beschluss für mich auch gar nicht wirklich nachvollziehbar. Ich kann mir natürlich schon vorstellen, dass sich der Herr Minister über Tempolimits oder Tempokontrollen ärgert, genauso wie sich vielleicht der Herr Vizekanzler wahrscheinlich über das Rauchverbot geärgert hat. Wir dürfen aber nicht vergessen, was das betreffend diesen Tagesordnungspunkt für uns bedeutet.

Tempolimits, sehr verehrte Damen und Herren, sind Regeln, die Sinn machen. Ent­weder wir kontrollieren sie, wir halten uns daran, oder wir schaffen sie ab und sagen, wir haben ein regelfreies Straßensystem. Alles andere wäre einfach eine Farce. Re­geln wie Tempobeschränkungen bedeuten aber auch die Rettung von Menschenleben. Uns allen, die wir hier sitzen, muss jeder Unfall einer zu viel sein. Wir müssen alles dafür tun, damit nichts passiert.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 165

Zusammengefasst kann ich sagen, es ist ein wichtiger Schritt, der auch die Zusam­menarbeit der Sicherheitsbehörden in diesen genannten Ländern verstärken wird. Die internationale Zusammenarbeit auf Ebene der Exekutive, zum Beispiel der Geheim­dienste, hat in letzter Zeit, denke ich, ohnehin schon genug gelitten.

Wir von der SPÖ haben jedenfalls immer gesagt, dass wir vernünftigen Vorhaben und vernünftigen Beschlüssen mit Sicherheit nicht im Wege stehen werden. Aus diesem Grund werden wir dem vorgelegten Staatsvertrag sehr gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17


Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile es ihm.


19.17.41

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn man draußen bei den Bürgern am Stammtisch sitzt und mit ihnen redet (Bundesrat Lindinger: Am Nicht­raucherstammtisch!), über Verkehrssicherheit diskutiert, wird man wahrscheinlich zwei Themen hören, die die Bürger am meisten aufregen. Das eine ist die Verkehrsüber­wachung an Stellen, wo es eigentlich einer Abzocke gleichkommt. Das heißt, die Polizei ist irgendwo versteckt und kontrolliert. Unser Innenminister hat angekündigt, dass er diese Maßnahmen zukünftig nicht mehr will. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Die zweite Maßnahme, die man auch hört, ist, dass Lenker von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die sich nicht an die Regeln halten, nicht oder nicht so, wie es sein soll, bestraft werden können. In diesem zweiten Bereich haben wir in Österreich durch dieses Übereinkommen die Möglichkeit, zumindest mit den Staaten Kroatien, Ungarn und Bulgarien ein Abkommen zu treffen. Das ist gut so.

Was nicht so bekannt ist, ist, dass weitere Staaten und Mitglieder des Salzburg Fo­rums, nämlich Rumänien, Polen, Tschechien, Slowakei und Slowenien, die Verhand­lun­gen abgebrochen haben und nicht mitmachen. Vielleicht gelingt es uns noch, diese Staaten durch Verhandlungen auch noch dazu zu bringen und in Summe gesehen für uns alle mehr Sicherheit auf den Straßen zu schaffen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.19

19.20.01


Präsident Reinhard Todt: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüber­schreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrs­delikten.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungsbe­reiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 166

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2018 betreffend Administratives und Technisches Durchführungs­übereinkom­men zum Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheit der selbständigen Wirkungsbereiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

19.23.0418. Punkt

Sicherheitsbericht 2016 (III-636-BR/2018 d.B. sowie 9937/BR d.B.)


Präsident Reinhard Todt: Wir gelangen nun zu Punkt 18 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich bitte um den Bericht.


19.23.11

Berichterstatter Christoph Längle: Ich komme zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Sicherheitsbericht 2016.

Der Bericht ist Ihnen in schriftlicher Form zugegangen, ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die Innere Sicherheit in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Reinhard Todt: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Ewa Dziedzic zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 167

19.23.56

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Der Sicherheitsbericht 2016 wurde bekanntlich lange nicht veröffentlicht. Es wurde sogar vermutet, dass er wegen des Wahlkampfs zurückgehalten wurde. Das können wir natürlich nicht verifizieren. Wenn man sich aber die Zahlen anschaut – vor allem die rückläufigen Zahlen –, kann das schon vermutet werden.

Die Zahlen bei den strafrechtlichen Verurteilungen sind – das werden Sie wissen – laut Bericht eben rückläufig, es gibt ein Minus von 5,2 Prozent gegenüber dem Jahr 2015. Die Kriminalität ist zu 85,7 Prozent männlich. 33,8 Prozent der Verurteilungen erfolgten wegen Vermögensdelikten, 17,7 Prozent wegen Delikten gegen Leib und Leben, 15,4 Prozent wegen Suchtmitteldelikten und 2,4 Prozent wegen solchen gegen die sexuelle Integrität. Auch da gab es kaum Unterschiede zum Vorjahr. Anzeigen gab es dagegen mehr, und zwar um 3,8 Prozent. Es gab auch mehr ausländische Tatver­dächtige. Cyberkriminalität bleibt wenig überraschend die Herausforderung Nummer eins.

Mittlerweile haben wir ja Zahlen aus dem Jahr 2017. Es ist nicht uninteressant, dass der ehemalige Herr Innenminister Sobotka bei der Präsentation des Berichts 2016 noch betont hat, dass sich Österreich aufgrund dieser Zahlen zu einem der sichersten Länder weltweit zählen kann. Wie wir wissen arbeitet die Exekutive gut, die Aufklä­rungsquote liegt bei rund 85 Prozent. Alles in allem könnte man meinen, dass es keinen Grund zur Sorge und keinen Grund zur Panik gibt.

Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass die Regierung trotz dieser Zahlen im Justiz- und Innenausschuss ein Unsicherheitspaket durchgepeitscht hat. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um darauf einzugehen, weil es durchaus Zusammenhänge gibt, denn es ist dafür keinerlei Grundlage gegeben.

Sowohl der Inhalt des Überwachungspakets als auch die Vorgangsweise der Regie­rung beim Versuch, es durchzupeitschen, sind aus unserer Sicht inakzeptabel – Sie wissen, das ist nicht nur unsere Sicht –, und sie entsprechen auch in keinerlei Hinsicht den parlamentarischen Standards.

Obwohl das Ganze nicht nur sehr überbordend ist (Bundesrat Schuster: Zur Sache bitte!) – ich erinnere Sie daran, dass das das größte Überwachungspaket in der Zweiten Republik ist (Bundesrat Schuster: Das ist der Sicherheitsbericht, den wir diskutieren!) und daher sehr wohl auch damit zu tun hat –, sondern sogar auch – und da bin ich beim Sicherheitsbericht –, Gefahren schaffen kann, weil Sicherheitslücken gleich mitgeliefert werden.

Alleine die Einführung des Bundestrojaners schafft Unsicherheit und Lücken. Diese Software – das werden Sie vielleicht wissen – ist am sogenannten grauen und am Schwarzmarkt erhältlich. Aufgrund des Einsatzes dieser Software sind zum Beispiel in Großbritannien in mehr als zehn Krankenhäusern die Computer ausgefallen und die Menschen gefährdet gewesen. Nicht umsonst wurde der Bundestrojaner auch schon in den letzten Jahren sehr kritisch diskutiert. Auch von Ihnen, liebe FPÖ, gibt es Aus­sendungen dazu. Deswegen würde ich mich da ein wenig zurückhalten, weil Sie sich noch bis vor Kurzem gegen diese Überwachung ausgesprochen haben.

Videoüberwachung im gesamten öffentlichen Raum, und zwar in Echtzeit und auch abgespeichert, bedeutet, dass die Menschen ihr Recht auf Privatheit im öffentlichen Raum verlieren.

Aushöhlung des Briefgeheimnisses: Ich glaube, auch das ist keine irrelevante Sache, genauso wie die von den verschiedenen Höchstgerichten als grundrechtswidrig aner-


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 168

kannte Vorratsdatenspeicherung, die über Umwege wieder eingeführt wird. Erwäh­nenswert sind auch noch die Berichtspflichten der Nachrichtendienste an Bundes- und Vizekanzler, die ich für sehr problematisch halte.

Wenn Sie nun glauben, das alles kommt nur von den Grünen, von der Lügenpresse und von den linkslinken Organisationen, kann ich Sie beruhigen, denn auch der frühere ÖVP-Justizsprecher Ikrath warnt davor, dass Österreich damit einen dramatischen Schritt vom liberalen Rechtsstaat zu einem polizeilichen Überwachungsstaat macht. Er hat an alle Abgeordnete entsprechende Mails geschickt. Ich glaube nicht, dass er übertreibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, tun wir nicht übertreiben!)

Es gab 9 000 Stellungnahmen, es gab diverseste Artikel von Experten und Expertinnen (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind immer dieselben Leute!) und es gab in fast allen Bundesländern Demonstrationen – erst gestern eine in Graz mit knapp 1 000 Leuten. Ich glaube nicht, dass all diese Leute unter Wahnvorstellungen leiden, sondern da sind auch viele dabei, die sich in den Materien auskennen, die sich das genau angeschaut haben und wissen, welche Konsequenzen das mit sich bringt.

Bedenken äußern nicht nur Experten und Expertinnen, sondern auch Provider oder Amnesty. Die Rechtsanwaltskammer beispielsweise meint, dass sich Österreich damit wirklich auf das Niveau von Polen und Ungarn begibt – ich glaube nicht, dass diese als linkes Kollektiv abgestempelt werden kann. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben die Stellungnahmen ignoriert. Das Hearing beziehungsweise ein öffentliches Hearing hat nicht stattgefunden. Heute gab es eines von den Oppositionsparteien im Nationalrat, und zwar in einem Kaffeehaus. Der Justiz- und Innenausschuss tagte bereits.

Wenn wir uns anschauen, was für gravierende und weitreichende Auswirkungen die­ses Überwachungspaket hat, dann hängt das schon mit Sicherheit zusammen, weil nämlich die Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl von jedem Einzelnen in diesem Land betroffen sind. Jeder, der ein Handy hat, jeder, der sich im öffentlichen Raum bewegt, wird in Zukunft überwacht werden können. (Bundesrätin Mühlwerth: Das werden wir doch jetzt schon ...!)

Das bedeutet für die Leute aber nicht, dass wir in Zukunft mit mehr Aufklärung rechnen können, sondern dass Sie eine Stimmung in diesem Land schaffen und sozusagen dafür sorgen, dass viele überhaupt erst ein Unsicherheitsgefühl entwickeln. (Bundes­rätin Mühlwerth: Dann lassen wir doch lieber die Terroristen werkeln ...!) – Sie können sich dann selber noch zu Wort melden.

Ich möchte mit der Feststellung schließen, dass die Sicherheitsberichte, die uns vor­liegen, sicherlich keine Grundlage für diese überbordende Überwachung gewesen sind – aber Sie peitschen das trotzdem durch!

Und nochmals in Richtung FPÖ: Sie haben sich früher dagegen ausgesprochen. Ich ersuche Sie, das nachzulesen, falls Sie sich nicht mehr daran erinnern. (Bundesrat Stögmüller: Ein Rückgrat wie ein Gummibärchen!)

Für uns ist das ein sehr autoritäres Verhalten, wie da vorgegangen worden ist. Das ist tatsächlich eine Orbánisierung, die in diesem Land stattfindet. Es gibt keinerlei Grund­lage für dieses wirklich überbordende Überwachungspaket. Ich hoffe nicht, dass sich das auswirken wird, weder auf das subjektive noch auf das faktische Sicherheitsgefühl der Leute in diesem Land. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

19.32



BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 169

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrat Edgar Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.32.28

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Kollegin Dziedzic, fernab des Sicherheitsberichts 2016 hier über derzeitige gesetzliche Situationen zu berichten, ist nicht nur deplatziert, sondern gehört nicht zu dieser Debatte über den Sicherheits­bericht. Darüber hinaus gibt es einige Behauptungen – Klammer auf: unwahr, Klammer geschlossen –, die ich bei dieser tatsächlichen Berichtigung klarstellen möchte.

Erstens: Die Einführung des Bundestrojaners schafft keine Lücken, so wie Sie gesagt haben, sondern nutzt bestehende Lücken. Das ist ein großer Unterschied, das ist genau das Gegenteil. (Ruf bei der FPÖ: Hört, Hört!)

Zweitens: Die Videoüberwachung findet nicht im gesamten öffentlichen Raum statt, so wie Sie es behauptet haben, sondern nur nach erfolgter Risikoanalyse. Das ist auch ein großer Unterschied.

Drittens: Das öffentliche Hearing, das angesprochen wurde, wurde auf Wunsch der SPÖ wieder abgesagt.

Es geht Ihnen also nicht darum, bestehende Sicherheitsberichte zu diskutieren, son­dern es geht nur um Inszenierung, Frau Kollegin. Das weisen wir zurück. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.33


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer weiteren tatsächlichen Berich­tigung hat sich Frau Bundesrätin Dziedzic zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)


19.33.46

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Wenn wir schon auf der Wahrheit herumreiten, möchte ich auch noch etwas ergänzend sagen.

Ob der Bundestrojaner die Lücken nutzt oder welche schafft, darüber streiten sich die Experten und Expertinnen. (Bundesrat Mayer: Richtig sagen!) Mir liegen Daten und Expertisen vor, die besagen, dass Sicherheitslücken geschaffen werden, zum Beispiel alleine, was die Überwachung aller WhatsApp-Nachrichten anbelangt. (Bundesrat Schuster: Dann zeigen Sie es her!)

Was das Hearing anbelangt, ist es so, dass die Opposition wollte, dass es ein öffent­liches ist. Das wollte aber die Regierung nicht, und daraufhin wurde es abgesagt (Bundesrat Mayer: Genau umgekehrt!) – nur, damit man das hier nochmals prä­zisiert. – Danke. (Beifall des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Mayer – in Rich­tung des Vorsitzenden –: Ich verzichte, Uneinsichtigkeit muss man nicht noch extra belohnen!)

19.34


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Dann gehen wir in der Rednerliste weiter.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Georg Schuster zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


19.34.53

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Zuerst danke, dass ich auch einmal dran­kommen darf!


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 170

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Ich möchte gleich noch etwas von Kollegin Dziedzic Gesagtes zusätzlich berichtigen.

Sie haben eingebracht, dass dieser Sicherheitsbericht viel zu spät eingebracht worden ist oder dass wir das hintangehalten haben. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Herr Stögmüller, lassen Sie mich ausreden, Sie sind nicht am Wort! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Stögmüller und Dziedzic.) Wenn Sie sich ein wenig schlau über das Gesetz machen würden, dann wüssten Sie, dass es keinen fixen Zeitpunkt zur Einbringung des Sicherheitsberichts gibt. Deshalb ist er in gesetzeskonformer Art und Weise eingebracht worden. So schaut es aus. Wenn Sie sich da ein bissl informieren würden, würden Sie das wissen.

Bevor ich auf den Sicherheitsbericht eingehe, möchte ich mich zuallererst bei allen Polizistinnen und Polizisten bedanken, die jeden Tag unter Einsatz ihres Lebens in Österreich ihren Dienst versehen, meine Damen und Herren, denn ich denke, ohne ihren Einsatz würde dieser Sicherheitsbericht sicher ganz anders aussehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sehr positiv in diesem Sicherheitsbericht – und ich rede vom Sicherheitsbericht 2016, Frau Dziedzic, und nicht von einem Vergleich zu 2017, weil das nicht redlich ist; zur Information, wir reden hier vom Sicherheitsbericht 2016 (Bundesrätin Dziedzic: Dann geben Sie vor, was ich vergleichen darf?) – ist für mich die Aufklärungsquote, Frau Dziedzic. (Bundesrätin Dziedzic: Sie schreiben mir vor, was ich vergleichen darf?) Mit 45,9 Prozent wurde 2016 die höchste Aufklärungsquote der letzten zehn Jahre in Österreich erzielt.

Erfreulich ist auch der Rückgang bei Wohnungseinbrüchen und Kfz-Diebstählen. Auch die Anzahl der Verurteilungen ist seit dem Jahr 2005 um rund ein Drittel gesunken.

Schauen wir uns noch kurz weiter die Statistik an: 2016 wurden in Österreich über 537 500 Anzeigen erstattet. Das bedeutet leider einen Anstieg von 3,8 Prozent, der vor allem die Bereiche Gewalt und Wirtschaftskriminalität, aber auch Cybercrime betrifft. Auch bei Verbrechen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ist ein deut­licher Anstieg der Anzeigen festzustellen.

Kommen wir kurz zum Fremdenwesen: Trotz großer Herausforderungen für das öster­reichische Asylsystem hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im vergan­genen Jahr über 57 000 Asylentscheidungen getroffen. Dabei wurde in 20 000 Fällen eine negative Entscheidung gefällt und in mehr als 27 500 Fällen Schutz gewährt; circa 10 000 waren sonstige Entscheidungen. Österreich zählt damit zu den Top-5-Ländern mit den höchsten Asylerledigungszahlen in Europa, meine Damen und Herren. Da können wir uns als Österreicher keine Unmenschlichkeit nachsagen lassen. Da kann man ruhig applaudieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir sehen aber auch in diesem Bericht noch eindeutig die Nachwirkungen der Migra­tionsinvasion aus dem Jahr 2015. Es gibt einen massiven Anstieg der fremden Tatver­dächtigen, denn deren Zahl ist um 13,7 Prozent gestiegen. Wenn wir uns diese Gruppe der fremden Tatverdächtigen noch genauer ansehen, ist bei der Gruppe der Asylwer­benden 2016 die größte Zunahme zu verzeichnen, denn diese stieg in nur einem Jahr auf satte 54,2 Prozent, meine Damen und Herren! (Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.)

An dieser Stelle möchte ich ein sehr passendes Zitat von George Orwell bringen: „Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ – Das gilt vor allem für die rote Vorgängerregierung, meine Damen und Herren, denn ich kann mich noch ganz gut an die rot-grünen Willkommensklatscher am Hauptbahnhof und am


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 171

Westbahnhof erinnern, welche damals Zigtausende junge Männer ohne Personen­überprüfung mit Refugees Welcome begrüßt haben. (Bundesrätin Dziedzic: Und das ist jetzt keine Themenverfehlung?)

Gleichzeitig wurden aber in dieser Zeit österreichische Obdachlose am Hauptbahnhof bei der Verteilung von Lebensmitteln für Flüchtlinge von Ihnen nahestehenden Organi­sationen ausgeschlossen. (Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.) Durch Ihre falsch verstandene Willkommenspolitik haben Sie es zugelassen, dass wir noch heute vor allem im Sicherheitsbereich mit den Auswirkungen des Asylchaos von 2015 zu kämp­fen haben.

Wie sieht denn – wenn wir bei Rot-Grün sind – die Realität in Wien aus, meine Damen und Herren? – Asylwerber fahren mit unserem Steuergeld auf Urlaub in ihr Heimatland. (Ruf bei der SPÖ: Zur Sache!) In der Millennium City versetzen selbsternannte Sittenwächter unsere Frauen in Angst und Schrecken, weil sie ihrer Meinung nach zu westlich gekleidet sind, meine Damen und Herren! (Bundesrat Lindinger: ... in Brüssel!) Koranverteilungen von salafistischen Vereinen auf der Mariahilfer Straße und vor dem Donauzentrum stehen mittlerweile an der Tagesordnung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aktuell – das ist gerade letzte Woche in der Zeitung zu lesen gewesen – werden unschuldige Staatsbürger von kriminellen afghanischen und tschetschenischen Asyl­werbern auf offener Straße eiskalt niedergestochen, meine Damen und Herren! Das sind keine Einbildungen, ich habe die Zeitungsartikel alle hier. (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ich kann sie Ihnen nachher gerne durchgeben, meine Damen und Herren! (Bundesrat Stögmüller: Da hat der Integrationsminister wohl versagt!)

Auch in der U-Bahn explodiert die Kriminalität! Mittlerweile wird dort auch fast kein Deutsch mehr gesprochen. Meine Damen und Herren, fahren Sie doch einmal mit der U-Bahn! Dann wissen Sie es. (Bundesrätin Dziedzic: Jeden Tag!)

Was haben Sie (in Richtung SPÖ) damals in Ihrer Regierungsverantwortung gemacht? (Bundesrätin Anderl: Das Richtige!) – Das Richtige? (Heiterkeit bei der SPÖ.) Statt die Polizei ehestmöglich aufzustocken, haben Sie eine große Anzahl an Polizeidienst­stellen in Wien und in ganz Österreich schließen lassen, meine Damen und Herren! Das muss man sich doch einmal auf der Zunge zergehen lassen: Zugesperrt habt ihr sie! Das versteht ja bis heute kein Mensch, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Unglaublich ist das! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre verantwortungslose rot-grüne Multi­kultipolitik in Wien (Bundesrätin Dziedzic: Das ist von einer Regierungspartei ...!) ist gescheitert! (Bundesrat Stögmüller: Eine Regierungspartei sollte ...!)

Wir fordern deshalb: Erstens, kriminelle Asylwerber gehören sofort abgeschoben und schnellsten außer Landes gebracht! (Bundesrat Stögmüller: Jetzt seid ihr keine Oppo­sitionspartei mehr!) Zweitens: Der politische Islam hat bei uns nichts verloren und gehört bekämpft. Drittens – das ist Ihnen nicht so klar, das weiß ich schon –: Asyl ist ein Recht auf Zeit und kein Freibrief, um hier kriminellen Machenschaften nachzu­gehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Seit Ende 2017 ist zum Glück unsere neue Bundesregierung im Amt, um die von Ihnen hinterlassenen Missstände, vor allem im Sicherheitsbereich, zu reparieren. Dank des unermüdlichen Einsatzes unseres Bundesministers weht endlich ein frischer Wind durch den Sicherheitsapparat in Österreich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich weiß schon, Sicherheit war nie eure Sache. Darum müssen wir es jetzt für euch machen. (Bun­desrat Lindinger: ... haben wir schon gesehen!)


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 172

Folgende Maßnahmen werden demnächst von der Bundesregierung umgesetzt, meine Damen und Herren: Es gibt endlich mehr Geld für die Polizei! Das habt ihr schon immer versäumt. (Bundesrat Novak: Wer war denn Minister? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) In Wien wird es erstmalig einen Pilotbetrieb der berittenen Polizei geben, meine Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wer war denn Bundeskanzler? Wer waren die Bundeskanzler? – Die SPÖ hat den Bun­deskanzler gestellt. Das ist ein Armutszeugnis für Sie, meine Damen und Herren! (Bundesrat Pfister: Die Zahlen von 16 und 17 waren auch schon ...! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Bis zum Ende der Regierungsperiode werden auch die dringend benötigten 2 100 zu­sätzlichen Polizisten in Dienst gestellt. Das habt ihr ewig lang versprochen, aber nie gehalten. (Bundesrätin Grimling: ... ihr weggenommen!) – Wer hat den Bundeskanzler gestellt? – Ihr! Also habt ihr nichts zu reden gehabt in der letzten Regierung? – Das ist ein Armutszeugnis! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die freiheitliche Handschrift unseres erfolgreichen Innenministers bereits im Sicherheitsbericht 2018 sichtbar sein wird. (Beifall bei der FPÖ.) Diese Regierung hat bereits jetzt mehr umge­setzt als die rote Vorgängerregierung (Heiterkeit bei der SPÖ) in der gesamten letzten Periode, meine Damen und Herren! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.43


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Armin Forstner. Ich erteile es ihm.


19.44.02

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Frau Kollegin Bundesrätin Grimling! Wenn du schon etwas sagst, dann bitte genau so, wie ich es gesagt habe – und so habe ich es nicht gesagt, bitte! Ich weiß eh, dass du beleidigt bist. Wenn das so ist, sollte man vielleicht nicht in die Politik gehen, wenn man andere Meinungen nicht auch ab und zu akzeptiert.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sicherheitsbericht 2016: Der Bericht zeigt auf, dass 2016 die Zahl der Anzeigen von Straftaten und Vergehen gegenüber dem Jahr davor um 3,8 Prozent gestiegen ist. Gleichzeitig erhöhte sich aber die Aufklärungs­quote auf 45,9 Prozent.

Vor allem in den Bereichen Gewalt-, Wirtschafts- und Cyberkriminalität wurden mehr Straftaten angezeigt. In einzelnen Bereichen, etwa bei Anzeigen von Kfz-Diebstählen, von Einbrüchen in Wohnungen oder in Wohnhäuser, war hingegen ein kleiner Rück­gang zu verzeichnen.

Anstieg bei den politisch und weltanschaulich motivierten Straftaten: 2016 wurden circa 1 300 Tathandlungen mit rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher oder antisemiti­scher Motivation bekannt. Gegenüber 2015 bedeutet dies einen Anstieg um 13,6 Pro­zent. 2016 konnte das Innenministerium auch einen weiteren Zulauf zu Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten feststellen.

Im Bereich des Linksextremismus stellten die autonom-anarchistischen Verbindungen die aktivste Szene. Da kam es bei Kundgebungen und Protestaktionen zu Körperver­letzungen und Sachbeschädigung. Insgesamt circa 400 Tathandlungen hatten erwiese­nermaßen oder vermutlich einen linksextremistischen Hintergrund. Circa 200 Taten


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 173

waren mit der Bundespräsidentschaftswahl in Verbindung zu bringen. Es handelte sich dabei meist um Sachbeschädigung im Zusammenhang mit FPÖ-Wahlplakaten.

Bedrohungen durch den Terrorismus sind weiter relevant. Seit einigen Jahren stellen der islamistische Extremismus und vor allem der Terrorismus dschihadistischer Prä­gung weltweit und in Europa ein permanentes Gefährdungspotenzial für die liberal-demokratischen Gesellschaften dar. Das islamistisch-extremistische Spektrum umfasst unzählige Gruppen, die regional und transnational aktiv sind. Im Fokus stehen terroris­tische Organisationen wie der sogenannte IS, der Islamische Staat, beziehungsweise Splittergruppen.

Es wurde auch von den Kollegen schon angesprochen: Verstärkte Migrationsbe­we­gungen waren 2016 natürlich spürbar. Die Auswirkungen der Migrationskrise 2015 waren auch 2016 noch deutlich spürbar. Aufgrund verschiedener zielgerichteter Maß­nahmen habe allerdings ein Rekordjahr wie 2015 verhindert werden können.

Österreich blieb 2016 mit wöchentlich rund 800 Asylanträgen eines der Hauptauf­nah­meländer in Europa. Mit Jahresende 2016 waren circa 80 000 hilfs- und schutzbe­dürftige Fremde in der Grundversorgung untergebracht. Circa 7 800 Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt. Österreich zählt damit zu den fünf Ländern in Europa mit den höchsten Asylerledigungszahlen.

Weiterhin gab es noch Verschiebungen des Schwerpunkts bei den Herkunftsländern von Asylwerbern. Die Asylwerber kamen aus circa 110 verschiedenen Ländern, wobei die größte Gruppe der Antragstellerinnen und Antragsteller aus Afghanistan stammte. An zweiter Stelle der Antragstellerinnen und Antragsteller waren die Syrer mit 20,7 Pro­zent, gefolgt vom Irak. Wo jedoch 2016 schon eine Steigerung zu vermerken war, war bei den Antragstellern aus Nigeria und Marokko.

Der Sicherheitsbericht bietet auch eine umfassende Darstellung der Tätigkeit der Strafjustiz. Im Jahr 2016 waren von den durch die Staatsanwaltschaften erledigten Ver­fahren insgesamt 262 000 Personen betroffen.

Teil des Sicherheitsberichts ist wie jedes Jahr auch ein detaillierter Überblick über die Tätigkeit der Strafjustiz, der vom Justizministerium erstellt wurde. 2016 wurden circa 30 500 rechtskräftige Verurteilungen nach dem Strafgesetzbuch oder den strafrecht­lichen Nebengesetzen ausgesprochen. Im Jahr 2016 befanden sich circa 8 800 Per­sonen in österreichischen Justizanstalten in Haft, was nur geringfügige Veränderungen gegenüber den Jahren zuvor bedeutet.

Ein in Österreich markantes Phänomen ist der hohe Häftlingsanteil von Personen mit einer nichtösterreichischen Staatsbürgerschaft, das sich seit der Ostöffnung zu Beginn der 1990er-Jahre ausgebildet hat. 2016 befanden sich circa 4 800 Nichtöster­reicherIn­nen gegenüber 4 000 ÖsterreicherInnen in den österreichischen Justizanstalten. Dies­bezüglich sollte man in Zukunft nachdenken, wie man mit den verurteilten Nichtöster­reicherInnen umgeht.

Ich danke den Justizbeamtinnen und -beamten für ihre Tätigkeit. Ich danke auch den Polizis­tinnen und Polizisten für ihre Tätigkeit zum Wohle der Bevölkerung Österreichs.

Frau Kollegin Dziedzic, ein paar kleine Anmerkungen zu Ihren Ausführungen: „Un­sicherheitspaket“ ist genau der richtige Titel für die Grünen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Für Österreich ist es ein Sicherheitspaket!

Ich glaube, ich habe das auch das letzte Mal schon angesprochen: Es ist eigentlich gar nicht so, sondern man muss einmal schauen, was am Ende des Tages herauskommt. Wir alle wissen über die Anschläge in Frankreich und in Belgien, dass größtenteils über das Internet, über die Sony Playstation oder WhatsApp kommuniziert worden ist – und


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 174

bitte, Frau Staatssekretärin, du wirst es wissen, korrigiere mich da –, worauf wir keinen Zugriff hatten.

Wenn Sie jetzt über den Sicherheitsbericht 2017 - - (Ruf bei der ÖVP: 2016!) – 2017! Ich spreche ja gerade von einem neuen Sicherheitspaket, wobei wir eigentlich noch gar nicht genau wissen, was alles kommen und was am Ende des Tages dastehen wird. Ich glaube, es ist eine Verbesserung für die österreichische Bevölkerung, und ich glaube, das muss man schon auch so sehen: Wir wollen eigentlich ein sicheres und auch ein faires Österreich.

Ich denke, der Datenschutz wird in Österreich auch sehr hochgehalten. Damit schaue ich dem Paket mit vollster Freude für die Kolleginnen und Kollegen im BMI oder bei der Polizei entgegen. Damit können wir wieder besser für die Zukunft arbeiten. Ich glaube, wenn wir das durchbringen, ist es ein guter Tag für unsere Österreicherinnen und Österreicher. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.50


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. Ich erteile es ihm.


19.51.00

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Eigentlich könnte ich es mir ganz einfach machen und sagen: Der Sicherheitsbericht 2016 ist alt, aber gut. Das Thema Sicherheit ist mir aber so wichtig, und auch meine Vorredner haben mich dazu eingeladen, ein bisschen weiter auszuholen.

Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolle­ginnen! Vorweg: Unsere Heimat Österreich gehört zu den fünf sichersten Ländern dieser Erde. Darauf können wir alle miteinander sehr stolz sein! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: ... haben wir schon gehört!) Diese Tatsache ist ein Verdienst der Vorgängerregierung, nämlich der SPÖ-geführten Koalitionsregierung. Daher gefällt mir das Lob von Herrn Kollegen Schuster ganz besonders, dass er die Vorgängerregierung, die SPÖ-ÖVP-Regierung (Bundesrat Rösch: Da war der Zaun mit den Seitenteilen!), mit diesem Sicherheitsbericht positiv erwähnt hat. (Bundesrat Schuster: In Wien schaut es anders aus!)

Wo der Herr Schuster nicht wirklich bei seinen Leisten geblieben ist: Die größte Zusperrer-Regierung, was die Planposten und so weiter betrifft, wart ihr! ÖVP und Freiheitliche haben so viele Planposten bei den Polizeiämtern und -behörden gestrichen (Bundesrat Schuster: Jetzt kommt wieder die zehn Jahre alte Motten­kiste ...!) wie keine andere Regierung davor. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­rätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die Sicherheitsmilliarde hat ebenso zu diesem positiven Bericht beigetragen. Die Sicherheitsmilliarde war ebenso ein gemeinsames Projekt der Vorgängerregierung.

Diese Tatsache ist nämlich eben ein Verdienst der Vorgängerregierung, aber natürlich auch – und das zu erwähnen, will ich nicht versäumen – ein ganz großes Verdienst unserer Polizeikräfte und unserer Exekutive. Daher ist es auch mir ein großes Anliegen, mich bei allen Polizistinnen und Polizisten, bei allen Kräften der Exekutive, bei allen Einsatz- und Blaulichtorganisationen (Bundesrat Samt: ... wollen nicht klat­schen!), auch beim Zivilschutzverband Österreich für ihren Beitrag zu dieser guten Sicherheitslage zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Ich möchte speziell auf die sogenannten Big Five, die fünf relevanten Themen­schwer­punkte, kurz eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 175

Bei den Einbrüchen in Wohnungen und Wohnhäusern konnten wir im Berichtszeitraum eine Senkung von 16,4 Prozent verzeichnen. Die Aufklärungsrate beträgt 10 Prozent und ist die höchste Rate im zehn Jahre umfassenden Jahresvergleich.

Die Zahl der Anzeigen wegen Kfz-Diebstahl ist im Berichtsjahr ebenso um 10 Prozent gesunken, und die Aufklärungsrate ist ebenso hoch wie schon lange nicht mehr. Im Detail ist der Prozentsatz beim Diebstahl von Personenkraftwägen um fast 20 Prozent gesunken. In diesem Bereich zeigt vor allem die Sonderkommission Kfz, die seit 2009 tätig ist, ihre Wirkung.

Im Bereich der Wirtschaftskriminalität wurde ebenso eine leichte Senkung wahrge­nommen. Vor allem bei den Zahlen von qualifizierten Tatbeständen des schweren und des gewerbsmäßigen Betrugs durften wir einen Rückgang von 12,4 Prozent verzeich­nen.

Bei der Gewaltkriminalität gab es eine leichte Steigerung. Die Aufklärungsrate betrifft ebenso den Höchstwert der letzten zehn Jahre. Zwei von drei Gewalttaten sind Be­ziehungstaten. In 770 Anzeigen blieb der Polizei der Beziehungsstatus zwischen Täter und Opfer unbekannt.

Die fünfte kriminalitätsrelevante Statistik, die Cyberkriminalität – wir hörten es schon –, ist die am meisten steigende Kriminalitätsart. Dort mussten wir im Jahr 2016 leider Gottes eine Steigerung von über 30 Prozent verzeichnen.

Unter Cybercrime versteht man im engeren Sinn Straftaten, die an IT-Systemen oder Daten begangen werden. Ein Beispiel dafür ist der widerrechtliche Zugriff auf ein Computersystem. Cybercrime im weiteren Sinne nutzt das Internet als Kommuni­kations­plattform und umfasst auch Betrugsdelikte mit Tatort Internet, Kinderpornografie und die Anbahnung von Sozialkontakten. Da war leider Gottes ebenso eine Steigerung zu verzeichnen.

Am Dienstag hat die Beratung im Innenausschuss Folgendes ergeben: Unter anderem muss die Polizei als Dienstgeber attraktiver werden. Bei der Entlohnung gibt es einiges zu tun, sodass wir da auch Beamte und Beamtinnen einsetzen können, die das notwendige Rüstzeug haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, zugegeben: Es ist klar, jede einzelne Straftat ist um eine zu viel, aber der vorliegende Sicherheitsbericht 2016 ist ein sehr guter, darauf können wir aufbauen. Die Zahlen, Daten und Fakten beweisen es.

Wir sind uns, glaube ich, auch alle einig, dass zwischen der gefühlten Sicherheit und der tatsächlichen Sicherheit nach Daten und Fakten schon ein gewisser Unterschied besteht und dass die gefühlte Sicherheit der Bevölkerung nicht darauf zurückzuführen ist. Ich glaube, da haben auch meine Kolleginnen und Kollegen vor mir mit ihren Medien ein wenig dazu beigetragen.

Ich hoffe aber, dass Sie schon wissen, dass Sie jetzt nicht mehr in Opposition, sondern in der Regierung sind, und dass Sie das mit dem Aufhetzen und mit dem Unsicher­heitsfaktor ein wenig zurücknehmen. Vor allem, was diese Regierung und insbeson­dere dieser Bundesinnenminister in den ersten hundert Tagen zu verantworten haben, hat schon ein wenig dazu beigetragen, dass die gefühlte Sicherheit nicht an die tatsächliche Sicherheit herangeführt wurde. (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt natürlich überhaupt nicht!)

Ein Beispiel sind die Computerpannen in Ihrem Ministerium, das Sie heute hier ver­treten, ausgerechnet beim Nichtraucherschutzvolksbegehren, welches von Ihrer Partei massiv bekämpft wird. Von einem Tag auf den anderen (Bundesrätin Mühlwerth: Das wird überhaupt nicht bekämpft!) nehmen Sie das mit der direkten Demokratie doch


BundesratStenographisches Protokoll878. Sitzung, 878. Sitzung des Bundesrates am 5. April 2018 / Seite 176

nicht mehr so genau. Genau in jenen Tagen (Bundesrätin Mühlwerth: Erzählen Sie keine Geschichten, die nicht stimmen!) war der Innenminister hoch zu Ross in bayerischen Gefilden unterwegs – als ob wir in Wien nicht schon die Fiaker und die Lipizzaner hätten! (Beifall bei der SPÖ.)

Die ungeklärten Vorfälle im Zusammenhang mit den brutalen Umfärbungsversuchen im BVT: Kurz vor (Bundesrat Schuster: ... fängt mit der Geschichte wieder an! – Bun­desrätin Mühlwerth: Das stimmt doch nicht!) der österreichischen EU-Präsidentschaft haben wir unseren Geheimdienst, unser BVT, massiv geschwächt. Ausgerechnet Ihre Parteigänger haben dort Daten von der Nazijägerin des Landes (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist wirklich blanker Unfug!) in Beschlag genommen. (Ruf bei der FPÖ: Glaubst du das wirklich, oder nicht? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das Überwachungspaket – wir hörten es heute schon von der grünen Kollegin – soll in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ohne öffentliches Hearing durchgepeitscht werden. Ich glaube, der alte Metternich hätte mit euch eine Freude! (Bundesrätin Mühlwerth: Also wirklich ...!) Der Bundestrojaner bringt letztlich still und leise wahrscheinlich auch (Bundesrätin Mühlwerth: ... alles falsch!) das Briefgeheimnis in Gefahr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, auf die Arbeit unserer Polizeikräfte können wir stolz sein, auf diesen Sicherheitsbericht können wir stolz sein. (Bundesrat Samt: Auf dich nicht!) Ob wir auf diesen Innenminister, auf die ersten 100 Tage stolz sein können? – Lassen wir ihm noch ein bisschen Zeit, er hat ja noch Zeit zum Lernen. (Bundesrätin Mühlwerth: Auf dich sind wir auch nicht stolz!) Ich hoffe, dass er darauf aufbaut und die gefühlte Sicherheit an die tatsächliche Sicherheit heranführt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen ohne Fraktionszugehörigkeit.  – Bundesrat Samt: Der nächste Sicherheitsexperte, der keine Ahnung hat. – Bundesrat Schuster: Keine Ahnung!)

20.00


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staats­sekretärin Mag. Karoline Edtstadler. – Bitte.


20.00.38

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Diese Bundesregierung ist nun seit etwas mehr als 100 Tagen im Amt, ganz im Sinne des Regierungsprogrammes „Zusammen. Für unser Österreich.“ Auch wenn mir einiges in meiner täglichen Arbeit als Staatssekretärin bereits zur Routine geworden ist, feiere ich heute sozusagen eine Premiere: Ich bin zum ersten Mal bei Ihnen im Bundesrat und ich freue mich sehr darüber. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ganz besonders freue ich mich aber über die aktuelle Debatte zu Sicherheitsthemen, denn Sicherheit ist ein ganz zentrales Anliegen der Menschen. Auch ich habe von Anfang an, als ich diese Funktion übernommen habe, gesagt, dass es mir ein Anliegen ist, den Umstand, dass wir in einem der sichersten und auch schönsten Länder dieser Welt leben, für uns und für die Generationen nach uns zu erhalten. Es geht darum, die Sicherheit, den sozialen Frieden und den Wohlstand in diesem Land langfristig zu erhalten.

Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, würde ich fast sagen, ist ein Tag der Sicherheit. Wir haben es schon gehört: Auch der Innenausschuss und der Justizaus­schuss haben sich mit dem Sicherheitspaket beschäftigt. Wenn wir dazu schon Superlative gehört haben, dann würde ich hier gerne einen weiteren Superlativ anhän-


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gen, und zwar einen, den ich für richtig halte: Das ist eines der am besten begut­achteten Pakete, die wir überhaupt in letzter Zeit hatten. Ich blicke immerhin auf fünf Jahre Tätigkeit im Justizministerium und viele Gesetzesvorlagen zurück. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie wissen, dass ich in meinem – wenn Sie wo wollen – früheren Leben Strafrichterin war. Als Strafrichterin ist man der materiellen Wahrheitsfindung verpflichtet. Ich kann nun der Versuchung nicht widerstehen, etwas richtigzustellen, weil hier ja schon eine Debatte entbrannt ist. Richtig ist, dass man sich auch beim Sicherheitspaket auf eine Ausschussbegutachtung und auf ein Hearing geeinigt hatte. Der Umstand, dass dann plötzlich die Opposition gefordert hat, dass dieses Hearing öffentlich sein solle, ist neu gewesen. Ich kann Ihnen sagen, dass es sehr bedauerlich ist, dass kein Hearing im Innenausschuss stattgefunden hat. Die Regierung bedauert das, denn es wäre die Chance gewesen – auch für die Abgeordneten –, hier auf einer breiten Basis mit Exper­ten zu diskutieren. Dass das Hearing öffentlich sein sollte, war eine spätere Forderung. Sie wissen ganz genau, dass das eine Ausnahmebestimmung in der Geschäftsordnung ist. Ich darf auch daran erinnern, dass im Jahr 2015 unter Justiz­sprecher Jarolim die StPO auch nicht öffentlich in einem Hearing begutachtet wurde und kein öffentliches Hearing im Ausschuss stattgefunden hat, sondern dass dieses eben, wie es die Geschäftsordnung auch vorsieht, nicht öffentlich war. (Bundesrätin Mühlwerth: Schau, schau!)

Lassen Sie mich aber jetzt zum Sicherheitsbericht 2016 kommen! Der Sicherheits­bericht ist ein strategischer Leistungsbericht des Bundesministeriums für Inneres. Er ist ein Tätigkeitsbericht der rund 33 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tagtäglich für die Sicherheit in diesem Land sorgen. Ich möchte auch von dieser Stelle aus allen Polizistinnen und Polizisten und Beamtinnen und Beamten dafür Danke sagen, dass sie täglich das Risiko auf sich nehmen und auch in unvorhersehbare Situationen hineingehen, um für uns die Sicherheit in diesem Land aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es ist auch richtig, dass wir in der Zwischenzeit die Daten der Kriminalstatistik aus dem Jahr 2017 vorliegen haben. Deshalb darf ich – auch wenn es von einigen schon ange­klungen ist – in meinen Ausführungen zu ein paar wenigen Zahlen auch die Zahlen aus dem Jahr 2017 reflektieren. Im Jahr 2016 hatten wir einen Anstieg bei den Anzeigen von ungefähr 3,8 Prozent zu verzeichnen. Die Gesamtzahl mit 537 792 ist wohl beein­druckend. Richtig ist, dass im Jahr 2017 die Zahl der Anzeigen leicht zurückging, um 5,1 Prozent nämlich, aber es sind immer noch über 510 000 Anzeigen, die hier zu Buche schlagen. Die Aufklärungsquote war mit 45,9 Prozent im Jahr 2016 so hoch wie überhaupt noch nie und ist im Jahr 2017 laut Kriminalstatistikdaten noch gestiegen, und zwar auf über 50 Prozent, was ein weiteres Plus von 4,2 Prozent bedeutet.

Die Herausforderungen im Jahr 2016 für die Sicherheitsbehörden sind auch klar. Sie lagen vor allem darin, die Auswirkungen der Migrationsbewegung zu bewältigen, damit umzugehen. Ein klarer Fokus lag auch darauf, das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat weiter zu stärken. Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass die Initiative Gemeinsam sicher im Sicherheitspaket des Innenminis­teriums heute eine gesetzliche Grundlage durch die Beschlussfassung im Innenaus­schuss bekommen hat, denn sie ist weiterentwickelt worden und es werden jetzt Sicherheitsforen eingeführt, in denen auf regionaler Ebene die Probleme ange­sprochen, diskutiert und auch gelöst werden sollen. Ich halte das für eine ganz wesent­liche Sache, die in diesem Sicherheitspaket drinnen ist, und ich möchte das auch hervorheben.

Zu den Big Five möchte ich nur ganz kurz kommen, weil einiges schon gesagt wurde. Richtig ist, dass es einen Rückgang bei Wohnraumeinbrüchen und auch bei Kfz-


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Diebstählen gibt, und zwar im zweistelligen Bereich. Wohnraumeinbrüche gingen im Jahr 2016 um 16,4 Prozent zurück. Das setzt sich fort: Wir haben da ein weiteres Minus von 9 Prozent im Jahr 2017zu verzeichnen. Auch bei den Kfz-Diebstählen gab es einen Rückgang um 10 Prozent im Jahr 2016 und im Jahr 2017 einen weiteren Rückgang um 11,2 Prozent.

Allerdings muss man auch darauf hinweisen, dass bei den Gewaltdelikten im Jahr 2016 ein Anstieg zu verzeichnen war, und zwar um fast 7 Prozent. Auch wenn 2017 ein Rückgang von 2,4 Prozent zu verzeichnen ist, dann ist das aus meiner Sicht kein Grund, sich zurückzulehnen und auch nicht, sich zu freuen, denn jedes einzelne Gewaltdelikt ist eines zu viel. Bei den Delikten gegen die sexuelle Integrität und die Selbstbestimmung haben wir ein Plus von 15 Prozent zu verzeichnen. Jetzt mögen einige sagen: Ja, das ist auf die Änderungen im Gesetz zurückzuführen, die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 eingeführt wurden – in Geltung seit 1.1.2016. Das war also das erste Jahr, nachdem der Straftatbestand der sexuellen Belästigung aus­geweitet wurde und das hat hier zu einem Plus geführt. Ich kann Ihnen aber sagen: Auch im Jahr 2017 haben wir – wenn auch einen leichteren, aber doch – einen Anstieg von ungefähr 1 Prozent bei Gewaltverbrechen gegen die sexuelle Integrität zu ver­zeich­nen.

Ein ganz wichtiger Teil, auf den auch ein Augenmerk zu legen sein wird, ist der Anstieg bei Cybercrime, sowohl im Jahr 2016 um über 30 Prozent, als auch im Jahr 2017 um 28,3 Prozent. Ähnliches – wenn auch mit niedrigeren Zahlen – ist bei der Wirtschafts­kriminalität zu verzeichnen. Hier ist ein Anstieg von 10,9 Prozent im Jahr 2016 und ein weiterer von 2,6 Prozent laut Kriminalstatistik 2017 zu verzeichnen.

Nun, das sind alles Dinge, bei denen es noch weiterzuarbeiten gilt, um noch bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Sicherheitsbericht ist aber auch eine Leistungs­bilanz der Justiz und ich darf hier heute auch in Vertretung des Herrn Bun­desminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein paar Worte darüber verlieren.

Im Jahr 2016 wurden von der Justiz 263 260 Verfahren justiziell enderledigt. In über 170 000 Verfahren kam es zu einer Einstellung, in knapp 40 000 Verfahren zu einer Diversion, in über 31 000 – also fast 32 000 – Verfahren zu Verurteilungen und rund 10 200 Verfahren wurden mit einem Freispruch beendet. Der Rest, der sich hier ergibt, entfällt auf abgebrochene Verfahren.

Weiterhin können wir einen Tiefstand bei der Verfahrensdauer in Strafsachen verzeich­nen, und zwar für landesgerichtliche Verfahren. Ja, aber es ist richtig: Bei Großver­fahren muss die Verfahrensdauer kürzer werden. Das ist natürlich immer etwas zweischneidig. In 98 Prozent der Fälle verlaufen die Verfahren schnell, in wenigen verläuft das Verfahren nicht schnell, und die wenigen sind dann sozusagen medial präsent. Es ist mir aber wichtig, hier zu betonen, dass die Verfahren in der Justiz kurz sind und der Median für landesgerichtliche Verfahren bei 1,1 Monaten liegt.

Insgesamt kam es bei 47 645 Delikten zu einer Verurteilung. Wenn ich zuerst gesagt habe, es kam zu rund 32 000 Verurteilungen, nun aber sage, es wurde bei mehr Delikten verurteilt, dann liegt das daran, dass in einer Verurteilung oft mehrere Delikte verurteilt werden, deshalb gibt es hier sozusagen die höhere Deliktszahl.

Delikte gegen fremdes Vermögen sind um rund 5,2 Prozent zurückgegangen, Delikte gegen Leib und Leben um 2,1 Prozent, Suchtmitteldelikte um 7,2 Prozent. Aber auch hier gibt es einen deutlichen Anstieg bei Delikten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, nämlich um über 15, fast 16 Prozent – genau um 15,7 Prozent.

Insgesamt, muss man sagen, kann man hier einen positiven Trend erkennen. Die Maß­nahmen haben gegriffen. 2017 gab es eben einen deutlichen Rückgang bei den Anzei-


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gen um 5,1 Prozent, einen weiteren Anstieg bei der Aufklärungsquote auf nunmehr über 50 Prozent – nicht zuletzt deshalb, weil die Polizistinnen und Polizisten hervor­ragende Arbeit leisten. Das muss man immer dazusagen. Aber wir müssen auch weiter­hin danach trachten, die Strafverfolgungsbehörden mit den bestmöglichen Rah­menbedingungen auszustatten, und zwar auch auf der Höhe der technischen Zeit und der technischen Möglichkeiten.

Wenn Sie hier davon sprechen, dass Dinge eingeführt werden, die zu Gefahren führen, dann sage ich Ihnen Folgendes: Die Überwachung von verschlüsselten, internetba­sierten Kommunikationen ist etwas, was notwendig ist, denn es kann nicht sein, dass abhängig vom Kanal, den Kriminelle verwenden, ein Unterschied gemacht wird, ob ich als Strafverfolgungsbehörde – mit sehr hohen Eingangsschwellen – das nutzen kann und mir das anschauen kann oder nicht. Darum geht es auch in diesem Paket, das heute im Innen- und im Justizausschuss diskutiert wurde.

Mehr Personal ist auch schon beschlossen worden. Bis Ende 2022 – also über die gesamte Legislaturperiode – soll es 2 100 neue PolizistInnen auf der Straße und 2 000 zusätzliche Ausbildungsplanstellen geben.

Das Sicherheitspaket ist ein wichtiger Schritt, um Terrorismus und Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Österreich wird spätestens im zweiten Halbjahr 2018 im Zentrum der Aufmerksamkeit Europas stehen. Wir werden auch die Sicherheit in das Zentrum der EU-Ratspräsidentschaft stellen.

Wenn Sie mir erlauben, Herr Präsident, würde ich an dieser Stelle auch gerne gleich den Bogen, die Brücke zum nächsten Tagesordnungspunkt schlagen, und zwar zum Bericht betreffend die Legislativ- und Arbeitsprogramme der Europäischen Kommission und deren Schwerpunkte. Die Ratspräsidentschaft wird unter dem Motto „A Europe that protects“ stehen – also: Ein Europa, das schützt. Ich verrate Ihnen kein Ge­heimnis, wenn ich Ihnen sage, dass ich eine glühende Europäerin bin. Meine letzte Station war am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, also einer Institution des Europarates. Auch wenn die Institutionen Europarat und Europäische Union institutionell nicht miteinander verbunden sind, so bin ich doch regelmäßig über die Brücke gegangen, die in Straßburg den Europarat und das EU-Parlament mitei­nander verbindet. Es ist unsere Verpflichtung, auch während der EU-Ratspräsident­schaft danach zu trachten, eine Brücke zu den Bürgern zu schlagen, denn wir brauchen eine bürgernahe, eine krisenfeste und eine zukunftsorientierte Union. Wir brauchen eine Union, eine Europäische Union, die Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit schafft und die die Krisenfähigkeit der EU wieder stärkt.

Die Europäische Union ist eines der erfolgreichsten Friedensprojekte aller Zeiten. Die zentralen Herausforderungen für uns liegen im Sicherheitsbereich: unkontrollierte Migrationsbewegungen, zunehmend extremistische und terroristische Aktivitäten, neue Gefahren im Bereich der Kriminalität – ich habe es auch angesprochen: der Cyber­kriminalität. Daher müssen wir Schwerpunkte setzen. Wir wollen diese Schwerpunkte auch im Sicherheitsbereich setzen. Es geht um den Kampf gegen illegale Migration. Es geht darum, funktionsfähige, resiliente und faire EU-Asyl- und Migrationssysteme zu schaffen. Denn wir wissen von vielen, dass sie ja nicht irgendwo hinwollen – deshalb haben Verteilungsquoten auch nicht wirklich Erfolg –, sondern dass sie nach Öster­reich, nach Deutschland, nach Schweden wollen. Bundeskanzler Kurz hat es mehrfach deutlich gesagt: Es kann nicht sein, dass sich die Menschen, die sich illegalen Schleppern anvertrauen und die die stärksten sind, die sich zu uns durch­schlagen, dann aussuchen, wo sie leben. Wir brauchen hier Lösungen, die wirklich für alle tragbar sind und die auch funktionieren, um den Menschen wieder zu zeigen, dass die EU in der Lage ist, diese Situation zu bewältigen.


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Es geht auch darum, die Förderung von Deradikalisierungsprogrammen voranzutrei­ben, um auch da die Bekämpfung des Terrorismus zu stärken, ebenso wie die Be­kämpfung der organisierten Kriminalität. Es braucht außerdem eine organisierte poli­zei­liche Zusammenarbeit. Wir müssen den Informationsaustausch zwischen den Behörden optimieren, damit die Strafverfolgungsbehörden auch über die nationalen Grenzen hinaus zusammenarbeiten können. Nur so können wir die Sicherheit in Europa für unsere Menschen und das Vertrauen in die Europäische Union und ihre Institutionen wieder stärken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Sicherheitsbericht 2016 zeigt, dass wir in die richtige Richtung gehen, aber – ich habe es angesprochen – es gibt in vielen Bereichen noch vieles zu tun. Diese Bundesregierung nimmt diese Schritte und diese Verantwortung wahr und geht Schritt für Schritt vor und setzt die beschlossenen Projekte laut Regierungsprogramm um.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Unterstützung bei dieser Arbeit und freue mich auf die Beschlussfassung, die hoffentlich in einer großen Zustimmung enden wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.14


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Mag. Michael Raml. Ich erteile es ihm.


20.15.02

Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Galerie oben sind keine Leute mehr, aber im Livestream, nehme ich an. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit wollte ich mich schon fast von der Rednerliste streichen lassen. Ich habe gedacht, es wird eh schon viel gesagt worden sein. Ich bin froh, dass ich es nicht getan habe, werde aber versuchen, mich möglichst kurz zu halten. Es gehören nämlich schon ein paar Dinge ins rechte Licht gerückt.

Zunächst einmal: Kollege Schuster hat einige Dinge sehr, sehr klar angesprochen. Da habe ich noch gedacht: Na, ob das notwendig ist, wo die SPÖ eh so ruhig ist? – Kollege Schuster ist offenbar ein Hellseher und hat die tiefgreifenden, aber nicht sehr bewegenden Angriffe des Kollegen Weber offenbar schon im Vorhinein erkannt.

Zur SPÖ und Sicherheitspolitik gäbe es viel zu sagen. Eines vorweg dazu: Wenn wir schon in dieser Runde so ein bisschen darüber diskutieren, es heute auch schon beim Rauchverbot oder beim Nichtraucherschutz diskutiert haben, dann muss ich schon eines sagen: Mir kommt vor, die SPÖ ist in der letzten Regierung ein bisschen der Hemmschuh gewesen, was Sicherheit in Österreich betroffen hat. Die SPÖ war aus meiner Sicht der Klotz am Bein der ÖVP. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich kenne das ja aus meiner Heimatstadt Linz, wo ich sechs Jahre im Gemeinderat war. Die SPÖ-Stadt Linz! Ich habe das selbst miterlebt. Bei aller guten Zusammen­arbeit, die mit der SPÖ möglich war, beim Thema Sicherheit hat man alles mühsam herausverhandeln müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Da ist im Zweifel alles dreimal hinterfragt worden, geschaut worden, ob man nicht etwas braucht. Man hatte schon fast den Eindruck, dass der Täterschutz vor dem Opferschutz kommt. (Bundesrat Schennach: Geh, hör auf!) Das war mein Eindruck. (Bundesrat Weber: Falsch!) Und genau das war auch der Eindruck, glaube ich, den die SPÖ in der letzten Regierungsperiode bei der ÖVP in puncto Sicherheit hinterlassen hat.

Ein paar Worte zum Sicherheitspaket. Kollegin Dziedzic ist leider nicht da. (Bun­desrätin Posch-Gruska: Ah doch noch! Ich habe schon geglaubt, wir wissen nicht,


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worum es geht!) – Na ja, darauf darf man ja erst eingehen, wenn wir schon in der Debatte sind. Ja, warum brauchen wir jetzt so ein Sicherheitspaket? Warum brauchen wir das? Das ist nicht deshalb, weil auf den Zeltfesten so wild gerauft wird, dass man als Polizei nicht mehr weiß, wie man zusammenkommen soll. (Bundesrat Stögmüller: Damit der Kickl weiß, was los ist!) Warum brauchen wir das Sicherheitspaket? – Ich sage euch das: Kommen wir in das Jahr 2016 zum Sicherheitsbericht zurück!

Es ist eine traurige Chronologie, ich bringe hier nur die Kurzfassung. Europa, Brüssel, März 2016: Mit mehreren Bomben töten islamische Attentäter am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in einer Metrostation 32 Menschen. Nizza, Juli 2016: Ein Attentäter rast mit einem Lastwagen auf dem Strandboulevard in eine Menschen­menge. 86 Menschen sterben. Der IS ist nach Angaben seines Verlautbarungsorgans Amaq für den Anschlag verantwortlich. Berlin, Dezember 2016 – daran erinnern wir uns leider auch –: Kurz vor Weihnachten wird die deutsche Hauptstadt zum Ziel eines Terroranschlags. Zwölf Menschen kommen um. Warum? – Weil ein IS-Anhänger einen gekaperten Lkw in einen Weihnachtsmarkt steuert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade von SPÖ und Grünen! Das ist der Grund dafür, warum wir in Österreich fast schon monatlich über ein strengeres Strafrecht, über ein strengeres Sicherheitspolizeigesetz, generell über ein strengeres Sicherheitsrecht diskutieren müssen. Das ist der wahre Grund! Das muss auch einmal gesagt sein.

Zu diesem Paket, das jetzt kommt, muss uns auch eines klar sein: Auch die Polizei muss mit der Zeit gehen. Natürlich haben wir auch oft sehr kritische Worte gefunden, was Überwachung betrifft. Uns wäre lieber, wir bräuchten das Ganze nicht. Aber wenn man sich die Zeiten anschaut, sieht man: Die Entwicklung, der Terror, die Kriminalität machen eben auch vor der Technik, auch vor WhatsApp nicht halt.

Die SPÖ und auch die Grünen haben letztes Mal schon gezeigt, was sie von Sicherheitspolitik verstehen. Das möchte ich an dieser Stelle schon auch noch einmal klar betonen. Wenn ich mich da so erinnere, glaube ich, wenn es nach euch gegangen wäre, hätte man die Polizei statt mit Pistolen mit Bananen ausgestattet. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Hausdurchsuchungen gehören laut euch großspurig im Vorhinein angekündigt und schließlich glaube ich, eine Gerichts­verhandlung sollte nach eurem Modell eher ein Kaffeekränzchen statt ein rechts­staatliches Verfahren sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sicherheitsbericht 2016 trägt immerhin eine starke Handschrift der ÖVP. Mit der ÖVP – das haben wir in den Regierungs­verhandlungen erkannt – kann man in puncto Sicherheit sehr, sehr viel bewegen.

Zum Abschluss darf ich Ihnen noch ein erfreuliches aktuelles Beispiel bringen, was freiheitliche Sicherheitspolitik bedeutet. In Wels, in meinem Heimatbundesland Ober­österreich, wird durch Minister Kickl eine Polizeischule statt eines Asylgroßquartiers eingerichtet. Das ist freiheitliche Sicherheitspolitik! So soll es weitergehen. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.20


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Michael Lindner. – Bitte.


20.20.52

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und


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Kollegen! Eigentlich ist es ja dankbar, nach Kollegen Raml zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Raml: Bitte gerne!) Er und sein Kollege Schuster haben es wieder einmal geschafft, alle blauen Stehsätze und Plattitüden zu bringen. 100 Prozent beim FPÖ-Bingo – gratuliere! Aus meiner Sicht waren aber nicht sehr viele stichhaltige Argumente dabei. Wenn man aus jener Partei kommt, die zwischen 2000 und 2006 Hunderte Polizeiposten im ländlichen Raum geschlossen hat, Hunderte, Tausende Stellen bei der Polizei abgebaut hat (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Samt: Warum applaudieren die jetzt?), gerade dabei ist, das BVT de facto in die Luft zu sprengen, sollte man den Mund nicht so weit aufmachen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind jetzt die Plattitüden der SPÖ!)

Vielleicht übertüncht man damit aber auch ein Problem, das der Amtsvorgänger Wolfgang Sobotka in seinem Vorwort zum Sicherheitsbericht 2016 beschrieben hat. Er hat geschrieben: „Auch das Ansteigen rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Taten um 13,6 % gibt Anlass für erhöhte Aufmerksamkeit.“ (Bundesrat Samt: Das sind eure Plakatschmierer!) – Rechtsextrem! Aufpassen, rechtsextrem! (Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt nicht viele Sätze, bei denen ich Wolfgang Sobotka recht gebe, aber diese Feststellung unterstütze ich. Und ich glaube, er untertreibt da sogar. 2016 sprechen wir von 1 313 Tathandlungen mit rechtsextremen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Motiven. Das ist eben ein Anstieg um 13,6 Pro­zent. Aufgrund einer überdurchschnittlichen Aufklärungsquote von über 60 Pro­zent wissen wir sehr genau, wo diese rechten Netzwerke und TäterInnen sind; sie sind für uns auffindbar.

Den Stellenwert, den diese rechtsextremen Netzwerke in der Beobachtung verdient haben, den geben Sie ihnen im Sicherheitsbericht aber nicht. Eine knappe Seite wird dem Thema im Bericht gewidmet, und einer genaueren Analyse dieser rechtsextremen Netzwerke und neuen Gefahren von rechts geben Sie wenig Raum, sogar weniger Raum als dem Linksextremismus – und das, obwohl viermal mehr rechtsextreme Taten zu verzeichnen sind als linksextreme Aktionen (Bundesrätin Mühlwerth: 2016 schon! Wie soll denn das gehen?), und das, obwohl wir seit dem Jahr 2015 über 1 400 Beschuldigte nach dem Verbotsgesetz in Verfahren haben. Knapp hundert Verur­teilungen waren das im vorigen Jahr laut einer Anfragebeantwortung. Das sind doppelt so viele wie 2015, durchschnittlich ungefähr zwei Verurteilungen pro Woche. Das ist ein historisch hoher Wert, und damit müssen wir uns als Parlament dringend be­schä­ftigen und aktiv gegen rechtsextreme und demokratiefeindliche Ideologien auftre­ten.

Ich glaube deswegen, dass es schon lange an der Zeit ist, den Rechtsextremis­mus­bericht wieder einzuführen, den Sie, liebe FPÖ, in Ihrer Regierungszeit abgeschafft haben. Vielleicht ist ja auch ein Grund, dass der derzeitige Innenminister 2016 Stargast bei so einem rechten Treffen in Linz war. Die Teilnehmer dieses Kongresses, also auch der jetzige Innenminister, sind übrigens vom Verfassungsschutz dabei beobach­tet worden. (Bundesrat Raml: Und es ist nichts festgestellt worden!)

Wir müssen die Gefahren, die von der extremen Rechten und von Neonazis in Öster­reich ausgehen, explizit adressieren, und das gerade im Erinnerungsjahr 2018. Es braucht dringend einen Ausbau von historischer und politischer Bildungsarbeit, mehr Unterstützung für Erinnerungsarbeit, und da erwarte ich mir von der Bundesregierung eine klare Strategie. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Eine solche Strategie ist aber offensichtlich nicht so einfach, wenn man als Regie­rungspartei, die noch dazu den Innenminister stellt, wöchentlich durch Einzelfälle auf-


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fällt oder, wie es unser Klubvorsitzender im Nationalrat, Christian Kern, in einem Inter­view gesagt hat, sich – unter Anführungszeichen – „den Hooligansektor in die Kabi­nette“ holt.

Frau Staatssekretärin, auch wenn es nicht direkt zum Thema gehört, aber wenn wir diesen Bericht von 2016 so spät im Parlament diskutieren, bin ich schon sehr dafür, dass wir beim Überwachungspaket, Sicherheitspaket genau bleiben. Im Bericht 2016 selbst sehen wir, dass Cybercrime – und Sie haben es selbst angesprochen – stark ansteigt und dass die globale Vernetzung und die Sozialen Medien natürlich auch ganz entscheidend kriminelle Strukturen unterstützen. Dass man da reagieren muss, ist grundsätzlich klar. Die Frage ist dabei immer nur, wie und wie viel Freiheit man für Sicherheit riskiert. Ich bin der Meinung, und ich glaube, auch unsere Fraktion, dass wir mit dem vorliegenden Sicherheitspaket einige Schritte zu weit gehen. Ich bin froh, dass wir von der SPÖ dieses sensible Paket im vergangenen Herbst nicht mehr unterstützt haben, denn es braucht eine sehr sensible Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit und man muss da sehr sensibel vorgehen. Mein Eindruck ist: Sie sind da nicht sensibel, sondern Sie agieren mit dem Vorschlaghammer. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Expertinnen und Experten sprechen von den wahrscheinlich massivsten Verschärfun­gen von Überwachungsbefugnissen in der Zweiten Republik. Kollegin Dziedzic hat den ehemaligen ÖVP-Sicherheitssprecher Michael Ikrath zitiert, der gesagt hat: „Gravierende Entschärfungen wären nötig, andernfalls mache Österreich damit einen dramatischen Schritt [...] zu einem polizeilichen Überwachungsstaat“. Kollege Ikrath ist nicht gerade ein Sozialdemokrat, glaube ich. (Bundesrat Mayer: Er ist seit zehn Jahren nicht mehr im Parlament!) Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass im Begut­achtungsverfahren über 9 000 Stellungnahmen eingegangen sind. Das ist genau der Grund für uns gewesen, zu sagen, deswegen brauchen wir ein öffentliches Hearing. Wenn es um die Freiheit und um die Sicherheit aller Österreicherinnen und Öster­reicher geht, dann haben wir es uns verdient, dass ein ordentliches öffentliches Hearing durchgeführt wird. (Bundesrat Schuster: Ihr wolltet nie ein öffentliches Hearing! – Bundesrat Samt: Das ist jetzt aber populistisch!)

Vielleicht wollen Sie aber dieses öffentliche Hearing nicht, weil Sie sich dann Sätze wie den des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages anhören müs­sen, der gesagt hat: Mit diesem Vorschlag „reihen wir uns in die Reihe jener Länder ein, die – wie Ungarn oder Polen – Angst vor ihren eigenen Bürgern haben“. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen ganz genau, und da bleiben wir bitte sehr genau, dass die Videoüber­wachung ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit ist, wenn Unternehmungen mit öffentlichem Versorgungsauftrag – Wiener Linien, ÖBB, Asfinag – in Zukunft den Sicherheitsbehörden ihre Videoaufzeichnungen vorlegen müssen und diese auch nicht mehr löschen dürfen, wenn das eine Risikoanalyse bestätigt. Es kann daher davon aus­gegangen werden, dass in Zukunft die Daten von Kameras an allen neuralgischen Punkten – Bahnhöfen, Verkehrsknotenpunkten –, von Verkehrskameras vier Wochen gespeichert bleiben. Dadurch wird es auch möglich, dass man von privaten Personen Bewegungsprofile erstellt, und da können wir nicht mit.

Betreffend Bundestrojaner ist schon angesprochen worden, und eigentlich geben Sie das auch in Ihren eigenen Unterlagen zu, dass das noch nicht eine ganz ausgereifte Technologie ist, denn Sie erwähnen, dass diese Ermittlungsmaßnahmen nach dem derzeitigen Stand der Technik quantitativ und qualitativ total ressourcenintensiv sind. Das beweisen Sie auch damit, dass das de facto erst 2020 in Kraft treten soll, befristet auf fünf Jahre. Es werden damit nicht nur WhatsApp und Skype überwacht, sondern


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sämtliche Daten, die auf dem Datenträger sind und die mit dem Datenträger in Kontakt stehen. Technisch ist es sogar möglich, mit solchen Tools fremde Daten auf einen Com­puter zu spielen, dadurch theoretisch auch anderen Personen etwas unterzu­schieben, mit allen strafrechtlichen Konsequenzen. Das ist staatliches Hacken, und es wird abenteuerlich werden, mit welchen Vertragspartnern Sie da zusammenarbeiten werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das gibt es ja jetzt alles schon!)

Es ist deshalb gut und richtig gewesen, dass dieses Paket im Herbst am Widerstand der SPÖ gescheitert ist, nämlich zu Recht gescheitert ist. (Bundesrat Rösch: Das habt ihr selbst vorbereitet!) Und es ist ebenso bezeichnend, dass die FPÖ, die voriges Jahr noch DDR-Vergleiche angestellt hat, jetzt alles positiv sieht. Das spricht für sich!

Ich möchte nur noch mit einem Zitat von Benjamin Franklin schließen, der gesagt hat: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlie­ren.“ – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

20.29


20.29.06Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit – es gibt eine Gegenstimme –, der Antrag ist somit angenommen.

20.30.02 19. Punkt

Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission für 2018 sowie dem Achtzehnmonats­programm des estnischen, bulgarischen und österreichischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-641-BR/2018 d.B. sowie 9938/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zum 19. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Längle. – Ich bitte um den Bericht.


20.30.19

Berichterstatter Christoph Längle: Ich komme zum Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2018 sowie dem Achtzehnmonatsprogramm des estnischen, bulgarischen und österreichi­schen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2018 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2018 sowie dem Achtzehnmonatsprogramm des estnischen, bulgarischen und österreichischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union zur Kenntnis zu nehmen.

20.31.11

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Herr Berichterstatter.

Es liegen keine Wortmeldungen dazu vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.31.40Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Bericht­erstattung über den Antrag 250/A(E)-BR/2018 betreffend „Erhalt von Integrationsklas­sen an Sonderschulen“ eine Frist bis 25. April 2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Kinder­rechte­ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 249/A(E)-BR/2018 betreffend „Weiterführung der Jugendhilfe nach Erreichung der Volljährigkeit“ eine Frist bis 25. April 2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

20.32.55Einlauf


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 3472/J-BR/2018 und 3473/J-BR/2018, eingebracht wurden.

*****

Ich weise darauf hin, dass die noch verbleibenden, nicht nach der 877. Sitzung am 3. April 2018 konstituierten Ausschüsse unmittelbar jetzt im Anschluss an die heutige Plenarsitzung hier im Großen Redoutensaal konstituiert werden. – Ich bitte also alle, noch hierzubleiben.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 26. April 2018, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


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Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 25. April 2018, 14 Uhr, vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.33.57Schluss der Sitzung: 20.33 Uhr

 

 

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