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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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843. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 2. Juli 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

843. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Juli 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Juli 2015: 9.05 – 20.34 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl eines/einer Ordners/-in

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geän­dert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Be­amten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selb­ständigenvorsorgegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landar­beitsgesetz 1984 geändert werden (Meldepflicht-Änderungsgesetz)

4. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absenkung der SVA-Beiträge durch Zusammenlegung der So­zialversicherungsträger (201/A(E)-BR/2014)

5. Punkt: 2. Freiwilligenbericht

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (16. FSG-No­velle)

9. Punkt: Rücktritt vom Internationalen Energie-Agentur Durchführungsübereinkommen zur Errichtung des Kohletechnischen Informationsdienstes

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Informationsweiterverwendungsgesetz geän­dert wird

11. Punkt: Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Maschinen, Geräten, Aus­rüstungen oder deren Teile oder Zubehör im harmonisierten Bereich und die Notifizie­rung von Konformitätsbewertungsstellen (Maschinen – Inverkehrbringungs- und Notifi­zierungsG; MING)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Seve­so III – Novelle) und mit dem das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 2

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird

15. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2014

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Präsidentin des Landtags Steiermark betreffend Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ................................................................................................................ 10

Angelobung der Bundesräte Armin Forstner, Mag. Ernst Gödl, Gregor Ham­merl, Hubert Koller, Gerd Krusche, Mario Lindner, Arnd Meißl, Peter Samt und Martin Weber .................... 13

Antrittsansprache des Präsidenten Gottfried Kneifel ............................................. 13

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer ge­mäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung – Bekanntgabe ................................................................................. 17

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 der Geschäftsord­nung                   17

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer .................................................................... 17

Debatte:

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 21

Werner Stadler .............................................................................................................. 23

Hermann Brückl ........................................................................................................... 27

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 30

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer .................................................................... 33

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (UNIDO) und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) über einen Bil­dungsbeitrag durch den Herrn Bundespräsidenten ................. 70

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China über die Rechtshilfe in Strafsachen durch den Herrn Bundespräsidenten ............................ 74

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Rechtshilfe in Strafsa­chen durch den Herrn Bundespräsidenten .................................................................... 77

1. Punkt: Wahl eines/einer Ordners/-in ......................................................................... 80


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 3

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 149

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 149

Einwendungen gemäß § 39 Abs. 1 GO-BR gegen die Einberufung der nächsten Sitzung:

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 192

Marco Schreuder ........................................................................................................ 193

Edgar Mayer ................................................................................................................ 193

Reinhard Todt ............................................................................................................. 194

Einwendungen finden keine Mehrheit ........................................................................... 194

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 9

Aktuelle Stunde (Europastunde) (34.)

Thema: „Aktuelle Herausforderungen für Österreich und Europa“ .................... 35

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 35

Stefan Schennach ........................................................................................................ 38

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 40

Marco Schreuder .......................................................................................................... 43

MEP Mag. Othmar Karas, MBL-HSG ..................................................................  45, 65

MEP Eugen Freund ...............................................................................................  47, 66

MEP Harald Vilimsky ............................................................................................  49, 67

MEP Michel Reimon, MBA ...................................................................................  52, 69

Bundesminister Sebastian Kurz ................................................................................ 55

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................... 57

Mag. Susanne Kurz ...................................................................................................... 59

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 60

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 62

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 63

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 80

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 69

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesmi­nisterin für Inneres betreffend Grenzkontrollen (3082/J-BR/2015) ............................................................................... 126

Begründung: Hermann Brückl ................................................................................... 126

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 128

Debatte:

Werner Herbert ........................................................................................................... 133

Gerhard Schödinger .................................................................................................. 135

Reinhard Todt ............................................................................................................. 137

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 139

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 141


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 4

Edgar Mayer ................................................................................................................ 143

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 144

Gerd Krusche ............................................................................................................. 146

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 147

Entschließungsantrag der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Durchführung temporärer Grenzkontrollen – Ablehnung (nament­liche Abstimmung) ...............  135, 149

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 150

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (587 d.B. und 633 d.B. sowie 9387/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 81

Berichterstatterin: Ilse Fetik ........................................................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 81

Ing. Bernhard Ebner, MSc ........................................................................................... 83

Christoph Längle .......................................................................................................... 85

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 86

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 87

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 90

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selb­ständigenvorsorgegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Land­arbeitsgesetz 1984 geändert werden (Meldepflicht-Änderungsgesetz) (618 d.B., 476/A(E), 944/A, 702/A, 764/A(E) und 641 d.B. sowie 9388/BR d.B.) .................................................................. 90

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 90

Redner/Rednerinnen:

Ilse Fetik ......................................................................................................................... 91

Ing. Bernhard Ebner, MSc ........................................................................................... 91

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 92

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 93

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 93

4. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Absenkung der SVA-Beiträge durch Zusammen­legung der Sozialversicherungsträger (201/A(E)-BR/2014 sowie 9400/BR d.B.)                                                                                                              93

Berichterstatter: Mag. Ernst Gödl ................................................................................ 93

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................ 93

Ing. Bernhard Ebner, MSc ........................................................................................... 96

Rene Pfister .................................................................................................................. 98

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 100

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 100


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 5

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Entschließungsantrag 201/A(E)-BR/2014 keine Zustimmung zu erteilen .......................................................................................  102, 106

5. Punkt: 2. Freiwilligenbericht (III-555-BR/2015 d.B. sowie 9389/BR d.B.) ............... 102

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................. 102

Redner/Rednerinnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 102

Sonja Ledl-Rossmann ............................................................................................... 105

Peter Samt .................................................................................................................. 107

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 109

Josef Saller ................................................................................................................. 111

Edgar Mayer ................................................................................................................ 112

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 112

Entschließungsantrag der Bundesräte Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienstfreistellung von Bediensteten des öffentlichen Dienstes, die Mit­glied der freiwilligen Feuerwehr sind – Ablehnung     109, 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-555-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 114

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (1185/A und 659 d.B. so­wie 9390/BR d.B.) ....... 114

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 114

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (1191/A und 660 d.B. so­wie 9391/BR d.B.) ....... 114

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................. 114

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ............................................................................................................ 115

Martin Preineder ......................................................................................................... 116

Christoph Längle ........................................................................................................ 117

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 117

Günther Novak ........................................................................................................... 118

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 119

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (16. FSG-Novelle) (631 d.B. und 664 d.B. sowie 9392/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 120

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................ 120

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ............................................................................................................ 120

Martin Preineder ......................................................................................................... 121


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 6

Gerd Krusche ............................................................................................................. 122

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 123

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 124

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend Rücktritt vom Internationalen Energie-Agentur Durchführungsübereinkommen zur Errichtung des Kohletechnischen Informationsdienstes (500 d.B. und 652 d.B. sowie 9393/BR d.B.)                                                                                                    124

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................ 125

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Informationsweiterverwendungsgesetz geändert wird (629 d.B. und 656 d.B. sowie 9394/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 124

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................ 125

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundes­gesetz über das Inverkehrbringen von Maschinen, Geräten, Ausrüstungen oder deren Teile oder Zubehör im harmonisierten Bereich und die Notifizierung von Kon­formitätsbewertungsstellen (Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG; MING) (630 d.B. und 657 d.B. sowie 9395/BR d.B.) ......................... 125

Berichterstatter: Walter Temmel ................................................................................ 125

Redner/Rednerinnen:

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 151

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................. 152

Gerd Krusche ............................................................................................................. 153

Marco Schreuder ........................................................................................................ 153

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................... 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 155

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 155

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 155

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz geändert wird (625 d.B. und 653 d.B. sowie 9396/BR d.B.) .... 155

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 155

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Seveso III – No­velle) und mit dem das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen geändert wird (624 d.B. und 655 d.B. sowie 9397/BR d.B.) ............... 155

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 155


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler .......................................................................................................... 156

Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................................... 156

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 157

Ingrid Winkler .............................................................................................................. 158

Mag. Ernst Gödl ......................................................................................................... 160

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................... 161

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 161

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 162

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (627 d.B. und 658 d.B. sowie 9398/BR d.B.)                    162

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................ 162

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ............................................................................................  162, 170

Anneliese Junker ........................................................................................................ 164

Rene Pfister ................................................................................................................ 165

Efgani Dönmez, PMM .......................................................................................  167, 172

Ana Blatnik .................................................................................................................. 168

Sonja Zwazl ........................................................................................................  168, 170

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................... 170

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 172

15. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2014 (III-554-BR/2015 d.B. sowie 9399/BR d.B.) .............................................................................. 172

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................ 172

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard PisecBA .......................................................................................... 173

Anneliese Junker ........................................................................................................ 176

Gerhard Dörfler .......................................................................................................... 177

Günther Novak ........................................................................................................... 180

Marco Schreuder ........................................................................................................ 182

Walter Temmel ........................................................................................................... 184

Stefan Schennach ...................................................................................................... 186

Staatssekretär Mag. Dr. Harald Mahrer ................................................................... 188

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-554-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 192

Eingebracht wurden

Anfrage der Bundesräte

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Grenzkontrollen (3082/J-BR/2015)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen des


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 8

BMVIT und der ASFINAG gegen die Mautflucht im Raum Kufstein (2849/AB-BR/2015 zu 3073/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Mag­nus Brunner, LL.M, Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen betreffend Struktur­reformen in der Erwachsenenbildung – Abendschulen des Bundes (2850/AB-BR/2015 zu 3074/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Situation der Landespolizeidirektionen (2851/AB-BR/2015 zu 3075/J-BR/2015)


 


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 9

09.05.02Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich eröffne die 843. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 842. Sitzung des Bundesrates vom 3. Juni 2015 ist aufgele­gen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Michael Lampel.

09.05.22Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Eingelangt ist ein Schreiben der Präsidentin des Land­tags Steiermark betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlauts dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben der Präsidentin des Landtags Steiermark betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 10


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 11


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 12

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BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 13

09.05.53Angelobung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Die neun neuen beziehungsweise wiedergewählten Mit­glieder des Bundesrates sind im Hause anwesend, ich werde daher sogleich die Ange­lobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.06.25

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Ös­terreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Ge­setze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

Über Namensaufruf durch den Schriftführer leisten die Bundesräte Armin Forstner (ÖVP, Steiermark), Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark), Gregor Hammerl (ÖVP, Stei­ermark), Hubert Koller (SPÖ, Steiermark), Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark), Mario Lindner (SPÖ, Steiermark), Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark), Peter Samt (FPÖ, Steier­mark) und Martin Weber (SPÖ, Steiermark) ihre Angelobung mit den Worten „Ich ge­lobe“.

*****

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich begrüße die neuen und die wiedergewählten Mitglie­der des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Die neuen und die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates werden von ihren Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

Ich ersuche, wieder die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Sitzung fortsetzen kön­nen!

09.10.09Antrittsansprache des Präsidenten

 


9.10.11

Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mitglieder des Bundesrates! Geehrte ZuhörerInnen und ZuseherInnen des Programms ORF III an den Fernsehgeräten! Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann Pühringer! Sehr ge­schätzter Herr Universitätsprofessor Herbert Schambeck! Sehr geehrte Gäste aus Ober­österreich, Herr Landtagspräsident Sigl, Herr Landesamtsdirektor Watzl, Herr Landtags­direktor Steiner, und alle, die heute aus Oberösterreich gekommen sind!

Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann, heute ist Wechsel in der Präsidentschaft des Bundesrates, zu Recht als „Länderkammer“ bezeichnet. Der Wechsel findet statt vom Land Niederösterreich zum Land Oberösterreich. Viele waren ja gestern bei unserem großen Oberösterreich-Fest vor dem Parlament und in der Säulenhalle dabei: mehr als 500 Landsleute, Freunde, Bekannte, Wegbegleiter. Mit unserem Landeshauptmann Dr. Pühringer und den Mitgliedern des Bundesrates haben wir ein tolles Fest gefeiert.

Als kleine Anerkennung und als kleinen Gruß aus meiner Heimatstadt Enns habe ich Ihnen eine kleine kulinarische Köstlichkeit, einen Lebkuchen, und einen Stadtführer ge­geben, den ich vor zwei Jahren verfasst habe, als unsere Stadt 850 Jahre Stadtrecht gefeiert hat. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 14

Ja, dieses Fest, meine sehr geehrten Damen und Herren, war mehr als nur ein Event. Das war ein klares Ja zur Demokratie, das war ein klares Ja zum Föderalismus, ein klares Ja zum Bundesstaat, ein klares Ja zu Oberösterreich, aber ebenso ein klares Ja zur Republik Österreich. Es war ein positives Signal, das uns allen Kraft und Energie geben soll, weil wir alleine wenig, gemeinsam und mit einem starken Rückhalt derer, die uns als Mandatare und Abgeordnete beauftragt haben, sehr viel erreichen können.

Ich danke allen, die teilgenommen haben, aber auch jenen, die vorbereitet und mitge­wirkt und dieses Fest organisiert haben. Besonders der Veranstaltungsabteilung dieses Hauses, allen voran Frau Steiger, ein herzliches Dankeschön!

Es war eine Freude, dass so viele aus Oberösterreich gekommen sind, aus den Län­dern, aber auch aus der Bundeshauptstadt Wien – an der Spitze der Fraktionsvorsit­zende der SPÖ, Reinhard Todt. Herzlichen Dank für deine Teilnahme!

Diese Präsidentschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, findet noch im Ge­denkjahr 2015 statt: 70 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges, 60 Jahre Staatsvertrag und 20 Jahre Beitritt zur Europäischen Union.

Ich denke, wie jedes Jahr an diesem 2. Juli, auch an meinen genau vor fünf Jahren verstorbenen Vater, der an diesem Tag, am 2. Juli 1944, als Truppenarzt im Kessel von Bobruisk im Mittelabschnitt von sowjetischen Truppen gefangen genommen und erst nach mehr als drei Jahren in seine Heimat entlassen wurde – ein Schicksal, das ich mit vielen anderen in Österreich teile, wenn sie ihre Familiengeschichte Revue pas­sieren lassen.

Der Zweite Weltkrieg war die größte Katastrophe der Menschheit mit Mord, Vernich­tung, Zerstörung, Holocaust, Bomben und allen denkmöglichen Verletzungen von Men­schenrechten, Not und allem sozialen Elend.

Was können wir aus dieser Geschichte lernen? Wie kam es dazu? Was können wir als Mitglieder einer gesetzgebenden Körperschaft – konkret als Mitglieder des Bundesra­tes – tun, damit sich solche Katastrophen nicht wiederholen?

Erstens: Die Nazidiktatur hat sich durchgesetzt, weil die Demokraten zwischen 1918 und 1938 zu schwach waren, ich würde fast sagen, versagt haben.

Zweitens: Die demokratische Verfassung auf dem Papier ist wichtig, aber sie muss auch gehegt, sie muss gepflegt, sie muss täglich gelebt und auch weiterentwickelt wer­den.

Drittens: Demokratie ist kein automatischer Erfolgszug, der von selbst immer weiter­fährt, demokratische Beteiligung braucht immer wieder neue Impulse, Gelegenheiten zur Teilnahme, und zwar nicht nur theoretisch unter Verfassungsrechtsprofessoren und Politikern, sondern anhand ganz praktischer Themen, die die Menschen interessieren, ich würde sogar sagen, die ihnen unter den Nägeln brennen.

Viertens: Diese Teilnahme an der Demokratie ist zu organisieren, Themen sind auszu­wählen, die die Menschen interessieren, diese sind dafür zu begeistern, sie sind neu­gierig darauf zu machen, mitzumachen. Das ist eigentlich unsere Kernkompetenz als Mandatare, das ist unser Unternehmensgegenstand – denn, meine sehr geehrten Da­men und Herren, eine Lehre aus dem Fiasko des Zweiten Weltkrieges ist, dass De­mokratie alles andere als selbstverständlich ist.

Eine weitere Lehre daraus ist, dass jede demokratische Ordnung sich und ihre Werte und Institutionen verteidigen und ständig weiterentwickeln muss. Auch wenn die De­mokratie ihre Mängel hat, gibt es keine vernünftige Alternative zu ihr. Wer totalitären Regimen von Rechts oder Links heute noch nachtrauert, muss mit dem entschiedenen Widerstand der demokratisch gesinnten Österreicherinnen und Österreicher in diesem Lande rechnen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 15

Demokratie braucht auch Kultur, braucht eine Kultur des Dialogs, eine Kultur der Zu­sammenarbeit und auch eine Kultur des Kompromisses.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine wichtige Funktion haben wir im Bundes­rat, im EU-Ausschuss, bereits übernommen. Wir prüfen EU-Gesetze, -Verordnungen, -Richtlinien et cetera, ob sie tauglich sind – Subsidiaritätsprüfung heißt dieses Wortun­getüm. Ich danke allen BundesrätInnen aller Fraktionen, besonders dem Vorsitzenden des EU-Ausschusses, Bundesrat Edgar Mayer, die diese Arbeit sehr konsequent und erfolgreich machen. Das verdient höchste Anerkennung. Das schafft Vertrauen in die Politik, weil wir damit Ängste nehmen und glaubwürdig Hoffnung auf gute Entscheidun­gen im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern geben können.

Heute gehen wir einen Schritt weiter: In der niederösterreichischen Präsidentschaft ha­ben wir unsere Geschäftsordnung geändert und das Rederecht für die Mitglieder des Europäischen Parlaments eingeführt, und zwar – im Gegensatz zum Nationalrat – nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschusssitzungen des Bundesrates. Ich danke dafür meiner Vorgängerin, Präsidentin Sonja Zwazl, und auch den Fraktionen, die die­ses Anliegen mitbeschlossen haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bun­desrates Zelina.)

Heute werden wir ja Premiere haben: Es findet erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik eine Aktuelle Europastunde mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments al­ler Fraktionen, gemeinsam mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äuße­res statt. Der Bundesrat wächst damit noch mehr. Er wächst damit noch mehr in seine Rolle als Scharnier, als Informations- und Diskussionsdrehscheibe der Europapolitik hi­nein. Das ist auch eine konkrete Antwort auf das eingangs gezeichnete Szenario des Zweiten Weltkrieges. Der Bundesrat hat aus der Geschichte gelernt. Wir bilden als gesetzgebende Körperschaft im Parlament ein Forum für mehr Europa und damit für mehr Friedenspolitik.

Ich danke auch ORF III, dem Team mit Chefredakteur Christoph Takacs an der Spitze, dass diese unsere Arbeit öffentlich gemacht wird, dass sich die Bürgerinnen und Bür­ger in weiterer Folge selbst ein Urteil und eine Meinung bilden können. Da haben wir auch in der Wortwahl der Rede, in der Argumentation eine große Verantwortung.

Diese Aktuelle Europastunde heute ist ein Mosaikstein für mehr Verständnis, für mehr Glaubwürdigkeit und Vertrauen in eine Europapolitik, die vorrangig eben Friedenspolitik sein soll, die mehr dem Wesentlichen und Notwendigen dienen soll und weniger auf die Rücklichter von Zugmaschinen auf vier Rädern und mehr Bürokratie aufbauen will. Auch da sollten wir hin und wieder kritisch unsere Stimme erheben.

Mehr Europapolitik im Bundesrat ist somit eine aktuelle Antwort im Gedenkjahr 2015, 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.

Was ist der Handlungsbedarf zur weiteren Pflege unseres demokratischen Systems? – Vielen hier im Hohen Hause bereitet es große Sorge, dass sich immer mehr Bürge­rinnen und Bürger vom demokratischen Entscheidungsprozess abmelden. Die Beteili­gungsquoten an allgemeinen Wahlen sprechen Bände. Der Rückzug in die Familie, in den privaten Bereich, in den Garten oder auf den Balkon, in die Welt eines neuen Bie­dermeier, ist in der Gesellschaft erkennbar – kann auch so sein, aber nicht nur Garten und Biedermeier, sondern auch Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten!

Die konkrete Aufgabenstellung für uns im Bundesrat ist daher: Bitte keine theoreti­schen Diskussionen, davon gab es genug bei der parlamentarischen Enquete zur Wei­terentwicklung der Demokratie, sondern ich schlage heute vor, dass wir dieses Thema realistisch, prozessorientiert und pragmatisch angehen.

Ich danke in diesem Zusammenhang meinen Vorgänger-Präsidentinnen Ana Blatnik und Sonja Zwazl, die bei ihren Halbjahresschwerpunkten den Blick in diesem Haus be-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 16

reits in die Zukunft gerichtet haben. Das duale Ausbildungssystem stand im Mittel­punkt. Das war spitze. Da geht es um die Bildung für unsere jungen Menschen, da geht es um Chancen, da geht es um die Zukunft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesen von meinen Vorgängerinnen in der Präsidentschaft eingeschlagenen und von Ihnen als Mitglieder des Bundesrates mitge­tragenen Weg will ich mit allen Fraktionen weitergehen – nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, nachvollziehbar und für jeden verständlich!

Ich lade Sie alle ein – auch jene, die vor den Fernsehgeräten und vor den Bildschirmen diese Sitzung heute mitverfolgen –: Greifen wir ein Zukunftsthema auf! Laden wir zum Mitmachen, zur demokratischen Beteiligung ein! Wie heißt dieses Thema? – Es heißt: das digitale Zeitalter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind die Symbole (in der rechten Hand ein Smartphone und in der linken Hand verschiedene Kabel in die Höhe haltend) für den Einstieg in das digitale Zeitalter. Das brauchen wir in Zukunft. Und wir haben hier auch die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es geht um die Herausforderungen, die damit verbunden sind, weil alle Lebensbereiche davon be­troffen sind.

Der dynamische technologische Wandel stellt Politik und Gesellschaft vor neue He­rausforderungen und Fragen, wie etwa: Welche Chancen und Gefahren birgt Digitali­sierung für die Arbeitswelt? Wie können wir mehr Beschäftigung schaffen, wenn ande­rerseits dadurch Arbeitsplätze verlorengehen? Welche neuen Anforderungen werden wir an das Bildungssystem stellen müssen? Wie wird sich die gesamte Wirtschaftswelt weiterentwickeln? Welche Qualifikationen werden gefragt sein? Und nicht zuletzt: Was bedeutet diese rasante Entwicklung für die Demokratie in Österreich? Welche neuen Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger eröffnen sich durch die neuen Informa­tionstechnologien?

Bereits in diesem Sommer wollen wir mit Diskussionsveranstaltungen auch in den Bun­desländern beginnen, selbstverständlich auch mit Online-Diskussionen. Auch die Land­tage sollen in die Debatte einsteigen. Die Ergebnisse sollen in einem Grünbuch zu­sammengefasst und bei einer parlamentarischen Enquete des Bundesrates am 18. No­vember erörtert werden. Auch das Jugendparlament im Dezember will ich damit befas­sen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein spannendes Thema, ein Thema, das Zukunft bedeutet! Und der Bundesrat ist es, der diese Zukunftsdebatte organi­siert. Sie können sich bereits ab heute auf der Online-Plattform „besserentscheiden.at“ anmelden und mittun. Jeder ist dazu herzlichst eingeladen. Wir werden diese Ergeb­nisse dann in die Debatte anlässlich der parlamentarischen Enquete einfließen lassen.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch sagen: Die „Digitale Initia­tive“ des Bundesrates ist sehr ambitioniert. Es geht dabei um die Begleitung unserer Bürgerinnen und Bürger in das digitale Zeitalter. Es geht darum, Sorgen und Ängste zu nehmen und Mut und Hoffnung zu geben. Es geht um die Aufbereitung von Hand­lungsfeldern und Maßnahmen für die Politik. Es geht um sinnvolle Innovationen. Es geht darum, auf diesem Weg möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Es geht nicht um Theorie, sondern es geht um Demokratie!

Der Bundesrat geht hier voran. Jeder Einzelne ist eingeladen: für eine bessere Zukunft, mit mehr Eigenverantwortung, mit mehr Freiheit, mit mehr Demokratie in unseren Ge­meinden, in unseren Ländern, im Bund und in einem friedlichen Europa! (Allgemeiner Beifall.)

9.25


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 17

Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich begrüße den Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich noch einmal sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass er die Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne von § 38 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshaupt­mann abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne weiteres stattge­ben – mit der Bemerkung, dass der Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer nicht zum ers­ten Mal in diesem Hause spricht, sondern er von allen Landeshauptleuten Österreichs am öftesten von seinem Rederecht im Bundesrat Gebrauch gemacht hat.

Ich bedanke für mich diese Anerkennung und für diesen Respekt, die Sie, Herr Lan­deshauptmann, dem Bundesrat damit zollen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich erteile nun dem Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer zur Abgabe seiner Erklä­rung das Wort.

09.26.59Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich
Dr. Josef Pühringer gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR

 


9.27.01

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Sehr geehrter Herr Bun­desratspräsident! Lieber Gottfried Kneifel! Herr Landtagspräsident Sigl! Alle schon be­grüßten Ehrengäste! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ein großer Oberösterreicher, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre, nämlich der frü­here Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, hat die Verfassung immer als „die Selbst­darstellung einer Nation“ bezeichnet. Zu dieser Selbstdarstellung gehören das Be­kenntnis zum föderativen Prinzip, das Bekenntnis zu starken Bundesländern mit eige­ner Gesetzgebungskompetenz und das Bekenntnis zum Bundesrat als Vertretung be­ziehungsweise als Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung.

Ich freue mich daher, dass ich anlässlich der Vorsitzübernahme des Bundeslandes Ober­österreich in der Länderkammer heute im Bundesrat das Wort ergreifen darf, und darf zuerst dir, sehr geehrter Herr Präsident, lieber Freund Gottfried Kneifel, zu deiner mitt­lerweile dritten Vorsitzführung herzlich gratulieren.

Gottfried Kneifel ist ein erfahrener Politiker. Begonnen hat er in der Stadtpolitik seiner Heimatstadt Enns – übrigens, was man auf Wiener Boden immer betonen muss: der äl­testen Stadt Österreichs –, er ist mein Weggefährte aus Jugendtagen, wir haben uns 1970 erstmals in der Politik getroffen, dazu gestoßen ist kurz darauf auch der hier anwesen­de Othmar Karas, und wir sind den politischen Weg durch all die Jahre hindurch ge­meinsam gegangen. Er ist ganz sicher ein exzellenter Vertreter der Bundesländer in sei­ner Funktion als Bundesratspräsident. Ich gratuliere dir, lieber Gottfried, nochmals sehr herzlich! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch meinen ehemaligen Lehrer, den großen Doyen des Bundesrates, Herrn Universitätsprofessor Dr. Schambeck. Ich habe es ges­tern beim Empfang schon gesagt: Er hat mich immerhin zwei Mal geprüft, in Rechtsphi­losophie und in Verfassung, und in beiden Fällen gleich beim ersten Mal durchgelas-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 18

sen. Allein deswegen bin ich ihm schon einen besonderen Gruß schuldig – natürlich auch aufgrund seiner Leistungen für die Republik und für die Bundesländer! (Allgemeiner Bei­fall.)

Hohes Haus! Die Vorsitzübergabe im Bundesrat ist ein starkes Symbol für die föderale Struktur, aber auch für die föderale Tradition in Österreich. Aus dieser historischen Tra­dition heraus treten wir Länder selbstbewusst auf. Wir sehen uns als eigenständige Mit­glieder des Bundesstaates, wir sind keine nachgeordneten Organe des Bundes.

Umgekehrt tragen wir aber auch eine gesamtstaatliche Verpflichtung und müssen die­ser immer wieder gerecht werden. Die Länder müssen ihre Existenz vor der Bevölke­rung legitimieren, sie müssen insbesondere die Effizienz ihrer Tätigkeit immer wieder nachweisen, das wird auch von den Medien permanent eingefordert, besonders von Bun­desmedien. Die Länder müssen das, was sie tun und bewirken, in einer nachvollzieh­baren und transparenten Weise rechtfertigen.

Und ich sage in aller Klarheit: Bund und Länder haben dabei auf Augenhöhe, aber auch mit Augenmaß miteinander umzugehen, auch in heiklen Fragen. Dazu möchte ich als derzeitiger Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz meinen Beitrag leisten.

Die Länder können in eine erfolgreiche Politik für die Bürger – und nur um diese geht es letztlich! – viel einbringen.

Meine Damen und Herren! Föderalismus garantiert Bürgernähe. Ein bürgerferner de­mokratischer Staat wäre ein Widerspruch in sich. Nichts ist für eine Demokratie wichti­ger als Bürgernähe und Bürger, die sich in ihre eigenen Sachen einmischen. Föderale Strukturen sind da nachweislich das attraktivere Angebot für die Menschen, denn die stärkste Identifikation der Bürger – das wissen wir aus hunderttausend Umfragen – ge­schieht mit der eigenen Heimatgemeinde, und an zweiter Stelle kommt bereits das ei­gene Bundesland. Damit fördert Föderalismus den Zusammenhalt und sorgt für eine bürgernahe Politik.

Die Lösung anstehender Probleme in der Nähe des Bürgers ist meistens die beste Pro­blemlösung. Das Subsidiaritätsprinzip muss daher Richtschnur allen staatlichen Han­delns sein. Bürgernähe und Subsidiarität ermöglichen eine bessere Beteiligung der Bür­gerinnen und Bürger an der Verwaltung und auch an der Politik.

Meine Damen und Herren, ich meine nicht Föderalismus im Sinne von kleinkariertem Kantönligeist, um nicht missverstanden zu werden, da geht es nicht um sture Eigenbrö­telei, nein, da geht es um sinnvolle Subsidiarität. Was die kleinere Ebene besser und effizienter für die Bürgerinnen und Bürger erledigen kann, das soll dort angesiedelt sein. Selbstverständlich braucht es auch den einheitlichen Rahmen, den nur der Bund vorgeben kann.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ein Blick in die Geschichte, gerade ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt doch, dass alles Bedeutende in dieser Republik gemein­sam erledigt wurde: von Bund und Ländern. Denken Sie an die EU-Mitgliedschaft! Denken Sie an den zuletzt beschlossenen Stabilitätspakt! Denken Sie an die Reform der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit! Denken Sie an die Gesundheitsreform! Dies sei erwähnt, um nur einige Beispiele zu nennen. Immer war es letztlich die gemeinsame Basis, die Bund und Länder zur Lösung der Probleme gefunden haben.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist deutlich zu sagen: Es stehen in dieser Republik noch eine Reihe von Reformen an. Aktuell fordere ich die Frau Un­terrichtsminister auf, eine echte Reform der Schulverwaltung zu ermöglichen. Wenn die Landeshauptleute Niessl und Pröll in den letzten Tagen die Reformkommission verlas­sen haben, so haben sie dies ganz sicher nicht leichtfertig getan. Sie haben damit ein Zeichen gesetzt, dass wir Länder eine echte Schulverwaltungsreform wünschen, und


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das schon sehr lange, und dass wir auch bereit sind, dazu echte Beiträge zu leisten. Für reine und bloße Kosmetik oder Alibihandlungen stehen wir nicht zur Verfügung.

Hohes Haus! Worin liegen aus meiner Sicht die Herausforderungen – abgesehen von der Schulverwaltungsreform – für die kommenden sechs Monate im Verhältnis Bund, Län­der und Gemeinden?

Natürlich braucht es den Aufbruch ins digitale Zeitalter, von dem Gottfried Kneifel ge­sprochen hat, denn die digitalen Medien verändern unser Leben in allen Lebensberei­chen, verändern auch das demokratische Gefüge und die Möglichkeiten und Instrumen­te, wie wir Bürger an der Politik beteiligen können.

Dazu, sehr geehrte Damen und Herren, sehe ich unmittelbar in den nächsten Monaten folgende Aufgabenfelder:

Erstens: Die Vorbereitung und Verhandlung eines fairen Finanzausgleichs, bei dem be­rücksichtigt wird, dass Länder und Gemeinden überdynamisch wachsende Aufgaben­gebiete zu bewältigen haben. Ich nenne da folgende Beispiele: Kinderbetreuung, So­ziales, Pflege, vor allem Chancengleichheit, Einrichtungen für die Behinderten, Gesund­heit, Bildung, etwa im Fachhochschulwesen.

Dazu zwei Zahlen: Im Land Oberösterreich sind die Ausgaben für die Kinderbetreuung vom Jahr 2005 bis zum Jahr 2015 von 89,4 auf 218,4 Millionen € gestiegen. Und für den Behindertenbereich sind die Ausgaben in den letzten zehn Jahren von 166 Mil­lionen auf 399,5 Millionen € gestiegen. Da steht die Dynamik der Ausgaben in keinem Verhältnis zu den Entwicklungen der Einnahmen beziehungsweise der Steuereinnah­men und der Ertragsanteile, die die Länder und Gemeinden erhalten.

Zu diesen dynamisch wachsenden Aufgaben kommt weiters die Tatsache, dass die Län­der immer mehr zur Mitfinanzierung von überregionalen Bundesaufgaben herangezo­gen werden. Ich nenne da das Fachhochschulwesen, aber das trifft überhaupt für den gesamten Bildungsbereich zu.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein wesentlicher Schwerpunkt der Diskussion im Rah­men des Finanzausgleichs wird die Verlängerung des Pflegefonds sein. Unser mittel­fristiges Ziel muss es sein – und ich denke, gerade in diesem sensiblen Bereich sollten wir den Betroffenen und auch deren Familien dieses Signal geben –, den Pflegefond zu­mindest bis 2020 zu verlängern. Denn: Das Funktionieren einer Pflegefinanzierung hat grundsätzlich mit der Frage der Würde des Menschen zu tun. Sie muss daher ein Kern­stück verantwortungsvoller Politik sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Menschenwürde entscheidet sich in kritischen und sensib­len Bereichen. Dort darf niemand allein gelassen werden, weder die Betroffenen noch deren Angehörige. Daher werden wir einerseits Sorge dafür tragen müssen, dass die Finanzierung gewährleistet ist, und andererseits dafür zu sorgen haben, dass genü­gend Menschen, vor allem junge Menschen, bereit sind, in den Pflegeberuf einzustei­gen.

Derzeit gibt es in Österreich 600 000 Menschen, die hilfs- und pflegebedürftig sind. Pro­gnosen gehen davon aus, dass aufgrund der Alterung der Gesamtbevölkerung schon bis 2020 rund 60 Prozent mehr Einsatzstunden in der mobilen Pflege und 25 Prozent mehr stationäre Pflege notwendig werden.

Ein dritter Schwerpunkt wird – und das ist nicht schwierig zu erraten – ganz sicher im Zusammenhang mit Asyl und Unterbringung von Flüchtlingen zu setzen sein. Die Län­der haben letzte Woche im Bundeskanzleramt zugesagt, weitere – man höre genau! – 6 500 Plätze zu schaffen. Länder und Gemeinden leisten da einen ganz gewaltigen Bei­trag.


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Wenn tagtäglich 300 bis 400 neue Asylanträge hereinkommen, so ist das natürlich eine Riesenherausforderung. Und ich kann Ihnen sagen, in diesem Bereich kann das Motto nur heißen: Probleme lösen, lösen und noch einmal lösen, damit Populisten, die keine Beiträge leisten, daraus keinen Nutzen ziehen! – Ich sage das in aller Klarheit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden aber auch immer klarmachen müssen, dass es ohne internationale, ohne europäische Lösungen nicht gehen kann. Das Druck­machen für eine europäische Lösung ist wichtig.

Österreich tut seine Pflicht; wir machen nur Druck, damit andere auch ihre Pflicht tun. Das ist der entscheidende Punkt. Das hat nichts mit Unbarmherzigkeit zu tun, es hat rein mit Realitätssinn zu tun, das möchte ich in aller Klarheit sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zweitens wird es notwendig sein, dass seitens der Regierung, insbesondere des Bun­deskanzlers, auch bilaterale Gespräche mit den Regierungschefs der anderen Länder geführt werden, damit man in dieser Frage einheitlich vorgeht.

Ich bin dankbar, dass mittlerweile auch die europäische Spitze der EU-Kommission die Dinge realistisch sieht. Jean-Claude Juncker hat letzte Woche in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ unmissverständlich gesagt – ich zitiere –:

Europas Aufgaben liegen bei den großen Herausforderungen, wie bei der Schulden­krise oder den Flüchtlingsströmen. Europas Aufgaben liegen nicht in der Normierung von Duschköpfen und Olivenölkännchen. – Zitatende.

Genau darum geht es! Europa kann an den großen Fragen scheitern, nie an den klei­nen. Die gerechte und faire Aufteilung der Flüchtlingsverantwortung ist heute eine der zentralsten Aufgaben, die Europa zu erledigen hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ein weiterer und letzter Schwerpunkt in den kom­menden sechs Monaten aus meiner Sicht ist, dass wir das Thema Deregulierung in Österreich weiter vorantreiben.

Wir haben auf diesem Sektor zu viel getan. Wir haben zum Teil nicht nur reguliert, son­dern auch verriegelt. Das ist das Problem! Ein Land muss Menschen, die unternehme­risch denken, die unternehmerisch handeln, ermutigen und darf sie nicht mit zu vielen Normen abschrecken, unternehmerisch initiativ zu werden. Da braucht es einen Para­digmenwechsel, da braucht es ein Umdenken.

Oberösterreich hat Herrn Präsidenten Dr. Rudolf Thienel, dem Vorsitzenden der Aufga­benreform- und Deregulierungskommission, mehr als 120 Vorschläge übergeben, wo De­regulierung möglich ist. Natürlich heißt das manchmal weniger Sicherheit und mehr Ei­genverantwortung, aber dazu muss man sich bekennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist immer folgendes Bild ausschlag­gebend: Das älteste, für manche Menschen auch wichtigste Sozialgesetz der Welt, die Zehn Gebote Gottes, kommt mit 70 Worten aus, die EU-Einfuhrverordnung für Kara­mellzucker braucht 1 670 Worte. Man mache den Vergleich, was von diesen beiden Ma­terien wichtiger ist! Ich glaube, der Vergleich überzeugt.

Das Gebot der Stunde heißt: weniger Regulierung, mehr Eigeninitiative und mehr Ei­genverantwortung. Dazu möchten wir einen Beitrag leisten.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Gottfried Kneifel hat zu Beginn seiner heutigen Rede als neuer Bundesratspräsident das große Gedenkjahr „70 Jahre Zweite Repub­lik“ in Erinnerung gerufen. Lassen Sie auch mich zum Abschluss meiner Erklärung vor dem Bundesrat nochmals auf dieses Gedenkjahr verweisen, und zwar mit einem gro­ßen Dank an die Gründerväter der Zweiten Republik. Dem Fundament, das sie damals


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gelegt haben, verdanken wir, dass wir heute auf einem gediegenen demokratischen Fundament stehen und dass wir heute für die Menschen viel leisten können. Wenn ich von Gründergeneration spreche, dann meine ich damit die Politiker, selbstverständlich, dann meine ich aber auch die ganz einfachen Bürgerinnen und Bürger, die in härtesten Zeiten mit ihrer Arbeit das Fundament für den heutigen Wohlstand gelegt haben, auf dem wir aufbauen.

Ja, meine Damen und Herren, Gottfried Kneifel hat in Erinnerung gerufen: Es gibt kei­ne Vergangenheitsbewältigung, die Vergangenheit ist gelaufen. Aber aus der Geschichte müssen wir die richtigen Lehren ziehen. Wenn heute viel darüber diskutiert wird, ob denn die Demokratie noch regierungsfähig ist, ob bei den verschiedenen Formen der Koalitionen noch etwas herauskommt, ob das Nichtfunktionieren nicht schon so groß ist, dann meine ich, eine Lehre sollten wir aus der Geschichte gerade in diesem Ge­denkjahr immer wieder ziehen: Die Demokratie hat viele Mängel und Fehler, aber es gibt zu ihr keine Alternative, absolut keine Alternative. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Daher haben wir an der Beseitigung von Mängeln zu arbeiten und haben die Demo­kratie immer wieder besser zu machen aber dürfen sie nie infrage stellen. Ich verneige mich vor den großen Leistungen der Menschen und auch der Politiker von 1945 und der Folgejahre.

Verehrte Damen und Herren, wir stehen immer wieder vor dem Lösen von zugegebe­nermaßen großen Aufgaben, schwierigen Aufgaben – Asylthematik, wir haben schwie­rige Aufgaben, das ist keine Frage –, aber es gibt immer einen grundlegenden Unter­schied zu den Jahren nach 1945, und dieser grundlegende Unterschied heißt: Damals ging es bei allen Fragen immer um das Überleben, heute geht es bei allen Fragen im­mer um ein besseres Leben. Dieser grundlegende Unterschied ist gegeben und ringt uns Respekt vor der Gründergeneration der Zweiten Republik ab.

Natürlich ist es heute auch Auftrag, für ein besseres Leben der Menschen bestmögli­che Arbeit zu leisten. Das geht nur – und mit dem möchte ich schließen –, wenn wir ei­ne Politik betreiben, die das Gemeinsame vor das Trennende stellt. Um diese Politik werden sich Gottfried Kneifel als Vorsitzender des Bundesrates und ich als Vorsitzen­der der Landeshauptleutekonferenz in den nächsten Monaten gemeinsam bemühen. (All­gemeiner Beifall.)

9.46


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Aus­führungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile es ihm.

 


9.46.26

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Landeshaupt­mann! Herr Präsident! Geschätzter Herr Landtagspräsident! Liebe Direktoren aus Land­tag und Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! „Föderalismus garantiert Bürgernähe“, hat unser Herr Landeshauptmann schon gesagt. Wir Bundesräte spüren das täglich draußen bei den Sprechtagen und bei den Menschen. Herr Landeshauptmann Dr. Pühringer hat erwähnt, was den Men­schen wirklich am Herzen liegt: Es ist die Deregulierung. Draußen bei den Sprechtagen bekommen wir es immer wieder mit. Als Politiker müssen wir auch in Zukunft daran arbeiten, dass wir dementsprechende Maßnahmen treffen und umsetzen, sodass in Rich­tung Deregulierung etwas weitergeht.

In Oberösterreich haben wir insbesondere im Rahmen des Projekts Freiraum erfahren, welche Anliegen die Bürgerinnen und Bürger haben. Dementsprechend ist die Bürger­nähe von uns Politikern gefordert.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 22

Ein Thema ist die ACADEMIA SUPERIOR und mit ihr die zukünftige Ausrichtung des Landes Oberösterreich.

Als Erstes das Thema Breitband. Oberösterreich wird in den kommenden Monaten ei­ne Milliarde in die Hand nehmen, um in diesem Bereich den Ausbau der Breitbandof­fensive zu forcieren.

Aber auch das Thema Kinderbetreuung: Mit der Kinderbetreuung, mit dem Gratis-Kin­dergarten bleiben den Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern durchschnittlich 1 000 € jährlich in der Tasche. Es sind zahlreiche Projekte entstanden. Insgesamt wur­den in den vergangenen Jahren 57 000 Kinderbetreuungsplätze in Oberösterreich ge­schaffen. Es ist somit ein wichtiger Punkt, auch die Kinderbetreuung als Bildungsein­richtung zu positionieren.

Unser Herr Landeshauptmann hat auch die Schulreform angesprochen. Bei der Zen­tralmatura waren unsere oberösterreichischen Schülerinnen und Schüler die besten Österreichs. Darauf können wir stolz sein. Aber als oberösterreichische Politiker haben wir in den vergangenen Jahren auch sehr viel unternommen. Die Schulbaureform um­fasste 230 Projekte mit einer Summe von 370 Millionen €, die das Land Oberösterreich in die Hand genommen hat.

Was uns in Oberösterreich auszeichnet, ist das Gemeinsame bei allen wichtigen Ge­setzen, die wir in den vergangenen Jahren für die Oberösterreicher und Oberösterrei­cherinnen auf den Weg gebracht haben, wie zum Beispiel die Gesundheitsreform. Sie war ein einstimmiger Beschluss von allen Landtagsmitgliedern aller Landtagsfraktionen und hat, wie sich gezeigt hat, eine echte Entlastung gebracht.

Zum Thema Medizinuniversität: Oberösterreich hat erkannt, wo die Probleme in der zukünftigen ärztlichen Versorgung liegen. Diese Themen wollen wir dank unseres Lan­deshauptmannes Dr. Josef Pühringer mit der neuen Medizinuni in Zukunft in Angriff nehmen.

Beim Thema Hausapotheken stehen wir kurz vor einer Einigung. Ich hoffe, dass uns auch die Ärztekammer in diesem Bereich einen Schritt entgegenkommt, damit die Haus­apotheke für die Landärzte und ihre Standorte auch in Zukunft abgesichert sind.

Ein weiteres Thema in Oberösterreich ist Kultur. Mit dem Musiktheater, das bis heute bereits über 500 000 Besucher zählen kann, konnte ein riesiges Projekt verwirklicht werden, bezüglich welches politische Gegner vor Jahrzehnten schon geglaubt haben, sie müssten dieses Projekt einstampfen. Das Projekt zeigt: Kultur ist wichtig, Unkultur kostet viel Geld, und Kultur kostet auch Geld.

Das sehen wir auch bei den zahlreichen Landesausstellungen, bei den Landesgarten­schauen – jetzt zum Beispiel bei der Schau „Des Kaisers neue Gärten“ in Bad Ischl. Die Besucher kommen nach Oberösterreich. Auch der Tourismus wird in Oberöster­reich vorangetrieben.

Geschätzter Herr Landeshauptmann, wir wissen, was du für uns täglich vollbringst. Al­lein gestern: Deine menschliche Art, auf die Leute zuzugehen, zeugt immer über die Bundesländergrenzen hinaus von hohem Respekt vor den Menschen. Meine Kollegin­nen und Kollegen sagen das immer wieder: Unser Landeshauptmann Dr. Pühringer weiß, wo der Schuh drückt und welche Probleme die Menschen wirklich haben.

Du hast heute wieder angeschnitten, dass Oberösterreich auch im wirtschaftlichen Be­reich zukunftsweisend ist. Oberösterreich ist jenes Bundesland, in dem die meisten Pa­tente angemeldet werden. Allein letztes Jahr kamen 681 Patente aus Oberösterreich. Wir sind weiters das Land mit der höchsten Exportquote. Oberösterreich hatte im Jahr 2013 eine Exportquote von 31,2 Milliarden €. Das ist mehr, als das Bundesland Nie­derösterreich exportiert, und liegt weit über der Quote des Bundeslandes Wien.


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Aber auch das Thema Sicherheit: Wir stehen vor großen Herausforderungen, was die Asylfrage betrifft. Du hast dich dafür eingesetzt, dass bis zum Jahr 2017 zusätzlich 115 Polizisten und Polizistinnen nach Oberösterreich kommen.

Weiters der Bereich Pflege: Wir wissen genau, im Bereich Pflege wird sich ein großes, breites Band auftun. Die Menschen müssen länger im Arbeitsleben bleiben und werden immer älter.

Im Pflegebereich ist „Green Care“, wo ältere Menschen länger zu Hause bleiben, si­cherlich ein Projekt, das wir in Zukunft verfolgen müssen. Wir motivieren die Men­schen, nicht in ein Pflegeheim zu gehen, sondern einander zu unterstützen. Es wird si­cherlich die Herausforderung unserer Generation, wie wir mit der Frage Pflege umge­hen werden. Aber ich bin mir sicher, wir werden auch diese Herausforderung meistern.

Das Thema Asyl beschäftigt uns nicht nur jetzt hier im Bundesrat, wo wir schon man­che Anträge von Oppositionsparteien gehabt haben, sondern es wird uns auch in der Zukunft beschäftigen. In Oberösterreich haben wir, wie wir wissen, 1,4 Millionen Ein­wohner und zurzeit 6 000 Kriegsflüchtlinge. Das ist im Vergleich mit anderen Ländern, mit Italien zum Beispiel, eine hohe Asylquote. Aber wir haben auch einen hohen Le­bensstandard. Wir dürfen uns nicht von Populisten in ein Eck treiben lassen, denn wer Asyl braucht, dem soll Asyl gewährt werden. Wir müssen jedoch auch in Zukunft schauen, dass diejenigen, die nur Wirtschaftsflüchtlinge sind, bald in die Länder zu­rückgeschickt werden, aus denen sie kommen.

Aber was würden wir ohne Fremdarbeitskräfte in Österreich machen? Wir brauchen die Fremdarbeitskräfte in vielen Bereichen, ob es in der Wissenschaft ist oder auch im Be­reich der Pflege. Wir sind auf Zuwanderung angewiesen.

Oberösterreich ist nicht nur wirtschaftlich ein Exportland, sondern wir „exportieren“ auch kluge Köpfe: Markus Hengstschläger und Universitätsprofessor Penninger sind Menschen aus Oberösterreich, die wir „exportiert“ haben. Wir haben auch schon Bi­schöfe in die Steiermark und nach Tirol „exportiert“. Wir sind auch das Bundesland mit den am längsten dienenden Landeshauptleuten, weil Oberösterreich ein Land ist, wo die Leute zueinander stehen und das Gemeinsame vor das Trennende gestellt wird.

In diesem Sinne bin ich stolz, in Vertretung des Landes Oberösterreich hier im Bun­desrat zu sprechen und in weiterer Folge für das Bundesland Oberösterreich hier im EU-Ausschuss tätig zu sein, denn der EU-Ausschuss ist ein Gremium, das in den letzten Jahren sehr viel bewegt hat, auch dank deines Anstoßes im Rahmen der Dis­kussion über den Bundesrat, Herr Landeshauptmann. Denn wenn wir keinen Anstoß bekommen hätten, wäre das wahrscheinlich so weitergegangen.

Somit ist der Föderalismus wirklich zu einem Bereich geworden, in dem sich auch der EU-Ausschuss weiterentwickelt hat. Wir sehen an der heutigen Tagesordnung, dass sich der Bundesrat der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort annimmt, aber die großen Probleme Europas genauso an sich heranlässt.

In diesem Sinne noch ein herzliches Dankeschön, Herr Landeshauptmann, dass du wie­der bei uns im Bundesrat warst. Wir werden dich auch in Zukunft mit voller Kraft unter­stützen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und Grü­nen.)

9.54


Präsident Gottfried Kneifel: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stad­ler. – Bitte. (Bundesrat Mayer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bun­desrates Stadler –: Nur lobende Worte!)

 


9.55.02

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren!


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Liebe, heute besonders liebe Gäste aus Oberösterreich! Eingangs möchte ich dir, ge­schätzter Herr Präsident Gottfried Kneifel, persönlich und im Namen der SPÖ-Fraktion anlässlich der Übernahme der Präsidentschaft für das zweite Halbjahr 2015 herzlich gra­tulieren und dir für deine Vorhaben alles Gute und vor allem viel Kraft wünschen. (All­gemeiner Beifall.)

Auch Ihnen, Herr Landeshauptmann, gratuliere ich zum Vorsitz in der Landeshaupt­leutekonferenz. Ihren Worten ist zu entnehmen, dass viel Arbeit vor Ihnen und vor uns liegt. Ich hoffe, dass Sie mit voller Kraft, mit voller Vehemenz im kommenden halben Jahr in der Landeshauptleutekonferenz für gute Ideen sorgen und gute Entscheidun­gen treffen werden.

Die Rede des Kollegen Tiefnig aus Oberösterreich ist fast nicht mehr zu toppen. Ich habe beinahe den Verdacht, 2015 ist für Oberösterreich ein ganz besonderes Jahr, und zwar in anderer Hinsicht, ich verweise nur auf den 27. September. Der Rechen­schaftsbericht, den du abgelegt hast, ist auch legitim (Bundesrat Mayer: Das stimmt auch!) – das stimmt, ja, genau! –, und es ist gut, wenn man die Gelegenheit nützt und auch hier im Bundesrat in der breiten Öffentlichkeit über unser Bundesland in dieser Hin­sicht berichtet.

Aber ich möchte das ganz anders machen und freue mich als Oberösterreicher natür­lich auch, dass Politiker aus meinem Bundesland für ein halbes Jahr in so wichtigen Funktionen tätig sind. Ich bin davon ausgegangen, dass Oberösterreich seine Vorrei­terrolle ein weiteres Mal bestätigen und an konstruktiven Lösungen für ganz Österreich mitarbeiten wird.

Was ein bisschen an mir nagt, das möchte ich gleich am Anfang sagen, Herr Lan­deshauptmann, waren Ihre ersten öffentlichen Ansagen zum Thema Asyl, die für mich schon etwas ernüchternd waren. Vielleicht ist das ja im Zusammenhang mit der Pres­sekonferenz mit Ihrem Landeshauptmannkollegen aus Niederösterreich zu sehen.

Es wäre zu erwarten gewesen, dass der jetzt in Oberösterreich eingeschlagene Weg – Sie haben das Thema Asyl ja angesprochen –, dass mit den Bezirkshauptleuten an ei­ner fairen Aufteilung der AsylwerberInnen auf die Bezirke gearbeitet wird, in ganz Ös­terreich zur Umsetzung kommt. Stattdessen hört und liest man von Ihnen, gemeinsam mit Ihrem Kollegen aus Niederösterreich, nur ein weiteres Mal von einer kategorischen Ablehnung von Bezirksquoten anstelle eines konstruktiven Nachdenkens über eine bes­sere innerösterreichische Lösung.

Ich meine, dass das Hin- und Herschieben nichts bringt, was Sie auch kurz erwähnt ha­ben. Natürlich ist es ganz wichtig, nicht nur eine oberösterreichische Lösung zu finden, sondern eine europaweite Lösung.

Aber ich denke, Sie werden dieses halbe Jahr vielleicht nützen und sicher einmal die Gelegenheit haben, mit dem Außenminister, der, glaube ich, dafür auch zuständig wä­re, einmal die notwendigen Worte zu sprechen, anstatt vielleicht immer alles auf die andere Seite zu schieben.

Mit Verantwortung-Abschieben-Politik, so wie sie Landeshauptmann Pröll in der Ver­gangenheit betrieben hat, mit inhaltsleerem Populismus und dem Abschieben von Ver­antwortung hat man im letzten Monat sicher keine Probleme gelöst, sondern diese nur verschärft.

Und darum bitte ich Sie nochmals, Herr Landeshauptmann: Versuchen wir, auch bei diesem Thema zu jenem Weg zu kommen, wie wir ihn in vielen anderen wichtigen Fra­gen, die Sie ja angesprochen haben, wie zum Beispiel im Bereich Bildung, Pflege und Gesundheit, wo es eine konstruktive und sachorientierte Politik gibt, gehen!


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Herr Landeshauptmann, Sie haben in Ihrer Erklärung natürlich sehr viele Themen an­gesprochen, was uns zeigt – und Sie haben es uns auch so gesagt –, dass es sehr, sehr viel zu tun gibt. Unser Bundesland muss genauso wie ganz Österreich sicher ge­rechter werden. Sie haben einige Dinge angesprochen.

Ein erster Schritt war sicher die Steuerreform, die gerade von der Bundesregierung ausverhandelt wurde. Das ist sicher ein kleiner Schritt, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen. Sie haben auch den Finanzausgleich angesprochen, zu des­sen Verhandlung es schon die ersten Schritte gibt, und diese Verhandlungen werden in der nächsten Zeit verstärkt. Der Finanzausgleich muss natürlich auch gerechter wer­den.

Die wirtschaftlich angespannte Situation und die hohe Anzahl der Arbeit suchenden Menschen in Österreich erfordern zusätzlich konjunkturstärkende Maßnahmen, und ein umfassender Wirtschaftsimpuls kann in den Bundesländern natürlich – wie auch Sie gesagt haben – von den Gemeinden ausgehen, die dafür jedoch die notwendigen fi­nanziellen Mittel erhalten müssen. Daher brauchen wir, wie gesagt, unbedingt einen auf­gabenorientierten Finanzausgleich. Und es braucht eine Entflechtung des Finanz­ausgleichs auch innerhalb der Bundesländer, denn in Oberösterreich zum Beispiel zah­len die Gemeinden um rund 325 Millionen € mehr ein, als sie dann refundiert bekommen.

Dringend notwendig ist auch – Sie haben es ja auch angesprochen – die Kompetenz­bereinigung bei den Aufgaben, denn in der Vergangenheit haben gerade die Gemein­den immer mehr Aufgaben übernommen, oder vielleicht übernehmen müssen, aber die finanzielle Ausstattung dafür haben sie nicht bekommen – zum Beispiel bei der Kinder­betreuung oder bei den Spitälern.

Darum brauchen wir diesen angesprochenen gerechten Finanzausgleich, denn auch Sie wissen, Herr Landeshauptmann, die Gemeinden sind die wichtigsten Investoren unter allen Gebietskörperschaften, und sie können mit ihren Projekten direkt und zielgerich­tet vor Ort für Beschäftigung sorgen.

Geschätzte Damen und Herren! Herr Landeshauptmann! Als regionaler politischer Ver­treter des Innviertels möchte ich zum Abschluss meiner Ausführungen zwei Themen ansprechen, die mir sehr, sehr wichtig sind. Ich habe mit Freude, aber auch mit ein wenig Verwunderung Ihre Aussendung – ich glaube, letzte oder vorletzte Woche – über die Schulen im Innviertel gelesen. Sie war tituliert mit der Headline: „Für das Inn­viertel die besten Schulen “. Natürlich lese auch ich das mit Freude, weil es ja auch mir ein Anliegen ist, dass wir im Innviertel die besten Schulen haben, oder vielleicht in Planung haben für die Zukunft. Aber Verwunderung war auch ein bisschen dabei, und ich möchte Ihnen auch sagen, warum. Ich weiß nicht, ob Sie den Grund dafür kennen, ich nehme es aber an.

Wie Sie ja sicher wissen, Herr Landeshauptmann, hat sich auf Initiative von Klubob­mann Makor, der Ihnen ja auch nicht unbekannt ist, im Innviertel eine Allianz für die Errichtung einer Fachhochschule gebildet. Abgeordnete aus allen politischen Lagern waren eingeladen und haben sich erfreulicherweise auch an dieser Sache beteiligt – in dem Wissen, dass dieses Vorhaben natürlich ein hartes Stück Arbeit ist und dass ein harter, steiniger, aber nicht unüberwindbarer Weg vor uns liegt.

Es gab konstruktive Arbeitssitzungen, zuerst intern, dann mit Vertretern aus den Berei­chen Wirtschaft, Gesundheit und auch Soziales, und es hat sich – natürlich und erfreu­licherweise – herausgestellt, dass alle Beteiligten für die Notwendigkeit einer Fach­hochschule bei uns im Innviertel sind. Die Gründe, glaube ich, brauche ich nicht mehr näher zu erklären; vielleicht nur zwei, drei Sätze dazu:

Gerade das Innviertel ist eine Region, wo sehr viele Junge auspendeln und gerade, wenn es um Bildung geht, auch nach Salzburg, nach Linz oder woandershin pendeln müs-


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sen, damit sie eine bestimmte Ausbildung erhalten können. Und dann ist es natürlich oft, oder leider sehr oft, der Fall, dass diese jungen Leute nicht mehr zurückkommen. Sie gehen dann nicht nur uns im Innviertel als Bürgerinnen und Bürger ab, sondern natürlich auch der Wirtschaft – daher die Notwendigkeit dieser Fachhochschule.

Jetzt hat aber aus unerklärlichen Gründen vor Kurzem ein Vertreter Ihrer Partei in einer Aussendung einen Stopp für weitere Gespräche angekündigt. Grund dafür, so hat er angegeben, sei die Wahl im Herbst und dass dieses Thema kein Wahlkampfthema sein soll. Jetzt stelle ich mir schon die Frage, Herr Landeshauptmann, wer bei dieser Wahl profitieren soll, wenn alle Parteien an einem Tisch sitzen und gemeinsam an ei­nem Strang ziehen. Da muss ich mir schon die Frage erlauben, Herr Landeshaupt­mann: Wie ernst meint es die ÖVP, oder die ÖVP im Innviertel, mit dem Vorhaben Fachhochschule für das Innviertel wirklich?

Daher jetzt, wie gesagt, meine Verwunderung. Und gerade dieser Abgeordnete ist jetzt gemeinsam mit anderen, aber auch mit Ihnen in der Mitte in der regionalen Presse abgebildet und fordert die besten Schulen für das Innviertel und auch die Fachhoch­schule.

Herr Landeshauptmann, ich bitte Sie eindringlich: Überzeugen Sie zuerst Ihre Abge­ordneten von der Notwendigkeit einer Fachhochschule für das Innviertel! Wir, alle an­deren Parteien, sind tief davon überzeugt, dass wir sie brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Als letzter kurzer Punkt – Sie werden vielleicht, weil ich eben gerade in Ihrer Nähe bin und die Möglichkeit habe, ein paar Sätze dazu zu sagen, schon darauf warten – eine Anmerkung zum Landeskrankenhaus Schärding, wirklich nur ganz kurz: Die Auswir­kungen der Spitalsreform sind ein Thema, das ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer wieder angesprochen habe, und glauben Sie mir, Herr Landeshauptmann, ich werde das immer wieder tun, bis auch in Schärding wieder eine regionale ambulante Erstversorgungsstelle rund um die Uhr für die Bevölkerung vorhanden ist.

Ich möchte hier schon betonen, dass das Landeskrankenhaus Schärding ein von der Bevölkerung sehr, sehr geschätztes, gutes Krankenhaus ist, wo gute Arbeit geleistet wird, und wir können stolz auf unser Krankenhaus sein. Aber leider haben die Auswir­kungen der Spitalsreform mit sich gebracht, dass die spitalsärztliche Grundversorgung – angesprochen sei hier die Unfallambulanz – nicht mehr gegeben ist.

Uns ist allen klar – ich glaube, darin sind wir uns alle einig –, dass nicht in jedem Kran­kenhaus Herzoperationen durchgeführt oder irgendwelche sonstigen fachspezifischen Dinge gemacht werden können, aber gerade im Ambulanzbereich, in der Erstversor­gung ist, glaube ich, ein entsprechendes Angebot schon notwendig, und das haben sich die Bürgerinnen und Bürger draußen in der Region, speziell im Bezirk Schärding, auch verdient, dass dort rund um die Uhr eine solche Erstversorgung gegeben ist.

Ich muss auch sagen – und dafür bedanke ich mich –, dass sich in der Zeit seit der Spitalsreform, die ja alle Parteien im Land Oberösterreich mitbeschlossen haben – da­rauf wird sicher wieder hingewiesen, darum sage ich es gleich selber –, schon sehr viel geändert hat. Es ist jetzt auch schon am Wochenende diese Unfallambulanz von 7 Uhr bis 19 Uhr aufgesperrt. Aber ich bitte Sie, Herr Landeshauptmann, ich fordere Sie auf, sicherzustellen, dass in Zukunft auch im Innviertel, im Bezirk Schärding diese Unfall­ambulanz 24 Stunden sieben Tage in der Woche offen ist. Die Bürgerinnen und Bürger in Schärding haben sich das verdient! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.08


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. Ich erteile es ihm.

 



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10.08.25

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Sehr geehrte Zuhörer! Zunächst, lieber Gottfried Kneifel, darf ich dir zur Übernahme der Präsidentschaft auch im Namen meiner gesamten Fraktion herzlich gratulieren und dir alles Gute für das nächste halbe Jahr wünschen.

Ob ich Ihnen, Herr Landeshauptmann, ebenfalls gratulieren kann, bin ich mir nicht so sicher. Sie haben am Dienstag selbst gesagt: „Ich bin jetzt in der Komfortsituation, dass ich mir die Strafverschärfung aussuchen kann“ – Wahlkampf in Oberösterreich oder die Koordination der Bundesländer.

Jedenfalls aber, Herr Landeshauptmann, wünsche ich Ihnen alles Gute bei der Bewälti­gung Ihrer bevorstehenden Aufgaben. Über Arbeitsmangel werden Sie sich nicht be­klagen können – das hat Ihnen Ihr Vorgänger als Vorsitzender der Landeshauptleute­konferenz, Landeshauptmann Pröll, ja auch mitgegeben. Einer Landeshauptmänner­konferenz im Übrigen, die in unserem demokratischen System ja gar nicht vorgesehen ist und die es ja gar nicht geben dürfte, auch deshalb, weil dadurch das Prinzip der Gewaltentrennung Gefahr läuft, unterwandert zu werden, denn wir wissen, wenn die Landeshauptleutekonferenz etwas vereinbart, dann wird das Gesetz und dann wird das im Regelfall auch umgesetzt. Das kann durchaus problembehaftet sein.

Gleichzeitig, Herr Landeshauptmann und geschätzte Damen und Herren, verhehle ich aber nicht, dass Österreich ein föderales Land, ein föderaler Staat ist und dass ich auch zu jenen gehöre, die weniger Zentralismus wollen und daher für den Erhalt dieses föderalistischen Systems eintreten. Deshalb braucht es auch eine Koordination der Bun­desländer, Herr Landeshauptmann, und dies gerade in Zeiten, in denen es gilt, enorme Problemstellungen zu bewältigen.

Gerade jetzt steht über allem die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen und Ein­wanderungswilligen, die zu uns kommen. Das haben Sie selbst angesprochen. Ich wie­derum spreche da ganz bewusst von Einwanderungswilligen, denn wir alle wissen ganz genau, dass nahezu 80 Prozent jener Menschen, die zu uns kommen, der Asyl­status versagt bleibt beziehungsweise nicht gewährt wird. Schon die Tatsache, dass im ersten Quartal 2015 mehr als ein Viertel aller Asylwerber in der Europäischen Union aus dem Kosovo kamen, beweist, dass es sich da nicht um Kriegsflüchtlinge handelt, wie mein Vorredner Ferdinand Tiefnig gemeint hat, sondern dass diese Personen in der Mehrzahl zu uns kommen, weil sie in unser Sozialsystem einwandern wollen; ein Sozialsystem, das in Jahrzehnten harter Arbeit, auch unter großer Mitwirkung – und das verhehle ich nicht – der Sozialdemokratie, hier aufgebaut wurde und das heute un­ter Bedingungen leidet, unter dieser Zuwanderung, die wir heute erleben, sodass wir dieses Sozialsystem nicht aufrechterhalten werden können.

Deshalb fordern wir auch, nicht die Asylverfahren zu stoppen, sondern die Asylflut zu stoppen. Und aus diesem Grund braucht es auch Grenzkontrollen. Wir müssen die Gren­zen kontrollieren! Herr Landeshauptmann, Sie haben das selbst ja auch gefordert, und dann ist das auch verantwortungsbewusst; wenn hingegen wir Freiheitliche das ma­chen, dann ist es – so sagt Ferdinand Tiefnig – Populismus. Aber es ist zumindest rich­tig! Es ist richtig, und ich ersuche Sie in Ihrer Funktion als Vorsitzender der Landes­hauptleutekonferenz daher auch, dass Sie diesen Punkt ganz oben auf Ihrer Agenda ansiedeln.

Neben den Grenzkontrollen braucht es in dieser Frage aber auch eine gerechte Vertei­lung der bereits bei uns aufhältigen Flüchtlinge und Einwanderungswilligen innerhalb der Europäischen Union. Auch das ist unbedingt notwendig. Es kann nicht sein, dass Ungarn, Schweden, Österreich und die Bundesrepublik Deutschland da die Hauptlast tragen und Länder wie Tschechien, Spanien oder Portugal und Polen sich zurückleh-


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nen und sagen, das interessiert uns nicht. Denn wenn es darum geht, ihren Status zu verteidigen, den sie als Nettoempfänger in der EU innehaben, dann wird gerne interna­tionale Solidarität eingefordert. Wenn es aber darum geht, Asylsuchende und Einwan­derungswillige aufzunehmen, dann ist es mit dieser Solidarität sehr schnell vorbei. Sie haben recht, Herr Landeshauptmann, wenn Sie sagen, die Zeltstädte müssen weg. Dieses Problem kann aber nur dadurch gelöst werden, dass es auch eine gerechte Verteilung innerhalb Europas gibt.

Aber nicht nur die Entwicklung in der Flüchtlings- und Zuwanderungsfrage, auch jene im Bereich der Finanzen – ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, dass Ös­terreich den höchsten Schuldenstand seit Bestehen der Zweiten Republik aufweist, rund 290 Milliarden €, oder auch an die Arbeitslosigkeit, die seit Jahren steigt – trägt dazu bei, dass diese Bundesregierung unter einem Vertrauensverlust der Bevölkerung leidet. Es fehlt dieser Bundesregierung an klaren Entscheidungen, an klaren Lösungs­vorschlägen, an klaren Ansagen, und deshalb haben die Menschen in diesem Land auch immer mehr den Eindruck, dass wir in Österreich im Chaos versinken.

Wir Freiheitliche haben klare Vorstellungen, wir haben Vorschläge, und deshalb erhal­ten wir auch den Zuspruch, deshalb verzeichnen wir derzeit auch große Erfolge – was im Übrigen dem widerspricht, was ein Regierungsmitglied erst vor Kurzem in der ORF-„Pressestunde“ gesagt hat, im Übrigen ein ÖVP-Politiker, der gemeint hat, er werde nie mit einer FPÖ in einer Regierung sitzen, und darüber hinaus hätten die Freiheitlichen keine Lösungskompetenz.

Was die Frage betrifft, mit uns in der Regierung zu sitzen, so mag er recht haben, aber wenn er meint, dass wir Freiheitliche keine Lösungskompetenz haben, dann muss ich sagen: Wenn Lösungskompetenz so aussieht wie jenes Chaos, das wir jetzt in Öster­reich haben und das hier herrscht, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Österreich!

Aber, Herr Landeshauptmann, nicht nur die Asyl- und die Zuwanderungsfrage ist unge­klärt, eine weitere große Aufgabe kommt auf Sie zu – Sie haben es selbst angespro­chen –: der Finanzausgleich. Sie werden vermutlich im Oktober die Verhandlungen da­rüber eröffnen, und es wird daher an Ihnen liegen, hier einen entsprechenden Weg vor­zugeben, der dazu führt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel gerecht verteilt wer­den, und bei dem die Länder nicht an Kompetenzen verlieren.

Wir wissen, dass nahezu 90 Prozent der Schulden derzeit beim Bund liegen – ich glau­be, mit Ausnahme von Wien – und dass die Staatsverschuldung, wie gesagt, so hoch ist wie noch nie. In den Ländern, Herr Landeshauptmann, ist darüber hinaus auch der Wunsch sehr groß nach mehr Bundesdienststellen, die man unter Umständen in den Landeshauptstädten und in Landesteilen ansiedeln könnte, und auch das sollte in die Verhandlungen einfließen.

Verwaltungsreform, Herr Landeshauptmann – ebenfalls ein Thema, das nicht nur den Bund betrifft, sondern auch die Länder. Ich greife hier als Oberösterreicher nur ein Bei­spiel auf, weil es gerade sehr aktuell ist, nämlich den Bereich des Förderwesens. Hier muss es Entflechtungen geben, keine Doppel- und Mehrfachförderungen mehr, denn da­durch blähen wir die Bürokratie auf. Ich darf in diesem Zusammenhang auch den ehe­maligen Direktor des Landesrechnungshofes Dr. Brückner zitieren, der sagt: „Wir“ – al­so der Rechnungshof – „predigen immer, den Förderbereich zu durchforsten, auf Dop­pel- und Mehrfachsubventionen, auf möglicherweise fragwürdige Zwecke. Es muss ei­ne klare Linie geben.“

Als Beispiel darf ich hier nur einen Verein anführen, das ist der Verein maiz in Linz, ein autonomes Zentrum für Migranten, dessen Gebarung und Beitrag zur Integration größ­tenteils nicht nachvollziehbar sind. Dieser Verein erhielt alleine im Jahr 2014 insgesamt 762 800 €, und er wird laut Homepage von insgesamt 24 öffentlichen Stellen unter-


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stützt. In diesem Bereich, im Bereich des Förderwesens, gibt es Einsparungs- und Ver­einfachungspotenzial, das es auszuschöpfen gilt.

Oder auch – wie jetzt ein Landesrechnungshofbericht ans Tageslicht bringt – Förderzu­sagen, die von Landesregierungsmitgliedern getätigt wurden, die nicht gedeckt sind und die zum Teil bis ins Jahr 2029 schlagend werden. Hier fehlt es auch an den not­wendigen Beschlüssen, und hier hat sich gerade auch die SPÖ mit dem Sozialressort in Oberösterreich sehr „ausgezeichnet“.

Weil ich gerade bei der SPÖ bin: Mein Vorredner, Kollege Werner Stadler, hat die Fach­hochschule für das Innviertel angesprochen. Es ist richtig, Herr Landeshauptmann, wir wollen im Innviertel eine Fachhochschule, wir brauchen sie auch – sie ist für den Wirt­schaftsstandort wichtig, sie ist für den Bildungsstandort Innviertel wichtig. Sie wissen, dass wir eine Region sind, die dem Zentralraum nachhinkt, und Sie wissen auch, dass das Innviertel eine Region ist, aus der es Abwanderungsbewegungen Richtung Zen­tralraum gibt. Daher brauchen wir diese Fachhochschule!

Aber, lieber Werner Stadler, weil du sagst, jetzt gibt es das nicht mehr und die ÖVP ist da vorgeprescht: Wenn wir in diesen Sitzungen – ich war ja selbst dabei und einge­laden – ausmachen und vereinbaren, dass wir dieses Thema jetzt ruhend stellen – das war, glaube ich, im Mai oder im April – und nach den Wahlen weiterverhandeln und da­rüber weiterreden, und dann lese ich zwei Wochen später in der Zeitung, ÖVP und Freiheitliche blockieren, ja dann muss ich sagen, lieber Werner: Dein lieber Kollege aus dem Landtag, der Klubobmann Makor, braucht mich nicht mehr anzurufen zu die­sen Gesprächen. Denn wenn man etwas ausmacht und er hält sich nicht daran, ja was soll ich mich dann in Zukunft noch großartig einbringen? Wir brauchen diese Fach­hochschule, aber ich weiß nicht, ob es in diesem Rahmen noch Gespräche geben wird. Ich werde mit Sicherheit nicht mehr hingehen. Ob mein Kollege Elmar Podgorschek das machen wird, weiß ich nicht, diese Entscheidung liegt bei ihm, aber mich braucht er nicht mehr anzurufen.

Krankenhaus Schärding – lieber Werner, auch das hast du angesprochen –: Ihr wart zuerst dafür, dann wart ihr immer dagegen – ihr seid es heute noch, weil ja Wahlkampf ist, und deswegen ist es ganz interessant. Es stimmt, es ist nicht alles gut im Kran­kenhaus Schärding, vor allem auch, was diese Reform gebracht hat, Herr Landes­hauptmann. Aber ich halte es für notwendig und ich finde es auch gut, dass man hier ständig evaluiert und ständig anpasst. Daher, Herr Landeshauptmann, bitte gehen Sie diesen Weg mit den Evaluierungen auch weiter und setzen Sie hier die notwendigen Maßnahmen um! Und auch das, was Werner Stadler angesprochen hat, der 24-Stun­den-Dienst am Wochenende, sollte tatsächlich umgesetzt werden.

So, das sind die wahren Probleme, die wir in unserem Land haben, die gelöst werden müssen, Herr Landeshauptmann – nicht nur die Legalisierung von sogenannten wei­chen Drogen, wie sie Ihr Koalitionspartner in Oberösterreich, die Grünen, im Zuge ihrer „Joint Tour“ fordern. Wichtig ist die Frage: Wie kann Oberösterreich Industriestandort Nummer eins in Österreich bleiben?, nicht die Frage, ob wir zu viel Fleisch essen und deshalb einen fleischfreien Freitag brauchen, wie von den oberösterreichischen Grü­nen propagiert. Wichtig ist, dass Wirtschaft und Umwelt keine Gegensätze sein müs­sen, aber es muss auch klar sein, dass die Voest und die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze in Oberösterreich erhalten bleiben müssen. (Bundesrat Mayer: Eure Sor­gen möchte ich haben, wirklich!) – Nicht meine, sondern die vom Kollegen, der hinter mir sitzt, lieber Edgar Mayer. – Eines muss auch klar sein: Die Voest muss in Oberös­terreich bleiben! Und es wird, denke ich, auch jedem klar sein, dass die Voest ihre Hochöfen nicht mit einem Windrad betreiben wird können.

So gesehen, Herr Landeshauptmann, kommen auf Sie nicht gerade leichte Zeiten zu. Dennoch wissen wir alle, dass Sie auch nach der Wahl noch Landeshauptmann von


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Oberösterreich sein werden – auch wenn die Oberösterreichische Volkspartei mit Um­fragen versucht, Stimmung zu machen, die blau-rote Karte in Oberösterreich spielt. Auch wenn die Umfragen stimmen sollten, die hier vorliegen – FPÖ 24, SPÖ 21 Pro­zent –, sind wir immer noch bei nur 45 Prozent, und das ist weit weg von einer Mehr­heit.

Im Übrigen, Herr Landeshauptmann, Sie können ruhig schlafen. Alle, sowohl der Lan­deshauptmann-Stellvertreter Entholzer von der SPÖ, als auch wir Freiheitliche, beto­nen immer wieder, dass der Stimmenstärkste Landeshauptmann werden soll und wer­den wird, und das werden nun einmal Sie sein, Herr Landeshauptmann Dr. Pühringer, daran zweifelt in Oberösterreich niemand – nicht einmal Sie selbst, Herr Landeshaupt­mann, denn ich war selber dabei, als Sie einen Termin für nach der Wahl vereinbart haben, ich glaube, da waren Sie bei uns im Bezirk Schärding 

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte die Redezeit einzuhalten!

 


Bundesrat Hermann Brückl (fortsetzend): ... sehr charmant, mit einem Lachen, ha­ben Sie diesen Termin vereinbart.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident! Spannend werden in Oberösterreich einzig und allein zwei Fragen sein bei dieser Wahl am 27. September: Wird die FPÖ an die SPÖ herankommen? Und die zweite Frage: Wird Schwarz-Grün nach dieser Wahl noch mög­lich sein?

Herr Landeshauptmann, abschließend – Licht leuchtet (Bundesrat Tiefnig: Schon 10 Mi­nuten! – Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP) – darf ich sagen, muss ich sagen, dass ich angesichts der Größe der Aufgaben und der Probleme, ob des Chaos, das hier auf Sie zukommt, noch immer nicht weiß – hier schließt sich der Kreis –, ob ich Ihnen gra­tulieren soll, aber im Sinne unseres Landes, im Sinne der Menschen und im Sinne unserer Heimat wünsche ich Ihnen jedenfalls alles Gute! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.21


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


10.21.38

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Gottfried Kneifel, auch ich möchte dir im Namen unse­rer Fraktion und jener der Fraktionslosen recht herzlich zur Vorsitzübernahme gratulie­ren. Die Erfahrung hast du ja. Ich bin überzeugt, dass du das genauso gut machen wirst wie in der Vergangenheit.

Es freut mich ebenso, unseren Landeshauptmann begrüßen zu dürfen, und es freut mich sehr, ebenfalls Herrn Dr. Steiner, Herrn Erich Watzl und Herrn Landtagspräsiden­ten Viktor Sigl zu begrüßen.

Es freut mich insbesondere, dass wir heute hier im Bundesrat eine Art Geschichte schreiben werden, da erstmals unsere Abgeordneten zum Europäischen Parlament hier sind, und zwar möchte ich auch recht herzlich Mag. Othmar Karas, Professor Eu­gen Freund, Michel Reimon und Harald Vilimsky begrüßen. Dass Sie heute hier sind, dafür hat sich meine Fraktion wirklich vehement eingesetzt, insbesondere mein Kollege Marco Schreuder, und ich freue mich, dass das Früchte getragen hat und Sie auch heu­te hier sind und wir uns im Austausch befinden.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie haben es in Ihrer Rede schon anklingen und durchklingen lassen: Wir leben in turbulenten, in sehr bewegten Zeiten, und da ist, glaube ich, eines wichtig: Stabilität in der politischen Kultur, im politischen Umgang, und


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ich glaube sehr wohl, Kollege Brückl, dass wir Grüne die letzten zehn Jahre ein sehr stabiler, ein sehr verlässlicher Partner waren. Wir wissen alle, dass es Skepsis auf bei­den Seiten gegeben hat, sowohl bei der ÖVP, als auch in unseren eigenen Reihen.

Aber mittlerweile, glaube ich, nach zehn Jahren kann man doch mit Stolz und zu Recht sagen, dass es kein Widerspruch sein muss, wenn man Umwelt und Wirtschaft ver­einen möchte, wenn man Bildungspolitik vorausschauend gestalten möchte. Und wenn es um den Bereich der Menschlichkeit geht, waren wir, sind wir und werden wir auch immer wie ein Fels in der Brandung stehen bleiben.

Wir haben auch heute eine Kampagne zu der Thematik, die auch die Vorredner schon angesprochen haben, gestartet, und zwar: Heimat bist du großer Herzen! Diese Kam­pagne hat die Asylthematik zum Inhalt, die uns nicht nur die nächsten sechs Monate, das nächste Jahr, sondern die nächsten Jahre, wenn nicht auch die nächsten Jahr­zehnte beschäftigen wird. Ich bin froh, dass heute auch die Vertreter des Europäischen Parlaments hier sind, und ich möchte Ihnen auch von hier aus eines sagen: Die The­matik werden wir natürlich auf nationalstaatlicher Ebene nicht lösen. Es ist wichtig, dass wir innerhalb der EU zu einer gerechteren und fairen Aufgaben- und Verantwor­tungsverteilung gelangen, aber es ist noch viel wichtiger, jene Stimmen in den Her­kunftsländern zu unterstützen, die für Säkularität, die für eine laizistische Grundhaltung einstehen – und nicht die Islamisten.

Eines möchte ich hier mit aller Deutlichkeit sagen: Egal, ob gemäßigt oder nicht ge­mäßigt, mit Islamisten ist kein Staat zu machen. Sie sind jene, die den Weg für diese Probleme vorbereitet haben, und sie sind die Problemverursacher. Wir müssen dazu auch ganz klare und deutliche Worte finden, und ich ersuche unseren Außenminister, keine falsch verstandene Toleranz zutage zu legen. Mit Islamisten ist kein Staat zu machen, wir müssen die säkularen, liberalen Kräfte unterstützen! Deshalb begrüße ich es auch, dass Minister Kurz vor einigen Wochen in der Diplomatischen Akademie erst­malig – erstmalig! – jenen eine Stimme gegeben hat, die für einen liberalen Islam ste­hen, nicht nur in Europa, sondern auch in den Herkunftsländern. Und genau diese Stimmen gehören gestützt und unterstützt, damit diese Thematiken und diese Spirale der Fluchtgründe weniger wird und am besten gar nicht mehr stattfindet.

Wir haben uns bis jetzt sozusagen der Diktatoren in diesen Ländern, Gaddafi und so weiter, bedient, die haben das mit eiserner Hand festgehalten. Die sind jetzt nach der Reihe nicht mehr da. Ich möchte nur eines in Erinnerung rufen: Wenn wir nicht dafür sorgen, dass in diesen Ländern Nordafrikas oder auch Teilen Asiens oder auch am Balkan Friede, Ruhe und Ordnung herrschen, dann werden sich Millionen von jungen Leuten in Bewegung setzen. Dann ist das, was wir gegenwärtig erleben, dagegen ein „Lercherl“. Daher müssen wir hier eine vorausschauende Politik betreiben, und daher ist es auch befremdlich, dass im Europäischen Parlament Vertreter von Islamisten, der Muslimbruderschaft als RednerInnen und Ansprechpartner eingeladen werden. Ich ersuche alle unsere EU-Abgeordneten, sich dafür einzusetzen und rufe dazu auf, dem ein Ende zu setzen. Das sind nicht unsere Ansprechpartner, das können nicht unsere Ansprechpartner sein.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie haben jetzt den Vorsitz der Landeshaupt­leutekonferenz. Das Asylthema habe ich jetzt ein bisschen skizziert, das wird uns noch lange beschäftigen. Aber ich muss eines sagen: Es ist ein Trauerspiel, es ist be­schämend, was sich hier abspielt! Die heiße Kartoffel wird zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hin- und hergereicht. Und wenn der politische Wille vorhanden wäre, wäre das Thema innerhalb von ein paar Monaten gelöst.

Wir haben hier unter uns viele Bürgermeisterkollegen und -kolleginnen, und die sagen zu Recht: Es gibt Verordnungen, über diese können wir uns nicht hinwegsetzen, denn


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sonst machen wir uns strafbar. Aber wenn wir in Krisenzeiten auf Länderebene den Mut dazu hätten, zu sagen, wir setzen eine Verordnung in Kraft, wenn in den Erstauf­nahmezentren der Rucksack so groß wird, und diese auch zeitlich befristet machen, damit es kein Dauerzustand wäre, dann hätten wir die Ebene der Bürgermeister einmal ausgeklinkt, in Kenntnis gesetzt – und das erfordert politischen Mut, und den erkenne ich nirgends.

Das Thema, die Problematik wäre zu lösen, nur uns fehlt der Wille und der Mut. Da er­suche ich Sie, unter Ihrer Federführung auch darauf den Fokus zu richten. Wir könnten das in Oberösterreich auch angehen – und ich weiß, dass es diesbezügliche Überle­gungen gibt, sogar fraktionsübergreifend, und ich halte das für eine vernünftige Überle­gung. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben auch zwei Landeshauptleute-Kollegen, Herrn Niessl und Herrn Pröll, die jetzt nach wochen-, nach monatelangen, wenn nicht jahrelangen Diskussion wieder vom ge­meinsamen Weg ausscheren. Diese Bildungsdiskussion hängt nicht nur mir schon zum Hals heraus, sondern vielen, vielen anderen auch. Und mit jedem Tag, der vergeht, werden die Probleme mehr, und wir fallen in den internationalen Rankings überall zu­rück.

Es gibt von der Industriellenvereinigung ganz vernünftige Vorschläge. Wir haben hier im Bundesrat, geschätzte Frau Präsidentin Zwazl, zum Themenbereich Bildung und Ar­beitsmarkt viele Enqueten abgehalten, wir haben ExpertInnen eingeladen, unter ande­rem Professor Hengstschläger, der eine hervorragende Rede gehalten hat. Wir haben mittlerweile die Fakten auf dem Tisch, aber wir müssen uns endlich dazu durchringen, auch die Entscheidungen zu treffen, auch wenn die eigenen Kammern und Bünde ein­mal vielleicht nicht zu 100 Prozent befriedigt werden.

Kollege Brückl, du hast die Förderungen für den Verein maiz angesprochen. Der Ver­ein maiz ist ein autonomer Verein, der zu 100 Prozent von Förderungen lebt, und sie unterstützen, beraten und betreuen primär Migrantinnen, auch viele aus dem Bereich des Asyls, die einen Asylstatus haben, sie bieten Deutschkurse an, sie bieten Beratung für Sexarbeiterinnen an. Sie leisten wertvolle Arbeit und sie müssen an unterschied­liche Türen klopfen, weil es für diese Arbeit einfach fast kein Geld gibt. Das ist der Grund, warum so viele unterschiedliche Fördertöpfe angefragt werden müssen. Der Verein leistet sehr wertvolle Arbeit. Ich bin nicht mit all ihren Aktionen und Aktivitäten einverstanden, ich bemängle auch manche Dinge, aber sie leisten hervorragende Ar­beit; daher möchte ich auch von hier aus einmal meinen Dank an die vielen, überwie­gend ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen richten. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP so­wie des Bundesrates Zelina.)

Es gäbe natürlich noch sehr vieles zu sagen. Entscheidend wird, welche Weichen wir stellen, und die werden am 29. September (Rufe: 27.!) – ja, am 27. September gestellt, am 29. sind wir schon in den Verhandlungen, ich bin wieder meiner Zeit voraus gewe­sen.

Ich würde mir auch in Zukunft – und ich glaube, viele OberösterreicherInnen wünschen sich das auch – eine Kultur des Miteinanders, eine Kultur des Konsenses wünschen. – Ob man jetzt einen fleischfreien Freitag popagieren muss oder nicht, das ist Ge­schmackssache, aber gerade als Christ wissen Sie, geschätzter Herr Kollege Brückl (Bundesrat Mayer:  Donnerstag!): Donnerstag grün, Freitag Fisch. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.32


Präsident Gottfried Kneifel: Ich darf zu einer abschließenden Stellungnahme Herrn Landeshauptmann Dr. Pühringer das Wort erteilen. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

 



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10.32.48

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich werde nicht zu allen Anregungen, allen kritischen Punkten hier nochmals eine Erklärung abgeben. Nur einige ganz wichtige Punkte möch­te ich erklären.

Herr Kollege Stadler und alle, die sich mit dem Thema Asyl beschäftigt haben: Die Län­der haben bei dieser Konferenz, die von der Grundkonstruktion her leider falsch ange­legt war und provokativ war, nicht abgelehnt; eine regionale Planung und Steuerung im Flüchtlingswesen, die braucht man. Das ist gar keine Frage. Je näher wir zur Gemein­de hinkommen mit den Fragen, umso besser ist die Steuerung. Abgelehnt haben wir Bezirks- und Gemeindequoten, weil wir ein Ranking verhindern wollen: dort die Ge­meinde, die erfüllt, dort die Gemeinde, die nicht erfüllt, und jeden Tag stehen in den Zeitungen die Rankinglisten und wir verärgern all jene Bürgermeister, Gemeindefunk­tionäre, Bezirksfunktionäre, die wir jeden Tag brauchen, um die Probleme vor Ort zu lösen. Das kann so nicht funktionieren, darum haben wir diese Kontingente abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Zweiter Punkt: Wirklich provokant finde ich, wenn Sie hier in der Asylfrage ausgerech­net den niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll angreifen, denn Niederöster­reich hat sogar die Quote immer übererfüllt und Niederösterreich leistet mit Traiskir­chen (Rufe bei der SPÖ:  Traiskirchen! – Bundesrat Stadler: Das ist Bundessache!) eine überregionale Aufgabe, für die wir den Niederösterreichern nur dankbar sein kön­nen. Das muss in aller Klarheit gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bun­desrätin Adelheid Ebner.)

Was Sie hier gesagt haben, an Zahlen über Transfers von Gemeinden zum Land in Oberösterreich, kann ich nicht nachvollziehen. Faktum ist, dass wir bei der Kinderbe­treuung in Oberösterreich die Gemeinden nicht belastet, sondern entlastet haben und dass die Spitalsbeiträge dank der von Ihnen immer wieder punktuell kritisierten Spi­talsreform radikal auch für die Gemeinden zurückgegangen sind. Das sollten Sie aner­kennen, Herr Stadler!

Was die Fachhochschule Innviertel anlangt, dazu hat Herr Kollege Brückl eigentlich al­les gesagt. Das ist wirklich ein Verdrehen der Tatsachen. Alle sind wir für eine Fach­hochschule. Alle wissen wir, dass wir sie in den nächsten drei Wochen und drei Mo­naten nicht bekommen, und die Abgeordneten haben sinnvollerweise vereinbart: Hal­ten wir dieses Thema aus der tagespolitischen Auseinandersetzung in der unmittelba­ren Vorwahlkampfphase heraus! (Bundesrat Stadler: Aber Sie machen schon  Fo­to!) – Na jeder wird sagen, er will eine Fachhochschule im Innviertel. Das sagen Sie genauso. Aber aus der politischen Auseinandersetzung wird es herausgehalten (Bun­desrat Stadler: Ach so!), und das halte ich für eine gescheite Entscheidung der Ab­geordneten. Denken Sie darüber nach! Sie werden draufkommen, das ist wirklich ge­scheit. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stadler:  ÖVP  Foto!)

Was das Landesspital anlangt, in aller Klarheit: Die Reform ist einstimmig erfolgt. Die Reform ist mit den Stimmen der Sozialdemokraten erfolgt, daher kann es nicht schlecht sein, denn Schlechtem werden Sie ja nicht zustimmen. (Bundesrat Stadler: Na! Aber mit Bedingungen!) Und dass wir da ständig evaluieren und nachschauen, wo man kor­rigieren muss, ist eine Selbstverständlichkeit, nicht nur in Schärding, sondern in ganz Oberösterreich.

Herr Bundesrat Brückl, die Landeshauptleutekonferenz dürfte es nicht geben, haben Sie gesagt. Ich sage Ihnen, es darf in Zukunft nie eine Politik geben, wo Länder nicht mehr zusammenarbeiten. Gerade im Gedenkjahr sollte Zusammenarbeit über Länder­grenzen hinweg immer ein Gebot der Stunde sein. Das sind wir den Menschen in die­sem Lande schuldig.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 34

Zur Unterscheidung Kriegsflüchtlinge/Wirtschaftsflüchtlinge: Da bin ich selbstverständ­lich mit Ihnen einer Meinung. Zu den Grenzkontrollen: Ja, das muss man nur ganz ge­nau erklären. Es kann nicht sein, dass illegale und kriminelle Schlepperbanden Flücht­linge durch Italien durchführen, ohne Identitätsfeststellung, die dann bei uns aufschla­gen. Da muss Ordnung sein, und Ordnung kann auch heißen, dass ich an der EU-Au­ßengrenze kontrollieren muss – selbstverständlich.

Was ich an die Adresse eben Ihrer Fraktion schon sagen muss: Bitte überlegt euch den Ton, mit dem ihr in der Fremdenpolitik und in der Flüchtlingspolitik auftretet! Das ist kein Ruhmesblatt für eine Republik Österreich, auch nach außen. Von Fremden­hass sollten wir uns distanzieren. Ich sage auch, es gibt ungelöste Probleme. Selbst­verständlich gibt es in dieser Republik Mängel und Fehler, die wird es immer geben, selbstverständlich haben wir jetzt ein paar besonders schwierige Themen, aber als Ab­geordneter des österreichischen Parlaments von Chaos im Land zu sprechen, da muss ich sagen: Bitte, lernen Sie Geschichte! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der SPÖ.)

Chaos, das waren andere Zeiten, wo man zum Beispiel die Demokratie ausradiert hat. Dass die Probleme wie Arbeitslosigkeit et cetera da sind und man sich mit ihnen inten­siv auseinandersetzen muss, ist überhaupt keine Frage.

Und da Sie die Koalitionen ansprechen: Ich kann Sie trösten, die Joint-Tour ist kein ge­meinsames schwarz-grünes Projekt, sondern eine Wahlkampfaktivität der Grünen in Oberösterreich; damit haben wir nichts zu tun. Auch der fleischfreie Freitag ist für die ÖVP, seitdem das Fastengebot durch die Kirche aufgehoben ist, kein Thema mehr. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) Wir wollen die Menschen nicht bevormunden in ihrer Lebensführung, sondern wir wollen die Freiheit der Lebensführung der Men­schen achten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn wir über Koalitionen reden – sowohl Herr Dönmez als auch Herr Brückl haben das getan –, dann sage ich Ihnen nur Folgendes: Jawohl, wir haben jetzt 12 Jahre Schwarz-Grün in Oberösterreich gehabt. Das waren keine schlechten Zeiten für das Land. Da hat es Stabilität gegeben, da ist vieles weitergegangen. Die Sensation war, dass es funk­tioniert hat, denn man hat ja Schwarz-Grün ursprünglich nur zehn Monate gegeben.

Warum mache ich keine Ansage, was Koalitionen anlangt? – Weil ich da eine ganz fixe Meinung habe, dass in der Demokratie zuerst der Wähler zu sprechen hat. Er verteilt die politischen Gewichte, und anschließend haben die politischen Parteien daraus für ein Land das Beste zu machen. Wenn ich vor der Wahl schon sage, wie es nach der Wahl weitergeht, dann sage ich zu den Bürgern: Wählt, was ihr wollt, wir tun sowieso, was wir wollen! – Genau so einen Zustand muss man verhindern! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, nur ein Satz noch zu Pröll und Niessl: Herr Dönmez! Sie haben die Kommission nicht verlassen, weil sie Reformen verhindern wollen, sie haben die Kommission verlassen, weil sie sonst Mittäter einer Nichtreform, nur einer Kosmetik werden. Das ist der grundlegende Unterschied. Wir stehen für ordentliche Schulrefor­men selbstverständlich bereit, auch in der Schulverwaltung, aber für alle Behandlun­gen – und für Kosmetik nicht.

Ich danke Ihnen nochmals für die Diskussion im Bundesrat und wünsche dem öster­reichischen Bundesrat unter der Vorsitzführung meines Freundes Gottfried Kneifel eine gute und erfolgreiche Zukunft. (Allgemeiner Beifall.)

10.40


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 35

10.41.12Aktuelle Europastunde

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Europastunde zum Thema:

„Aktuelle Herausforderungen für Österreich und Europa“

Ich darf dazu Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz herzlich bei uns im Bundesrat willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Heute haben wir eine Premiere im Bundesrat, eine Premiere insofern, als erstmals im Rahmen der Aktuellen Europastunde das seit der letzten Novelle der Geschäftsord­nung des Bundesrates vom 14. Mai 2015 geltende Rederecht der Mitglieder des Euro­päischen Parlaments zur Anwendung kommt. Der Bundesrat wächst damit noch mehr in seine Rolle als Informations- und Diskussionsplattform für Europapolitik hinein.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Dann kommen die Mitglieder des Europäi­schen Parlaments geordnet nach Fraktionsstärke – mit einer Redezeit von jeweils 10 Mi­nuten zu Wort. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die eben­falls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach kommt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie allenfalls die beiden Bundesräte ohne Fraktion mit einer fünfminütigen Redezeit zu Wort. Sodann können wieder die Mitglieder des Europäi­schen Parlaments geordnet nach Fraktionsstärke mit einer ebenfalls fünfminütigen Re­dezeit zu Wort gelangen. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Ich begrüße die Mitglieder des Europäischen Parlaments sehr herzlich in unserer Mitte und darf sie bitten, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen; das unterstreicht auch die Bedeutung der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Ich bitte Sie nach vorne zu kommen und Ihre Plätze einzunehmen. (Allgemeiner Beifall. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments nehmen auf der Regierungsbank Platz.)

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Bitte.

 


10.44.26

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bun­desminister! Sehr verehrter Herr Landeshauptmann! Herr Kollege Karas! Lieber Herr Kollege Freund! Lieber Kollege Altbundesrat Vilimsky! Herzlich willkommen, Kollege Reimon! Für einige ist es ja eine Rückkehr zu uns in den Bundesrat, insbesondere für Herrn Kollegen Vilimsky. Ich freue mich sehr, dass dies heute möglich geworden ist, dass wir sozusagen diese Premiere, wie es der Herr Präsident gesagt hat, erleben dür­fen.

Ich darf mich insbesondere auch bei der Initiatorin bedanken, und das muss man jetzt schon einmal deutlich anmerken, wer diesen Impuls gegeben hat: Das war unsere Bun­desratspräsidentin a.D. Sonja Zwazl. Ich danke dir auch für die Hartnäckigkeit, dass du sozusagen drangeblieben bist und gesagt hast: Wir sind nicht nur die Länderkammer, wir sind auch die Europakammer, und diesen Bogen möchte ich spannen, ich möchte deshalb auch mit den Abgeordneten des Europäischen Parlaments hier diskutieren. – Einen herzlichen Dank, ich glaube, das verdient einen tosenden Applaus; danke schön. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 36

Ich möchte mich auch bei Präsident Kneifel bedanken, der das wirklich auch zu seiner Agenda gemacht hat  er hat es heute in seiner Begrüßungsrede angesprochen – und gleich auf die Tagesordnung gesetzt hat, sodass wir nun diesen Dialog führen können.

Der EU-Ausschuss des Bundesrates nimmt ja in hohem Maße, wie vom Herrn Landes­hauptmann auch deutlich angesprochen, die Subsidiaritätsprüfungen für die Länder wahr und setzt sich auch deshalb im konstruktiven Dialog mit der Kommission ausein­ander. Rücken wir das Ganze einmal ein bisschen ins Licht, was hier der österreichi­sche Bundesrat leistet: Wir haben 2013, was die Subsidiaritätsprüfungen anbelangt, hinter Schweden den zweiten Platz belegt. Und wenn wir die Statistik für das Jahr 2014 ansehen, sehen wir, dass der österreichische Bundesrat – was Subsidiaritätsprüfun­gen, Stellungnahmen, begründete Stellungnahmen, Mitteilungen anbelangt – in das Spit­zenfeld aufgerückt ist. Das spricht sehr dafür, dass der EU-Ausschuss des Bundesra­tes intensiv arbeitet und dass sich alle Kolleginnen und Kollegen wirklich im EU-Aus­schuss einbringen.

Da möchte ich auch die freiheitlichen Kolleginnen und Kollegen erwähnen, obwohl es hier einen anderen Zugang gibt – weil sie generell EU-kritisch sind, wir konstruktiv kri­tisch –, gibt es doch viel gemeinsame Beschlüsse und gemeinsame Äußerungen in Rich­tung Brüssel und zur Kommission. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Deshalb auch ein herzliches Dankeschön allen Kolleginnen und Kollegen, die sich im EU-Aus­schuss einbringen! (Beifall bei der SPÖ.) – Ja, da kann man auch applaudieren!

Wir haben ja am 2. Dezember miteinander „5 Jahre Lissabon-Vertrag“ „zelebriert“, hät­te ich fast gesagt; Gio Hahn war hier, und er hat auch dies in ein besonderes Licht ge­rückt. Ich möchte hier ein paar Zeilen aus seiner Rede zitieren, er hat gesagt:

„Seit dem Vertrag von Lissabon haben ja die Länderparlamente, die Länderkammern auch die Aufgabe, sich im Sinne des Subsidiaritätsprinzips in die Diskussion, in die Ent­scheidungsfindung einzubringen. Und wir erleben Gott sei Dank eine zunehmende Zahl von Stellungnahmen der nationalen Parlamente. Seit 2006 haben wir etwa 600 die­ser Stellungnahmen aus ganz Europa erhalten.“ Er berichtete auch über eine erhebli­che Zahl aus Österreich und spricht hier Lob, Anerkennung und Respekt aus. „Der Bundesrat hat 60 Stellungnahmen abgegeben, der österreichische Nationalrat 31. Also es steht ungefähr 1 : 2.“ Aus seiner Sicht: „Herzliche Gratulation! Bitte fahren Sie in die­ser Art und Weise fort!“ – Soweit, so gut.

Wenn man es nicht nur aus der Sicht der Länder betrachtet – da wir heute hier ja auch gemeinsam eine EU- Diskussion haben –, gehören schon einige Punkte andiskutiert. Das ist für mich zum Beispiel Europa 2020, die Strategie für ein intelligentes, nachhal­tiges und integratives Wachstum. Als Eckpunkte für die Umsetzung wurden einige Kern­ziele im Bereich Beschäftigung, Investitionen, Klima, Energie, Bildung und Armutsbe­kämpfung formuliert. Ganz wichtige Themen! Auf Grundlage dieser EU-Ziele haben sich die Mitgliedstaaten entsprechende nationale Ziele gesetzt, und ergänzt wird das Ganze durch sieben Leitinitiativen, die Österreich aktiv unterstützt hat und sich natür­lich auch zum Ziel genommen hat, diese entsprechend umzusetzen.

Dazu passt sicher auch das von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ange­dachte Investitionspaket von 315 Milliarden €. Es wird zielführend sein, denn jeder Im­puls, den wir sozusagen geben und auf diesem Wege zustande bringen, stärkt unsere Wirtschaft, stimuliert unsere Wirtschaft, damit wir gemeinsam aus dieser Talsohle, in der wir uns derzeit befinden, herauskommen und Europa auch wieder entsprechendes Wachstum generieren kann. – Das kurz zur wirtschaftlichen Situation.

Wir kommen natürlich, wenn wir über die EU und EU-Themen diskutieren, an der ak­tuellen Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland nicht vorbei. Da muss man meiner Meinung nach auch ein paar markige Wort finden, denn die Haltung der Griechen ist


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 37

auf Deutsch gesagt eine Frotzelei. Die Finanzminister verhandeln seit fünf Monaten mit den Griechen und wurden immer wieder vertröstet und sozusagen mit Reformvorschlä­gen konfrontiert, die das Papier nicht wert waren. Die geplante Volksabstimmung am Sonntag, mit einer negativen Empfehlung des Premierministers Tsipras, schlägt dem Fass eigentlich den Boden aus.

Wenige Stunden später folgt der nächste Purzelbaum der Regierung Tsipras: Ansu­chen um ein drittes Hilfspaket im Ausmaß von 29 Milliarden €, gerichtet an jene, die man vorher nicht nur beschimpft, sondern auch in ein schlechtes Licht gestellt hat. Richti­gerweise hat die EU reagiert und gesagt, bis zum Ende des Referendums gibt es sei­tens der EU keine weiteren Verhandlungen. Den Medien ist auch zu entnehmen, dass nicht nur die deutsche Bundeskanzlerin dieser Meinung ist, sondern das geht quer durch den ganzen Bereich der EU.

Das ist ja nicht nur eine Diskussion für die nächsten Wochen und Monate. Offensicht­lich hat Griechenland einen Schuldenstand von 360 Milliarden € angehäuft. Das wird Griechenland mit seiner Wirtschaftsleistung niemals zurückzahlen können. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Da ist auch dieser Kredit von 1,6 Milliarden €, der nicht an den IWF zurückgezahlt wurde, in diesem Kontext eigentlich kaum mehr erwäh­nenswert, obwohl er natürlich die Folge nach sich ziehen wird, dass Griechenland un­ter Umständen aus dem IWF ausgeschlossen wird, und dann kann der IWF auch nicht mehr für eine Pleite von Griechenland bürgen.

Europa hat wirklich viele Jahre – das Ganze geht ja seit dem Jahr 2009 – Solidarität und Verständnis für die schwierige Situation der Griechen gezeigt und wurde von Tsip­ras und Varoufakis, die sich auch noch mit dem Titel Popstars – von eigenen Gnaden – zieren, einfach maßlos enttäuscht.

Der letzte Punkt, den ich auch ansprechen möchte, ist ein ganz wichtiger Punkt, den der Herr Landeshauptmann heute auch angesprochen hat – die Diskussion hat es ja auch gezeigt, wir sind damit dauernd betraut –, das ist Asyl. Asyl wird auch medial in einer nie dagewesenen Form diskutiert.

Alles, was wir an Unterbringungsmöglichkeiten bieten – was man Flüchtlingen anbietet, Menschen, die sonst obdachlos, herbergslos sind, die in kriegszerbombten Häusern und Wohnungen gelebt haben, die es nur mit Mühe und Not zu uns geschafft haben –, wird kritisiert, und jedes auch noch so kleine Detail am Rande ist natürlich eine Riesen­schlagzeile in den Medien. Das tut uns insgesamt in der Diskussion nicht gut, das muss ich sagen, Herr Landeshauptmann Pühringer hat es auch angesprochen. Es ist auch die Sprache, wie wir mit dem Ganzen umgehen, nicht förderlich dafür, dass wir aus dieser Diskussion herauskommen.

Aber innerhalb der EU muss uns klar sein: Ohne Asylquote wird es nicht gehen! Dass zum Beispiel die baltischen Länder, oder auch unsere Nachbarstaaten wie Tschechien oder die Slowakei, oder auch Rumänien und Bulgarien keine oder ganz wenige Kriegs­flüchtlinge haben, das ist uns ja bekannt. Es ist auch nachvollziehbar, warum die Leute zum Teil dort nicht bleiben wollen. Auch Menschen, die den Dublin-Status haben, wol­len zum Beispiel nicht nach Ungarn abgeschoben werden. Wir wissen auch, wie die Si­tuation in Ungarn ist.

Also die Leute versuchen, in jenen Ländern zu bleiben, wo sie zumindest eine Unter­kunft bekommen, wo sie auch entsprechend aufgenommen werden, und das ist nun einmal zum Großteil in Österreich, auch in Deutschland und auch in Schweden. Des­halb kann man diesen Ländern diese hohe Flüchtlingszahl nicht in diesem Ausmaß zu­muten, sondern es braucht hier einen Ausgleich, es braucht einen Ausgleich in Europa. Es ist nicht nur die EU betroffen, sondern ganz Europa ist davon betroffen. Und wir müssen auch danach trachten eine Lösung zu finden, wie wir mit diesen Menschen entsprechend umgehen können. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 38

Die letzten Meldungen aus diesem Bereich sind Grenzkontrollen in Dänemark, heute eine Dringliche Anfrage betreffend Grenzkontrollen auch in Österreich, eine Mauer an der ungarisch-serbischen Grenze oder Grenzzäune an der türkisch-bulgarischen Gren­ze. Landeshauptmann Pühringer hat es heute wirklich treffend formuliert, ich muss das nicht noch einmal in dieser Deutlichkeit ausführen. Das sind alles Einzelmaßnahmen, und sie bringen auch nicht wirklich den Erfolg, den sie bringen müssen. Wir brauchen in Europa einen Schulterschluss, eine gemeinsame europäische Migrationspolitik, sonst werden wir den Status, in dem wir uns jetzt befinden, nicht ändern. Das ist eine euro­päische Überforderung. Ganz Europa ist mit diesem Thema überfordert, und wir haben hier keine gemeinsame Lösung anzubieten.

Es gäbe jetzt im Dialog mit euch, liebe Kollegen aus dem EU-Parlament, sicher noch viele Themen, die wir andiskutieren möchten oder könnten. Es ist ein erster Versuch einer gemeinsamen Diskussion. Ich freue mich, dass das heute stattfindet, dass es uns gelungen ist, hier zusammen zu diskutieren. Ich darf mich namens meiner Fraktion noch­mals recht herzlich bedanken und wünsche uns gute gemeinsame Diskussionen. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte.

 


10.55.14

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Außenminister! Geschätzte Abgeordnete des Europäischen Parlaments! Auch namens meiner Fraktion: Herzlich willkommen! Was Edgar Mayer gesagt hat, soll auch deutlich machen – zu Zeiten von Herrn Vilimsky war das hier bei uns ja noch nicht so –, dass letztlich der Bundesrat zu einer Europakammer des Österreichischen Parlaments wurde; das, was Edgar Mayer kurz dargestellt hat, das zeigt uns das ja auch.

Ich bin froh darüber, dass zwei Jahre, nachdem es für Abgeordnete des Europäischen Parlaments möglich wurde, im Wiener Landtag zu sprechen – und seither wird das von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Wiener Landtag ja auch reichlich ge­nutzt –, nun auch die Premiere auf Bundesebene stattfindet. Ich glaube, das ist wichtig, das sind auch wichtige Verknüpfungspunkte.

Kommen wir in dieser Diskussion zur Situation, die wir heute in Europa haben. Wir hat­ten seit Beginn wieder einmal auch ein bisschen Einblick in den Mikrokosmos Öster­reichs zwischen Bund und Ländern, den Föderalismus, die Probleme, wenn Landes­hauptleute eine Bildungskonferenz verlassen, wenn wir Schwierigkeiten haben, die Ver­pflichtungen der Landeshauptleute oder der Länder betreffend Flüchtlinge zu organisie­ren. Dieser Makroorganismus und die Probleme sind natürlich in einer Gemeinschaft von Staaten umso stärker ausgeprägt.

Ich möchte heute im Rahmen dieser Debatte fünf Bereiche umreißen und komme gleich zu jenem, der heute schon angesprochen wurde. Ja, Europa steht vor einer gewaltigen Herausforderung mit seinen Flüchtlingen: Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, Menschen, die versuchen, aus Gebieten, wo Gewalt, Verfolgung und mörderische Re­gime herrschen, nach Europa zu kommen. Laut UNHCR sind derzeit 60 Millio­nen Menschen auf der Flucht. Aber nach wie vor sind immer noch die Länder des Südens diejenigen, die das Hauptproblem der Flüchtlingsströme bewältigen. Von den zehn größten Flüchtlingslagern ist keines in Europa.

Wenn wir uns die syrische Tragödie anschauen, dann müssen wir auch ganz kurz den Nachbarstaaten Respekt zollen: 1,6 Millionen Menschen hat die Türkei als Gäste aufgenommen und – ohne um Hilfe anzusuchen – im letzten Jahr dafür 6 Milliarden € aus dem Budget verwendet. 1,8 Millionen Flüchtlinge sind derzeit im Libanon – das ist


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 39

fast schon mehr als ein Drittel der Bevölkerung –, in einem Land, das derzeit alles an­dere als stabil ist. 1,6 Millionen Flüchtlinge leben derzeit in den Flüchtlingslagern Jor­daniens, dem Land, das schon 500 000 Flüchtlinge aus dem Irak beherbergt und noch immer Flüchtlinge aus Palästina beherbergt. Weitere 500 000 – man weiß es nicht so genau – 600 000 Flüchtlinge sind im Irak.

Wenn wir all diese Zahlen anschauen, dann muss man sich fragen: Liebes Europa, wa­rum tun wir uns so schwer damit, jene Flüchtlinge, die nach Europa kommen, men­schenwürdig aufzunehmen und ihnen zumindest sichere Routen anzubieten?

Schauen wir zum Beispiel die Flüchtlingszahlen Österreichs aus dem April 2015 an: Das waren 3 600 Flüchtlinge, 3 175 davon sind unmittelbar aus Kriegsgebieten. Ich glau­be, die Debatte über Wirtschaftsflüchtlinge hat sich hiermit längst erledigt.

Wenn wir sagen, großzügig sagen, dass von den 60 Millionen Menschen, die derzeit flüchten, 8 Millionen versuchen, in OECD-Staaten zu kommen, und in den OECD-Staa­ten – zu denen wir auch gehören – 1,3 Milliarden Menschen leben, ist das ein Hundert­zweiundsechzigstel der Bevölkerung. Und das ist nicht machbar?!

Heute haben wir in Österreich Zeltstädte, und wir haben noch nicht einmal halb so viele Flüchtlinge wie während des Bosnien-Kriegs aufgenommen – damals waren es 90 000. Wir haben weder Zeltstädte gebraucht, noch hatten wir eine Diskussion, wie wir sie seit Monaten haben. Da muss man sich fragen: Was hat sich verändert? – Aber wir können Solidarität auch einmal völlig umdrehen und sagen: Ja, üben wir doch in Europa Soli­darität – aber üben wir Solidarität mit Schweden! Schweden hat ohne Not ein Vielfa­ches aufgenommen, nämlich derzeit zwischen 90 000 und 100 000 – und es gibt keine Diskussion.

Wenn wir die derzeit am meisten betroffenen Länder anschauen, so können wir sagen: Das größte Flüchtlingsheim ist Deutschland, beherbergt 200 000 Flüchtlinge, und es ist sozusagen nicht in der Quote. Wenn wir dann über europäische Aufteilung sprechen, dann müssen wir natürlich schauen: Österreich hat 3,5 Prozent in Europa, das große Vereinigte Königreich 4,1, Spanien 0,9 und unser lieber Nachbarstaat Kroatien 0,1. Das heißt, wir müssen hier in Europa zu gemeinsamen Linien kommen, und wir brau­chen neue Instrumente. Der von einigen Außenministern vorgelegte große Flüchtlings­fonds von 10 Milliarden € könnte schon eine Möglichkeit sein.

Falls der nachfolgende Redner von der FPÖ mit Australien als Beispiel daherkommt – denn bei einer Podiumsdiskussion wurde ich damit konfrontiert –: Australien hat das Völkerrecht gebrochen. Australien gilt heute in der Flüchtlingsfrage als ein Paria unter den zivilisierten Ländern. Australien wird von dieser Haltung abgehen müssen, denn wenn man das Völkerrecht und damit die Flüchtlingskonvention unterschreibt, dann darf man das, was Australien gemacht hat, nicht tun.

Kommen wir zu der Frage: Was braucht Europa? – 2013 hätte ein gemeinsamer euro­päischer Asyldienst geschaffen werden sollen; den haben wir noch nicht. Den brau­chen wir dringend. Weiters brauchen wir einen europäischen Fonds für Anpassung. Und was wir vor allem brauchen, ist eine Willkommenskultur, eine andere Form der Willkommenskultur.

Jetzt bemühe ich einmal ganz kurz die Geschichte. Wir alle freuen uns über die Re­naissance und welche schöpferische Kraft sie für Europa hat – in der Kultur, in der Wissenschaft, in der Bildung. Die Renaissance wäre so nicht möglich gewesen, hätte Europa damals nicht Tausende und Abertausende Flüchtlinge aus dem gefallenen Konstantinopel aufgenommen, diese hatten dermaßen viel Wissen. Die Flüchtlinge aus Syrien sind hochgebildete Flüchtlinge. Die Flüchtlinge, die heute unterwegs sind, sind zwei bis drei Jahre unterwegs, das heißt, das sind nicht die Allerärmsten, und sie ha­ben von ihren ganzen Familien wahrscheinlich das letzte Geld zusammengekratzt.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 40

Wenn wir heute diese zentrifugalen Wirkungen in Europa sehen, die Alleingänge, hö­here Mauern zu machen, befeuern wir das Geschäft der Schlepper – das wird nämlich nur teurer. Wenn ich heute als Tourist von der Insel Kos mit dem Boot kurz in die Türkei fahre, zahle ich 10 €. Fahre ich dort als Flüchtling, zahle ich 3 000 €.

Kommen wir noch ganz schnell zu Griechenland. Lieber Edgar! Jede Medaille hat zwei Seiten, wie du weißt. Von dem Geld, das Europa Griechenland gegeben hat, sind von 100 € 1,80 € tatsächlich in Griechenland angekommen. Was haben wir mit der Grie­chenland-Hilfe getan? – Wir haben ausländische Banken gerettet. Wir haben Versiche­rungen gerettet. Die ersten 200 Milliarden € sind überhaupt diesen Weg gegangen. Vor allem haben wir mit 75 Milliarden € von früheren griechischen Regierungen die Waffen­einkäufe  Das bringt ja noch einmal das Fass zum Überlaufen, wenn NATO-Gene­ralsekretär Stoltenberg sagt – wie gestern –, er warnt Griechenland, bei den Rüstungs­ausgaben zu kürzen.

Was wir heute de facto haben, ist, dass 35 Prozent der griechischen Bevölkerung nicht mehr gesundheitsversichert sind, dass die Suizidrate um 27 Prozent gestiegen ist, die Obdachlosigkeit um 25 Prozent. Da funktionieren diese Gesetze nicht mehr, die Versu­che mit Steuern, Massensteuern, Breitensteuern, da brauchen wir andere Rezepte als jene, die angeboten werden. 2009, als das erste Geld nach Griechenland gegangen ist, betrug die Staatsverschuldung 130 Prozent. Heute sind wir schon bei über 174 Pro­zent. Da kann doch irgendetwas nicht angekommen sein, um die Wirtschaft im Land anzukurbeln, um die Menschen in Arbeit zu halten und Arbeitsplätze zu erhalten. Da ist etwas komplett aus dem Ruder gelaufen.

Wenn wir sehen, dass zum Beispiel die größten Adoptionsangebote – also Kinder, die in Europa zur Adoption freigegeben werden – derzeit in Griechenland sind, dann ist das, weil die Eltern versuchen, den Kindern wenigstens über Adoption ein noch halbwegs menschenwürdiges Leben zu geben.

Kommen wir dazu, was im Hintergrund geschieht: Das sind die Austeritätspolitik und falsche Freihandelsabkommen, die wir schließen. Damit würgen wir uns derzeit in Eu­ropa alles ab.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wenn Sie bitte zum Schlusssatz kommen!

 


Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Ja, ich komme schon zum Schluss.

Würden wir zum Beispiel die goldene Regel der Finanzwirtschaft anwenden, dass die öffentlichen Hände zu Recht auch Verschuldungen eingehen können, um 

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Schlusssatz, bitte, Herr Kollege!

 


Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend):  die Märkte und den Arbeitsmarkt an­zufeuern, dann würde die Konjunktur in Europa einen anderen Weg einschlagen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl.)

11.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.06.10

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments! Sehr ge­ehrte Gäste! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause an den Bildschirmen! Zum ei­nen eine Bemerkung zu Edgar Mayer und auch zu einem Zwischenruf des Kollegen Schreuder: Ja, es stimmt, wir haben sehr viele Mitteilungen nach Brüssel gemeinsam beschlossen, auch wenn die Zugänge unterschiedlich waren. Es ist aber tatsächlich so, dass wir sehr wohl konstruktiv sind.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 41

Wenn wir etwas ablehnen, begründen wir das auch durchaus sachlich. Der Unterschied zwischen uns ist folgender: Sie beide sagen immer: Alles ist super in Brüssel, nur das ist gerade schlecht! Wir sind Brüssel-kritisch, nicht europakritisch. Das ist ein großer Unterschied. (Bundesrat Mayer: Ja, genau!) Wir sind für weniger Brüssel, für mehr Frei­heiten für die Nationalstaaten. Das unterscheidet uns. Wir sind eben keine Faserschmeich­ler, wie es die Grünen meistens sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben auch in vielen Fällen, in denen wir Kritik geübt haben, durchaus recht ge­habt. Da komme ich auch gleich zu Griechenland. Wir haben von Anfang an, als das ausgebrochen ist, gesagt: Das wissen wir von den Griechen, die haben sich in die Eu­rozone hineingeschwindelt. Jeder hat es gewusst. Keiner hat etwas dagegen getan. Dann kam die Krise, und das Ganze hat sich vervielfacht. Wir haben davor gewarnt, Gelder nach Griechenland zu schicken, weil wir gesagt haben: Das ist ein Fass ohne Boden. Dieses Geld sehen wir nie wieder. Das ist Geld des Steuerzahlers, und auch bei den Haftungen ist der Steuerzahler letzten Endes derjenige, der dafür wird haften müssen. (Bundesrat Schreuder: Es ist kein Geld nach Griechenland geflossen! Es ist nicht nach Griechenland geflossen!)

Das alles haben Sie negiert. Ganz im Gegenteil, ich kann mich noch erinnern: Pröll als Finanzminister, Fekter als Finanzministerin haben uns erzählt, das wird für uns ein Ge­schäft werden. Da werden wir mehr zurückbekommen. Jetzt sagen selbst Sie von der ÖVP: Das Geld ist weg, das sehen wir nie wieder. Das haben wir damals schon ge­wusst und es auch gesagt.

Die Regierung Tsipras hat ja jetzt etwas abgezogen, auf dieser Showbühne in Brüssel, wo sie auf nichts eingegangen ist – wobei ich ihnen nicht vorwerfe, dass sie ein Refe­rendum abhalten wollen. Sie wissen, wir treten immer für direkte Demokratie ein und sagen: Ja, warum soll denn das Volk nicht darüber befinden? – Es ist ja nicht so – auch das diskutieren wir nicht zum ersten Mal –, dass Sie sagen können, die Leute verstehen das nicht, denn das alles sei zu komplex. Das ist ja oft ein Argument gegen die direkte Demokratie. Wenn man den Medienberichten Glauben schenken darf, durch­schauen die Griechen sehr wohl, was da läuft, zumindest scheint die Zustimmung da­für, in der Eurozone zu bleiben, zu wachsen, und es ist nicht sicher – egal, wie Tsipras dieses Referendum bewirbt –, wie das am Sonntag ausgehen wird.

Wir bleiben aber trotz alledem bei dem, was wir immer gesagt haben: Wir sind dafür, dass Griechenland und auch andere südeuropäische Länder eine eigene Währung ha­ben, denn das haben Ihnen namhafte Ökonomen schon bei der Einführung des Euro gesagt: dass unterschiedliche Volkswirtschaften – und Griechenland ist eine unterschied­liche Volkswirtschaft, die Griechen sollen sein, wie sie sollen, das sollen sie ja auch dürfen – sich nicht vertragen, und der Norden verträgt sich einfach nicht mit dem Sü­den, weil es hier kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede gibt, die, wie man sieht, un­überbrückbar sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Das war vor 150 Jahren schon so. Damals ist Griechenland von Russland, von Deutsch­land und von Großbritannien finanziert worden. Es hat sich bis heute nichts geändert, nur der Kreis derer, die zahlen, ist größer geworden. Daher bleiben wir dabei: Grie­chenland – eigene Währung, raus aus der Eurozone! Auch Hans-Werner Sinn hat in einem Vortrag bei der Agenda Austria vorgerechnet, wie viele Staaten es schon gege­ben hat – ich glaube, 70 waren es an der Zahl –, die, wenn sie eine eigene Währung hatten, sich innerhalb von zwei Jahren erholt haben.

Sie haben jetzt auch gesehen, dieses Szenario „Grexit“ hat zu keinem Börsencrash ge­führt, hat nicht zu einem Zusammenbruch von irgendetwas geführt, sondern es geht ei­gentlich ganz ruhig dahin, und die Leute sagen: Ja, dann wird es halt so sein. Also das ist ein Fall, bei dem wir oft genug gewarnt haben und richtiggelegen sind.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 42

Zweites großes Thema: Natürlich ist das etwas, was Europa nicht nur heute, nicht nur morgen, sondern die nächsten Jahrzehnte, wenn nicht noch länger, beschäftigen wird, und das ist die Zuwanderung. Und da mischen Sie nämlich immer Asyl und Zuwan­derung. (Bundesrat Mayer: Wir mischen das nicht! Wir wissen das schon auseinan­derzuhalten!)

Niemand, auch wir nicht, sagt: Asylsuchende, die im Sinne des Begriffes Asyl zu uns kommen wollen, sollen nicht aufgenommen werden. Dafür waren wir immer, da hat Ös­terreich auch eine sehr gute Tradition. Sie erinnern sich: Tschechei-Krise, Ungarn-Auf­stand, Jugoslawien-Krieg. Kein Österreicher hat irgendwann gesagt: Nein, die brauchen wir nicht, die sollen nicht zu uns kommen.

Das wird auch bei den Kriegsflüchtlingen heute so sein. Das, was aber unter dem The­ma „Kriegsflüchtling“ zu uns kommt, sind solche, die zuwandern wollen, und die kann Europa nicht in Bausch und Bogen aufnehmen. Ich sage Ihnen auch ganz offen: Wir wollen das auch nicht. Wir bekommen die Probleme dieser Länder frei Haus mitgelie­fert, die dann hier auf unserem Grund und Boden ausgetragen werden, und Sie wer­den sehen, welche sozialen und gesellschaftspolitischen Konflikte das noch mit sich bringen wird.

Darauf können wir uns nicht freuen, und daher sind wir in dieser Trennung so strikt zu sagen: die, die Wirtschaftsflüchtlinge sind – nein. Da wird ja immer auf die Tränen­drüsen gedrückt und die Bilder gehen durch die Medien, und wenn man genau hin­schaut, sind dort keine Familien mit Frauen und Kindern, sondern junge, kräftige Män­ner, vielfach auch aus Nordafrika, zu denen ich Ihnen in einer der letzten Sitzungen schon gesagt habe, es wäre viel besser, die blieben dort zu Hause, würden dort einmal mit ihren Regimen aufräumen, die ja, wie wir wissen, seit Jahrzehnten korrupt sind und gegen die eigene Bevölkerung arbeiten.

Es geht doch darum, Bedingungen in den Ländern, aus denen sie kommen, zu schaf­fen, damit sie dort auch bleiben können. Das müssen aber diese jungen Männer, die da herkommen, auch aktiv mittragen. Es kann ja nicht sein, dass halb Afrika allein von der Entwicklungshilfe leben muss. Sie wissen ganz genau, dass es da auch in den ein­zelnen Ländern Afrikas Menschen gibt, die das genauso sehen und sagen: Es kann nicht sein, dass mein Land in Bildung und Gesundheit und Sicherheit alleine von der Entwicklungshilfe lebt. Das sind die Dinge, die man trennen muss.

Und ja, Australien: Ich bekenne mich dazu – der Herr Kollege Schennach sitzt eh noch da –, ich sage ja, man muss schon einen Riegel vorschieben, weil das, was Sie mit der Quotenregelung quer über Europa versuchen, bedeutet nichts anderes, als dass Sie Tür und Tor öffnen und allen signalisieren: Ihr könnt eh alle zu uns kommen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mayer: Das stimmt ja nicht! Es geht um einen Ausgleich!)

Selbstverständlich stimmt das! Ich will es den Leuten, den Personen, die kommen wollen, gar nicht verdenken. Aus ihrer Sicht würde ich das wahrscheinlich auch tun, wenn ich weiß, ich komme hier auf einen Kontinent, der mir Sicherheit bietet, der mir auch finanzielle Sicherheit bietet – denn das haben sie ja –, ich mache mich jetzt dort­hin auf. Aber wir können nicht die ganze Welt retten – wollen wir auch nicht, gebe ich zu.

Daher haben wir auch – was ja dann schon aufgenommen worden ist – gesagt: Erst­aufnahmezentren in Nordafrika, die das einmal prüfen. Zuerst sind wir – wie immer, wie das eben so üblich ist, weil das ja bei Ihnen so ein Reflex ist, wenn wir etwas sagen – einmal geprügelt worden, weil das alles völlig unmöglich ist und gar nicht geht, und dann wagt sich doch der eine oder andere Spitzenpolitiker aus ihren beiden Lagern aus der Deckung und sagt: Ja, das wäre ja vielleicht eigentlich nicht schlecht!, oder tut so, als ob er es gerade eben erfunden hätte.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 43

Ich glaube, dass wir wirklich da ansetzen müssen, einen Stopp zu machen, um zu schauen, welche – von den Kriegsflüchtlingen reden wir nicht – Zuwanderer überhaupt kommen können. Einstweilen, sage ich Ihnen, bin ich dafür, einen Stopp zu machen.

Die Zeit reicht gar nicht mehr, um Ihnen alle Probleme aufzuzählen, die wir schon seit Jahren hier in diesem Land haben, aber in dieser Flüchtlingsfrage und auch in der Grie­chenland-Frage bitte ich Sie jetzt meinerseits, einmal ehrlich darüber zu diskutieren und nicht immer auf die Tränendrüsen zu drücken, damit dieses Thema nicht ernsthaft diskutiert werden kann. Es ist ja wirklich so eine Decke, die sich drüberlegt: Die sind alle arm, die FPÖ ist böse, und darüber reden wir nicht mehr. Das wird uns nicht wei­terbringen, sondern ganz im Gegenteil, das wird uns massiv schaden, und ich gehe nicht davon aus, dass Sie das wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.16.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Kollegen aus dem Europaparlament! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute diese europäische Debatte hier im Bundesrat haben.

Es ist ja bekannt, dass ich schon seit vielen Jahren in der Präsidiale – also seit En­de 2012, seitdem wir drinsitzen – diesen Wunsch auch geäußert habe. Ich bin froh, dass die Kollegin Zwazl das in ihrer Präsidentschaft umgesetzt hat, weil ich glaube, dass die Entwicklung des Bundesrats zu einer Europakammer tatsächlich sehr bemer­kenswert ist, da hat Kollege Edgar Mayer schon recht.

Wobei sich natürlich auch eine Frage stellt: Warum macht uns der EU-Ausschuss – ich sage das einmal ganz bewusst – so viel Spaß? Warum betonen wir, dass es dort so viel besser funktioniert und dass das so toll ist, im Gegensatz zu vielen anderen Din­gen, die wir auch tun – nämlich nationale Gesetzgebung, die doch im Grunde eine Kern­aufgabe des Bundesrats und auch des Nationalrats ist? – Ich glaube schon, dass es an folgender Tatsache liegt, und das sollte uns grundsätzlich in demokratiepolitischen Fra­gen zu denken geben: Im EU-Ausschuss bekommen wir Vorhaben beziehungsweise Vorhabensberichte der Kommission. Das sind noch keine Gesetze. Und wir werden konsultiert und gefragt: Was haltet ihr von dieser Idee? – Dann sagen wir, nein, das ist keine gute Idee, oder wir sagen, das geht gar nicht, denn das widerspricht der Subsi­diarität, oder wir machen gar nichts, denn das ist eine gute Idee, noch bevor es über­haupt zu einer Gesetzgebung kommt.

Was passiert in der nationalen Gesetzgebung? – Wir bekommen Regierungsvorlagen, und dann müssen wir brav nach parteipolitischer Disziplin durchwinken, und das war es. Das ist der Grund, warum der EU-Ausschuss und die EU-Agenden in diesem Haus so viel besser, so viel interessanter sind als die nationale Gesetzgebung. Da sollten wir im Sinne einer Föderalismusreform, die wir immer wieder diskutieren, im Sinne von demokratiepolitischen Checks and Balances, die wir immer diskutieren, immer wieder auch inklusive der Infragestellung des Bundesrates – da ist des Pudels Kern sozusa­gen begraben –, ansetzen, und das zeigt auch, warum die Europapolitik in demokrati­schem Kontext in diesem Haus so viel interessanter und so viel spannender ist als der Rest.

Dass der Bundesrat eine Europakammer ist, halte ich auch insofern für richtig, als es ja diesen berühmten Spruch gibt: „Global denken, lokal handeln“. Wer könnte das besser verkörpern als der Bundesrat? – Diesbezüglich glaube ich schon, dass in Zukunft noch stärker europabezogene Thematisierungen vorgenommen werden können, weil sie am Ende des Tages natürlich auch bis auf Landesebene und Gemeindeebene durchdringen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 44

Die Themen, die uns alle am meisten beschäftigen, sind schon von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen genannt worden. Man muss ganz offen sagen: Europa ist derzeit in seiner größten Krise, seit es die Europäische Union gibt. Die Europäische Union ist in ihrer größten Krise, seit es die Europäische Union gibt. Europa ist ja nicht in der Krise, Europa ist ein Kontinent, ein geographisches Element.

Wie nämlich Europa entstanden ist, das ist heute ganz zu Beginn, als sich der neue Prä­sident Kneifel zu Wort gemeldet hat, eigentlich schon gesagt worden, als er die Lehren, die man aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen hat, repliziert hat und auch – und darauf ist Europa immer so stolz –, dass Europa ein Friedensprojekt geschaffen hätte.

Das ist auch richtig. Nur was passiert jetzt, wenn wir an Griechenland denken? Ist das noch das Europa, das Ausgleich schafft, solidarisch ist und Menschen helfen will? Oder ist das ein Europa, das in eine völlig andere Richtung geht, das nicht mehr ge­lernt hat aus der Geschichte? – Sind wir uns ehrlich: Würden Österreich und Deutsch­land da stehen, wo sie jetzt stehen, wenn sie die Schulden des Zweiten Weltkriegs und den Schaden, den sie angerichtet haben, hätten zahlen müssen? Wäre ohne Marshall­plan je ein Wirtschaftswunder passiert? Hätten sich Menschen in Österreich und Deutsch­land etwas leisten können, Geld ausgeben können und damit den Wirtschaftskreislauf erst in Schwung gebracht?

Das genau tun wir in Griechenland nämlich nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth. – Gegenruf des Bundesrates Tiefnig.) Und wenn Sie, Frau Kollegin Mühlwerth, sagen, dass wir das Geld nach Griechenland schicken, dann muss man sagen – und der Kollege Schennach hat recht –: Dieses Geld ist zu den Gläubigern Griechenlands geflossen, das heißt, in deutsche Banken, in britische Banken, in italienische Banken und so weiter, und ist nicht nach Griechenland geflossen. Man hat nicht in griechische Pensionskassen eingezahlt, damit die Pensionisten Geld bekommen, oder in die Ar­beitslosenkassa, damit die Jugendlichen eine Ausbildung erhalten oder sonst irgendet­was. Nein, man hat die Gläubiger gerettet und nicht Griechenland. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Deswegen glaube ich, wenn man die Lehren aus der Europäischen Union und der Ge­schichte, warum die Europäische Union entstanden ist, ziehen will, dann braucht es ei­nen Marshallplan für Griechenland – und zwar jetzt und nicht morgen.

Man sollte nämlich auch eines lernen: Es gab schon einmal Austerität, nämlich nach der Wirtschaftskrise 1929, als die USA, Deutschland und ganz viele Staaten angefan­gen haben, Sparpolitik zu machen und ein Kreislauf entstanden ist, an dem am Ende niemand mehr Geld ausgegeben hat, nicht mehr der einzelne Bürger und die einzelne Bürgerin, nicht mehr die Wirtschaft – sie hat nicht mehr investiert, und der Staat hat nicht mehr investiert. Wo das geendet hat und welche politischen Kräfte daraus Ge­winn ziehen konnten, sollten wir nämlich auch nie vergessen.

Ich möchte noch einmal auf den Kollegen Kneifel ganz am Anfang Bezug nehmen, denn das geht ja alles Hand in Hand. Er hat angekündigt, dass eines der großen Zu­kunftsthemen für dieses Halbjahr unter der oberösterreichischen Präsidentschaft der digitale Wandel und die digitale Zukunft sein wird. Auch das ist ein sehr dankbares Thema, wie ich finde, weil es bis in die Gemeinden geht. Wenn Onlinehandel zunimmt, stellt sich natürlich für Gemeinden die Frage: Wie schauen unsere Einkaufsstraßen der Zukunft aus? – Wenn man sich zu Hause auch mit 3-D-Druckern Produkte ausdrucken kann, werden sich die Nahversorger die Frage stellen: Wozu gibt es uns und was braucht es für die Zukunft?

Die digitale Zukunft ist eine ganz entscheidende Frage, auch für die Länder. Entschie­den wird sie natürlich zu einem ganz erheblichen Ausmaß auf europäischer Ebene. Und wir haben ja ohnehin auch schon im EU-Ausschuss darüber gesprochen, Herr Kollege


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 45

Mayer, es gibt ja eine digitale Agenda, die jetzt auch wieder auf der Tagesordnung steht. 16 Verordnungen oder Richtlinien, glaube ich, sind in diesem Paket wohl zu er­warten.

Das Nächste, was jetzt schon vor der Tür steht, ist ja die Telekommunikationsrichtlinie, die jetzt in einem Trialog, wie das heißt, zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission beschlossen worden ist. Würde man nur die Roaminggebühren in diesem Paket wahrnehmen – und leider tun das sehr viele –, dann kann man es natürlich be­jubeln. Grundsätzlich ist es natürlich sehr erfreulich, wenn eine Art digitaler Binnen­markt entsteht, allerdings gilt das nur für Urlauber, nicht für Leute, die wirklich europä­isch arbeiten. Für Letztere wird das nicht möglich sein, aber für die Urlauber und Ur­lauberinnen klingt das ganz gut.

Gleichzeitig – und das muss man schon betonen – ist in diesem Dialogprozess die Netz­neutralität abgeschafft worden, die gerade in den USA eingeführt worden ist, und zwar mit großem Erfolg. Netzneutralität bedeutet nämlich, dass Start-ups, neue Unterneh­men die gleichen Chancen haben wie etablierte Unternehmen, die es sich leisten kön­nen, eine Überholspur an die Provider zu bezahlen. Wer das macht, schädigt europäi­sche Start-ups, schädigt die Möglichkeit, dass neue Technologien die gleichen Chan­cen haben werden wie schon etablierte Konzerne. Das ist ganz, ganz schlecht für die digitale Zukunft unseres Kontinents, und wir müssen das auf jeden Fall verhindern!

Ich wollte natürlich auch noch über die Flüchtlinge reden, aber mein Lämpchen leuch­tet schon. Ich wollte natürlich auch darüber reden, dass Europa, der Kontinent, wo die Menschenrechte erfunden worden sind – ohne Französische Revolution hätten wir kei­ne Menschenrechte auf globaler Ebene gehabt  (Bundesrat Schennach: Aber in den USA!) – Die USA waren der erste Staat vor der Französischen Revolution, aber erfun­den wurden sie in der französischen Aufklärung.

Wenn wir – weil heute auch schon beim Herrn Landeshauptmann Pühringer von Barm­herzigkeit oder Unbarmherzigkeit die Rede war und jetzt gerade eine Hitzewelle vor der Tür steht – Flüchtlinge in Zelten übernachten lassen, wenn es draußen 38 Grad hat, dann ist das unbarmherzig, und das muss geändert werden! – Danke schön. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ.)

11.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als erstes Mitglied des Europäischen Parlaments gelangt an diesem historischen Tag nun Herr Abgeordneter Mag. Karas zu Wort. – Bitte.

 


11.26.29

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Othmar Karas, MBL-HSG (ÖVP): Herr Bundesminister, lieber Sebastian! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während in Griechenland – und Sie spüren das ja auch schon in der Debatte – der Regierungschef und sein Finanzminister seit Monaten die eigene Bevölkerung belügen und betrügen, was den Zustand des Landes betrifft, die notwendigen Strukturreformen, die Investitionen sowie die Solidaritätsmaßnahmen der Europäischen Union und Österreich, sage ich zu diesem Punkt jetzt nur: Es wurden ein Paket von 35 Milliarden, ein Vorschlag von Jean-Claude Juncker, 1 Milliarde € Sofort­hilfe und ein Wachstumspaket abgelehnt.

Während das auf der einen Seite in Griechenland passiert, machen wir heute im Bun­desrat und am 23. September im Nationalrat die Europapolitik zur regionalen Innenpoli­tik. Wir schlagen heute gemeinsam ein neues Kapital im Dialog zwischen Europaparla­mentariern und Mitgliedern des Bundesrates auf. Darüber sollten wir einmal froh sein. Dafür danken wir, dazu gratulieren wir. Das ist ein Brückenschlag, der dringend not­wendig ist, weil er zu einer Verbesserung von Information und Dialogfähigkeit und zu gegenseitigem Verständnis beiträgt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 46

Die Rolle der Parlamente sind – hoffentlich nicht nur für mich – Gradmesser für die Qua­lität der parlamentarischen Demokratie. Die Parlamente sind – und müssen das auch verstärkt wieder werden – Orte des Dialogs, der Information, ja der inhaltlichen Ausein­andersetzung des Wettstreits von Ideen und von Weltanschauungen, der demokrati­schen Legitimierung in der Gesetzgebung, der notwendigen parlamentarischen Kontrolle und der noch viel notwendigeren Stärkung der Transparenz des Entscheidungs- und Mei­nungsbildungsprozesses in jedem Gemeinwesen. (Vizepräsidentin Posch-Gruska über­nimmt den Vorsitz.)

Es ist eigentlich eine wunderschöne Brücke, die wir gar nicht vergessen sollten: Am 1. Juli hat im Rat der Europäischen Union Luxemburg den Vorsitz von Lettland über­nommen, und am 1. Juli hat im Bundesrat Oberösterreich den Vorsitz von Niederöster­reich übernommen, Gottfried Kneifel von Sonja Zwazl. In beiden Länderkammern ro­tiert der Vorsitz – in Österreich zwischen den Bundesländern, in der Europäischen Uni­on zwischen den Mitgliedstaaten. Die Botschaft ist jeweils die gleiche: Jeder Bürger, jede Bürgerin, jede Region, jedes Land ist Teil des Ganzen. Jeder von uns, egal auf welcher Ebene er tätig ist und lebt, ist mitverantwortlich und eigenverantwortlich, und jeder von uns, jeder Staat, jede Region, jede Person ist – egal, ob groß oder klein und woher sie kommt – gleich viel wert.

Das drückt sich in den Länderkammern, auf der EU-Ebene wie in Österreich, durch den Vorsitzwechsel in einer besonderen Form aus. Und in Österreich waren zuerst die Bundesländer, die die Republik begründet haben. In der Europäischen Union waren zuerst die Mitgliedstaaten, die die Europäische Gemeinschaft, die heutige Europäische Union begründet haben. Beide Gemeinschaften sind nicht fertig, die europäische noch viel weniger als die nationale, und vor allem nicht die regionale. Daher passt der Satz Robert Schumans vom 9. Mai 1950 heute genauso wie damals:

Die Europäische Union – ich sage, unsere Gemeinschaften – entsteht nicht mit einem Schlag, sie ist nicht eine einfache Zusammenfassung, sondern es wird Ereignisse ge­ben, die eine Solidarität der Tat schaffen.

Dass die Ereignisse, die eine Solidarität der Tat schaffen, die das Miteinander stärken müssen, stündlich mehr und nicht weniger werden, haben die Wortmeldungen seit 9 Uhr Früh auch im österreichischen Bundesrat deutlich bewiesen.

Heute wird ein klares Signal ausgesendet: Europapolitik ist Innenpolitik! Ein klares Sig­nal: Gemeinderäte, Landtagsabgeordnete, Nationalräte, Bundesräte, Mitglieder des Euro­päischen Parlaments vertreten Bürgerinnen und Bürger und sind nicht Selbstzweck. Wir üben Funktionen aus, die Instrumente zur Lösung der Probleme und Annahme der Herausforderung zu sein haben und nicht Selbstzweck, und wir gestalten Zukunft. Das ist unser Adressat: Bürgerinnen und Bürger und unsere gemeinsame Zukunft.

Diese Kammer versteht sich als Europakammer – darüber bin ich froh –, nicht nur we­gen des Subsidiaritätsprinzips. Ich möchte schon darauf hinweisen: Ich finde, dass sich diese Kammer auch deshalb zu Recht als Europakammer versteht, weil Europa in den Gemeinden und Regionen stattfindet. 94 Prozent des gesamten Budgets der Europäi­schen Union werden in Projekten in den Gemeinden und Regionen der Mitgliedstaaten verwendet. Europa findet dort statt, wo Sie die Bürgerinnen und Bürger vertreten und wo Sie leben.

Meine Damen und Herren, es hat sich in dieser Debatte auch deutlich eines gezeigt: Ihre Themen sind unsere Themen: Wachstum, Beschäftigung, Investitionen – daher der Juncker-Investitionsplan. Flüchtlinge und Asyl, Migration sind ein gemeinsames Anlie­gen, aber es gibt zu wenig gemeinsame Verantwortung und zu wenig Gemeinschafts­kompetenz. Es wäre schön, hätten wir eine gemeinsame Migrations-, Asyl-, Flüchtlings-, Entwicklungshilfe-, Außenhandelskompetenz in der Europäischen Union, um miteinan-


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der alle Forderungen, die Sie an die Europäische Union richten, subsidiär auch in der Europäischen Union ausreichend lösen zu können, denn nur die Lösung lindert das Leid und schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Unser Thema sind die demographische Entwicklung, die Budgetkonsolidierung, ja, weil die Schulden von heute die Arbeitslosigkeit von morgen sind und weil wir uns nur mit weniger Schulden den Spielraum für die Investitionen in Zukunftsfelder erwirtschaften können. Friede, Demokratie und soziale Sicherheit: Schauen wir nur in die Ukraine und in andere Krisengebiete, die heute angesprochen sind! Freiheit und Verantwortung: Den­ken wir nur an die Taten!

Ja, die digitale Agenda: Daher fordern wir in der Europäischen Union den digitalen Binnenmarkt, um unabhängiger und stärker zu werden. Die Daseinsvorsorge bewegt uns gemeinsam, weil die Frage der Dienste im allgemeinen Interesse immer auch in der Europäischen Union, auch in einem Binnenmarkt subsidiär zu lösen und nicht über die Europäische Union zu regeln sind. Und Umwelt und Klima und vieles darüber hi­naus sind Ihre Themen und unsere Themen.

Daher ist der Dialog so wichtig. Daher ist es so wichtig, dass wir aufeinander zugehen, miteinander reden, statt Schuld zuzuweisen. Und daher bin ich Sonja Zwazl dankbar, dass in ihrer Präsidentschaft mit Ihnen gemeinsam das Rederecht geschaffen wurde, und ich bin dankbar dafür, dass Gottfried Kneifel seine erste Sitzung in den Dienst die­ses Dialogs stellt. Jedes Halbjahr, egal, wer es gestaltet, ist nämlich nur dann erfolg­reich, wenn wir es miteinander gestalten wollen, statt gegeneinander zu arbeiten, wenn wir miteinander reden, weil wir für die Bürgerinnen und Bürger verantwortlich Politik zu machen haben und verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen haben, um die europäische Demokratie zu stärken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

11.36


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Eugen Freund. – Bitte.

 


11.36.28

Mitglied des Europäischen Parlaments Eugen Freund (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren Bundesräte! Europa, und ich meine natür­lich das politische Europa, nicht das geographische Europa, ist – und das zeigt sich hier und heute besonders deutlich – auch ein wesentlicher Bestandteil nationaler Poli­tik, in unserem Fall österreichischer Politik. Othmar Karas hat das auch schon ausge­führt.

Österreichische Politik ist auch ein wesentlicher Bestandteil Europas. Mit diesem Re­derecht in einer der beiden Kammern im Hohen Haus, wie wir es heute zum ersten Mal praktizieren, tragen wir diesem Zusammenhang auch Rechnung. Es freut mich beson­ders, dass dieses neue Rederecht in einer Kammer ausgeübt wird, in der und der ge­rade diese Wechselwirkung der politischen Ebenen so wichtig ist, nämlich im Bun­desrat. Der Bundesrat agiert da als Scharnierstelle zwischen Österreich und Europa, so, wie es der neue Bundesratspräsident richtig formuliert hat.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir schreiben heute Geschichte, und ich gratuliere meinem Kollegen und Freund Othmar Karas, dass er sich sozusagen als Erster in dieses Geschichtsbuch eingetragen hat. Es ist ein kleines Stück österreichi­sche Geschichte. Mit dem heutigen Tag ist Europa wieder ein Stück näher an Öster­reich herangerückt. Und am Ende der Debatte – das verspreche ich Ihnen – wird Ös­terreich wieder ein Stück näher an Europa heranrücken. Ich werde Ihre Anregungen ger­ne mit nach Europa nehmen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 48

Lassen Sie mich jetzt ein Bild zeichnen, wie sich Europa mir präsentiert – und ich sage noch einmal: das politische Europa, nicht das geographische –: Für mich ist dieses Eu­ropa wie ein Flugzeugträger, natürlich nicht im militärischen Sinn, ganz und gar nicht, aber in seiner Größe, in seiner Länge, in seiner Breite, in seiner Höhe und auch in der Weise, wie dieses Europa in den vergangenen nicht ganz 70 Jahren ein weites Stück der Weltmeere durchpflügt hat.

Kursänderungen, meine Damen und Herren, sind freilich – wie wir immer wieder se­hen – eine schwierige Angelegenheit. Fast ständig stehen nämlich am Kommando­stand drei Kapitäne: einer von der Kommission, einer vom Rat und einer vom Parla­ment. Und oft diskutieren sie, in welche Richtung es jetzt gehen soll, oder sie blo­ckieren das Steuerrad, weil jeder herumdrehen will, natürlich nicht simultan. Auf dem Deck – so sehe ich es – stehen 28 Flugzeuge. Sie sind unterschiedlich alt, und es gibt unterschiedliche Modelle: Wenn sie abheben, dann fliegen sie sehr oft auch in unter­schiedliche Richtungen.

Am Ende des Tages, meine Damen und Herren Bundesräte – und darin sind sie sich wieder einig –, kommen sie alle auf dieses Deck zurück, weil sie darin eine gemein­same Heimat sehen. Das ist Europa im Guten wie im Schlechten, so wie ich es derzeit sehe.

Dieses Europa hat sich im ersten Jahr meiner Tätigkeit im Europäischen Parlament mit vielen schwierigen Themen auseinandergesetzt. Othmar Karas hat schon ein paar da­von angesprochen. Die hohe Arbeitslosigkeit vor allem unter den jungen Menschen in vielen Mitgliedstaaten, das anämische Wachstum, die ungelöste Flüchtlingsfrage, die Frage, wie man den Konflikt um die Ukraine lösen kann, und dann in den letzten Tagen ganz akut das Problem Griechenland.

Lassen Sie mich ganz kurz ein paar Worte zu den einzelnen Problemen sagen. – Bei Griechenland geht es meiner Ansicht nach um einen Drahtseilakt. Die traditionellen Parteien in Europa gönnen Syriza und dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras keinen Erfolg. Schließlich ist eine Partei an der Macht, die es geschafft hat, die Parteien, die eng mit den europäischen Partnern verbunden sind, aus dem Amt zu ja­gen.

Wenn man sich die wesentlichen Akteure in diesem Konflikt ansieht, dann könnte Eu­ropa ein Nord-Süd-Kulturkonflikt drohen, in dem sozusagen der germanische Norden gegen den lateinischen Süden kämpft. Davor hat übrigens der italienische Philosoph Giorgio Agamben bereits vor zwei Jahren gewarnt. Das wäre eine ziemlich pessimisti­sche Analyse.

Eine zweite stimmt mich etwas positiver, vielleicht auch, weil sie von mir kommt. Ich glaube nicht, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Geschichte als jene Regierungschefin eingehen will, die das Auseinanderbrechen Europas eingeleitet oder zumindest zugelassen hat. Ich glaube also – anders ausgedrückt –, dass ein Kom­promiss immer noch möglich und auch notwendig ist.

Was die Flüchtlingsproblematik betrifft, so gibt es keine kurzfristige Regelung. Ein soli­darisches Europa, in dem Flüchtlinge nach einer Quotenregelung aufgeteilt werden, ist dringend notwendig, aber das lässt noch auf sich warten, weil einige Staaten nicht nach­geben wollen. Genau so dringend wie dieser Aufteilungsschlüssel, meine Damen und Herren, sind aber auch längerfristig wirkende Schritte; dabei spreche ich ganz beson­ders Herrn Bundesminister Kurz an.

Europa muss sich endlich diplomatisch und politisch stärker einbringen. Ich nenne das eine robuste und selbstbewusste europäische Außenpolitik. Ich habe das auch schon in meiner allerersten Rede im Europäischen Parlament über die Außenpolitik betont.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 49

Oder kennen Sie eine Initiative, die Europa gestartet hat, um den blutigen Konflikt in Syrien einzudämmen? Ich kenne keine.

Dabei tragen einzelne frühere europäische Weltmächte Mitschuld an dieser Tragödie, weil sie nämlich nach ihrem Rückzug aus dieser Region völlig willkürliche Grenzen ge­zogen und die Menschen unterschiedlicher Religion und unterschiedlicher Ethnien ih­rem Schicksal überlassen haben. Das betrifft genauso Teile von Afrika. Dort kommt noch hinzu, dass zum Beispiel die europäische Agrarpolitik in den letzten Jahren – oder auch, wie man mit den Fischfangquoten umgeht – diese Länder quasi ausgehun­gert hat. Es ist kein Wunder, dass diese Menschen jetzt zu uns kommen.

Was die Ukraine betrifft, so ist es mir wichtig zu betonen, was Europa immer im Auge behalten muss: Die Regierung in Kiew muss auch dringend ihr eigenes Haus in Ord­nung bringen! Das heißt, der Kampf gegen die Korruption darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Der Rechtsstaat muss dringend reformiert werden. Die Oblaste, die einzelnen Provinzen, wollen und sollen mehr Eigenständigkeit bekommen. Die Rechte der Min­derheiten müssen gewahrt und ausgebaut werden. Gleichzeitig – das betone ich aus­drücklich – besteht kein Zweifel, dass Russland erst dann damit rechnen kann, dass die Sanktionen aufgehoben werden, wenn das Minsk II-Abkommen tatsächlich in aller Form umgesetzt ist.

Jetzt noch – last, but not least – zum anderen wirklich wichtigen Thema: der Wirt­schaftslage in Europa und damit natürlich auch zu der Lage, die uns direkt beein­flusst. – Gerade erst sind Zahlen aus Österreich veröffentlicht worden, nach denen die USA Italien als Exportland Nummer zwei überholt haben, auch weil die Exporte nach Italien stagnieren, weil eben die Wirtschaft in Europa nicht in Schwung kommt.

Da kann ich es mir nicht ersparen, auf das Beispiel der Vereinigten Staaten zu spre­chen zu kommen. Dort hat die Regierung nach dem Crash im Jahr 2008 zusätzlich zu einem großzügigen Bankenrettungspaket über 800 Milliarden Dollar in die Hand ge­nommen und damit wieder aus der Krise herausgefunden. Jetzt gibt es dort ein or­dentliches Wachstum, und die Arbeitslosigkeit ist von 11 Prozent auf fast die Hälfte hal­biert worden.

Davon können wir in Europa nur träumen. Wir haben uns einreden lassen, dass zwar die Banken gerettet werden müssen, aber nicht die Menschen. Ich will nicht den Ein­druck erwecken, dass mir ein geordneter Haushalt nicht wichtig ist. Aber ist es nicht seltsam, meine Damen und Herren, dass es den Begriff „zu Tode sparen“ gibt, aber nicht den Ausdruck „zu Tode investieren“? Ich habe ihn in keinem Lexikon oder Wör­terbuch gefunden. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich könnte noch zahlreiche weitere The­men ansprechen, die uns im Europäischen Parlament beschäftigen, aber ich sehe zu meiner großen Überraschung, dass das Licht schon leuchtet, obwohl ich versucht ha­be, mich an die 10 Minuten zu halten. Ich wollte Ihnen nur einen kleinen Abriss davon geben, womit wir uns im Europäischen Parlament beschäftigen. Das eine oder andere werden sicher auch die Redner, die nach mir kommen, noch ansprechen wollen.

Ich danke Ihnen sehr herzlich für die Aufmerksamkeit und danke noch einmal, dass es uns gelungen ist, hier im Bundesrat als Erstes dieses Rederecht zu bekommen! – Vie­len Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.46


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als weiteres Mitglied des Europäischen Parla­ments gelangt Herr Abgeordneter Vilimsky zu Wort. – Bitte.

 


11.46.48

Mitglied des Europäischen Parlaments Harald Vilimsky (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab nur


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 50

ganz kurz etwas sagen, das bei der Beobachtung der Debatte in mir innere Aufregung hervorgerufen hat.

Das war, als Kollege Schreuder – keine Angst, ich kritisiere Sie jetzt nicht oder noch nicht – zu Recht gesagt hat, dass ein Gutteil der Griechenland-Hilfe natürlich nicht in Richtung der griechischen Bevölkerung und nicht in Richtung der griechischen mittel­ständischen Wirtschaft geflossen ist, um dort das Rad der Wirtschaft wieder in Bewe­gung zu bringen und damit vielleicht Wachstum zu generieren, sondern dass man aus­schließlich den Anleihenmarkt bedient hat, da habe ich bei Ihnen, bei der Sozialdemo­kratie, großen Applaus geortet.

Ich frage mich nur: Was war vor ein paar Jahren, als wir 2010 im Nationalrat dieses erste Hilfspaket auf die Reise geschickt haben und wir von der Freiheitlichen Partei da­rauf aufmerksam gemacht haben? Sie waren es, die uns heftig und massiv dafür kriti­siert haben. Wann immer Sie also heute klatschen, bitte klatschen Sie nicht bei diesem Punkt der Kritik! (Bundesrat Todt: Wir klatschen, wann wir wollen! – Zwischenruf der Bundesrätin Kurz.)

Das Zweite (Beifall bei der FPÖ), was für mich sehr neu war (Bundesrätin Kurz: Man lernt immer etwas Neues! – Bundesrat Stadler: Das ist ein lebenslanges Lernen!) – sehr neu war, Kollege, ist, hier vernehmen zu können, dass der österreichische Bun­desrat nicht mehr die österreichische Länderkammer, sondern eine Europakammer ist.

Es war möglicherweise eine Änderung der Bundesverfassung, die sich meiner Kennt­nis entzogen hat (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber soweit ich das begreife, ist der Bun­desrat immer noch die Vertretung der österreichischen Bundesländer. Wenn es nach der Freiheitlichen Partei geht, wird hier auch weiterhin das Interesse der neun österrei­chischen Bundesländer zu vertreten sein, in Ergänzung und als Korrektiv zu dem, was im Nationalrat geschieht – aber das nur als weitere Anmerkung meinerseits.

In Richtung des Herrn Karas, der gemeint hat, Europapolitik ist Innenpolitik: Das ist ein legitimer Schluss aus seiner Sicht, aber das völlig Konträre zu dem, was wir erachten. Innenpolitik ist österreichische Politik, sonst würde es auch nicht „österreichische“ und „Innenpolitik“ heißen. Da ist, glaube ich, ein ganz deutlicher Unterschied festzumachen und nicht den Menschen Sand in die Augen zu streuen.

Europa ist schon gar nicht die Europäische Union, und wir rücken heute auch gar nicht ein Stück näher an Europa heran. Wir sind, wir waren und wir bleiben im Herzen Eu­ropas, und Europa hat nichts mit der Europäischen Union zu tun. Die Europäische Union ist ein Verein mit einem bestimmten Regelwerk, aus dem man als Ultima Ratio auch austreten kann, wenn die Fehlentwicklungen weiter anhalten. Sie ist jedenfalls nicht mit unserem wundervollen Kontinent synonym zu setzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich freue mich jedenfalls – um hier auch Dinge zu sagen, die positiv sind – über diesen heutigen Tag, dass man sich meiner erinnert – vom Herrn Bundesrat Mayer bis zum Herrn Bundesrat Schennach –, als wir hier vor, glaube ich, über zehn Jahren gesessen sind und sehr kontroversielle Debatten abgehalten haben. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie waren damals, glaube ich, noch bei den Grünen, Herr Schennach, heute sind Sie bei den Sozialdemokraten. Ich war alleine hier. Das war schon ein hartes Stück, wenn man hier Reden halten muss und diesbezüglich überhaupt kein Echo auch einer eige­nen Fraktion erhält. (Bundesrätin Zwazl: Alleine stimmt aber nicht!)

Ich war der Erste, der nach der Spaltung der Freiheitlichen Partei im Jahr 2005 ein Bun­desmandat errungen hat, und war am Beginn alleine. (Bundesrätin Zwazl: Ach so, Ihr habt euch so oft geteilt!) Ich erinnere mich noch ganz gut an diesen Tag. (Bundesrat Stadler:  eigene Fraktion abgespalten!) Heute sehe ich eine Fraktion von über 10 Bun­desräten, die mit den kommenden Urnengängen in Oberösterreich und Wien noch ein-


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mal anwachsen, Richtung 15 gehen werden – das ist gut so. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Und Sie, die das kritisieren, sollten einmal in den inneren  (Neuerliche Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Schödinger: Sie haben zu Europa nichts zu sagen! Sie haben zu Europa nichts zu sagen!) – Aber jetzt warten Sie einmal ab, ich garan­tiere Ihnen, Sie werden sich noch genug enervieren und aufregen über das, was ich zu Europa zu sagen habe. (Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Wenn Sie sich al­le ein bisschen wieder beruhigen, kann ich das weiter ausführen.

Ich möchte den Betreibern des überparteilichen Volksbegehrens gratulieren: über 260 000 Menschen, die sich ganz klar für einen Austritt Österreichs aus der Europäi­schen Union ausgesprochen haben und damit auch der Ausdruck dafür sind, wie hoch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung eigentlich ist, und die auch Reformen einmah­nen. (Zwischenrufe des Bundesrates Stadler und der Bundesrätin Kurz.) Und ich möch­te – um die Frage im Kollektiv zu beantworten – diese Unzufriedenheit vertreten (Bun­desrätin Zwazl:  schüren!), indem ich meine Kritik an europäischen Unionsentwick­lungen noch stärker aufzeigen möchte, weil ich glaube, dass das auch eine Meinung ist, die immer stärker in den Bevölkerungen Europas verankert ist.

Glauben Sie wirklich, dass dieses Europa, das Sie heute so beschwören, in den Her­zen, den Bäuchen und den Köpfen der Menschen angekommen ist? Wissen Sie, wie hoch die Wahlbeteiligung bei der letzten EU-Wahl war? Gibt es jemanden, der das aus dem Bauch heraus spontan weiß? Nein! (Bundesrat Stadler: Dann sag es uns!) – Eu­ropaweit 42 Prozent, und nach unten gab es Minusrekordwerte, in der Slowakei zum Beispiel 13 Prozent. 87 Prozent in einem Land der Europäischen Union sagen: Mich in­teressiert das nicht, was auf europäischer Ebene gemacht wird. (Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

Da muss man doch die richtigen Schlüsse daraus ziehen! Da kann man doch nicht un­beirrt mit Scheuklappen seinen Weg weitergehen und sagen: Wir brauchen mehr Euro­pa, wir brauchen mehr EU und jeder, der das kritisiert, ist auf dem Holzpfad unter­wegs! – Mitnichten!

Diejenigen, die die Europäische Union kritisieren – wie wir es tun – wollen Gutes für Europa. Wir wollen eine Änderung, wir wollen eine Abkehr von diesem Weg des Zen­tralismus. Wir wollen ein Europa, das aus Mitgliedern besteht, die auf Augenhöhe zu­einander und in Freundschaft und in Souveränität gemeinsam die Zukunft gestalten können. Das hatten wir doch schon in der Europäischen Gemeinschaft. Erinnern Sie sich zurück, da war Wohlstand, Prosperität und Freundschaft. Heute ist in allen Berei­chen das Gegenteil der Fall.

Um zu begreifen, warum so viele Menschen von dieser Form der europäischen Uni­onspolitik angewidert und mit ihr unzufrieden sind, habe ich eine Titelseite einer Tages­zeitung von damals mitgenommen (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), die sehr gut zum Ausdruck bringt, wie die Österreicherinnen und Österreicher in diese Europäische Union hinein gelogen wurden (eine Kopie der Titelseite in die Höhe haltend): „Kein Eu­ropa-Geld! DM und Schilling bleiben“.

Das haben Sie von ÖVP und SPÖ damals den Menschen vor der Volksabstimmung versprochen. Heute wissen wir: Wir sind im Euro, der Euro ist im Straucheln – vielleicht im Kollabieren –, der Wohlstand auf unserem Kontinent ist dahin und im Schwinden. Diejenigen, die nicht nur mit dieser Euro-Lüge, sondern auch diejenigen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), die ver­sprochen haben, das sich jede Familie einen Tausender als Mitglied der Europäischen Union ersparen wird  (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Nichts war!

Im Gegenteil: Jede Familie zahlt heute etliche Tausender mehr für diesen Europäi­schen Einigungsprozess! (Bundesrat Lindinger: So ein Unsinn!) Und Sie sollten sich


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das in das Stammbuch schreiben lassen, wenn Sie jetzt Ihre Zwischenrufe machen, kri­tisieren und abermals kritisieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sollten auch nie vergessen, dass nicht wir Mandatare, sondern die Bevölkerungen die souveränen Entscheidungsträger sind. (Bundesrat Schennach: Gut, dass die Re­dezeit im europäischen Parlament kürzer ist!) Und als dieses Europa konstruiert wurde, sind die Bevölkerungen immer außen vor geblieben. Erinnern Sie sich zurück! Bei der Einführung des Euros hat die Freiheitliche Partei etwas Unglaubliches gemacht: Sie hat sich erfrecht, zu fordern, eine Volksabstimmung darüber zu machen. Brauchen wir nicht, hat es damals von Rot und Schwarz geheißen, das ziehen wir auch ohne Bevöl­kerung durch. Das Ergebnis kennen wir.

Sie erinnern sich vielleicht an den Diskussionsprozess über eine europäische Verfas­sung. Da hat es zwei Volksabstimmungen gegeben, in Frankreich und Holland, beide sind negativ ausgegangen. Dann hat man die europäische Verfassung schubladisiert, weil man gesehen hat, dass man das nicht durch die europäischen Bevölkerungen durchbringt. Nach einer Phase, in der es in der Schublade gelegen ist, hat man es ein bisschen angereichert und versucht, es als Lissabon-Vertrag neu in Stellung zu brin­gen.

In 27 Ländern – mit Ausnahme von einem – gab es, wie „natürlich“ auch in Österreich, keine Beteiligung des Wahlvolkes. In Lissabon hat es diese Abstimmung gegeben, nur oje, die ging nicht so aus, wie man es sich erwartet hat. Dann sind die ganze Maschi­nerie der Europäischen Union und die Werbemillionen da hineingeflossen, bis es dann bei der zweiten Abstimmung so ausgegangen ist, wie es das EU-Establishment wollte.

Jetzt bin ich wieder bei Ihnen, bei der Sozialdemokratie (Bundesrat Lindinger: Was du nicht verstehst, sollst du nicht anreden!), die vor der Nationalratswahl in seitenweisen Inseraten und offenen Briefen versprochen haben, dass die österreichische Bevölke­rung bei gravierenden Änderungen im europäischen Regelwerk mitstimmen darf. Dann gab es den ESM, und Sie wollten nichts mehr davon wissen. Ein Haftungsvolumen, das größer als die österreichischen Staatsausgaben ist, wurde beschlossen, ohne die Österreicherinnen und Österreicher zu fragen. Das ist der verkehrte Weg!

Jetzt gibt es ein Referendum in Griechenland, über das komme ich vielleicht in der zweiten Runde – wenn Zeit ist – zu sprechen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Wis­sen Sie, was das Absurde ist? – Dass man in Griechenland auf der Schuldnerseite ein Referendum zulässt, auf der Gläubigerseite jene, die das 

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen!

 


Mitglied des Europäischen Parlaments Harald Vilimsky (fortsetzend):  allerdings kei­ne Volksabstimmungen zulässt. Stellen Sie sich das vor: Sie gehen zur Bank und be­stimmen die Regeln und nicht die Bank ist es, die die Regeln bestimmt. Absurd! (Zwi­schenruf bei der FPÖ.)

Ich unterbreche meine Ausführungen und freue mich, wenn wir in einer zweiten Runde (Bundesrätin Kurz: Es gibt keine zweite Runde!) wieder über weitere Entwicklungen der Europäischen Union aus meiner Sicht zu sprechen kommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.57


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt als weiteres Mitglied des Europäischen Parlaments Herr Abgeordneter Reimon zu Wort. – Bitte.

 


11.57.29

Mitglied des Europäischen Parlaments Michel Reimon, MBA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Minister! Werte KollegInnen! Werte KollegInnen im Bun­desrat! Ich bin sehr froh, dass wir als Europaparlamentarier hier jetzt sprechen dürfen. Wir sind auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen.


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Ich habe das erst diese Woche erleben dürfen. Ich habe von Montag auf Dienstag bei der schon angesprochenen Telekom-Verhandlung durchverhandelt. Da stand es Euro­paparlament gegen die 28 Mitgliedsländer, die im Rat vertreten sind, und vor allem ge­gen jene Länder, die große Telekom-Unternehmen haben. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass sich die kleineren Länder auch mehr für die Bevölkerung eingesetzt hätten; denn so etwas geht.

So etwas geht dann, wenn wir auf lokaler Ebene, auf nationaler Ebene, über Bundes­rat, Nationalrat und so weiter die Mitgliedstaaten in die Pflicht nehmen und unsere Poli­tik nach Europa tragen. Ich halte das für ausgesprochen wichtig und nicht nur für einen Pro-forma-Akt. Es geht in der Politik immer um Machtkämpfe. Wenn sich Österreich in Europa stark einbringen soll, dann wissen wir, dass wir auch in Österreich für Themen Druck machen müssen. Nur so werden wir in Europa erfolgreich sein. Deswegen glau­be ich, dass die Verbindung von Bundesrat und Europaparlament wichtig ist.

Die Unterschiede sind auch nicht so groß. Es sind in den letzten Wochen zwei Gipfel zum Thema Flüchtlinge gescheitert: Das eine war ein EU-Ministerrat und das andere eine Landeshauptleutekonferenz. Der Unterschied sind neun Mitglieder und 28 Mitglie­der. Es hat in der Dynamik relativ ähnlich gewirkt. Bei Europa sagt man dann immer: Brüssel ist schuld oder die EU ist schuld. Wenn bei einer Landeshauptleutekonferenz nichts herauskommt, dann hört man selten, dass Österreich als solches schuld wäre und gescheitert wäre.

Ich glaube schon, dass wir da differenzierter diskutieren müssen, vor allem beim The­ma Flüchtlinge. So, wie wir in Österreich nur mit allen neun Bundesländern gemeinsam eine vernünftige Verwaltung hinbekommen werden, so werden wir das auch auf euro­päischer Ebene nur dann hinbekommen, wenn 28 Staaten das Ganze solidarisch mit­einander angehen und nicht die Staaten, die an der Grenze sind, die Hauptlast auf sich nehmen müssen. Alles andere ist illusorisch und funktioniert in Europa genauso wenig, wie es in Österreich funktioniert.

Diese Solidarität wird auch Griechenland gegenüber notwendig sein. Was würden wir in Österreich tun, wenn ein südliches Bundesland durch eine unfähige Regierung mit einer Bank an die Wand gefahren würde? Herr Dörfler, was würden wir in Österreich in solch einem Fall machen? (Heiterkeit.) – Ich glaube, wir würden uns solidarisch verhal­ten und die Kärntner nicht als faule Menschen beschimpfen, sondern wir würden sa­gen, dass daran die Regierung schuld war und dass jetzt eine neue Regierung gewählt ist und die neue Regierung das auszuputzen und zu reparieren hat.

Genau das ist in Griechenland notwendig, und genau dafür braucht diese griechische Regierung unsere europäische Unterstützung und Solidarität – und keinen Erpressungs­versuch! (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Bundesrat Mayer: Dann sollen sie uns nicht am Nasenring herumführen! Die Griechen führen uns am Nasenring herum und erzäh­len uns Geschichten!) – Nein, das ist, glaube ich, nicht so. Das ist bei Weitem nicht so. Das ist genauso, wie die Kärntner uns nicht am Nasenring herumgeführt haben. Da geht es schon um Regierungen und nicht um die Griechen. Sie werden das sicher un­terscheiden können.

Ich möchte aber zu einem konkreten Problem kommen, bei dem ich als Europaparla­mentarier tatsächlich gerne Unterstützung im Bundesrat für die Arbeit auf europäischer Ebene hätte, und das ist das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Da sind die österreichischen Bundesländer in ihrer Gesetzgebung und in ihren Möglichkeit massiv betroffen. Freihandelsabkommen wurden sogar entwickelt, um lokale Gesetz­gebung zu unterbinden und für Konzerne gefügig zu machen. Deutschland und Pakis­tan haben sich damals, in den 1950er Jahren, darauf geeinigt, dass, wenn eine Pro­vinzregierung ein Gesetz erlässt, das Kosten für einen Konzern bedeutet, dann der Kon­zern sich an die pakistanische Bundesregierung wenden kann und die den Schadener-


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satz zahlt. So ist das damals in den 1950ern gelaufen. Was hat sich daraus entwi­ckelt? – Daraus hat sich über Jahrzehnte eine Gesetzgebung, die jede Umwelt- und So­zialgesetzgebung unmöglich macht, entwickelt.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Österreich hat 60 solche Abkommen. Wir haben auch im­mer noch eines mit Rumänien; eines, das wir aufheben sollten. Dazu fordert uns schon die Kommission auf, weil Rumänien in der Europäischen Union ist. Da gibt es ein Un­ternehmen namens Schweighofer, das in Rumänien 2 400 Angestellte hat, in der Holz­industrie tätig ist, dort die Wälder leerholzt und jetzt überführt wurde – mit Videokame­ra –, dass es ihm völlig egal ist, dass es Holz aus Umweltschutzgebieten, nicht zerti­fiziertes Holz kauft. Rumänien möchte jetzt ein Schutzgesetz, das sich an die Holzin­dustrie richtet, erlassen; Schweighofer hält ihnen den Investitionsschutzvertrag mit Ös­terreich unter die Nase und sagt, dass Rumänien das schon machen kann, aber für dieses Gesetz Entschädigung zahlt. Rumänien kann sich nun durchrechnen, ob es die­se Entschädigung zahlen möchte.

Das würde, umgelegt auf Österreich, natürlich genauso funktionieren. Wir haben nur das Glück – das Glück derzeit! –, dass unsere 60 Investitionsschutzabkommen mit Drit­te-Welt-Ländern und osteuropäischen Ländern bestehen und von dort wenige Konzer­ne bei uns sind. Deswegen werden wir nicht ständig in Grund und Boden geklagt. Jetzt schließen wir das erste Mal ein Abkommen mit den USA ab. Da hätten wir dieses Problem, und diese Investitionsschutzabkommen laufen ewig. Wir hätten dieses Pro­blem, wenn es geschaffen ist, in 30, 40, 50 Jahren mit einer angesammelten Menge von Unternehmen, die während dieser Zeit kommen und ihre Investitionen garantiert haben mit den Gesetzen, die gültig waren, als die Unternehmen gekommen sind. Jede Änderung danach zahlen die Landesregierungen oder die Bundesregierung.

Überlegen Sie sich einmal ganz kurz, was das über Jahrzehnte gerechnet für die öster­reichischen Bundesländer bedeutet, wenn das kommt – nicht mit rumänischen, philippi­nischen oder jordanischen Unternehmen, mit deren Ländern wir jetzt die Abkommen ha­ben, sondern mit US-Unternehmen. Es gibt bereits eine kritische Stellungnahme der österreichischen Bundesländer zu diesem Thema; fast wäre sie durchgegangen. Die Steiermark hat eine halbe Stunde vor Ablauf der Frist noch einmal eine Änderung ver­langt und wieder eine Lockerung dieses Investitionsschutzes eingefordert.

Ich glaube, gerade aus Bundesländersicht sollten wir in Österreich massiv darauf drän­gen, dass dieser Investitionsschutz auf gar keinen Fall kommt, weil wir uns ab diesem Zeitpunkt Gesetzgebung schlicht und einfach nicht mehr leisten können. Ein konkreter Fall, ein zweites Beispiel: Chevron, der US-Ölkonzern, hat in großem Ausmaß Vorkom­men, die sich für Fracking eignen, in Osteuropa gekauft und lobbyiert – der Brief wurde auch von Greenpeace veröffentlicht – bei der US-Regierung dafür, dass dieser Investi­tionsschutz unbedingt kommen muss. Wenn TTIP kommt und wir ein Fracking-Verbot erlassen, werden wir für das gesamte Volumen, das Chevron besitzt, schadenersatz­pflichtig und können das zahlen. Wir können uns in der Europäischen Union dann überlegen, ob wir ein Fracking-Verbot erlassen, und müssen rechnen, was das Bulga­rien kostet, wenn wir das tun. Das sind Hunderte Millionen Euro.

Ich frage die österreichischen Bundesländer, die Schiefergasvorkommen haben, ob sie sich die Möglichkeit, ein Fracking-Verbot – oder jedes andere Umwelt- und Sozialge­setz – erlassen oder nicht erlassen zu können, wirklich dadurch nehmen lassen wollen, dass sie sich die Entschädigungszahlung an Konzernen nicht leisten können. Dem kann doch kein Gesetzgeber/keine Gesetzgeberin sehenden Auges freiwillig zustim­men. Das ist inakzeptabel. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses Abkommen wird auch einen regulatorischen Kooperationsrat einführen, der ein Gremium aus Beamten und Lobbyisten ist und Gesetzgebungen, die dann auf beiden Seiten des Atlantiks zu vollziehen sind, vorgeben soll. Es geht noch weiter! Der Investi-


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tionsschutz friert nur ein, dass wir keine neuen Gesetze erlassen können; der regulato­rische Rat schreibt uns sogar noch vor, in welchem Rahmen unsere Gesetzgebung zu passieren hat. Wir können uns natürlich – wir sind freie Parlamentarier – immer wei­gern, das zu tun, aber dann werden wir wieder schadenersatzpflichtig. Die Gesetzge­bungsmöglichkeit wird uns also auch in dieser Form aktiv beschnitten. Ich fordere Sie im Interesse Österreichs, der Gesetzgebung, der Bundesländer wirklich auf: Wehren Sie sich gegen dieses Abkommen, und sorgen Sie dafür, dass diese Möglichkeiten, die Gesetzgebung zu beschneiden, rausgekommen werden!

Ein letzter Satz: Wir sollten ganz Europa vertreten und nicht nur die Hälfte der Bevöl­kerung. Ich finde es traurig, dass bei dieser ersten Rederunde nur Männer am Podium sind. Wenn die Grünen keine Frau schicken – das ist leider oft das Ergebnis –, glaube ich, wir bekommen das beim nächsten Mal besser hin. (Beifall bei Grünen und SPÖ so­wie des MEP Freund.)

12.06


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich den Herrn Minister bitte, möchte ich recht herzlich alle Schülerinnen und Schüler und die PädagogInnen der Ganztags­schule aus Haslach bei uns im Bundesrat begrüßen. Die Frau Direktor war gerade da und hat gesagt, ihre Schülerinnen und Schüler sind da. Die Frau Direktor ist unsere Bun­desrätin Elisabeth Reich. – Herzlich willkommen bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminis­ter für Europa, Integration und Äußeres Kurz. Ich erteile es ihm. Auch Ihre Redezeit sollte bitte 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.06.55

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Geschätzte Gäste! Ganz besonders aber darf ich die Abgeordneten zum Europäischen Parlament begrü­ßen. Wir haben es schon gehört, es findet heute ein sehr positives Novum statt, näm­lich das erste Mal eine gemeinsame Diskussion im Bundesrat – das nach 20 Jahren Österreich in der Europäischen Union. Ich glaube, der Othmar Karas hat vollkommen recht, wenn er sagt, Europapolitik ist Innenpolitik. Darum fühle ich mich in der guten Gesellschaft hier auf der Regierungsbank nicht nur persönlich wohl, sondern ich glau­be, dass es gut ist, diese Diskussionsformate zu haben, denn es sind keine voneinan­der abgetrennten politischen Ebenen, die nichts miteinander zu tun haben, sondern – ganz im Gegenteil – der Austausch ist eine absolute Notwendigkeit.

20 Jahre nachdem Österreich der Europäischen Union beigetreten ist, erleben wir nicht nur, dass das Friedensprojekt erfolgreich ist, dass wir in Österreich insbesondere wirt­schaftlich profitiert haben, dass wir ein selbstbewusster Teil der Europäischen Union mitten in Europa geworden sind, sondern wir erleben auch, dass Europa im Moment in einer sehr herausfordernden Phase ist. Wir erleben, dass die Solidarität in der Europäi­schen Union fast ein bisschen überstrapaziert wird, wenn wir nach Griechenland bli­cken, und wir erleben leider Gottes auch, dass sich der Tonfall innerhalb der Europäi­schen Union massiv verändert hat.

Wenn Michel Reimon anspricht, was wir tun würden, falls mit Kärnten ein Bundesland überschuldet ist und Hilfe benötigt, dann sprechen Sie (in Richtung MEP Reimon) schon einen ganz zentralen Punkt an, und ich glaube, der Vergleich ist durchaus zuläs­sig. Man muss aber, wenn man den Vergleich schon anstellt, glaube ich, den Vergleich weiterdenken und sich die Frage stellen: Was würden wir tun, wenn heute in Kärnten eine links- und rechtsextreme Regierung sitzen würde, die in absolut inakzeptabler Art und Weise dem Rest Österreichs begegnen würde? Wir würden uns wahrscheinlich nicht besonders darüber freuen, dass wir solidarisch agieren dürfen. Wir hätten wahr-


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scheinlich nicht allzu viel Lust darauf, zu helfen und uns in Solidarität zu üben, sondern ganz im Gegenteil – wir würden vieles infrage stellen.

Ich glaube, das ist in diesem Zusammenhang auch absolut notwendig, denn bei aller Sympathie für die griechische Bevölkerung, bei allem Mitleid für die schwierige Situa­tion, in der sich die griechische Bevölkerung befindet, kann ich nur sagen, das, was wir von Regierungsseite erleben, ist meiner Meinung nach absolut inakzeptabel. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

Wir haben ja teilweise schon vergessen, dass andere Länder, die in einer ähnlich schwie­rigen Situation waren, Reformen durchgeführt haben und mittlerweile auf einem guten Weg sind. Irlands Wirtschaftswachstum liegt mit über 4 Prozent zum Beispiel deutlich über dem Wirtschaftswachstum, das wir im Moment in Österreich haben. Es gibt auch andere Länder, die auf einem guten Weg sind, bei denen die Reformen gegriffen und die sich erholt haben.

Wenn Sie, Herr Abgeordneter zum Europäischen Parlament Eugen Freund, sagen, Sie haben den Begriff „zu Tode investieren“ noch nie im Lexikon gefunden, kann ich Ihnen nur recht geben – aber das Wort „Schuldenkrise“ findet man definitiv. Wenn wir nach Griechenland schauen – so hart das sein mag –, dann müssen wir definitiv zugeben, dass in Griechenland einfach lange Zeit Reformen, die anderswo stattgefunden haben, nicht stattgefunden haben, dass in Griechenland leider Gottes in vielen Bereichen über die Verhältnisse gelebt worden ist, dass leider Gottes im Wahlkampf Unrealistisches in populistischer Manier versprochen worden ist und dass sich heute, schon kurze Zeit nach der Wahl, herausstellt, dass es so schlicht und ergreifend nicht funktioniert.

Bei uns hier ist der Blick schon ein klarer, aber wenn Sie insbesondere mit Kolleginnen und Kollegen aus osteuropäischen Ländern sprechen, die teilweise wesentlich niedri­gere Mindeststandards haben, die teilweise wesentlich niedrigere Pensionen haben, glauben Sie mir, dann hält sich nicht nur das Verständnis für die notwendige Unterstüt­zung, sondern dann hält sich vor allem das Verständnis für den Tonfall sehr in Gren­zen.

Wenn der Außenminister aus Griechenland am vergangenen Wochenende der Me­dienöffentlichkeit mitteilt, wir mögen alle daran denken, dass Griechenland selbstver­ständlich Mitglied der Europäischen Union bleibe und sie bei jeder Gelegenheit durch­aus ihr Veto einsetzen können, dann ist das eine Kultur, die der Europäischen Union nicht würdig ist, und da kann man nur klar sagen: Erpressen sollten wir uns hier nicht lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein zweites Thema, das uns nicht nur in Österreich, sondern in Europa beschäftigt, sind die Asylströme, die wir derzeit erleben. Ja, hier gehört klar gesagt, dass sich die Zahl massiv verändert hat. Nicht nur, dass die Europäische Union weit mehr als eine Million Flüchtlinge in diesem Jahr erwartet, auch wir in Österreich haben eine massive Steigerung. Wir hatten 15 000 bis 20 000 Asylanträge in den letzten Jahren, über 30 000 im letzten Jahr und rechnen heuer mit 70 000. Es ist also eine Notwendigkeit, innerhalb von Österreich mit Ländern und Gemeinden an einem Strang zu ziehen, um die Unterbringungsfrage zu klären. Es ist notwendig, diejenigen, die in Österreich blei­ben dürfen, bestmöglich zu integrieren.

Ich bin froh darüber, dass es gelungen ist, 17 000 zusätzliche Deutschkurse zu schaf­fen, aber wir müssen dieses Thema auch auf europäischer Ebene diskutieren. Da geht es nicht nur um eine bessere Verteilung innerhalb der Europäischen Union, sondern meiner Meinung nach auch darum, was wir gegen diese Flüchtlingsströme tun können.

Sie haben vollkommen recht, Herr Abgeordneter Freund, wenn Sie ansprechen, dass man hier sicherlich vieles im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tun kann, dass wir uns auch Fragen stellen müssen wie zum Beispiel, welche Regelungen wir im Be-


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reich der Fischerei schaffen können. Man muss aber auch klar argumentieren, woher die Flüchtlinge, die derzeit nach Österreich kommen, in der Masse kommen. Drei Vier­tel unserer Flüchtlinge kommen aus vier Ländern; sie kommen aus dem Irak, sie kom­men aus Syrien, sie kommen aus Afghanistan und sie kommen aus dem Kosovo. Die Gründe sind sehr unterschiedlich.

Im Kosovo herrscht kein Krieg, keine Verfolgung, sondern es sind wirtschaftliche Grün­de, und daher ist – Gott sei Dank – dieses Problem mittlerweile auch schon fast gelöst, indem es gelungen ist, mit der Regierung im Kosovo zusammenzuarbeiten und auch gegen die Schlepper sowie gegen die Busunternehmer vorzugehen, die gutes Geld da­mit verdient haben, die Leute für wenige Tage nach Österreich zu bringen.

In den anderen drei genannten Ländern ist es aber Terror und vor allem im Irak und in Syrien der IS-Terror, der dazu führt, dass unzählige Menschen fliehen müssen. Bei al­ler Notwendigkeit für humanitäre Hilfe braucht es meiner Meinung nach auch – so naiv dürfen wir nicht sein, dass wir glauben, dass es nur mit humanitärer Hilfe geht – ein noch entschlosseneres Vorgehen gegen den IS-Terror, gegen die Foreign Fighters, wenn wir von Europa sprechen, aber auch ein militärisches Vorgehen vor Ort, denn so­lange es den Terror vor Ort gibt, so lange wird es Flucht aus diesen Ländern geben und so lange werden diese Flüchtlinge auch nach Europa strömen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, weil ich davon ausgehe, dass er uns in diesem, aber auch im nächsten Jahr noch massiv beschäftigen wird, ist die Reformdis­kussion innerhalb der Europäischen Union, die von Großbritannien ausgelöst worden ist. Ich glaube, dieser Diskussion kann man in zwei verschiedenen Weisen begegnen. Man kann der Meinung sein, Vorschläge, die von jemand anderem kommen, sind per se schlecht, überhaupt dann, wenn sie von den Briten kommen; oder man kann sich mit dem Inhalt auseinandersetzen und kommt dann wahrscheinlich drauf, dass einige der Punkte der Briten von uns keine Unterstützung finden sollten, dass es aber sehr wohl Punkte gibt, mit denen die Briten Probleme ansprechen, die wir durchaus auch sehen.

Wenn die Briten von einer Notwendigkeit an einem Mehr an Subsidiarität sprechen, dann sollten wir das meiner Meinung nach ganz entschlossen unterstützen; und wenn die Briten sich die Frage stellen, wie wir die Niederlassungsfreiheit schützen können, indem wir Sozialleistungen und auch den Zeitpunkt des Anspruchs für Sozialleistungen diskutieren, dann, glaube ich, ist das eine Diskussion, die nicht nur in Großbritannien geführt werden sollte, sondern die uns, die Deutschen und viele andere auch beschäf­tigen sollte. Ich bin der Meinung, dass es am Ende des Tages kein Rosinenpicken für Großbritannien geben darf, aber wenn die britische Diskussion eine Chance dazu ist, in einigen Bereichen in der Europäischen Union einen positiven Schritt nach vorne zu machen, dann sollten wir das tun. Als Pro-Europäer sollten wir ständig daran arbeiten, die Europäische Union weiterzuentwickeln und zu verbessern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.16


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Europastunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht überschreiten darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


12.16.39

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Herr Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Europäischen Parlaments! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man weiß nicht, wie man in fünf Minuten zu all dem, was


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hier diskutiert worden ist, und zu so einem wichtigen Thema wie Europa Stellung neh­men soll. So will ich doch nur eine kleine Replik auf das Gehörte wiedergeben, wobei ich mich nach der Rede des Außenministers wieder ein bisschen wohler fühle. Zwi­schendurch habe ich mich nämlich schon – bei allem gebotenen Respekt, Herr Abge­ordneter Vilimsky – gefragt, warum Sie für die Europawahl kandidiert haben? (Beifall bei der ÖVP. – MEP Vilimsky: Ich erzähle es Ihnen dann!) Das ist schön. Ich freue mich auf die Begründung, weil wenn etwas so schlecht ist, wie Sie sagen, dann sollten Sie zu Hause im Gemeinderat bleiben oder für den Wiener Landtag kandidieren, aber nicht dorthin gehen, wo sehr wesentliche Entscheidungen fallen. Europa ist nicht so schlecht. Europa ist auch ein Stück Heimat von uns Österreichern geworden, und das sollten Sie respektieren, anstatt immer nur in dieser ein bisschen mieselsüchtigen Art da herumzumäkeln. (Bundesrat Herbert: Ein Stachel im Fleisch! Deswegen ist der Vi­limsky dort!)

Meine Damen und Herren! Asyl ist eine große Krise in Europa. Es ist eine Völkerwan­derung im Gange. Zum Unterschied zu jener im 4. Jahrhundert nach Christus, als hier noch niemand gelebt hat – oder nur sehr wenige –, sind jetzt halt auch schon andere da. Ich glaube, man muss das Kind beim Namen nennen: Es ist unmöglich, ganz Afrika und ganz Arabien hier zu integrieren. Wer glaubt, dass das möglich ist, dem sollte man doch zumindest sagen, er hilft argumentativ niemand anderem als jenen, die überteu­erte Pauschalreisen anbieten, wie das der Herr Bundesrat Schennach heute schon kri­tisiert hat.

Das, was mich in der Debatte am meisten betroffen gemacht hat, ist, dass ich in einem österreichischen Parlament irgendjemanden höre, der sozusagen dieser eigenartigen Propaganda dieser Reserve-Chavistas da in Athen auf den Leim geht. Griechenland hat es nicht verdient, und die Griechen haben diese Regierung nicht verdient. Sie ist zwar demokratisch gewählt worden, aber das, was diese Leute aufführen, ist zum Schaden von ganz Europa. Sie lügen, tricksen, betrügen und glauben, dass sie mit der Geisel und dem Faustpfand der gemeinsamen europäischen Währung alle anderen er­pressen können.

Ich habe übrigens dem Kärntner Kollegen gesagt, Herr Abgeordneter Reimon, dass Sie den Landeshauptmann Kaiser mit dem Herrn Tsipras volley verglichen haben. Das wird er Ihnen möglicherweise übelnehmen. Ich habe ihm gesagt, er soll das dort be­richten, weil – und das hat der Außenminister richtig gesagt – die Kärntner nicht hier heraufkommen und sagen, dass wir das gleiche Lied wie sie pfeifen und ihnen das Geld geben sollen, sie dann wieder fahren und nichts dafür tun, sondern es da ganz andere und vernünftige Einigungen gibt – dann gibt es auch Solidarität. Selbstverständ­lich ist es auch ein Opfer wert, wenn man versucht, diese Währung zu retten. Aller­dings muss man sich da halt schon auf dem Boden von Vereinbarungen bewegen, und es kann nicht sein – in der EU werden, glaube ich, alle zwei Jahre Regierungswechsel stattfinden –, dass, wenn ein Regierungswechsel ist, ein internationales Übereinkom­men plötzlich nicht mehr gilt.

Da kommen dann diese alten Debatten über Kriegsschulden und sonstige Dinge. Kol­lege Schreuder! Bei allem gebotenem Respekt, dieses Lied, das die Freunde da unten singen, hätten wir nicht unbedingt nachsingen sollen. Teilweise ist die Argumentation an Unlogik und Peinlichkeit nicht zu überbieten.

Dann hören wir auch noch die Freihandelsabkommen. Man mag ein Freihandelsab­kommen kritisieren, aber eines, Herr Abgeordneter Reimon, möchte ich Ihnen schon mitgeben: Der Freihandel war und ist eine Quelle des Friedens und des Wohlstands. Wenn es den nicht seit dem 19. Jahrhundert geben würde, würden wir wahrscheinlich noch in Baumhäusern leben. (MEP Reimon: So ein Blödsinn! – Bundesrat Schreuder: Und was ist mit dem Investitionsschutz?)


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Jeder von Ihnen, vor allem von der grünen Flanke, argumentiert mit irgendwelchen Ex­trembeispielen und versucht abseits . (MEP Reimon: Sie kennen ja nicht einmal den Unterschied zwischen Freihandel und Investitionsschutz!) Ja, es muss einen Investi­tionsschutz geben. Wenn Amerika mit China ein Freihandelsabkommen macht, dann muss Amerika natürlich darauf bestehen, dass dort ein Investitionsschutz enthalten ist, da wir wissen, wie China agiert. Aber wenn sie es mit Europa nicht machen und darauf verzichten, Herr Bundesrat Schreuder, dann wird es halt so sein, dass China sagt, wenn ihr das mit Europa nicht macht, werden wir es auch nicht machen. (Bundesrätin Reiter: Das ist doch Quatsch!) Da gibt es doch viele tiefere Hintergründe, und das kann man nicht immer nur in plakativen Überschriften verdammen und verteufeln. – Punkt, Ende, da meine Zeit zu Ende ist. (Bundesrätin Reiter: Na Gott sei Dank!)

Eines ist für die EU ein extrem wichtiger Punkt. Die EU ist zurzeit in der Wahrnehmung nur noch in der Defensive und ein Krisenmanager, zum einen die Flüchtlinge, zum an­deren die Griechenlandkrise, aber auch die Ukraine betreffend. Die EU braucht jetzt dann irgendwann einmal den Turnaround in eine positive Offensive, damit wir uns um die europäischen Unternehmen und die europäische Wirtschaft kümmern, Innovation und Forschung voranbringen und dass Europa wieder sozusagen als Leitkontinent wahrgenommen wird und nicht als einer, der nur mit internen Krisen beschäftigt ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.21


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte.

 


12.21.47

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Mitglieder zum Europäischen Parlament! Auch ich möchte aus aktuellem Anlass mit der Situation in Griechenland beginnen, möchte aber einen etwas anderen Aspekt beleuchten und stelle fest, dass die von der Troika und den griechischen Regierungen ja seit fünf Jahren ausgehandelten vier Austeritäts- und Dar­lehensprogramme schlichtweg gescheitert sind. Mittlerweile ist Griechenland am Ende des fünften Krisenjahres angekommen, und eine Abschwächung dieser Krise ist über­haupt nicht abzusehen. Im Gegenteil: Die Wirtschaftsleistung in Griechenland ist seit Beginn der Krise um 25 Prozent zurückgegangen. Bei allem Verständnis, dass man sich natürlich dem Finanzsektor widmet, möchte ich doch den Blick auch auf die davon betroffenen Menschen richten.

Die durchschnittliche Arbeitslosenquote in Griechenland ist 25 Prozent, das sind 1,3 Mil­lionen Menschen, bei Jugendlichen unter 24 Jahren ist sie bereits auf 58 Prozent ge­stiegen. Die Einkommen der durchschnittlichen Arbeiterhaushalte haben sich halbiert, der Massenkonsum ist um ein Drittel geschrumpft, in den Großstädten sind die Ein­zelhandelsumsätze um 45 Prozent eingebrochen. Die griechische Unter- und Mittel­schicht lebt seit drei Jahren von den Vermögensreserven, die sie noch haben, die ge­hen zur Neige. Das ist von einer Gesellschaft kaum mehr zu verkraften.

Ein Drittel der griechischen Bevölkerung vegetiert inzwischen unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Diese Haushalte können keine Krankenversicherungen mehr bezah­len – die Miete nicht, die Stromrechnungen, die Hypotheken nicht –, kein Heizöl für den Winter anschaffen. 40 000 bis 50 000 Menschen sind obdachlos. Die Kommunalver­waltungen, Hilfsorganisationen und Kirchengemeinden geben zeitweilig 250 000 Essens­rationen täglich aus. Nach neuesten Angaben hat mindestens die Hälfte der Erwerbs­losen, das sind ungefähr 650 000 Menschen, die Krankenversicherung verloren. Was das bedeutet, brauche ich niemandem zu erklären.

Die Menschen versuchen den Krisenfolgen zu entgehen, indem sie die Wohnorte ver­lassen, sich auf Wanderschaft begeben, in ihre Gartenhütten aufs Land gehen und dort


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 60

wohnen. 80 Prozent aller Jugendlichen sind in die elterlichen Haushalte zurückgekehrt. In den proletarischen Quartieren – und die gibt es – breiten sich Prostitution, Kleinkri­minalität und Drogenabhängigkeit aus. Gleichzeitig kommt es zu einer zunehmenden Abschottung und Ghettoisierung der Arbeiter- und Armenviertel, denn den Bewohne­rinnen und Bewohnern dort fehlt buchstäblich das Geld, um ihre Stadtteile verlassen zu können. Zu alldem kommt in Griechenland noch das Massenelend von Migrantinnen und Migranten, davon sind ungefähr 800 000 registriert und 350 000 ohne Papiere.

Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns mitten in Europa. Und deshalb ist die Fra­ge legitim, ob der Sparkurs, den Europa fährt, wirklich noch der richtige ist und ob wir dem nicht ein Ende setzen sollten oder zumindest überlegen, wie wir diesen Dingen begegnen, und ob wir nicht auf mehr Wachstum und mehr Investition setzen sollten – und das durch mehr Solidarität. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Tatsache ist aber auch, dass diese Griechenlandkrise so viele Kräfte der EU bindet, dass momentan viel zu wenig Zeit für angemessene Reaktionen auf andere weltpoliti­sche Krisen bleibt. Sie sind schon angesprochen worden: Russland – Ukraine, aber auch die Herausforderungen durch den islamischen Terrorismus. Hier muss Europa ei­ne Antwort finden, denn dort liegt die Ursache des größten Flüchtlingsstroms, auf den ich heute nicht eingehe, da ich das bei meiner letzten Rede schon gemacht habe.

Dadurch bedingt ist der Populismus in Europa im Aufwind. Die Argumente, mit denen die antieuropäischen Parteien Wahlkampf machen, richten sich immer gegen die Euro­päische Union im Allgemeinen. Sie werden allerdings auch unterstützt, da sehr oft von den nationalen Regierungen Brüssel für alles verantwortlich gemacht wird. Einfache Be­kenntnisse zu Europa als Antwort auf die EU-Skeptiker reichen eigentlich nicht mehr aus, das müssen wir uns auch eingestehen.

Es ist gar nicht so leicht, die EU in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrise immer zu verteidigen, und es erfordert manchmal auch Mut, denn man muss die Bürgerinnen und Bürger schon ernst nehmen und vor allen Dingen auch ihre Ängste ernst nehmen.

Das Volksbegehren, das heute schon angesprochen worden ist, hat 210 000 und nicht 260 000 Unterschriften. Es ist jetzt nicht ein großartig erfolgreiches Volksbegehren, es ist auf Rang 23, glaube ich, von allen Volksbegehren. Aber es ist klar, es hat die Schwelle von 100 000 Unterschriften überschritten, und das österreichische Parlament muss sich damit beschäftigen. Wir sollten das auch als Chance sehen, eine ehrliche Diskussion mit denen zu führen, die das unterschrieben haben, denn es sind solche, die von Europa wegwollen – die Mehrheit will das Gott sei Dank nicht. Aber wir wollen auch nicht, dass diejenigen mehr werden, und deshalb, denke ich mir, sollten wir ge­meinsam alles daransetzen, die EU zu stärken, aber auch die Nachteile und das, was in der EU noch verbessert werden muss, aufzuzeigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

12.27


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


12.27.25

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich darf unsere Vertreter in Brüssel herzlich begrüßen! Das Thema ist „Aktuelle He­rausforderungen für Österreich und Europa“. Ich stehe, wie der Herr Landeshauptmann Pühringer, für ein föderales politisches System. So leidenschaftlich, wie er heute fest­gehalten hat, dass Österreich aus neun Bundesländern besteht, so bestehe ich darauf, dass wir ein Europa der Regionen, ein Europa der Menschen, ein soziales Europa, ein Europa der Arbeit haben. Was haben wir aber wirklich?


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 61

Wenn wir die wichtigsten Themen beleuchten, ist es das Thema, die Menschen be­schäftigen zu können, ist es das Thema Asyl- und Flüchtlingswesen, ist TTIP ein gro­ßes Problem und ist natürlich auch Griechenland ein großes Problem. Herr Abgeord­neter Freund, wenn Sie die Europäische Union mit einem Flugzeugträger vergleichen, mit dem größtmöglichen Kriegsgerät sozusagen, dann mache ich mir so meine Sorgen. (MEP Freund: Das habe ich so nicht gesagt! Sie haben mir nicht richtig zugehört!) – Jetzt darf ich! Ich habe Ihnen zugehört, jetzt hören Sie mir zu!

Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Metapher so zu verstehen ist, dass irgend­wann die Nettozahler den Tank des Flugzeugträgers nicht mehr befüllen werden kön­nen, und irgendwann werden die Flieger auch nicht mehr fliegen können, das heißt, die­ses Europa wird mit seiner Finanzsituation nicht zurechtkommen. Und wenn ich mir Griechenland anschaue: Ja, was ist denn gerettet worden? Die deutschen und franzö­sischen Banken, die Waffenlieferanten! Wer gestern das „Weltjournal“, das übrigens von einer Kärntnerin, Cornelia Vospernik, moderiert wurde, angeschaut hat – das ist ja beschämend und bedrückend. Nicht den Griechen wurde geholfen, sondern denen, die ihr Geld aus Griechenland wegschaffen, den Banken, die saniert werden, und den Waf­fenhändlern, die weiterhin ihre Flugzeugträger liefern. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ein Europa und ein Griechenland, wie wir es nicht wollen und wie es die Men­schen nicht wollen!

Wenn ich da heute herinnen so manche Schönrednerei höre – die Menschen in Ös­terreich und Europa haben andere Sorgen. Für mich ist das Thema, die größte Sozial­leistung sozusagen, Arbeit zu haben. Die können wir in Europa derzeit nicht geben, wenn wir es nicht schaffen, eine Reindustrialisierung zustande zu bringen. Nur ein Bei­spiel: Jeder von uns hat ein oder mehr Telekommunikationsgeräte, keines wird in Euro­pa produziert. Das heißt, wir brauchen dringend eine Reindustrialisierung, sonst wer­den wir im kontinentalen Wettbewerb, mit oder ohne TTIP, nicht überleben können.

Ich will, dass österreichische und europäische Menschen Arbeit haben. Ich will, dass die Jugend in Europa, egal ob in Österreich, Griechenland, Portugal, Italien oder Spa­nien, eine Zukunft hat. Das sind die Aufgaben, die die Menschen interessieren, und nicht irgendwelche Leseübungen, die hier auch zum Teil geleistet werden.

Zum Thema Asyl- und Flüchtlingswesen. Wenn ich Menschen in Österreich, die hier leben, nicht beschäftigen kann, wenn ich Menschen, die in Europa leben, nicht be­schäftigen kann, wie kann dann Integration funktionieren? Hat uns Frankreich 2 jetzt nicht gereicht, europäische Opfer in Tunesien? Das heißt, das Problem der nicht integ­rierbaren Radikalen ist nicht mehr an den Grenzen Europas aufzuhalten. Wenn wir In­tegration nicht schaffen, dann können wir zwar schön über Quoten reden.

Ich halte in Österreich die Bezirks- und Gemeindequote durchaus für sinnvoll, ich war auch selbst Flüchtlingsreferent. Es ist erstaunlich, dass sie am Opfertisch des Wahl­kampfes des Herrn Pröll nicht zustande gekommen ist. Faktum ist, wenn wir zu Recht eine faire Lastenverteilung in Europa fordern, dann müssen wir aber auch die, die Asyl­recht in Österreich haben – das sind Kriegsflüchtlinge und nicht Wirtschaftsflüchtlinge –, in Österreich fair aufteilen. Sonst wird es nicht funktionieren. Wir haben in Kärnten den Bezirk Völkermarkt, der hat 200 Prozent, und dann gibt es einen anderen Bezirk, der hat 30 Prozent. Das heißt, das ist für mich eine faire Lastenverteilung – europäisch, aber auch österreichisch.

Zu Griechenland noch einmal: Man sagt, die Regierung jetzt sei untragbar. Wer ges­tern das „Weltjournal“ gesehen hat, weiß, dass die zwei bisher in Griechenland seit dem Zweiten Weltkrieg regierenden Parteien dieses Schlamassel überhaupt angerich­tet haben. Ein Beispiel: Die Olympischen Spiele haben sie mit ein paar Milliarden Kos­ten kalkuliert, es waren dann zweistellige Milliardenkosten. Auch Olympia, dieses gi-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 62

gantische System der Verrücktheit des Sports, hat einen Teil der Schuldenlast Grie­chenlands verursacht.

Das heißt, unsere Aufgaben in Österreich und in Europa sind, Arbeit zu schaffen, Zu­kunft zu schaffen, wenn wir Kriegsflüchtlinge aufnehmen, sie fair zu verteilen und ihnen tatsächlich eine Integration anzubieten. Wenn wir aber nicht vorher das eigene Arbeits­marktproblem lösen, wird das nicht funktionieren.

Vom Bildungsbereich will ich gar nicht reden. In Österreich hat die Bildungsministerin bei der Bundesimmobiliengesellschaft 200 Millionen € Mietschulden. Das heißt, wir kön­nen derzeit das Bildungssystem, das nicht einmal ausreichend lesefähige Pflichtschü­ler produziert, nicht einmal mehr finanzieren. Wie können wir dann erst ein Integra­tionsbildungsangebot schaffen, wenn wir nicht einmal das bestehende Bildungsange­bot finanzieren können?!

Das heißt, wir müssen Arbeit schaffen, eine faire Flüchtlingsverteilung machen. – Wer macht denn die Kriege? Die Großmächte, nicht wir! Wer hat denn in Afghanistan die Geburtsstunde für al-Qaida und IS eingeleitet? – Ich glaube, das waren doch die Ame­rikaner und nicht wir Österreicher und wir Europäer! Das heißt, die Großen machen die Kriege, und wir haben die Probleme. Auch das ist einmal zu hinterfragen! Bei der Uk­rainekrise ist es ja das Gleiche. Die Flugzeugträger der Großmächte schicken die Flieger in den Krieg, und wir in Österreich und in Europa haben die Probleme. (Beifall bei der FPÖ.)

12.33


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


12.33.12

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen hier und zu Hause! „Aktuelle Herausforderungen für Österreich und Europa“, der Titel der Aktuellen Stunde, erstmals mit den EuropaparlamentarierInnen, ist allumfassend, lässt sehr viel Spielraum und sehr viele Inhalte zu. Ich stehe jetzt als 13. Rednerin vor der großen Herausforderung, nicht mehr nur zu wiederholen und zusammenzufassen. Ich werde mich aber doch auf das Thema Flüchtlinge konzentrieren und hoffe, dass ich nicht zu viel wiederhole. Es wurde heute schon einige Male angesprochen, da es ein­fach eine der zentralen Herausforderungen der heutigen Zeit ist.

Wir kennen viele der Fakten und Herausforderungen: Über 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, zwei Drittel davon sind Binnenflüchtlinge oder flüchten in die direkten Nachbarländer. In Syrien gibt es derzeit 8 Millionen Binnenflüchtlinge und 4 Mil­lionen Flüchtlinge in die Nachbarländer oder in weiter entfernte Länder. Wir haben es vorher schon gehört – ich weiß nicht, wie sehr alle eine Vorstellung vom Libanon ha­ben –: Der Libanon hat ungefähr 10 000 km², ist also ein bisschen kleiner als Tirol, hat 6 Millionen Einwohner und beherbergt zurzeit 1,8 Millionen Flüchtlinge. Auf einer Flä­che, die ungefähr ein Achtel Österreichs beträgt, sind derzeit 1,8 Millionen Flüchtlinge untergebracht. Die gesamte EU hat 2014 500 000 Asylanträge angenommen. Wenn man den Libanon als Vergleich heranzieht, dürfte das kein Problem sein. Aber es ist ein Problem, wenn Länder wie Tschechien, Polen, Spanien, Großbritannien fast nie­manden aufnehmen wollen. Dann ist das wirklich ein Problem!

Landeshauptmann Pühringer hat vorher schon eine EU-Lösung gefordert; eine EU-Lösung fordern wir Grünen auch. Aber Landeshauptmann Pühringer hat auch gesagt, Österreich tut bereits seine Pflicht. Das sehe ich nicht so. Seine Pflicht zu tun ist nicht genug. Wenn Ungarn das Dublin III-Abkommen aufkündigt, wenn an den EU-Außen-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 63

grenzen Grenzzäune aufgebaut werden, wenn Frankreich bewaffnet an der Grenze Flüchtlinge abwehrt, dann ist es nicht mehr genug, seine Pflicht zu tun. Es ist eine Zeit, in der Österreich als Vorreiter in der EU vorausgehen muss, mitreißen muss, Überzeu­gungsarbeit leisten muss und nicht lockerlassen darf, dass es eine gemeinsame EU-weite Lösung dazu gibt, dass es eine Verteilung nach Einwohnerzahl, nach Wirt­schaftsleistung abgestuft gibt. Die EU muss das aufteilen und sich diesen Herausfor­derungen gemeinsam stellen. Sich auf die Position zurückzuziehen, wir tun eh schon unsere Pflicht, und wenn die anderen nicht mehr tun, dann tun wir jetzt auch nicht mehr, reicht einfach nicht aus.

So weit EU-innenpolitisch zum Flüchtlingsproblem; jetzt nach außen hin: Die EU geht hart gegen Schlepper vor. Ich persönlich finde es richtig. Es ist nämlich sehr men­schenverachtend, Profit aus dem Elend der Menschen zu schlagen, und da soll wirklich hart dagegen vorgegangen werden – aber eben nicht nur. Was noch viel wichtiger ist – da muss ich jetzt ausnahmsweise einer meiner Vorrednerinnen recht geben –, ist, das Problem an der Wurzel anzupacken. Das ist vor allem eine Änderung der Wirtschafts­politik, die die Probleme in den Entwicklungsländern nur noch verstärkt. Das sind mas­sive und verstärkte Entwicklungshilfe vor Ort und vor allem Friedensbemühungen, Frie­denssicherung und Friedenswiederherstellungsversuche in den Kriegsgebieten und Kri­senherden dieser Welt, vor allem in diesen Gebieten, aus denen die Flüchtlinge in die EU kommen. Das dauert natürlich, und wir können nicht bis dahin unser Asylwesen in der EU stoppen. Da muss ich meiner Vorrednerin jetzt widersprechen. Das ist nämlich keine Frage des Entweder-oder, wo die Bemühungen hingehen, sondern es ist eine Frage des Sowohl-als-auch.

Was es dazu dringend braucht, worauf wir von den Grünen auch stark pochen, ist, dass es endlich zu einer für die EU leichter handlebare und vor allem für die flüchten­den Personen nicht lebensgefährlichen Lösung kommen muss. Das sind sichere Asyl­anträge schon im Ausgangsland. Es braucht legale Einreisemöglichkeiten, es braucht sichere Fluchtkorridore zum Beispiel aus Nordafrika.

Es hat gestern aktuelle Zahlen gegeben: Im ersten Halbjahr 2015 sind ungefähr 137 000 Menschen über das Mittelmeer geflohen, davon sind knapp 2 000 offiziell tot – die Dunkelziffer ist da natürlich noch viel höher. Wenn sie dann einmal dort sind, geht es weiter. Es hat gerade letzte Woche einen großen Bericht gegeben über eine Flucht von Syrien zu Fuß nach Horn, also ins Waldviertel, oder entlang von Eisenbahnge­leisen, wo viele Flüchtlinge dann den Tod finden, die es über das Mittelmeer geschafft haben.

Ich könnte da jetzt noch viel mehr sagen, aber die Lampe leuchtet schon. Abschlie­ßend: Asyl oder zumindest das Ansuchen auf Asyl, das Antragstellen ist ein Men­schenrecht. Es darf nicht der Siegerpreis für diejenigen sein, die sich die Flucht und den Schlepper leisten können und diese Flucht dann auch noch heil überstehen. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

12.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.

 


12.38.41

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrter Herr Vizepräsident des Europäischen Par­laments Othmar Karas! Sehr geehrter Herr Europaabgeordneter Eugen Freund! Liebe Europaabgeordnete Vilimsky und Reimon! Der Bundesrat ist auch Europakammer, das ist heute ganz klar ersichtlich. Europa wird immer mehr zur Innenpolitik, und das ist gut so.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 64

Das grundlegende Problem Europas und auch Österreichs bei der Behebung der Ver­schuldungsproblematik und der hohen Arbeitslosigkeit ist fehlendes Wachstum. Reich­tum kommt von Wachstum.

Das Resultat jeder unverhältnismäßigen Verschuldungspolitik sind Arbeitslosigkeit, Ar­mut, Abwanderung, soziale Unruhen, Machtverlust der etablierten Parteien und Macht­übernahme durch radikale Kräfte.

Zu hohe Staatsverschuldung führt letzten Endes in die Rezession, da keine Investi­tionsreserven mehr vorhanden sind, Steuer- und Gebührenerhöhungen jedes Wirt­schaftswachstum abwürgen und staatliches Vermögen an die Gläubiger abgetreten werden muss. Die Schulden von heute sind die Arbeitslosen von morgen. Überborden­de Staatsverschuldung ist eine Rezessionsstrategie. Zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und eines wettbewerbsfähigen Österreichs brauchen wir aber genau das Gegenteil, nämlich eine Wachstumsstrategie aus nachhaltigen Investitionen, Innovationen und In­ternationalisierung.

Als Politiker ist es unsere Verantwortung, positive Rahmenbedingungen für Investi­tionen und Exporte zu schaffen.

Nur vermehrte Produktverkäufe unserer Unternehmen und steigende Investitionen – sowohl auf Unternehmens- als auch auf Staatsseite – schaffen neue Arbeitsplätze, er­höhen die Kaufkraft für den Konsum und legen die Basis zur Finanzierung unseres staatlichen Sozialsystems.

Wir vom Team Stronach stehen für ein starkes Europa unabhängiger, eigenständiger, freier Nationen. Unabhängig und frei ist man nur ohne Schulden und Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern.

80 Prozent der österreichischen Staatsanleihen befinden sich in ausländischen Hän­den. 80 Prozent der jährlich 8 Milliarden € Zinszahlungen zahlen wir Österreicher ans Ausland, an internationale Geldgeber.

Bei den Wettbewerbsrankings fällt Österreich im internationalen Vergleich Jahr für Jahr kontinuierlich zurück.

Meine Damen und Herren! Das Österreich-Schiff sinkt langsam, aber es sinkt. Der Trend geht abwärts, und das bedeutet, dass in Österreich einiges nicht optimal funk­tioniert und verbessert werden muss.

Wir müssen den Staat auf seine wichtigsten Aufgaben zurück verschlanken. Eine neue österreichische Verfassung mit einer effizienten Neuaufteilung der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden wäre ein anspruchsvolles Ziel. Das wäre eine Strukturverbes­serung, die bei paralleler Steuer- und Abgabenreduzierung Kostenvorteile im interna­tionalen Wettbewerb bringen würde.

Vom Bundespräsidenten und Bundeskanzler abwärts über alle Minister brauchen wir mehr Leadership und mehr zielorientierte Führung, damit wir Österreich wieder nach vorne bringen. Als Politiker müssen wir das Richtige und nicht das Populistische tun, wenn wir wichtige Entscheidungen für die Zukunft treffen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, eh!)

Wir brauchen verantwortungsvolle Politiker, die notwendige Reformen auch ohne Angst vor einer Abwahl umsetzen. Die Wahrheit ist unseren Staatsbürgern zumutbar und er­klärbar. Stillstand und ewiges Hinauszögern von notwendigen Reformen bringen uns nicht weiter.

Daher schließe ich mit Staatskanzler Kaunitz: „Vieles wird nicht gewagt, weil es schwer erscheint, vieles erscheint aber nur deswegen schwer, weil es nicht gewagt wird.“ – Vie­len Dank. (Beifall bei Bundesräten der FPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)

12.43



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 65

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt nun das Mitglied des Europäi­schen Parlaments Mag. Karas. – Bitte.

 


12.43.48

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Othmar Karas, MBL-HSG (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal zum ersten Mal Danke für die Diskussion und für die Redebeiträge! Ich darf zu diesem Punkt sagen: Für mich ist das Rederecht kein Ersatz für verstärkte Information und Kommunikation über den Zu­sammenhang Region – Nation – Europa durch die Parteien, durch die Sozialpartner, durch die Bundesregierung, durch die Medien. Das ist ein wichtiges Instrument, aber es ist kein Ersatz. Wir haben leider einen Informations- und Kommunikationsmangel, der auch in einzelnen Redebeiträgen hier durchgeklungen ist.

Zum Zweiten: Es wurde das Thema Netzneutralität angesprochen. Meine Delegation steht voll und ganz zur Netzneutralität, und die Netzneutralität wird im Europäischen Parlament in Straßburg aus meiner Sicht nächste Woche auch beschlossen. Was wir schützen, ist der Zugang von Netzen für Sicherheitsmaßnahmen, Gesundheitsmaß­nahmen und Diensten, die der Allgemeinheit zugutekommen.

Ein weiterer Punkt: Herr Kollege Reimon hat die Frage Roaming klar angesprochen. Wir haben da nur einen Zwischenschritt erreicht, daher fordern wir die Kommission auf, möglichst rasch ein Roaming-IV-Paket vorzulegen, aber die Einigung heißt nicht, dass der Status quo erhalten bleibt. Vielmehr wird es zu einer Gebührensenkung und zu ei­ner Erhöhung der Freipakete bei grenzüberschreitender Mobilität kommen. Daher wird den Touristen und jenen, die nur kurzfristig im Ausland sind, durch das Paket geholfen werden.

Drittens: Warum sage ich immer: „Innenpolitik ist Europapolitik“? – Weil wir bei jeder Entscheidung dabei sind und von immer mehr Entscheidungen betroffen sind.

Daher müssen wir die Europapolitik auch als integralen Bestandteil der Auseinander­setzung in der Innenpolitik verstehen, denn nur so können wir die Vorgangsweise über­winden, dass Schuld zugewiesen wird, anstatt miteinander an Kompromissen und Lö­sungen zu arbeiten. Die Schuldzuweisung löst kein Problem, sondern spielt Österreich gegen Europa aus, obwohl wir im selben Boot sitzen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Der vierte Punkt – und den muss ich schon auch noch ansprechen – betrifft Griechen­land. Ich weiß, da gibt es einige emotionale Überschriften, die auch abgeliefert wurden. Aber Faktum ist: Ohne die Hilfe der anderen Staaten der Eurozone wäre Griechenland zahlungsunfähig (Bundesrat Mayer: Ja!), und wenn ein Staatsgemeinwesen zahlungs­unfähig ist, dann kann es seine Gemeinwohltätigkeit nicht erfüllen. Das betrifft primär Bildung, Pensionen, Soziales und Sicherheitsmaßnahmen. Wir haben Griechenland ge­meinsam vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt, weil das zu noch größeren Einschnitten führen würde als der Reformbedarf, den wir haben.

Ich hoffe aber auch, dass am Sonntag die griechische Bevölkerung ein klares Ja zur Fortsetzung der Reformen und zu den Verhandlungen mit der Europäischen Union und kein Nein zu dieser europäischen Solidarität ausspricht.

Letzter Punkt: Das Freihandelsabkommen bewegt uns alle, ist ein Thema. Aber ich möchte sehr deutlich sagen: Ich will die Globalisierung regeln. Globalisierung findet statt, und wir haben derzeit außer Freihandelsabkommen und Handelsabkommen kein wirklich anderes Modell, um die europäische und die globale Globalisierung mit einer Wirtschafts- und Sozialordnung zu regeln.

Wir wollen nicht den Investorenschutz, den wir kennen, sondern einen reformierten, den das Europäische Parlament und die Kommission vorgeschlagen haben. Wir wollen


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keinen Kooperationsausschuss, der die Gesetzgeber außer Kraft setzt, sondern einen, der die Gesetzgebung in Gesprächen, in Kooperation begleitet.

Außerdem: Es ereignet sich nichts bereits Feststehendes – das letzte Wort haben die Parlamente, das letzte Wort hat das Europäische Parlament. Es steht nichts fest, son­dern es wird verhandelt. Ich habe Zutrauen zu den Volksvertretern, dass sie nur einem Abkommen zustimmen, das sie auch gegenüber den Bürgern verantworten können.

Das Europäische Parlament hat alle Sorgen und Ängste, die auf dem Tisch liegen, in die Verhandlungen und die Mandate parteienübergreifend eingebracht, und das ist auch unsere Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

12.49


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt das Mitglied des Europäischen Parlaments Freund. – Bitte.

 


12.49.11

Mitglied des Europäischen Parlaments Eugen Freund (SPÖ): Frau Präsidentin! Zum Glück hat Ihnen niemand gesagt, dass die durchschnittliche Redezeit im Europäi­schen Parlament eineinhalb Minuten beträgt. Ich fühle mich also durchaus privilegiert, hier so lange sprechen zu dürfen, aber ich möchte dennoch versuchen, mein letztes Statement auf diese europäische Redezeit zu begrenzen. Ich werde daher nicht auf alles eingehen, was hier gesagt worden ist, vor allem auch deshalb, weil der Herr Bun­desminister es wegen eines Termins eilig hat und auch noch zu Wort kommen möchte.

Ich würde gerne dem Herrn Bundesminister sagen (Bundesminister Kurz spricht mit MEP Reimon), wenn er mir dann zuhört, dass er natürlich auch  (Bundesminister Kurz schüttelt MEP Vilimsky die Hand.) – Ich glaube, er geht überhaupt schon. (Bun­desminister Kurz – auf seinen Platz zurückkehrend –: Nein, nein, ich hör’ schon zu!) Okay!

Herr Bundesminister, Sie haben davon gesprochen, dass es niedrigere Pensionen in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union gibt. Sie haben jedoch zu sagen vergessen, dass es in Griechenland eine völlig andere Sozialstruktur gibt, dass es dort Großmutter und Großvater gibt, die Gott sei Dank noch ein bisschen etwas von einer Rente haben, und diese Rente, die bis jetzt immer ausgezahlt worden ist – bis auf ges­tern –, versorgt die Kinder, die arbeitslos sind, und die Enkelkinder, die von der Arbeits­losigkeit besonders betroffen sind. Das macht auch den großen Unterschied zu den erwähnten Ländern Spanien, Irland, Portugal und so weiter aus. Das wollte ich gerne ergänzen.

Was die Entwicklungszusammenarbeit betrifft: Herr Bundesminister, Sie sind ein Meis­ter des Multitasking, aber wahrscheinlich haben Sie dabei eine Stellungnahme von mir überhört, nämlich dass ich eine robuste, selbstbewusste europäische Außenpolitik ein­gefordert habe, die nichts mit Fischereiquoten zu tun hat, sondern die damit zu tun hat – was Sie auch angekreidet haben –, dass wir die Flüchtlinge aus Syrien haben, dass wir die Flüchtlinge aus Eritrea haben und dass sich die europäische Außenpolitik dort nicht zeigt! Das, so fordere ich, muss geändert werden.

Europa muss in diesen Ländern stärker auftreten, muss dazu beitragen, dass die Kon­flikte in diesen Krisenländern beendet werden, damit auch die Flüchtlinge wieder eine Chance zur Rückkehr sehen oder erst gar nicht das Land verlassen müssen. Denn et­was muss ich noch sagen: Niemand verlässt aus Jux und Tollerei seine Heimat, da werden soziale Strukturen auseinandergerissen, Freunde verlassen, Großeltern verlas­sen, alles – das gesamte Umfeld –, und dann wird auch noch eine Flucht auf sich ge­nommen, die mit Todesgefahren verbunden ist.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 67

Das wollen wir nicht. Deshalb sage ich noch einmal: Herr Bundesminister, bitte setzen Sie sich dafür ein, dass sich Europa in diesen Ländern stärker als europäische Macht einsetzt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

12.51


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt das Mitglied des Europäischen Parlaments Vilimsky. – Bitte.

 


12.51.56

Mitglied des Europäischen Parlaments Harald Vilimsky (FPÖ): Frau Präsident! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur auf zwei Bemerkungen kurz ein­gehen, die in meine Richtung gemacht wurden. Die eine kam vonseiten der ÖVP, ich glaube, Herr Bundesrat Fürlinger (Bundesrat Fürlinger: Hier!) hat gefragt: Warum geht man überhaupt in die Europäische Union? – Das kann ich Ihnen einfach erklären: Ich war frisch gewählter Abgeordneter zum Nationalrat. Und wenige Monate danach habe ich mit meiner Partei gesprochen und gesagt: Ich bin zutiefst unzufrieden mit den Be­dingungen hier, weil ich als Nationalratsabgeordneter, der knapp zehn Jahre hier gear­beitet hat, sehe, dass immer mehr Kompetenzen des österreichischen Nationalrates ausgelagert wurden, es Vorgaben von Brüssel gibt und wir im Nationalrat das nach­tanzen können, was international beschlossen wurde, und Richtlinien umsetzen müs­sen, wofür es eine extrem schmale Bandbreite gibt.

Eigentlich sollten Sie froh darüber sein, wenn es Leute wie mich gibt, die international dafür kämpfen, dass nicht nur der österreichische Bundesrat, sondern auch der öster­reichische Nationalrat wieder mehr Kompetenzen erhält und wir in Österreich wieder mehr regeln können, statt dass vieles, wie zurzeit, für uns von anderer Seite geregelt wird.

Das war ein ganz zentraler Grund, weswegen ich auf die internationale Bühne ge­wechselt bin. Ich möchte versuchen, eine Druckkulisse an positiver Meinung für einen Reformprozess in Europa auf Schiene zu bringen.

Der andere Punkt war der Vorwurf gegen mich, ein Vertreter von Gruppierungen zu sein, die weg von Europa wollen. Ich weiß nicht, wie man sich das vorstellen soll? Dass man das österreichische Staatsterritorium abbaut und nach Asien oder nach Afrika oder weiß Gott wohin verschifft? – Nein, überhaupt nicht. Österreich ist im Herzen Europas, Österreich bleibt auch im Herzen Europas. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Europa ist aber nicht die Europäische Union! Die Europäische Union ist – mit Verlaub – ein Verein, der ein Regelwerk hat. Und gestatten Sie es bitte innerhalb der demokrati­schen Bandbreite doch – das muss möglich sein –, das Regelwerk eines Vereines zu kritisieren und trotzdem ein guter Europäer zu sein. (Bundesrätin Zwazl: Positiv!) Ich behaupte, dass diejenigen  (Bundesrätin Zwazl: Was sagst du Positives? Sag was Positives! Bitte!) – Frau Zwazl, das mache ich gerade!

Ich behaupte, dass diejenigen die guten Europäer sind, die diesem Kontinent seinen Pluralismus zurückgeben wollen, die keine Kopie des Modells der Vereinigten Staaten von Amerika wollen, weil Europa eine andere geschichtliche Tradition hat, weil Euro­pa  (Bundesrätin Zwazl: Entschuldigung, das sind Schlagworte!) – Das sind über­haupt keine Schlagworte!

Wir gehen den Weg eines europäischen Zentralstaates mit einer europäischen Zentral­regierung. Die Vielfalt europäischer Kulturen, die aus meiner Sicht die Schönheit die­ses Kontinents ausmacht, wird gerade wegradiert (Bundesrätin Zwazl: Wo denn?! – Bundesrat Mayer: Geh bitte!), und das ist etwas Negatives!

Da wird es doch erlaubt sein, als Kämpfer für den Pluralismus in Europa das Wort zu ergreifen! Ich lasse es nicht zu, dass moralisiert wird von denjenigen, die sagen: Sie kri-


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tisieren diese Europäische Union, Sie sagen nur Negatives! Ja, natürlich kritisiere ich das! Ich bin dort oppositionelle Kraft! Ich mache auch nicht mit bei dem, was zwischen Rot, Schwarz und manchmal Grün ausgemauschelt wird. Ich versuche, den Bevölke­rungen und insbesondere meiner Wahlbevölkerung andere Modelle vorzulegen, und Sie sehen: Das hat Erfolg! Es hat Riesenerfolg, weil all jene Parteien, die Ähnliches sagen wie wir, massiv im Aufwind sind. (Bundesrat Köck: In Kärnten aber nicht! – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Holen Sie kurz Luft und beruhigen Sie sich!

Jetzt sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie mit Ihrem europapolitischen Kurs, mit dem Sie verlieren, verlieren und verlieren – die ÖVP steht jetzt vor einer Wien-Wahl, nach der es vielleicht gar keinen Wiener Bundesrat mehr geben wird –, überhaupt noch auf dem richtigen Dampfer unterwegs sind oder doch jene Parteien, die mehr und mehr und mehr an Stimmen bekommen. (Bundesrätin Zwazl: Darf ich !) Bewegen Sie sich doch mit Ihrer Politik dorthin, was tatsächlich Ausdruck des mehrheitlichen Wunsches der Bevölkerung ist (Bundesrat Stadler: Ich bitte dich! Jetzt hast du 15 Minuten gere­det, jetzt hat man !), dann werden Sie sich wieder in Richtung einer Volkspartei ent­wickeln, die Sie längst nicht mehr sind. (Ironische Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich mache Ihnen nur einen Vorschlag, was Sie sofort machen können: Treten Sie mit mir dafür ein, dass man dieses Europäische Parlament – 751 Mandatare! – halbiert! Das wäre doch überhaupt kein Problem. Zeigen wir Sparwillen. 28 Kommissare!

Das Licht leuchtet. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich würde gerne mit Ihnen ein Quiz machen, wer die 28 Kommissare kennt und aus welchem Land sie kommen. Ich bin über­zeugt davon, das, was dabei herauskommen würde, wäre schlimmer als das beim Ö3-Mi­kromann. (Bundesrat Stadler: Das ist nicht so schlimm wie das, was du redest!)

Warum nicht halbieren? Um jedes Land mit einem Posten zu bedienen? – Das ist doch nicht notwendig! Zeigen wir der europäischen Bevölkerung, dass wir bereit sind, ent­sprechend zu sparen.

Ein anderer Vorschlag, den ich eingebracht habe, ist, dass die komplette europäische Nomenklatura sich selbst versteuert zu einem europäischen Durchschnittssteuersatz. Das tut sie nämlich nicht, sie versteuert zu einem privilegierten Steuersatz. Und der oberste Kämpfer für soziale Verteilungsgerechtigkeit ist Herr Schulz, der 24 000 € im Monat brutto für netto kassiert, jeden Tag über 300 € brutto für netto, egal, wo er in Eu­ropa unterwegs ist! Das sind Dinge, die die Menschen nicht verstehen.

Warum treten wir nicht gemeinsam dafür ein, alle Steuersätze Europas in ein Misch­system zu bringen – und das, was unten herauskommt, ist der Steuersatz, wie er für alle in Europa zu gelten hat. Auch das wäre ein Weg. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Bundesrat Stadler: Schon lang ! – Bundesrätin Zwazl: Schon lang!) – Ich sehe, das Licht leuchtet, und Sie freuen sich nicht mehr, mir zuhören zu dürfen, aber das Entscheidende ist: Begreifen Sie, dass diejenigen, die für die Vielfalt in Europa, für die Völker in Europa, für den Pluralismus eintreten, die guten Europäer sind, und nicht Sie, die ein 

12.58


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Vilimsky, Ihre Redezeit ist zu Ende, wir dan­ken Ihnen!

(Beifall bei der FPÖ für MEP Vilimsky.)

Herr Vilimsky, wir sind 61 Bundesräte, wenn wir mit Ihnen ein Quiz machen würden, würden Sie wahrscheinlich auch nicht all unsere Namen kennen, aber ich lade Sie ger­ne ein, mit uns ins Gespräch zu kommen. (MEP Vilimsky: Da freu ich mich!)

Der Herr Bundesminister hat sich entschuldigt, er hat leider einen wichtigen Termin, so­mit ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Reimon der nächste Redner. – Bitte.

 



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12.58.27

Mitglied des Europäischen Parlaments Michel Reimon, MBA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Den Herrn Bundesminister kann ich jetzt nicht mehr begrüßen, und das finde ich bedauerlich. Man kann einen Fehler ma­chen, aber dann sollte man nicht weglaufen.

Es ist inakzeptabel, dass der österreichische Außenminister im österreichischen Par­lament eine gewählte Regierung der Europäischen Union als linksextrem bezeichnet. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Linksextreme lehnen – per Definition – den Rechtsstaat ab, lehnen die parlamentari­sche Demokratie ab (Bundesrat Köck: Es ist nur zum Teil !) und greifen auch zu ter­roristischen Mitteln. Minister Kurz hat das Wort „linksextrem“ verwendet, und ich war so baff, dass es keinen Zwischenruf gegeben hat, weil der Außenminister das gesagt hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich hätte ihn hier zur Entschuldigung aufgefordert, ich habe ihm das auch gesagt. Wenn er geht, geht er, okay. (Bundesrat Fürlinger: , egal, was die da sagen! Das ist doch eine Sauerei!) – Eine Sauerei?! Ja, es ist eine Sauerei, eine gewählte Regierung als extremistisch zu bezeichnen. (Beifall bei den Grünen. – Bun­desrat Fürlinger: Ja, was sind denn die sonst?! – Vizepräsidentin Posch-Gruska – in Richtung des Bundesrates Fürlinger –: Herr Kollege!)

Ich kann es ihm jetzt leider nicht direkt sagen, da er gegangen ist, aber ich fordere den Herrn Außenminister auf, sich zu entschuldigen für diese Wortwahl, sonst müssen wir ihn öffentlich dazu auffordern. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.59


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Die Aktuelle Europastunde ist somit beendet.

12.59.30Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2849/AB-BR bis 2851/AB-BR verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bun­desrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Hinsichtlich der Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten ge­mäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und den Vereinten Nationen, der IAEO, der UNIDO und der CTBTO über einen Bil­dungsbeitrag sowie ein

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sonderverwaltungszone Hong­kong der Volksrepublik China über die Rechtshilfe in Strafsachen und den

Abschluss des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Chi­na über die Rechtshilfe in Strafsachen

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung an­geschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

(Liste der Anfragebeantwortungen: siehe S. 7)

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:


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Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt sind und dem Ausschuss zur Vorbe­ratung zugewiesen wurden der Vierte Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, zu­gewiesen dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie,

der Kulturbericht 2014, zugewiesen dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur,

Berichtskonvolut zu den Evaluierungsverpflichtungen nach § 143 Universitätsgesetz 2002 hinsichtlich zugangsgeregelter Studien, zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung, sowie

Jahresbericht der Schienen-Control GmbH 2014, zugewiesen dem Ausschuss für Ver­kehr, Innovation und Technologie.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte und jener Antrag, die be­ziehungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungs­weise ist. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heu­tigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 6 und 7, 9 bis 11 so­wie 12 und 13 jeweils unter einem durchzuführen. Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

13.01.30Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grenzkontrollen an die Frau Bundesminis­terin für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

13.02.361. Punkt

Wahl eines/einer Ordners/-in

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Ich darf Herrn Bundesminister Rudolf Hundstorfer recht herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung, die Wahl eines Ordners/einer Ordnerin. Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Landtag Steiermark durchgeführte Neu­wahl in den Bundesrat notwendig geworden.

Es liegt mir der Vorschlag vor, das Mitglied des Bundesrates Gerd Krusche für das zweite Halbjahr 2015 zum Ordner des Bundesrates zu wählen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist so­mit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke auch. (Allgemeiner Beifall.)

13.03.232. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (587 d.B. und 633 d.B. sowie 9387/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


13.03.40

Berichterstatterin Ilse Fetik: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Mein Bericht betrifft das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz, und es geht darum, dass infolge der demografischen Entwicklung, des geringen Wirtschaftswachstums mit wenig Aussicht auf Verbesserung bis 2019 und des steigenden Arbeitsangebots die Arbeitsmarktchancen besonders für arbeitssuchende Personen ab 50 ungünstig sind.

Um das Ziel der weiteren Erhöhung der Erwerbsbeteiligung Älterer und der Senkung der Arbeitslosigkeit zu erreichen, braucht es daher forcierte arbeitsmarktpolitische Ini­tiativen. Aufgrund des überdurchschnittlichen Anstiegs der Arbeitslosigkeit bei Perso­nen ab 50 Jahren sieht der gegenständliche Beschluss des Nationalrates vor, dass die Regelungen zur Finanzierung aktiver Maßnahmen aus Mitteln der Arbeitslosenversi­cherung insbesondere zugunsten der Beschäftigung älterer Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter angepasst werden.

Zur Intensivierung der Reintegration dieser Personen gibt es im vorliegenden Beschluss des Nationalrates die Maßnahme, dass die Bedeckung von Beihilfen und Maßnahmen aus dem für Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vorgesehenen Auf­wand erfolgen kann, und zwar gedeckelt und befristet bis 2017 hinsichtlich der Be­schäftigungsinitiative 50+, und darüber hinaus auch die Bedeckung des Aufwands für Beihilfen bei Kurzarbeit und Kurzarbeit mit Qualifizierung in den Finanzjahren bis 2019, ebenfalls gedeckelt mit einer Obergrenze.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat die vorliegende Unter­lage beraten und stellt mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Als Erste dazu zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


13.06.10

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Die Geldmittel für die aktive Arbeits­marktpolitik zeigen für das Jahr 2015 das zweithöchste Budget in der Geschichte des AMS. Zu den Schwerpunkten zählen unter anderem die verstärkten Angebote für die äl­teren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ein höherwertiges Kursangebot, eine ver­besserte Fachkräfteausbildung und die Aufstockung der Mittel für die Kurzarbeit.


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Erfreulich ist die Aufstockung der Mittel aus der Arbeitslosenversicherung für die Jah­re 2016 und 2017 jeweils auf 250 Millionen €, die für die Bedeckung von Beihilfen und Maßnahmen für Personen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und länger als 180 Ta­ge beim AMS vorgemerkt sind, Verwendung finden – das sogenannte Älterenpaket 50+.

Wir wissen, es altert die erwerbsfähige Bevölkerung. In den letzten Jahren sind beson­ders die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Baby-Boomer-Generation, das sind die Jahrgänge der Jahre 1961 bis 1964, in die Altersgruppe der Personen ab 50 Jah­ren hineingewachsen. Als Folge steigt der Anteil der 50- bis 64-Jährigen an der Bevöl­kerung im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 64 Jahren stetig an. Die Statistik Austria hat dazu eine aktuelle Bevölkerungsprognose erarbeitet, wonach dieser Anteil bis zum Jah­re 2025 weiter bis auf zirka 33,4 Prozent steigen wird.

Neben der Altersstruktur der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren ebenfalls das Erwerbsverhalten der Personen ab 50 Jahren gewandelt. In den nächsten Jahren ist daher damit zu rechnen, dass sich der längerfristige Trend zu einer Alterung der er­werbsfähigen Bevölkerung fortsetzt. Infolgedessen wird sich das zahlenmäßige Ge­wicht von Personen ab 50 Jahren auf dem Arbeitsmarkt auch künftig noch erhöhen. Daher sind die vorgesehenen finanziellen Mittel notwendig, um Maßnahmen und Pro­jekte zu fördern, die älteren arbeitssuchenden Menschen eine Chance geben, auch ei­nen Arbeitsplatz zu finden.

Wichtig erscheint mir aber ebenfalls, dass die Wirtschaft diesem Personenkreis die Chance gibt, auf dem Arbeitsmarkt wieder unterzukommen. Dem Gesamtbudget steht jedoch ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich, unter anderem aufgrund der weiterhin geringen konjunkturellen Entwicklung, gegenüber. Als negative Wirt­schafts- und Arbeitsmarktszenarien kommen steigender Druck auf dem Arbeitsmarkt durch einen späteren und schwereren Zugang zum Pensionssystem und ein wachsen­des Arbeitskräftepotenzial hinzu; dies vor allem in den städtischen Ballungszentren, be­gründet in erster Linie durch die Zuwanderung aus dem ländlichen Bereich.

Im Zuge der Individualisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt werden normale Ar­beitsverhältnisse schrittweise durch die atypischen Arbeitsformen – das heißt, neue, flexible und moderne, aber auch prekäre und ungeschützte, nicht am traditionellen Leit­bild ausgerichtete Formen von Arbeit – abgelöst. Damit verbunden sind wiederum eine Verringerung von Beiträgen zur Sozialversicherung und schrumpfende Leistungsan­sprüche im Falle von Arbeitslosigkeit, Alter und Krankheit, wodurch wachsender Druck auf die steuerfinanzierten Systeme der Armutsbekämpfung zu erwarten ist, zum Bei­spiel die bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Absehbar ist, dass die aktivierten Arbeitslosenmittel mit den im Älteren-Schwerpunkt vorgesehen Maßnahmen nicht zur Gänze ausgeschöpft werden können. Zum großen Teil handelt es sich um die Eingliederungsbeihilfen für Betriebe, die ältere Arbeitslose aufnehmen sollen. Die Bereitschaft der Betriebe, diese Personen einzustellen, ist trotz dieser Förderung leider nicht immer gegeben.

Mit der Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes wird die erfolgreiche Maßnahme der Kurzarbeit und der Kurzarbeit mit Ausbildung weiter aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung unterstützt. Das wiederum zeigt, dass mit dieser Kurzar­beitsregelung in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die wir seit der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 auch in Österreich erfahren müssen, die richtigen Maßnahmen gesetzt werden.

Die Situation dürfen wir aber leider auch nicht schönreden. Es gibt leider mehr arbeit­suchende Menschen auf dem Arbeitsmarkt, als Arbeitsplätze vorhanden sind. Der Wett­bewerb wird dadurch stärker, nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Arbeitnehmern.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 83

Bei manchen älteren ArbeitnehmerInnen besteht der Wunsch, die Arbeitszeit zu redu­zieren und dafür im Gegenzug länger erwerbstätig zu sein. Bereits nach der derzeit gel­tenden Rechtslage kann man die kontinuierliche Altersteilzeit bis zum Regelpensions­alter ausüben, wenn diese insgesamt nicht länger als fünf Jahre dauert. Daher sei die Aufstockung der Mittel im Bereich der Kurzarbeit für die Jahre 2016 und 2017 jeweils bis zur Obergrenze und bis zu plus 20 Millionen als sehr positiv zu erwähnen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, gerade durch deine Initiative und deinen Einsatz ist es gelungen, dass die im Bereich der aktiven Arbeitsmarktförderung zur Verfügung gestellten Mittel nicht laufend in einem nicht vertretbaren Ausmaß reduziert wurden und werden. Unser Herr Bundesminister für Finanzen ist daher auch aufgefordert, ge­rade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit ein ausreichendes Budget für die aktive Ar­beitsmarktpolitik des AMS zur Verfügung zu stellen. Eine Kostenverschiebung zu den Ländern und Gemeinden im Bereich der bedarfsorientierten Mindestsicherung ist zu verhindern. Meine Fraktion stimmt dieser Gesetzesvorlage zu. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Bundesrätin Schreyer.)

13.12


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Ebner. – Bitte.

 


13.13.03

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kol­legen! Meine sehr geehrten Damen und Herren daheim vor den Bildschirmen! Beinahe jeder vierte Arbeitslose ist über 50. Im Mai stieg allein in dieser Altersgruppe die Ar­beitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um über 15 Prozent. Insgesamt sind derzeit 382 000 Arbeitslose inklusive den Schulungsteilnehmern vorgemerkt.

Es gibt Handlungsbedarf, das stimmt. Es ist der Herr Minister aufgefordert, und es sind wir alle aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu setzen, um dagegenzuhalten und zu schauen, dass wir diese Rekordarbeitslosigkeit in den Griff bekommen. Klar ist, wir müssen Maßnahmen setzen, aber besonders in der Gruppe 50+ ist es notwendig, Maß­nahmen zu setzen und noch mehr zu tun, weil wir natürlich auch eines feststellen: Ge­rade in dieser Altersgruppe ist die Langzeitarbeitslosigkeit noch höher als in den ande­ren Gruppen.

Die neuesten Daten betreffend Arbeitslosigkeit zeigen, dass in Niederösterreich von den 52 500 Arbeitslosen 43 Prozent maximal einen Pflichtschulabschluss haben. Wir sehen daher: Bildung ist der beste Schlüssel, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Das wissen wir alle, und darum arbeiten wir auch sehr, sehr intensiv in diesem Bereich. Aber, und das ist das Positive daran, es wurden jetzt Maßnahmen eingeleitet und 250 Millionen € jährlich zur Verfügung gestellt, um genau in der Altersgruppe 50+ Maß­nahmen zu setzen – Maßnahmen für all jene, die länger als sechs Monate arbeitslos sind. Ich unterstütze diese Idee voll und ganz. Und ich brauche die Details nicht mehr auszuführen, denn da meine Vorrednerin den gleichen Familiennamen hat wie ich, können wir das jetzt einfach umschreiben, und ich unterstütze das, was du erklärt hast, wofür diese Maßnahmen eingesetzt werden müssen.

Ich möchte daher in meiner Rede auf einen anderen Punkt eingehen: Die Volkspartei Niederösterreich hat das Jahr 2015 zum Jahr der Arbeit gemacht. Uns war bewusst, als wir gesagt haben, wir machen es zum Jahr der Arbeit, dass es schwierig ist. Uns war bewusst, dass wirtschaftlich herausfordernde Zeiten vor uns stehen. Und uns war bewusst, dass immense Anstrengungen auf allen Seiten notwendig sind, wenn wir die­ses Motto nehmen. Wir schieben diese Verantwortung nicht ab an den Bund, sondern haben das in Niederösterreich selbst in die Hand genommen, getan, was möglich war, und haben somit Initiativen gesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 84

Im Februar haben wir das größte Beschäftigungspaket der Geschichte geschnürt: 282 Mil­lionen €, um 90 Millionen € mehr als 2014, diese stehen für rund 70 000 Jobhilfen zur Verfügung.

Das Paket umfasst drei Schwerpunkte: Erstens – und das muss das Entscheidende sein –, Menschen in Beschäftigung zu halten. Das muss unser oberstes Ziel sein, Men­schen in Beschäftigung zu halten, damit sie erst gar nicht in die Arbeitslosigkeit kommen.

Der zweite Punkt muss sein, Menschen, die doch in die Arbeitslosigkeit kommen, mög­lichst rasch wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Der dritte und nicht unwesentliche Punkt betrifft die Jugendlichen, nämlich sie vor dem Einstieg in das Arbeitsleben bestmöglich zu qualifizieren und ihnen den Einstieg dann auch zu erleichtern.

Natürlich kurbeln wir auch in Niederösterreich die Konjunktur an. Wir versuchen, mit Pa­keten – Investitionspaketen, Wohnbaupaketen und dergleichen mehr – auf dem Ar­beitsmarkt auch dementsprechend Beschäftigung zu generieren. Es ist schwer genug, wie wir alle wissen.

Wir haben auch gemeinsam mit der Arbeiterkammer Niederösterreich und dem AMS eine Initiative gesetzt, die sich gemA 50+ nennt. Damit wurde für diese Altersgruppe ein Jobprojekt geschaffen, mit dem Vereinen, Gemeinden, NGOs gemeinnützige Ar­beitskräfteüberlassungen ermöglicht werden. Das heißt, wenn jemand länger als sechs Monate arbeitslos ist, können die über 50-Jährigen über dieses Projekt wieder An­schluss an die Arbeitswelt finden. Wir ermöglichen auf der einen Seite gemeinnützigen Einrichtungen, sich für 350 € eine Vollzeitarbeitskraft für einen Monat aus diesem Pro­jekt herauszuholen, um sie in der Gemeinde entsprechend zu beschäftigen, um ihr auch eine Chance zu geben, in den Arbeitsmarkt wieder einzudringen. Auf der anderen Seite geben wir denen, die das nutzen, auch die Chance, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Es gibt in Niederösterreich 217 Menschen, die das bis jetzt in Anspruch genommen ha­ben. Einige davon wurden dann auch von der Gemeinde übernommen. Einige davon sind wieder in den festen Arbeitsmarkt integriert worden. Genau das muss unser Ziel sein, wenn wir über die Altersgruppe 50+ reden.

Wir haben in Niederösterreich jetzt auch einen Vorstoß betreffend die Mindestsiche­rung gemacht. Der Landtag hat in der letzten Landtagssitzung das beschlossen, was man in Niederösterreich von der Gesetzeslage her beschließen kann, um einen Wie­dereinstieg von Langzeitmindestsicherungsbeziehern zu ermöglichen und zu erleichtern.

Wir haben gemeinsam mit den Stimmen der SPÖ einen Wiedereinsteigerbonus be­schlossen, wobei es uns darum geht, den Menschen eine Chance zu geben und einen Anreiz zu liefern, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Das muss unsere oberste Prämisse sein: zu schauen, dass sie nicht in der Mindestsicherung gehalten werden, sondern aus dieser heraus wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Wir haben aber auch festgestellt, es gibt trotzdem Arbeitsunwillige, und denen wollen wir mittels eines Gutscheinsystems und mittels Direktzahlungen den Weg zurück auf den Arbeitsmarkt erleichtern. Was notwendig ist, ist mehr Kontrolle. Das haben wir aber in der letzten Debatte ausführlich diskutiert, der Herr Bundesminister und ich ge­meinsam; ich glaube, darauf brauche ich nicht näher einzugehen.

Was mir noch wichtig ist, ist Folgendes: Wir haben im Landtag in Niederösterreich eine Resolution beschlossen, eine Resolution an den Bund, in der es darum geht, genau für solche Jobinitiativen wie gemA 50+, für Jobinitiativen für Mindestsicherungsbezieher einfach mehr Geld aus dem Sozialministerium für die Länder zur Verfügung zu stellen, damit sie Projekte und Maßnahmen fördern und unterstützen können.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 85

Sie sehen also, wir in Niederösterreich versuchen, das zu tun, was in unserer Macht steht, um auf dem Arbeitsmarkt die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Wir alle sind aufgefordert, die zurzeit herrschende Rekordarbeitslosigkeit gemeinsam in den Griff zu bekommen. Es gibt gute Maßnahmen, eine davon werden wir heute beschließen. Es wird aber noch weiterer Maßnahmen bedürfen, damit wir das Problem wirklich in den Griff bekommen. Dazu sind wir alle aufgefordert. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

13.20


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Längle. – Bitte.

 


13.21.02

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geschätzte Damen und Herren! Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zuseher via Live­stream und an den Bildschirmen zu Hause! Ich möchte an die Ausführungen der Kol­legen Ebner und Ebner anschließen. Es wurde hier jetzt schon viel gesagt. Auch wir seitens der FPÖ werden dieser Änderung des Gesetzes unsere Zustimmung erteilen. Sie ist ja prinzipiell und grundsätzlich zu begrüßen, da speziell Menschen, die doch schon ein etwas vorgeschritteneres Alter erreicht haben, damit geholfen wird. Die be­reits angesprochene Erhöhung der Mittel auf 250 Millionen € für die Jahre 2016 und 2017 ist sicherlich zu begrüßen.

Insgesamt allerdings muss ich schon festhalten, dass Sie, Herr Minister, und Ihre Re­gierungskolleginnen und -kollegen in Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik kläglich ge­scheitert sind. Ein paar statistische Werte dazu: Wir haben in Österreich derzeit die höchste Arbeitslosenrate der Zweiten Republik. Unmissverständlich und klar zeigen die neuesten Berichte und Zahlen seitens des AMS und auch vom Institut für Höhere Stu­dien auf, dass sich die Situation in Angelegenheiten der Arbeitsmarktpolitik ständig ver­schlimmert.

Im Mai 2015 waren insgesamt knapp 400 000 Menschen ohne Arbeit beziehungsweise befanden sich in Schulungen. Vergleicht man diese Zahl mit dem Wert von vor zehn Jahren, dann stellt man fest, dass 2005 in Österreich 300 000 Personen ohne Beschäf­tigung waren. Damals schrieb beispielsweise das Magazin „NEWS“ in der Januar-Aus­gabe 2006, dass Österreich mit rund 350 000 Arbeitslosen einen neuen Rekord seit Bestehen der Zweiten Republik zu verzeichnen hat. – Mittlerweile hat Österreich offen­sichtlich jedes Jahr einen neuen Rekord an Arbeitslosen.

Seitens der Regierung wird viel zu wenig unternommen, um dieser negativen Entwick­lung entgegenzuwirken. Statt Lösungen werden ständig unzählige Debatten ohne jede Wirkung und Maßnahmen abgehalten. Der seitens des Herrn Ministers angekündigte Arbeitsmarktgipfel wurde auch wieder verschoben, findet jetzt offensichtlich auch nicht statt; machen wir es eben im Herbst.

Stattdessen werden Tausende Menschen – und das ist meiner Meinung nach schon ein Thema, das uns alle beschäftigt und auch mit dem Arbeitsmarkt zu tun hat – zu­sätzlich in das Land hereingeholt und sogar in Zelten sowie Hallen untergebracht. Wir haben ja nicht einmal mehr ordentliche Unterkünfte! Es fehlt eindeutig eine Strategie, ein Plan bezüglich der weiteren Vorgehensweise, und eine Perspektive ist ebenso we­nig auszumachen.

Österreich ist zudem eines der beliebtesten, wenn nicht sogar das beliebteste Einwan­derungsland innerhalb der EU. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine noch dra­matischere Entwicklung für den Arbeitsbereich zu erwarten ist. Die Regierung ist auf­gefordert, sofort zu handeln, um endlich einmal die bedrohliche Situation in den Griff zu bekommen, da ansonsten die ganze Thematik außer Kontrolle gerät und das tägliche Leben im weitestgehenden Sinne negativ bedroht.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 86

Die Öffnung des Arbeitsmarkts hat dazu geführt, dass Österreicher und Ausländer, die schon länger da sind, von neu hereinströmenden Menschen in die Arbeitslosigkeit ge­drängt werden. Von 2012 bis 2014 haben wir einen Anstieg von rund 61 000 bei den Ausländern. Die Zahl der arbeitslosen Österreicher ist innerhalb dieser angesproche­nen drei Jahre um dramatische 38 000 gestiegen.

Aus Gründen der verfehlten Arbeitsmarkt- und Zuwanderungspolitik – Stichwort Ein­wanderung in unser Sozialsystem und in den Arbeitsmarkt – haben wir nun diese schlechten Zustände. Ich fordere die Regierung zum wiederholten Male auf, dem end­lich einmal entgegenzuwirken. Lösungen und Verbesserungen liegen auf der Hand: Stoppen Sie diese unsinnige Einwanderungspolitik, reformieren Sie das Bildungssys­tem, und schauen Sie darauf, dass österreichisches Geld auch in Österreich bleibt und nicht Richtung Süden verschwindet, denn von dort kommt es nicht mehr zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

13.25


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


13.26.04

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Christoph Längle, so groß (das Rednerpult absenkend) bist du ja gar nicht! (Heiterkeit des Redners.) – Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir müs­sen, wir sollten diese Diskussionen ehrlich führen. Unabhängig davon, wer Minister ist, ist es ein Faktum, dass Arbeit als Ressource immer knapper, immer weniger wird. Wir befinden uns in einer Phase der Verteilung der verbleibenden Ressourcen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass nicht nur das höhere Alter ein Grund für Arbeits­losigkeit ist. Wenn man genau hinschaut und es sich ein bisschen überlegt, dann erkennt man eines: Wer heute 50 oder 55 Jahre alt ist, der hat vor 30 oder 35 Jahren seine Ausbildung gemacht oder das letzte Mal eine Schulbank gedrückt, und was hat sich in den letzten 30, 35 Jahren in der Arbeitswelt nicht alles getan: EDV wurde ein­geführt, Smartphones, Arbeitsprozesse wurden optimiert, effizienter gestaltet – und dies alles auch unter der Logik eines neokapitalistischen Systems.

Ich will da jetzt keine klassenkämpferischen Töne anschlagen, aber die Grundprämisse ist: Leistung, Leistung, mehr und mehr. Jemand, der aus welchen Gründen auch immer diese Leistung nicht mehr erbringen kann, der gerät unter die Räder. Und die, die unter die Räder geraten sind, die sitzen dann beim AMS oder erhalten die Mindestsicherung.

Gerade weil wir uns in einem internationalen Wettbewerb mit anderen Ländern und an­deren Kontinenten befinden, halte ich den Vorschlag der FPÖ für ein Kamikazekom­mando. Kann mir einer von euch halbwegs nachvollziehbar erklären, wie Österreich al­leine gegen Brasilien, Indien, China und so weiter standhalten soll? Da macht es klatsch, und weg sind wir! Das heißt: Nur in der Gemeinschaft können wir stark sein.

Geschätzter Kollege Längle, man muss schon unterscheiden zwischen Asyl, Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zum Arbeitsmarkt für EU-Staatsangehörige. Nur die Letz­teren haben freien Arbeitsmarktzugang, und selbst da haben wir als einer der wenigen Staaten in der Europäischen Union – Herr Minister, korrigieren Sie mich – ganz strenge Regeln aufgestellt. Sie benötigen eine Anmeldebescheinigung, und im Bereich der Dritt­staatsangehörigen haben wir eine Subsidiaritätsstruktur. Wenn ein Arbeitsplatz zu be­setzen ist, dann sind zuerst EU- und österreichische Staatsangehörige, dann die un­terschiedlichen Fremden mit Aufenthaltstitel, die einen Zugang zum Arbeitsmarkt ha­ben, zu berücksichtigen, und ganz zum Schluss, aber ganz zum Schluss erst kommen dann jene, die einen Asylwerberstatus mit Zugang zum Arbeitsmarkt haben, den die meisten auch nicht haben. Wir sollten also schon die Kirche im Dorf lassen, wenn wir über solche Dinge diskutieren.


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Wir werden nur dann Beschäftigung schaffen, wenn wir die Nachfrage ankurbeln. Und die Nachfrage können wir nicht dadurch ankurbeln, dass wir den Reichen noch mehr geben, sondern vielmehr dadurch, dass wir dort ansetzen, wo die mittleren und unteren Einkommensbereiche sind, denn die bringen das Geld in Umlauf. Die können sich nämlich nicht den Luxus leisten, das Geld auf das Konto oder Sparbuch zu legen, son­dern es wird wieder in den Kreislauf hineingegeben.

Wir wissen, dass die Steuerreform, die uns 5 Milliarden € kosten wird, ein Wirtschafts­wachstum von 0,1 Prozent erzielen oder bewirken wird. Das hat das WIFO errechnet, nicht die Grünen! Damit werden wir keine großen Sprünge machen, die Wirtschaft nicht ankurbeln, geschweige denn Arbeitsplätze schaffen. (Präsident Kneifel übernimmt wie­der den Vorsitz.)

Interessant ist natürlich auch, welchen Arbeitgeber sich Arbeitnehmer aussuchen. Nur jene Arbeitgeber werden in Zukunft attraktiv sein, die auch auf die unterschiedlichen Arbeits- und Lebenswelten der Menschen eingehen können. Ein Junger, der alleine ist, der keine Familie hat, wird anders arbeiten können; ihm ist egal, ob er 30, 40, 50, 60 Stunden arbeitet. Bei jemandem, der Verpflichtungen hat, der Kleinkinder hat, dessen Kinder noch in die Schule gehen, wird das anders sein; er wird froh sein, wenn er vielleicht maximal 30 Stunden arbeitet oder noch weniger. Wieder anders sieht es aus bei Beschäftigten, die älter sind. Es ist denkunmöglich, dass man bis 65 noch am Dach herumkrebst, bei dieser Hitze, oder auf einer Baustelle noch schwere Tätigkeiten ausführt und viele andere Dinge mehr. Das heißt, auch in diesem Bereich müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die Arbeitswelt von morgen attraktiver gestalten kön­nen, damit die Leute gesund in Pension gehen können.

Weiters muss man natürlich auch die Kaufkraft stärken. Gegenwärtig ist es ja so, dass ein Zuwachs ohnehin wieder durch Steuern und so weiter weggefressen wird. 25 Pro­zent der Arbeiter und Arbeiterinnen in Österreich verdienen unter 1 500 € bei einem Vollzeitjob, 50 Prozent der Arbeiterinnen. Insgesamt sind es 500 000 ArbeitnehmerIn­nen, die unter 1 500 € brutto verdienen. Netto sind das 1 150 €. Heutzutage mit 1 150 € durchzukommen, das ist – egal, ob jung und alleinstehend oder Familienvater – wirk­lich eine Gratwanderung.

Darum ist es ganz besonders wichtig, dass man gerade in der Sozial- und Arbeits­marktpolitik verstärkt Bemühungen unternimmt, um, so wie das die Ebners vorhin schon gesagt haben, zu vermeiden, dass jemand in die Arbeitslosigkeit hineingleitet. Wenn jemand schon in der Mindestsicherung ist, muss man trachten, die Leute da so schnell wie möglich wieder herauszubringen. Ich glaube, dass das ein guter Weg dazu ist, und wir werden dem natürlich unsere Zustimmung erteilen. – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

13.33


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte, Herr Minister.

 


13.33.19

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident, Gratulation zu den nächsten sechs Monaten! Alles Gute! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke zunächst einmal grundsätzlich für die hohe Zu­stimmung, die der Beschluss erhalten wird. Ich möchte nur um ein paar Versachli­chungen bitten und ersuchen.

Natürlich haben wir ein Thema, das Thema heißt Asyl, gar keine Frage. Die wirkliche Frage ist aber: Wie gehe ich sachlich damit um? Wir leben in einem Land, in dem wir einen Zustrom von 50 000 bis 60 000 Menschen sehr wohl auch verarbeiten, verkraf­ten können. Sie wissen auch, dass die Rate derer, die von Asylwerbern zu Asylbe-


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rechtigten werden, zwischen 20 und 30 Prozent liegt. Das wissen Sie auch. Dass die Rate jetzt etwas gestiegen ist, ist, so glaube ich, auch klar, denn man braucht nur ein paar Fernsehsender durchzuswitchen und man sieht, was von Syrien noch da ist.

Dass diese Menschen sich bewegen, ist logisch. Das sind diejenigen, die in Wirklich­keit Asylberechtigungen bekommen. Das sind Menschen, die aus Kriegsgebieten kom­men. Wir bekommen aufgrund unserer geografischen Lage vor allem diejenigen aus Syrien und aus Afghanistan. Es kommt ja fast nichts zu uns aus dem mittleren Afrika, die kommen nicht zu uns. Wir haben in Tirol eine kleine marokkanische Enklave. – Das haben wir, ja. Damit muss man umgehen, damit muss man leben. Und ich glaube, dass man das kann, wenn man versucht, das Ganze emotionslos, ohne Hetze und oh­ne Angstparolen zu machen. Und das ist der Vorwurf an Ihre Partei. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte ein kleines Zahlenspiel machen. Wir haben 2 100 Gemeinden in unserem Land, und wenn jede Gemeinde 20 Personen aufnimmt, sind 42 000 Menschen unter­gebracht. Das ist nur ein kleines Zahlenspiel, ja: 2 100 Gemeinden, jede Gemeinde braucht nur 20 aufzunehmen.

Ich glaube, wir sollten uns bewusst sein, wovon wir da reden. Ich weiß natürlich, dass es Gemeinden mit 500 Einwohnern gibt. Dort kann ich nicht 100 hingeben, das ist gar keine Frage, aber so viele Gemeinden mit 500 Einwohnern haben wir nicht; die meis­ten sind um einiges größer, und demzufolge kann man da einiges tun. Es ist notwen­dig, das ohne Angstparolen, ohne Angst, dass einem da jemand etwas wegnimmt, zu tun.

Sie wissen auch, dass Asylwerber überhaupt keinen Zugang zur Mindestsicherung ha­ben, überhaupt nicht, sondern Asylwerber sind Werber. Wir haben uns bemüht – die Frau Innenministerin an der Spitze –, dass die Verfahren rascher abgeschlossen werden und die Menschen damit rascher wissen, ob ihr Ansuchen berechtigt oder nicht berech­tigt ist. In der Folge muss man sich dann natürlich darum bemühen, die Abschiebungen entsprechend zu organisieren. Wir haben mit 29 Ländern Abkommen; auch das ist, glau­be ich, nicht das Thema.

Ich möchte auch bitten und ersuchen, nicht davon zu sprechen, dass Österreich das be­liebteste Asylland sei. Diesen Titel haben wir nicht. Es gibt ein paar Länder, die sind aufgrund anderer Traditionen beliebter. Unser Thema ist ja auch, dass wir – und da sind wir beliebt – aufgrund unserer geografischen Situation innereuropäisch eine ge­wisse Zuwanderung haben. In diesem Zusammenhang möchte ich gerade einen Bun­desrat aus Vorarlberg ersuchen, das wirklich mit allen Facetten zu diskutieren, denn 10 000 Ihrer Landsleute pendeln täglich in die Schweiz. 10 000!

Die Schweizer nehmen die. Die Schweiz hat bei den Beschäftigten einen Ausländer­anteil von 25 Prozent. Wir haben einen Ausländeranteil von knapp 14 Prozent, 15 Pro­zent – das kommt auf die Region an. Es gibt auch ein paar Regionen, in denen haben wir 17 Prozent, aber es geht um den Gesamtschnitt. Ich bitte also, diese Debatte ent­sprechend zu führen.

Sie wissen, wie viele Leute in die Schweiz pendeln, nach Liechtenstein pendeln, nach Baden-Württemberg pendeln. Und umgekehrt, ja, kommen auch welche zu uns. Die unangefochten größte Zuwanderungsgruppe kommt aus der Bundesrepublik Deutsch­land. Gleichzeitig sucht die Bundesrepublik Deutschland dringend Fachkräfte, aber die sind lieber da. Da müssen Sie die Leute fragen, warum, aber sie sind lieber da. Und wir haben zum Beispiel auch, weil eine Frau Bundesrätin aus Kärnten hier sitzt, eine neue kleine Zuwanderungswelle aus Norditalien. Das ist so.

Umgekehrt haben wir auch Österreicher, die zwischenzeitlich in Laibach arbeiten. Ja, das haben wir auch. Und wundern Sie sich auch nicht über die vielen Wiener Autos, die in der Früh auf der Autobahn Richtung Bratislava fahren. Das sind alles – der Bun-


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desrat aus Salzburg schaut finster – hochkarätige Angestellte, das sind alles Rechtsan­wälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, die aus vielen Gründen Ihre Kanzleien dort ha­ben. Aus vielen Gründen!

Das heißt, wir sind in diesem gemeinsamen Europa, und dieses gemeinsame Europa bedarf natürlich der Regulative: Werden unsere Lohntabellen eingehalten, werden un­sere Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten? Dazu werden Sie im Sommer noch eine Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz beschließen. Wir wissen, dass wir gerade in diesem Bereich etwas tun müssen. Das niederösterrei­chische Baugewerbe, das burgenländische Baugewerbe und das Kärntner Baugewer­be stehen teilweise unter Druck, und da müssen wir etwas tun, und da haben wir etwas getan. Das gehört auch zu diesem gemeinsamen Europa.

Es wurde schon gesagt, dass Österreich eines der wenigen Länder ist, die die Anmel­debescheinigung aufrechterhalten haben; zwischenzeitlich durchjudiziert bis zum Euro­päischen Gerichtshof. Alles hält! In der Zwischenzeit ist das ein Exportartikel gewor­den. Ich muss das alle zwei Monate einer/einem meiner Kolleginnen und Kollegen in Europa darstellen. Unlängst war der britische Außenminister beim Außenminister, aber sein Sektionschef bei uns und hat sich die Anmeldebescheinigung abgeschrieben, weil die das jetzt auch machen wollen.

Was ich damit sagen will, ist: Dieses gemeinsame Europa bedeutet Vorteile, bedeutet Wachstum, denn was Sie bei den Arbeitslosenzahlen nicht erwähnt haben, sind die Beschäftigtenzahlen von vor zehn Jahren und heute. Ja, wir haben große Themen zur Arbeitslosigkeit, aber wir haben auch ganz andere Beschäftigtenzahlen; die Beschäf­tigtenzahlen sind in diesen zehn Jahren ordentlich gestiegen, und sie steigen noch im­mer. Dieses Monat gab es – gegenüber dem Vorjahr – wieder um 16 000 Beschäftigte mehr, wissend, dass dies zu 95 Prozent Teilzeitjobs sind und nicht Vollzeit; dazu ein offenes Wort: lieber Teilzeit als gar nichts!

Demzufolge kann ich nur bitten und ersuchen: Führen wir die Debatte – so kompliziert sie ist –, aber lassen Sie sie uns nicht von Hass geprägt, von Ängsten geschürt führen, sondern lassen Sie sie uns nüchtern, emotionslos führen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist sie von Hass geprägt?) – Ein paar Aussendungen Ihrer Partei sind nicht schwach – ganz offen gesagt –, und darum würde ich bitten und ersuchen, dass man die Debatte wirklich so sachlich wie möglich führt.

Zum Schluss habe ich noch eine gesellschaftspolitische Bitte an uns alle, davor muss ich aber noch den Arbeitsmarktgipfel erklären, damit es da kein Missverständnis gibt. Kollege Mitterlehner und ich haben uns vorgenommen, einen Wirtschafts- und Arbeits­marktgipfel vorzubereiten, der ein Ergebnis ist, bei dem es etwas gibt. Wir haben uns committet, dass wir das in einer seriösen Art machen wollen; nicht in einer kurzfristigen Ankündigung – das, das, das –, sondern durchdiskutiert, ausdiskutiert, fundiert auf den Tisch gelegt, mit Ergebnissen; Ergebnisse, die Wirtschaftsimpulse bringen werden, Er­gebnisse, die teilweise Änderungen in Arbeitsgesetzen bringen werden, und, und, und.

Das braucht – offen und ehrlich gesagt – seine Zeit, und wir haben uns vorgenommen, uns diese Zeitspanne zu geben. Wir haben uns auch committet, das nicht medial zu be­gleiten, das machen wir nicht; wir machen keine Zwischen-Presseaussendungen. Wir haben uns vorgenommen, dass wir Anfang September gemeinsam an die Öffentlich­keit treten. Und das ist kein Verhöhnen der Arbeitslosen, sondern in Wirklichkeit geht es uns um eine Wertschätzung, weil wir diesen Menschen Antworten geben wollen, die – ich sage das hier ganz bewusst – nicht oberflächlich sind, sondern konkrete Ant­worten: das, das, das, machen wir konkret.

Wir leben in einer Koalition, wir leben mit Sozialpartnern, und da braucht es ein paar Tage mehr, ein paar Stunden mehr – ja, und jetzt ein paar Wochen mehr. Aber diese


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 90

Zeitspanne wollen wir nützen, und darum haben wir uns gemeinsam darauf verstän­digt, dass wir das Ende August, Anfang September machen werden. Das ist der Hin­tergrund der Aktion, weil es, wie gesagt, um Wirtschaftsimpulse geht und es natürlich auch im Arbeitsrecht da oder dort Debatten gibt – die anwesenden Arbeitnehmerfunk­tionäre wissen, was ich meine.

Nun zu meiner gesellschaftspolitischen Bitte, dabei können wir alle mitwirken: Als 50-Jähriger steht man mitten im Leben, wurscht, ob männlich oder weiblich – das ist ganz egal –, man steht mitten im Leben. Als Frau hat man noch locker 35 Jahre Lebenser­wartung, als Mann noch um die 30 Jahre. Es passiert nur eines: Auf dem Arbeitsmarkt bekommt man den Stempel „Du bist zu alt!“ aufgedrückt; und der muss weg! Der muss weg; weg aus unseren Köpfen, weg aus unseren Handlungen! Und da bitte ich Sie und ersuche Sie, auch mitzuwirken, denn, wie gesagt, eine 50-jährige Person hat noch so viel Energie und sprüht noch vor so viel Lebenslust und macht auch noch sehr viel. Viele Menschen bauen sich mit 50 ein Haus, viele stellen ihr Berufsleben auf den Kopf, manche lassen sich scheiden, so wie ich – damals, damals. (Allgemeine Heiterkeit.)

Was ich damit sagen will, ist: man verändert, man gibt Gas. Und da bitte ich, mitzu­helfen, denn, wie gesagt, auf dem Arbeitsmarkt bekommt man den Stempel „alt“ aufge­drückt, und der muss weg. Eine 50-, 51-, 52-jährige Person ist überhaupt nicht alt, son­dern steht mitten im Leben, und darum bitte ich Sie alle gemeinsam um Mitwirkung! Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesra-
tes Zelina.)

13.45

13.45.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.45.463. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvor­sorgegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsge­setz 1984 geändert werden (Meldepflicht-Änderungsgesetz) (618 d.B., 476/A(E), 944/A, 702/A, 764/A(E) und 641 d.B. sowie 9388/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte um den Bericht.

 


13.46.03

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über das Meldepflicht-Änderungsgesetz. Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; daher beschränke ich mich auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 91

Präsident Gottfried Kneifel: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


13.46.50

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag wird ein weiterer Punkt des Regierungspro­gramms umgesetzt. Es ist wieder ein wesentlicher Beitrag zur Verwaltungsvereinfa­chung, ohne dass dabei die Leistung für die Bürgerinnen und Bürger geschmälert wird. Im Gegenteil, da gibt es auch ganz konkrete Vorteile.

Wesentliche Schwerpunkte des vorliegenden Gesetzentwurfes, die ich ansprechen möch­te, sind ein längst notwendiger Bürokratieabbau, der durchaus für Unternehmen und auch für die Krankenversicherung einiges an Vorteilen bringt. Längst ist es an der Zeit, zeit­gemäße elektronische Medien zu nutzen. Es geht um eine Ersparnis bei bisher sehr zeit­intensiven Datenprüfungen, die Senkung von Verzugszinsen und zum Beispiel auch darum, dass wir uns in Zukunft sicher einige Clearing-Fälle dadurch ersparen werden, dass die Abschaffung von Doppelmeldungen vorgesehen ist und eben auch Einzelmel­dungen zusammengefasst werden.

Der zweite Schwerpunkt aus meiner Sicht, den ich ansprechen möchte, ist, dass wir da­mit ganz konkret Vorteile für die Beschäftigten schaffen: durch die monatliche Meldung der Beitragsgrundlage an die Krankenversicherung – womit auch die Beschäftigten die Sicherheit haben, dass ihre Anmeldung tatsächlich und ordnungsgemäß erfolgt ist –, durch eine klare Vereinfachung beim Jahresausgleich, und vor allem – wenn auch mit zeit­licher Verzögerung – sehe ich auch die Veränderung bei der Geringfügigkeitsgrenze auf eine monatliche Betrachtung positiv, da damit sozusagen gerade jene Gruppe, bei der durchaus auch die Notwendigkeit von Unterstützung gegeben ist, sicher sein kann, dass Transferzahlungen auch im Börsel erhalten bleiben.

Aus meiner Sicht liegt dieser vorliegende Antrag gut in einer Ausgewogenheit. Ich weiß, dass Vorschläge – basierend auf der seinerzeitigen Vorstudie – umgesetzt worden sind, dass auch die Bedenken der Wirtschaft berücksichtigt worden und eingeflossen sind. Daher wird meine Fraktion diesem Antrag zustimmen. Wir glauben, dass damit wirklich eine vernünftige Win-win-Situation geschaffen werden konnte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eb­ner. – Bitte.

 


13.49.39

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminis­ter, das mit dem Arbeitsmarktgipfel finde ich eine sehr gute Idee. Auch das, dass dabei nach außen hin zuerst einmal Stillschweigen gewahrt wird und ein Ergebnis verkündet wird, wenn es eines gibt. Es hat in der letzten Zeit ja Sitzungen gegeben, da ist wäh­rend der Sitzung etwas in den Zeitungen gestanden, was dann gar nicht so gekommen ist. Das wird da anscheinend besser werden. (Bundesminister Hundstorfer: Herr Eb­ner, wir lernen!)

Es geht aber heute nicht darum, sondern um das Meldepflicht-Änderungsgesetz. Ken­nen Sie noch die großen Reden von Verwaltungsreform, Deregulierung, Bürokratieab­bau? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Es hat in diese Richtung schon viele Ankündigungen gegeben, aber heute haben wir die Chance, wirklich einmal etwas zu ver­einfachen, und das sollten wir auch umsetzen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 92

Mit der Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenzen profitieren – wie meine Vor­rednerin bereits erwähnt hat – Arbeitnehmer und Unternehmer gleichermaßen. Es wird einfacher werden, im Rahmen der monatlichen Geringfügigkeitsgrenzen zu arbeiten, Ar­beitnehmer anzumelden, aber auch seine Arbeit zu verrichten.

Ein Beispiel aus der Gastronomie: Es gibt genug Wirte, die für das Wochenende – weil sie eine Großveranstaltung oder eine Hochzeit haben, für die sie einfach mehr Perso­nal brauchen – durchaus auch auf Aushilfskräfte zurückgreifen. Das war früher immer ein bisschen problematisch, von der Zeit her, ob das überhaupt möglich ist, weil es die tägliche Geringfügigkeitsgrenze gab. Dadurch war es schwierig, für alle Beteiligten das Bestmögliche zu machen. Durch diese Gesetzesänderung wird es jetzt einfacher, und das ist gut so; darum sollten wir dem auch ganz klar zustimmen.

Wir gehen den richtigen Weg: Mit diesem Gesetz deregulieren wir. Gerade wir in Ös­terreich haben in den letzten Jahren in diesem Segment sehr, sehr viel getan. Wir ha­ben sehr, sehr viel zu reglementieren versucht, sehr viel gesetzlich zu regeln versucht. In manchen Bereichen – muss man selbstkritisch anmerken – war es durchaus viel­leicht das eine oder andere Mal zu viel. Mit diesem Gesetz arbeiten wir da ganz klar in die richtige Richtung, weil wir das endlich einmal durchbrechen.

Wir leben in einer Zeit, in der der Staat jungen Menschen – die Unternehmergeist auf­weisen, Eigenverantwortung haben, Mut haben, Innovationskraft haben, die einfach et­was bewegen wollen  vielleicht auch den einen oder anderen Prügel vor die Füße schmeißt, in der es nicht einfach ist, einfach seine Idee umzusetzen.

Es gibt da den – mittlerweile berühmten – Ausspruch des ehemaligen Ministerpräsi­denten von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers, der einmal behauptet hat: Hätte Bill Gates in Deutschland gelebt, hätte er Windows nicht erfinden können, weil es in einer Garage in Deutschland kein Fenster gibt! – Und für alle, die es nicht wissen: Er hat es deswegen Windows genannt, weil er durchs Fenster quasi die Idee gehabt hat. Das heißt, man kann auch durch Reglements Innovationskraft verhindern; da sollte man da­gegen arbeiten. Mit diesem Gesetz arbeiten wir dagegen, und wir sollten den Beschluss zum Anlass nehmen, zu deregulieren und nicht noch weiter zu regulieren.

Wir stimmen dem natürlich sehr, sehr gerne zu. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen sowie des Bundesrates Zelina.)

13.53


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dön-mez. – Bitte.

 


13.53.26

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Die drei zentralen Meldungen – Anmeldung, monatliche Sammel­meldung, jährliche Einzelmeldung – können nun auf zwei Meldearten reduziert werden. Da die Bekanntgabe individueller arbeitnehmerInnenbezogener Daten nun nicht mehr einmal im Jahr, sondern jedes Monat erfolgt, sind alle bisher notwendigen Änderungs­meldungen – etwa hinsichtlich der Änderung der Beschäftigungsart oder des Beitrags­satzes, der nach individuellem Gehalt und Alter in der PV und in der Arbeitslosenver­sicherung variiert – und sehr vieles andere mehr nicht mehr notwendig, da diese Infor­mationen den monatlichen Beitragsgrundlagenmeldungen entnommen werden können.

Wir werden dieser Vereinfachung selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen. – Dan­ke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 93

13.54


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


13.54.30

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich danke auch hier für die Zustimmung. Wir haben uns auch bemüht – das wurde, glaube ich, noch nicht erwähnt –, bei den Ver­zugszinsen etwas zu tun. Wir haben uns auch bemüht, in Richtung einer Erleichterung für die Selbständigen, vor allem die EPUs, im GSVG etwas zu tun, weil es natürlich im­mer wieder zu großen Problemen kam und kommt.

Ich möchte nur ganz kurz noch erwähnen – der Herr Abgeordnete ist jetzt leider nicht da –: Wir hatten vor 10 Jahren um 300 000 Beschäftigte weniger in diesem Land. Wir hatten damals 3,2 Millionen Beschäftigte, jetzt sind es 3,5 Millionen. Auch in dieser Re­lationsrechnung muss man das Ganze sehen. Ich möchte überhaupt nicht die Arbeits­losigkeit negieren – dass wir uns da ja nicht missverstehen –, ich rede sie auch nicht schön, aber man muss beide Seiten des Systems sehen. Wir haben auch eine wachsen­de Anzahl von Arbeitsplätzen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.55

13.55.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.56.004. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absenkung der SVA-Beiträge durch Zusammenlegung der So­zialversicherungsträger (201/A(E)-BR/2014 sowie 9400/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Gödl. – Bitte um den Bericht.

 


13.56.20

Berichterstatter Mag. Ernst Gödl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absenkung der SVA-Bei­träge durch Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vor­lage am 22. Juli 2014 und 30. Juni 2015 den Antrag, dem Antrag 201/A(E)-BR/2014 keine Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


13.57.12

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Persönlich darf ich sagen: Als Finanzminister Schelling hier im Haus sein Amt angetreten hat, hatte ich als Unter­nehmer schon eine gewisse Hoffnung, weil er auch einen unternehmerischen Back-


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ground hat. Hier hätte ich ein gewisses Verständnis für unternehmerische Anliegen er­wartet, das vor allem positiv auf den Wirtschaftsstandort Wien und Österreich einwir­ken könnte. Da habe ich mich aber leider getäuscht, denn er ist auch eher ein Mann der Worte und nicht der Taten, so wie wir es als Freiheitliche von der Regierung eigent­lich immer gewohnt sind.

Warum? – Das möchte ich hiermit begründen: Es geht nämlich um die Senkung der Lohnnebenkosten, die für Unternehmer schwerwiegend sind und auch auf die Arbeits­marktproblematik in Österreich einwirken. Die Arbeitslosigkeit ist – gerade wie Sie, Herr Minister, erst vor Kurzem wieder gesagt haben – das entscheidende Problem in Öster­reich. Ja, das ist sie wirklich.

Sie wollen das Wirtschaftswachstum erhöhen. Da frage ich mich aber: Wie wollen Sie das erhöhen? – So, wie es derzeit der Fall ist, kann es nicht laufen.

Die Senkung der SVA-Beträge auf der einen Seite und die Zusammenlegung dieser 22 Sozialversicherungsinstitutionen Österreichs auf der anderen Seite sind wesentliche Punkte, um die Verwaltung und damit die Kostenstruktur für uns alle zu vereinfachen und damit die Beiträge zu reduzieren.

Braucht ein Land wie Österreich mit 83 000 km2 Größe oder Kleinheit – je nachdem, wie man es sieht – wirklich 22 Sozialversicherungen, wovon allein neun Gebietskran­kenkassen sind? Es ist nicht einmal so, dass die Beiträge für die gleiche Leistung gleich sind. Ein Unternehmer hat einen 20-prozentigen Selbstbehalt, wie wir alle wis­sen, zahlt aber die gleiche Höhe an Beiträgen an die Krankenkasse wie ein ASVG-Ver­sicherter. Dazu kommt, dass eigentlich die Aufwandsberechnung der Mitarbeiter, der Beamten oder des Verwaltungspersonals in der SVA-Versicherung genauso viel aus­macht, wie der 20-prozentige Selbstbehalt eigentlich wert ist. Für eine Win-win-Situa­tion würde man den 20-prozentigen Selbstbehalt eigentlich abschaffen und das Ver­waltungspersonal einsparen können – auf der einen Seite.

Auf der anderen Seite gibt es auch Quersubventionierungen. Wieso müssen wir in die SVA dermaßen viel einzahlen? – Die macht offensichtlich einen Überschuss, der dann für andere Sozialversicherungsträger gebraucht wird, weil dort ein Minus entsteht.

Die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten auf maximal drei, das hat ja auch die Wirtschaftskammer von dir (in Richtung Bundesrätin Zwazl) gefordert, unser – mittlerweile – gemeinsamer Präsident Christoph Leitl. Das ist ja gar kein so schlechter Vorschlag, warum wird der nicht umgesetzt? – Wahrscheinlich liegt es daran, dass die ÖVP nicht mitstimmt, denn dadurch würden ja über 100 Positionen in der Vorstands­ebene dieser 22 Sozialversicherungsinstitutionen eingespart werden.

Es ist überhaupt interessant, dass in einer Vorstandsebene diese von der Sozialpart­nerschaft hineingeschickten Mitarbeiter – aber sie arbeiten ja nicht wirklich mit; sie sit­zen nur da, werden aber auch bezahlt – gar nicht entscheiden und das operative Ge­schäft machen, denn dafür gibt es eigentlich Direktoren. Also wer braucht diese von der Sozialpartnerschaft in die Sozialversicherung hineinentsendeten Mitarbeiter? – Nein, das alles kann man einsparen, denn operative Geschäfte machen sowieso extra be­stellte Direktoren auf der Direktorenebene. Abgesehen davon gibt es auch noch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

In dieser Steuerreform wird nun die Belastung weiter erhöht. Es wird die Höchstbei­tragsgrundlage der Sozialversicherung weiter angehoben, es kommt also eine weitere Belastung auf uns zu.

Wenn man sich diese Steuerreform, die ja erst vor Kurzem – gestern beim Wirtschafts­bericht in der Aula der Akademie der Wissenschaften – als der große Wurf präsentiert wurde, einmal genau anschaut, dann stellt sich die Frage: Was ist das eigentlich? – Sie besteht im Grunde aus zwei Teilen.


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Der erste Teil ist nichts anderes als eine Tarifreform der Einkommensklassen, und wenn man sich das noch genauer anschaut, ist das nichts anderes als das Aussetzen der kalten Progression für vielleicht drei bis vier Jahre.

Wie wir ja alle wissen, nimmt der österreichische Staat durch diese kalte Progression jährlich 1 Milliarde € fürs Budget ein, und zwar dadurch, dass eben die Bemessungs­grundlage nicht der Inflation angepasst wird. Das ist ein Automatismus, das ist letztlich eine Steuererhöhung, die am parlamentarischen Ablauf hier vorbeigeht, und das ist 2019 verpufft.

Ehrlicher wäre es, eine wirkliche Steuerreform zu machen. Da hätte man sich dieses ganze Zeug ersparen können, indem man einen Einzeiler hineingeschrieben hätte: Wir passen die Bemessungsgrundlage an die jährliche Inflation an – so wie es in der Schweiz in der Verfassung steht. Das wäre ehrlich gewesen, das wäre wirklich eine Ersparnis für die Menschen und für die Unternehmer hier im Lande gewesen.

Der zweite Teil dieser Steuerreform ist ein reines unternehmerisches Belastungspa­ket. – Sehr geehrter Herr Minister, Ihr Wunsch in Ehren, aber mit einer solchen Belas­tung werden Sie in Österreich kein Wirtschaftswachstum generieren, und wenn Sie kein Wirtschaftswachstum generieren, werden Sie auch keine Arbeitsplätze schaffen.

Was steht da drinnen? – Eine KESt-Erhöhung: Die Kapitalertragsteuer wird auf über 27 Prozent hinaufgeschraubt.

An der GesmbH, an dieser Kapitalmarktgesellschaft, die wichtig ist für Jungunterneh­mer, wenn sie beginnen, weil die Haftung beschränkt ist – es ist nicht, wie immer ge­sagt wird, das EPU so wichtig, die GesmbH ist eigentlich das Wichtige, weil da die Haftung beschränkt ist –, an der wird seit über fünf, sechs Jahren permanent herumge­doktert.

Seitdem ich hier im Bundesrat bin, vergeht kein Jahr, in dem nicht diese GesmbH re­formiert wird: Gewinnbeitrag eingeführt, ausgesetzt, halbiert, wieder reduziert, die Haf­tung erhöht, minimiert – im Sinne der GesmbH light; die GesmbH light war eine gute Idee, sie gibt es mittlerweile aber auch nicht mehr –, und jetzt wird sogar noch die KESt erhöht. Das ist aber für Ein-Personen-GesmbHs – so etwas gibt es auch, und zwar gar nicht so wenige –, wichtig, denn die leben vom entnommenen Gewinn. Den müssen sie jetzt mit 25 Prozent KöSt besteuern plus eben die 27,5 Prozent, wenn so viel bleibt, für den entnommenen Gewinn.

Ganz schlimm ist auch die Übertragung von unternehmerischem Besitz im Familienver­band. Diese wird verteuert, und wir wissen, dass 80 Prozent der gesamten Unterneh­menslandschaft Österreichs Familienunternehmen sind. Das wird weiter belastet, und gerade die benötigen wir für die nächste Generation, wenn Sie und wenn wir alle, und das sollte unser Ziel sein, das Wirtschaftswachstum erhöhen, steigern wollen.

Von den anderen Belastungspaketen rede ich gar nicht mehr.

Es gibt Kausalitäten, die sind ganz eindeutig, und wenn man sich gegen die verwahrt, wenn man die leugnet, dann passiert eben nichts und es sieht so aus, wie es jetzt in Ös­terreich ist.

Die Kausalität Nummer eins ist: Je höher die Abgabenquote, desto geringer das Wirt­schaftswachstum. Das ist logisch, denn wenn der Unternehmer und die Unternehmerin weniger Arbeitskräfte anstellen, erhöht sich dadurch auch die Arbeitslosigkeit. – Das ist eine eindeutige Kausalität. Wir haben eine Abgabenquote von 48 Prozent. Die können Sie jederzeit in die Höhe schrauben, aber wundern Sie sich dann nicht, wenn die Ar­beitslosigkeit weiter wächst.

Die zweite Kausalität – und das ist die vielleicht noch wichtigere, sie wird aber oft nicht so sehr berücksichtigt in der veröffentlichten Meinung – sind die Staatsausgaben antei-


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lig zur Wirtschaftsleistung in Österreich. Die sind, wie wir alle wissen, bei 53 Prozent. Das heißt, von einem Euro gibt der Staat 53 Prozent, 53 Cent, aus. Die setzen sich zu­sammen aus den Steuereinnahmen, Abgabeneinnahmen und Schulden.

Damit wollen Sie die Wirtschaft befeuern. – Das können Sie aber nicht! Das können Sie nicht, wie sich tagein, tagaus zeigt, weil die Schulden wachsen – sie liegen bei 85 Pro­zent – und das Wirtschaftswachstum sinkt. Es sinkt mittlerweile, in Wien zumindest; ös­terreichweit stagniert es.

Das sind Kausalitäten, Ursache-Wirkungs-Beziehungen, die man einfach feststellen kann und muss. Wenn man sie leugnet, wenn man sie nachhaltig leugnet, wie es die Bun­desregierung und mittlerweile auch der ursprünglich von mir doch etwas mit Hoffnung – wie soll man sagen? – bevorschusste Finanzminister Schelling tun, dann darf man sich nicht wundern, dass das passiert, was passiert.

Eine deutsche Zeitung hat das vor wenigen Tagen treffend formuliert: „Österreich ver­spielt seine Wettbewerbsfähigkeit“. – So ist es nicht möglich, und daher haben wir ein allgemeines – wie soll man sagen? – wirtschaftspolitisches Problem in Österreich, das diese Regierung aus ÖVP und SPÖ zusammen nicht anerkennt. (Bundesrat Mayer: Steht das jetzt alles in dem Entschließungsantrag?) – Danke.

Das als Ausführung dazu, weil du gestern im Ausschuss gesagt hast, die Lohnneben­kostensenkung steht nicht im Regierungsprogramm. Ich habe hiermit das Gegenteil re­feriert, denn es sollte drinnen stehen. Abgesehen davon habe ich nachgesehen: Es steht schon etwas drinnen! Es steht etwas von „Effizienzsteigerungen der Sozialversiche­rungsträger“ drinnen, und deswegen gehören sie zusammengelegt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.06


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Ebner. – Bitte.

 


14.06.21

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Sehr ge­ehrter Herr Kollege Pisec, was die Steuerreform angeht, haben wir, glaube ich, in einer nächsten Debatte noch genug Zeit, dass wir darüber reden. Das wird, wie Sie ja sicher wissen, zurzeit dementsprechend verhandelt und im Nationalrat debattiert. Ich möchte auf den eigentlichen Antrag eingehen, den Sie hier eingebracht haben.

SV-Beiträge reduzieren, Einsparungen im Sozialversicherungssystem – ohne Überlegung, ohne Plan und in Wahrheit ohne Ziel. Das ist Marke FPÖ, das kann auch nur aus dem Eck der FPÖ kommen. Die Forderung ist populistisch und natürlich auch sehr laut und kommt in Wahrheit aus der Giftküche der FPÖ.

Ich kann mir das schon ein bisschen vorstellen, wie das bei euch funktioniert: Also da ist der Herr Strache, der Herr Kickl, vielleicht ist noch der eine oder andere von euch dabei, die sitzen gemeinsam in der Giftküche, haben ein paar Töpfe vor sich und fra­gen sich: Was tun wir heute? (Bundesrat Krusche: Du hast keine Ahnung, wie das bei uns funktioniert! – Ruf bei der FPÖ: Geh, Kollege Ebner! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wir nehmen heute einmal eine Hand voll Unwissenheit, denn davon haben wir am meisten. Ich kombiniere das noch mit lautem Populismus, gebe dann noch ei­nen Schuss – vielleicht sogar eine große Portion – Unverantwortlichkeit dazu und gie­ße das Ganze noch mit Hetze und mit Neiddebatte auf.

Und was kommt dann am Ende heraus? – Eine Idee der FPÖ, und das ist schön und gut so. (Bundesrat Jenewein: ... ÖVP-Niederösterreich?) Es ist ohnehin immer das Glei­che, das von euch kommt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war jetzt sehr sachlich! – Zwi­schenruf des Bundesrates Krusche.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 97

Populismus, und das möchte ich euch schon ins Stammbuch schreiben, Populismus ist Sprengstoff für unsere Gesellschaft. Das werden Sie genauso wissen, wie wir es wis­sen. Es rächt sich immer.

Eigentlich sollten Sie aus der Geschichte doch auch einiges lernen. Sie zeigen ja im­mer mit dem Finger auf die anderen und wollen dann immer auch vielleicht gerade die vernadern, die Schutz suchen, aber das ist keine Lösung. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir vernadern niemanden! – Bundesrat Krusche: Was hat das jetzt mit der Sozialver­sicherung zu tun?) Das wird so nicht funktionieren. Das ist meiner Meinung nach ver­antwortungslose Politik Marke FPÖ. (Bundesrat Herbert: Ist das der Zugang zur So­zialversicherung, was du da gerade erzählst?)

Und, Herr Pisec, ich frage Sie jetzt eines: Wie soll das funktionieren? – Sie wollen die Kas­sen zusammenlegen, und mit den Einsparungen durch die Zusammenlegungen wollen Sie die Beiträge um 45 Prozent reduzieren. Sie sollten einmal schauen, wie viel der Bei­träge in die Verwaltung geht. Es sind 3 Prozent, das heißt, von 100 € sind 97 € für Leis­tung (Bundesrätin Mühlwerth: Na ja!) und 3 Prozent für die Verwaltung.

Sie sollten also so ehrlich sein, wenn Sie sich hier herstellen und sagen, Reduktion der Beiträge um 45 Prozent (Bundesrat Herbert: Das hat aber der ...!), dass das auch heißt, 45 Prozent Reduktion der Leistungen. Und wenn wir über Leistungsreduktion reden, dann sollten Sie auch so ehrlich sein und sich hier herstellen und sagen, wo Sie sparen wollen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir ja schon gesagt!)

Wollen Sie sparen durch weniger Operationen? (Bundesrat Herbert: Bei der ÖVP spa­ren wir!) Oder wollen Sie nur jede zweite Krebsbehandlung machen? Oder wollen Sie den Selbstbehalt bei den Medikamenten in die Höhe drehen? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) Wo wollen Sie wirklich sparen?

Ich habe mir das jetzt ausheben lassen und möchte Ihnen nur zwei Beispiele bringen.

Allein wenn man den Zahnersatz hernimmt und die einzelnen Kassen vergleicht: Die niedrigste hat einen Aufwand von 25 Millionen in diesem Bereich, die höchste einen von 55 Millionen. Der tatsächliche Ist-Aufwand beträgt 160 Millionen.

Oder nehmen wir die FSME-Impfungen her: Der Ist-Aufwand sind 3 Millionen, der Min­destaufwand 2 Millionen und der Mehraufwand bei den höchsten war 12 Millionen. – Das heißt, das alles wird sich irgendwann einmal nicht mehr ausgehen.

Jetzt sind Sie Unternehmer, ich gehe also davon aus, dass Sie auch rechnen können. (Bundesrat Pisec: Sind Sie auch einer? Offensichtlich nicht!) Das, was Sie uns hier heute vorrechnen wollen, das geht sich unterm Strich nicht aus, das wird so nicht funk­tionieren.

Es ist natürlich logisch – ich verstehe das schon –: Es ist populistisch und es ist gut, und natürlich, wenn man Menschen fragt: Wollen Sie weniger Beitrag zahlen, aber die gleiche Leistung konsumieren?, dann wird keiner etwas dagegen sagen. Das ist so, als ob man fragen würde: Wollen Sie weniger arbeiten bei gleichem Lohn? – Da wird auch keiner etwas dagegen haben! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das ist alles gut, nur ob es dann richtig und verantwortungsvoll ist, darüber muss man diskutieren und debattieren.

Eines ist klar, und das teilen wir alle: In diesem Bereich brauchen wir Reformen, das ist unumstritten (Bundesrätin Mühlwerth: Das hören wir seit 20 Jahren!), wir sollten aber aufpassen, dass wir nicht den fünften Schritt vor dem ersten setzen, damit wir nicht über unsere eigenen Beine stolpern in dieser Diskussion. (Bundesrätin Mühlwerth: Und wo sind sie, die Reformen?)

Wir brauchen eine Harmonisierung, da bin ich schon durchaus dabei. Wir sollten uns anschauen, wie die Leistungen und die Beiträge harmonisierbar sind, aber alles mit Maß


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und Ziel und vor allem mit Überlegung, nicht einfach sich hier herstellen und sagen: Jetzt fordern wir wieder einmal, weil es lustig ist, eine Harmonisierung, eine Zusammen­legung und gleichzeitig auch eine Beitragsreduktion bei der Sozialversicherung!

Im Zuge der Steuerreform ist ja auch vereinbart worden, dass es weitere Reformen ge­ben soll. Das heißt, man ist ja auch bereit, darüber nachzudenken, und es wird auch in­tensiv darüber nachgedacht (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber ihr denkt seit 30 Jahren darüber nach!), aber ein Schritt nach dem anderen.

Wir sagen ganz klar Ja zu Harmonisierungen, Ja zu Überlegungen im Bereich der Har­monisierungen (Bundesrat Pisec: Ihr sagt Ja bei höheren Steuern! Ihr sagt Ja bei hö­heren Steuern und Abgaben! Ja zu höheren Steuern, das seid ihr!), aber wir werden diesen einen Antrag heute ganz klar ablehnen. Wir gehen den Weg der Reformen ent­schlossen weiter. Das werden wir euch auch beweisen, und am Ende werden wir es euch auch gezeigt haben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Pi­sec: Ja für höhere Steuern!)

14.12


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. Ich erteile ihm dieses.

 


14.12.32

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie gestalten wir unser Gesund­heitssystem? Diskussionen über die Gestaltung von Organisationen sind natürlich im­mer auch verbunden mit der Diskussion über Macht und Geld – das ganz speziell in Richtung der Freiheitlichen. Bei der Diskussion um mehr zentral oder mehr dezentral im Gesundheitswesen ganz allgemein und bei den Krankenkassen im Speziellen ist das natürlich nicht anders.

So kann es durchaus sinnvoll sein, bestimmte von allen Krankenversicherungsträgern benötigte Servicefunktionen zentral anzubieten, das passiert auch schon. In anderen Bereichen – vor allem dort, wo es um den Kontakt mit den Kundinnen und Kunden und die Gesundheitsversorgung vor Ort geht – kann auch eine dezentrale Organisation von Vorteil sein.

In der Gesundheitspolitik, lieber Kollege Pisec, wird die Diskussion aber sehr oft, wie von Ihnen hier angezettelt, anders geführt. Zuerst das Geld und dann die Organisa­tionsstrukturen, und die Versicherten und die Patientinnen und Patienten, geschweige denn ihre Gesundheit, kommen hier gar nicht vor.

Politische Reformen müssen auch klaren gesundheitspolitischen Zielen folgen. Etwas an der Organisation der Krankenversicherung zu ändern, ist noch kein taugliches ge­sundheitspolitisches Ziel.

Was sind eigentlich die Ziele unserer Gesundheitspolitik, und wie sehen wir das? – Das erste Ziel ist der gute Gesundheitszustand unserer Bevölkerung, das zweite ist der Schutz vor krankheitsbedingten und finanziellen Risiken und das dritte ist die Zufrie­denheit der Patientinnen und Patienten. Eine Reform der Krankenkassenorganisation muss daher immer daran gemessen werden, wie sie zur Verbesserung des österreichi­schen Gesundheitssystems anhand dieser Ziele und der Zwischenstationen dahin bei­trägt.

Wenn Sie hier schon Zahlen bringen: Österreich wird auch immer wieder mit Bayern verglichen, das mit rund 10 Millionen EinwohnerInnen ähnlich groß ist wie Österreich. Es heißt immer, in Bayern gebe es ja auch nur eine Allgemeine Ortskrankenkasse, die AOK. Bei genauerem Hinschauen – und das tun Sie nicht, Herr Pisec – ist allerdings richtig, dass diese eine AOK mit ziemlich genau 100 gesetzlichen Krankenkassen al-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 99

lein in Bayern in Konkurrenz steht und um die Kunden wirbt. Und die Verwaltungskos­ten der deutschen Krankenkassen liegen mit 5,3 Prozent doppelt so hoch wie jene der Gebietskrankenkassen in Österreich.

Der deutsche Rechnungshof – dieser ist natürlich kein Unbekannter, und ich hoffe, dass er auch Ihre Akzeptanz hat – kommt in seiner aktuellen Analyse der deutschen Kas­senfusionen zum Schluss, dass durch Kooperationen viel leichter Einsparungen zu lu­krieren sind als durch Fusionen.

Was bedeutet das eigentlich, „Verwaltung“? – Wir haben uns mit dem Entschließungs­antrag schon auseinandergesetzt, wir gehen auch darauf ein und betreiben hier keinen Populismus, so wie Sie ihn betreiben.

Die großen Kostenblöcke in der Verwaltung gehören der Beitragseinhebung und ‑prü­fung, dem Versicherungszeitenmanagement, dem Kundenservice und der Beratung im Kundencenter, dem Verhandeln von Verträgen mit Ärztinnen und Ärzten, der Verrech­nung und Kontrolle von Leistungen und der IT, also der Informationstechnologie, die in weiten Bereichen bereits harmonisiert und zentralisiert ist. – Nur so viel zur Klarstel­lung.

Die Krankenversicherungen in Österreich zählen zu den bestgeprüften Einrichtungen. Durch die Interne Revision, durch ihre Kontrollversammlungen, zusätzlich auch noch durch den Rechnungshof und auch durch das Gesundheitsministerium werden regel­mäßig und intensiv Aspekte der Arbeit der Krankenversicherungen überprüft und natür­lich auch herausgegeben.

Was würde sich verbessern, wenn alles zentral geregelt wird? Es würde sich nichts ver­bessern! Ein One-size-fits-all-Prinzip führt zu Überkapazitäten in der Versorgung, die Kos­ten würden steigen. Es würde einen Stillstand bei der Weiterentwicklung des Leistungs­katalogs geben – in dem Fall macht jeder das, was er kann, und bietet nicht mehr an, die Kosten würden aber steigen. Monopole aufseiten der Nachfrage und Anbieter füh­ren natürlich ebenso zu höheren Preisen.

Für die Patientinnen und Patienten wird sich nichts verbessern. Alle Steuer- und Bei­tragszahlerInnen – egal, ob Versicherte oder Dienstgeber – würden solche Reformen be­zahlen müssen.

Zusammenlegungen lösen nicht das Finanzierungsproblem, denn der Verwaltungsauf­wand im Jahr 2014 – und das ist nachlesbar in der Statistik im „Handbuch der österrei­chischen Sozialversicherung“ – hat 2,78 Prozent der gesamten Aufwendungen betra­gen, das heißt, der Verwaltungsaufwand beläuft sich auf unter 3 Prozent.

Wenn man nun die Kassen zusammenlegt, braucht man trotzdem Bezirks- oder auch Außenstellen, Gesundheitszentren in den Regionen, in den Bundesländern, und das kann den Aufwand natürlich wirklich nicht senken, wie Sie hier fordern.

Die Finanzierungsprobleme kommen von den steigenden Ausgaben für die Medika­mente. Diesbezüglich würde ich mich freuen, wenn Sie gemeinsam mit uns eine Initia­tive starten, denn die Pharmakonzerne verlangen extrem hohe Preise bei Innovatio­nen, infolge exzessiver Preispolitik und Vermarktungsstrategien einzelner Pharmakon­zerne. Nur ein Beispiel: Neue, innovative Medikamente in der Hepatitis-C-Behandlung haben, abhängig von der Wahl des Kombinationspräparates, beispielsweise einen Preis in der Höhe von 87 200 € bis zirka 143 000 € bei einer 24-wöchigen Therapie.

Da sollte der Gesetzgeber eingreifen, und da freuen wir uns, dass Sie uns diesbezüg­lich unterstützen, wenn Sie da schon dabei sind.

Und wenn es um die hohe Arbeitslosigkeit geht, geht es auch darum, dass die Bei­tragseinnahmen sinken. Und wenn Sie diese Beitragseinnahmen in dem Fall dann auch


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noch reduzieren wollen, wenn Sie das fordern, wird das am Ende des Tages wieder beim Steuerzahler übrig bleiben.

Das lehnen wir strikt ab, daher unterstützen wir diesen Antrag auch in keinem Fall und werden dagegen stimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.18


Präsident Gottfried Kneifel: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

 


14.18.51

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Pisec, der Antrag ist meiner Meinung nach etwas widersprüchlich, und zwar ist es nicht richtig, dass Selbständige höhere Beiträge entrichten. In der Regel zahlen bei Pensionsversicherung und Unfall­versicherung Selbständige sogar deutlich niedrigere Beiträge als Unselbständige. (Bun­desrat Pisec: Es geht um Krankenkassenbeiträge! Krankenkassen!) In der PV sind das, glaube ich, sogar knapp 20 Prozent.

Die beiden Forderungen – Zusammenlegung der Träger und Senkung der Beiträge für Selbständige – widersprechen einander unserer Ansicht nach fundamental: Entweder wollen wir ein einheitliches System für alle oder eben verschiedene Systeme weiterfüh­ren, so wie ich es aus Ihrem Antrag herauslese.

Offensichtlich sind Sie für die Beibehaltung unterschiedlicher Versicherungssysteme, denn anders lässt sich dieser Ihr Antrag gar nicht interpretieren, beziehungsweise für die Schwächung des Gesundheitssystems, denn das ist eigentlich zwangsläufig die Fol­ge Ihrer Forderung.

Wir Grüne stehen für ein einheitliches Versicherungssystem für alle, in jeder Versiche­rungssparte, sei es die Krankenversicherung, die Pensionsversicherung oder die Unfal­lversicherung, und für einen einheitlichen Beitragsprozentsatz, einen einheitlichen Leis­tungszugang, einheitliche Sicherungsniveaus, und zwar für alle, und speziell bei den Selbständigen für die Abschaffung der Mindestbeitragsgrundlage, die Abschaffung des Selbstbehalts beim Besuch von ÄrztInnen und die Anpassung an das Modell der Ge­bietskrankenkassa, was heißt, dass es keinen Selbstbehalt, Krankengeld ab dem vier­ten Tag und so weiter geben soll.

Aus den angeführten Gründen werden wir Grüne Ihrem Antrag sicher nicht die Unter­stützung geben. – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

14.20


Präsident Gottfried Kneifel: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Hundstorfer das Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


14.20.50

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich mache es ganz kurz. – Ich habe nur eine Riesenbitte an die Freiheitliche Partei, und zwar: Wir bekommen im Nationalrat von Ihnen Anträge, die im Sozialbereich Mehr­kosten von 8 Milliarden € verursachen würden. Diese Anträge enthalten unter anderem die Forderung nach einer Mindestpension von 1 200 €.

Meine Damen und Herren, ich würde gerne an jeden 1 200 € Mindestpension auszah­len, und ich nehme an, Sie, die Sie hier sitzen, genauso. (Bundesrat Stadler: Da sind wir uns einig!) Da sind wir uns einig. Nur: Das würde 8 Milliarden € mehr kosten.

Sie schlagen vor, in der Verwaltung zusammenzulegen, und glauben, dass dann alles sprudelt. Ein Vorredner hat Ihnen ja schon einiges vorgerechnet. Sie behaupten, die ver­dienen da! Der Chef des Hauptverbandes – das ist der Höchste, den wir dort haben –


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bekommt 4 500 €, zwölf Mal. (Bundesrat Pisec: Darum geht es hier nicht!) – O ja, da­rum geht es, denn das ist die Basis dessen, dass Sie meinen, Sie könnten Krankenver­sicherungsbeiträge absenken.

Wir haben österreichweit um die 200 Funktionäre, die bekommen aber alle weniger, ein paar verzichten, ein paar müssen verzichten, weil es in ihren Organisationen einen Beschluss gibt, dass sie verzichten müssen. Ich war auch einmal in einer Krankenkas­sa, und weil ich gleichzeitig in einem Landtag gesessen bin, gab es keine Gage, weil der Beschluss hieß, dass die, die ein Einkommen aus einer politischen Tätigkeit haben, nichts von der Krankenkasse bekommen.

Streuen wir doch den Menschen nicht Sand in die Augen, denn für etliche machen Sie es mit Ihrem Vorschlag teurer! Wir haben nämlich sechs Betriebskrankenkassen, und die sechs Betriebe zahlen das. Solange die sechs Betriebe sagen, sie zahlen es, sind das die billigsten Verwaltungskosten, denn die zahlen für die Verwaltung fast null, zu­mindest die Betriebskosten zahlen sie nicht. Und solange es noch sechs solche Be­triebe gibt, frage ich mich: Was wollen Sie denen da abdrehen? Ich verstehe Sie nicht, denn Sie sagen immer, dass Sie die kleinen Leute vertreten. Ich kapiere es wirklich nicht.

Und tun Sie doch nicht so, als ob das so viel bringen würde! Tatsache ist: Ein Zehntel Krankenversicherungsbeiträge bringt dienstgeberseitig 100 Millionen € – nur damit wir wissen, wovon wir hier reden! Sie werden doch nicht so naiv sein – und das unterstelle ich Ihnen wirklich nicht –, zu sagen: Wenn wir alles zusammenlegen, dann haben wir auf einmal riesig viel Geld für eine Lohnnebenkostensenkung! Wahr ist: Wir reden von einem Zehntel Krankenversicherungsbeitrag, und das sind, was ganz Österreich be­trifft, dienstgeberseitig nur 100 Millionen € – nur damit wir wissen, wovon wir reden.

Ja natürlich, die Lohnnebenkosten sind ein Thema, das ist keine Frage, nur: Dahinter stehen Sozialleistungen, dahinter stehen Versicherungsleistungen, und das muss man diskutieren, das muss man ausführlich und breit diskutieren, da kann man nicht so ein­fach sagen: Legen wir das zusammen, das geht schon!

Dazu kommt noch – da darf ich Sie auch informieren –: Bei den Pensionsversicherun­gen ist es so, dass die PV sehr viel für die Bauern erledigt, sehr viel für die SVA er­ledigt, wo auch Sie Ihre Pensionsversicherung haben. Dort wird intern bereits sehr viel erledigt, weil wir einen anderen Weg gewählt haben. Wir haben nämlich den Weg ge­wählt: Back-Office zusammenräumen! Wir haben den Weg gewählt: Gebietskranken­kassen auch im Hintergrund zusammenräumen! Wir haben die SV-IT. Wir haben teil­weise Kompetenzzentren draußen wie zum Beispiel in Oberösterreich. Mein Kompe­tenzzentrum ist jenes gegen Sozialbetrug für ganz Österreich. Die haben dort als Erste angefangen, haben die höchste Kompetenz – das sage ich jetzt nicht deshalb, Herr Prä­sident, weil Sie hier sitzen, sondern das ist so –, so wie Niederösterreich die höchste Kompetenz hat, wenn es um Lehrlingssachen geht, und, und, und. Das heißt, da hat jeder seine Spezialitäten entwickelt. Ich hätte zum Beispiel solche Lehrlingszahlen, wie sie Vorarlberg hat, ganz gerne in ganz Österreich, denn dann hätten wir viele Probleme nicht. Das sage ich auch ganz offen, das ist ja kein Thema.

Tatsache ist: Wir räumen im Hintergrund zusammen. Das heißt, wir verschlanken, wir schauen, dass die Verwaltungskosten nicht steigen, und, und, und. Das ist gar keine Fra­ge. (Bundesrat Pisec: Die Beiträge senken!) – Ja, die Beiträge senken, das ist ein zwei­tes Thema. Da muss man lange diskutieren, wie man das zusammenbringt, denn – ich sage es noch einmal – ein Zehntel bringt 100 Millionen €, und wir wollen keine Leis­tungsverschlechterungen; das wollen wir nicht.

Sie wissen, wie schwierig es ist, Leistungsverbesserungen zusammenzubringen. Das se­hen wir schon allein an dem, was sich rund um Hepatitis C abspielt, und, und, und. Das


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alles ist eine ganz schwierige Debatte. (Bundesrat Pisec: Da geht es nicht um Krank­heit, es geht um Leistung! Der Unternehmer denkt an Leistung!) Ja, die Leistung! Wis­sen Sie, was das heißt? Wissen Sie, was Ihr Vorschlag heißt? Erzählen Sie das bitte Ih­rem Kollegen  (Bundesrat Pisec: Alle reden nur über Krankheitsbeiträge!) Was heißt „Krankheitsbeiträge“? (Bundesrat Pisec: Das alles sind Krankheitsbeiträge!) Ja, Ent­schuldigung, wir sind 8 Millionen Bürger und gestatten uns, von Zeit zu Zeit krank zu werden. Punkt! (Bundesrat Pisec: Ja, aber der Unternehmer denkt anders!) – Ja, aber dann sagen Sie bitte nicht, dass die Freiheitliche Partei die Partei des „kleinen Man­nes“ ist. (Bundesrat Pisec: Sicher, weil der Kleinunternehmer kein Geld hat!) Ihre Par­tei sagt: Für die Kleinen müssen wir viel tun, und gleichzeitig fordern Sie etwas, was 8 Milliarden € kostet.

Es geht Ihnen nicht um den Kleinunternehmer (Bundesrat Pisec: Doch!), sondern Sie wollen aus dem Gedanken des Populismus heraus bei jedem Zipfel anziehen. (Bun­desrat Pisec: Aber geh!) Ein Kollege hat es eh schon gesagt: Die Giftküche hat wieder zugeschlagen. Lassen Sie doch die Hände weg von der Giftküche und kommen Sie bit­te endlich mit sachlich fundierten Diskussionsvorschlägen! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.26

14.26.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem ge­genständlichen Entschließungsantrag keine Zustimmung zu erteilen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des gegenständ­lichen Entschließungsantrages ist somit abgelehnt.

(Siehe Korrektur durch Präsidenten Kneifel S. 106.)

14.27.325. Punkt

2. Freiwilligenbericht (III-555-BR/2015 d.B. sowie 9389/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. Bitte um die Berichterstattung.

 


14.27.47

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den 2. Freiwilligenbericht.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 den Antrag, den 2. Freiwilligenbericht zur Kenntnis zu neh­men.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Mag. Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.

 


14.28.29

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es liegt uns der 2. Freiwilligenbericht vor, für den ich mich bei Ihnen, Herr Mi-


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nister, und auch bei Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sehr herzlich bedanken möchte. Dieser Bericht ist eine sehr interessante und aufschlussreiche Lektüre, weil da­rin sehr viele grundlegende Definitionen, aber auch Studienergebnisse und Tendenzen für die Zukunft enthalten sind.

Sehr beeindruckend ist für mich die unglaublich große Breite der Betätigungsfelder im Freiwilligenbereich, die es in Österreich gibt. Die freiwillige und ehrenamtliche Arbeit in Österreich ist meiner Meinung nach eine der wesentlichen gesellschaftlichen Stützen. Dieses Engagement nützt einerseits der Allgemeinheit, sie gibt aber auch den einzel­nen Menschen eine sinnerfüllte Betätigung und bietet Gemeinschaft, die auch sehr not­wendig ist.

Besonders erfreulich finde ich die Tatsache, dass der Anteil der freiwillig Engagierten insgesamt im Steigen begriffen ist. Insgesamt sind rund 46 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren in Österreich freiwillig tätig. Das ist beeindruckend. Im formellen Sek­tor – das sind Organisationen und Vereine – sind es rund 28 Prozent der Bevölkerung. Das ist ein Bereich, der konstant ist. Im informellen Bereich, nämlich in der Nachbar­schaftshilfe und so weiter, sind es rund 31 Prozent. Dort ist die Tendenz sogar stei­gend.

Erfreulich dabei ist, dass in diesem Freiwilligenbereich alle Altersgruppen vertreten sind und sich engagieren. Am aktivsten sind hier wiederum die 50- bis 59-Jährigen; die 50-Jäh­rigen waren heute schon einmal ein Thema. Ich bin mir sicher, dass das auch damit zu­sammenhängt, dass man in diesem Alter einfach mehr Zeit hat – die eigenen Kinder sind schon erwachsen –, sich außerfamiliär zu betätigen und einzubringen.

Apropos Zeitfaktor: Es ist sehr interessant, dass Frauen in repräsentativen Funktionen, also wenn es um Ehrenamt, wenn es um Prestige geht, immer noch unterrepräsentiert sind. In diesem 2. Freiwilligenbericht wird gemutmaßt, dass dann, wenn es um Prestige geht, öfter Männer zum Zug kommen, und dass Frauen eher im informellen Bereich über­durchschnittlich vertreten sind. Das hat meiner Meinung nach auch mit der nach wie vor bestehenden Mehrfachbelastung der Frauen zu tun. Es ist angesichts der vielen Tä­tigkeiten, die Frauen nach wie vor verrichten, für diese einfach oft nicht möglich, viel Zeit in Sitzungen oder Gremien oder mit Vereinsstrukturen zu verbringen, was schade ist, denn dieses Engagement gehört gefördert. Ich habe aber den starken Eindruck, dass es sehr wohl eine Frage ist, ob man sich ehrenamtliches Engagement zeitlich leisten kann – speziell dann, wenn Frauen sich engagieren –, dass es aber auch eine finan­zielle Frage ist, nämlich ob man es sich finanziell leisten kann, freiwillig tätig zu sein.

Ein Studienergebnis in diesem Bericht sagt auch, dass der Anteil an Freiwilligen mit dem Grad des Bildungsabschlusses steigt. Das deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass es eine gewisse finanzielle Basis braucht, um sich freiwillig engagieren zu können.

Sehr bemerkenswert erscheint mir in diesem Bericht, dass vor allem BürgerInnen mit Migrationshintergrund angeblich eine hohe Bereitschaft zeigen, sich zu engagieren. Ich meine, gerade da sind die traditionellen österreichischen Verbände und Vereine gefor­dert, sich zu öffnen, diesen BürgerInnen die Möglichkeit zu geben, in den Vereinen tä­tig zu werden. Ziel müsste sein, dass sich die reale Bevölkerungssituation auch in den Verbandsstrukturen widerspiegelt. Auch das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Integra­tion.

Überhaupt scheint es laut diesem Bericht so zu sein, dass es noch einige Menschen mehr gäbe, die bereit wären, sich freiwillig zu engagieren. Viele sagen in Befragungen, man müsste sie nur ansprechen oder ihnen Anknüpfungspunkte geben. Ich denke, wir alle sind gefordert, im Ehrenamtsbereich noch bessere Kommunikationswege zu fin­den, Anknüpfungspunkte für diese Menschen zu schaffen, die offensichtlich nur darauf warten, abgeholt zu werden.


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Ich bin selber ehrenamtlich aktiv, und zwar als Vorsitzende in einem Verein, und in die­sem Zusammenhang ist es mir ein besonderes Anliegen, vor allem auf das freiwillige Engagement junger Menschen hinzuweisen und dieses auch zu fördern. Es geht da nicht nur kurzfristig um den Nachwuchs für Organisationen, sondern es geht auch da­rum, jungen Menschen zu ermöglichen, dass sie verschiedene Kompetenzen erwerben und Erfahrungen sammeln, die sie einerseits für ihr privates Leben, aber auch für ihr berufliches Leben verwenden können. Das muss noch mehr gefördert und wertge­schätzt werden. Es muss auch geeignete Maßnahmen geben, dieses Engagement dokumentieren zu können, damit es quasi dann auch im wirtschaftlichen Leben vor­gewiesen werden kann. Es sind in diesem Bericht neue Formen der Portfolio-Arbeit et cetera erwähnt, und ich finde, in diesem Bereich kann man noch einiges an Energie investieren, um das zu optimieren.

Als freiwillig Engagierter im außerschulischen Kinder- und Jugendbereich fällt mir auf, dass es innerhalb der verschiedenen Betätigungsfelder im Ehrenamt eine gewisse Wertigkeit gibt. So nehme ich wahr, dass der Sportbereich beispielsweise anderen Be­reichen im Ehrenamt vorangestellt wird oder privilegiert behandelt wird. Das ist wahr­scheinlich auch deshalb so, weil die Ergebnisse im Sportbereich offensichtlicher sind, schneller zu feiern sind, während das in der Kinder- und Jugendarbeit nicht der Fall ist. Dort sind die Ergebnisse nicht so schnell erreichbar und somit herzeigbar und auch nicht so offensichtlich, was aber nur kurzfristig der Fall ist, denn die Ergebnisse in der offenen Kinder- und Jugendarbeit sind nachhaltiger.

Der Wert dieser Arbeit ist unbestritten. Da werden gerade benachteiligte Kinder herein­geholt, und es werden ihnen Angebote gemacht, wo sie keine Leistung erbringen müs­sen, wo man niederschwellig andocken kann. Sie erleben da Gemeinschaft, Abenteuer und fangen an, Verantwortung zu übernehmen, erwerben soziale Kompetenzen. Dies sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, die unsere Gesellschaft dringend brauchen kann.

Dieser Bereich der Kinder- und Jugendarbeit verdient meiner Meinung nach noch eine gewisse Aufwertung und auch eine Gleichstellung mit den anderen Bereichen, und ich möchte ein paar Wünsche von Vereinen und Organisationen in diesem Bereich hier de­ponieren. Möglicherweise sind das auch Punkte, die dann im dritten Bericht behandelt werden können.

Es wird gewünscht, dass eine vereinfachte Freistellung von ehrenamtlich Engagierten für konkrete Einsätze, aber auch für die Betätigung in Kinder- und Jugendorganisatio­nen ermöglicht wird.

Es wird die Anerkennung des freiwilligen Engagements hinsichtlich Toleranzsemester oder Beihilfen im Studium gewünscht.

Es wäre sehr hilfreich, eine zusätzliche Urlaubswoche für ehrenamtlich Engagierte ein­zuführen, damit diese mehr Zeit haben, sich einzubringen. Auch die Ehrenamtskarenz ist ein Modell, das in den betreffenden Organisationen öfters diskutiert wird.

Nicht zuletzt wünschen wir uns eine Gleichstellung mit dem Sportbereich, was die Re­gelung für Aufwandsentschädigungen betrifft.

Um noch mehr Menschen für ehrenamtliches Engagement zu gewinnen, würde es mir sehr sinnvoll erscheinen, verstärkt auch Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit zu geben, an ehrenamtlichen Organisationen anzudocken, möglicherweise sogar im Rah­men der Schule dort schnuppern zu dürfen, freiwilliges Engagement ausprobieren zu dürfen, denn wir brauchen diese Freiwilligen. Speziell wenn man sich die Bevölke­rungsentwicklung und die Bevölkerungsstruktur der Zukunft anschaut, kann man sa­gen: Da lohnt sich jede Investition! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.37



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 105

Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. Ich erteile ihr dieses.

 


14.37.55

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf mich für den vorliegenden Bericht be­danken und freue mich, dass wir heute ein so wichtiges und aktuelles Thema im Bun­desrat besprechen.

Meine Vorrednerin hat schon relativ genau die Zahlen, die in diesem Bericht angeführt sind, dargestellt, daher werde ich sie nicht noch einmal wiederholen, möchte aber ei­nes verstärkend hervorheben, was schon erwähnt worden ist, weil es für mich ein be­sonders wichtiges Zeichen ist, nämlich den Umstand, dass sich die Freiwilligkeit in Ös­terreich, aufbauend auf einem sehr hohen Niveau noch einmal gesteigert hat.

Der Grund, warum ich das so besonders finde und das auch ein schönes Zeichen ist, ist der, dass man vielleicht doch oft das Gefühl hat, dass sich die Gesellschaft verän­dert, dass es hektischer wird, dass die Menschen immer mehr auf sich konzentriert sind, dass aber die Zahlen in diesem Freiwilligenbericht der beste Gegenbeweis dafür sind, und das ist ein besonderes Zeichen der Hilfsbereitschaft der österreichischen Be­völkerung.

Die häufigsten Antworten auf die Frage an die Ehrenamtlichen, warum sie sich freiwillig engagieren, lauteten, dass sie helfen möchten, dass ihnen das einfach Spaß macht und dass es ihnen ein Anliegen ist, zum Gemeinwohl beizutragen. Gestellt wurde auch die Frage, warum man sich nicht freiwillig engagiert, und als einer der Hauptgründe da­für wurde angeführt, man tue das deshalb nicht, weil es der Beruf oder das familiäre Umfeld noch nicht zulassen. Es kam aber auch die Antwort – das wurde vorhin er­wähnt –, dass man nicht gefragt wurde oder dass die Informationen dazu fehlen, und darin sehe ich auch ein wichtiges Zukunftspotenzial.

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Punkt erwähnen, den wir schon im Aus­schuss besprochen haben, und zwar die Freiwilligenzentren, die fast österreichweit aus­gerollt sind. Auch die Freiwilligenbörsen sind ein ganz wichtiger und essenzieller Teil dabei. Gerade die Freiwilligenzentren sind wichtig, weil sie noch viel mehr tun als nur zu vermitteln. Sie machen nämlich darüber hinaus Aufgabenbeschreibungen, sie be­gleiten die Menschen, sie organisieren Fort- und Weiterbildungen, sie helfen den Men­schen bei der Einarbeitung und machen natürlich auch Werbung für diesen Bereich. Das halte ich für einen ganz wichtigen Teil in jenem ehrenamtlichen Bereich, in dem nicht Vereine dahinterstehen.

Ich denke, vieles im Sport- und Kulturbereich ist gut organisiert, aber gerade wenn es in den Bereich Nachbarschaftshilfe, in den Sozialbereich geht, braucht es einfach eine ganz besondere Begleitung.

Als Tiroler Bundesrätin freut es mich, noch zu ergänzen, dass wir in Tirol die Freiwilli­genzentren bereits mit heurigem Jänner in jedem Bezirkshauptort – dies steht im Frei­willigenbericht als Zukunftsperspektive – installiert haben.

Seit 1. Jänner gibt es bei uns in Tirol neun regionale Freiwilligenzentren, die zu 50 Pro­zent vom Land Tirol und zu 50 Prozent durch Sponsoren, Organisationen, Unterneh­men, aber auch Sozialpartner finanziert sind. Man merkt jetzt schon an der Qualität, wie wichtig es ist, dass man solche Zentren auch in den Bezirken hat.

Koordiniert werden sie über die Abteilung Landesentwicklung und Zukunftsstrategie bei uns im Land Tirol. Sie haben sich die ersten drei Monate damit beschäftigt, Kontakte zu Vereinen, zu Organisationen und zu Heimen herzustellen, um einmal zuerst alle, die damit schon zu tun haben, zu fragen, was sie noch brauchen, was sie benötigen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 106

Schon in dieser Aufbauphase wurde die Zahl der Freiwilligen größer. Wirklich schla­gend wird es jetzt sicher auch gerade in diesen Monaten – Mai, Juni, Juli. Die aktuellen Zahlen haben wir noch nicht, aber die Rückmeldungen aus den Bezirken sind, dass auch durch öffentliche Auftritte Werbung dafür gemacht wird, dass die Ansprechpartner viel näher sind und dass die Freiwilligenzahlen zugenommen haben.

Eine Besonderheit ist vielleicht auch noch, dass man auch vereinbart hat, dass es je­des Jahr einen Schwerpunkt geben wird. Heuer ist es natürlich aus aktuellem Anlass das Thema Asyl, das die Freiwilligenzentren einfach auch verstärkt besetzen.

Für 2016 ist geplant, einen Jugendschwerpunkt in diesen Tiroler Freiwilligenzentren zu machen.

Ich bin überzeugt davon, dass es allen Bundesländern gleichermaßen ein Anliegen ist, die Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit zu fördern, weil uns, glaube ich, ganz klar ist, dass Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit unbezahlbar und unverzichtbar sind, aber vor allem sind sie auch eines: nicht selbstverständlich. Das ist meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt, uns das immer wieder vor Augen zu führen und es nicht selbst­verständlich werden zu lassen.

Da gilt es, das Engagement immer auch wertzuschätzen, und vielleicht müssen es auch nicht immer ganz große Taten sein. Ehrenamtliche sagen oft selber: Der schöns­te Dank ist einfach auch ein kleines Zeichen der Wertschätzung, vor allem ein Zeichen der Wertschätzung von jenen Menschen, denen sie helfen, aber, ich glaube, auch von allen anderen Menschen.

Deshalb sehe ich es auch als Aufgabe von uns politischen Mandataren hier im Haus – wir sind viel in den Ländern unterwegs, wir sind viel in unseren Regionen unterwegs –, dass auch wir keine Gelegenheit auslassen, das hervorzuheben. Gerade wir erleben ja die ganze Bandbreite mit. Es ist etwas, das mir immer sehr am Herzen liegt. Ich tue das immer gerne, aber ich freue mich auch, dass ich jetzt abschließend die Gelegen­heit habe, mich im Bundesrat bei allen Österreicherinnen und Österreichern von gan­zem Herzen für diese wertvolle Tätigkeit zu bedanken, denn sie machen eines – und ich glaube, das ist das schönste Geschenk, das Menschen machen können –: Sie schen­ken anderen Menschen Zeit.

Dafür ein ganz großes Dankeschön, und ich hoffe, dass die Menschen in Österreich auch in Zukunft diesen positiven Weg gehen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

14.44

*****

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bevor wir die Verhandlungen fortsetzen, darf ich der Ord­nung halber eine Feststellung zur letzten Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 4 tref­fen.

Es hat ein klares Abstimmungsergebnis auf meine Frage gegeben, welche Bundesrä­tinnen und Bundesräte dem Antrag zustimmen, dem Entschließungsantrag der Bun­desräte Mag. Pisec, Kolleginnen und Kollegen keine Zustimmung zu erteilen. – Das war die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des gegenständlichen Ent­schließungsantrages war damit klar angenommen. (Siehe auch S. 102.)

*****

Wir setzen die Verhandlungen fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Samt. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 107

14.45.06

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Hohes Haus! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich heute hier zum ersten Mal bei Ihnen zu Wort melden und sage bereits vorweg danke schön für die freundliche Aufnahme in Ihrem Haus. Ich möchte Sie auch von meiner Seite mit einem herzlichen Grüß Gott aus der Steiermark willkommen heißen.

Der vorliegende Bericht, der 2. Freiwilligenbericht zeigt ganz eindeutig: Österreich ist das Freiwilligenland schlechthin. Österreich wird da sicher keinen Quervergleich zu scheuen brauchen. Die Zahlen, die von meinen VorrednerInnen bereits genannt wur­den, sprechen eine deutliche Sprache. Es wird das Ehrenamt bei uns in Österreich sehr hoch geschätzt. In den einzelnen Ländern, in den einzelnen Gemeinden wird es ge­lebt, und ich glaube, wir können darauf sehr stolz sein.

Freiwilliges Engagement, meine geschätzten Damen und Herren, ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft, das wissen wir. Diese freiwillige Tätigkeit manifestiert sich, wie Sie anhand des Berichts leicht erkennen können, in zahlreichen Bereichen, so­wohl im formellen, also im Rahmen von Organisationen, als auch im informellen Be­reich, zum Beispiel in Form von Nachbarschaftshilfe.

Der Aufbau dieses Berichts folgt dem 1. Freiwilligenbericht auf der Basis einer 2006 durchgeführten Mikrozensus-Zusatzerhebung, welche die Situation des freiwilligen En­gagements in Österreich analysiert.

Wie auch schon von meinen VorrednerInnen erwähnt: Der Zuspruch zur Freiwilligen­tätigkeit in Österreich ist ein wachsender. 4 Prozent im gesamten Querschnitt sind ein sehr guter Anhaltspunkt dafür, dass auch da weiter einiges geschieht. Die Aufteilung in Prozenten wurde auch schon erwähnt: 46 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren sind in verschiedenen Organisationen und Vereinen tätig. Auch die möglichen Zuwachsra­ten, die aufgezeigt werden, sind sehr erfreulich.

Ein möglicher Fehler ist mir bei der Auswertung – bei meiner Auswertung zumindest – der Beteiligungen aufgefallen. Es steht hier auf Seite 19 des Berichts – vielleicht, Herr Minister, können Sie das interpretieren – wortwörtlich: „Im Jahr 2012 haben sich rund 3,3 Millionen Menschen freiwillig engagiert; rund 2 Millionen Menschen formell in Ver­einen oder Organisationen und rund 2,2 Millionen informell (z.B. in der Nachbarschafts­hilfe).“ Das würde nach Adam Riese 4,2 Millionen ergeben. Vielleicht ist es ein Inter­pretationsfehler von mir. Ich will es trotzdem nicht schmälern.

Der Hintergrund ist, dass sich nach dieser Studie praktisch jeder zweite Erwachsene, jeder zweite männliche Befragte freiwillig engagiert. Bei den Frauen – das haben wir auch schon gehört – ist der Anteil ein bisschen geringer, aber 42 Prozent, glaube ich, sind nicht so zu vernachlässigen.

Die Beteiligungen nach den Altersgruppen – auch das wurde schon erwähnt –: Wir 50plus-Jährigen sind scheinbar sehr maßgeblich; aber bitte nicht vergessen: 42 Prozent der 15- bis 29-Jährigen, das ist hier genauso eine sehr, sehr hohe Zahl. Vielleicht sollte man das noch ein bisschen untergliedern. Es wäre natürlich interessant, wie viele 15- bis 21-Jährige, die man unter Umständen noch als Jugendliche durchgehen lassen kann, be­teiligt sind; aber ich gehe immer davon aus, dass da der Anteil groß ist.

Auch die Motive sind klargelegt: Die meisten Menschen, die heute in einem Verein, in einem Freiwilligenamt oder in der Nachbarschaftshilfe tätig sind, geben klarerweise an, dass sie helfen möchten. Immerhin drei Viertel meinen, dass sie sich für eine wichtige Sache engagieren wollen – auch ein klares Zeichen. 88 Prozent – das ist vielleicht ein interessanter Ansatzpunkt – wollen natürlich auch Freude und Spaß an dieser Tätigkeit haben und sehen sie möglicherweise auch dort.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 108

Ein Großteil dieser Tätigkeiten ist im Bereich der Katastrophenhilfs- und Rettungsdiens-te angesiedelt. Immerhin sind in diesem Bereich derzeit 360 000 Personen in Öster­reich engagiert. Das sind sehr interessante Zahlen. Der Bereich der Blaulichtorganisa­tionen, die hier angesprochen sind, nimmt immerhin gemeinsam mit der Kirche und dem Gemeinwesen den dritten Platz in der Gesamtstudie ein.

1,3 Millionen Arbeitsstunden, steht hier, leisten Freiwillige wöchentlich im Bereich des Katastrophenhilfeeinsatzes, also bei Feuerwehren oder Rettungsdiensten. Wenn man diese Zahl und diese Arbeitsstunden auf ein Arbeitsjahr mit 47 Wochen hochrechnet, dann ergeben sich über 61 Millionen Arbeitsstunden, und wenn ich das in Zahlen gie­ße, in eine Gehaltsabrechnung mit 35 € Bruttostundenlohn für eine Bauhilfskraft zum Beispiel, dann ergibt das ein volkswirtschaftliches Gesamtergebnis von 2,1 Milliar­den €. – Das ist eine Zahl, meine Damen und Herren, die hat sich tatsächlich gewa­schen. Wir können gar nicht hoch genug schätzen, was die Menschen da alles tun.

Damit sind wir natürlich auch – wenn man von den Rettungsorganisationen redet – bei ei­nem ganz wesentlichen Punkt, nämlich beim Versicherungsschutz. Der Versicherungs­schutz für Freiwillige in Österreich gliedert sich in zwei Bereiche: Das eine ist ein relativ gut organisierter Versicherungsschutz für die Blaulichtorganisationen, wo ähnlich dem ASVG-Modell eine Gleichstellung erfolgt ist. Also die Herrschaften, die dort tätig sind, sind auch entsprechend unfall- und krankenversichert.

Im restlichen Bereich schaut es nicht so gut aus. Es gibt unterschiedliche Bundeslän­derregelungen. Zum Beispiel haben die Bundesländer Burgenland, Oberösterreich, Salz­burg, Tirol, Vorarlberg und Wien eine eigene Haftpflicht- und Unfallversicherung des Lan­des, die für die Mitglieder dieser Vereine keine Kosten verursacht. In Niederösterreich gibt es keine Versicherung, aber es gibt einen Fonds, in den für Freiwillige, welche bei der Ausübung ihrer Tätigkeit einen Unfall oder einen Schaden erleiden, eingezahlt wird. Keinen Versicherungsschutz gibt es in Kärnten und in der Steiermark. Dort ist vor eini­gen Jahren – ich kann mich noch aus meiner Tätigkeit im Landtag erinnern – eine Lan­desversicherung geplant gewesen, aber leider ist diese bis jetzt nicht zustande gekom­men.

Die Erkenntnisse, die aus diesem Bericht auch von den Befragten her gezogen wer­den, sind interessant, es ist die Forderung nach einer einheitlichen Unfall- und Haftpflicht­versicherung der Freiwilligen. Fast 80 Prozent der Menschen, die befragt wurden, wol­len das.

Zu den Maßnahmen zur Gewinnung von Jugendlichen: Es ist natürlich klar, jeder Ver­ein hat dabei Probleme, wobei es möglich ist – eine Kollegin hat das erwähnt –, dass es da verschiedene Wertungen gibt. Ich glaube, dass das auch regionenabhängig ist, also in den Gemeinden, in kleineren und mittleren Gemeinden ist der Zugang ein leichterer. Da konkurriert der Sportverein nicht mit der Feuerwehr oder den Feuerweh­ren, die es da gibt – in vielen Gemeinden gibt es ja mehrere –, im Gegenteil, alle haben gleich gute Jugendarbeit und holen sozusagen die Jugendlichen tatsächlich in Scharen von den Straßen, beschäftigen unsere Kids auch ordentlich und bieten interessante Freizeitaktivitäten.

Natürlich, bei einer sportlichen Aktivität wird die Selbstverwirklichung eher stattfinden als bei einer anderen, die nicht so im Rampenlicht steht, aber ich glaube, hier ist auch der Auftrag, dass man dem vonseiten der Gemeinden entsprechende Wertschätzung entgegenbringt. Und wir Politiker haben natürlich – Sie haben recht – durchaus den Auf­trag, dem zu folgen.

Es gibt auch Einschränkungen, die wir sehen. Einerseits wird dieser Bericht von Regie­rungsseite her hochgejubelt, andererseits gräbt man aber auch den Freiwilligen ein bisschen das Wasser ab. Als Beispiele seien genannt: das absolute Rauchverbot, nicht nur in der Gastronomie, sondern auch im gesamten Vereins-, Versammlungs- und Ver-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 109

anstaltungswesen; Veranstaltungsgesetze auf Landesebene, die teilweise Vereinsver­anstaltungen drastisch erschweren, verteuern oder praktisch unmöglich machen; der erschwerte Zugang zu Pflegegeld – wenn man diesen Bereich anspricht –, sodass eine freiwillige Hilfe im Familienbereich eher schwierig wird; die Aufhebung des Bankge­heimnisses, wobei Vereine und Vereinsmitglieder mehr oder weniger auch der Bespit­zelung der Finanzbehörden ausgeliefert sind.

Bedenklich sind unserer Ansicht nach auch einseitig ausschließlich gesellschaftspoli­tisch orientierte und ausgerichtete Mehrfachförderungen an Vereine, welche sich im Dunstkreis von Anarchismus, Gewalt und Staatsfeindlichkeit bewegen, als welche durch­aus einige linksextremistische Vereinigungen in Österreich angesehen werden können.

Es fehlt, meine Damen und Herren, jedenfalls – und damit komme ich schon zum Schluss – noch eine wirklich tragfähige und ebenso einheitliche Lösung im Bereich des Arbeitsrechts betreffend Dienstfreistellung für länger dauernde Hilfseinsätze, wie bei Überschwemmungskatastrophen, Erdrutschen, Suchaktionen. Die bisher bestenfalls auf Goodwill basierenden Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und den Hilfsorganisationen sind in der Regel und in der Realität nicht einmal halb so gut, wie uns teilweise glauben gemacht wird.

Ich bringe daher in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Samt, Kollegin und Kollegen betreffend Dienstfreistellung von Bediens­teten des öffentlichen Dienstes, die Mitglied der freiwilligen Feuerwehr sind

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Parlament eine Regierungsvorlage vor­zulegen, die eine spezielle rechtliche Grundlage schafft, den Mitgliedern der Freiwilli­gen Feuerwehren und Rettungsorganisationen, welche als Beamte oder Vertragsbe­dienstete im öffentlichen Dienst stehen, Dienstfreistellungen für die Gesamtdauer des jeweiligen Einsatzes zu ermöglichen.“

*****

Es zeigt dieser Bericht trotz alledem eine grundsätzlich sehr positive Entwicklung, und es wird diesem Bericht auch seitens der FPÖ zugestimmt beziehungsweise wird dieser zur Kenntnis genommen. Aber es sei uns bitte gestattet, darauf hinzuweisen, dass auch hier noch einiges an Hausaufgaben zu machen ist. – Ich danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei der FPÖ.)

14.56


Präsident Gottfried Kneifel: Der von den Bundesräten Samt, Kolleginnen und Kolle­gen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Dienstfreistellung von Bediensteten des öffentlichen Dienstes, die Mitglied der freiwilligen Feuerwehr sind, ist genügend un­terstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


14.57.11

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich denke, Österreich hat nicht nur den Exportschlager der dualen Ausbildung, der für andere Länder interessant sein kann und ist, sondern auch unser Engagement und unser System im Freiwilligenbereich. Ich glaube, das können wir mit Stolz sagen und auch nach außen tragen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 110

Vieles wurde von den Vorrednern schon angesprochen. Was den Bereich des Versi­cherungsschutzes betrifft, hat Kollege Samt schon sehr vieles gesagt. Wir haben sicher noch einen Optimierungsbedarf. Es kann nämlich nicht sein, dass in den einzelnen Bun­desländern unsere engagierten Österreicherinnen und Österreicher unterschiedliche Rah­menbedingungen vorfinden. Da müssen wir es schaffen, einen einheitlichen Standard her­zustellen.

Weiters gibt es je nach Tätigkeitsbereich eine Geschlechterdifferenz. Im formellen Be­reich sind die Männer stärker vertreten. Die Frauen sind eher in der Nachbarschafts­hilfe verstärkt vertreten. Wir sehen auch, dass knapp ein Viertel der Befragten als Motiv bei ihrer Freiwilligentätigkeit anführen, später dann einen bezahlten Job zu finden. Das heißt, die Merkmale von Volontariat und Freiwilligenarbeit sind durchaus fließend. Es gibt auch Qualitätskriterien und zugelassene Träger, die sich verpflichtenden Evaluie­rungen unterziehen, für das Freiwillige Sozialjahr, das Freiwillige Umweltschutzjahr, für den Gedenkdienst, bei den allgemeinen Praktika gibt es diese nicht.

Der Bericht beinhaltet keine Zahlen über die Inanspruchnahme des Freiwilligen Sozial­jahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres sowie des Gedenkdienstes im In- und Aus­land, des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland. Das gehört unserer Meinung nach schon auch in den Bericht hinein.

Es ist auch bemerkenswert, dass wir im Bereich der Migranten und Migrantinnen noch verstärkte Bemühungen an den Tag legen müssen, dass diese auch in der Freiwilligen­arbeit verstärkt Fuß fassen können. Da gibt es ja auch im Staatsbürgerschaftsver­fahren die Möglichkeit, dass sie, wenn sie sich da einbringen und engagiert mitarbei­ten, die Staatsbürgerschaft früher erhalten als nach zehn Jahren.

Folgendes möchte ich in diesem Kontext schon noch erwähnen und festhalten – und da möchte ich, bitte, dass das nicht missverstanden wird –: Wir haben vom Ausland aus gesteuerte Gruppierungen, die unter dem Deckmantel des Vereinsrechts hier agie­ren und die Politik des Herkunftslandes hereintragen. Das sind nicht gerade die demo­kratischsten Gruppierungen, sie verfolgen auch ein anderes Gesellschaftsbild, und da darf es keine falsch verstandene Toleranz geben. Wir müssen da auch Überlegungen anstellen, wie wir das thematisieren können, ohne die große Zahl der Vereine in Öster­reich dabei sozusagen in die Generalhaftung zu nehmen.

Das ist meiner Meinung nach – und mit dieser Meinung bin ich nicht alleine – ein rie­sengroßes Problem, dass da unter dem Deckmantel des Vereinsrechts ausländische Politik, ausländische Interessen nach Österreich hereingetragen werden und dabei dia­metral entgegengesetzte gesellschaftliche Bilder verfolgt werden. Das kann es nicht sein. Dazu wurde auch unser Vereinsrecht nicht ins Leben gerufen, und es entspricht auch nicht unseren Vorstellungen von freiwilligem Engagement.

Wenn sich diese Herrschaften einbringen möchten, dann gibt es genügend Möglichkei­ten, das bei Blaulichtorganisationen oder auch bei österreichischen Vereinen zu tun. Aber da braucht es eine ganz klare Haltung: Islamistische Einflüsse oder nationalisti­sche Einflüsse aus dem Ausland haben bei uns nichts verloren! – Das sei in aller Deutlichkeit festgehalten.

Ein Viertel der Befragten hat angegeben, dass freiwilliges Engagement mit ihrem Beruf nicht vereinbar ist. Zu den Rahmenbedingungen gehören daher Zeitressourcen, damit Engagement überhaupt erst gelebt werden kann. Im Vergleich zu 2006 zeigt sich ein Zuwachs an wöchentlichem Tätigkeitsvolumen von rund 31 Prozent. Freiwillige Arbeit darf selbstverständlich kein Ersatz für Erwerbsarbeit sein, sie sollte einer anderen Lo­gik unterliegen. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich danke allen, die an der Erarbeitung dieses Berichts mitgewirkt haben, recht herz­lich. Ich hoffe, dass Sie diese Punkte, die ich jetzt kurz angesprochen habe, beim nächs-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 111

ten Bericht mit hineinnehmen können und dass wir uns besonders in Bezug auf diesen einen Punkt, den ich jetzt angesprochen habe, vielleicht einmal Gedanken machen, wie wir dieses Problems Herr werden können.

Wir werden diesen Bericht auf jeden Fall zur Kenntnis nehmen. – Danke für Ihre Auf­merksamkeit.

15.02


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Saller. – Bitte.

 


15.02.38

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf vielleicht zur Freiwilligenarbeit aus der Sicht der Senioren etwas sagen, damit man das auch entsprechend berücksichtigt und wahrnimmt. Für die Freiwilligenarbeit gibt es ja keine Altersgrenze. Wir haben es von den Vorrednern schon gehört: Von Jung bis Alt, vom Pflichtschüler bis zu betagten Seniorinnen und Senioren, in irgendeiner Form sind alle betroffen. Ob Gesundheit, Pflege, Kultur, Sport, Betreuung, Freizeit, Reisen – die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Freiwilligenarbeit ist auch für die Seniorinnen und Senioren eine Selbstverständlichkeit, für die meisten zumindest. Wir haben natürlich auch längst erkannt, oder sollten erken­nen, dass man sich mit freiwilliger Arbeit, unentgeltlich freiwilliger Arbeit selber auch etwas Gutes tut, dass das gut ist für die Psyche, für den Körper. Und ich glaube, das ist auch etwas, was man besonders anmerken muss, denn Freiwilligenarbeit, Ehren­amt ist Arbeit ohne Bezahlung. Wir wissen ja inzwischen, an die drei Millionen Öster­reicher über 15 Jahre sind ehrenamtlich tätig. Wenn man das ein bisschen hochrech­net, würde man auf astronomische Zahlen kommen: Das wären an die 400 000 Voll­zeitbeschäftigte, und das Ganze würde 16 Milliarden € kosten, wenn man das bezah­len müsste. Ich behaupte daher, nicht nur in unserem Land, sondern auch in anderen Ländern würde ohne Ehrenamtlichkeit gar nichts mehr funktionieren. Das muss man klar sagen.

Die ältere Generation – das weiß man ungefähr – gibt über 3 Milliarden € jährlich für Kin­der und Enkelkinder aus. Das heißt, 70 Prozent der Senioren unterstützen freiwillig die Nachfolgegeneration. Das Gerede, das man oft hört, vom Kostenfaktor Senior ist ja un­erträglich. Kein Staat wäre in der Lage, freiwillige familiäre Leistungen auch der Senio­ren zu ersetzen – ohne dass dabei natürlich die Jugend in ihrer Vielfalt vergessen wer­den soll. Egal, ob in der Stadt oder auf dem Land, drei Viertel der älteren Generation sind für die Enkelkinder da; ein Fünftel verwendet pro Woche mehr als sechs Stunden dafür. Und entgegen allen Unkenrufen steht auch die neue und jüngere Seniorenge­neration zu dieser Verantwortung und zu dieser Freiwilligkeit. Das ist auch besonders bemerkenswert. Solidarität zwischen den Generationen hat es immer schon gegeben und gibt es nach wie vor, das ist auch besonders wichtig – nicht ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander.

Was täten wir auch ohne die vielen ehrenamtlichen Funktionäre im Seniorenbereich selbst? Ich denke jetzt an alle Organisationen, ob das unser Seniorenbund ist, ob das der Pensionistenverband ist, ob das der Freiheitliche Seniorenring ist, ob das die Grü­nen Senioren sind. Ich kann es nur vom Seniorenbund sagen, weil ich es weiß: Da sind allein im Land Salzburg an die 800 freiwilligen Vorstandsmitglieder, Funktionäre tätig.

Ich füge auch hinzu, was ich eingangs nicht genannt habe: die gesamte Freiwilligen­tätigkeit in Wirtschaft, Umwelt, Natur, Kirche. Da gibt es also noch viele Facetten und viele Bereiche, wo auch Senioren tätig sind.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 112

Ich darf mich auch sehr herzlich bedanken bei dem verantwortlichen Herrn Bundesmi­nister und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für die Berichterstat­tung und für diesen Freiwilligenbericht, aber auch speziell bei allen Freiwilligen in unse­rem Lande, die ehrenamtlich tätig sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Todt.)

15.06


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


15.07.05

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein herzliches Grüß Gott auch an die Zuseher und Zuseherinnen an den Bildschirmen zu Hause! Ich möchte eingangs nur erwähnen: Ich freue mich sehr darüber, dass dieser Freiwilligenbericht von allen sozusagen angenommen wird, auch von den Freiheitlichen. Das ist nicht selbstverständ­lich bei Berichten. (Bundesrat Krusche: Ja, ja, wir sind kritisch!) – „Kritisch“ – wunder­bar, Herr Kollege Krusche.

Ich möchte aber trotzdem zum eingebrachten Entschließungsantrag aus unserer Sicht etwas klarstellen, Kollege Samt und Kollege Herbert. Ja, ich möchte das ausdrücklich unterstreichen, was in diesem Bericht steht: dass freiwillige Feuerwehren und auch Personen, die in Hilfs- und Rettungsorganisationen tätig sind, hervorragende Leistun­gen vollbringen und im Rahmen unseres Sicherheitssystems nicht mehr wegzudenken sind. Und ich möchte mich auch ganz ausdrücklich dafür bedanken! – Punkt eins.

Zum vorliegenden Entschließungsantrag allerdings sei unsererseits angemerkt, dass wir diesem nicht zustimmen können, weil es eben einfach nur ein Segment aus der gan­zen Palette darstellt. Sie sprechen da von einer „Dienstfreistellung von Bediensteten des öffentlichen Dienstes“. Wenn wir das jetzt nur für den Bundesdienst vorsehen, dann ist das auch eine Ungleichbehandlung für die anderen.

Das bedeutet: Wir wollen oder wir regen an, dass es eine gesamtösterreichische Lö­sung gibt. Da gehört für uns auch das Arbeitsrecht dazu, da gehören die Dienstrechte des Bundes, der Länder, der Gemeinden dazu – denn Feuerwehrwesen ist Ländersa­che. Da liegt also die Grundkompetenz bei den Ländern! (Bundesrat Krusche: Das heißt, du denkst aber weiter als der Entschließungsantrag!) Der Bund kann deshalb, Herr Kollege Krusche, den Ländern auch nicht vorschreiben, was sie im Feuerwehrwe­sen zu tun haben.

Deshalb lehnen wir diesen Entschließungsantrag ab. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Dieser Spagat war schwierig!)

15.08


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Hundstorfer. – Bitte.

 


15.09.06

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Danke, und danke auch für die hohe Zustimmung! Ich bedanke mich auch bei den 3,3 Mil­lionen Menschen, die in diesem Land vieles tun, wobei wir wahrscheinlich sehr oft gar nicht wissen, wer es wirklich ist. Aber dafür ein Dankeschön! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Abgeordneter Samt, nur: Es sind Mehrfachmeldungen, und durch die Mehrfach­meldungen kommen natürlich die Zahlen zustande. Fakt ist, es sind diese 3,3 Millio­nen, und unter diesen 3,3 Millionen sind viele, die in zwei, drei Vereinen tätig sind. Ich weiß nicht, aus welcher Gegend der Steiermark Sie kommen, aber eine Tätigkeit bei


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 113

der freiwilligen Feuerwehr und der Blasmusik ist sehr oft nicht unüblich (Bundesrat Samt: verein!) – und was auch immer. Das ist ganz klar. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Ich möchte das, was Herr Bundesrat Mayer gesagt hat, noch ein biss­chen ergänzen. Wir haben im Beamtendienstrecht die Bestimmungen bezüglich der Son­derurlaube bei Katastrophendiensten enthalten – das gibt es –, bei Feuerwehr- und so­genannten Blaulichtorganisationen, aber sogar auch in sonstigen Fällen. Der Betreffen­de muss gar nicht bei einer Organisation sein. Wenn er irgendwo Gemeinderat ist und in seiner Gemeinde ist Katastropheneinsatz und er ist zufällig öffentlich Bediensteter, dann kann er das auch geltend machen.

Das Einzige, was wir nicht haben: Es gibt keinen Rechtsanspruch. Den haben wir nicht. Das heißt, man muss einen Antrag stellen. Aber Sie wissen, glaube ich, alle: Al­lein beim letzten Hochwasser in Oberösterreich im Eferdinger Becken oder in der Stei­ermark – ist jetzt egal, wo – war klar: Die, die aus dem öffentlichen Sektor kommen, wa­ren alle irgendwie zur Stelle.

So, und dann haben wir, die Frau Innenministerin und ich, uns bemüht, eine Dienstfrei­stellungsregelung zu entwickeln für diejenigen, die im Katastropheneinsatz sind, und zwar nicht in ihrem Heimatbezirk – weil die Feuerwehren, das Rote Kreuz und auch der Samariterbund uns immer gesagt haben, was im Heimatbezirk ist, das vergesst, das ist immer alles geregelt, auch bei den Privaten. Aber nachdem der Herr Bundes­feuerwehrkommandant Kern, der auch aus Ihrem Bundesland kommt, aufbauend auf Initiativen seines Vorgängers, ein System entwickelt hat, dass es Katastrophenzüge gibt – zum Beispiel Niederösterreich fährt nach Tirol oder Tirol fährt nach Salzburg, wie auch immer –, waren wir, die Frau Innenministerin und ich, dann der einfachen – „nai­ven“ will ich jetzt nicht sagen – Meinung: Wir refundieren die Gehälter. Wir finden eine Regelung, bei der wir die Gehälter refundieren.

Wissen Sie, was die Antwort war? – Wir wollen nicht. Lasst es, bitte, wie es ist! – Ja, wir haben eine Riesensitzung gehabt mit allen Landesfeuerwehrkommandantinnen und kom­mandanten, mit allen Landesrettungskommandantinnen und ‑kommandanten. Es gab eine Diskussion, der Kollege aus Salzburg hat begonnen, und die Diskussion war dann so: Bitte lassen! – Die Frau Innenministerin und ich, wir haben uns dann mit diesem The­ma zurückgezogen, weil wir gesagt haben: Okay, wenn die, die dort stehen, das nicht wollen, dann sorry!

Wir waren – ich sage das noch einmal – der naiven Meinung, wenn jetzt, was weiß ich, Steiermark Ennstal nach Steiermark Leibnitz fährt – jetzt habe ich hoffentlich keinen Fehler gemacht –, dann sind das zwei verschiedene Bezirke und, und, und. Oder wir haben zum Beispiel in Salzburg eine Spezialtruppe – ich glaube, es ist in Salzburg – mit diesen riesigen Pumpen, diesen riesigen Hochdruckpumpen – davon gibt es vier in Österreich, man braucht auch nicht mehr –, und die fahren damit kreuz und quer durch Europa. Die waren zum Beispiel auch in Serbien. Da waren wir der naiven Meinung, diese Partie braucht eine Gehaltsrefundierung. Das war falsch. Punkt.

Ich kann Ihnen das nur mitgeben. Und dann möchte ich den Dank, den Sie meinem Haus übermittelt haben, sehr gerne weitergeben, denn Herr Mag. Hörting ist derjenige, der dafür verantwortlich ist, dass das so ist, wie es hier liegt. Ich gebe das gerne wei­ter, denn dort war die Arbeit zu erledigen – ich habe ja nur das Vergnügen. Und damit Sie auch sehen, wie wir mit Verwaltungskosten umgehen: Die Herstellung dieses Be­richts wurde in unserer eigenen Hausdruckerei erledigt – zum Leidwesen des Gewer­bes. (Heiterkeit.) Das haben wir selbst gemacht, um ja kostengünstig zu sein.

Dann habe ich noch eine einzige Bitte: Ich weiß, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, Sie müssen das aus wahlkampftechnischen Gründen jetzt immer machen, aber, bitte, das Pflegegeld hat mit dem Freiwilligenbericht nichts zu tun. Ich


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würde wirklich darum bitten – es hat damit nichts zu tun! Es hat auch das Bankge­heimnis nichts mit dem Freiwilligenbericht zu tun. Das sind wirklich unterschiedliche Kirtage. Lassen wir die Dinge dort, wo sie sind, denn Sie dürfen versichert sein, auch der Bremsfaktor beim Pflegegeld führt dazu, dass wir mehr Geld ausgeben und nicht weniger Geld ausgeben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.14

15.14.20

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Herzlich willkommen im Bundesrat, Herr Bundesminister! (Bundesminister Stöger nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Samt, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Dienstfreistellung von Bediensteten des öffentlichen Diens­tes, die Mitglied der freiwilligen Feuerwehr sind, vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag jetzt abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

15.15.476. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (1185/A und 659 d.B. sowie 9390/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (1191/A und 660 d.B. sowie 9391/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Beer. – Bitte um die Berichte.

 


15.16.24

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.

Da beide Punkte die gleiche Überschrift haben, erlaube ich mir, ganz kurz zu skiz­zieren, worum es in diesem Gesetz geht: Im Wesentlichen behandelt das Gesetz die Anstößigkeit von Wunschkennzeichen.

Da der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Beim zweiten Punkt soll ebenfalls das Kraftfahrgesetz geändert werden. Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Na­tionalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrge­setz 1967 geändert wird, liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Hier wird im We­sentlichen die Erhöhung der Tonnagebeschränkung für Betonmischfahrzeuge und Om­nibusse sowie die Anbringung von Blaulicht an Fahrzeugen behandelt.

Ich komme auch da sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


15.18.19

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei TOP 6 geht es bei der Änderung des Kraftfahrgesetzes, wie vom Berichterstatter schon erwähnt, um die Wunschkennzeichen. Wir wissen ja alle, diese Wunschkennzeichen sind sehr beliebt und werden auch sehr häufig beantragt. Das ist natürlich auch gut und ein großer Vor­teil für die Verkehrssicherheit.

Jetzt werden Sie fragen: Warum sind Wunschkennzeichen gut für die Verkehrssicher­heit? – Weil so ein Wunschkennzeichen auch einiges kostet, und ein großer Teil dieser Gebühren, die zu berappen sind, in die Verkehrssicherheitsfonds fließt – 40 Prozent un­gefähr in den Fonds des Bundes und 60 Prozent in jene der Länder –, und von diesen Fonds werden wiederum Verkehrssicherheitsprojekte finanziert und auch ein Teil der Verkehrserziehung mitfinanziert. Das finde ich sehr positiv.

Aber es sind, wenn es um diese Wunschkennzeichen geht, leider da oder dort auch negative Auswirkungen festzustellen, die wahrscheinlich nicht nur mir, sondern uns al­len nicht so gefallen.

Leider gibt es in unserer Gesellschaft Menschen, die sich ein ganz besonderes Kenn­zeichen wünschen. Aktuelle Fälle zeigen, dass es in Verbindung der Behördenbezeich­nungen mit der gewählten Buchstabenkombination anstößige oder lächerliche Kenn­zeichen geben kann. Weiters gibt es Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Krei­sen als Codes verwendet werden. Wir haben im Ausschuss schon einige Beispiele ge­hört. Ich will auch hier einige wenige Beispiele bringen, wie „AH“ für die Initialen von Adolf Hitler, „88“ oder „H8“ als Codes für „Heil Hitler“, oder „18“ in Bezug auf den ersten und achten Buchstaben im Alphabet, was wieder Adolf Hitler heißt oder heißen soll – und, und, und, es gibt sehr viele Beispiele, die ich nicht weiter ausführen will.

Nur einen Satz noch: Ich bin froh darüber, dass diese Wunschkennzeichen mit solchen Abkürzungen und Codes in Zukunft nicht mehr erlaubt werden und die Wünsche der ewiggestrigen Menschen in unserer Gesellschaft nicht mehr erfüllt werden. 70 Jahre nach Wiedererrichtung unserer Republik setzen wir hier somit eine Grenze.

Im Tagesordnungspunkt 6 geht es um eine konkrete Verbesserung in der Verkehrs­politik, besonders für die Wirtschaft, aber auch für die Umwelt. Die Versorgung der ös­terreichischen Bauwirtschaft mit Transportbeton erfolgt im Wesentlichen durch die Be­tonmischfahrzeuge, vierachsige Betonmischfahrzeuge; und die derzeitige gesetzliche Re­gelung legt für diese Fahrzeugtype das höchstzulässige Gesamtgewicht mit 32 Tonnen fest. Bei den bestehenden Fahrzeugtypen sind aber Gesamtgewichte bis 41 Tonnen fahr­zeugtechnisch zulässig.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 116

Was bedeutet das für uns in der Praxis? – Durch das hohe Eigengewicht des Fahrzeu­ges und das hohe Gewicht des Spezialaufbaus dieser Fahrzeuge reduziert sich die mög­liche Nutzlast. Somit ist derzeit der Fall, dass diese Fahrzeuge, diese Betonmischer halbleer durch die Gegend fahren, was auch nicht in unserem Sinn sein sollte. Durch die Erhöhung der Tonnage für Betonmischer wird ein wesentlicher Beitrag zur Effi­zienzsteigerung geleistet, werden Arbeitsplätze gesichert, und vor allem wird der Ver­kehr bei Baustellen und Betonmischwerken erheblich reduziert.

Dazu hat es im Vorfeld auch eine Studie des Instituts für Verkehrswissenschaften an der TU Wien gegeben, und diese kam zu dem Ergebnis, dass bei gleichbleibender Trans­portleistung am Beispiel des 4-Achs-Betonmischfahrzeugs bei einer Erhöhung des höchst­zulässigen Gesamtgewichts etwa 200 000 Fahrten pro Jahr eingespart werden können.

Es hat natürlich auch im Ausschuss eine berechtigte Diskussion gegeben, was das be­deutet, wenn die Fahrzeuge wieder mehr beladen werden können, wie das mit den Straßen ausschaut, ob diese das aushalten, ob wir wieder mehr investieren müssen, die Straßen wieder früher herrichten müssen. Da hat es Anfang dieses Jahres bei die­ser Studie von Universitätsprofessor Dipl.-Ing. Dr. Blab das Ergebnis gegeben, dass durch die Erhöhung des Gesamtgewichts weder die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird, aber auf der anderen Seite auch keine zusätzlichen Kosten anfallen. Wir von der SPÖ-Fraktion werden natürlich sehr gerne diesen beiden Tagesordnungspunkten zu­stimmen.

Ich möchte aber noch einen kurzen Satz anschließen. Ich habe mich bei der letzten oder vorletzten Sitzung beim Herrn Minister für eine Investition bedankt, die in Zukunft speziell dem ländlichen Raum zur Verfügung stehen wird: der Breitbandausbau. Heute habe ich persönlich einen Dank auszusprechen, denn da geht es um eine Investition in meiner Gemeinde, um den Lückenschluss des Ausbaues der Bahnstrecke Wels-Pas­sau, wo ich gestern dabei sein durfte, als der Herr Minister mit den beiden zuständigen Referenten, Landeshauptmann-Stellvertreter Entholzer und Landeshauptmann-Stellver­treter Hiesl, in Linz den Vertrag für diese Investition unterschrieben hat. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Man kann sagen, die Bagger in Wernstein können anrol­len. Danke, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

15.24


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Preineder. – Bitte.

 


15.24.52

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wir nehmen kleinere Änderungen im Kraftfahrrecht vor; Kollege Stadler ist schon da­rauf eingegangen. Zum einen geht es um das Thema Wunschkennzeichen, das ein po­sitives ist, weil Menschen Freude damit haben, Individualität zum Ausdruck zu bringen, und dafür auch eine spezielle Abgabe leisten. Aber lächerliche oder anzügliche Bemer­kungen oder Themen sollten da nicht vorkommen. Das wird geregelt. Auch Codes in Zahlenkombinationen sollen geregelt werden, damit da eine klare Richtlinie besteht.

Weiters werden die Tonnagen bei Baufahrzeugen beziehungsweise auch bei Omnibus­sen erhöht, da die Aufbauten einfach immer schwerer werden. Auch die Möglichkeit des Blaulichteinsatzes für Fahrzeuge von Eisenbahnunternehmungen im Notfall bezie­hungsweise auch beim Transport im Strafvollzug soll ermöglicht werden.

Ich darf für unsere Fraktion, für die Volkspartei sagen, wir stimmen wie alle Fraktionen dieser Vorlage zu. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.25



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 117

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich jetzt dem nächsten Bundesrat das Wort erteile: Herr Minister Stöger, ich habe Sie noch gar nicht gebührlich begrüßt bei uns! Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


15.26.00

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher an den Bildschirmen! Ge­schätztes Präsidium! Ich möchte jetzt hier nahtlos anknüpfen an meine Vorredner, an Herrn Kollegen Preineder beziehungsweise an Herrn Kollegen Stadler. Es wurde schon relativ viel gesagt, ich möchte auch noch kurz auf die Dinge eingehen.

Wie wir alle wissen, ist Beton ein Mittel, eine Substanz, ein Stoff, der nicht allzu leicht zu transportieren ist. Ich habe auch gelesen, dass selbstverständlich der Transport mit der Eisenbahn nicht infrage kommt und auch sehr umständlich wäre. Wenn man an die kurzen Transportzeiten von 105 Minuten denkt, dann ist es sicherlich auch ein wesent­licher Punkt, dass wir da die Nutzlast vergrößern. Erfreulich ist, wie auch meine Vor­redner ausgeführt haben, dass wir dadurch gewisse Fahrten einsparen und dadurch we­niger schädliche Emissionen erzeugen. Laut Studien werden ja bis zu 200 000 Fahrten pro Jahr bei gleichbleibender Transportleistung eingespart. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass wir zirka 5 000 Tonnen CO2-Emissionen weniger haben oder wir uns, an­ders gesagt, rund 1,2 Millionen Liter Diesel ersparen.

Zur zweiten Gesetzesänderung wurde auch schon relativ viel gesagt. Es gibt durchaus Wunschkennzeichen, die doch lustig waren, ich erinnere da an folgende Geschichte: Ein Wiener Kennzeichen, also ein „W“ ganz vorne, und jemand hat den Namen „Neu­ner“. Das hat es aber schon so oft gegeben, daher ersetzt er das durch römische Buch­staben beziehungsweise Ziffern: eins vor zehn, also „IX“; und „ER“ wird noch hinten drangehängt. Dann kommt da doch vielleicht ein anstößiges Wort oder auch etwas Lus­tiges heraus. Festhalten möchte ich hier auf jeden Fall: Egal, in welche Richtung man geht, etwas Extremes ist prinzipiell nie etwas Gutes.

Ich habe auch einmal gelernt, alle Wörter, die auf M-U-S, also „-mus“ enden, sind ei­gentlich in vielen Fällen nie wirklich etwas Gutes und verheißen irgendwo auch Extre­mität.

Wir von der FPÖ werden auf jeden Fall beiden Änderungen unsere Zustimmung ertei­len und denken, dass in beiden Bereichen eine Verbesserung eintritt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Reiter.)

15.28


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


15.29.02

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte KollegInnen und Gäste! Zu TOP 6 und 7: Wir von der grünen Frak­tion werden beiden TOPs sehr gerne zustimmen.

Zu TOP 6, zur Verwendung von Kennzeichen mit lächerlichem oder anstößigem Inhalt wurde jetzt schon einiges gesagt. Ich finde es sehr wichtig, dass man rassistischen und antisemitischen FahrzeugbesitzerInnen diese Möglichkeit nimmt, ihre Einstellung und ih­ren Hass mit der Welt zu teilen und mittels ihrer Geheimcodes als geheime Community verbunden zu sein. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Die Bemerkung kam heute ja auch schon, und auch im Ausschuss, dass es dann auch andere, harmlose Personen trifft, die vielleicht einfach am 8.8. geboren wurden oder de-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 118

ren Initialen in diesem Erlass zu finden sind. – Ja, das stimmt, es trifft harmlose Per­sonen, wie zum Beispiel auch mich, ich habe auch die wunderschönen Initialen „NS“, und auch ich kann meine Initialen nicht am Wunschkennzeichen anbringen. Mich stört es, wie die meisten Österreicherinnen und Österreicher, nicht. Manche mag es viel­leicht stören; richtig stören tut es aber nur genau jene Personen, die wir mit dieser No­velle erwischen wollten, nämlich Personen, die genau mit dieser Absicht ein Wunsch­kennzeichen mit dem nun verbotenen Inhalt beantragt haben. Und das sind genau die Personen, die man auch treffen wollte, darum ein großes Ja von unserer Seite.

TOP 7 werden wir auch unsere Zustimmung geben. Die Erweiterung der Blaulichtver­wendung macht durchaus Sinn und dient der Sicherheit ganz maßgeblich. Erhöht wur­de auch das zulässige Gesamtgewicht zweiachsiger Busse auf maximal 19,5 statt 18 Ton­nen. Da wurde eine EU-Richtlinie umgesetzt. Auch die Erhöhung der Tonnage bei Be­tonmischern sehen wir durchaus als sinnvoll zur Verminderung der Fahrtenzahl an.

4-Achs-Betonmischer – ein Kollege ist vorher schon darauf eingegangen –, natürlich mit zusätzlicher entsprechender straßenschonender Federungsausrüstung, dürfen in Zu­kunft 36 anstatt bisher 32 Tonnen wiegen, und durch die schnelle Verwendung bezie­hungsweise die kurze Verarbeitungszeit des Betons von nur 105 Minuten ab Werk kön­nen wir hier nicht auf die Bahn ausweichen, was natürlich prinzipiell das Mittel ist, das die Grünen befürworten wollen, und nur diese kurze Verarbeitbarkeit von Beton ist auch unsere Begründung, hier Ja zu sagen und unsere Zustimmung zu geben.

Ich möchte nochmals festhalten, dass wir da sehr, sehr kritisch waren, ob dadurch nicht auch andere Tonnagebeschränkungen für andere Güter wieder angegriffen wer­den. Unsere Befürchtung war auch nicht unbegründet, im Erstentwurf der Novelle wäre das auch noch vorgesehen gewesen. Das wurde jetzt entfernt, darum unsere Zustim­mung.

Die Studie der TU dazu besagt, dass die Straßen durch das zusätzliche Gewicht nicht oder kaum beeinträchtigt werden. Wir können uns das zwar nicht logisch erklären, aber wir werden die Auswirkungen dann ohnehin sehen und lassen uns gerne davon über­zeugen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

15.31


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Novak. – Bitte.

 


15.32.02

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, wenn ich jetzt als letzter Redner hier stehe, zu sehen, dass bei allen Fraktionen Einvernehmen darüber besteht, was diese Buchstabenkombinationen bei den Autos anbelangt.

Ich möchte aber ganz kurz auf das Thema Erhöhung des zulässigen Höchstgewichts von Betonmischern und Omnibussen eingehen. Wenn jetzt die Erhöhung der Nutzlast um 4 Tonnen gegeben ist, wie das jetzt Vorredner schon erklärt haben, und dadurch Feinstaub eingespart wird, also eine Verringerung von Lärm und Staub gegeben ist, so möchte ich ganz kurz auf das Thema Feinstaub eingehen.

Diese Feinstaubproblematik ist, glaube ich, eine nicht zu unterschätzende Gefahr für unsere Umwelt. – Sie werden sagen, ja, ja, ist klar, das ist der Umweltsprecher und der Bürgermeister einer Nationalparkgemeinde. Aber das Thema liegt mir schon am Her­zen, da die beste Reduzierung von Feinstaub darin besteht, dass er im Grunde genom­men nicht entsteht. So sollte man doch darauf schauen – da wir den Herrn Minister hier haben, der ja auch für die Österreichischen Bundesbahnen zuständig ist –, dass wir in Zukunft versuchen sollten, den Verkehr auf der Straße zu vermeiden und diesen auf die Schiene zu bringen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 119

Ich habe mir aufgeschrieben, das größte Potenzial steckt in diesem Güterverkehr. Der Bahngüterverkehr auf Österreichs Schiene vermeidet derzeit schon rund 2,8 Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr, und von dem reden wir ja heute. Im EU-Vergleich hat Österreich damit einen hohen Anteil der Schiene am Gütertransport von 36 Prozent. Dennoch werden auf der Straße mehr als viermal so viele Güter, nämlich rund 450 Millionen Ton­nen, transportiert wie auf der Schiene mit 98 Millionen Tonnen. Das heißt, eine weitere Verlagerung würde sich natürlich in diesem Bereich Feinstaubbelastung positiv aus­wirken und natürlich auch klimaschädliche Emissionen, CO2 verringern.

Viele Studien haben in den letzten Jahren diese negative Auswirkung einer Feinstaub­belastung auf die Gesundheit, vor allem für den Herz- und Kreislaufbereich und für das System der Atemwege, belegt. Ich glaube, das wäre auch ein Grund dafür, in diesem Bereich und in diesem Zusammenhang noch einmal zu überlegen, dass man versucht, den Güterverkehr von der Straße auf die Bahn zu verlegen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl.)

15.34


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.

 


15.35.02

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es geht um Legitimität. Manche Personen wollen mit Wunschkennzeichen staatliche Legitimität bekommen, die sie – und sie wissen das – mit ihrem Gedankengut nie bekommen würden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das wissen sie nicht!  kennen Personen !)

Daher ist es wichtig, dass wir diesen Menschen nicht erlauben, durch Wunschkennzei­chen diese Position einzunehmen. Etwas Illegitimes kann auch durch Wunschkennzei­chen nicht ausgedrückt werden. Das ist das eine Element dieser beiden Tagesord­nungspunkte.

Das zweite Element ist: Wir machen eine Verwaltungsvereinfachung. Wir unterstützen die Unternehmen und verändern da etwas. Das haben wir gerade jetzt auch bei den Bussen gemacht. Das machen wir bei den Betonmischern, damit wir der Wirtschaft die Chance geben, effizienter und noch effizienter zu sein und in Wirklichkeit auch die Um­weltbelastungen zu reduzieren. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, und ich be­danke mich für die allgemeine Zustimmung zu diesen Themen. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.36

15.36.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geän­dert wird, 1185/A und 659 der Beilagen sowie 9390/BR der Beilagen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 120

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geän­dert wird, 1191/A und 660 der Beilagen sowie 9391/BR der Beilagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

15.37.348. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (16. FSG-Novelle) (631 d.B. und 664 d.B. sowie 9392/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu Punkt 8 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte um den Bericht.

 


15.37.56

Berichterstatter Günther Novak: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Da­men und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 30. Juni 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


15.38.33

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Wirklich nur ein Satz zum vorhergehenden Punkt, zur Beförderung von Beton mit der Bahn: Als alter ÖBBler wäre ich natürlich sicher dafür, dass wir auch da die Leistung steigern könnten, aber es wäre dann ganz schwie­rig oder wahrscheinlich für den Herrn Bundesminister fast nicht finanzierbar, wenn man zu jeder Baustelle, ganz egal wie groß die ist, eine Infrastruktur und Geleise legen müsste. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Stöger.)

Dann müssen wir zuerst die Geleise machen und vielleicht auch noch eine kleine Hal­testelle, dass wir die Maurer auflegen können, und dann kommt der Beton. – Nein, Scherz. (Allgemeine Heiterkeit.)

Bei diesem Tagesordnungspunkt, bei der 16. Führerscheingesetz-Novelle werden eine Reihe von Nachbesserungen, Klarstellungen sowie auch redaktionelle Änderungen durch­geführt. – Sehr sinnvoll, dass das Gesetz mit dieser Novelle so berichtigt wird, dass, was wir ja alle wollen, die Praktiker dieses auch anwenden können.

Es ist aber auch eine Änderung aufgrund eines eingeleiteten Vertragsverletzungsver­fahrens zur dritten Führerscheinrichtlinie enthalten. Da werden wir ebenso Berichtigun­gen vornehmen.

In dieser Novelle ist es auch gelungen, dass sinnvolle österreichische Bestimmungen, und das ist ganz wichtig, trotz der Kritik der Kommission beibehalten werden konn­ten. – Geschätzte Frau Mühlwerth, auch wir können der EU etwas vorgeben. Wir las­sen uns nicht alles aufoktroyieren, so wie ihr immer glaubt.

Worum geht es da? – Ich habe ein Beispiel herausgenommen, es geht dabei um das Lenken von Omnibussen. Normalerweise braucht man ja zum Lenken des Busses ei-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 121

nen Führerschein der Klasse D, ganz egal ob er leer oder beladen ist. Jetzt gibt es die­se Regelung, dass bei Leerfahrten, bei Überstellungsfahrten, bei Überprüfungsfahrten der Führerschein der Klasse C reicht, dass man diesen leeren Bus ohne Passagiere steuern kann. Man geht sinnvollerweise davon aus, dass jemand, der einen großen Lkw – vielleicht einen Sattelschlepper – lenken kann, auch einen Bus lenken kann, über­haupt dann, wenn keine Passagiere, keine Reisenden drinnen sind.

Ein Graubereich wurde auch angeschnitten, da geht es um die Feuerwehren. Unklar­heiten hat es da immer gegeben, in welcher Führerscheinklasse welche Promillegren­ze gilt. Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir darüber auch hier diskutiert haben. Da wurde jetzt auch eine einheitliche Promillegrenze gezogen, sodass in diesem Be­reich Rechtssicherheit für die Helfer gegeben ist.

Auch verankert ist die Klarstellung bei Feuerwehr- und Rettungsführerscheinen, welche Anhänger mit diesen Berechtigungsscheinen gezogen werden dürfen. Es sind ja die verschiedensten Bauweisen von Anhängern – es gibt leichte und schwere Anhänger – vom Gesamtgewicht her zu sehen, es darf also das Gesamtgewicht – Fahrzeug und Anhänger – nicht überschritten werden. Bei den Einsatzorganisationen wird mit dieser Novelle sehr genau klargestellt, was gilt, sodass da auch wieder Rechtssicherheit be­steht.

Weiters wurde auch dankenswerterweise – das war auch eine lange Diskussion – bei den Wohnmobilen festgelegt, mit welchem Führerschein sie gelenkt werden dürfen. Da hat es immer mit dem Gesamtgewicht Probleme gegeben – je nachdem, ob das Wohn­mobil leer war oder wie es beladen war –, da ist jetzt auch eine Regelung gefunden worden.

Auch dabei, und ich glaube, das ist auch eine sehr vernünftige Entscheidung: Jeder Prüfer einer Fahrschule muss selbst im Besitz der Lenkerberechtigung für diejenige Klasse sein, für die er prüft. In Zukunft wird es so sein, dass Neubestellte – das gilt nicht für die, die schon länger als Prüfer tätig sind, sondern für Neueinsteiger als Prü­fer –, die die Prüfberechtigung haben, selbst auch die Klasse-D-Prüfung haben müs­sen, wenn sie die Klasse-D-Prüfung abnehmen.

Da hat es bei Prüfungen zwischen Klasse C und Klasse D immer ein Problem gege­ben. Es gibt für die, die schon länger als Prüfer tätig sind, eine Übergangsregelung; für die Prüfer, die neu dazukommen, ist das jetzt klar geregelt.

In der ganzen Novelle hat der Gesetzgeber sicher versucht, das in seinem Sinne alles klarzustellen, und ich möchte dir, Herr Minister, aber ganz besonders den Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern im Ministerium in diesem Zusammenhang danken. Sie sind ja im­mer darauf aus, die Gesetzestexte so zu verfassen, dass sie auch umgesetzt werden können, und vor allem, dass für den einzelnen Bürger auch Rechtssicherheit geschaf­fen wird. Darum werden wir dem Ganzen auch gerne zustimmen. Danke. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Reiter.)

15.43


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Preineder zu Wort. – Bitte.

 


15.43.56

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Es gibt beim Führerscheingesetz kleine Änderungen, Herr Kollege Stadler ist schon da­rauf eingegangen: redaktionelle Anpassungen, teilweise Harmonisierungen mit der EU.

Ich darf aber auf einen anderen Umstand im Zusammenhang mit dem Führerscheinge­setz aufmerksam machen, Herr Bundesminister: Bisher war jemand, der einen C-Schein


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besessen hat, immer wieder dazu angehalten, diesen – wenn es notwendig war – mit einem Gesundheitsattest entsprechend zu verlängern. Ich bin auf den Umstand drauf­gekommen, dass das nicht so bürgerfreundlich und bürgernah ist, wie wir Abgeordnete uns das sicher alle wünschen würden.

Will man nämlich seinen C-Schein verlängern und legt sein Attest einen oder zwei Mo­nate früher vor, dann verkürzt das die Laufzeit des Führerscheins für die nächste Pe­riode. Legt man dieses Gesundheitsattest nach dem Ausstellungsdatum vor, dann ist man die Zeit dazwischen mit einem ungültigen Führerschein unterwegs, und das will si­cher auch niemand.

Also muss man – um den Führerschein ordnungsgemäß zu verlängern und keine Frist zu versäumen – auf den Tag genau dort hinkommen. Ich glaube, das ist nicht bürger­freundlich und auch nicht in unserem Sinn, deshalb unterstütze ich den Entschließungs­antrag, den aufgrund meiner Intention die Abgeordneten des Nationalrates bei der letz­ten Sitzung eingebracht haben.

Am 18. Juni 2015 bei der Sitzung des Nationalrates haben die Abgeordneten Anton Heinzl, Andreas Ottenschläger, Carmen Schimanek und Gerhard Deimek folgenden Ent­schließungsantrag eingebracht:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, gemeinsam mit den in der Vollziehung tätigen Gebietskörperschaften und Experten zu prüfen, ob eine gesetzliche Analogie zur § 57a-Pickerl Überprüfung bei der Verlängerung befriste­ter Führerscheine in Sachen Toleranzraum geschaffen werden kann, damit sich jede Ver­längerung nach dem Datum der 1. Befristung richtet, und allenfalls eine diesbezügliche Regierungsvorlage dem Nationalrat“ – und damit auch dem Bundesrat – „zuzuleiten.“

Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, das zu unterstützen, denn das ist bürgernah und bür­gerfreundlich und macht keine taggenaue Beantragung notwendig. – Herzlichen Dank. Wir werden diesem Antrag zum Führerscheingesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.46


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte.

 


15.46.39

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause an den Fernsehge­räten! Auch wir werden diese Vorlage unterstützen. Die Mehrparteieninitiative werden wir zu einem späteren Zeitpunkt hier auch noch diskutieren und wahrscheinlich eben­falls positiv beurteilen.

Eine Reihe von Nachbesserungen, Klarstellungen und redaktionellen Änderungen hat diese Vorlage zum Inhalt. Zwei davon sind eigentlich die Wesentlichen, das ist einer­seits die Anbindung des Führerscheinregisters an das Europäische Netzwerk und an­dererseits die Schaffung klarer Regelungen beim Umtausch von abgelaufenen EWR-Führerscheinen.

Zum ersten Punkt – die Anbindung an das Europäische Netzwerk – wird angeführt, dass dadurch die bisher notwendigen umständlichen E-Mail-Anfragen nicht mehr erfor­derlich sein werden, sondern direkt in den ausländischen Registern Zugriff genommen werden kann. Was wieder ein bisschen bezeichnend ist: dass man erst eine sinnvolle Verwaltungsvereinfachung macht, wenn der Druck der EU offensichtlich durch ein dro­hendes Vertragsverletzungsverfahren im Raum steht. Ich frage mich: Wieso kann man Verwaltungsvereinfachungen nicht auch so machen?


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Und beim zweiten Punkt hinsichtlich der Verlängerung abgelaufener Führerscheine ist es so, dass jetzt zukünftig obligatorisch Prüfungen durchzuführen und abzulegen sind, und das ist sicherlich auch im Sinne der Verkehrssicherheit.

Erlauben Sie mir noch generell ein paar Anmerkungen. Es fällt schon auf, wenn man die Erläuterungen zu diesem Gesetz anschaut, es strotzt vor Formulierungen:

„Da es diesbezüglich Unklarheiten () gegeben hat, soll dafür eine Regelung nachge­holt werden.“ „Die derzeitige Regelung verlangt () jedenfalls ()“ „Dies steht im Wi­derspruch zu § 104 ()“ „() ist die gegenständliche Äquivalenz () nicht vorgesehen und hat daher zu entfallen.“ „Konsequenterweise muss sie daher auch in dieser Be­stimmung entfallen ()“ „Da dies mit der 14. FSG-Novelle nicht umgesetzt wurde, ist es nunmehr nachzuholen.“ „Überdies wäre diese Sanktion übermäßig hart. Daher ist klarzustellen ()“ „Es besteht derzeit ein gewisses Spannungsverhältnis ()“ „() kann es zu problematischen Fällen kommen ()“ „Diese Bestimmung wird deutlicher gefasst ()“ „Es handelt sich lediglich um die Klarstellung ()“ „Es wird die irrtümliche Einfügung () beseitigt () – Und, und, und, ich könnte das noch weiter fortsetzen.

Das relativiert das ein bisschen, was du gesagt hast, Kollege Stadler. Ich glaube schon, dass es im Sinne der Bürgerfreundlichkeit wichtig wäre, gleich von Haus aus klare legistische Maßnahmen zu setzen und die Gesetze so zu fassen, dass sie von allen verstanden werden, dass sie einfach zu exekutieren sind und die Bürger nicht aufgrund unklarer Regelungen unter Umständen in die Bredouille kommen, denn das verursacht zumindest Ärger, in den meisten Fällen aber auch Kosten.

Das wäre vielleicht möglich, wenn man die Gesetze immer rechtzeitig macht und man nicht wartet, bis ein Vertragsverletzungsverfahren vor der Tür steht. Ich erinnere nur – ist nicht Ihr Ressort  an das Energieeffizienzgesetz, mit dem wir uns sicher auch noch einmal befassen müssen, auch das strotzt nur so vor unklaren Regelungen. Das ha-
ben wir als gereifte Demokratie eigentlich wirklich nicht notwendig, dass wir so viele schlampige Gesetze haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.51


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


15.51.05

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Herr Mi­nister! Der Tagesordnungspunkt 8 ist eine recht umfangreiche Sammelnovelle, die nöti­ge Änderungen über eine sehr, sehr breite thematische Palette enthält, auf die meine Vorredner auch schon eingegangen sind. Es fällt unter anderem auch die Anerkennung von Nicht-EU-Führerscheinen hinein, die Qualitätssicherung bei der Mehrphasenaus­bildung, Regelungen für Feuerwehrleute mit einer Anhebung der Promillegrenze von 0,1 auf 0,5, da sie ja im freiwilligen Bereich sind und sonst nie ein Krügel Bier zum Es­sen genießen könnten. Weiters werden EU-Anpassungen vor allem im Fahrschulwe­sen bis hin zu Korrekturen an der Umsetzung der EU-Führerscheinrichtlinie und auch die teilweise Reintegration der Bundesanstalt für Verkehr und ihrer Aufgaben ins BMVIT in der Novelle abgebildet.

Das sind alles notwendige, sinnvolle Änderungen. Wir werden hier auch gerne zustim­men. Zustimmen können wir vor allem deswegen, weil ein sehr schwerwiegender Punkt wieder herausgenommen wurde, der im Begutachtungsentwurf noch drinnen war, näm­lich die Anhebung der Promillegrenze für Berufs-Lkw-Fahrer auf 0,5 Promille.

2011 ist die Promillegrenze für Lkw-FahrerInnen auf 0,1 Promille abgesenkt worden, und das ist auch gut so. Manche Berufsgruppen tragen mehr Verantwortung für die Ge-


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sundheit ihrer Mitmenschen als andere, und 38 Tonnen sind sehr, sehr viel Verantwor­tung. Die Sicherheit muss also in jedem Fall so hoch wie möglich angesetzt sein. – Dan­ke schön. (Allgemeiner Beifall.)

15.52


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Minister Stöger hat sich noch zu Wort ge­meldet. – Herr Minister, bitte.

 


15.52.58

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Aus meiner Sicht ist das wichtig, und ich möchte diesen Vorwurf auch zurückweisen, denn: Es werden in Österreich konsequent gute Gesetze gemacht. Es hängt aber damit zusammen, dass die Komplexität gerade im Führerscheinbereich massiv zugenommen hat, weil es auch darum geht, die Kom­plexität zwischen der Europäischen Union und dem österreichischen Recht herzustel­len und in einer gewissen Ungleichzeitigkeit die richtigen Themen zu setzen.

Wenn die Mitarbeiter beschreiben, dass es zu einem Rechtsausgleich kommt, dann müs­sen sie das auch in den Erläuterungen beschreiben und sagen, mit dieser Novelle wird Rechtssicherheit hergestellt, werden Unsicherheiten, die sich in einer unterschiedlichen Beurteilung durch das europäische Gericht und durch die europäischen Normen ergeben haben, hintangehalten. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Es ist uns bei diesem Gesetz auch gelungen, pragmatische Lösungen zu finden, insbesondere wenn es darum geht, dass man Busse mit bis zu acht Personen auch mit dem C-Führer­schein fahren darf. Für solche Regelungen haben wir sicherstellen können, dass die von der Europäischen Kommission auch anerkannt werden und dass in diesem Be­reich Rechtssicherheit eintritt.

Meiner Überzeugung nach sind diese Führerscheinregelungen gute und bringen für die Österreicherinnen und Österreicher Rechtssicherheit. In diesem Sinne: Herzlichen Dank für Ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.55

15.55.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

15.56.019. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend Rücktritt vom Interna­tionalen Energie-Agentur Durchführungsübereinkommen zur Errichtung des Koh­letechnischen Informationsdienstes (500 d.B. und 652 d.B. sowie 9393/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Informationsweiterverwendungsgesetz geändert wird (629 d.B. und 656 d.B. sowie 9394/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 125

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Maschinen, Geräten, Ausrüstungen oder deren Tei­le oder Zubehör im harmonisierten Bereich und die Notifizierung von Konformitäts­bewertungsstellen (Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG; MING) (630 d.B. und 657 d.B. sowie 9395/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu allen drei Punkten ist Herr Bundesrat Temmel. Ich bitte um die Be­richte.

 


15.57.10

Berichterstatter Walter Temmel: Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her an den Fernsehgeräten! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend Rücktritt vom Internationalen Energie-Agentur Durchführungsübereinkommen zur Errichtung des Kohletechnischen Informationsdienstes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt Ihnen der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Informa­tionsweiterverwendungsgesetz geändert wird, in schriftlicher Form vor; ich komme da­her gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt Ihnen der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz über das Inverkehrbrin­gen von Maschinen, Geräten, Ausrüstungen oder deren Teile oder Zubehör im harmoni­sierten Bereich und die Notifizierung von Konformitätsbewertungsstellen (Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG; MING) in schriftlicher Form vor; ich komme deshalb gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte.

Ich möchte Sie aber darauf hinweisen, dass wir in einer Dreiviertelminute unterbrechen müssen. (Heiterkeit.) Oder wir unterbrechen gleich, und ich darf Sie dann später noch einmal aufrufen. (Bundesrat Köck verlässt das Rednerpult. Allgemeiner Beifall.)

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung und darf bei uns Frau Innenministerin Mikl-Leitner recht herzlich begrüßen.


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16.00.01Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Inneres betreffend Grenzkontrollen (3082/J-BR/2015)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bun­desministerin für Inneres.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Brückl als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfra­ge das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.00.14

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Ich darf mich gleich bei Ihnen bedanken, dass Sie hier­hergekommen sind. Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer!

Sowohl in den letzten Sitzungen des Bundesrates als auch heute wieder in der Er­klärung des Herrn Landeshauptmannes von Oberösterreich und in der Diskussion mit den EU-Parlamentariern ist zum Ausdruck gekommen, dass eines der vordringlichsten Probleme, die Österreich derzeit hat, die ungelöste Flüchtlings- und Zuwanderungsfra­ge ist.

Aus diesem Grund richten wir, geschätzte Frau Bundesminister, eine Anfrage an Sie, die ich wie folgt begründe: Man hat in der Vergangenheit lange Zeit durch die Aufgabe der Grenzkontrollen billigend in Kauf genommen, dass es zu gravierenden Erschwer­nissen bei der Verhinderung illegaler Einreisen nach Österreich, bei der Ergreifung von Straftätern sowie bei der Eindämmung des grenzüberschreitenden Kriminaltourismus ge­kommen ist.

Jeder, der schon einmal Opfer einer Straftat geworden ist, weiß, wie betroffen man in Anbetracht der Hilflosigkeit ist, der man gegenübersteht. Ich weiß, wovon ich rede, werte Kolleginnen und Kollegen, denn auch mir und unzähligen anderen Anwohnern hat man in einer Tiefgarage eines genossenschaftlichen Wohnhauses das Auto aufge­brochen.

Doch dieser Kriminaltourismus erscheint in Anbetracht der derzeitigen Situation und der scheinbaren Überforderung der Bundesregierung nur mehr sehr klein, denn immer deut­licher tritt zutage, wie dramatisch die Situation in Österreich mittlerweile ist. 370 Flücht­linge pro Tag kommen zu uns, Frau Minister. Ihre Worte: kaum machbar, kaum schaff­bar, überquellende Flüchtlingslager, Kapazitätsnotstände – das haben Sie heute ge­sagt, Frau Bundesminister.

Erfolglose Asylgipfel, die mittlerweile – habe ich den Eindruck – nur deswegen so hei­ßen, weil das Ergebnis dieser Asylgipfel in Wirklichkeit nur darin besteht, dass sie in ei­nem Zwist innerhalb der Regierung gipfeln. Kaum beherrschbare Zeltstädte in großen Städten wie Linz. Unfrieden in vielen, auch in kleinen Landgemeinden, weil die Men­schen nur unzureichend oder teilweise auch gar nicht im Vorfeld informiert werden.

All das sorgt dafür, dass die Menschen den Eindruck haben, da läuft in Österreich et­was aus dem Ruder, und diese Regierung schafft es nicht, dies wieder ins Lot zu brin­gen.

Wem es an Beweisen noch gemangelt hat, der braucht nur in den Presseaussendun­gen und Mitteilungen der bayerischen und bundesdeutschen Regierung und Polizei nachzulesen. Im Zuge des G7-Gipfels trat in erschreckender Deutlichkeit zutage, dass


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die Warnungen in der Vergangenheit vor entstandenen Sicherheitslücken mittlerweile bit­tere Realität sind.

Ich zitiere aus der unverdächtigen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: Im Zuge der G7-Grenzkontrollen wurden 360 000 Personen bundesweit kontrolliert. 237 Verstöße ge­gen das Betäubungsmittelgesetz wurden festgestellt, 692 Personen wurden nach der Grenzkontrolle zurückgewiesen, und überhaupt wurden 3 517 vorläufig festgenommen. Der überwiegende Teil entfällt dabei auf die bayerische Grenze. Das ist einer der Grün­de, warum der bayerische Ministerpräsident ab Juli, also seit gestern, wieder die Schlei­erfahndung ausgedehnt hat und in Bayern 500 zusätzliche Polizisten zum Einsatz kom­men.

Bayern wird auch die Innenministerkonferenz in der Bundesrepublik mit diesen Ergeb­nissen befassen, denn auch andere Bundesländer waren betroffen. So wurden an den Grenzen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland insgesamt 34 500 Personen kontrol­liert, wovon es bei 5 050 Personen Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfol­gung gegeben hat.

Für Österreich ist die Situation in vielen Bereichen mindestens genauso prekär. Bei­spiele: Kurz vor dem Grenzübergang Suben – ich habe das in der letzten Sitzung auch schon erwähnt – an der bayerisch-österreichischen Grenze haben kaltblütige Schlep­per in Anbetracht der offensichtlich ihnen bis dahin nicht bekannten oder sie überra­schenden Kontrollen ganze Flüchtlingsfamilien auf der Autobahn ausgesetzt, sodass die heimischen Polizisten gezwungen waren, diese Menschen aufzufinden und aus dem Gefahrenbereich zu bringen.

Durch die wenigen Tage der Kontrolle an der bayerischen Grenze ist es in Italien zu spürbaren Problemen gekommen, weil die verbrecherischen Schlepper die Menschen nicht wie gewohnt nach Deutschland weiterschicken konnten und diese daher in Italien und in Österreich festsaßen, so zum Beispiel auf dem Bahnhof in Mailand. Da muss man erwähnen – und das ist erwähnenswert –, dass die größte Angst dieser Menschen darin bestanden hat, dass sie erkennungsdienstlich erfasst würden und sie deshalb in Italien Asyl beantragen müssten und nicht mehr weiter nach Österreich oder in die BRD reisen könnten. Auch das sollte uns nachdenklich stimmen.

Wir wissen, dass Italien die Menschen, die zum überwiegenden Teil aus Afrika kom­men, einfach weiterschickt. Deshalb macht jetzt auch Frankreich die Grenze dicht. Die Schweiz schottet sich ab. Ungarn zieht einen Zaun auf, löst oder will das Dublin-III-Ab­kommen aussetzen. Auch wenn manches mittlerweile wieder relativiert wurde, sind Ab­schiebungen aus Österreich dorthin trotzdem gestoppt worden. Auch Dänemark hat jetzt beschlossen, Grenzkontrollen wieder einzuführen.

Da, Frau Bundesminister, muss Österreich endlich reagieren. Bislang ist nichts ge­schehen, und das ist – und ich habe das heute schon einmal zum Ausdruck gebracht – auch der Grund, warum die Menschen in unserem Land so verbittert gegenüber dieser Bundesregierung sind: weil die Bundesregierung den Eindruck vermittelt, dass die der­zeitige Situation von ihr nicht mehr bewältigt werden kann.

Ich bin lernfähig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herr Landeshauptmann Pühringer hat mir heute mitgeteilt: Man spricht nicht von Chaos. Das tut man nicht, zumindest nicht als Freiheitlicher. Bayerische Zeitungen, österreichische Zeitungen dürfen das. Wir als Freiheitliche nicht. Aber es sei dahingestellt.

Kommt man überhaupt auf die Sprache zu sprechen, sollte auch die Österreichische Volkspartei mit ihrer Schwesterpartei, der bayerischen CSU, einmal ein ernstes Wort reden, denn wenn ich mir ansehe, was da getitelt, was da plakatiert wird – uns Freiheit­liche würde man dafür zurechtweisen. Aber nur ein paar Beispiele dafür, was die CSU plakatiert:


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„Wer bei uns als Asylbewerber nicht anerkannt wird, muss ausreisen.“

Oder: „Die Empörungsspezialistin der Republik, Claudia Roth, wäre gut beraten, ihr Hirn einzuschalten, bevor sie wild gegen die Flüchtlingspolitik der CSU polemisiert.“

Oder: Nein zum Asylmissbrauch.

Oder: „Um die Flüchtlingsströme zu stoppen, müssen die Probleme in den Herkunfts­ländern angegriffen werden.“

Oder: Wir dürfen „die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung nicht überstrapazieren“.

Geschätzte Damen und Herren, eine Reihe von Politikern in Österreich, insbesondere von SPÖ und ÖVP, sind mittlerweile der FPÖ-Forderung nach Grenzkontrollen gefolgt und treten ebenfalls für die Einführung von Grenzkontrollen, von temporären Grenz­kontrollen, zeitlich begrenzten Grenzkontrollen, ein, so zum Beispiel die Landeshaupt­männer Hans Niessl aus dem Burgenland, Günther Platter aus Tirol, Dr. Pühringer, Dr. Haslauer, Dr. Pröll, und auch die Landeshauptleute Peter Kaiser und Mag. Markus Wallner aus Vorarlberg können sich Grenzkontrollen durchaus vorstellen.

Frau Bundesminister! Die Einführung von temporären, von zeitlich begrenzten Grenz­kontrollen ist überfällig, denn – und ich schließe mich einem Zitat, wiederum einem Zi­tat der bayerischen Christlich-Sozialen Union, der CSU, an, die sagt:

„Wer nicht handelt, nimmt die Überlastung unserer Gesellschaft schulterzuckend in Kauf.“

Und das ist eine Gefahr. (Beifall bei der FPÖ.)

16.08


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich die Frau Bundesministerin für Inneres zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minister.

 


16.08.27

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich darf mich für diese Dringliche Anfrage herzlich bedanken, weil ich dadurch auch die Chance und die Möglichkeit habe, Sie über das Thema Asyl sowie über das Thema Grenzschutz beziehungsweise Grenzkontrollen zu informieren.

Lassen Sie mich aber vorab eines festhalten: Die Kriminalität ist in Österreich in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen, sondern permanent gesunken. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, können Sie jederzeit nachlesen – entweder auf der Home­page des Innenressorts oder auch in jedem Sicherheitsbericht.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Brückl! Ich bitte Sie, ich ersuche Sie: Machen Sie nicht immer den gleichen Fehler und versuchen Sie nicht in Permanenz, die Flüchtlinge mit Kriminellen gleichzustellen, als ob jeder Asylsuchende ein Krimineller wäre! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Es stimmt schlichtweg nicht. Es ist eine reine Unterstellung. Wahr ist, dass wir in Öster­reich eine lange Tradition im Bereich der Hilfe und Unterstützung von Flüchtlingen ha­ben. Seit 1945 sind 2 Millionen Menschen nach Österreich gekommen und haben hier Schutz und Hilfe gesucht. Rund 700 000 von diesen 2 Millionen Menschen sind bei uns geblieben.

Ja, es stimmt, wir stehen jetzt vor ganz großen Herausforderungen, was vor allem die Asylanträge betrifft; Asylanträge, die natürlich ihren Ursprung in den Krisenregionen in Syrien, Afghanistan, in den nordafrikanischen Staaten haben, bei denen eine ganz kla-


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re Differenzierung zwischen den Kriegsflüchtlingen, Verfolgten auf der einen Seite, und den Wirtschaftsflüchtlingen auf der anderen Seite wichtig und notwendig ist.

Zu den Zahlen: Aktuell kommen täglich in etwa 250 bis 300 Menschen nach Öster­reich, gestern waren es 308 Asylantragsteller, vorgestern waren es sogar 367, aber in den letzten Tagen rund 250 bis 300, das sind in etwa 1 800 Asylanträge pro Woche.

Wie viele Menschen befinden sich in der Grundversorgung? – Es sind dies derzeit 41 236 Menschen, die in der Grundversorgung sind, und wenn wir unseren Experten Glauben schenken, dann müssen wir davon ausgehen, dass bis Ende dieses Jahres 70 000 Menschen bei uns in Österreich einen Asylantrag stellen. Ich verhehle auch nicht, dass Österreich mittlerweile zum Zielland Nummer eins geworden ist. Das heißt, Österreich hat Schweden mit Mai überholt, und wir haben eine ganz große Kraftan­strengung vor uns beziehungsweise müssen auch erkennen, dass wir auch fast an der Grenze des Belastbaren angelangt sind.

Die Zahl der Schlepperaufgriffe ist – auch das lässt sich ablesen – in den letzten Mo­naten permanent gestiegen. Österreich befindet sich in der Situation, dass wir nicht nur von den Migrationsströmen betroffen sind, die über das Mittelmeer, über Italien kom­men, sondern auch von jenen Flüchtlingsströmen, die über den Balkan kommen. Ös­terreich ist noch wesentlich mehr von den Flüchtlingsströmen betroffen, die über den Balkan kommen, nämlich über die serbisch-ungarische Grenze, über Ungarn direkt nach Österreich.

Deshalb ist es meines Erachtens auch wichtig, eine österreichisch-ungarische Allianz zu schmieden. Deswegen war ich auch gestern oder vorgestern direkt vor Ort beim un­garischen Innenminister, wo auch ein Treffen mit dem serbischen Innenminister statt­gefunden hat, um diese Zusammenarbeit bei der Grenzsicherung letztendlich auch zu schmieden beziehungsweise zu unterstützen.

Welches Angebot haben wir seitens Österreichs gemacht? – Wir haben zugesagt, dass 80 Polizistinnen und Polizisten vor allem die Mannschaft direkt in Ungarn und Serbien verstärken werden, wir werden vor allem auch die gemeinsamen gemischten Ermitt­lungsgruppen im Kampf gegen organisierte Schlepperkriminalität intensivieren, und wir haben auch vor, in jedem dieser Länder einen Single Point of Contact zu machen, das heißt eine Ansprechstelle für die grenz- und kriminalpolizeiliche Zusammenarbeit, um eben in der Bearbeitung noch effizienter sein zu können.

Was es aber natürlich darüber hinaus auch braucht, sind Antworten der Europäischen Kommission, Antworten auf der europäischen Ebene, wie eine verpflichtende faire Quote für alle 28 Mitgliedstaaten beziehungsweise auch nachhaltige Konzepte, bei denen es darum geht, legale Wege zu schaffen, wo wir direkt in den Herkunftsstaaten ansetzen müssen, mit Unterstützung von UNHCR.

Gestatten Sie mir aber jetzt, direkt zu Ihren Fragen überzuleiten, die ich Ihnen jetzt auch beantworten darf. Ich darf mit Frage 1 beginnen.

Was den G7-Gipfel betrifft: In Österreich befanden sich die Einsatzräume in allen grenz­nahen Bundesländern zu Deutschland, sprich Salzburg, Oberösterreich, Vorarlberg und Tirol, natürlich mit dem Schwerpunkt Tirol. Im Einsatzraum Tirol wurden seitens der Poli­zei Raum- und Objektschutzmaßnahmen sowie Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt.

Zur Frage 2:

Was die Kosten betrifft, bitte ich um Verständnis: Die Feststellung der entstandenen Kosten für den G7-Gipfel ist aufgrund der zeitnahen Beendigung des Einsatzes noch in Bearbeitung und liegt noch nicht vor.


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Zu den Fragen 3 und 4:

Zu den Gesetzesverstößen wird festgestellt, dass in Österreich keine Grenzkontrollen durchgeführt worden sind, aber es im Einsatzraum zu folgenden Verstößen gekommen ist: Es kam zu 36 Festnahmen wegen verwaltungs- und strafrechtlicher Delikte, zu 5 300 Identitätsfeststellungen gemäß dem Sicherheitspolizeigesetz, 571 Identitätsfest­stellungen nach dem Fremdenpolizeigesetz, es kam zu 1 198 fremdenpolizeilichen Auf­griffen im Inland, 548 Zurückweisungen von Illegalen aus Deutschland und 676 Zurück­schiebungen von unrechtmäßig Aufhältigen nach Italien, fünf Zwangsmittelanwendun­gen wurden durchgeführt.

Zur Frage 5:

Im Zeitraum der von Deutschland durchgeführten Grenzkontrollen wurden durchschnitt­lich 263 Asylanträge pro Tag registriert.

Zur Frage 6:

In der Woche zuvor, sprich vom 18. bis 24. Mai, wurden durchschnittlich 231 Asylan­träge pro Tag in Österreich registriert.

Zur Frage 7:

Von den bis 31. Mai 2015 erfolgten 20 620 Asylantragstellungen wiesen 10 946 Perso­nen keine Eurodac-Treffer auf.

Zur Frage 8:

Es gibt keine statistischen Aufzeichnungen von Asylwerbern, die ohne Eurodac-Regis­trierung aus Italien kommen.

Zur Frage 9:

Auch zum G7-Gipfel: Aufgrund der umfangreichen Vorbereitungsarbeiten in Deutsch­land und Österreich ist es gelungen, die Veranstaltung ohne wesentliche Zwischenfälle in Österreich abzuwickeln, und wir können sagen, die Zusammenarbeit zwischen der Polizei in Deutschland und Österreich hat bestens, ja hervorragend funktioniert.

Zur Frage 10:

Die durchgeführten verstärkten AGM-Maßnahmen haben sich auch während des G7-Gipfels bewährt. Aus diesem Grund besteht auch kein Anlass, die Vorgangsweise ab­zuändern. Sofern bei einem künftigen Ereignis eine ernsthafte beziehungsweise schwer­wiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit zu erwarten sein wird, werden auch wir die Wiedereinführung von Grenzkontrollen als letztes Mittel, wie bereits bei den vorangegangenen Ereignissen, in Betracht ziehen.

Zur Frage 11:

Die internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit den betroffenen Nachbarstaaten Italien und Ungarn, wurde auf bi- und multilateraler Ebene mit dem Ziel verstärkt, ge­meinsame Maßnahmen gegen die illegale Migration zu setzen. Als Beispiel für Maß­nahmen können die bi- und trilateralen Streifen Deutschland, Österreich und Italien auf der Straße und im Zug angeführt werden. Aufgrund des derzeitigen Migrationsdruckes wurden seit Anfang Mai zusätzlich auch bilaterale Streifen mit Italien zwischen Udine und Klagenfurt eingerichtet. Darüber hinaus gibt es umfangreiche Maßnahmen mit Un­garn, Serbien und Deutschland, wie eben gemischte Streifen oder gemeinsame Zug­kontrollen. Zudem werden österreichische Polizisten wie in den letzten Jahren auch in den Sommermonaten in den Häfen Triest, Bari und Ancona unterstützend wirken.

Zur Frage 12:

Wir haben auf EU-Ebene immer darauf gedrängt, die Spielregeln hinsichtlich Grenz­kontrollen und Dublin einzuhalten. Weiters habe ich auch immer klar bei den Innen­ministerräten darauf gedrängt, dass alle Mitgliedstaaten ihre Hausaufgaben betreffend


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die Erfüllung der EU-Verträge einzuhalten haben beziehungsweise die Hausaufgaben zu machen haben.

In diesem Sinne unterstütze ich die Idee der Europäischen Kommission in der europäi­schen Migrationsagenda, die im März präsentiert worden ist, sogenannte Hotspots, al­so Anlaufstellen, direkt an den EU-Außengrenzen zu installieren.

Was ist das Ziel dieser Hotspots? Was ist das Ziel dieser Anlaufstellen? – Die Migran­ten, die kommen, direkt erkennungsdienstlich zu behandeln und zu registrieren und ih­nen Fingerabdrücke abzunehmen. Personen, die Asyl beantragen, sollen dann unver­züglich in das Asylverfahren überführt werden. Bei nicht schutzbedürftigen Personen wird Frontex die Mitgliedstaaten durch Koordinierung der Rückführung irregulärer Mi­granten unterstützen, und das halte ich einfach für wichtig und notwendig.

Bei der Zerschlagung von Schlepper- und Menschenhandelsnetzen erhalten die Auf­nahmemitgliedstaaten Hilfe durch die Ermittlungen von Europol und Eurojust. Auf na­tionaler Ebene bekämpft die Bundespolizei die Praktiken der Schlepperorganisationen insbesondere durch gezielt mobile Kontrollen im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen und gemischten Kontrollteams.

Diese mobilen Kontrollen sind nachweislich wesentlich effizienter als stationäre und von Schleppern berechenbare Grenzkontrollen. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen wer­den auch temporäre Schwerpunktaktionen in den grenznahen Gebieten einschließlich der grünen Grenze durchgeführt.

Ergänzt werden die innerösterreichischen Maßnahmen durch eine enge Zusammenar­beit und abgestimmte Maßnahmen mit unseren Nachbarländern, wie bereits gesagt, wie eben durch gemischte Streifen.

Zur Frage 13:

Wir unterstützen Ungarn im Rahmen der dort stattfindenden Frontex Joint Operation, und zwar sowohl mit Personal als auch mit Wärmebildfahrzeugen. Zusätzlich unterstüt­zen wir Ungarn gemeinsam mit Deutschland bei der Kontrolle von Passagieren in den internationalen Reisezügen auf der Bahnstrecke Budapest–Györ durch den Einsatz von österreichischen Polizeibeamten in trilateralen Kontrollteams.

Zur Frage 14:

Der Umfang des Personaleinsatzes bei der eingesetzten Technik richtet sich nach den Anforderungen von Frontex. Durchschnittlich sind sechs bis zehn österreichische Poli­zeibeamte im Rahmen dieser Frontex-Maßnahme tätig. Für die trilateralen Zugskon­trollen stellen wir Ungarn zwei Polizeibeamte zur Verfügung.

Zur Frage 15:

Frontex übernimmt im Rahmen der Joint Operation an der ungarischen Grenze sämtli­che Aufenthaltskosten, Reisegebühren, Kilometergeld für Dienstfahrzeuge, aber nicht die Personalkosten. Wir tragen die Kosten für die im Rahmen der trilateralen Zugskon­trollen eingesetzten Beamten.

Zur Frage 16:

Seit Mai unterstützen unsere Mitarbeiter die serbischen Grenzpolizisten bei der Über­wachung der grünen Grenze zu Ungarn auf serbischer Seite. Wie gesagt und Ihnen bereits mitgeteilt, eine Erweiterung ist in Planung, und diese Mitarbeiter sind ab nächs­ter Woche stationiert. Das heißt, in Summe werden 80 österreichische Polizisten im Einsatz sein, jeweils zweimal ein Zehner-Team direkt vor Ort stationiert.

Zur Frage 17:

Auch Frankreich und Dänemark haben keine Grenzkontrollen an den Binnengrenzen eingeführt, sondern es handelt sich hierbei um lageangepasste Ausgleichsmaßnahmen,


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die wir auch bereits seit vielen Jahren in bewährter Form durchführen. Anderslautende Medienberichte bezüglich Grenzkontrollen in Frankreich und Dänemark haben sich so­mit als Falschmeldungen herausgestellt.

Zur Frage 18:

Die Dublin-III-Verordnung sieht keine Möglichkeit vor, Dublin-Überstellungen auf unbe­stimmte Zeit auszusetzen. Alle EU-Partner haben sich an diese Verordnung, an diese Verpflichtungen zu halten. Selbstverständlich wird die österreichisch-ungarische Ko­operation weiter fortgeführt. Die ungarische Regierung hat sich an die Europäische Kommission gewandt und hat klargestellt, dass es kein Aussetzen von Dublin gibt. Auch Österreich hat diesbezüglich auf allen Ebenen interveniert und zahlreiche Ge­spräche mit Ungarn geführt, sodass innerhalb einiger weniger Stunden das auch aus­geräumt werden konnte.

Zur Frage 19:

Eine Entscheidung von mir, keine Asylwerber nach Ungarn zu überstellen, gibt es nicht. Das heißt, das läuft selbstverständlich weiter, ganz im Sinne von Dublin III.

Zur Frage 20:

Die Ausgleichsmaßnahmen, die wir seit vielen Jahren durchführen, haben sich be­währt. Kontrollen im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen sind effizienter als die statio­nären und von Schleppern berechenbaren Grenzkontrollen. Ergänzend dazu werden ba­sierend auf entsprechenden Analysen zielgerichtet verstärkte Kontrollen in den grenz­nahen Bereichen entlang der grünen Grenze durchgeführt.

Zur Frage 21:

Mehrere Landeshauptleute haben sich in den letzten Monaten in den Medien betref­fend die Wiedereinführung von Grenzkontrollen geäußert. Ja, das stimmt, und ich kann Ihnen sagen: Ja, wir behalten uns auch diese Maßnahme als letztes Mittel vor.

Zur Frage 22:

Die Ausgleichsmaßnahmen, die wir seit vielen Jahren durchgeführt haben, haben sich, wie bereits gesagt, bewährt, und deswegen werden wir die Grenzraumkontrollen der­zeit weiter fortsetzen und, wenn notwendig, auch laufend intensivieren.

Zur Frage 23:

Sofern ein EU-Mitgliedstaat die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnen­grenzen für einen gewissen Zeitraum plant, hat er aufgrund der EU-rechtlichen Vorga­ben dies unter Beachtung entsprechender Fristen sowohl dem Europäischen Parla­ment als auch dem Europäischen Rat zu melden. Eine derartige Meldung beziehungs­weise Notifizierung liegt derzeit nicht vor.

Zur Frage 24:

Die Ausgleichsmaßnahmen, die wir seit vielen Jahren durchführen, haben sich be­währt. Deswegen werden wir das weiterhin fortsetzen und, wie gesagt, auch intensi­vieren. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen werden wir uns, wie in dieser Beant­wortung der Dringlichen Anfrage bereits schon gesagt, auf alle Fälle als letztes Mittel vorbehalten.

Das waren die Antworten zu den 24 Fragestellungen. Ich darf ein herzliches Danke für diese Fragen sagen und hoffe, dass Sie dadurch eine umfassende Information erhalten haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

16.25


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 133

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


16.26.12

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin Zwazl schaut schon erwartungsvoll. (Bundesrätin Zwazl: Ich habe mir gedacht !) – Ja, dann sei aufmerk­sam, Frau Kollegin! Pass gut auf!

Frau Bundesministerin, ich darf Sie zu Beginn meiner Ausführungen gleich einmal kor­rigieren. Sie haben gesagt, Kollege Brückl hätte unterstellt, dass alle Flüchtlinge Krimi­nelle wären. – Das hat er mit keinem Wort gesagt. (Bundesministerin Mikl-Leitner: In­direkt!) – Nicht einmal indirekt hat er das gesagt, Frau Bundesminister.

In Österreich ist es – das haben Sie selbst gesagt – eine gute und lange Tradition, Flücht­lingen zu helfen. Was allerdings dieser Tage in Bezug auf die Flüchtlingsströme so­wohl, was die Quantität, als auch, was die  (Bundesrat Mayer: Qualität!) Auswirkun­gen betrifft – Stichwort Zeltlager und dergleichen –, der Bevölkerung zugemutet wird, kann man mit dem nicht vergleichen, was man unter der althergebrachten Position Ös­terreichs als der Flüchtlingstradition gern nachkommendes Land verstehen will oder was man diesbezüglich historisch gesehen subsumieren kann. (Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

Damals waren es – Tschechien, Ungarn, Bosnien – Nachbarn, denen auf der Basis der Solidarität bilateral nahestehender Völker geholfen wurde. Heute haben wir das Pro­blem, dass aus aller Herren Länder, aus allen Kontinenten Menschen zu uns kommen, die das große Wirtschaftsmekka Österreich – oder den Sozialstaat Österreich – für ihre Zukunft als ideal sehen. Dass in diesem Strom auch vielfach nicht nur gutgesinnte Menschen nach Österreich kommen, sondern auch zahlreiche Kriminelle, das, glaube ich, brauche ich Ihnen nicht zu erklären, das beweisen Ihre Statistiken. Das war das, was auch der Kollege Brückl angesprochen hat.

Vielleicht kennen Sie Ihre Statistik nicht so aus dem Stegreif, aber da kann ich Ihnen helfen. Der Bezirk Bruck an der Leitha in Niederösterreich, als Grenzbezirk, hat im ver­gangenen Jahr ein Plus von 12,7 Prozent in der Kriminalstatistik ausgewiesen. Auch das war es, was Kollege Brückl angesprochen hat. (Bundesrat Mayer: Das ist ein Ein­zelfall!) – Ja, das ist natürlich eine Ausnahmeerscheinung, so wie überall in Österreich, wo halt die Kriminalität temporär gestiegen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Todt.)

Sicher, es ist natürlich auch eine Art, mit Scheuklappenpolitik durch das Leben zu ge­hen. Das sollten Sie, Kollege Mayer, eigentlich besser wissen. (Bundesrat Schreuder: Lesen Sie den Kriminalitätsbericht!) – Ich kenne ihn eh: 12,7 Prozent in Bruck an der Leitha, Grenzbezirk. (Bundesrat Schreuder: Asylwerber und Kriminalität nicht ver­mischt!) – Kollege Schreuder, was wird denn da schon wieder hineininterpretiert? (Bun­desrat Schreuder: Du sprichst über Asylpolitik und vermischst das mit der Kriminali­tätsrate!) – Nein, lass mich ausreden. Du kannst noch etwas lernen. (Bundesrat May­er: Da kann man nichts lernen!) Pass gut auf, ich sage dir schon, was noch kommt.

Was jedoch – und das führt mich wieder zum eigentlichen Thema zurück – besonders erschreckend für mich, aber wahrscheinlich auch für eine Vielzahl von Menschen in der österreichischen Bevölkerung ist, ist der Umstand, dass man in einer kurzen Zeitphase, wenige Tage oder auch Wochen, trotz der Vielzahl der dort aufgebrachten Polizeibe­amten – rund 25 000 Polizeibeamte, ungefähr 23 000 in Deutschland und 2 000 in Ös­terreich – eine erschreckend hohe Anzahl an Aufgriffen, sei es jetzt strafrechtlich, frem­denrechtlich, illegaler Grenzübertritt, seien es Haftbefehle, festgestellt hat.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 134

Das führt mich zu der Erkenntnis, dass man eigentlich die Sicherheitspolitik in Öster­reich, sage ich einmal, als gescheitert betrachten kann. Wenn nicht einmal die Rechts­brecher, wohl wissend, dass dort ein Großaufgebot an Polizei vor Ort ist und die Ge­fahr des Ertapptwerdens um ein Vielfaches höher als normal ist, das zur Kenntnis neh­men und offensichtlich der Meinung sind, es kann ihnen nichts passieren, dann möchte ich gar nicht erst wissen, wie es an den österreichischen Grenzen zugeht, wenn dort keine Vielzahl an Polizisten tätig ist und keine Aussetzung des Schengen-Abkommens erwogen wird. Wobei man sagen muss, dass nur Deutschland Schengen ausgesetzt hat, wir haben es ja nicht ausgesetzt.

Ich denke, es ist ein sehr negatives, wenn auch sehr authentisches Feedback über den Zustand der österreichischen Sicherheitspolitik. Und so denke ich, dass man diese Po­litik, die hier betrieben wird, weder als effizient noch als nachhaltig bezeichnen kann. Ich glaube auch, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, diese Fremden- und Asylpolitik ist gescheitert, die von Ihnen gelebte Fremden- und Asylpolitik ist geschei­tert.

Wir haben heute – das haben Sie schon erwähnt – rund 250 bis 300 Asylanträge pro Tag, 2 000 pro Woche. Die von Ihnen hochgerechnete Zahl 70 000 für das restliche Jahr ist auch noch nicht gesichert, denn es könnten unter Umständen noch mehr werden. Und ich darf daran erinnern, dass wir als Freiheitliche Partei bereits vor Jahren auf die Problematik der wohlwollenden und sehr oberflächlichen Darstellung in Öster­reich in Bezug auf das, was fremde Gäste, die zu uns kommen, dürfen und was nicht, welche großartigen Leistungen sie bekommen und was ihnen alles zusteht, hingewie­sen haben. Wir haben schon damals in Bezug auf diesen Aspekt darauf hingewiesen, dass wir uns auf einem Weg befinden, bei dem es natürlich nur allzu verständlich ist, dass aus allen Kontinenten Leute zu uns strömen, weil für die ja Österreich das Mekka schlechthin sein muss.

Es ist von der Einstellung dieser Menschen her auch nachvollziehbar, dass sie sich ih­ren wirtschaftlichen Status woanders verbessern wollen, noch dazu, wenn die Bot­schaft offensichtlich bis in die kleinsten Dörfer in afrikanische Gebiete getragen wird, wo man Österreich besser kennt als Amerika und wo man weiß: Österreich ist das gelobte Land, dort müsst ihr hin. Sie haben selbst heute erwähnt, dass Österreich mittlerweile das Zielland Nummer eins ist. Diese Entwicklung, die wir damals schon aufgezeigt haben, ist heute leider traurige Realität geworden, indem wir heute nicht wissen, wohin mit den vielen Flüchtlingen.

Die einzige Ansage, die man diesbezüglich tatsächlich machen kann, ist – und da be­finden wir uns ja in guter Gesellschaft, denn nicht nur die Freiheitliche Partei, sondern auch, wie Kollege Brückl zitiert hat, viele Landeshauptleute sagen das mittlerweile –: Temporäre Grenzkontrollen sind das Mittel, das Gebot der Stunde. Warum Grenzkon­trollen? – Jetzt kann man sagen: Na ja, das ist jetzt halt eine Geschichte, da machen wir halt kurzfristig zu. Aber diese Grenzkontrollen bieten ja mehr als eine Selektion am Eingang zu Österreich. Diese Grenzkontrollen können einmal grundsätzlich ausfiltern: Wer ist tatsächlich Asylberechtigter und wer nicht? Verfügt jemand über Papiere oder nicht? Besteht überhaupt ein berechtigter Anspruch, die Republik Österreich zu betre­ten, oder nicht?

Grenzkontrollen können wesentlich dazu beitragen, dass wir nicht nur überbordende Flüchtlingsströme in Österreich zu bewältigen haben, sondern (Bundesrat Schödin­ger: Hast du jemals an der Grenze Dienst gemacht? Das ist !) – Kollege Schödinger, beruhige dich wieder, das ist schlecht für den Blutdruck, wenn du dich so aufregst – auch dazu, dass wir es im Ablauf des Dublin-III-Verfahrens auch leichter gestalten könn­ten, diese Personen wieder zurückzuschicken, nämlich an das Land, in dem sie erst­mals europäischen Boden betreten haben.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 135

Aus diesem Grund sind diese Grenzkontrollen so wichtig, nicht nur als Lenkungsmaß­nahme, sondern auch um sicherzustellen, dass wir diesem Zustand, der heute vor­herrscht – nämlich, dass Menschen zu uns kommen, die vermeintlich nicht wissen, wo sie herkommen, nicht wissen, wie sie heißen, keine Papiere vorweisen können und bei denen damit eine Rückbringung bei negativer Asylfeststellung auch faktisch unmöglich ist –, entsprechend begegnen können. Dem könnte man damit sehr gut begegnen, und man könnte natürlich auch wirkungsvoll nachsetzen.

Ich darf daher der eindringlichen Forderung nach Grenzkontrollen hier noch einmal Aus­druck verleihen – wir haben das ja schon mehrmals öffentlich dargestellt – und zu die­sem Zwecke auch einen Antrag einbringen, nämlich den Entschließungsantrag der Bun­desräte Brückl, Mühlwerth und Herbert, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung temporärer Grenzkontrollen

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, auf Grund der unkontrollierten Mi­gration von Flüchtlingen, der steigernden Schleppertätigkeit und des Kriminaltourismus schnellst möglich temporäre Grenzkontrollen einzuführen.“

*****

Ich darf Sie einladen, diesen Antrag zu unterstützen, und darf Sie, Frau Bundesminis­terin, auch einladen, den Weg der drei goldenen W, den das Innenministerium diesbe­züglich wohl zurzeit beschreitet – Sie kennen die drei goldenen W: Wir wurschteln wei­ter –, endlich zu verlassen und richtige Maßnahmen zu setzen, um die Problematik der Flüchtlingsströme einzudämmen.

Dieser Antrag dazu ist ein wichtiger und richtiger, ein wertvoller Schritt in diese Rich­tung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer (den Vorsitz übernehmend): Der von den Bun­desräten Brückl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend Durchführung temporärer Grenzkontrollen ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schödinger. – Bitte.

 


16.38.13

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Frau Minister! Das, was hier in Form einer Dringlichen Anfrage und eines Entschließungsantrags von der FPÖ eingebracht wurde, das klingt so, als wäre die FPÖ wirklich um das Wohl unserer Bürger besorgt und würde alles nur zum Wohl un­serer Bürger machen. (Bundesrat Herbert: Das sind wir auch, Kollege!)

Wenn ich aber heute an das denke, was der Abgeordnete Vilimsky hier vorne gesagt hat, dann weiß ich nur noch eines, nämlich dass das einzige Interesse der FPÖ darin besteht, unser Land in der Europäischen Union zu isolieren (Bundesrat Herbert: Das stimmt nicht!), wieder in die kleinkarierte Kleinstaatlichkeit zurückzufallen und uns dann von allen anderen abzugrenzen, weil wir ja laut Diktion der FPÖ wahrscheinlich ein Staatssystem wie Russland annehmen werden, die Nachbarstaaten annektieren wer­den und dann dort wirklich gut dazupassen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordne­ten von SPÖ und Grünen. – Bundesrat Herbert: Das ist ja der größte Unsinn!)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 136

Ich möchte zu diesem Punkt noch eines sagen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich möch­te da noch eines dazusagen. Ich komme nämlich auch aus dem Bezirk Bruck an der Leitha, und ich weiß natürlich von den Steigerungen in der Kriminalstatistik. Was der Kollege Herbert aber nicht dazugesagt hat – das gehört hier gesagt –, ist nämlich, dass jeder einzelne illegale Grenzübertritt auch ein Stricherl in der Kriminalstatistik ist. Das heißt, es hat mit dem großen Verbrechen, das sich im Bezirk Bruck an der Leitha ab­spielen soll, nicht das Geringste zu tun. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte, wenn wir schon bei der Statistik sind, einige Zahlen präsentieren, nämlich vom Jahr 2006 und dem Jahr 2015 jeweils die ersten sechs Monate. Warum wollen wir das machen? Im Jahr 2007 war die Schengen-Erweiterung, genauer gesagt: Am 21. De­zember 2007 sind unsere östlichen Nachbarstaaten dem Schengen-Verband beigetre­ten und es wurden dort die Grenzkontrollen aufgehoben. Die angezeigten Fälle in den Grenzbezirken im Zeitraum von Jänner bis Juni 2006 waren 21 747. Die angezeigten Fälle von Jänner bis Juni 2015 waren 18 780. Wenn das richtig wäre, was Sie (in Rich­tung des Bundesrates Herbert) uns hier alles unterstellen, dann müssten diese Fälle massiv in die Höhe gegangen und nicht zurückgegangen sein. Es ist genau das Ge­genteil der Fall. (Ruf bei der FPÖ: Wieso?)

Ich möchte auch dazusagen, warum. Wir haben bis zu jenem Zeitpunkt, wo die Grenz­kontrollen aufrecht waren, unser Territorium kontrolliert. Wir haben alles kontrolliert, was herüber gefahren ist – natürlich in einem gewissen Rahmen. Da muss ich jetzt gleich noch dazusagen: Ich habe im Gegensatz zu dir (in Richtung des Bundesrates Herbert) an der Grenze gearbeitet. Ich habe dort viele Jahre Dienst gemacht und weiß im Gegensatz zu dir auch, wie das funktioniert – das möchte ich schon sagen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Das, was wir mit der Erweiterung der Schengen-Verträge erreicht haben, war, dass wir nicht nur die Grenzkontrollen aufgehoben haben und eine massive Reiseerleichterung für uns in Kraft getreten ist, sondern wir haben auch eine ganz enge Kooperation mit unseren Nachbarstaaten gefunden. Es ist uns zu diesem Zeitpunkt gelungen – es war auch Teil dieses Aufbaus –, mit unseren Nachbarstaaten auch bis in das letzte Detail bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Bekämpfung der illegalen Grenzübertritte zu­sammenzuarbeiten.

Wir haben heute Schengen III, das involviert auch den Prümer Vertrag. Was heißt das? Das heißt eigentlich nur, dass, wenn bei uns jemand kriminalpolizeilich anfällt und er­kennungsdienstlich behandelt wird, diese erkennungsdienstliche Behandlung automa­tisch in allen Schengen-Staaten abgeglichen wird.

Das muss man sich einmal vorstellen: Es gibt Tausende Treffer genau in diesem Fall, woraufhin diese Personen auch an unsere Gerichtsbarkeit ausgeliefert werden. Nur, das sagt niemand, weil das nicht in euer Konzept passt, weil dann dieses ganze Kata­strophenszenario, das gezeigt wird, nicht mehr so aktuell ist. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Jetzt noch einmal zurück zu den Grenzkontrollen. Wir haben eine genaue Vertrags­lage. Es ist uns natürlich möglich, temporäre Grenzkontrollen einzuführen, aber es gibt da eigentlich zwei große Gruppen.

Bei vorhersehbaren Ereignissen können wir das für maximal 30 Tage verlängern, ins­gesamt bis maximal sechs Monate. Das sind vorhersehbare Ereignisse wie zum Bei­spiel Fußballweltmeisterschaft, Fußballeuropameisterschaft und dergleichen. Für un­vorhersehbare Ereignisse haben wir es für maximal zehn Tage, und eine Verlängerung ist möglich um jeweils 20 Tage bis insgesamt zwei Monate. Unvorhersehbar sind extre­me Bedrohungen, die kurzfristig auftreten.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 137

So, wie sich das jetzt darstellt, weiß das Innenministerium natürlich über diese Möglich­keiten Bescheid und wird das auch nicht zur Gänze ausschließen. Aber wir werden nicht bei den geringsten Problemen, die sich auftun, die Grenzkontrollen aufziehen, um unsere Nachbarn dementsprechend vor den Kopf zu stoßen. Wir werden vielmehr, wenn wir so etwas machen, gemeinsam mit unseren Nachbarn eine Lösung finden und diese Kontrollen als letzte Maßnahme einführen – aber nicht so, wie Sie das wollen, in­dem wir genau mit diesen Grenzkontrollen nicht die Sicherheit der Bürger im Vorder­grund haben, sondern den Affront innerhalb der EU und den Affront gegenüber unse­ren Nachbarstaaten. Das ist der Unterschied! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Es ist natürlich auch zu sagen, dass wir – nicht als Nationalstaat Österreich, sondern als Schengen-Verband – gefordert sind, unsere Außengrenzen verstärkt zu sichern, unsere Außengrenzen auch dementsprechend verstärkt abzusichern, natürlich. Es gibt dazu auch eine Organisation, die heißt Frontex. Sie ist genau für solche Einsätze auf­gestellt, aufgebaut und geschult. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich möchte schon dazusagen, dass wir gut beraten wären, wenn wir enger zusam­menrücken und die Kooperation noch vertiefen würden, denn das wäre wesentlich ef­fizienter, als mit Plakaten seinen Zorn an armen Kriegsflüchtlingen auszulassen. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Kurz: Genau!)

Ich möchte an diesem Punkt wirklich einmal unserer Innenministerin und all den Beam­ten, die damit befasst sind, ein herzliches Danke aussprechen und auch meine Bewun­derung für das, was dort geleistet wird: Mit welch einem Geschick und mit welch einem Elan diese riesigen Probleme bewegt und gewälzt werden. Im Gegensatz zur FPÖ ist das nämlich wirklich im Dienst der Bürger und für unseren Staat.

Ich hoffe, dass wir diese Krise in unserem Sinne beenden werden und nicht im Sinne der FPÖ, denn das wäre eine mittlere Katastrophe. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

16.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Todt zu Wort. – Bitte.

 


16.45.56

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich habe aufgrund Ihrer An­frage und Ihrer Reden, die Sie hier getätigt haben, meine Herren von der Freiheitlichen Partei, wirklich den Eindruck, dass Sie die Reisefreiheit in Europa, die zu den größten Errungenschaften zählt, abschaffen wollen.

Das ist Ihr Wunsch. Sie wollen wieder nationale Grenzen mit Grenzkontrollen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das wollen Sie, genau das wollen Sie wieder haben! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist ganz im Sinne auch der Aussagen Ihres Euro­paabgeordneten Vilimsky von heute Vormittag. Das ist Ihr Ziel – daher auch diese Dring­liche Anfrage.

Die Frau Innenministerin hat Ihnen – wenn Sie genau zugehört haben – all Ihre Fragen präzise und genau beantwortet. Herzlichen Dank dafür, Frau Ministerin! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Sie haben einen klaren und deutlichen Überblick darüber ge­geben, welche Maßnahmen gesetzt worden sind und welche Maßnahmen welche Wir­kungen haben.

Sie von der Freiheitlichen Partei verdrehen das nur, weil es nicht in Ihr Konzept passt. Daher verdrehen Sie es ganz einfach. Sie wissen ganz genau, dass es mit den vor­handenen Instrumenten genügend Möglichkeiten gibt – Stichwort Schleierfahndung, auch


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 138

so kann Grenzraum effizient kontrolliert werden –, das abzusichern. (Bundesrat Her­bert: Sie haben vorher nicht aufgepasst! Sie wissen !)

Wir wollen keine Schlagbäume. Das Hauptproblem sind die Schlepper, und die muss man erwischen. Kontrollen kann man auch auf Straßen durchführen, wenn man Kas­tenwägen und Lkws kontrolliert – denn Schlepper fahren nicht in Pkws, so wie Flücht­linge nicht in Pkws geschleppt werden, außer vielleicht, wenn jemand seinen Onkel her­bringt oder sonst irgendetwas tut. (Bundesrätin Mühlwerth: Dass noch nie ein Flücht­ling in einem Pkw aufgegriffen !) – Nein, aber die kommen in den großen Kasten­wägen – das weißt du ganz genau –, werden dort ausgelassen und dann werden sie auf­gegriffen.

Zum Thema Asylsuchende, denn darum geht es: Es geht in eurer Dringlichen Anfrage doch um die Asylsuchenden und die Flüchtlinge. (Bundesrat Herbert: Es geht um Grenz­kontrollen! – Bundesrat Brückl: Entschuldigung, was sollen wir sonst hinschreiben!?) – Jaja, so steht es drin, aber grundsätzlich geht es darum, Hetze gegen Fremde zu be­treiben. Das ist das Ziel, das ihr habt, ganz einfach! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Die meisten Asylsuchenden kommen aus Ländern wie Syrien, dem Irak und Afghanis­tan. (Bundesrat Brückl: Im ersten Quartal 2015 ist der Großteil aus dem Kosovo ge­kommen!) – Das ist schon längst erledigt und da hat sich die Frau Innenministerin sehr bemüht, dass das erledigt wird, das gibt es jetzt nicht mehr und das wissen Sie auch. Sie wissen das alles. (Bundesrat Brückl: Das stimmt alles nicht! Das ist eine Lüge!) – Sie vermischen es einfach, weil Sie es vermischen wollen, und Sie vermischen Asyl­suchende mit Kriminellen. Das machen Sie. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Flüchtlinge sind ein europäisches Problem. Es braucht Lösungen auf europäischer Ebe­ne, denn die Flüchtlinge werden nicht weniger werden. Die Auseinandersetzungen in Syrien, im Irak und in Afghanistan werden nicht von heute auf morgen auf Knopfdruck beendet werden, sondern diese Auseinandersetzungen werden weitergehen. Daher werden wir das Problem noch längere Zeit haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth.) – Wir werden dieses Problem noch längere Zeit haben. (Bundesrat Herbert: Was tun wir dagegen? Zelte aufstellen – oder was?!)

Ich halte Zelte auch für keine gute Lösung und lehne das ab, aber prinzipiell gibt es ... (Bundesrat Herbert: Lassen wir alle her, ist das die Lösungskompetenz der SPÖ?!) – Nein. Prinzipiell gibt es Menschen, die sich zusammensetzen, und es sind jetzt Quar­tiere geschaffen worden und es müssen weitere Quartiere geschaffen werden. Ich glau­be, dass das den Verantwortlichen bewusst ist und dass sie alles daransetzen, dass das geschieht. (Bundesrat Herbert: Da lade ich sie ein, mit den Gemeinden zu spre­chen!)

Frau Innenministerin, Sie tun alles dafür, dass diese Zelte wieder abgebaut werden. Ich glaube einfach, dass Zelte – das ist sicher ein Problem – eine Verunsicherung in der Bevölkerung bewirken, daher muss man alles dagegen tun. Daher müssen alle zusam­menhelfen, damit es eine gerechte Aufteilung in Europa gibt, denn die ist momentan un­gerecht, darüber haben wir heute schon gesprochen. Wenn Kroatien 117 Flüchtlinge auf­genommen hat, obwohl es genügend Flüchtlingsquartiere schaffen könnte, dann ist das schlicht und einfach für dieses Land zu wenig.

Daher ist es notwendig – ich würdige Ihren Kampf bei den europäischen Innenminis­tern –, dass es eine gerechte Aufteilung in ganz Europa gibt, denn das ist nicht ein Pro­blem Österreichs, sondern ein Problem Europas, daher muss Gesamteuropa dieses Pro­blem lösen. Wenn man schon mit Frontex die Grenzabsicherung gemeinsam betreibt und viel Geld hineinsteckt, dann wird man auch dieses Problem der Flüchtlinge lösen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 139

Man muss vorwärts schauen und kann nicht zurückblickend die Grenzen wieder dicht machen – so kann es nicht gehen! (Bundesrat Herbert: Wieso nicht?)

Es geht nicht nur um eine gerechte Aufteilung in Europa, sondern auch um eine ge­rechte Aufteilung in Österreich. Da haben auch die österreichischen Bundesländer viel zu tun, damit diese gerechte Aufteilung durchgeführt wird. Vor Flüchtlingsproblemen kön­nen wir weder in Europa noch in Österreich die Augen verschließen, aber Flüchtlinge verhindert man nicht mit der Einführung von Grenzkontrollen, Flüchtlinge verhindert man anders! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Europa muss etwas dazu tun, Europa muss sich auch seiner Verantwortung in diesen Krisengebieten bewusst werden und dort etwas tun! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte.

 


16.53.05

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Ich versuche jetzt, der Diskussion die Emotionalität und die Auf­geregtheit ein wenig zu nehmen. Dankenswerterweise hat ein Kollege schon sehr vieles berichtigt; das kann ich mir jetzt ersparen. Darum möchte ich eher die systemi­sche Ebene ansprechen.

So, wie unser System gegenwärtig mit Dublin II und Dublin III funktioniert, ist es de fac­to ein Ding der Unmöglichkeit, dass jemand überhaupt europäisches Territorium bezie­hungsweise Österreich betritt, ohne sich Schlepper zu bedienen. Man bräuchte einen Fallschirm und dann müsste man genau über dem entsprechenden Land aus dem Flug­zeug abspringen. Falls man es überhaupt in das Flugzeug schafft, denn da braucht man auch Reisedokumente und ein Visum.

Es ist ein strukturelles Problem, das wir haben. Die Probleme sind großteils hausge­macht. Es gäbe Lösungsansätze, wie zum Beispiel Resettlement-Programme. Oder: Die baden-württembergische Regierung ist einen Schritt gegangen, der bislang in der Öf­fentlichkeit noch nirgends erwähnt worden ist. Sie hat gesagt, dass sie aktiv – aktiv! – den Opfern des IS-Terrors, einer speziellen Zielgruppe, Hilfe zukommen lassen möch­te. Deutschland kann man jetzt nicht als Land bezeichnen, in das nicht gerade auch viele Flüchtlinge wollen; sie sind genauso betroffen wie wir, wenn nicht mehr.

Sie haben gesagt, sie möchten aktiv Betroffenen des IS-Terrors – jesidischen Frauen – helfen. Sie haben ein Therapieprojekt, ein Therapieprogramm ins Leben gerufen, bei dem einige Leute, die daran mitarbeiten, in den Irak fahren, dort Kontakte knüpfen und herstellen, die Geschichten der Frauen überprüfen, sich anschauen, ob das wirklich Op­fer und Ausreisewillige sind, ob sie bereit sind, woanders eine neue Existenz zu grün­den. Sie versuchen dann, Reisepässe und Dokumente für diese zu organisieren, damit sie nach Deutschland ausgeflogen werden können. Dort bekommen sie dann ein The­rapieprogramm, Deutschkurse und Integrationsprogramme.

Das wäre auch ein aktiver Schritt, genauso wie das Resettlement-Programm von UNHCR ein aktiver Schritt wäre. Wir könnten uns dort ganz gezielt Personen und Familien he­raussuchen, die geflüchtet sind, die bestimmte Kriterien, die für Österreich auch pas­sen, selbstverständlich – Leute, die eine gute Ausbildung haben –, erfüllen, sie zu uns ho­len und dann aktiv unterstützen.

Die Frau Innenministerin schüttelt den Kopf. Ich sage Ihnen, warum ich das unterstütze und befürworte: Die österreichische Wirtschaft lebt überwiegend vom Export. Uns kann nichts Besseres passieren, als wenn wir Menschen haben, die, wenn wir sie bestmög-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 140

lich unterstützen und fördern – egal, ob sie hier bleiben oder zurück in die Herkunfts­länder gehen müssen –, die ersten Ansprechpartner für die Österreicher sind, für unse­re Wirtschaftstreibenden, für unsere Geschäftsleute, und auch als Botschafter Öster­reichs, denn die werden ihr Leben lang dankbar dafür sein, dass sie in Österreich die Chance bekommen haben, eine neue Existenz zu gründen.

Aber nein, was machen wir stattdessen? – Wir unterstützen die Leute mit Tagsätzen, von denen keiner leben kann. Dann geht auch noch die FPÖ her und spricht vom So­zialstaats-Mekka. Die Menschen bekommen keine Mindestsicherung – ich habe das schon hundertmal gesagt und ich werde nicht müde werden, euch das in den nächsten zehn Jahren noch hundertmal zu sagen. Und wenn ihr diesen Leuten die 150 €, die sie monatlich in die Tasche bekommen, um Essen und Hygieneartikel zu kaufen, neidig seid, dann diskutieren wir auf einer anderen Ebene, geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen!

Das hat wirklich nichts mehr mit Menschlichkeit zu tun, wenn man ihnen das bisschen Geld, das sie bekommen, auch noch madig macht und gezielt Falschinformationen un­ter die Bevölkerung streut, um den Neidkomplex zu schüren. Das ist etwas, das nicht geht. Wir können aufgrund unserer ideologischen Zugänge alle unterschiedlicher Mei­nung sein, aber wir sollten immer bei der Wahrheit bleiben, denn das ist die Voraus­setzung, denke ich, für jegliche Zusammenarbeit. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Es geht die Angst um, dass dann, wenn wir sozusagen großzügiger werden oder sind, noch mehr kommen. Ich sage Ihnen eines – ich bin jetzt über zehn Jahre in diesem Be­reich tätig –: Wir können gar nicht so hohe Mauern bauen und so tief kann das Mittel­meer gar nicht sein, wir produzieren immer mehr Menschen, die nichts mehr zu ver­lieren haben. Denen ist es – verzeihen Sie diesen Ausdruck – scheißegal, wie viele Grenzkontrollen wir da hochziehen ... (Bundesrat Krusche: Wer ist „wir“? – Bundesrat Längle: Wir nicht!) – Bitte? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich wollte sagen, diese Menschen haben nichts mehr zu verlieren. Und solange wir im­mer mehr Menschen auf dieser Welt in die Situation bringen, dass sie nichts mehr zum Leben oder zum Überleben haben, ist ihnen egal, ob da 10 oder 15 Grenzkontrollen sind. Sie kennen das, Frau Ministerin – und du (in Richtung Bundesrätin Mühlwerth) weißt das genauso –: Ihr schiebt sie zurück, und ein paar Tage oder ein paar Wochen später sind sie wieder hier. Was sollen sie sonst machen?!

Das, was Sie ansprechen, ist ein Puzzleteil. Die temporären Grenzkontrollen könnten ein Beitrag dazu sein, dass man kurzfristig Entlastung schafft. Längerfristig wird uns das nichts bringen. Wir müssen – da waren Sie noch nicht hier, geschätzte Frau Mi­nisterin – in den Herkunftsländern jene Kräfte, die eine säkular-liberal-laizistische Ein­stellung haben, unterstützen. Mit Islamisten – seien sie gemäßigt oder nicht – ist kein Staat zu machen.

Das habe ich heute Vormittag gesagt, das habe ich jetzt am Nachmittag gesagt und ich werde das immer wieder betonen, weil das genau die Gründe und die Ursachen dafür sind, dass die Menschen ihre Herkunftsländer verlassen müssen.

Dort in Nordafrika, in asiatischen Ländern gibt es Millionen von jungen Menschen – es gibt Bevölkerungsdruck –, die keine Perspektive haben. Es ist ganz klar, dass wir die nicht alle aufnehmen können. Aber es ist auch klar, dass wir hier, wenn wir verantwor­tungsvolle Politik betreiben würden, auch aktiv gestalten könnten. Dieses aktive Ge­stalten fehlt mir – bei der Europäischen Union und auch bei uns. Wir hecheln nur hin­terher und reagieren, statt zu agieren.

In Deutschland, in Baden-Württemberg, haben sie mit diesem kleinen Projekt gezeigt, dass sie auch aktiv gestalten können. UNHCR-Resettlement-Programme zeigen, dass man da auch aktiv gestalten kann. Wir könnten uns sozusagen auch Leute aussuchen,


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die Österreich braucht. Das wären die besten Ansprechpartner für die Wirtschaft und für die Industrie. Wir machen aber genau das Gegenteil. Es kommen viele, die wir ei­gentlich aufgrund ihrer Qualifikation auch nicht brauchen würden. Da greift sozusagen ein Ding in das andere.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der Freiheitlichen Partei, da­her gilt bei allen unterschiedlichen Zugängen: jedem sein Zugang, aber wir sollten bei den Fakten bleiben. Wir sollten in schwierigen Zeiten nicht Sand in die Augen der Men­schen streuen. Ich habe selbst lange im Flüchtlingsbereich gearbeitet – ja, es gibt Kri­minelle, dafür haben wir aber ein Strafgesetzbuch und dafür gibt es auch entspre­chende Maßnahmen. Das, was es vielleicht braucht, ist – und diesbezüglich haben wir in letzter Zeit auch einige Reformen gemacht – eine bessere Abstimmung und Koor­dination der Behörden untereinander und ein anderes Verständnis der Zusammenar­beit.

Ich habe das Gefühl, dass sich die Behörde und die NGOs wie zwei rivalisierende Gruppen gegenüberstehen. Die Leidtragenden sind aber die Betroffenen. Ich pflege und bin eher für den kooperativen Umgang, weil wir letztendlich für das Land arbeiten, aber auch dafür, dass es den Flüchtlingen besser geht. Und das kann nur gut funk­tionieren, wenn man hier kooperiert und nicht gegeneinander agiert, wie ich es oft wahr­genommen habe. Da müssen sich einerseits die NGOs an der Nase nehmen – das möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen –, aber andererseits auch unsere Behörden vielleicht einmal versuchen, auch die andere Seite zu verstehen – und umgekehrt ge­nauso, dann kann das viel besser funktionieren.

Diesem Antrag – ich glaube, das muss ich jetzt nicht explizit erwähnen – werden wir unsere Zustimmung natürlich nicht erteilen. Ich halte es  – Ist ja egal. Ich sage das jetzt nicht mehr. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

17.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mühlwerth. – Bitte.

 


17.03.04

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier bei uns im Saal und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Die Einzigen, die hier irgendetwas vermischen, sind ausschließlich immer Sie beide. (Nein-Rufe bei ÖVP und SPÖ. – Unruhe im Saal.) – Aber selbstverständlich! Sie treten ja jedes Mal den Beweis aufs Neue an.

Ich habe es Ihnen heute Vormittag schon gesagt: Es ist kein Thema, dass jene Kriegs­flüchtlinge, die verfolgt werden et cetera, hier aufgenommen werden. Das habe ich nicht erst in einer Rede betont. Das ist nicht das Thema! (Zwischenruf des Bundesra­tes Mayer.)

Sie vermischen aber wahnsinnig gerne Kriegsflüchtlinge und Wirtschaftsmigranten. (Bun­desrätin Kurz: Nein, wir tun das überhaupt nicht!) – Aber selbstverständlich, das ist ja jetzt aus allen Reden hervorgegangen. Diese armen Flüchtlinge (Bundesrat Todt: Es wurden Flüchtlinge aus drei Ländern genannt!), und da war immer mit dabei, dass hier auch jene dabei sind, die sich aus rein wirtschaftlichen Gründen auf die Beine machen.

Efgani Dönmez, den ich sonst wirklich schätze, hat auf die Tränendrüsen gedrückt und gesagt, dass die nichts zu verlieren haben, dass die so arm sind: Das mag auf den ei­nen oder anderen durchaus zutreffen, aber bei vielen ist es einfach so, dass wir ihnen als Europa signalisieren, dass sie zu uns kommen können, da eine gewisse Zeit war­ten müssen, vielleicht Glück haben und den Asylstatus bekommen – und dann geht es


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ihnen hier gut, auf jeden Fall besser als bei ihnen zu Hause. Und wer will es diesen Menschen verdenken, diesem Ruf zu folgen? (Bundesrätin Kurz: Von welchen redest du jetzt?)

Ja, das verstehe ich ja. Es geht aber auch nicht, dass wir sagen, wir machen alle Türen auf, so wie die Grünen das immer wollen, und lassen jeden herein, der zu uns kommen möchte, und der wird dann versorgt. (Bundesrätin Kurz: Das sagt niemand!) Das kann es nicht sein!

Herr Kollege, wenn alles so wunderbar wäre und alles so wunderbar klappen würde – wir haben diese Kooperation der Behörden auf europäischer Ebene, weil das ja alles so „wunderbar“ funktioniert –, dann müsste, denke ich mir, ständig irgendjemand ver­haftet werden. Dann würde ich jetzt aber schon gerne wissen, warum ausgerechnet in der Zeit, als diese Grenzkontrolle in Bayern anlässlich des G7-Gipfels durchgeführt wur­de, plötzlich 44 Fahndungstreffer gelandet werden konnten. Wenn 44 Fahndungstreffer gelandet werden konnten, dann heißt das, die hat man vorher nicht erwischt, und kaum gibt es eine vorübergehende Grenzkontrolle, gehen denen 44 Leute ins Netz. (Bundes­rätin Kurz: Eine unglaubliche Menge!) Also so toll, wie Sie das sagen, kann es offen­sichtlich nicht funktionieren!

Um Ihrem Gedächtnis auch ein bisschen auf die Sprünge zu helfen – weil alles, was wir sagen und machen, für Sie immer so furchtbar ist –, möchte ich Ihnen einen jüngst eingebrachten Antrag aus dem oberösterreichischen Landtag nahebringen. In dem An­trag wird gefordert:

„Die Oö. Landesregierung wird aufgefordert, sich bei der Bundesregierung dafür ein­zusetzen, dass alle notwendigen Vorkehrungen zur Wiedereinführung von temporären Grenzkontrollen an den Staatsgrenzen der Republik Österreich getroffen werden“.

Da steht unter anderem in der Begründung:

„Das enorme Ausmaß an Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten, die aktuell in den Mit­gliedsstaaten der Europäischen Union Asyl beantragen, überfordert die hauptbetroffe­nen Länder, wie zum Beispiel Österreich“.

Das ist ein Antrag der Freiheitlichen gewesen (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ), der mit den Stimmen der ÖVP beschlossen worden ist. Also vielleicht distanzieren Sie sich einmal nicht von den eigenen Anträgen, die Sie mittragen. (Bundesrätin Kurz: Einzelne Wahnsinnige gibt es in jeder Partei!)

Zur SPÖ: Taferl rechts rum. Das waren Ihre Leute, die da mit den Taferln spazieren ge­gangen sind, und nicht unsere. Da sagen Ihre sozialistischen Leute – weil sich Herr Kollege Todt heute wirklich so wirksam empört hat –:

„Sind auch Sie gegen ein großes Asyl-Zentrum in Linz?“

„Dann nicken Sie doch mal!“

„Die ÖVP will ein 2. Traiskirchen in Linz.“

„Unfassbar! 300 Gemeinden in OÖ betreuen keinen einzigen Flüchtling.“

Und: „Bürgermeister Luger: ‚Helfen Ja! Nein zu 2. Traiskirchen in Linz!‘“

(Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrätin Kurz: Das ist nicht die SPÖ! Auch in der SPÖ gibt es schwarze Schafe oder blaue!)

Das sind die Leute von der SPÖ und nicht von der FPÖ, aber das Gedächtnis ist schon manchmal kurz – ich weiß das schon –, und da vergisst man so manches, vor allem dann, wenn es einem nicht passt.

Wenn Sie von diesen ganz armen Leuten, die aus Afrika kommen, sprechen, die bereit sind, das auch zu zahlen – die unterschiedlichsten Preise werden da genannt, 2 000 €,


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3 000 € –, dann frage ich mich, wenn die 2 000 €, 3 000 € zahlen können und wollen, warum sich die eigentlich nicht in einen Flieger setzen und hierher kommen. (Bundes­rätin Gruber-Pruner: Keine Papiere!) Das wäre wesentlich sicherer, als sich auf ir­gendeinen durchlöcherten Kahn zu begeben und über das Mittelmeer zu schippern. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Ja, warum ist das wohl so? – Weil sie natürlich genau wissen, dass das illegal ist, sonst würden sie es nicht machen. Die wissen ganz genau, dass das illegal ist, und dann hof­fen sie – was ich anfangs schon gesagt habe –, dass sie doch Asylstatus bekommen, und dann hat man es sozusagen eigentlich geschafft. Nein, ich sage jetzt nicht, dass sich da schon diese ganze Verlogenheit der Debatte zeigt, aber es ist schon eine gewisse Heuchelei dahinter, die dieser Debatte zugrunde liegt. (Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

Sie hauen uns immer, weil wir die Sachen klar ansprechen. Ich sage Ihnen eines: Die Bevölkerung hat immer Hilfe geleistet, wenn die Leute welche gebraucht haben, hat, wie ich auch heute Vormittag schon gesagt habe, die Flüchtlinge aus Tschechien, aus Ungarn, aus Jugoslawien während des Jugoslawienkriegs aufgenommen, ohne dass das ein Thema war oder zu irgendeiner wirklichen Irritation bei der Bevölkerung geführt hat. Aber das, was sich jetzt schon seit Jahren abspielt – das ist jetzt die Spitze des Eisbergs, das passiert nicht erst seit gestern, wir haben seit Jahren starken Zuzug –, spüren die Leute, spüren, dass hier etwas nicht stimmt, und sie sind auch betroffen.

Deshalb, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und ÖVP, wählen die Men­schen uns, weil wir die Einzigen sind, die sagen, was Sache ist – und Sie verlieren halt immer mehr.

Überlegen Sie doch einmal, ob Sie mit Ihrer Politik auf dem richtigen Weg sind! (Beifall bei der FPÖ.)

17.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mayer. – Bitte.

 


17.10.43

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ja, Frau Kollegin Mühlwerth ist hier wieder einmal wie die Mutter Gottes, die Mutter der Kompanie; dabei muss man sagen, vielleicht eher die Wölfin im Schafspelz. (Heiterkeit.) Das kann man einfach einmal so in diese Richtung sagen. Wenn du auch nicht selbst diese ganzen Geschichten betref­fend Asyl erzählt hast, dass Flüchtlinge dann Straffällige und Kriminelle sind, aber dei­ne Kollegen haben es gesagt, und man hat es dem Kollegen Herbert eindeutig wider­legen müssen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Die Zahlen, die auf den Tisch gekommen sind, sind halt nun einmal gleich gut wie dei­ne Zahlen, die du uns hier präsentiert hast, liebe Frau Kollegin.

Wenn man jetzt auch immer wieder über Zelte spricht, muss gesagt werden, Zelte sind Notquartiere. Ja, es sind Notquartiere. Wir müssen die Menschen einfach irgendwo un­terbringen, wir können es nicht so machen wie die Italiener, die die Leute einfach weg­schicken, ihnen vielleicht noch ein paar Euro in die Hand drücken und dann sind die ir­gendwo obdachlos oder hängen auf einem Bahnhof herum. Das ist auch keine Art, Men­schen unterzubringen, Frau Kollegin! Genau so schaut es aus! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wenn wir mit diesen Zeltstädten schon Chaos verursachen, weil wir Menschen unter­bringen müssen, dann sagt uns doch endlich einmal eure Lösung! (Bundesrat Herbert: Grenzkontrollen!) Wie würdet ihr die Menschen unterbringen? – Sag uns eine Lösung! (Bundesrat Herbert: Grenzkontrollen!) Nicht immer hier herausstellen, Kollege Herbert,


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große Hupe im Bundesrat, aber keine Lösung anbieten! (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich habe von euch in der Asyldebatte, im Flüchtlingswesen, im Migrations­wesen noch nie eine passable Lösung gehört – noch nie! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Es soll jetzt aber auch fachlich noch etwas eingebracht werden, weil temporäre Grenz­kontrollen verlangt werden. Es gibt – inzwischen vom Innenministerium und von der Po­lizei hervorragend umgesetzt – Maßnahmen, von denen du, Herr Kollege Herbert, eine Ahnung haben müsstest, weil du aus dem Polizeiwesen kommst, nämlich zum Beispiel AGM. AGM ist sehr, sehr wirksam. (Bundesrat Herbert: Ineffizient!) – Effizient! Es ist – deiner bescheidenen Denkweise folgend – ineffizient. (Bundesrat Herbert: Ineffizient! Zu wenig Personal, zu wenig Sachmittel!) Es ist effizient.

Würden wir jetzt schon mehr Kontrollen machen und temporäre Grenzkontrollen ein­führen, dann hätten wir auch mehr Aufgriffe im Asylbereich. Die österreichischen Asyl­gesetze, die sind schon beschlossen, muss man natürlich auch einhalten, das heißt, es gibt mehr Aufgriffe, mehr Asylwerber und die sind dann auch alle einem Asylverfahren zuzuführen. Das heißt, wir haben noch mehr Asylanten bei uns, und viele, die zum Bei­spiel auf der Durchreise wären, die zum Beispiel nach Deutschland, in die skandinavi­schen Länder oder nach Belgien wollen, würden durch diese temporären Grenzkontrol­len erfasst; dann haben wir noch mehr Asylanten, die sonst Österreich nur als Durch­reiseland benützen würden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist Fakt, Herr Kollege.

Aus derzeitiger Sicht stellen nämlich diese AGM-Kontrollen ein geeigneteres Mittel als Grenzkontrollen dar, was sich auch anhand der Erfolge bestätigt. Diese Kontrollen sind effizient, das möchte ich ausdrücklich betonen.

Schlepper passen sich nämlich Grenzüberwachungsmethoden rasch an, ändern ihre Rou­te und weichen über die grüne Grenze aus, oder sie nutzen verstärkt Schleppungen in Fahrzeugverstecken, wie Kollege Todt gesagt hat – Großtransporter, in denen dann 50 Leute aufgegriffen werden. Das national dichte Netz von Kontrollen an grenzüber­schreitenden Verkehrswegen sowie die selektiven mobilen Grenzkontrollen im Hinter­land, die sind auch wichtig, erlauben uns daher größere Flexibilität. AGM-Kontrollen sind deshalb wesentlich effizienter als die stationären, von Schleppern berechenbaren Grenzkontrollen. Zusätzlich zu den AGM-Kontrollen werden auch temporäre Kontrollen in den grenznahen Bereichen – inklusive entlang der grünen Grenze – durchgeführt. Das heißt, auf gut Deutsch gesagt, dass etwas geschieht. Es geschieht in diesem Be­reich Wesentliches. Nur kann man nicht jeden aufgegriffenen Asylanten, jeden Migran­ten an den Pranger stellen, wie ihr es gerne machen würdet. Das machen wir nicht. (Bei­fall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Das machen wir nicht, weil der menschliche Aspekt in dieser ganzen Geschichte unbe­dingt im Vordergrund stehen soll; das ist ein ganz wichtiger Zusatz.

Es gibt auch bei diesen Maßnahmen keine endgültige Lösung – das ist uns bewusst –, aber mit diesen effizienten Kontrollen haben wir wenigstens Möglichkeiten und Maß­nahmen ergriffen, um das ganze Problem etwas in den Griff zu bekommen. Polemik und schlechte Rhetorik, sodass wir das Ganze nur schlechtreden, sind der Sache nicht dienlich. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist eure Problematik, das ist der Sache si­cher nicht dienlich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Ebner. – Bitte.

 


17.16.18

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Si-


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cherheit und Asyl ist in Österreich und im Besonderen auch in unserem Bundesland Niederösterreich ein sehr umfassendes Thema, das uns in allen Lebensbereichen be­schäftigt und auch begleitet. Sicherheit ist ein Thema, das alle Menschen betrifft und das auf der Prioritätenliste unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ganz oben steht. Ös­terreich, meine geschätzten Damen und Herren, zählt aber immer noch zu den sichers­ten Ländern der Welt, und darauf können wir auch stolz sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Natürlich gibt es das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, das man zweifellos nur durch Maßnahmen erhöhen kann – zum Beispiel auch durch mehr Polizeipräsenz. Wir wissen aber auch, und die Statistik beweist es, dass die Kriminalität mittlerweile zu­genommen hat und Einbrecher auch in die kleinsten Dörfer vorgedrungen sind. Die Er­weiterung des Schengen-Raums und der Wegfall der Grenzkontrollen zu unseren EU-Nachbarn Tschechien und Slowakei haben in Niederösterreich, insbesondere in den Grenzregionen, leider nicht immer die gewünschte Sicherheit gebracht. (Ruf bei der FPÖ: Ah! Schau!)

Die Menschen sind deshalb verunsichert und fordern umso mehr Polizeipräsenz. Dort, wo die Kriminalität ansteigt, muss regional mehr Personal zum Einsatz kommen. Im Rah­men deiner Möglichkeiten hast du, liebe, geschätzte Frau Bundesministerin, auch in den Grenzregionen in Niederösterreich vermehrten Polizeieinsatz bereits forciert; die Sta­tistik zeigt, dass die Kriminalität da auch zurückgeht. (Bundesrat Herbert: Plus 12,7 Pro­zent! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Stricherl werden da dazugezählt, wie wir gehört haben. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Aktuell muss es auch verstärkt Kontrollen gegen die Schlepper geben. Es müssen ver­mehrt die Lkws und die Kastenwagen kontrolliert werden, mit denen die Schlepper un­ter menschenunwürdigen Verhältnissen Personen illegal nach Österreich bringen wol­len. Bei diesen Kontrollen geht es nicht um ein vielleicht illegal mitgenommenes Pa­ckerl Zigaretten oder um eine Flasche Schnaps, nein, bei diesen Kontrollen soll es um Menschen gehen, die von den Schleppern getäuscht und ausgebeutet werden. Diesen Schleppern ist das Handwerk zu legen!

Zur weiteren Aufklärung dieser Kriminalität dient neben der vermehrten Polizeipräsenz auch die Videoüberwachung der Autobahnen. Mit diesen Kameras, die von der ASFINAG installiert wurden, haben wir, davon bin ich überzeugt, ein gutes und effizientes Sys­tem, um den Kriminellen, die mit gestohlenen Pkws unterwegs sind, auch wirklich auf die Spur zu kommen und sie letztendlich auch zu verhaften. Die Ergebnisse zeigen be­reits positive Resultate.

Erwähnen darf man die weiteren installierten Sonderaktionen und hier im Besonderen die von unserer Bundesministerin eingeführte „SOKO-Ost“.

Eine weitere Erleichterung bei der Verfolgung Krimineller bringt die bilaterale Polizeiko­operation, sprich die Verfolgung dieser Personen über die Grenzen der Nachbarländer hinaus. In vielen Fällen erfolgt eine Verhaftung dieser Täter aufgrund dieses Überein­kommens rasch und ist die Aktion erfolgreich.

Ein weiterer Punkt der Sicherheitspolitik ist neben dem Schutz von Leib und Leben auch der Schutz des Eigentums. Da darf ich die Aktion „Sicheres Wohnen“ in Nieder­österreich hervorheben, bei der es zum Beispiel sehr gute Fördermittel für die Installie­rung von Alarmanlagen gibt. Die Zahlen belegen es: Die installierten Alarmanlagen ver­hindern fast ein Drittel aller Einbrüche.

Zum Thema Asylpolitik: Ich glaube, wir alle bekennen uns zur österreichischen Asyl­politik, und jeder, der Asyl braucht – sei es aus politischen oder religiösen Gründen, aus­genommen die Wirtschaftsflüchtlinge –, bekommt in Österreich Asyl. Es kann aber nicht sein, dass wir in Niederösterreich, und hier vor allem in Traiskirchen, die meisten Flüchtlinge, Asylanten beherbergen. Mittlerweile erfüllen wir die Quote zu 109 Prozent.


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Niederösterreich fordert daher Solidarität von den übrigen Bundesländern ein. Öster­reich fordert aber auch Solidarität von den übrigen Staaten der Europäischen Union ein. Denn nur so werden wir – und ich denke, darin sind wir uns alle einig – diese Auf­gabe der Asylpolitik gerecht und menschlich lösen können. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

17.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kru­sche. – Bitte.

 


17.21.48

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es geht in dieser Debatte eigentlich um die Grenzkontrollen und um einen Antrag, den wir dazu eingebracht haben. Wenn man sich diese Debatte angehört hat, hatte man eigentlich den Eindruck, es sind oh­nehin alle der Meinung, dass wir recht haben, nur, keiner will, kann oder traut sich, das zuzugeben (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Es gibt so viele widersprüchliche Aussagen, die im Zuge dieser Debatte von den ein­zelnen Rednern gefallen sind, das ist ja schon wirklich interessant.

Herr Schödinger hat als Erstredner in der Debatte gesagt, es wäre ein Affront gegen die Nachbarstaaten, wenn wir Grenzkontrollen einführen. – Ich frage mich: Wie ist das Verhalten jener Staaten, die nicht in der Lage sind, die Schengen-Außengrenzen zu si­chern? Das ist ein Affront gegen uns! Was war hier zuerst, die Henne oder das Ei? Wenn die anderen nicht in der Lage oder nicht willens sind, ihre Verpflichtungen wahr­zunehmen und die Grenzen zu sichern, dann müssen wir reagieren, und das ist kein Affront. Aber was beispielsweise Italien macht, nämlich die Flüchtlinge ohne Papiere, ohne Aufnahme einfach zu uns durchzulassen, das ist ein Affront, und dagegen uns zu wehren, werden wir wohl das Recht haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben gesagt, die Lösung in Ihrem Sinne ist das Gute und die Lösung in unserem Sinne wäre eine mittlere Katastrophe. Wenn ich Sie recht verstanden habe, Frau Bun­desminister, haben Sie gesagt, dass Sie die Option dieser Grenzkontrollen ja nicht aus­schließen wollen. Ich habe irgendwie das Gefühl, wir debattieren hier über den Zeitfak­tor. Wir wollen sie jetzt einführen, da wir glauben, es ist nicht fünf vor zwölf, sondern schon fünf nach zwölf, und Sie sind der Meinung, die Zeit ist noch nicht reif, aber wo­möglich kommt sie noch. Also so viel trennt uns da ja eigentlich gar nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Todt hat gemeint, die Reisefreiheit abzuschaffen, sei eine Katastrophe, das sei ein Schlag in das Wasser – ah, ins Gesicht – des europäischen Geistes. (Bun­desrat Todt: So habe ich nicht gesprochen! Das habe ich nicht gesagt!) Das ist schon richtig. Nur: Ich muss hier schon bewerten, was das höhere Gut ist, die Sicherheit un­serer Bürger in unserem Land oder die europäische Reisefreiheit. (Bundesrat Todt: Für wen ist denn die Reisefreiheit? Für die Bürger unseres Landes!) Und wenn ich die Sicherheit unserer Bürger gefährdet sehe, dann bin ich auch bereit, zumindest eine Zeit lang oder ein Stück weit die europäische Reisefreiheit etwas zu opfern. Da muss ich Prioritäten setzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ich auch schon nicht mehr hören kann: Europa muss Verantwortung zeigen und etwas tun! – Ja, aber leider geschieht das nicht! Es tut nichts, das wissen wir ja, also müssen wir uns selbst wehren. Anders geht es nicht. Wir können nicht warten, bis die anderen irgendetwas tun, wenn sie offensichtlich nicht willens oder nicht in der Lage sind, dies zu tun.

Kollege Dönmez hat einen großartigen Vorschlag gemacht, nämlich gezielt Personen, die schutzwürdig sind, die traumatisiert sind, die verfolgt sind, in den Ländern dort aus-


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zusuchen und sie zu uns hereinzuholen und denen Asyl zu geben. Das ist eigentlich ein Argument dafür, dass wir die Grenzen dichtmachen müssten. Solche Maßnahmen können wir erst dann setzen, wenn wir nicht ohne unser Zutun täglich mit 250 bis 300 Asylwerbern sozusagen überschwemmt werden. Jetzt, zu dem Zeitpunkt, in der Situation noch in den Irak oder nach Syrien zu reisen, um dort Leute sozusagen he­rauszupicken und nach Österreich zu bringen, wäre wahrscheinlich ein bisschen zu viel des Guten. Wir müssten zuerst die Situation bei uns in den Griff bekommen, und dann können wir solche Maßnahmen setzen.

Kollege Dönmez hat auch gesagt, dass wir immer mehr Menschen ohne Perspektive produzieren. Wir produzieren sie nicht! Sie werden beispielsweise in Afrika produziert. Da kommt ein Problem auf uns zu, das von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr immer gravierender werden wird. Das wird eine Belastung und eine neue Herausforderung für uns werden, die uns jetzt wahrscheinlich noch gar nicht bewusst ist. Afrika hat derzeit zirka eine Milliarde Einwohner und wird im Jahr 2050 doppelt so viel, 2 Milliarden, ha­ben. Die Jugendarbeitslosigkeit der 15- bis 24-jährigen liegt in Afrika in etwa bei 60 Pro­zent, auch wenn es gelingen mag, sie auf 50 Prozent zu senken. In Anbetracht dieses demographischen Drucks, der da auf uns zukommt, haben wir wahrscheinlich noch weit größere Herausforderungen zu meistern, als wir sie jetzt schon haben.

Du, Kollege Mayer, hast ja einen brillanten Vorschlag gemacht, denn du hast nämlich gemeint, Grenzkontrollen würden dazu führen, dass wir noch mehr Asylwerber haben, da die, die durchreisen, ja nicht auffallen. Das ist eigentlich die Italien-Philosophie, der du da das Wort redest. Ich habe eigentlich im Hinterkopf, dass man die, die man an der Grenze aufgreift, nach Dublin III sofort wieder zurückstellt. (Bundesrätin Kurz: Aber das funktioniert ja nicht mehr!) Denn an unseren Grenzen sind ja sichere Drittstaaten. Ich wüsste kein Land, an das Österreich grenzt, das kein sicherer Drittstaat ist. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Auf die Frau Kollegin Ebner will ich jetzt nicht näher eingehen – das war irgendwie eine vorbereitete Rede. Es ist ja eigentlich sinnlos oder für uns gar nicht gescheit, dass wir hier so eine Debatte überhaupt abführen, denn wir müssten eigentlich nur warten. Ihr wollt ja das gar nicht wahrnehmen, was die Frau Kollegin Ebner gesagt hat, nämlich, dass die Menschen verunsichert sind. Ja, sie sind verunsichert! Aber habt doch endlich den Mut, der Wahrheit ins Auge zu sehen, anstatt ständig so herumzulavieren! Deshalb ist die Einführung von Grenzkontrollen ein wesentlicher Schritt. (Beifall bei der FPÖ.)

17.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun die Frau Bundesministe­rin. – Bitte.

 


17.30.07

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Wir haben in der letzten Stunde über ein äußerst sensibles Thema debattiert, ein Thema, das uns alle intensiv beschäftigt, und ich habe allen von Ihnen ge­nau zugehört, sehr genau zugehört.

Und glauben Sie mir eines: Ich bin fest davon überzeugt, weder das Schönreden auf der einen Seite noch die Panikmache und Angstmache auf der anderen Seite ent­spricht der Realität. Wahr ist, dass wir mit den Flüchtlingsströmen alle eine wahnsinnig große Herausforderung haben, dass wir große Herausforderungen haben, was die Un­terbringung betrifft, und wahr ist auch, dass die Menschen bei der Anzahl von ungefähr 300 Menschen am Tag, die zu uns kommen und Hilfe und Unterstützung suchen, Sor­ge haben, ja, dass manche Angst haben. Und ich glaube, es ist unsere Aufgabe, der Bevölkerung hier ganz klar zu signalisieren, wir differenzieren ganz klar zwischen den Kriegsflüchtlingen und jenen, die wir immer wieder sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge nennen.


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Wenn wir von einer gut funktionierenden Asylpolitik sprechen, dann braucht es auch eine effektive Rückführpolitik. Wenn all das stimmig ist, bin ich auch fest davon über­zeugt, dass die Menschen das auch akzeptieren, dass die Menschen das auch mittra­gen. Und da sind wir auf einem guten Weg. Es muss gerade im Bereich der Rück­führpolitik seitens der Europäischen Union auch noch vieles gemacht werden. Und dann müssen wir auch so ehrlich zu uns sein, dass wir in Österreich dieses Problem alleine nicht bewerkstelligen können. Dann müssen wir einfach sagen: Ja, es braucht hier europäische Antworten mit einer Quote und mit legalen Wegen nach Europa! Wir müssen aber auch einfordern, dass die internationale Staatengemeinschaft handelt und hier Maßnahmen setzt. Denn gerade die Probleme, die angesprochen worden sind – Stichwort: Nordafrika –, die kann Europa alleine nicht bewerkstelligen. Da braucht es die internationale Staatengemeinschaft, um direkt in diesen Ländern anzusetzen, Hilfe und Unterstützung zu geben, damit dort eben der Boden so aufbereitet werden kann, dass die Menschen dort auch leben und existieren können und dieses Land nicht ver­lassen

Es wurde Baden-Württemberg mit dieser Initiative angesprochen. Ja, großartig, das kann man nur unterstreichen. Aber vergessen wir nicht, dass wir in Österreich mit Deutschland gemeinsam an der Spitze sind, wenn es darum geht, im Rahmen unserer humanitären Aktion diese 1 500 syrischen Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten aufzu­nehmen. Kollege Dönmez ist jetzt leider nicht da, aber es ist nicht so einfach, wie er es dargestellt hat, dass wir uns die Menschen einfach nach Qualifikation aussuchen, dass wir uns nur jene, die wir brauchen, aussuchen. Das stimmt doch nicht! Das ist doch nicht richtig!

UNHCR geht nicht nach Qualifikation vor: Haben wir da Ärzte dabei? Haben wir Dip­lom-Ingenieure dabei? Haben wir Fachkräfte dabei? – Das stimmt doch nicht! Das Ein­zige, was für UNHCR zählt, ist, wer den größten Schutzbedarf hat. Darum geht es! Da geht es nicht um Qualifikation. Das steht nicht einmal irgendwo auf einer Liste. Reden wir die Dinge nicht schön, sondern nennen wir die Dinge beim Namen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Frau Bundesrätin Ebner hat zu Recht die große Problematik in Traiskirchen angespro­chen. Ja, wir haben ein Unterbringungsproblem – ein Unterbringungsproblem, das uns schon lange bekannt ist, ein Unterbringungsproblem, wo die Länder diese Woche en­gagiert und couragiert definieren, was sie an Kapazität bis Ende Juli schaffen! Denn wir haben uns vorgenommen, bis Ende Juli sollen 6 500 Betreuungsplätze in ganz Öster­reich geschaffen werden. Ich kann hier sagen: Die Gespräche laufen gut. Es wird über fixe Unterbringung nachgedacht, es wird nachgedacht, Container aufzustellen, es wird nachgedacht, Kasernen aufzumachen, es wird nachgedacht, Turnsäle und Bundes­sportheime zu beziehen. All das läuft gut. Nur: Eine Sofortunterbringung ist leider nicht möglich!

Zur Stunde sind an die 1 000 Menschen in Traiskirchen ohne Bett. (Bundesrätin Kurz: Furchtbar! Furchtbar ist das!) Zur Stunde arbeitet mein Team des Innenressorts daran, Notunterkünfte zu schaffen: seien es Turnsäle oder Zelte. Ja, und in zwei Bundeslän­dern werden in den nächsten Stunden Zelte aufgestellt, nämlich in Kärnten und im Bur­genland.

Und glauben Sie mir: Ich würde die Zelte lieber abbauen, als dass ich jetzt noch ein­mal welche dazubaue, aber es ist wichtig und notwendig, um die Menschen vor Ob­dachlosigkeit zu schützen. Und ich appelliere auch an Sie, diese Kritik hintanzustellen, sondern auch zu sagen: Ja, es ist eine Notmaßnahme, um die Menschen hier zu schüt­zen! Ich appelliere auch an Ihre Verantwortung. Auch Abgeordnete haben eine Verant­wortung, wenn es darum geht, Quartiere zu schaffen. Ich ersuche Sie hier, auch Ihren Beitrag zu leisten. Nennen Sie Ihrer Grundversorgungsstelle, nennen Sie Ihrem Fach-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 149

referat im Land bitte zusätzliche Plätze, egal, ob das jetzt Firmenareale, Firmenge­bäude, Bürogebäude, leere Hallen – was auch immer – sind. Alles, was ein Dach über dem Kopf der Flüchtlinge schafft, müssen wir letztendlich auch nehmen.

Deswegen werden wir auch jetzt am Wochenende zusätzlich eine Inseratenkampagne starten, in der wir ersuchen, uns diese Plätze zu melden. Wir haben schon die letzten Mo­nate über unsere BMI-Homepage aufgerufen und tun das jetzt noch wesentlich offen­siver.

Ich ersuche Sie: Leisten Sie hier auch Ihren Beitrag! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundes­räten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

17.37

17.37.20

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Brückl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung ei­ner Entschließung betreffend Durchführung temporärer Grenzkontrollen vor.

Hierzu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Ich gehe daher so vor: Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge münd­lich mit „Ja“, das heißt Zustimmung, oder „Nein“. Ich bitte um deutliche Wortmeldun­gen.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Aufruf der Namen der Bundesräte in alphabeti­scher Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Blatnik geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die Stimmenzählung wird vorgenommen. – Die Sitzung wird um 17.41 Uhr unterbro­chen und um 17.43 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Entschließungsantrag 9 „Ja“- und 46 „Nein“-Stimmen. Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 150

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Brückl;

Dörfler;

Herbert Werner;

Krusche;

Längle;

Meißl;

Mühlwerth;

Pisec;

Samt.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Beer, Blatnik, Bock, Brunner;

Ebner Adelheid, Ebner Bernhard;

Fetik, Forstner;

Gödl, Grimling, Gruber-Pruner;

Hammerl, Himmer;

Jachs, Junker;

Kneifel, Köck, Köll, Koller, Kurz;

Ledl-Rossmann, Lindinger, Lindner;

Mayer;

Novak;

Oberlehner;

Pfister, Poglitsch, Posch-Gruska, Preineder;

Reich, Reiter;

Saller, Schennach, Schödinger, Schreuder, Schreyer, Stadler, Stöckl;

Temmel, Tiefnig, Todt;

Weber, Winkler;

Zelina, Zwazl.

*****

17.44.10Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich nehme die Verhandlungen zu den Punkten 9
bis 11 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte, Herr Kollege. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Köck – auf dem Weg zum Rednerpult –: Kollege Schreuder, lassen Sie uns auch ein bisschen reden, Sie tun das ja auch ganz gern!)

 



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 151

17.44.14

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt zu einer normalen Debatte zurückzukehren, ist nicht so einfach. Ich bin jetzt zwei Jahre im Bundesrat, und mir fällt auf, dass die Freiheitlichen immer dann, wenn das Fernsehen da ist, irgendeine Dringliche Anfrage zimmern, bei der sie durch Verrückung und Verdrehung von Tatsachen irgendetwas ins Spiel bringen, um mehr Fernsehminuten zu bekommen. Ich muss ehrlich sagen, das ist mir schon ein bisschen zuwider, denn das ist eigentlich ein Missbrauch dieses Hohen Hauses zu Dauerwahl­kampfzwecken. Ich bin schon neugierig, ob ihr es auch einmal schafft, wenn das Fern­sehen da ist, keine Dringliche zu machen.

Nun zu den angesprochenen Tagesordnungspunkten. Bei Punkt 9 geht es um den Rücktritt vom Kohletechnischen Informationsdienst, der 1975, in der Zeit der Ölkrise, gegründet worden ist.

Das hat mich zum Nachdenken gebracht: 1975 – Ölkrise, das ist 40 Jahre her. Es ist schon bedenklich, was die OPEC damals geschafft hat, nämlich uns einen Ölmangel einzureden, wo wir dann Pickerl auf die Autos gepickt haben, weil wir nicht mehr genug Öl hatten, um an allen Tagen mit dem Auto zu fahren. Eigentlich hätten bereits damals die Verantwortlichen in ganz Europa darauf sensibilisiert sein müssen, wie mit unserer Abhängigkeit von diesen Staaten gespielt worden ist.

In jedem Fall ist es gut, dass wir aus dieser Institution austreten. Die EU ist dort Mit­glied, wir sind also genug vertreten. Es gibt also keinen Grund mehr, eigenständiges Mitglied zu sein, und wir ersparen uns dadurch ja auch 63 000 € im Jahr.

Meiner Meinung nach ist der Sinn auch deshalb nicht mehr gegeben, weil Kohle nicht mehr diesen Stellenwert hat. Wir haben heute ganz andere Herausforderungen, zum Beispiel den Aufbau grenzübergreifender Energieinfrastruktur, wo die EU schon eine Menge tut und wo sie in den letzten Jahren 850 Millionen € investiert hat.

Das ist, so meine ich, sehr wichtig, und gerade diese Dinge müssen eigentlich jetzt for­ciert werden. Schließlich investieren wir in Europa derzeit pro Jahr um 380 Milliarden € in Öl und betreiben damit Regionalförderung in Russland, Saudi-Arabien, Libyen, Alge­rien und Nigeria – weil eben von dort dieses Öl kommt. Wenn wir angesichts dieser Liste bedenken, von welchen Ländern wir noch immer abhängig sind, dann muss uns eigentlich das Schaudern kommen.

Aus diesem Grund ist es eben wichtig, andere Schwerpunkte zu setzen, damit wir Energiesysteme bekommen, die die neuen Energien in ganz Europa verbreiten, weil eben die neuen anderen Energien nicht in den Ölleitungen sprießen.

Deshalb ist es gut, dass diese Mitgliedschaft beendet wird, wenn auch vielleicht um einige Jahre zu spät, aber besser jetzt als gar nicht. Das vorliegende Gesetz findet da­her unsere Zustimmung.

Bei TOP 10 geht es um die Informationsweiterverwendung. Es gibt diesbezüglich eine wesentliche Verbesserung, wodurch die öffentlichen Dokumente besser weiterverwen­det werden können. Dabei geht es vor allem darum, dass ein grundsätzliches Recht auf Weiterverwendung geschaffen wird, die Anwendung auf Bibliotheken, Museen und Archive ausgeweitet wird und die öffentlichen Stellen verpflichtet werden, Dokumente soweit möglich und sinnvoll in offenem und maschinenlesbarem Format zusammen mit den zugehörigen Metadaten bereitzustellen. Zudem dürfen die für die Weiterverwen­dung verlangten Entgelte grundsätzlich die Grenzkosten nicht übersteigen.

Diese Regelung bringt meiner Meinung nach mehr Transparenz, große Vorteile für un­sere Wirtschaft – und wir sollen ja die Wirtschaft unterstützen und fördern, wo wir kön­nen. Das ist ein gutes Beispiel dafür.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 152

Bei TOP 11 geht es letzten Endes um die EU-weite Harmonisierung im Bereich der No­tifizierung von Konformitätsbewertungsstellen sowie der Inverkehrbringung von Ma­schinen, Geräten und Ausrüstungen.

Dieses Gesetz ist, so meine ich, ein gutes Beispiel dafür, dass wir auch auf europäi­scher Ebene sehr flexibel sind. Zwar wollen wir in vielen Bereichen keine Harmonisie­rung, sondern unseren eigenen Standard, doch gerade in diesem Bereich ist eine Har­monisierung wünschenswert, weil sie Wettbewerbsnachteile beseitigt. Das zeigt ganz gut, wie flexibel die EU ist. Auch dieser Gesetzentwurf wird von uns befürwortet. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Reiter.)

17.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Ing. Bock. – Bitte.

 


17.49.16

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da die drei Gesetze, die jetzt zur Be­schlussfassung vorliegen, Regierungsvorlagen sind, die das tägliche Arbeiten der Re­gierungsmitglieder, aber auch des Parlaments betreffen – sie sind also quasi normale Arbeit und wesentlich weiter weg von Emotionen und von Wahlkämpfen –, können wir diesen drei Regierungsvorlagen von unserer Fraktion aus gerne die Zustimmung ertei­len.

Kollege Köck hat bereits inhaltlich alles geklärt. Vielleicht könnte dies auch eine Anre­gung für alle anderen Ministerien sein, aber auch für die Länder und für die Gemein­den, nachzuforschen und ein bisschen zu suchen, ob es nicht andere Einsparungs­möglichkeiten gibt, ob nicht vielleicht weitere Doppelgleisigkeiten entfernt werden kön­nen.

Schließlich bezahlen wir ja bereits seit 1975 in etwa diese 70 000 €, und seitdem wir bei der EU sind, bezahlen wir eigentlich doppelt, da wir die Informationen zum einen von der EU und zum anderen direkt mit Geld erhalten haben.

Zum Tagesordnungspunkt 10, dem Informationsweiterverwendungsgesetz: Das ist, so denke ich, eine gute Einrichtung. Bisher war ja nicht geregelt, in welcher Form Informa­tionen weitergegeben werden dürfen und zu welchen Konditionen. Das ist jetzt mit dem neuen Gesetz fixiert. Bisher gab es auch keine Verpflichtung, dass man Informationen weitergeben musste.

Zum Tagesordnungspunkt 11, dem Inverkehrbringen von Maschinen, Geräten, Ausrüs­tungen oder deren Teilen und Zubehör sowie der Notifizierung von Konformitätsbewer­tungsstellen: Dabei handelt es sich ja um eine EU-Richtlinie, die bis 2016 umzusetzen wäre. Wir sind also diesmal etwas früh dran – meistens sind wir ja relativ am Ende dran, aber bei dieser Richtlinie schon ziemlich früh.

Bisher wurden Anlagen wie Aufzüge, Sportboote oder Maschinen im explosionsgefähr­deten Bereich nur im Rahmen der Gewerbeordnung geprüft. Neu ist, dass es über ein Gesetz jetzt möglich ist, dass diese Einrichtungen auch bei Privaten geprüft werden, da Private von dieser Verpflichtung ausgenommen waren.

Manchmal gilt zwar auch bei neuen Gesetzen, dass weniger mehr ist. Wir haben heute schon vom Herrn Landeshauptmann gehört, dass Deregulierung in allen Bereichen an­gesagt ist, aber in puncto Sicherheit ist der Spielraum relativ klein. Daher stimmt un­sere Fraktion auch diesem Gesetz zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesrätin Reiter.)


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 153

17.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte.

 


17.52.19

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt eigentlich nicht das bereits Gesagte wiederho­len. Lediglich zum Rücktritt vom Staatsvertrag zur Errichtung des Kohletechnischen In­formationsdienstes möchte ich vielleicht kurz etwas sagen, denn so, wie es der Herr Köck dargestellt hat, hat sicher keiner vor den Fernsehbildschirmen zu Hause verstan­den, worum es da geht.

Es geht dabei um den Rücktritt von einem Staatsvertrag, der vor dem Hintergrund der Ölkrise 1975 geschaffen worden ist, um sozusagen Kohle als Energieträger weiter zu forcieren, dazu zu forschen, sie aber auch umweltverträglicher zu machen.

Das hat sich insofern überlebt, als wir, erstens einmal, in Österreich keine Kohleförde­rung mehr haben und auch der Anteil der Kohle an der Energieversorgung rückläufig ist. Durch unseren Austritt ersparen wir uns übrigens nicht 64 000 €, wie Sie, Kollege Köck, es gesagt haben, sondern 64 000 Pfund, und das sind ungefähr 70 000 €. Das ist der Mehrwert, den wir daraus lukrieren.

Der Mehrwert aus dem Informationsweiterverwendungsgesetz ist, dass es in einer Wis­sens- und Informationsgesellschaft zentral ist, leichter an Informationen zu kommen, und das Gesetz diesbezüglich Verbesserungen vorsieht, vor allem auch durch die ent­haltene Verpflichtung, die Daten entsprechend sinnvoll aufzubereiten.

Beim letzten Punkt mit dem etwas sperrigen Titel Maschinen - Inverkehrbringungs- und Notifizierungs-Gesetz geht es um Aufzüge, Sportboote und Geräte in explosionsgefähr­deten Bereichen.

Aufzüge – davon sind wir alle betroffen, jeder fährt regelmäßig mit einem Aufzug. Sport­boote – das wird wahrscheinlich weniger Personen betreffen. Und die explosionsge­fährdeten Bereiche werden wahrscheinlich nur mich betreffen, weil das beispielsweise im Bergbau oder im Tunnelbau zum Tragen kommt, wo es auch vorkommt, dass Me­thangas austritt. Daher müssen dort explosionsgeschützte Geräte verwendet werden. Das ist eine sehr teure und aufwendige Sache. Der Mehrwert dieser Regelung ist, dass sie einheitliche Marktbedingungen schafft und damit eine Wettbewerbsverbesserung her­beiführt. Maßgebend sind aber vor allem auch sicherheitstechnische Überlegungen.

Es kann also damit gewährleistet werden, dass die Standards auch eingehalten wer­den, und das ist sicherlich in unser aller Sinn. Deshalb ausnahmsweise einmal: Drei Gesetze en bloc, und wir werden allen dreien zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Wow!)

17.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


17.55.36

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Auch ich werde es ganz kurz machen, da wir ebenfalls allen drei Gesetzen zustimmen werden. Ich möchte allerdings den Tagesordnungspunkt 10 – die Novelle zum Informa­tionsweiterverwendungsgesetz – zum Anlass nehmen, um noch einmal für Open Data zu werben, was ich ja so gerne mache.

Schließlich sind Open Data in unserer modernen Informationsgesellschaft, wie mein Vor­redner völlig richtig gesagt hat, gar nicht mehr wegzudenken. Ich bedaure es aller­dings, dass wir immer solche Gesetze beschließen müssen, statt es zu einem Grund­prinzip in dieser Republik zu machen, dass öffentliche Daten – ganz egal, von wel­chem Ministerium, ob auf Gemeindeebene, Landesebene oder Bundesebene, ob von einer öffentlich-rechtlichen Institution oder einem staatlichen Betrieb – automatisch den


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 154

Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen, denen sie ja letzten Endes gehören, wieder zu­rückgegeben werden.

Warum ist das so wichtig? – Ich möchte das nur einmal am Beispiel der Stadt Wien ausführen. Zwar hat auch die Stadt Wien leider, das muss ich allerdings gestehen, noch nicht so ein grundsätzliches Open-Data-Gesetz, das vorsehen würde, dass alle Daten automatisch veröffentlicht werden. Dennoch sind durch die sukzessive Veröffen­tlichung aller Daten seit 2010 insgesamt schon 169 Apps – für Smartphones, fürs In­ternet – entwickelt worden, also Webapplikationen, um aus diesen öffentlichen Daten für die User und Userinnen sinnvolle Information bereitzustellen, wie etwa: Wann fährt die nächste Straßenbahn ab? Ich bin jetzt gerade hier – wo befindet sich die nächste öffentliche Toilettenanlage? Wie bewerten User und Userinnen diese öffentliche Toilet­tenanlage? Kann man dorthin gehen oder nicht? – Da gibt es unzählige Apps, Baum­kataster (Bundesrat Schennach: Kinderspielplätze!) und so weiter und so weiter. Das ist eine sinnvolle Sache, vor allem, wenn es dann um Verkehr geht oder darum, Mu­seales nach außen zu tragen – schließlich sind ja Museen jetzt auch in diesem Gesetz inbegriffen.

Wenn wir das digitale Zeitalter bewältigen wollen, kann das nur so funktionieren, dass wir endlich – und die Regierung verspricht uns das schon so lange – ein Informations­freiheitsgesetz haben, das Amtsgeheimnis endgültig abschaffen und Open Data zu einem Grundprinzip der Republik wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Mah­rer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


17.58.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundes­rates! Ich glaube, inhaltlich sind zu allen drei Punkten bereits ausreichend Kommentare abgegeben worden. Ich wollte nur eine Präzisierung vornehmen zum Rücktritt vom In­ternationalen Energie-Agentur Durchführungsübereinkommen.

Bundesrat Krusche hat gesagt, man muss ganz präzise sein – dann müssen wir wirk­lich ganz präzise sein, und das sind wir in der Regierung tatsächlich auch: 63 900 Pfund – ich glaube, Bundesrat Köck hat nämlich Pfund gemeint – entsprechen eben nicht 70 000, sondern zum aktuellen Wechselkurs 90 000 €. Somit ersparen wir uns 20 000 € mehr. (Bundesrat Krusche: Das ist, weil der Euro so schwach ist, das hab’ ich über­schätzt!) – Ja, der Kurs ist halt 1,4 und ein bisschen was, die Republik erspart sich so noch ein bisschen mehr.

Aber was vielleicht der entscheidendere wichtige Hinweis ist: Sie haben gesagt, die Energieversorgung auf Basis von Kohle ist rückläufig, doch wir haben sie fast nicht mehr. Wir haben im Tullnerfeld noch das Kraftwerk Dürnrohr, das ist ein 380-Megawatt-Kraftwerk. Zahlreiche andere Kraftwerke in ganz Europa sind stillgelegt worden. Es macht einfach logistisch keinen Sinn mehr, teure Kohle von anderen Kontinenten mit hohen Logistikkosten nach Europa zu bringen. Das ist einfach eine Technologie, die zurzeit nicht dazu beiträgt, die Energiewende voranzutreiben – was, wie Sie wissen, übrigens auch im Gasbereich zutrifft.

Aus diesem Grund macht es, wie richtigerweise ausgeführt wurde, einfach auch keinen Sinn mehr, bei diesem Abkommen zu sein. Die Europäische Kommission ist sowieso Mitglied, wir bekommen alle relevanten Informationen, sollten wir sie noch brauchen. In diesem Sinne bin ich der Meinung, dass dies eine gute Sache ist. – Vielen Dank. (All­gemeiner Beifall.)

17.59

18.00.02

 



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 155

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend Rücktritt vom Internationalen Energie-Agentur Durchführungs­übereinkommen zur Errichtung des Kohletechnischen Informationsdienstes.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Des Weiteren gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Informationsweiterver­wendungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle wieder Stimmeneinhelligkeit fest. Der An­trag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Maschinen – Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wieder Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

18.01.2312. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Mineralrohstoffgesetz geändert wird (625 d.B. und 653 d.B. sowie 9396/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Seveso III – Novelle) und mit dem das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen geändert wird (624 d.B. und 655 d.B. sowie 9397/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 12 und 13, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte um die Be­richte.

 


18.01.48

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz geändert wird. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 156

Der zweite Bericht, über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Seveso III – Novelle) und mit dem das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen geändert wird, liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


18.03.24

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Staatssekretär! Ich möchte diesen Tagesordnungspunkt, oder einen der Punkte, dazu nutzen, um mit einer Kärnt­ner Bitte an einen „Halbkärntner“ heranzutreten.

Es ist derzeit ein ganz interessantes Projekt im Laufen. Die 1867 gegründete Bleiber­ger Bergwerks Union – Bleiberger Bergwerk und Bleiabbau sind ja bekannt – wurde 1946 verstaatlicht und 1993 aufgrund der verfallenen internationalen Weltmarktpreise im Bereich Blei geschlossen. Jetzt gibt es einen kanadischen Konzern, und zwar die Firma Samarium Borealis aus Vancouver, die aufgrund der Weltmarktnachfrage und der wieder attraktiveren Preissituation massives Interesse hat, hier ein Comeback des Bleiabbaues zu starten. Es geht um eine Investition von, im Endausbau, 150 Millio­nen €. Geplant sind 100 Arbeitsplätze in einer Abwanderungsregion. (Präsident Knei­fel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es gibt das Problem, dass die Republik Österreich als Eigentümer der BBU für even­tuelle Schäden aus dem damaligen Abbaubetrieb haftet. Nun haben das Land Kärnten, die Industriellenvereinigung und auch die Wirtschaftskammer den massiven Wunsch – und diesen darf ich an dich und auch an den Finanzminister herantragen –, dass ein Haftungsfonds gegründet werden soll, der diese Haftungen, die die Republik Öster­reich ohnedies hat, übernimmt. Da wäre die große Bitte, im Rahmen der Projektent­wicklung zu zeigen, dass wir über Verwaltungsreformen und Möglichkeiten, die Wirt­schaft zu fördern und zu unterstützen, nicht nur reden, sondern das auch tun.

Ich habe also an dich die Bitte, im Wirtschafts- und Finanzministerium rasch die Mög­lichkeit zu schaffen, dass dieser Investor tatsächlich die 150 Millionen € in Kärnten in­vestiert. Wir haben heute schon öfters das Stichwort Kärnten gehört, das wäre wieder einmal eine positive Nachricht, noch dazu für eine Gemeinde, die eine große Bergbau­tradition hat; und 100 neue Arbeitsplätze wären ein Segen für das Land.

Ich bitte um entsprechende Unterstützung und Weiterleitung, auch an den Finanzminis­ter, um eine bevorzugte Behandlung dieses berechtigten Wunsches zu erreichen. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass die Wirtschaftskammer, die IV und das Land Kärn­ten und natürlich auch die betroffene Gemeinde massives Interesse daran haben. Ich hoffe, dass bei einem Halbkärntner oder Ganzkärntner dieses Anliegen gut deponiert ist. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.05


Präsident Gottfried Kneifel: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Brunner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

 


18.06.06

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Ich habe heute, anders als mein Kärntner Vorredner, ausnahmsweise kein Vor-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 157

arlberger Anliegen, das ich an dich herantrage, aber vielleicht ein andermal wieder. Ich werde mich bei meinen Ausführungen zu diesen Tagesordnungspunkten auf die Um­setzung und Implementierung der Seveso-III-Richtlinie in der Gewerbeordnung und im Mineralrohstoffgesetz konzentrieren und versuchen, das kurz zu beleuchten.

Die historisch Interessierten unter uns wissen, woher dieser Name, „Seveso III“, kommt. Diese Richtlinie ist nach der italienischen Stadt Seveso benannt. Vor genau 39 Jahren fand dort ein großes Unglück statt, ein Dioxin-Unfall. Es war eine der größten Um­weltkatastrophen, die es in Europa je gegeben hat. Der Name Seveso-Unglück kommt davon. Seveso war übrigens überhaupt eine Stadt, die in der Geschichte nicht wahn­sinnig von Glück verfolgt war. Im 16. Jahrhundert gab es zwei Hungersnöte und eine Pestepidemie.

Aber zum Thema selber: Mit dieser Umsetzung der Richtlinie soll die Beherrschung von Gefahren bei größeren Unfällen noch weiter verbessert werden. Mit dieser Novelle werden auch die Bestimmungen lesbarer gemacht. Sie werden besser strukturiert, ver­ständlicher formuliert. Mit zusätzlichen Informationspflichten und Notfallplänen wird die Sicherheit noch weiter erhöht. Und auch die Regeln zur Information der Öffentlichkeit werden klarer gefasst. Doppelgleisigkeiten werden aufgelöst und für die Betroffenen auch besser geregelt. Also mehr Transparenz, größere Stärkung der Parteienrechte und auch eine Verbesserung der Nachbarrechte, das ist sozusagen der Kern dieser Umset­zung.

Natürlich muss man bei der Umsetzung von EU-Richtlinien auch immer darauf achten, dass die Bürokratie für die Unternehmen nicht ausufert. Es ist immer zu beachten, dass Auflagen und Reglementierungen in einem vertretbaren Ausmaß belassen wer­den. Wir glauben, dass in dieser Umsetzung diese Abwägung mehr als gelungen ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.08


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


18.08.42

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Man liest die Gesetze unterschiedlich und interpretiert sie auch unterschiedlich. Wir werden beide ablehnen, und unsere ablehnende Haltung möchte ich kurz begrün­den.

Es werden mit den vorliegenden Bestimmungen EU-Richtlinien umgesetzt, eben die Richtlinie über die Industrieemissionen, die Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, also die schon erwähnte und behandelte Se­veso-Richtlinie, und eine Richtlinie über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und ‑Erd­gasaktivitäten, also eine Richtlinie, die die OMV betrifft.

Die Umsetzung erfolgt leider nur in ihren Minimalanforderungen. Das wurde übrigens in den Erläuterungen schon ausdrücklich angekündigt. Das heißt, eine möglichst nicht über die Erfordernisse der Richtlinie hinaus gehende Umsetzung wird angestrebt. Uns erscheint das für ein Umweltvorreiterland, wie Österreich sich immer wieder gerne prä­sentiert, als zu wenig.

Die Industrieemissions-Richtlinie hätte ja bereits bis 7. Jänner 2013 umgesetzt werden müssen, also da war man nicht gerade sehr schnell. Und nicht nur, dass sie über diese Minimalanforderungen nicht hinausgeht, es wird auch von allen in der Richtlinie vorge­sehenen Ausnahmebestimmungen Gebrauch gemacht. Das heißt, es gibt Ausnahme­bestimmungen für die Erprobung von Zukunftstechniken, oder auch im Fall von unver­hältnismäßigen Kosten gibt es eben Ausnahmebestimmungen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 158

Als jemand, der viel in Bürgerinitiativen gearbeitet hat und tätig war, lässt das bei mir alle Alarmglocken schrillen. Da kann von einer Verbesserung unserer Meinung nach nicht gesprochen werden.

Artikel 15 der Seveso-Richtlinie enthält Bestimmungen über die Beteiligung der Öffent­lichkeit und von Umweltorganisationen, nämlich bei der Planung der Ansiedlung von neuen Betrieben, bei wesentlichen Änderungen gefahrengeneigter Anlagen sowie bei der Genehmigung von Betrieben in der Nachbarschaft gefahrengeneigter Anlagen.

Artikel 23 dieser Richtlinie schreibt den Zugang zum Gericht, also Verwaltungsgericht in Österreich, zur Überprüfung von Planungen und Genehmigungen im eben genann­ten Sinn für Umweltorganisationen vor.

Das fehlt in der Novelle. Parteistellung gibt es nur für Betriebe mit Industrieemissionen, die sind aber nicht immer ident mit Seveso-Betrieben. Von einer umfassenden Umset­zung der Aarhus-Konvention, die hier eigentlich fällig wäre, kann unserer Meinung nach keine Rede sein.

Auch die Strafdrohungen sind keineswegs abschreckend. Das wurde auch vom Le­bensministerium in der Begutachtung festgestellt. Es sind Verwaltungsstrafen von höchs­tens 3 600 € vorgesehen.

Es gibt auch teilweise Verschlechterungen bezüglich der Informationspflicht durch Be­triebe gegenüber möglicherweise betroffenen Personen und Einrichtungen mit Publi­kumsverkehr, also Schulen und Krankenhäusern. Es kommt dann praktisch nicht zu entsprechenden Informationen und auch nicht zu Schulungen, was im Gefahrenfall durchzuführen ist. Wir sehen es auch kritisch, dass routinemäßige Inspektionen im Er­messen der Behörden liegen.

Unter diesen Tagesordnungspunkt fällt auch noch ein ganz anderer Bereich, nämlich der Bereich Personenbetreuung. Es wird der Bereich Betreuung und Agenturen nun getrennt. Es gibt inzwischen in diesem Bereich geschätzte 600 Agenturen, die hier tätig sind, die 24-Stunden-Betreuung vermitteln, die über 60 000 PflegerInnen vermitteln; auch ein geschätzter Wert. Fast 23 000 Menschen sind betroffen. Das ist ein großer Bereich, auch ein großer Bereich, in den viel Steuergeld hineinfließt.

Wir halten diese Maßnahme für richtig. Sie ist ein kleiner Schritt in die richtige Rich­tung, aber sicher noch nicht ausreichend, denn es fehlen nach wie vor Qualitätserfor­dernisse oder -kontrollen. Das heißt, unserer Meinung nach ist es notwendig, die Stan­desregeln in Richtung Qualitätskontrolle oder Qualitätsregeln auszuweiten oder das überhaupt zu einem gebundenen Gewerbe zu machen.

Wir werden, wie gesagt, aufgrund dieser von mir vorgebrachten Kritikpunkte diese Be­stimmungen ablehnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.14


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Winkler zu Wort gemel­det. Ich erteile es ihr.

 


18.14.18

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Für mich gibt es bei den vorliegenden Tagesordnungspunkten zwei Schwerpunkte.

Mit der Novelle zur Gewerbeordnung wird die EU-Richtlinie Seveso III, das ist die Richtlinie zur Beherrschung von schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, umge­setzt. Das ist ein Schwerpunkt, auf den ich ein wenig eingehen möchte. Aber für mich mindestens genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger, ist die 24-Stunden-Betreuung und die gewerberechtliche Trennung in Bezug auf Betreuerinnen und Vermittlungs­agenturen.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 159

Die Ziele und die grundsätzliche Ausrichtung der Seveso-III-Richtlinie, schwere Unfälle möglichst zu verhüten und Auswirkungen von Unfällen möglichst gering zu halten, sind uneingeschränkt zu unterstützen. So profitieren von solchen Maßnahmen vor allem auch die Arbeiterinnen und Arbeiter in solchen Unternehmungen, und nicht nur die Ge­meinden oder die Umwelt. Das finde ich sehr begrüßenswert.

Wenn die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie die Verpflichtung zur Information der Öf­fentlichkeit nicht mehr, wie bisher, in der Gewerbeordnung, sondern nunmehr im Um­weltinformationsgesetz regelt, so ist das meiner Ansicht nach die richtige Stelle, um das zu regeln. Selbstverständlich wird es auch in Zukunft notwendig sein, ständige An­passungen und Weiterentwicklungen der Informationspflicht vorzunehmen, da gebe ich dir, liebe Frau Dr. Reiter, recht. Die modernen Gegebenheiten, wie zum Beispiel das Internet, werden die Einsehbarkeit von Informationen ermöglichen.

Auch wenn der letzte schwere Industrieunfall in Österreich schon Jahre zurückliegt, so ist das aus meiner Sicht auch in Österreich eine sehr wichtige Thematik. Ich rufe die gewaltige Explosion im Mischhaus in der Austin Powder in St. Lambrecht im März 2008 in Erinnerung. Die Folgen waren dramatisch. Zwei Personen wurden sofort getötet, acht Personen wurden teilweise schwer verletzt. Das Werk wurde so schwer beschä­digt, dass die Produktion vorläufig eingestellt werden musste. Im explodierten Misch­haus waren von zwei Arbeitern Öl und Ammoniumnitrat gemischt worden. Man sieht, auch unser Land wird von solchen Katastrophen nicht verschont.

Die Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit gefährlichen Chemikalien darf nicht zur Rou­tine erstarren, und der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor solchen gefährlichen Unfällen ist unser oberstes Gebot. Deswegen ist eine ständige Weiterentwicklung not­wendig und auch unumgänglich.

Es erscheint mir sehr sinnvoll, dass Betriebsinhaber verpflichtet werden, nach dem neu­esten Stand der Technik vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um ein sehr hohes oder möglichst hohes Schutzniveau zu gewährleisten.

Jetzt komme ich zum zweiten Eckpunkt dieser Novelle. Du, liebe Frau Dr. Reiter, hast es schon gesagt, man findet da nicht den unmittelbaren Konnex zu Seveso III, aber es ist so. Für mich ist die Trennung der Organisation der Personenbetreuung von der Be­treuung selbst sehr wichtig. Als Sozialdemokratin ist für mich die vielfach geäußerte Forderung einer gewerblichen Trennung der Vermittlung von Betreuung und der tat­sächlichen Betreuungsarbeit selbst mehr als begrüßenswert. So sollen nun die Tätig­keiten der Vermittlungsorganisationen aus dem bestehenden Personenbetreuungsge­werbe herausgelöst und einem eigenen Gewerbe zugeführt werden.

Die 24-Stunden-Betreuung hat sich in Österreich wirklich etabliert und ist zu einem un­verzichtbaren Bestandteil der Betreuungslandschaft in Österreich geworden. Ende 2014 waren in Österreich rund 51 000 Personenbetreuer aktiv. Diese 51 000 Personen ha­ben in etwa 25 000 Menschen betreut. Wir alle wissen, und ich war selbst jahrelang pflegende Angehörige, wie wichtig es für ältere Menschen ist, wenn deren Wunsch be­steht, im eigenen Umfeld gepflegt zu werden, dass man diesem Wunsch nachkommen kann. Und weil das so ist, weil viele ältere Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung nicht weg wollen, weil sie sich da sicherer fühlen, deswegen sind die Akzeptanz dieser Pflegevariante und die Zufriedenheit damit so hoch und so enorm.

Um unsere ältere Generation guten Gewissens den Pflegerinnen anvertrauen zu kön­nen – auch darin gebe ich Frau Dr. Reiter recht –, ist ein entsprechendes fachliches Know-how unumgänglich. Deswegen ist die Forderung von Sozialminister Hundstorfer, für diese Agenturen Qualitätsstandards einzuführen, wirklich zu beachten und hoffent­lich auch umzusetzen.

Nicht nur die Qualität der Betreuung ist wichtig, sondern auch, dass die Pflegerinnen – meistens sind es weibliche Pflegekräfte – nicht unfair behandelt werden. Ein Problem


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ist, dass die 24-Stunden-Pflegerinnen einen Teil, wirklich einen beachtlichen Teil ihrer Tagessätze an die jeweiligen Vermittlungsagenturen abliefern müssen und ihnen des­wegen nur ein – ich getraue mich, das zu sagen – nicht menschenwürdiger Lohn für diese tolle Arbeit übrig bleibt. Eine Verbesserung dieser Situation bedeutet aber nicht gleich, wie man so oft kolportiert hört, einen Super-GAU in der Altenpflege. Das glaube ich nicht! Dem ist sicherlich nicht so.

Aus diesem Grund ist es meines Erachtens richtig, klarzustellen, wer die Leistung er­bringt und wer vermittelt. Die heute zu beschließende Maßnahme ist aus meiner Sicht ein guter erster Schritt, dem aber weitere, gut überlegte, notwendige Anpassungen fol­gen müssen. Meine Fraktion wird diesen beiden Gesetzentwürfen die Zustimmung er­teilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.21


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Mag. Gödl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.21.43

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Es mutet ja tatsächlich skurril an, wenn man diese Gesetzesvorlage betrachtet, dass man drei so verschiedene Themen in ein Ge­setz verpacken kann, einerseits die Seveso-Problematik, andererseits noch ein Waf­fengesetz, das wir noch gar nicht angesprochen haben, und zum Dritten eben das so­zialpolitische Anliegen bezüglich der 24-Stunden-Betreuung. Wenn man es jedoch ju­ristisch betrachtet, so geht es eben um die Gewerbeordnung, und diese Seveso-III-No­velle wurde dazu genutzt, auch andere Aspekte zu regeln.

Der Kollege meiner Fraktion, Magnus Brunner, hat schon die Punkte bezüglich Seve­so III ausgeführt.

Ich möchte daher in aller Kürze ein paar Dinge zum Thema Personenbetreuung sa­gen, weil es sich tatsächlich um ein Thema handelt, das uns alle unmittelbar betrifft. Es wird niemanden hier in diesem Saal geben, der nicht zumindest im Bekanntenkreis damit konfrontiert ist, dass die Betreuung von älteren Menschen schwierig ist, dass die Betreuung von älteren Menschen besondere zusätzliche Maßnahmen erfordert: sei es ein Pflegeheim oder sei es eben diese 24-Stunden-Betreuung.

Es ist tatsächlich nur ein Mosaiksteinchen, und da gebe ich auch meiner Vorrednerin recht, dass man in Zukunft über Qualitätsansprüche und -kriterien sicherlich noch eini­ge Male wird diskutieren müssen, aber es ist ein Mosaiksteinchen auf dem Weg in die richtige Richtung, um diese große Herausforderung Pflege im Allgemeinen und im Be­sonderen die Pflege zu Hause besser zu regeln. Es entspricht auch dem Arbeitspro­gramm der österreichischen Bundesregierung, dem Arbeitsprogramm 2013 bis 2018, Maßnahmen zu setzen, die die Selbständigkeit älterer Menschen in gewohnter Wohn­umgebung länger erhalten und pflegende Angehörige, insbesondere auch Kinder, un­terstützen sollen.

Es gehört zum Vorhaben dieser Bundesregierung, eine klare Trennlinie zu ziehen, die gewerberechtlich dringend geboten ist, zwischen jenen, die Betreuungspersonen ver­mitteln, und jenen, die die Betreuungsleistung tatsächlich erbringen. Daher wird diese Novelle dazu genutzt, in dem Bereich eine rechtliche Klarstellung vorzunehmen.

Wir werden uns sicherlich noch sehr, sehr oft mit diesem Thema befassen. Der neue Bundesrat Gregor Hammerl ist intensiv mit dem Thema Pflege in der Steiermark be­fasst. Wir werden noch oft zu diskutieren haben, wie wir diesen komplexen Bereich Pflege rechtlich auf bessere Beine stellen können, faktisch besser organisieren kön­nen, um schlussendlich zu klären, und das ist immer die Herkulesaufgabe der Politik,


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wie man diesen steigenden Bedarf in den Bundesländern, aber auch in der gesamten Republik finanziell besser absichern kann.

Es ist nur ein Mosaiksteinchen auf dem Weg in die richtige Richtung. Es wäre schön, wenn dieser Novelle alle zustimmen könnten. Wir haben Ihre Bedenken gehört, sie sind natürlich auch zur Kenntnis zu nehmen, aber unsere Fraktion, die ÖVP, wird der gesamten Novelle in der vollen Umsetzung, einerseits eben der Seveso-III-Umsetzung, der Umsetzung des Waffengesetzes und schlussendlich der Umsetzung dieser neuen gewerberechtlichen Regelung zur 24-Stunden-Betreuung, zustimmen und damit ein kleines Mosaiksteinchen für die Zukunft setzen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.25


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich noch Herr Staatssekretär Dr. Mahrer. – Bitte.

 


18.25.40

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Zur Kritik der fehlenden Parteienstellung muss man sagen, dass die Umsetzung der Richtlinie in dem Fall keine Parteienstellung in irgendeiner Art und Weise einschränkt und es eine Verordnungsermächtigung im § 182 Abs. 2 Z 6 gibt, die uns ermöglicht, und das werden wir auch tun, im Rahmen der Bergbau-Unfallverordnung Weiteres zur Parteien­stellung speziell auszuführen. Das ist geplant, und ich würde daher die grüne Fraktion bitten, die neue Form der Parteienstellung im Speziellen danach zu bemessen, wie wir sie auf Verordnungsebene umsetzen werden.

Zur vom Herrn Ex-Landeshauptmann Dörfler angesprochenen Frage Bleiberg. Vertre­ter des Konsortiums haben bereits im Herbst zum ersten Mal mit mir Kontakt aufge­nommen und mir damals die Pläne präsentiert, wobei die Zuständigkeit eindeutig bei einer Tochterfirma der ehemaligen ÖIAG, jetzt ÖBIB, liegt, weil sie die Schürf- und Ab­baurechte in Bleiberg besitzt. Die Haftungsfonds-Frage muss daher auch dort geklärt werden respektive im Zusammenwirken mit der Kärntner Landesregierung und dem Kärntner Landtag. Das ist, glaube ich, gerade in Verhandlung, die sind also schon da­mit befasst. Und es gab auch Gespräche mit dem Konsortium. Das ist eine kanadische Firma, Samarium Borealis Corporation, wenn ich recht informiert bin. Die haben sich bereits ein paar Mal getroffen. Es handelt sich um eine diffizile Frage, weil ein Altab­baugebiet mit Untertunnelungen und so weiter hinsichtlich der Risikofragen vernünftig bewertet werden muss. Soweit ich informiert bin, befinden sich die durchaus in frucht­bringenden Gesprächen. Man wird sehen, was dabei herauskommt. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.27

18.27.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Seveso III – Novelle) und mit dem das Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen ge­ändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.28.4614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (627 d.B. und 658 d.B. sowie 9398/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich bitte um den Bericht.

 


18.29.01

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


18.29.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren hier und zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Berufsausbildungsgesetz ist ja von der Intention her an sich in Ordnung. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass man sagt: Ich schaue mir an, ob die Betriebe noch immer in derselben Qualität ausbilden, ob sie das ordentlich machen, denn wir wissen, auch die Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederöster­reich weiß, dass es natürlich immer wieder schwarze Schafe gibt, die sich da nicht so an die Richtlinien halten oder an die Qualitätssicherung. (Bundesrätin Zwazl: Bei den Auszubildenden auch, da gibt es auch schwarze Schafe!) – Ja, aber in dem Fall spre­chen wir von den Betrieben, die ja wohl eher in Ihre Kompetenz fallen.

Es ist auch in Ordnung, nachzuschauen, wenn jemand eine Zeitlang keine Lehrlinge ausgebildet hat, ob der noch auf dem neuesten Stand der Dinge ist und das noch kann.

Wir haben bei den Lehrlingen insofern Probleme, als erstens die Zahl der Jugendlichen insgesamt zurückgegangen ist, und zwar um über 14 Prozent, fast 15 Prozent. 115 068 Lehrlinge hatten wir Ende 2014, was einen Rückgang von 4,6 Prozent ge­genüber dem Vorjahr bedeutet. Und es hat sich auch die Zahl der Lehrbetriebe verrin­gert, nämlich von 38 000 im Jahr 2008 auf 32 000 jetzt.

Was mich an diesem Gesetz stört, ist, dass die Politik hier wieder ordentlich hinein­greift, wie sie das ja gerne tut. Es sind jetzt die Sozialpartner gefragt, die überprüfen das alles. Und auf die Frage: Wer prüft die Prüfer?, kommt natürlich die Antwort, dass


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ein Expertenbeirat eingesetzt worden ist. „Expertenbeirat“ klingt wirklich gut. So etwas haben wir immer dann, wenn die Politik nicht weiter weiß, dann gründen wir einen Ar­beitskreis oder einen Expertenbeirat. Das ist etwas, was mich wirklich massiv stört, dies umso mehr, als die Kammern, die Zwangskammern – ich bin ja ein Gegner der Zwangsmitgliedschaft – ihre Daseinsberechtigung gefestigt haben, indem sie sich in den Verfassungsrang katapultiert haben, und jetzt natürlich ein Lebenszeichen und ei­nen Nachweis ihrer Daseinsberechtigung geben müssen. Wir halten es für den fal­schen Weg, das so zu machen. Qualitätssicherung ja, aber nicht auf diese Art und Weise.

Was mich noch stört, ist, dass die ohnehin schon geplagten Unternehmen jetzt auch noch mit einer Verlängerung der Lehrzeiten belastet werden, wenn einer die Berufsrei­feprüfung oder einen Pflichtschulabschluss machen möchte. Das geht zulasten der Un­ternehmer. Es ist löblich und unterstützenswert, wenn ein Lehrling einen Pflichtschul­abschluss anstrebt, wobei ich mich frage, wie er ohne Pflichtschulabschluss zu einer Lehre kommt, aber das ist ein eigenes Kapitel. Wenn ein Lehrling so ambitioniert ist, dass er die Berufsreifeprüfung machen möchte, so ist das alles löblich und unterstüt­zenswert. Aber so, wie das jedoch in diesem Gesetz geregelt ist, also den Unterneh­mer mehr oder weniger in die Pflicht zu nehmen und die Lehrzeit zu verlängern, damit die Jugendlichen das tun können, das halte ich für den falschen Weg.

Ich sage das ja immer wieder: Wenn wir beklagen oder Sie beklagen, dass die Unter­nehmer nicht mehr so viele Lehrlinge aufnehmen, müssen wir auch schauen, woran das liegt. Wenn Sie sich bei Unternehmern umhören, werden Sie zu hören bekommen: Ich bekomme keine ordentlichen Lehrlinge!

Es hat übrigens einmal ein Vertreter einer großen Handelskette hier bei einer Enquete gesagt: Wir nehmen nur Lehrlinge, die lesen, schreiben und rechnen können! – Wie trau­rig ist das eigentlich, dass man nur noch jene Lehrlinge nehmen kann, die wenigstens die Kulturtechniken beherrschen. Da reden wir nicht über mehr Wissen oder ob jemand wirklich Prozentrechnen kann oder einen Rabatt ausrechnen kann, sondern wir begnü­gen uns schon damit, dass er lesen, schreiben und rechnen kann. Da müssen wir an­setzen!

Ein wesentlicher Punkt, den die Unternehmer auch immer wieder beklagen – und der kommt fast noch vor den Noten –, ist das mangelnde Benehmen der Jugendlichen. Die sagen: Der kommt angezogen wie der Hahn vom Mist daher, und dann lümmelt er sich irgendwohin, kaut seinen Kaugummi und glaubt, so bekommt er eine Lehrstelle!

Im Rahmen der Debatten des heutigen Tages ist auch sehr viel über Leistung gespro­chen worden. Die Grünen tun da ganz gerne so, als ob das etwas ganz Furchtbares wäre, beklagen den enormen Leistungsdruck, dem die armen Kinder überhaupt nicht mehr standhalten könnten. – Dazu sage ich Ihnen: Auch im zarten Volksschulalter muss man lernen, Rückschläge auszuhalten, Niederlagen auszuhalten und hinzunehmen. Dann kommt man auch im späteren Leben, wenn es dann wirklich real wird, mit Zurückwei­sungen, Rückschlägen et cetera viel besser zurecht.

Meine Friseurin erzählt mir, während sie mir die Haare schneidet: Sie können sich das überhaupt nicht vorstellen! Ich habe 16-Jährige  (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Worü­ber ist die Aufregung? Das hat sie mir erzählt! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Okay, geht es jetzt wieder? Ich bin gerade am Wort! Herr Kollege Pfister, Sie können sich ja dann gerne melden! – Meine Friseurin also erzählte mir, sie hat Lehrlinge, 16, 17 Jahre, die ihr sagen, sie haben ein Burnout. Und warum haben die ein Burnout? – Weil es am Donnerstag stressig ist, am Freitag stressig ist und am Samstag stressig ist, denn da gehen viele berufstätige Menschen gerne zum Friseur.

Und das ist genau das, was ich meine: Die Kinder haben es nicht von klein auf gelernt, ein bisschen Druck auszuhalten. Das ganze Gejammer über diesen ach so großen


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Leistungsdruck resultiert meinem Dafürhalten nach genau daraus, dass man nicht schritt­weise gelernt hat, auch ein bisschen etwas auszuhalten.

Das möchte ich zum Berufsausbildungsgesetz quasi als Erläuterung einbringen, weil es ja etwas ist, was uns grundsätzlich immer wieder beschäftigt, nicht nur bei diesem Gesetz, sondern bei anderen auch. Der Hauptgrund unserer Ablehnung ist jedoch, dass die Sozialpartner wieder alles kontrollieren, die Politik fest mit ihren Fingern hi­neingreift. Das lehnen wir ab, obwohl wir im Grunde unseres Herzens und unseres Hirns auch bei den Lehrbetrieben für eine ordentliche Qualitätssicherung sind. (Beifall bei der FPÖ.)

18.37


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


18.37.04

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Mühlwerth, jetzt müsste ich eigentlich ganz, ganz viel auf einmal übereinander, hintereinander und aufeinander sagen. Aber ich fange einfach der Reihe nach an. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Singen werde ich nicht, ich bin ein Schütz’!

Mit der Änderung des Berufsausbildungsgesetzes soll in erster Linie sichergestellt wer­den, dass der ausgewählte Beruf auch erlernt wird, dass die Kompetenz, die ein Beruf erfordert, in der Lehre erworben werden kann. (Beifall der Bundesrätin Blatnik.)

Zu den Kompetenzen gehört natürlich auch, dass man selbständig arbeitet, dass man mit Arbeits- und Lernsituationen umgehen kann, auch in Stresssituationen. Das sind die sogenannten Handlungskompetenzen. Ich glaube auch, dass die Änderung dieses Berufsausbildungsgesetzes darauf abzielt, dass die Menschen diese erlernen können.

Ich bin die Letzte, die auf die Unternehmer etwas abladen will, denn an und für sich haben wir schon genug. Nur eines muss schon festgestellt werden: Wenn wir gut aus­gebildete Fachkräfte wollen, dann muss auch der Unternehmer mitarbeiten, aber nicht nur der Unternehmer allein, sondern auch die Sozialpartner, die Jugendlichen, die ei­nen Beruf erlernen wollen und sich da auch die drei Jahre durchbeißen müssen. Wir wissen alle, dass man zwischen 16 und 18 Jahren ab und zu einen Hänger hat. Das muss man dann eben gemeinsam durchstehen. Gemeinsam heißt vor allem auch mit den Eltern! Auch die Eltern tragen Verantwortung, dass junge Menschen, ihre Kinder auch in schwierigen Zeiten durchhalten, dass sie zu den Kindern stehen, dass sie aber auch zur Leistung stehen.

Wenn wir jetzt unsere Berufe nicht weiterentwickeln, nicht verändern, nicht den neuen Zeiten anpassen, werden uns die jungen Menschen ausgehen, die uns für die duale Ausbildung zur Verfügung stehen. Als Konsequenz werden uns die Facharbeiter feh­len. Das System der dualen Ausbildung ist unumstritten. Es kommen von Amerika, von überall her Unternehmer und auch Politiker, die sich anschauen, wie wir die Berufs­ausbildung vollziehen. Warum haben wir eine verhältnismäßig geringe Arbeitslosig­keit? – Es ist unser duales Ausbildungssystem, in dem die Jugendlichen von Jugend an im Arbeitsprozess verankert sind.

Eine Studie hat jetzt gezeigt, dass sich sogar in Tirol die Zahl verringert hat. Bis jetzt haben sich dort 51 Prozent der Schulabgänger für die duale Ausbildung entschieden, in der Zwischenzeit sind es 47 Prozent. Österreichweit sind es überhaupt nur noch 40 Pro­zent, die sich für die duale Ausbildung entscheiden. In Tirol haben wir sogar 7 000 jun­ge Menschen, die keinen Schulabschluss haben, und diese 7 000 Menschen sind wahr­scheinlich die, die in die Armutsfalle tappen. Wenn ein leistungsfähiger junger Mensch keinen Abschluss hat, ein Schulabbrecher ist, der die Pflichtschule nicht beendet hat,


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dann wird er auch keine Lehrstelle ergreifen können, denn kein Mensch nimmt ihn, selbst wenn der Unternehmer sich in noch so einer großen Notsituation befindet, denn der signalisiert: Ich halte nicht durch. – Da müssen wir ansetzen!

Das Berufsausbildungsgesetz bedeutet auch, dass wir diese Jugendlichen nieder­schwellig abholen, dass auch diese eine zweite Chance bekommen, damit sie dann auch einen Beruf erlernen können, und sei es in einer Teilqualifikation. Wenn wir diese aus ihren Löchern herausholen, dann haben wir vielleicht die Chance, dass sie ehr­geiziger sind und ihre Teilqualifikation ehrgeiziger und mit einem besseren Leistungs­willen ausüben.

Das ist jetzt unsere Chance mit der Qualitätssicherung – ob es Unternehmer, Eltern, Jugendliche, die Sozialpartner sind –, wenn wir das gemeinsam weiterentwickeln und das nachhaltig vollziehen, haben wir alle etwas davon: Die Unternehmer haben etwas davon, die Arbeitnehmer haben etwas davon, und vor allem hat auch Österreich etwas davon. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.41


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfis­ter. – Bitte.

 


18.41.58

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Berufsausbildungsgesetz, die BAG-Novelle, beinhaltet sehr, sehr viele positive Dinge. Frau Kollegin Mühlwerth, ich stelle mir immer die Frage, wenn Sie über die Lehrlingsausbildung sprechen und irgendwel­che Beispiele bringen, wie oft Sie mit Lehrlingen zu tun haben und wie oft Sie diese Erfahrungen gemacht haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Oft genug!) Mir rennt da immer der Schauer eiskalt den Rücken runter bei Ihren Argumentationen, wenn es um die Lehrlinge geht, bei dem, was Sie da fabrizieren.

Wenn ich die BAG-Novelle jetzt hernehme – Sie kritisieren ja immer, es wird nichts um­gesetzt, es geht nichts weiter –: Bei einer Regierungsklausur in Krems in Niederöster­reich hat man sich darauf geeinigt, eine BAG-Novelle auf den Weg zu bringen, 2015 liegt sie am Tisch. Es passt aber wieder nicht; das ist Ihre Taktik. Selbst müssen Sie nichts umsetzen, Sie müssen einfach nur kritisieren und sagen: Es geht nichts weiter.

Es geht etwas weiter: Mit der Einführung der Richtlinienkompetenz hat der Wirtschafts­minister zusätzliche Möglichkeiten, Einstiegs- und Teilqualifikationen im Rahmen der integrativen Ausbildung weiter zu festigen, niederschwellige Einstiegs- und Teilqualifi­kationen. Und wenn Sie aufgepasst haben, im ersten Halbjahr 2015 – unter der nieder­österreichischen Präsidentschaft von Frau Präsidentin Zwazl – hat es sehr umfang­reiche Diskussionen, Enqueten gegeben, um diese Lösungsansätze gemeinsam, quer über alle Grenzen hinweg zu diskutieren; nicht nur die Facharbeiterausbildung betref­fend, sondern auch die Qualifizierung und die Aus- und Weiterbildung von unseren Kol­leginnen und Kollegen betreffend.

Sie waren bei mehreren dabei, und es stimmt, ich gebe Ihnen einmal recht, dass die Zahlen der abgeschlossenen Lehrverträge rückläufig sind. Auch die Zahl der ausbil­denden Betriebe ist rückläufig. Grund ist die demographische Entwicklung, die kennen Sie auch, jetzt kommen die geburtenschwachen Jahrgänge, und über 10 000 Jugendli­che weniger drängen auf den Arbeitsmarkt und auf den Bildungsmarkt. Es passiert ein Verdrängungswettbewerb auf diesem Markt. Und um genau diesen Verdrängungswett­bewerb aufzufangen, müssen wir die Lehrlingsausbildung und die Lehre attraktiver ma­chen, indem Möglichkeiten geschaffen werden, weitere Qualifikationen dazuzubekom­men.


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Neue Lehrberechtigungsverfahren, Überprüfungen, ob die Betriebe auch diese Mög­lichkeit haben, das ist einer der Punkte, die da enthalten sind. Ebenso, wenn 10 Jahre in einem Betrieb nicht ausgebildet worden ist oder wenn vor 10 Jahren ein Verfahren durchgeführt worden ist, dass man dort wieder kontrolliert, ob diese Gegebenheiten noch vorhanden sind und ob die Jugendlichen auch dementsprechend ausgebildet wer­den.

Des Weiteren: Vereinfachungen beim Zugang zur Lehre mit Matura durch die aliquote Verlängerung der Lehrzeit bei gleichzeitiger Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung; Möglichkeiten einer aliquoten Verlängerung der Lehrzeit, wenn sich die Lehrlinge auf das Nachholen des Pflichtschulabschlusses vorbereiten, insbesondere als strukturelle Unterstützung der Initiative Erwachsenenbildung.

Ich möchte hervorstreichen, dass es in dieser Novelle zum Berufsausbildungsgesetz arbeits- und sozialrechtliche Verbesserungen gibt, insbesondere beispielsweise für den Fall, wenn der Lehrbetrieb in Insolvenz geht, oder die Anwendung des Mutterschutzge­setzes für Jugendliche, die in überbetrieblichen Ausbildungsstätten sind. Das sind wich­tige Forderungen. Das sind Forderungen, die die Gewerkschaftsjugend schon jahrelang stellt, und ich freue mich, dass das mit dieser Novelle auch umgesetzt wird.

Zur Qualität möchte ich noch anmerken, dass es wirklich bemerkenswert und ein gro­ßer Fortschritt ist, dass die Daten der Lehrlingsstelle für Zugriffe geöffnet werden und dass es da auch für andere Organisationen die Möglichkeit gibt, diese einzusehen. Das war bis jetzt immer ein Bereich innerhalb der Wirtschaftskammer, eine Organisation in sich. Aber auch hier hat es Veränderungen und Öffnungen gegeben. Ich denke, dass das auch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist.

Ein Thema, das ich auch besonders hervorheben möchte: die Chancen auf dem Ar­beitsmarkt. Durch Aus- und Weiterbildung – das haben wir heute Vormittag schon dis­kutiert – steigt die Chance auf einen Arbeitsplatz oder auch darauf, nicht arbeitslos zu werden.

Diese Vereinfachung bei der Lehre mit Matura ist nicht nur für die Lehrlinge, sondern auch für die Eltern wichtig. Die Lehre mit Matura hat es zwar schon gegeben, aber jetzt wird dieser Schritt gesetzt, dass man den Eltern signalisiert: Die Lehre ist keine Bil­dungssackgasse (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), sondern die Lehre mit Matura bietet sehr wohl auch die Möglichkeit, höhere Bildungsabschlüsse über die Lehre hinaus zu machen. Das halte ich für sehr wichtig und auch für einen richtigen Schritt.

Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass noch viele Dinge zu ändern sind. Es ist schade, dass nicht alle Forderungen umgesetzt werden. Aber eines möchte ich schon sagen: Die ersten Schritte sind gesetzt. Es gibt viele Dinge – aber das schreibe ich auch Ihnen zu –, zu denen es Forderungen nach Änderungen gibt. Ich mache da kei­nen Hehl daraus, dass ich mich freuen würde, wenn die Probezeit auf ein Monat ver­kürzt würde und die Behaltefrist auf sechs Monate verlängert würde. Aber das fällt auch in Ihre Zeit, in die Zeit, in der Sie in der Regierung waren, liebe Frau Mühlwerth! (Bundesrätin Mühlwerth: Das, was Sie sagen, ist gar nicht wahr!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Facharbeit ist der Träger des Wohlstandes in Österreich. (Bundesrätin Mühlwerth: ... von Schwarz und Rot!) Gerade von Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit wird Österreich wegen seiner Lehrlingsausbildung nicht nur geschätzt, sondern auch beneidet. Die hohe Qualität der österreichischen Facharbeiter ist für die Zukunft unserer Arbeitsplätze, der Wirtschaftskraft in unserem Land ausschlaggebend. Die österreichischen Lehrberufe verdienen mehr öffentliche Beachtung, Anerkennung und Wertschätzung, vor allem auch im Inland. Daher ist das österreichische Ausbildungssystem weiter zu stärken.


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Insgesamt ist es ein tolles Gesetz, ein Schritt in die richtige Richtung, was aber nicht heißt, dass nicht weitere konstruktive Gespräche auf allen Ebenen, vor allem auch mit den Sozialpartnern, für weitere Verbesserungen für unsere Fachkräfte von morgen statt­finden können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.48


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dön­mez. – Bitte.

 


18.48.12

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten einige Enqueten zu dieser Thematik; diese waren sehr spannend, wir hatten zahlreiche Ex­pertinnen und Experten hier. Dann haben wir diesen Tagesordnungspunkt, und da stelle ich mir einige Fragen. Ich will jetzt aber nicht näher darauf eingehen (Bundesrätin Mühlwerth: Warum nicht?), ich möchte nur das wiederholen, was ich schon ein paar­mal gesagt habe; nachdem auch das Fernsehen hier ist, vielleicht hört der eine oder andere Zuseher zu.

Ich habe gesagt: In meiner beruflichen Funktion als Sozialarbeiter habe ich viele Ju­gendliche und Familien, deren Kinder am Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle suchen, be­treut und begleitet. Und das sind keine faulen Hund’! Ganz im Gegenteil! (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.) Da gibt es viele, viele Jugendliche, die es aufgrund unterschiedlicher Umstände etwas schwieriger haben, auf dem Ar­beitsmarkt Fuß zu fassen. Aber das, was sie haben, und das, was sie vereint, Kollegin Mühlwerth, ist der Wille. Natürlich gibt es da und dort welche, die sich überall drücken, was man ihnen anbietet. Aber bitte, das haben wir in der Politik auch. Es gibt genug, die nur das Notwendigste machen. Also man kann nicht alle in einen Topf werfen, man muss da schon differenzieren.

Ich habe damals schon gesagt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ihr jemanden kennt in eurem Umfeld, wenn ihr selber einen Betrieb habt und jungen Leuten eine Chance geben möchtet, meldet euch bei mir, ich stelle gerne die Kontakte her und begleite das Ganze auch! Bis dato hat sich noch niemand gemeldet. Daher der Appell jetzt an die ZuseherInnen zu Hause: Sollten Sie jemanden kennen oder einen Betrieb haben und möchten engagierten jungen Menschen eine Chance geben, dann treten Sie bitte mit mir in Kontakt; ich stelle gerne die Kontakte her! Und Sie werden sehen, dass das durchaus engagierte junge Leute sind und nicht alle nur auf der faulen Haut liegen wollen; so wie es von manchen immer skizziert wird. Das ist der eine Punkt.

Vieles wurde schon gesagt. Danke, Kollege Rene Pfister. Darum brauche ich mich jetzt auch nicht allzu weit auszubreiten. Aber ein Punkt wurde von niemandem erwähnt, und den halte ich wirklich für einen Wermutstropfen. Wir werden dem Gesetz aber dennoch zustimmen, weil es in eine richtige Richtung geht und viele positive Sachen enthalten sind. Aber diesen einen Aspekt, den halte ich wirklich für grundlegend falsch, weil er menschlich und auch ökonomisch ein Nonsens ist. Und zwar geht es da um den § 14 Abs. 2, dort wird ein weiterer Grund für die Beendigung des Lehrverhältnisses einge­fügt, und zwar ein „Asylverfahren des Lehrlings mit einem rechtskräftigen negativen Be­scheid“.

Was heißt das? – Das heißt: Es ist ohnehin schon sehr schwierig, dass jemand, der als Asylwerber in Österreich ist, überhaupt einmal den Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Und wenn er den Zugang zum Arbeitsmarkt hat, ist es verdammt schwierig, dass er über­haupt einmal irgendwo die Chance kriegt, als Lehrling tätig zu werden. Jetzt findet er vielleicht einen potenziellen Lehrherrn, und der investiert Zeit und Geld in diesen Asylwerber, der eine Lehre absolvieren will, und kurz vor der Lehrabschlussprüfung kommt der negative Asylbescheid – und der junge Mensch muss die Lehre abbrechen


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 168

und kann sie auch nicht mehr nachholen. Das ist doch bitte – menschlich und auch ökonomisch gesehen – ein Schwachsinn! Und darum ist das etwas, was mir in diesem Gesetz überhaupt nicht taugt. Das gehört repariert.

Aber es sind viele andere positive Aspekte drinnen. Deswegen werden wir als Grüne dem auch unsere Zustimmung erteilen. Und ich hoffe, dass wir das bei einer nächsten Novellierung auch berichtigen werden, denn das ist wirklich ein Blödsinn. – Danke viel­mals. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.52


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blat­nik. – Bitte.

 


18.52.49

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod drzavni sekretar! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kole­gice in kolegi! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen zu Hause! Dragi gledalci in gledalke doma!

Ich unterrichte seit 35 Jahren an der Berufsschule 1 in Villach – und das mit voller Freu­de, Überzeugung, weil ich einfach merke, dass unsere Lehrlinge lernfähig sind, dass un­sere Lehrlinge gerne etwas bewegen, dass unsere Lehrlinge motiviert sind, und dass sie gemeinsam im dualen Ausbildungssystem, das heißt Schule, das heißt Unterneh­men und Schüler, an der Wirtschaft arbeiten und auch die Wirtschaft zum Wachsen bringen.

Mein Auftrag als Lehrerin ist nicht, dass meine Schüler und Schülerinnen, meine Lehr­linge Niederlagen einstecken lernen, mit Konflikten zurechtkommen, sondern meine Priorität als Lehrerin ist, sie dorthin zu begleiten, dass sie Erfolg spüren, dass sie sich selbstbewusst und selbstsicher hinstellen und ganz einfach etwas bewegen und eben auch Erfolg ernten.

Meine Schüler und Schülerinnen gehen gerne in die Schule, sie gehen auch gerne ar­beiten. Das heißt – und das ist das, was du (in Richtung des Bundesrates Dönmez) schon gesagt hast –: diese zwei Enqueten. Ich würde wirklich bitten, dass man diese Bildung auch noch weiter als Schwerpunkt betreibt, das ist etwas ganz, ganz Wichti­ges. Das Zusammenspiel zwischen Schule, Lehrer und Schülern und Schülerinnen funk­tioniert, wenn wir es zulassen und wenn wir Schüler und Schülerinnen motivieren.

Unsere Schüler sind wunderbar. Unsere Schüler wollen etwas verändern, nicht nur Niederlagen einstecken und nicht immer nur mit Konflikten umgehen. – Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.55


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


18.55.24

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon sehr viel Negatives gehört, dass viele Dinge immer nur von der Seite gesehen werden, wie es einem ge­rade passt.

Aber wenn es um die Jugend geht, wenn es uns um unsere Zukunft geht, dann halte ich es nicht mehr aus, dann muss ich jetzt etwas darauf sagen; weil ich denke, dass wir in dem vergangenen halben Jahr gemeinsam sehr viel gemacht haben. Wir haben auf die Talente, Stärken und Potenziale unserer Jugend hingewiesen und sie aufgezeigt. Und dann kann ich mich nicht hier herstellen und sagen: Unsere Jugend taugt nichts.


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Unsere Jugend weiß sich nicht zu benehmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das habe ich so nicht gesagt!)

Wir haben bei der Zukunftskonferenz Herrn Heinzlmaier hier gehabt, Monika! Jetzt sa­ge ich heute nicht „liebe“ dazu, weil das „liebe“ ist mir jetzt abhandengekommen. Jetzt muss ich ganz einfach einmal sagen (Bundesrätin Mühlwerth: Du kannst auch ... Mühlwerth sagen!): Wir haben den Heinzlmaier hier gehabt. Wir haben eine Umfrage bei den Jugendlichen gemacht. Und was haben die Jugendlichen gesagt? – Das war für uns alle überraschend. Sie wissen genau, dass sie sich gut zu benehmen haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das gilt auch für andere!) Sie wissen genau, dass sie gut angezogen antreten müssen. Und sie haben gesagt, was sie wirklich brauchen, ist eine optimale, professionelle Betreuung, und dass wir ihnen helfen, die Ausbildung zu be­kommen, für die sie geeignet sind und wo sie die Talente und Begabungen haben.

Die Zwangsinteressenvertretung, die Wirtschaftskammer: Ja, die ist diejenige, die sich auch darum kümmert, weil die besten Konzepte und Programme sind nun einmal jetzt von uns ausgegangen, denn wir kommen der Verpflichtung, unsere Jugend dement­sprechend auszubilden, auch nach; und da muss man das aufzeigen. Wir haben eine Potenzialanalyse, einen Begabungskompass, und man sagt den Jugendlichen nur, wo ihre Stärken liegen; und dann bindet man sie mit den Eltern mit ein und sagt ihnen, wie sie ausgebildet werden sollen.

Dass unsere Jugend gut ist, dass sie sensationell ist, das sehen wir nicht nur daran, dass wir hoch ausgebildete Fachkräfte haben, dass wir gut unterwegs sind, dass wir auch in wirtschaftlich durchwachsenen Zeiten mit unseren exzellenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut durchkommen, sondern das sieht man auch daran, wenn sich un­sere Jugend internationalen Wettwerben stellt. Wir sind jetzt drei Mal hintereinander Europameister geworden. Wir haben 14 Medaillen, Goldmedaillen; die am zweiten, drit­ten Platz haben miteinander nicht so viel. Also da kann man nicht sagen, dass unsere Jugend nichts taugt. Und unsere Betriebe bilden gut aus.

Du hast gesagt ... (Bundesrätin Mühlwerth blickt nach oben.) – Blick zum Himmel nützt auch nichts. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. Bundesrätin Mühlwerth: Wer weiß!)  Du hast gesagt: Es gibt überall ein paar. Monika, wir brauchen nicht immer von den „paar“ zu reden, wenn ein „paar“ nicht taugen – egal, wo und wann, aber bitte nicht alle in einen Topf werfen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Noch einmal: Nein, Monika! Wir machen Politik. Aber bitte nicht auf dem Rücken unse­rer Jugend! Nicht auf dem Rücken unserer Kinder! (Neuerlicher Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Und das sage ich als Vertreterin der Wirtschaft: Wir sind froh, dass wir so eine tolle Jugend haben. Zeigen wir ihnen ganz einfach auf, welche Möglichkeiten es gibt!

Wir haben auch diesen jungen Menschen gezeigt, die eine zweite, dritte Chance brau­chen, dass es bei uns in Österreich Initiativen gibt, mit denen man sie wieder einglie­dern kann. Ein Kollege von dir, ein freiheitlicher Nationalrat, ist zu dieser Initiative, die die ach so zwangsorientierte Kammer macht – in der Jugendliche mit einer tiergestütz­ten Therapie wieder so weit gebracht werden, dass sie eben teamfähig werden, ausbil­dungsfähig werden –, hingegangen und hat sich erkundigt. Er hat gesagt: Es ist so sen­sationell. – Dort werden die Jugendlichen nicht totgestreichelt. Da wird ihnen nicht alles nachgetragen.

Also bitte, es gibt genug Initiativen, es gibt genug Menschen im Land, die sich um un­sere Jugend bemühen. Zeigen wir bitte das auf, was wir tun, das Positive, und nicht nur das Negative. Wir haben heute wirklich schon genug gehabt.

Meine Bitte geht in die Richtung, ich bin für eine intensive Auseinandersetzung, aber bitte: Unsere Jugend ist viel zu kostbar. Da soll man nur aufzeigen, welche Möglichkei-


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ten es gibt, der Jugend ein herzliches Dankeschön zu sagen und ihnen auch den Mut zu geben, dass sie mit ihren Begabungen, mit ihren Talenten, mit ihren Fähigkeiten bei uns im Land alle Chancen haben und dass wir hinter ihnen stehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.00


Präsident Gottfried Kneifel: Frau Bundesrätin Mühlwerth hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. (Bundesrätin Zwazl: Nein! Nein!)

 


19.00.39

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Das ist heute offensichtlich der Tag, Sie versuchen, uns absichtlich misszuverstehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Ja, schon, doch!

Mit keinem Wort habe ich gesagt, alle Jugendlichen sind schlecht. Ich weiß, dass wir bei den Lehrlingen Wettbewerbe gewinnen, Olympiaden gewinnen, dass wir sehr gute Lehrlinge haben. Das weiß ich, das anerkenne ich auch, das leugne ich auch in keinem Fall. Es gibt aber auch diejenigen, die eben nicht so toll sind. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen. Ruf bei der SPÖ: Ihr wissts, was gut ist!) Leute, es gibt auch die, die nicht wollen. Sie können sich doch nicht immer die Scheuklappen aufsetzen und sa­gen, wir sehen nur das, was wir sehen wollen.(Weitere Zwischenrufe.)

Es gibt eben auch die andere Seite. Und warum ich es erwähnt habe und worauf ich hinaus wollte, war, dass das bei allem Anerkennen, dass man denen helfen will – ja, ich bin ja auch nicht dafür, sie irgendwo in die Ecke zu stellen und zu vergessen –, aber das, worauf ich hinaus will ist, dass wir viel, viel früher beginnen müssen, darum habe ich das gesagt.

Das kostet mit 15 dreimal so viel, und es ist sehr spät. Also vielleicht hören auch Sie (in Richtung von Bundesrätin Zwazl) einmal nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Kopf zu, denn manchmal hört man mit den Ohren und es kommt da oben nicht an, weil man da eine Blockade hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Fangen wir früher an, den Kindern beizubringen, dass man etwas aushalten muss, dass man etwas leisten muss, dass man eine gewisse Leistung erbringen muss, und fragen Sie die Lehrer: Benehmen schon mit sechs Jahren, und, und, und. Das war al­les.

Fangen wir bitte früher mit den Maßnahmen an, nicht erst mit 15! (Beifall bei der FPÖ.)

19.02


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


19.02.58

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Ich möchte nur einen Satz dazu sagen: Du warst dabei, wir gehen schon in die Schulen, wir fangen früh an, und ich glaube auch, dass ich nicht nur mit dem Herzen höre, sondern ich habe auch ein Hirn. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.03


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Mahrer. – Bitte.

 


19.03.35

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Gut, dass da oben ein Glas ist. (Allgemeine Heiterkeit.) Denn da fahre ich jetzt nicht durch. Eigentlich hatten wir vor ein paar Wochen im Rahmen einer Enquete eine sehr gute Debatte, wo ich dankbar war, dass diese Enquete stattgefunden hat.


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Sie haben ja im Vorfeld auch einige andere Veranstaltungen gehabt; sowohl der Herr Sozialminister als auch ich haben uns sehr offen dafür bedankt. Natürlich ist es die Verhältnismäßigkeit der Debatte und das Betrachten der Waagschale: Welche Jugend­lichen sind denn wirklich benachteiligt sind das viele oder wenige? –, welche sind in schwierigen Situationen – sind das viele oder wenige? – und welche Jugendlichen ha­ben ganz tolle Lehrkarrieren hinter sich und werden dann zu vielen tollen Facharbeits­kräften, die in Wirklichkeit das Rückgrat unseres produzierenden Mittelstandes und der Industrie sind? Das ist die entscheidende Frage.

Damals habe ich eine Debatte wahrgenommen, in der ausgeführt wurde: Wir sind dank­bar dafür, dass wir sehr viele haben – schwere Waagschalenhälfte , sehr viele, auf die wir uns glücklicherweise in der österreichischen Wirtschaft verlassen können, dass sie in sehr vielen Lehrstätten eine wunderbare Lehrausbildung durch ihre Lehrfrauen und Lehrherren haben, und danach wunderbare Facharbeitskräfte werden, aber dass wir – leichte Waagschalenhälfte – zum Glück wenige haben, auf die wir verstärkt unser Hauptaugenmerk richten sollten, die aus sehr unterschiedlichen soziodemographi­schen Hintergründen kommen: Migrationshintergrund und nicht, haben wir gehört, El­ternhäuser mit guter Berufsbildung und nicht guter Berufsbildung, weniger gute und gu­te ökonomische Verhältnisse, sogenannte wohlstandsverwahrloste Kinder gibt es auch. Wir haben gehört, dass die Gründe mannigfaltig sind.

Ich habe es in Ihrer Debatte damals so verstanden, dass Sie sich alle gemeinschaftlich einsetzen wollen – da habe ich damals eine Mehrheit im Hohen Bundesrat wahrneh­men können , um die Rahmenbedingungen für diese jungen Menschen zu verbes­sern. Und ich komme auf den zweiten Punkt, wo es darum geht – was die Frau Bun­desrätin gerade angesprochen hat , sich um sie zu kümmern, würden Sie einer Initia­tive zustimmen. – Und so eine haben wir heute mit der Novelle zum Berufsausbil­dungsgesetz am Tisch, dass wir ganz konkret Maßnahmen setzen, um die schwierige Situation von Jugendlichen im Alter 15+ zu verbessern. Ich möchte gar nicht mehr da­zu sagen: in der Situation, wenn sie 14, 15+ sind, wenn sie in der Berufsausbildung sind, die Situation verbessern. Und das geschieht mit der Novelle ganz konkret. Es geht eigentlich um diejenigen, die benachteiligt sind, die in schwierigen Situationen sind.

Das schließt jetzt in gar keiner Art und Weise aus, wir reden hier nicht von Entweder-oder, sondern von einem Sowohl-als-auch. Ich glaube, da war damals Einigkeit im Ho­hen Haus – und das war ja der Punkt meiner Ausführung, wenn Sie sich erinnern können –, dass wir natürlich in der Schulstufe Sekundarstufe I, in der Volksschule und auch schon im Kindergarten – den dürfen wir nicht nur als Kinderbetreuung, sondern als frühkindliche Bildungseinrichtung begreifen – bewusst viel mehr machen müssen, damit die Jugendlichen erst gar nicht in so eine Situation kommen.

Aber das ist eben nicht nur eine Frage von: Wir machen nur das eine oder das andere, sondern ich glaube ich habe das damals zumindest so geortet hier im Hohen Bun­desrat, und ich würde mir auch wünschen, dass das so bleibt –, dass wir für alle etwas machen müssen, denn wir wollen kein Kind zurücklassen. Das ist der Punkt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Mehr möchte ich zur Berufsausbildungsgesetz-Novelle gar nicht sagen, aber ein Punkt ist mir schon wichtig – Sie haben das angesprochen –: die Frage Asyl. Vorhin haben Sie trefflich mit der Frau Bundesministerin eine Reihe von Punkten debattiert und soll­ten in dem Zusammenhang schon sagen, es ist doch immer die Frage  bei aller Mensch­lichkeit, Sie kennen mich gut genug, ich habe da ein großes offenes Herz : Wie at­traktiv ist ein Land? Glücklicherweise gibt es so etwas wie den Erlass des Arbeits- und Sozialministeriums Herr Bundesminister Hundstorfer ist dafür zuständig  vom 18. März 2013, der jugendlichen Asylwerbern im Alter bis zu 25 unter spezifischen Bedingungen


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die Möglichkeit bietet, eine Lehrausbildung in Österreich zu machen – bis 25 und nicht älter –, während das Verfahren läuft.

Was jetzt sozusagen hier stattfindet im § 14 Abs. 2, den Sie angesprochen haben, ist eine Klarstellung formeller Natur: Wird das Asylverfahren negativ beschieden, dann wird das natürlich beendet.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Situation, in der wir eine Regelung schaffen wür­den, in der alle, die da sind, trotz eines negativen Asylbescheids hier bleiben könnten und die Lehrausbildung weitermachen würden. Worum es hier geht, ich versuche, das zu präzisieren: Der Erlass sagt das ist die Intention des Erlasses , dass sie, solange das Verfahren läuft, eine Ausbildung machen dürfen. Aber es ist natürlich vollkommen klar, dass sie diese abbrechen müssen, wenn das Asylverfahren negativ beschieden wird.

Wir schreiben hier nichts rein, was neu ist, was benachteiligt, sondern ganz im Gegen­teil: Wir stellen nur das juristisch einwandfrei klar  damit es keinen Interpretations­spielraum gibt , das im Erlass von der Intention her sowieso festgeschrieben wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.09


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


19.09.22

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Ganz kurz: Sie haben recht, aber als die geehrte Frau Ministerin da war, habe ich auch einen sehr wesentli­chen Satz gesagt: Wichtig ist, dass die Behörden miteinander sprechen und sich aus­tauschen. Es ist ja nicht die Masse, die da den Zugang zum Lehrausbildungsmarkt hat, das sind wirklich wenige. Und wenn man weiß, dass es da ein paar gibt, dann kann man sich ausrechnen, dass der Bescheid kommt, wenn die Lehre fertig ist – und nicht dann, wenn man gerade mitten drinnen ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Bun­desrat Krusche: Und die Asylverfahren dauern so lang!)

19.09

19.10.01

 


Präsident Gottfried Kneifel: Es liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht trotzdem noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.10.3615. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2014 (III-554-BR/2015 d.B. sowie 9399/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Bitte um den Bericht.

 


19.10.50

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2014. Die­ser liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.


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Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2015 den An­trag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2014 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


19.11.00

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Staats­sekretär, Sie haben schon das Stichwort gegeben, besser gesagt, die Fragestellung zu diesem Tourismusbericht, der sicherlich interessant ist, worauf ich gleich eingehe: Wie attraktiv ist ein Land?

Österreich ist für den Tourismus sehr attraktiv, umso mehr muss man auf das Erbe, sowohl auf das topographische als auch auf das kulturell-historische Erbe aufpassen.

Der Bericht ist gut, ich darf Ihrem Ministerium mein Kompliment aussprechen. Er ist zeit­nahe, er ist im Mai editiert worden. Das ist in anderen Ministerien nicht der Fall, dass das so zeitnah und aktuell ist.

Und auch der Ausschussvorsitzenden darf ich meine Gratulation aussprechen, dass im Ausschuss wirklich ein Diskurs mit der Expertin des Tourismus stattgefunden hat. Es ist sicherlich interessanter und spannender – und auch sicherlich für einen Bundesrat interessanter – als das etwas steife Frage- und Antwortspiel. Das kann man sich si­cherlich als Vorbild nehmen.

Etwas danebengegriffen hat aber – das wundert mich nicht – wieder einmal der WIFO-Experte im Tourismusbericht. Obwohl das eigentlich zeitnah ist: Wenn er Angst vor ei­nem steigenden Euro und einer darunter leidenden Exportwirtschaft hat, liegt er weit, weit daneben. Denn: Der Euro ist auf sinkendem Kurs, seit Oktober 2014, gegenüber dem US-Dollar hat er bereits über 20 Prozent verloren.

Also man sollte beim WIFO vielleicht nachbessern, oder vielleicht sollte man – das ha­be ich ohnehin schon öfter gesagt – einmal ein anderes Institut nehmen, nicht immer das WIFO – ich weiß nicht, was die da forschen –, da gibt es sicherlich jede Menge an­dere Institute, die besser sind: IHS oder das von der Industriellenvereinigung ist si­cherlich zu bevorzugen.

Zum Wirtschaftsstandort möchte ich nun nicht im Detail sprechen, darüber habe ich heute schon referiert. Interessant ist aber, dass Österreichs Weltmarktanteil im Touris­mus – der sensationell hoch ist, da muss man den ganzen Tourismusinstitutionen schon einmal Respekt aussprechen – seit 2009 kontinuierlich sinkt, und zwar Jahr für Jahr. Und dies geht parallel mit der Wirtschaftsleistung Österreichs, die ja auch in der Dyna­mik in diesen sechs Jahren sinkt, sinkt und sinkt.

Aber darauf möchte ich, wie gesagt, nicht eingehen. Interessant ist nur, dass man in der Steuerreform oder Tarifreform, wie man es vielleicht definieren kann, auf diese Pro­blematik des österreichischen Tourismus nicht eingeht und allen Ernstes die Sätze für Mehrwertsteuer oder Umsatzsteuer in der Hotellerie von 10 Prozent auf 13 Prozent erhöht hat. Das ist sicher kontraproduktiv und hilft der Wettbewerbssituation der sehr tüchtigen und fleißigen österreichischen Tourismusbetriebe sicherlich nicht – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Gäste, letztlich jeder zweite, aus Deutsch­land kommen. Dort ist der Umsatzsteuersatz 7 Prozent, und in der Schweiz – die Schwei­zer kommen auch sehr gerne nach Österreich – gar nur 3 Prozent, und wir haben 13 Pro­zent. – Also das ist kontraproduktiv!


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Die Österreich Werbung – und da darf ich auch meinen Respekt aussprechen – weiß genau, welche Aktiva Österreich international zu bieten hat. (Der Redner hält ein Bild vom Tourismusbericht in die Höhe.) Das sieht man gleich auf den ersten drei Sujets, auf den ersten drei Bildern dieses Tourismusberichts: das ist die Sommerlandschaft, das ist die Winterlandschaft, und das ist das kulturelle Erbe, das ist die Bundeshaupt­stadt Wien. Und als Wiener Bundesrat darf ich darüber sprechen.

Das Bild ist vielleicht etwas zu klein, dass es jeder sieht. (Der Redner zeigt ein Bild aus dem Tourismusbericht.) Das ist in einem Katalog wirklich ein ganz tolles Sujet, wie ein junges Paar den Blick auf das Kunsthistorische Museum richtend am Maria-Theresien-Platz entlang stolziert, 200 Meter von hier entfernt.

Im Hintergrund ist nicht die Kaiserin, sondern Erzherzogin Maria Theresia, Königin von Ungarn, Kaiser war ihr Ehemann, Franz von Lothringen, deswegen hat sie ja diesen Na­men: Habsburg-Lothringen. Er war der Kaiser, ihm ist dieses Naturhistorische Museum zu verdanken, in erster Linie die Sammlung, die heute nach wie vor – obwohl schon 200 Jahre später – das Herz dieses österreichischen Kulturschatzes darstellt. Und das – dieses kulturelle Erbe! – ist das Herz des Tourismus hier in Wien; das darf man nicht vergessen.

Ich feiere ja lieber aktive, positive Erinnerungskultur, anstelle von irgendwelchen Trüm­mertagen, wie 70 Jahre Krieg oder was weiß ich was, und das ist, finde ich, sicherlich 150 Jahre Wiener Ringstraße. Das ist unser kulturelles Gedächtnis hier in Wien, das ist unsere Erinnerungskultur, und darauf besinnen sich auch die internationalen Gäste, die nach Österreich kommen. Diese Dynamik muss man ausnützen, und vor allem – das hat sich auch in der Diskussion gezeigt – die Russen, die ja reich sind und ein gewis­ses monetäres Potenzial haben, auslassen, und stattdessen sollten die Amerikaner ein­springen.

Vergleicht man Wien mit anderen europäischen Städten, ist der Schatz, der kulturelle Schatz Österreichs, sicherlich nicht geringer als der anderer Länder, zum Beispiel Ita­lien. Aber der Amerikaner ist in Wien kaum anzutreffen, und um den sollte man sich wesentlich mehr kümmern, denn er liebt erstens die Musik und zweitens das kulturelle Erbe Wiens.

Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass die rot-grüne Wiener Stadtregie­rung – aber das ist ja nicht nur seit der Beteiligung von Grün, es gibt die rote Stadtre­gierung schon über 70 Jahre lang – auf dieses kulturelle Erbe wenig bis gar keine Rücksicht nimmt. Es gibt fast kein neues Bauobjekt in Wien, das nicht auf Missmut der Bevölkerung stößt, das nicht Skepsis und eine Bürgerbewegung auslöst.

Ganz zum Schluss, als Letztes, etwas ganz Aktuelles: Der Verbau des Eislaufvereins in Wien mit einem Hochhaus, direkt in der Sichtachse des Konzerthauses. Das heißt, wenn man auf der Ringstraße fährt, wird man das Konzerthaus nicht mehr sehen kön­nen. Es wird verbaut von einem Hochhaus, von einem Hochhausturm. Und die lieben Kinder, die dort eislaufen, müssen vor einem Betonwall eislaufen. – Nein, das kann es nicht sein, das lehnen wir ab!

Und ganz interessant ist, dass vor diesem Hintergrund im ersten Bezirk, und da feder­führend durch die FPÖ, von unserem Bundesratsreferenten und Klubobmann des ers­ten Bezirks, Georg Fürnkranz, ein einstimmiger Beschluss gefasst worden ist, wo sich alle Fraktionen gegen dieses Hochhausprojekt aussprechen.

Ich frage mich schon: Was ist so interessant für die rot-grüne Stadtregierung, dass sie permanent mit Bauspekulanten zusammenarbeitet? Es ist ja nicht das erste Projekt. Der Untergang der Copa Cagrana ist ausschließlich durch die viel zu dichte Verbauung an der Donauplatte zu verantworten, wo mittlerweile mehr Leute auswandern als ein­ziehen. Das muss auch einmal gesagt werden.


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Und wenn wir bei der Verbauung Wiens sind: Was wird noch verbaut? Die Baugrün­de – jetzt umgewidmet als Baugründe –, die Naturfläche am Steinhof, das Areal in Lainz. Ganz katastrophal finde ich – wenn man vom Flughafen kommt, ist das jedes Mal eine negative „Augenweide“ – die Autobahn durch die Wiener Freudenau. Wie kann man allen Ernstes durch die Grünfläche der Wiener Freudenau eine Autobahn bauen, die einen Kurvenradius für eine Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometer hat. Also diese Autobahn sollte man wegreißen. Es sollte sich die Wiener Stadtpolitik auch ein­mal Gedanken machen, dass man sich von gewissen Objekten trennt und Gebäude ein­fach abreißt.

Und genauso das Hotel Intercontinental, in einem Baustil aus den sechziger, siebziger Jahren, sollte – da muss man sich einmal Gedanken machen, und das sollte man auch aussprechen – abgerissen werden dürfen, damit die Sichtachse, wie sie damals vor über 100 Jahren geplant war, vom Stadtpark aus nicht mehr verstellt wird. (Bundesrat Mayer: Wer zahlt’s?) – Wien schmeißt so viel Geld beim Fenster hinaus, aber so viel, dass es sicherlich wesentlich konstruktiver ist, sich einmal um den Tourismus zu küm­mern und Gedanken darüber zu machen, warum die Gäste – immerhin ist der welt­weite Anteil Österreichs bei 6 Prozent – nach Österreich und in die Bundeshauptstadt Wien kommen. – Das haben wir unserem Erbe zu verdanken. Das war Wien, 600 Jah­re Kaiserstadt, Wien im Heiligen Römischen Reich.

Das war vor allem der Historismus im 19. Jahrhundert, der diese Prachtbauten à la Na­turhistorisches Museum und Kunsthistorisches Museum im Stile des Eklektizismus oder Historismus, um es einfach auszusprechen, auf jeden Fall die Mischung von verschie­denen Baukulturen – Neorenaissance und Neobarock –, vollendet hat.

Das könnte nicht besser sein, denn ein großer Begriff, der oft in der Architektur hier in Wien übersehen wird, ist der Begriff Ästhetik. Schön ist, was gefällt, und bei den Im­mobilienpreisen sieht man sofort den Unterschied zwischen Alt und Neu. Ein Immo­bilienobjekt in der gleichen Lage mit unterschiedlicher Erbauungszeit, also Gründerzeit­haus und aktuelles Haus und Neubau, hat im Preis einen Unterschied von bis zu einem Drittel. Da weiß man, was die Bevölkerung will, was die Bevölkerung nachfragt, und auf dieses Wien, auf diese Stadt, sollte man Rücksicht nehmen.

Dazu gehört auch – was ich auch lieber feiere als 70 Jahre Trümmerkultur – 650 Jahre Wiener Universität, Universitätsstadt Wien. Auch das interessiert die Menschen, glaube ich, mehr als irgendwelche kulturellen Gedächtnisse, die wir nicht brauchen. Dazu ge­hört auch – und damit komme ich schon zum Abschluss – das Haus der Geschichte, das geplant ist. Ein Museum ist immer die Basis für die Ausstellung dinglicher Quellen. Es ist die Basis von Sammlungen, am Beispiel des Naturhistorischen Museums ge­zeigt. Was soll im Haus der Geschichte, unweit von hier am Heldenplatz, ausgestellt werden? – Wahrscheinlich Texte. Ich nehme an, dass man nur Texttafeln zeigt. Und für Texttafeln ist das wirklich teuer, da gebe ich dir recht, lieber Kollege Mayer – das ist zu teuer.

Da ist das virtuelle Museum im Zeitalter der Digitalisierung erstens billiger und zweitens effektiver. Das haben heutzutage schon die Uffizien in Florenz, wo vieles mit der digi­talen Darstellung erfolgt, was zehnmal billiger und einfacher ist. Dieses Museum der Geschichte würde ich dem lieben Oliver Rathkolb abdrehen, und zwar ohne Wenn und Aber, denn es kann nicht sein, dass die Musiksammlung in der Musikstadt Wien die Hofburg verlassen muss, damit dieses eigenartige Haus der Geschichte, wo es über­haupt keine Quellen dazu gibt, einen Platz findet.

Das kann es nicht sein, und das lehnen wir Freiheitlichen ab.

Zusammengefasst: Der Tourismusbericht ist gut, der Anteil von Wien fehlt. Den habe ich hiermit ergänzt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.21



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 176

Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. Ich erteile ihr dieses.

 


19.22.01

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wie wichtig in Österreich der Tou­rismus und seine Freizeitwirtschaft sind, zeigt schon das Titelbild. (Die Rednerin hält den Bericht in die Höhe.) Tirol auf der ersten Seite. Es sind Going und der sogenannte Wilde Kaiser.

Bei Durchsicht des Berichtes finden wir von jedem Bundesland ein Bild. Es sind sensa­tionelle Bilder, und sie laden ein, Urlaub in Österreich zu machen. Von Tirol gibt es zwei, denn wir haben nicht nur Wiesen, wir haben auch Berge, Täler und Seen. Ich glaube, für all jene, die den Tourismusbericht gelesen haben, ist es ein spannender und aufschlussreicher Bericht. Im Ausschuss haben wir ausführlich darüber diskutiert, Zahlen und Prozente abgewogen. Der Bericht zeigt uns, in welchem schwierigen Um­feld sich der österreichische Tourismus bewegt. Im Euro-Raum ist die Wirtschaftslage weiterhin als labil einzuschätzen. Obwohl sich in Europa eine leichte Erholung der wirtschaftlichen Gesamtsituation abzeichnete, ist diese weiterhin zögerlich und ohne Schwung.

Die Gästezahl ist auf einen neuen Rekordwert gestiegen, während die Nächtigungen leicht zurückgegangen sind. Die Menschen fahren in den Urlaub, aber sie bleiben kür­zer. Es hat natürlich auch mit der unsicheren wirtschaftlichen Situation zu tun. Das Wachstum in Österreich von 0,8 Prozent gibt natürlich auch nicht die Sicherheit, zu sa­gen, ich gebe den letzten Pfennig für den Urlaub aus. Aber die Entwicklung ist auf ei­nem positiven Weg.

Wenn ich jetzt nur Tirol hernehme – weil ich mich da auch am besten auskenne und unser Landeshauptmann in wirtschaftlich schwierigen Situationen auch immer sagt: Der Tourismus ist der Fels in der Brandung. Der Tourismus war auch 2008 und 2009 österreichweit der Fels in der Brandung, denn die Menschen haben gesagt: Wir stär­ken das Land, wir bleiben in Österreich, wir fahren in Österreich auf Urlaub. Das war auch gut so. Damit haben wir auch die wirtschaftliche Schwäche der anderen Länder in Österreich nicht so zu spüren bekommen. Aber wenn nicht langsam ein Schub nach oben kommt, dann spürt man es doch.

Tirol investiert in den Sommertourismus und macht mit dem Tiroler Bergsommer Wer­bung. Bei der Tirol Werbung mit der Österreich Werbung steht das an erster Stelle. 1985 hatte Tirol im Sommer 16,4 Millionen Nächtigungen, 2014 hatten wir 16 Millionen. Also man sieht schon, im Sommertourismus haben wir Potenzial, das müssen wir aus­bauen. Da investiert Tirol 2,8 Millionen € in neue Radwege – auch mit dem Rad kann man Tirol erklimmen und erkunden. Es soll so wie das Hexenwasser in Hochsöll für Familien attraktiv werden, wo für Klein und Groß Angebote offeriert werden. Im ersten Jahr waren es schon 40 000 Besucher, die das Hexenwasser besucht haben.

Serfaus-Fiss-Ladis ist nachgezogen. In den letzten beiden Jahren hat es in den Som­mertourismus investiert, aber man bedenke: Es sind nur Regionen, in denen es auch eine Bergbahn gibt, die im Sommer punkten. Also so sanft, dass man zu Fuß überall hinkommt und jeder hinwill, das spielt es nicht. Die Gäste wollen mit der Bahn auf den Berg und oben Event haben, Spiele haben. Sie waren dann auf 1 900, 2 400 Metern. Aber nicht zu Fuß – das sind nur einige wenige.

Da möchte ich jetzt nicht herumsumsen, dass in Tirol der Zusammenschluss von Schlick 2000 und Axamer Lizum mit den Grünen nicht möglich ist, denn das wäre im Stubaital auch eine Region, die im Sommer sehr positiv genutzt werden könnte.


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Ich glaube, wir müssen schon schauen, dass wir auch im Tourismus jedes Jahr neue Angebote machen können, denn wir wollen ja auch als Urlauber „Wiederholungstäter“ haben, die öfter zu uns kommen als einmal, weil es bei uns Angebote gibt, die sie nut­zen können und die ihnen Erholung bringen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Tourismus neben Industrie, Handwerk und Gewerbe einfach der Impulsgeber dafür ist, dass Arbeiten in Österreich möglich ist, vor allem in unseren Tälern. Würde es in unseren Tälern keinen Tourismus geben, würde es auch kein Handwerk und Gewerbe geben und keinen Handel. Wer sollte in den Sei­tentälern davon leben können? – Leben kann man nur, wenn auch Tourismus vorhan­den ist. Daher: Unterstützen wir den Tourismus! Besuchen Sie nur die Regionen, die Sie in den Bildern im Tourismusbericht finden! Dann machen Sie zweimal Urlaub in Ti­rol und dann auch noch in den restlichen Ländern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.27


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. Ich erteile es ihm.

 


19.28.11

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Eine flammende Rede für Tirol! Ich wür­de vorschlagen, man kann ja fünfmal in Kärnten Urlaub machen, zweimal in Vorarlberg und zweimal in Wien – das ist auch eine Lösung.

Ich möchte mich auch für diesen Bericht bedanken, der schon einleitend aufzeigt: „Djan­go“, unser Vizekanzler, der sonst sehr stürmisch, optimistisch, offensiv ist, schreibt da oder sagt da oder meint da: Der österreichische Tourismus hat 2014 solide bewältigt. – Das ist für einen Optimisten in der Politik zumindest eine sehr reale Bewertung des letz­ten Jahres.

Ich bedanke mich dafür, dass dieser Bericht tatsächlich einerseits die Vorzüge des Tou­rismuslandes Österreich beleuchtet, aber andererseits auch die Trends und die Schwie­rigkeiten, die wir haben, aufzeigt. Es gibt da derzeit eine Stimmung, und Frau Kollegin, diese Leidenschaft für Tirol, die ist super, wir haben eine Leidenschaft für Österreich ins­gesamt, aber es gibt derzeit eine Hochsaison für neue Belastungen, die gerade auch in Tirol im Tourismus nicht unbedingt zu nur vor Freude stürmischen Beifallskundgebun­gen Anlass gibt.

Aber ganz kurz zum Bericht: Wenn wir den realen Aufwand vergleichen, dann müssen wir sagen: Wir haben ein echtes wirtschaftliches Problem im Bereich der touristischen Entwicklung. Wir hatten 2006 pro Übernachtung einen Aufwand von 184,3 €. Wir ha­ben 2014 155,1 €. Das heißt, vom höchsten Aufwand gemessen ab 2000, ist es so, dass wir 15,84 Prozent verloren haben. Das ist für die Betriebe existenzbedrohend. Wenn man bedenkt, dass im letzten Jahr erfreulicherweise eine Lohnsteigerung von 2,2 Pro­zent für die hervorragenden Tourismusmitarbeiter zu finanzieren war und sich gleich­zeitig aber die Einnahmensituation drastisch verschlechtert hat, dann weiß man, mit welchen Problemen der Tourismus zu tun hat. Die Investitionskraft ist für viele Betriebe nicht mehr gegeben.

Ich spreche da für Kärnten. In Bad Kleinkirchheim war es üblicherweise so: Die Ski sind sozusagen nach Ende der Wintersaison weggestellt worden, und die Baukräne sind gekommen. Das Gleiche war nach der Sommersaison, da sind die Baukräne ge­kommen und die Bauarbeiter quasi vor dem ersten Gast vor Weihnachten gegangen.

Wir haben derzeit in vielen Tourismusregionen – und besonders Bad Kleinkirchheim ist dafür gestanden; das ist auch österreichweit ein Problem – nicht die Investitionen, die der Tourismus brauchen würde, um tatsächlich nachhaltig wettbewerbsfähig zu sein.


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Wir haben Betriebe, die sozusagen in die Fassade und ins Angebot investieren, gleich­zeitig sind die Betriebe nicht mehr in der Lage, zum Beispiel ihre Energieeffizienz auf den neuesten Stand zu bringen. Viele Betriebe sind in der Situation, dass sie noch funktionieren, aber in Wirklichkeit substanziell große Probleme haben. Und Frau Kolle­gin Junker, es ist tatsächlich so: In den Regionen ist der touristische Erfolg letztendlich sehr stark damit verbunden, dass auch mittelständische Bau- und Baunebengewerbe davon massiv profitiert haben, aber derzeit nicht so profitieren können, weil die Ein­kommenssituation sozusagen nicht funktioniert.

Die Tax-free-Umsätze sind in Österreich von 2013 auf 2014 um 8,8 Prozent gesunken. Auch der Handel spürt die geringere Ausgabefreudigkeit unserer Gäste. Bei den Rus­sen hat es übrigens ein Minus von 20,4 Prozent gegeben.

Noch eine Kennzahl, die schon auch Sorge macht, wenn man den Bericht sehr genau studiert: Österreichs Marktanteil am internationalen Tourismus. Da gibt es die EU-15 im Tourismus. Wir hatten 1996 einen Marktanteil von 8,12 Prozent und haben 2014 ei­nen Marktanteil von 5,5 Prozentpunkten. Das heißt, in Prozenten ist es nur ein Minus von 2,62, aber insgesamt, sozusagen brutto gerechnet, ist das ein Verlust von 32,2 Pro­zent. Das heißt, wir haben tatsächlich von 1996 bis 2014 bei den Tourismusexportlän­dern Europas ein Marktanteilsminus von einem Drittel. Das ist bedenklich. Das zeigt, dass tatsächlich auch die Entwicklung im österreichischen Tourismus im internationa­len Vergleich der Tourismusexportländer in Europa schon sehr problematisch ist.

Damit verbunden ist auch eine extreme Verlagerung von Land zu Stadt. Erfreulich: Wien ist der absolute König Österreichs mit seiner touristischen Entwicklung, aber es ist ein Faktum, dass die ländlichen Regionen – das zeigt auch dieser Bericht – massiv verlieren, und das macht Sorge. Die Post geht weg, die Kleinschule wird zugesperrt, die Polizei ist weg, der Greißler sperrt zu, und der Wirt geht auch, und dann haben wir den Gast auch verloren. Das ist eine Entwicklung, die uns tatsächlich Sorge macht.

Ich habe gerade heute auch mit Günther Novak, der ja ein sehr sympathischer Bürger­meister einer Tourismusgemeinde ist, gesprochen, und in Kärnten ist es derzeit so, dass auch im Mölltal ein wichtiges Tourismusprojekt nicht zustande kommt; es gibt qua-si Hemmnisse, neue Gebiete zu erschließen, und zwar (in Richtung der Bundesrätin Junker) wie in Tirol; denn wenn die Grünen mitregieren, dann geht nichts mehr. Auch in Kärnten ist das ein „Spiel“, dass die Grünen sozusagen eine Skipiste mehr verhin­dern und damit verbunden aber auch eine regionale Entwicklung zerstören.

Der Tourismus hat das Recht, die Landschaft zu nutzen, zu pflegen und zu hegen, nicht abzunutzen. Aber wir müssen – und das ist letztendlich das touristische Kapital – die schönen Bilder auch erleben. Da sind wir uns mit Tirol durchaus einig. Festzuhalten ist, dass diese Entwicklung eine tatsächlich massive weitere Schwächung des ländlichen Raumes ist.

Ich habe mir noch Zahlen angeschaut, das erste Quartal ist der Winter: 1995 hatte Ös­terreich einen Anteil von 14,2 Prozent, 2014 einen solchen von 11,4 Prozent. Das heißt, wir haben wieder nur 2,8 Prozentpunkte, aber in Wirklichkeit 19,7 oder ein Fünftel der Wettbewerbsfähigkeit im Wintertourismus von 1995 bis 2014 eingebüßt.

Noch dramatischer – und das macht wirklich Sorge, das trifft vor allem auch die Som­merdestinationen –: Im Sommer hatten wir 1995 einen Anteil von 7,7 Prozent, 2014 ei­nen solchen von 4,3 Prozent, das bedeutet ein Minus von 3,4 Punkten, aber von 44 Pro­zent. Das heißt, der österreichische Tourismus hat im dritten Quartal von 1995 auf 2014 ein Minus von 44 Prozent. Also da sollten wir mit unseren erfolgseuphorischen Aussa­gen etwas zurückhaltend sein. Wir brauchen dringend eine massive Offensive, um dort anzuschließen, wo wir 1995 waren.

Im Vergleich dazu – Griechenland und Kärnten waren ja heute schon mehrfach The­ma –: Griechenland hat im dritten Quartal 1995, also im Sommertourismus, einen An-


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teil von mickrigen 3,12 Prozent, 2014 einen solchen von 8,39 Prozent, das bedeutet ein Plus von 168 Prozent. Das heißt, die Griechen – das ist ja erfreulich, dass sie we­nigstens im Sommertourismus einen Hoffnungsschimmer haben – haben massiv auf­geholt. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Wo liegen die Probleme? – Wenn es so weitergeht, ist der Tourismus ohne Gastrono­mie. Dabei denke ich zum Beispiel an den Betrieb Ogris im Rosental, ein Vorzeigebe­trieb, ein Drei-Länder-Betrieb, sprachlich, vom kulinarischen Angebot und vom Geträn­keangebot. Ich komme, wie Sie wissen, aus der Bierbranche – reden Sie heute mit den Brauereien! Der Bierverkauf ist in den letzten zehn Jahren – und das ist der Indikator für Wein und alle anderen Getränke und Speisen – in der Gastronomie extrem rückläu­fig. Das heißt, dass wir da ohnedies schon erschwerte Rahmenbedingungen für die Gas­tronomie haben.

Aber jetzt hatten wir ein Rauchergesetz I, viele haben investiert. Man kann dazu ste­hen, wie man will, 100 Prozent Nichtraucher oder dort, wo man isst, raucht man nicht. Mich persönlich stört es nicht, wenn irgendwo an einer Bar jemand eine raucht.

Dann die Bürokratie der Allergenkennzeichnung. Das ist für mich so ähnlich wie TTIP, das brauchen die Konzerne. Die wollen ja die Fertigkartoffel in der Gastronomie, und sie wollen ja Convenience, nicht nur zu Hause die Fertigpizza, am liebsten wäre ihnen, wenn Nestlé und Konsorten unsere Gastronomie, sozusagen den Koch, austauschen. Wir öffnen nur mehr Dosen und Packerln. Dafür braucht man eine Allergenverordnung, weil das, was auf einer Packung einer Fertigpizza draufsteht, eh keiner versteht.

Das ist eine Zumutung für die österreichische Gastronomie, die als Kunde einfach un­erträglich ist, keinen interessiert, aber letztendlich die gloriose Konzernstrategie der Gro­ßen unterstützt. (Bundesrätin Kurz: Kein Mensch beschwert sich!)

Dann kommt das Rauchergesetz II. Dazu kann man stehen, wie man will, aber für viele Wirte ist das nicht mehr auszuhalten.

Dann ist da noch die „Krönung“ für den Tourismus: die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 10 Prozent auf 13 Prozent. Wenn ich da lese – und das muss man schon hinterfra­gen, wenn die Bundesregierung am 16. Juni 2015 dieses Steuerreformpaket beschließt –: „Umsetzung von Ziel 5, Maßnahme 39: Einführung eines 13% Umsatzsteuersatzes“. Jetzt hören Sie, was da steht:

„Beschreibung der Maßnahme: Im Lichte der international anerkannten steuerpoliti­schen Zielsetzung der Umsatzsteuer, ist eine Heranführung der beschränkten Steuer­sätze an den Normalsteuersatz eine adäquate Maßnahme zur Erreichung einer Verein­heitlichung.“

Heißt das, dass im Tourismus jetzt einmal von 10 auf 13 und irgendwann auf 20 Pro­zent erhöht wird, was die Besteuerung der Umsätze anlangt? – Dann werden, kann ich sagen, die Zahlen bald bei null liegen.

Da sind auch viele Funktionäre der Wirtschaftskammer, die sich massiv darüber aufre­gen, sie werden diese 3 Prozent Steuerbelastung nicht auf dem Markt unterbringen. Die Zahlen und Fakten zeigen es. Der Konsum ist rückläufig, die Kosten passen hinten und vorn nicht mehr, und dann gehen wir noch her und schwächen den Tourismus zu­sätzlich mit 3 Prozent Mehrwertsteuererhöhung. Wenn am Ende des Tages dann netto weniger herauskommt, dann haben wir den Tourismus aber massiv in die falsche Rich­tung gestärkt.

Das sind die Rahmenbedingungen für Gastronomie und Tourismus, die Sorge machen. Herr Staatssekretär, du bist ja auch viel unterwegs. Wir werden unsere gastronomische Identität abgeben, indem wir das Wirtschaften eines durchschnittlichen Gastronomie­familienbetriebes nicht mehr möglich machen. Und die Konzerne, McDonald’s und Co.,


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schöpfen in Österreich und überall die Gewinne ab. Dann zahlt man einem nationalen „Head“ sozusagen die Lizenzgebühren. Die gehen nach Europa, und dann verschwin­den sie irgendwo auf einer steuerfreien Karibikinsel. Die zahlen so wenig wie möglich bis gar keine Steuern. Und dem kleinen Wirt, jetzt noch dazu mit der Registrierkasse, teilt man quasi in der politischen Öffentlichkeit mit, er ist eh ein kleiner Strizzi, er ver­kauft das Bier schwarz, die Erdäpfel kauft er schwarz ein, und den Koch hat er auch nicht angestellt. – Das ist das Image, das man mit dieser Diskussion sozusagen der Gas­tronomie auferlegt!

Wenn bei den steirischen Wahlen in Schladming und im Ausseerland die Dominanz einer Partei, die sich Wirtschaftspartei, Tourismuspartei, Gastronomiepartei und Kam­merpartei nennt, verloren geht und sozusagen auf einmal die große Wählerflucht in eine andere Richtung stattfindet, dann muss sich diese Partei schon fragen, ob sie die Tourismusbetriebe mit diesen Maßnahmen tatsächlich stärkend unterstützt.

Der Bericht ist gut, wir werden ihn aber nicht zur Kenntnis nehmen – aus Protest da­gegen, dass die Maßnahmen, die jetzt gesetzt werden, keinesfalls zumutbar sind! (Bei­fall bei der FPÖ. – Bundesrätin Kurz: Sehr „logisch“!)

19.40


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Novak. – Bitte.

 


19.40.19

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich mir das jetzt angehört habe, habe ich mir zuerst einmal gedacht: Jetzt haben wir einmal Werbung über Wien, dann über Tirol gehört. Gott sei Dank war Gerhard Dörfler noch draußen, dass wir auch noch über Kärnten gesprochen haben. (Bundesrat Stadler: Er hat nicht gut über Kärnten ge­sprochen!) – Nicht? (Bundesrat Stadler: Das musst du verbessern!)

Aber eines muss man schon feststellen: Wir jammern schon auf hohem Niveau! Das muss man auf jeden Fall sagen. Wenn man über 131 oder 132 Millionen Nächtigungen in Österreich jammert, dann ist das meiner Meinung nach hohes Niveau. Ich war ja sehr lange im touristischen Bereich tätig, und ich glaube, es gibt einfach ein paar Din­ge, die man dabei betrachten sollte. Das eine ist einmal, dass der Anteil am Bruttoin­landsprodukt 7,7 Prozent beträgt und dass wir im Tourismusbereich 200 000 Beschäf­tigte haben.

Wir müssen aber auch eines wissen: dass wir in den vergangenen Jahren bei den schlechten Quartieren im Grunde genommen verloren haben, also in den Zwei- und Dreisternbetrieben, dort, wo früher Gäste in der Form untergebracht worden sind, dass die Kinder im Keller geschlafen haben. Das sind heute alles Wohnhäuser geworden, und die Qualität der Betriebe ist in bestimmten Bereichen vielleicht in ländlichen Regio­nen auch zurückgeblieben. Da bin ich schon der Meinung, Gerhard, dass man Geld in die Hand nehmen muss, um in die Qualität zu investieren. (Bundesrätin Junker: ... im Kapital !)

Liebe Kollegin, du musst dir das über die letzten 15 Jahre anschauen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Junker.) Dann wirst du sehen, dass die Zwei- und Drei­sternbetriebe 30 Prozent verloren haben. Also ich weiß nicht, woher du die Zahlen hast. Das ist nur momentan der Fall. Beschönigen wir da jetzt nichts, was nicht so ist, wie du das jetzt erklärst. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Junker.)

Tatsache ist, dass wir in Österreich Wettbewerbsfähigkeit im touristischen Bereich be­weisen und dass die Leistungskraft der Betriebe eine sehr große ist. Was wir nämlich auch immer wieder machen, wir vergleichen die Nächtigungen in der Art: Haben wir noch einmal 2 Prozent dazugewonnen und noch einmal 2 Prozent dazugewonnen?


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Meine Damen und Herren! Wir reden über Wertschöpfung. Wir reden über das, was unter dem Strich herausschaut, und nicht über Nächtigungen. (Bundesrätin Junker: Aber die Nächtigungen sind ja auch zurückgegangen!) – Müsst ihr Tiroler immer glau­ben, dass ihr das Erbrecht darauf habt, Tourismus zu betreiben?

Eines ist sicher klar, dass die Wertschöpfung wichtiger ist als die Nächtigungen, oder? Nicht? – Ich will nicht tausend Nächtigungen haben und weniger verdienen. Das will ich sicher nicht, oder? Ich will mehr verdienen und 900 Nächtigungen haben. Da sind wir uns einig. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Junker.)

Ich habe mit einem Tiroler Unternehmer zu tun, der heißt Schultz. Ich habe von ihm gelernt, was Zahlen anbelangt, und der kennt sich wahrscheinlich aus, der größte Lift­betreiber in Österreich; nur, um das auch festzuhalten.

Wo liegt jetzt meiner Meinung nach das Rezept – und ich glaube, es zu kennen –? Das ist a) die Spezialisierung im Tourismus und b) die Qualität. Wenn ich die Qualität und die Spezialisierung zusammenbekomme, dann habe ich auch einen guten Preis, und dann kann ich in weiterer Folge auch Gäste im In- und Ausland anwerben. Es ist ja leider oft so, wenn wir anfangen, herumzujammern, beschäftigen wir uns wieder selber, versuchen Regionen zu verändern, zusammenzulegen, aber wir vergessen, dass wir auf den Markt hinausgehen und versuchen sollen, die Leute auf diesen Markt zu be­kommen und zu überzeugen, dass sie zu uns nach Österreich kommen.

Ich möchte nur an zwei Beispielen etwas festhalten, was Spezialisierung anbelangt. Das ist zum einen Mal – das hast du selber gesagt – der Radtourismus. Ich denke, dass das ein Angebot im Bereich der Gesundheit ist, das sicher in Österreich gewach­sen ist. Ich kann es nur von Kärnten sagen, weil ich da Geschäftsführer von „Radland Kärnten“ war und wir sehr, sehr viele Packages verkauft haben, nachdem der damalige Landeshauptmann die Wege asphaltiert hat, denn sonst hätten wir es nicht machen können. In weiterer Folge haben wir natürlich auch Betriebe dazu gehabt, die entlang dieser Destination gelegen sind, also im Bereich der Drau, die wir dann ausgelastet ha­ben. Da haben wir auch die Möglichkeit gehabt, nicht nur gute Betriebe auszulasten, sondern wir haben dort dann auch qualitativ schlechtere Betriebe für Packages bereit­stellen können.

Das Zweite – und das kennen Sie selbst auch – ist der Gesundheitstourismus. Öster­reichweit gibt es eine tolle Initiative, und da ist sehr, sehr viel Geld investiert worden. Das wissen wir vom Burgenland, der Steiermark, von Tirol und von Kärnten, und dort hat Professionalisierung wirklich stattgefunden.

Und wenn man den Überbegriff „Gesundheitsbetriebe“ hernimmt: Das sind die Well­nessbetriebe und die Kurbetriebe. Und es sind in weiterer Folge die Gesundheitsho­tels, und da spezielle Kliniken, die eine tolle Performance haben, auf dem Markt reüs­sieren und dann auch einen guten Preis erzielen können. Das alles ist in diesem Be­richt auch dargestellt.

Wenn ich von Professionalisierung und Spezialisierung rede, dann rede ich bei den Ge­sundheitsbetrieben von wirklich speziellen Angeboten betreffend Bewegung, Ernäh­rung, Entspannung, Körperpflege, südöstliche Anwendungsmethoden. Wenn wir in die­sen Bereich im Tourismus weiter investieren, so wie das gemacht worden ist, dann, glaube ich, sind wir auf dem richtigen Weg, und die Wettbewerbsfähigkeit der öster­reichischen Hotellerie wird durch diese Spezialisierung auch gestärkt. Da bedarf es aber auch der Unterstützung und der Tourismusförderung.

Dazu möchte ich Ihnen zum Abschluss noch ein paar Zahlen nennen: Im Jahr 2014 wurden 940 Förderungsfälle bei einer Förderbarkeit von 19 Millionen € positiv erledigt. Das waren Kleinbetriebe, also KMUs im mittleren Bereich, 226 Jungunternehmer konn-


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ten unterstützt werden. Insgesamt waren es 780 Millionen €, die in diesem Bereich an Investitionsvolumen zur Verfügung gestellt worden sind.

Tatsache ist: Wir werden in Zukunft, wenn wir – und das muss man absolut dazusa­gen – in der Lage sind, weiter mit der Bundeswirtschaftskammer, mit der Österreich Wer­bung, mit den Ländertourismusorganisationen, mit den tollen Betrieben, die wir haben, die bereit sind, in den Tourismus zu investieren, zusammenzuarbeiten, ein Angebot schaf­fen, dass uns möglich macht, dass wir für die Zukunft wettbewerbsfähig sind. Dieser Bericht von 2014 bringt das zum Ausdruck.

Ich bin zuversichtlich, dass es 2015 wieder so sein wird. Vor allem der Städtetourismus legt jährlich zu. Da muss man sagen: Die Städte gehen da sozusagen mit der Flagge voraus!

Ich bin der Meinung, dass Österreich ein tolles Tourismusland ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.48


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte.

 


19.48.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Be­vor Kollegin Junker sich bei meiner Rede so empört wie bei der Rede zuvor, erzähle ich ihr lieber vorab, dass ich mich schon sehr auf meine Sommerfrische in Tirol freue. (Bundesrätin Junker lächelt.) – Jetzt habe ich ihr ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Das wollte ich erreichen. Also, ich freue mich auf Osttirol in diesem Fall. (Bundesrat Dörfler: Westkärnten!) – Kärnten kommt ein anderes Mal dran, sorry, man kann ja nicht in jedem Bundesland Urlaub machen. Aber ich kann Ihnen sagen, Herr Kollege Dörfler, Wien ist sehr schön, zum Beispiel. (Bundesrat Dörfler: Ich bin gerne in Wien!) Kulturtourismus in Wien ist eine schöne Sache.

Ich fand die Tourismusdebatte jetzt gerade wirklich sehr interessant. Allerdings sollte man schon auch einmal sagen – ich hatte jetzt dieses Gefühl –, dass die Debatte hier sehr stark in die Richtung geht, dass wir in Österreich allein die Tourismuspolitik ge­stalten können und nur hier. Wir können sehr viel gestalten, allerdings kann man den Tourismus und die Tourismuswirtschaft nicht von internationalen Entwicklungen unab­hängig machen.

Tatsache ist, dass in dem Berichtszeitraum, den wir vorliegen haben, natürlich ein Kon­flikt – ich rede von Russland und der Ukraine – sehr starke Auswirkungen auf den Tou­rismus hatte. Es ist keine Frage, dass wir einen starken Einbruch von fast 8 Prozent bei russischen Touristen hatten. Aber es ist vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und auch des schwachen Rubels, den Russland derzeit hat, nicht zu erwarten, dass sich das in den nächsten Wochen und Monaten verbessern wird. Aber es gibt – und das kann man ja erfreulicherweise dazusagen – natürlich auch Wachstumsmärkte.

Das größte Wachstum an Gästen hatten wir bei Menschen aus China mit nahezu 18 Pro­zent plus, US-Amerikanern mit 9 Prozent plus, aber – und das ist gleichfalls sehr er­freulich – auch unsere unmittelbaren Nachbarn kommen vermehrt nach Österreich. Aus den Ländern Polen, Slowakei, Kroatien, Spanien, Rumänien gibt es starke Plus­zahlen zu vermelden. Übrigens interessanterweise nicht nur bei den Gästen, die zu uns kommen, sondern auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Touris­musbetrieben, denn ohne Europäische Union – das sage ich auch in Richtung Freiheit­liche Partei – und ohne einen liberalen Arbeitsmarkt innerhalb der Europäischen Union könnten die Tourismusbetriebe gar nicht mehr arbeiten.

Die ungünstige Wirtschaftslage hat somit natürlich auch ihre Spuren hinterlassen, wie man in diesem Tourismusbericht nachlesen kann, wobei man eben nicht – da hat mein


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Vorredner vollkommen recht – allein von den Nächtigungszahlen ausgehen kann, son­dern natürlich berücksichtigen muss, wie viel pro Nacht ausgegeben wird, und von der Wertschöpfungskette; das ist vollkommen richtig. Da gibt es sinkende Ausgaben trotz Übernachtungsplus.

Das ist richtig, aber auch da darf man die internationale Entwicklung nicht außer Acht lassen, und das sind natürlich die immer präsenteren Internetportale und Preisverglei­che. Das direkte schnelle Preisevergleichen über diese Portale hat natürlich dramati­sche Auswirkungen, schafft Preisdruck auf Betriebe, man muss natürlich auch auf die­sen Portalen konkurrieren können. Das ist sicher eine Herausforderung für viele, denn dieses Im-Paket-Buchen ist tatsächlich das, was die Leute vermehrt machen. Die Leu­te reisen häufiger, kürzer, und sie wollen Pakete haben. Das ist auch etwas, was man in diesem Tourismusbericht sehr deutlich nachlesen kann.

Einen Einfluss darf man, glaube ich, auch nicht unerwähnt lassen, nämlich das Wetter. Gerade Österreich ist ziemlich abhängig vom Wetter, und ich erinnere nur ungern an den Sommer 2014 – auch ich habe nämlich Urlaub in den Bergen gemacht. Es war kein sehr schöner Sommer, das muss man ganz offen so sagen. (Bundesrat Mayer: Aber du hast es überlebt, oder?) Heuer wird er dafür umso schöner, davon gehe ich aus.

Auch Schneereichtum oder Schneearmut sind eine ganz entscheidende Frage für den österreichischen Tourismus. Herr Kollege Dörfler hat ja behauptet, dass die Grünen gegen jeden Schilift wären. Also, das ist regional sehr unterschiedlich, das muss man auch betonen. Da muss man schon auch sagen, die Menschen kommen nach Öster­reich wegen der intakten und schönen alpinen Natur, und wenn wir diese zerstören, dann werden sie nicht mehr kommen. Nirgendwo sonst ist Ökologie so nachhaltig, also Langzeitökonomie, wie im Tourismus.

Wenn Sie im Sommer in Schigebieten unterwegs sind, ist das manchmal schon ein trauriges Bild, was da in Bergregionen zu sehen ist, das sollte man an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen. Und den Klimawandel kann man auch nicht verleugnen. Ich glaube tatsächlich, dass gerade im alpinen Bereich der Sommertourismus in Zukunft eine stärkere Rolle spielen wird als der Wintertourismus. Das ist so.

Nichtsdestotrotz: Der Tourismus in Österreich kann sich sehen lassen. Ich selbst bin ja Wiener. Städtetourismus ist ganz klar der Tourismusmotor in Österreich – neben dem Gesundheitstourismus. Die zwei sind die tragenden Säulen und die Motoren für das, was in den vergangenen Jahren wirklich erfolgreich funktioniert hat.

Wir nehmen den Bericht übrigens sehr gerne zur Kenntnis, denn dieser ist sehr infor­mativ und sehr gut geschrieben, ich möchte mich dafür auch bedanken.

Natürlich wirft jeder Bericht auch offene Fragen auf. Diese offenen Fragen betreffen aus unserer Sicht den absolut boomenden Bereich – auch passend zu diesem Gesund­heitstourismus – Radtourismus, den wir natürlich sehr begrüßen. Hierbei finden wir vor allem, dass sich beispielsweise die ÖBB hinsichtlich der Fahrradmitnahme bei den Rail­jets geradezu in einem Schneckentempo bewegt. Es ist nicht zu verstehen, weshalb eine Fahrradmitnahme in den meisten Railjets noch immer nicht möglich ist. Das finden wir sehr bedauerlich.

Es wird ja immer wieder auf das Projekt der einheitlichen Radwegekennzeichnung hin­gewiesen, auch im Bericht. Da warten wir allerdings noch auf eine bundesweite Umset­zung, die wir für dringend notwendig halten.

Eine weitere offene Frage, die sich aus dem Bericht ergibt, ist die sogenannte Donau­raumstrategie. Der Donauraum ist natürlich – übrigens gerade auch in Kombination mit dem Fahrrad – eine hervorragende Tourismusregion geworden: von Passau bis nach Hainburg. Inwieweit diese touristischen Projekte, die in der Donauraumstrategie geplant


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sind, mehr Gäste anziehen und inwieweit das Auswirkungen hat, darauf müssen wir noch warten. Vielleicht können wir das ja im Tourismusbericht 2015 nachlesen.

Dieselbe Problematik sehen wir auch in der Alpenraumstrategie. Diesbezüglich soll ja bis Juni 2015, also eigentlich bis vorigen Monat, eine EU-Strategie stehen. Es wäre ganz interessant, zu wissen, ob die jetzt schon fertig ist oder nicht und inwieweit die touris­musrelevanten Projektlinien und Projekte entwickelt werden. Vor allem: Wird es dann auch Doppelgleisigkeiten mit der Alpenkonvention geben, auf der ja sehr viel basiert, vor allem was diesen naturschonenden Tourismus betrifft? Stichwort „Bergsteigerdör­fer“, um ein Beispiel zu nennen.

Ja, wie immer: Tourismus ist ein spannendes Projekt, Tourismus ist ein ganz wesentli­cher Wirtschaftszweig in Österreich, Tourismus wird auch weiterhin ein ganz wesentli­cher Wirtschaftszweig bleiben. Tourismus war – ich war sehr lange in Wien in der Tou­rismuskommission von WienTourismus – auch immer ein Bereich, in dem wenig Partei­politik, aber sehr viel lösungsorientierte Politik stattfand.

Das halte ich übrigens auch in diesem Fall für eine notwendige Sache. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

19.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Temmel. – Bitte.

 


19.57.03

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Ich schätze auch alle Bundesländer und mache in allen Bundesländern sehr gerne Urlaub. Letztes Jahr war es Vorarlberg, dieses Jahr wird es die Wachau sein.

Aber vorerst herzlichen Dank für den ausführlichen und umfassenden Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich an den zuständigen Minister, Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner, und alle beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter.

Großer Dank gilt selbstverständlich auch allen, die immer wieder ihren Einsatz für die Qualität und das vielfältige Angebot in Österreich für einen attraktiven Urlaub sicher­stellen.

Erfreulich ist, dass der Tourismus den beachtlichen Anteil von immerhin 7,7 Prozent am Bruttoinlandsprodukt erreicht und mit zirka 200 000 Beschäftigten zu den Stützen der heimischen Wirtschaft zählt. Trotz der wirtschaftlich schwierigen Entwicklung und der Russlandkrise, die Kollege Schreuder bereits erwähnt hat, ist es gelungen, ein Gäste­plus von nicht ganz 2 Prozent gegenüber 2013 zu erreichen. Die Nächtigungsentwick­lung war mit 0,6 Prozent leicht rückläufig, wobei der Trend zum Städtetourismus mit einem großen Plus von 6,3 Prozent stark zugelegt hat. Nach Niederösterreich mit einer Steigerung von 2,9 Prozent folgt mein Bundesland Burgenland mit 2,1 Prozent, und Ei­senstadt hat mit plus 17 Prozent den höchsten Nächtigungszuwachs der Landeshaupt­städte.

Als Obmann eines Personennahverkehrs-Gemeindeverbandes und des „ökoEnergie­land“, das sich mit erneuerbarer Energie in Güssing beschäftigt, ist mir nachhaltige Mo­bilität im Tourismus sehr wichtig. Hierbei werden dankenswerterweise seitens des Mi­nisteriums im Rahmen seiner Tourismusstrategie zahlreiche Initiativen zur Bewusst­seinsbildung und verstärkte Zusammenarbeit zwischen Tourismus-, Verkehrs- und um­weltpolitisch Verantwortlichen auf allen Ebenen gesetzt. Als Beispiel sei hier der erste Tourismus-Mobilitätstag im Oktober 2014 angeführt.


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Wichtig ist auch das Energieeffizienzgesetz: Es enthält neue Bestimmungen und Mög­lichkeiten auch für Tourismusbetriebe. Dadurch können diese nicht nur finanzielle Sparpotenziale ausschöpfen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Immer mehr Betriebe betreiben Nachhaltigkeit und Umweltschutz und haben da­durch einen Vorteil, weil immer mehr Gäste nach diesen Kriterien ihre Urlaubsentschei­dungen treffen.

Einen weiteren Wettbewerbsvorteil sehe ich auch in der Barrierefreiheit als Qualitäts­merkmal, die aufgrund der demographischen und gesellschaftlichen Entwicklung im­mer mehr an Bedeutung gewinnt.

Das Burgenland hat in den letzten Jahren durch seine Thermen, seine vielfältigen kul­turellen Veranstaltungen und ein gut ausgebautes Radwegenetz von fast 2 500 Kilo­metern seine Nächtigungszahlen von 2,1 Millionen im Jahre 1994 auf 2,9 Millionen im Jahre 2014 steigern können.

Gerade heute, bei dieser historischen Sitzung mit der Europastunde, ist erwähnens­wert, dass der Beitritt zur Europäischen Union diesen Aufholprozess unseres Heimat­landes maßgeblich beschleunigt hat. Viele Investitionen und Qualitätsverbesserungen wurden erst durch die Kofinanzierung von EU-, Bundes- und Landesmitteln möglich. Das kann ich als Obmann von LEADER-Südburgenland nur bestätigen.

Aber vor allem ist es der Freundlichkeit der Gastgeber, der schönen Naturlandschaft und natürlich auch dem guten Wein zu verdanken, dass Gäste immer wieder gerne kom­men. Kreativität ist gefragt! Zum Beispiel ist Wohnen in einem Kellerstöckl mitten im Weinberg ein außergewöhnliches Angebot.

Die burgenländischen Weine zählen zu den besten der Welt. Viele Winzerinnen und Winzer sind weit über die Grenzen bekannt. Die Weinidylle Südburgenland, das kleins­te Weinbaugebiet des Burgenlands und auch eines der kleinsten in Österreich, hat vie­les zu bieten: gute Rot- und Weißweine und die urtümliche Spezialität der ganzen Re­gion – dafür sind wir weit über die Grenzen bekannt –, den Uhudler. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Neben dem guten Geschmack ist sein zusätzlicher Vorteil, dass er ein reines Na­turprodukt ist. Als Direktträger ist er resistent gegen die Reblaus und gegen Pilzkrank­heiten, weswegen kein chemischer Pflanzenschutz notwendig ist.

Allein die Diskussionen in den letzten Wochen wegen des Auspflanzverbots bestätigen deutlich, wie verwurzelt der Uhudler im Südburgenland ist und dass er auch ein wich­tiger Werbebotschafter ist. Symbolisch, Herr Staatssekretär, übergebe ich Ihnen als Wer­bemittel dieses Geschenk. (Der Redner überreicht Staatssekretär Mahrer in einen Kar­ton verpackte Flaschen. – Allgemeine Heiterkeit sowie allgemeiner Beifall.) Das ist ei­nes der neuen Produkte, ein Uhudler-Frizzante!

Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da das heute meine letzte Sitzung im Bundesrat sein wird, weil ich in den Landtag wech­seln werde, danke ich Ihnen allen für die wirklich gute Zusammenarbeit und auch für das gute Klima über alle Grenzen hinweg, das ich in den letzten fünf Jahren hier im Bundesrat erleben durfte.

Stellvertretend für alle PräsidentInnen, die in dieser Zeit diese Funktion ausgeübt ha­ben, danke ich dir, Wirtschaftskammerpräsidentin Sonja Zwazl, für die vorzügliche Bun­desratspräsidentschaft im letzten Halbjahr und für deine Initiativen für die Jugend, für Europa und für die Gedenkinitiativen, insbesondere jene das Attentat von Oberwart be­treffend, die Buchpräsentation, die du auf Initiative der Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska durchgeführt hast. (Bundesrätin Zwazl: Bitte!) Wie wir auch heute zum Ge­denkjahr gehört haben, ist das stete Erinnern an diese schreckliche Zeit sehr wichtig, richtig und notwendig.


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Dir, Frau Präsidentin, liebe Inge, danke ich auch für dein immerwährendes Eintreten für die Schwachen in unserer Gesellschaft. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, dass du das Burgenland hier als Vizepräsidentin sehr würdig vertrittst. Danke schön! (Allgemeiner Beifall.)

Unserem langjährigen Klubobmann und jetzigen Präsidenten Gottfried Kneifel danke ich für sein unermüdliches Engagement zur Weiterentwicklung unseres Bundesrates. Ich bin überzeugt davon, dass auch er eine gute Präsidentschaft professionell abwi­ckeln wird.

Herzlicher Dank gilt auch dem Vizepräsidenten – ich nenne dich Zeitzeuge dieses Rau­mes. (Bundesrat Himmer: Zeitzeuge?! – Allgemeine Heiterkeit.)

Unserem neu gewählten Fraktionsobmann und bewährten EU-Ausschuss-Vorsitzen­den Edgar Mayer danke ich für seine Arbeit und seinen Einsatz für unser friedliches Europa. Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke aber auch allen anderen, der Bundesratsdirektorin Susanne Bachmann und selbstverständlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus, in der Bundesrats­kanzlei, aber auch im ÖVP-Klub.

Als langjähriger Bürgermeister der Gemeinde Bildein und Funktionär in zahlreichen Verbänden und Vereinen bin ich fest davon überzeugt, dass gerade der Bundesrat nicht nur ein Garant für sinnvolle Subsidiarität ist, sondern auch für Bürgernähe in der Politik in den verschiedensten Regionen unseres Staatsgebietes. Durch den Bundesrat wird die Verankerung in den Regionen und Gemeinden sichergestellt.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen und euren Angehörigen sowie dem Hohen Haus alles erdenklich Gute für die Zukunft. Ein herzliches Dankeschön. (Allgemeiner Beifall sowie Bravorufe.)

20.05


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Lieber Kollege Temmel, lieber Walter! Ich glau­be, ich darf im Namen von uns allen sprechen: Wir wünschen dir alles Gute im Burgen­ländischen Landtag und viel Kraft für die kommende Arbeit. Vergiss nicht, deine Ideen und auch immer deinen Wein mitzubringen, wir freuen uns auf einen Besuch von dir! – Walter, alles Liebe und Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schennach zu Wort. – Bitte.

 


20.06.06

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Kompliment für diesen Bericht, Herr Staatssekretär, denn er ist sehr ungeschminkt und zeigt, wenn man von den schönen Bildern absieht, ein bisschen die raue Wirklichkeit. Nichts ist verletzbarer und von ver­schiedensten Faktoren abhängiger als der Tourismus.

Einige Dinge wurden heute schon angesprochen, zum Beispiel, dass Griechenland und Österreich etwas gemeinsam haben: Sie sind beide in Europa die extrem spezialisier­ten Tourismusgebiete, die einen sind auf Sommer-, die anderen auf Wintertourismus spezialisiert. Natürlich hängt man da ganz stark vom Klimawandel und von den neuen Diskussionen über Footprints und über Nachhaltigkeit ab.

Aber der Tourismus hängt natürlich auch sehr stark von der wirtschaftlichen Gesamt­entwicklung ab. Hat man Vertrauen in die Zukunft? Hat man Sicherheit über den eige­nen Arbeitsplatz? Das, was man am leichtesten bei Unsicherheiten stornieren kann, ist der Tourismus; wenn man zum Beispiel Angst hat, dass man finanziell nicht über die Runden kommt. Da gehört Grundvertrauen dazu, und es spielen Krisen in der Welt, terroristische Anschläge und natürlich genereller Optimismus eine riesige Rolle. So wan-


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delt sich der Tourismus. Gerade auch der österreichische Tourismus ist in einem star­ken Wandel begriffen.

Kollege Schreuder hat schon darauf hingewiesen: Wir haben einige starke Minus. Und wenn man, wie vorhin schon die Diskussion war, auch einmal über den Mehrwert spricht und wenn wir uns unser starkes Minus anschauen: Die Eltern und Kinder des deutschen Wirtschaftswunders schwächeln. Das heißt, die Zahl der deutschen Touris­ten, die ja immer die große Bank war, geht kontinuierlich zurück. Aber auch der japani­sche Tourismus in Österreich geht zurück und, was schon gesagt wurde, mit 8 Prozent Einbruch ebenso der russische.

Beim russischen Tourismus gibt es etwas ganz Besonderes, nämlich die Wertschöp­fung, jene der russischen Touristen war viermal höher als jene der deutschen. Das sind schon wichtige Zahlen.

Und wenn jetzt wieder welche kommen und Grenzen hochziehen und Schlagbäume errichten wollen, dann sollte man eines nicht vergessen: dass wir relativ gute Berichte haben, hängt damit zusammen, dass unsere Nachbarn jetzt zu uns kommen, zum Bei­spiel aus Tschechien, der Slowakei, Polen und Kroatien.

Unter Reinhard Todts Präsidentschaft hatten wir eine Tourismus-Enquete. Die Chefin der Österreichischen Hoteliervereinigung hat hier gesagt, dass es ganz wichtig sein wird, wie internationale Touristen weltweit zu Visa und leicht zu Visa – für die großen Gruppenreisen aus Asien – kommen. Dort, wo zum ersten Mal das Flugzeug landet, blei­ben sie eine Nacht, aber sie fliegen auch von dort wieder ab, womit man zwei Nächte hat, alle anderen Staaten und Städte haben dann nur eine Nacht. Das ist etwas, was, glaube ich, ganz wichtig ist.

Im internationalen Vergleich muss man sagen, dass der österreichische Marktanteil – das kann man nicht beschönigen – derzeit auf die historische Tiefmarke absinkt. Die­sen Dingen müssen wir uns stellen.

Wenn wir uns zum Beispiel die Nächtigungen anschauen, sehen wir, die inneröster­reichischen Nächtigungen sind noch immer starke zweite Bank – das hilft. Wenn wir uns das aber international anschauen, sehen wir, es verlieren zwei Kontinente: Europa und Afrika. Asien und Amerika boomen. Wobei wir – ganz bitter – ein Stagnieren im Tourismus bei Italien, unserem zweitwichtigsten Handelspartner, und dem Vereinigten Königreich haben. Das Vereinigte Königreich ist weltweit überhaupt die Nummer eins im Tourismus geworden.

Der Städtetourismus wurde schon angesprochen, dazu möchte ich später noch etwas sagen. Schauen wir uns einmal die Beschäftigtenlage an. Im Tourismus in Österreich sind rund 200 000 Leute beschäftigt, das heißt, wir haben im Tourismus die größten oder eine der höchsten Transferleistungen mit 25 Prozent – 44 800 Transferleistungen im Tourismus. Ohne Migration, ohne die Saisoniers – 88 000 – würde der Tourismus oh­nedies nicht funktionieren.

Selbst bei 88 000 Menschen mit ausländischem Hintergrund sind noch immer Stellen offen und können noch immer nicht besetzt werden. Was aber bei den Tourismuszah­len und dem Einkommen besonders bedenklich ist, ist das dramatische Ansteigen der Zahl der geringfügig Beschäftigten: von 18 900 auf 54 300 geringfügig Beschäftigte in einem Jahr! Da heißt es dann: Wie schaut es am Ende des Lebens aus? Da müssen wir sagen, es ist auch eine sozialpolitische Frage, eine beschäftigungspolitische Frage. Das hängt auch damit zusammen, dass wir immer stärker einen Unternehmenseigen­tümerwandel haben, weil die Kinder in Familienbetrieben die Hotels nicht mehr über­nehmen wollen und die Hotels an internationale Ketten weitergereicht werden.

Nun muss ich als Wiener, als Letzter hier, zum Kollegen Pisec sagen: Haben Sie heute die Kristallkugel von Frau Mühlwerth für diese Rede ausgeborgt oder wie sind Sie auf


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so etwas gekommen? (Bundesrätin Mühlwerth:  beleidigend!) Dieser Bericht sagt – wenn Sie ihn gelesen haben, wissen Sie das –, dass wir mittlerweile im Tourismus – Frau Junker, es tut mir leid – ein extremes Ost-West-Gefälle haben. Der Osten sichert diese Zahlen. Und wer sichert diese Zahlen? Wien mit 6,3 Prozent plus. Dann ist lange nichts, dann kommt Niederösterreich mit 2 Prozent plus und dann das Burgenland.

Nehmen wir Vorarlberg und Tirol her: Dort haben wir die kräftigen Minuszahlen. Das steht in diesem Bericht.

Jetzt erwähnen Sie hier die Stadtautobahn – das ist eine Autobahn, keine Stadtauto­bahn, das ist ja Bundessache. Brücken, Tunnel und Autobahnen sind Bundessache. Soll Herr Bürgermeister Häupl anfangen, Autobahnen wegzureißen? Oder das Inter­Cont? Gibt es überhaupt noch Eigentumsverhältnisse? Gibt es Eigentümer? Soll die Abrissbirne der Stadt Wien bestellt und ein Hotel niedergerissen werden, das irgend­jemandem gehört? (Bundesrätin Mühlwerth: Aber er hat die Grundlage geschaffen!) – Kollege Pisec hat gesagt, die Stadtregierung soll das InterCont niederreißen. (Neuerli­cher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Aber lassen wir das! Ich bin ja jetzt am Abend streichelweich. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Mayer: Das ist ein schöner Schlusssatz! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Nein, Frau Mühlwerth, ich will jetzt eigentlich gar nicht mehr! Das muss jetzt nicht sein, echt nicht!

Aber, lieber Kollege Pisec, was ist das drittmeist fotografierte Gebäude von Wien? Kommt das von Kaiserin Maria Theresia oder ihren Nachfolgern? – Es ist das Hundert­wasserhaus, und das ist wirklich nicht in der Kaiserzeit gebaut worden. Wo war die Re­volution gegen die kaiserliche Architektur? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Das ist die Wiener Secession. Das war die Revolution gegen genau das, was Sie gesagt haben.

Und jetzt gibt es die Seestadt. Ich schwöre Ihnen: So wie in Stockholm werden dort die Leute hinkommen. Man kann eine Großstadt nicht unter eine Käseglocke stellen. Eine Großstadt muss leben, muss Innovation, Inspiration und auch moderne Architektur ha­ben. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

In diesem Sinne trägt Wien gerne mit 6,3 Prozent plus zu der positiven gesamtöster­reichischen Bilanz bei. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.15


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster gelangt Herr Staatssekretär Dr. Mah­rer zu Wort. – Bitte.

 


20.15.09

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Hohe Frau Präsidentin! Sehr geehrter Bundesrat! Ich glaube, es gibt eine sehr gute  (Bundesrat Mayer wendet sich an Bundesrat Schennach. – Ich störe die Verbrüderung jetzt natürlich nicht. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich bedanke mich zuallererst noch einmal für die drei Flaschen Uhudler. Diese werden einem guten Zweck zugeführt. Ich habe gesehen, dass sie 11,5 Prozent Alkoholgehalt haben. Ob das gefährlich ist oder nicht, darüber müssen wir uns, lieber Walter Tem­mel, nachher noch persönlich unterhalten. Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit beim Haus für die Zusammenstellung des Berichtes, bei allen, die daran mitgearbeitet haben, bei der Österreich Werbung und allen anderen Partnern.

Es wurde schon angesprochen, dass die Zeiten im Tourismus derzeit rau sind. Aber sie sind nicht nur im Tourismus rau, sondern sie sind in allen Wirtschaftsbereichen rau. Vielleicht ein paar kleine Anmerkungen, bevor ich ein bisschen etwas zur aktuellen La-


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ge sage – das ist vielleicht eine gute Gelegenheit, die Wintersaison ist ja abgeschlos­sen. Wir haben die ersten Zahlen für die Sommersaison aus dem Mai.

Ich möchte ein paar Aspekte aufzeigen, warum man die Zahlen vielleicht auch ein biss­chen differenzierter lesen und immer auf den Mittel- bis Langfristvergleich in der Sta­tistik achten sollte. Ich habe das im Herbst schon einmal beim Bericht des letzten Jahres, den wir damals ein bisschen später debattiert haben, angemerkt: Das Wetter spielt eine große Rolle, je nach Bundesland, dafür, wie sich das entwickelt.

Die Entwicklungen sind, wenn Sie sich kurz die letzten zehn Jahre – nur die letzten zehn, aber man kann es auch auf 20, 30 ansehen – genauer anschauen, pro Bundes­land immer sehr unterschiedlich. Es gibt Jahre, da machen manche Bundesländer ein Minus und andere machen ein Plus, und dann dreht sich das wieder. In manchen Jah­ren ist das Plus in manchen Bundesländern überproportional hoch.

Man kann es sich nicht genau erklären. Wenn man genau nachfragt, dann kann man es sich vielleicht schon erklären. Da spielen besonders große Veranstaltungen, das Wetter und bestimmte Initiativen eine Rolle. Das Wetter ist zum Beispiel in der Winter­saison in den einzelnen Bundesländern manchmal unterschiedlich, zum Beispiel das Wetter Alpenhauptkamm Nordseite im Vergleich zur Südseite. Wenn da jeder gleich für sich selbst sagt, dass in seinem Bundesland und dem Jahr alles super ist, dann ist das okay. Da kann man sich natürlich rühmen, wenn man sich hinstellt. Aber es ist natürlich differenziert zu betrachten.

Genauso die Einbettung im globalen Bereich: Du hast angesprochen (in Richtung des Bundesrates Schennach), wie es mit dem Anteil aussieht, also Österreich im Vergleich 1995/1996 zu jetzt am Weltmarkt. Das ist natürlich anders, weil in den letzten 20 Jah­ren eine Reihe neuer Nationen auch auf den touristischen Märkten auf den Plan ge­treten sind und dort plötzlich mit großen Volumina in die Statistik aufgenommen wer­den – China allen voran.

Dort ist zum Beispiel das Verhältnis des Inlandstourismus zum Auslandstourismus tat­sächlich 99,5 zu 0,5. Also von 1 000 touristischen Personen in China sind nur 50 aus dem Ausland – Entschuldigung –, nur fünf aus dem Ausland: 995 aus dem Inland, fünf aus dem Ausland. Wer schon einmal irgendwo in Innerchina war und sich dort nicht nur klassisch Peking, sondern irgendwelche Sehenswürdigkeiten des Landes angeschaut hat, der wird manchmal festgestellt haben, dass er sich mit der kleinen Gruppe – sozu­sagen wegen des riesigen Ameisenhaufens der Inlandstouristen rundherum – wie der Einzige aus dem Westen vorkommt. In China gibt es nämlich mittlerweile eine richtig große, kaufkräftige Mitte, 700 bis 800 Millionen Menschen, die auch reisen wollen und sich zuerst natürlich einmal dieses riesige China anschauen.

All diese Zahlen gehen natürlich in den letzten Jahren in die Statistiken ein, und das verschiebt sich natürlich. Noch einmal: Jetzt reden wir nur über China. Das ist ein Markt von 1,3 Milliarden. Indien hat 1 Milliarde, Indonesien 260 Millionen. Viele dieser Länder sind aufstrebend und entwickeln einen Mittelstand, eine kaufkräftige Klasse. Das verschiebt das natürlich. Das muss man sozusagen bei diesen Entwicklungen im­mer miteinbeziehen. Der Punkt ist ja angesprochen worden: Geht die Wertschöpfung zu­rück oder nicht?

Wenn wir uns zum Beispiel die letzten zehn Jahre anschauen, dann sehen wir, dass die Wertschöpfung in Summe um 28 Prozent gestiegen ist. Da brauchen wir uns im Prinzip eigentlich nicht zu genieren, weil auch die Zahl der Nächtigungen um 28 Pro­zent gestiegen ist. Ich bitte noch einmal, sich nicht nur die Veränderungen vom Vorjahr zum heurigen Jahr anzuschauen – also in diesem Fall 2013/2014 –, sondern immer die Frage zu stellen: Wie hat sich das entlang einer Kurve über die Jahre hinweg entwi­ckelt?


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 190

Da gab es mal ein Plus, da gab es mal ein Minus – in den jeweiligen Bundesländern unterschiedlich. Aber ich glaube, dass der Tourismus in Summe noch immer – ein Dank an die gesamte Tourismuswirtschaft! – eine wunderbare Stütze der österreichischen Wirt­schaft ist, weil sich das tatsächlich nicht nur nächtigungszahlenmäßig und ankunftszah­lenmäßig, sondern auch wertschöpfungszahlenmäßig über dem Gesamtwachstum der österreichischen Volkswirtschaft, über dem BIP-Wachstum, bewegt. Und das ist die ei­gentliche gute Nachricht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Schon, Sie haben vollkommen recht. Ja, die Gesamtwirtschaft schwächelt sozusagen, aber seien wir froh, dass es im Tourismus nicht der Fall ist; seien wir auch froh – es ist von zwei Vorrednern angesprochen worden –, dass wir 780 Millionen € – wohl aber zum Teil gefördert – Investitionen gehabt haben, die auch in sehr unterschiedlichen Be­reichen ganz wichtig sind. Es sind aber gute und richtige Investitionen für die Zukunft.

Lassen Sie mich vielleicht noch etwas zur aktuellen Situation sagen. Ich weiß nicht, ob Sie alle die Zahlen schon vernommen haben. Wir haben wieder einen Rekord bei den Nächtigungen. Die Touristiker selbst bezeichnen das immer gerne als Rekord. Es gab einen Anstieg von 2,1 Prozent in der Wintersaison auf 65,8 Millionen Nächtigungen und 3,6 Prozent Anstieg bei den Ankünften auf 17,5 Millionen.

Hier noch einmal: Wir wissen, wir sind in Europa Wintertourismusland Nummer 1 vor Frankreich, aber diesen Vergleich – weil Sie das gerade vorhin angesprochen haben – Griechenland/Österreich würde ich in diesem Zusammenhang nicht anstellen. Ja, wir sind ein spezialisiertes Land im Winterbereich, aber die Nächtigungszahlen im Winter- und Sommerbereich sind fast gleich hoch.

Es würde also sozusagen der Eindruck entstehen, wir sind ein auf Winter speziali­siertes Land und der Sommer spielt bei uns keine Rolle. Die Zwischensaison ist das Problem des österreichischen Tourismus, weil unsere Sommersaison von den Nächti­gungszahlen fast genauso stark wie die Wintersaison ist. Beim Vergleich des Marktan­teils haben wir aber im Winterbereich natürlich aufgrund der Nummer 1-Funktion einen viel größeren Marktanteil.

Ich gebe einen kleinen Ausblick auf den Sommer. Der Mai war heuer sehr gut. Durch frühe Pfingsten, Sie wissen das alle, gab es um 10 Prozent mehr Gäste und um 9 Pro­zent mehr Nächtigungen. Der Wettergott muss natürlich jetzt im Sommer wieder mit­spielen. Wir wissen das, aber wir hoffen, dass der Sommer auch ein guter wird. Die Vorbuchungslage ist auch sehr gut, trotz der verstärkten Kurzfristbuchung über das In­ternet. Schauen wir sozusagen, was da geschieht.

Man kann eine erfolgreiche Bilanz ziehen, was den Song Contest betrifft – nicht für die österreichischen Teilnehmer, aber für den österreichischen Tourismus schon. Es gab 200 Millionen Zuseher weltweit, über 6 Millionen abgesetzte Tweets, und er wurde im Internet wahnsinnig viral beworben. Ich glaube, das war nicht nur für die Stadt Wien an sich eine wunderbare Werbung, sondern für das gesamte Land.

Es wurde – das war auch damals im Herbst Thema, als wir das hier gemeinsam be­sprochen haben –, glaube ich, ein guter Deal gemacht. ORF und Österreich Werbung haben zusammen darauf geachtet, dass ganz Österreich im Vorfeld und in den unter­schiedlichsten Formaten beworben wird – sehr viel digital, weil man da im neuen Me­dienbereich sehr viel machen muss. Das war eine unschätzbare Werbung, so etwas hat man nur einmal. Wer weiß, wann da wieder jemand gewinnen wird. Ich glaube also, unter diesem Aspekt war das für den Tourismusstandort eine sehr, sehr gute Werbung.

Allein 1 700 Medienvertreter und Blogger waren da, die, glaube ich, ein sehr eindrucks­volles Bild mitgenommen haben – eben nicht nur von der Stadt, sondern vom gesam­ten Land. Sie tragen das natürlich mit. Ich glaube, da hat sich unser Sonderbudget vom Haus von 900 000 €, das wir da auch mit verwendet haben, wirklich gerechnet.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 191

Für diejenigen von Ihnen, die noch nicht dort waren, habe ich eine Empfehlung: Fahren Sie zur Expo nach Mailand! Der österreichische Pavillon ist bereits jetzt von den ge­samten Digitaljournalisten zum besten gewählt worden. Das lässt sich auch als wun­derbares Beispiel für unsere Holzindustrie, unsere Alternativenergieindustrie, aber auch für das, was das Land in Summe zu bieten hat, sehen. Ich glaube, auch bei dieser Welt­ausstellung gelingt es uns wieder wunderbar, eine Signatur zu hinterlassen, um zu zei­gen, was Österreich kann, um Lust auf Österreich zu machen und auch um Lust auf Ös­terreich als Tourismusstandort zu machen.

Es gab noch ein paar Fragen vom Kollegen der Grünen. Die Alpenraum-Strategie ist vor zwei Wochen, glaube ich, zweieinhalb Wochen fertiggestellt worden und ist in der Umsetzung. Dann habe ich festgestellt, dass die Radfrage im Railjet sichtlich eine Kern­frage für die Grünen ist – im doppelten Sinne.

Das heißt also, man muss das mit dem Herrn Kern bei den Bundesbahnen bespre­chen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich werde das mitnehmen und bei der nächsten Gele­genheit auch tun. Das ist mir übrigens schon vielfach zugetragen worden, und zwar von sehr vielen unterschiedlichen Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, dass es tatsächlich ein bisschen ein Problem sein dürfte, aber ich glaube, da kann man sicher etwas machen, weil der Railjet jetzt das Aushängeschild schlechthin ist, weil man schnelle Verbindungen hat. Da muss man einmal schauen.

Immerhin ist es gelungen, dass die Wireless-Internetverbindung deutlich besser ist, wie ich gehört habe. Das ist auch immer wieder kritisiert worden – auch einmal im Touris­musausschuss des Nationalrats; daran kann ich mich erinnern. Es ist mir dann aber berichtet worden, dass es eine Initiative gab. Es war auch das Radthema schon – ich kann mich erinnern – im letzten Herbst ein Thema im Tourismusausschuss. Ich habe das auch schon einmal weitergetragen. Ich verspreche aber, nachzufragen und beim nächsten Mal, wenn ich hier bin, eine Antwort darauf zu geben, weil ich mich erinnern kann, dass das ein offener Punkt ist.

In diesem Sinne darf ich mich abschließend noch einmal beim Haus – auch für die breite Zustimmung von Ihnen – bedanken. Ich hoffe sozusagen, dass wir uns im Herbst mit einem wunderbaren Ergebnis der Sommersaison wiedersehen. Wir brauchen das in einer konjunkturproblematischen Zeit.

Gestatten Sie mir vielleicht noch eine Letztanmerkung zur Steuerreform: So viele Ein­zelgruppen aus ganz unterschiedlichen Bereichen – und ich bin sehr viel in den Bun­desländern unterwegs, nämlich in wirklich allen – haben sich zu Wort gemeldet und gefragt, ob wir nicht dies und das hätten anders machen können. Das ist bei so einem großen Werk, mit dem man 5,2 Milliarden € bewegt, immer so. Es wird immer Partiku­larinteressen spezifischer Gruppen geben, die sagen, dass sie das gerne anders ge­habt hätten. Das ist zu respektieren.

Im Tourismus war das Hauptklagen nie eines, das die Steuerreform betroffen hat, son­dern die bürokratischen Auflagen. Ich glaube, das war sozusagen ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, die Regulierungen der letzten Jahre, die gesamten Fragen rund um das Rauchen, die Fragen rund um die Barrierefreiheit und viele an­dere Detailfragen, die einfach die letzten Jahre – auch aufgrund der Notwendigkeit der Implementierung von EU-Regularien – auf die Touristiker zugekommen sind und dort einfach zu einem großen Unwohlsein geführt haben.

Dieses Unwohlsein muss man respektieren, anerkennen, ernst nehmen und in Zukunft auch etwas dagegen tun. Ich sage, um das ins rechte Licht zu rücken, dass ich in den letzten Monaten sehr viele Touristiker getroffen habe, die mir gesagt haben, dass sie das mit den 10 bis 13 Prozent gar nicht berührt und dass sie den Ärger nicht verste­hen. Andere haben mir gesagt, es wird der totale Wahnsinn und das wird zu einer to-


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 192

talen Wettbewerbsverzerrung mit dem Ausland führen und so weiter. Ich würde also dort die Kirche im Dorf lassen. Ich glaube, die Touristiker haben recht, dass die Belas­tung das Korsett im Bereich der Regularien ist. Das ist tatsächlich etwas, das man an den Dingen, die sozusagen jetzt – auch während der Begutachtung und so weiter – kri­tisiert wurden, ändern muss.

Mein Infostand ist der, dass weitestgehend nahezu alle Punkte ausgeräumt sind. Es wird bei allen betroffenen Gruppen immer irgendetwas bleiben, das problematisch ist. Aber vergessen wir nicht, 5,2 Milliarden € werden einen ordentlichen Kaufkrafteffekt er­zeugen; und es war der Wunsch aller Fraktionen – quer durch die Bank –, dass am En­de des Tages mehr Netto vom Brutto übrigbleibt.

Zu der Frage des Generalvorwurfs der Steuerhinterziehung möchte ich sagen: Ich be­kenne mich zu 100 Prozent zum Satz des Finanzministers: Wenn alle Steuern zahlen, müssen alle weniger Steuern zahlen. Das ist kein Pauschalverdacht, kein Generalvor­wurf, ganz im Gegenteil. 99,9 Prozent der Unternehmerinnen- und Unternehmerkol­legen – das sage ich als ehemaliger Unternehmer, ich mache jetzt gerade eine unter­nehmerische Pause –, die ich kenne, sind brave Steuerzahler, gute Lehrherren und ver­antwortungsbewusste Unternehmer. Schwarze Schafe gibt es immer. Die gibt es bei den Pfuschern im Privaten und ganz genauso bei den Unternehmern. Daher stehe ich sozusagen voll und ganz hinter diesen Regelungen, die es hier gibt.

In diesem Sinne einen schönen und erfolgreichen gemeinsamen Sommer. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.27


20.27.39Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.28.03Einlauf

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung eine schriftliche Anfrage eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 23. Juli 2015, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

20.28.20Einwendungen gemäß § 39 Abs. 1 GO-BR gegen die
Einberufung der nächsten Sitzung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

 


20.28.24

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich mel­de mich hier zur Geschäftsordnung und erhebe Einwendung gegen die Einberufung der Sitzung erst für den 23. Juli.


BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 193

Kurz zur Erklärung: In der Präsidiale am Dienstag haben wir uns darüber unterhalten, dass es bei über 40 Tagesordnungspunkten durchaus sinnvoll wäre, die Sitzung schon am Mittwoch zu Mittag beginnen zu lassen. Am Dienstag hatten das noch zwei andere Mitglieder der Präsidiale so wie ich verstanden, dass wir unter einer gewissen Maßga­be, nämlich dass Minister Zeit haben und dass die Bundesratskanzlei das auch bewäl­tigen kann, am Mittwoch starten können.

Gestern am Abend habe ich noch die Information bekommen, dass die Maßgaben er­füllbar seien, und heute war alles ganz anders. Daher erhebe ich gemäß § 39 Abs. 1 Einwendung gegen die Einberufung der nächsten Sitzung erst für den 23. Juli. Diese soll, wie in der Präsidiale besprochen, in Hinblick auf die lange Tagesordnung bereits am 22. Juli mittags beginnen.

20.29


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


20.29.51

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich möchte diesen Antrag unterstützen, den Frau Kollegin Mühlwerth gerade gestellt hat.

Aus meiner Sicht war es in der Präsidiale tatsächlich Konsens, dass wir Mittwoch Mit­tag beginnen wollen, zumal – und das ist das Interessante – dieser Vorschlag weder von Frau Kollegin Mühlwerth noch von mir kam, sondern von einer der Regierungspar­teien. Wir wissen tatsächlich, dass, wenn dann noch die ganzen Berichte et cetera da­zukommen, es ein sehr, sehr langer Tag wird.

Deshalb unterstütze ich den Vorschlag von Frau Kollegin Mühlwerth, sodass man dann auch wirklich in einem demokratiepolitisch sinnvollen Prozess die Tagesordnung dem­entsprechend sorgfältig und klug debattieren kann. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

20.30


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


20.30.51

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Ich freue mich, dass du noch bei dieser essen­ziellen Diskussion anwesend bist. Tatsächlich wurde in der Präsidiale darüber diskutiert, wir haben aber keine Einigung erzielt; das steht auch so im Protokoll. Lieber Kollege Mar­co! Dein grüner Konsens klingt schon fast so, als wären die Grünen für Schiliftförde­rung. Das muss ich schon in Abrede stellen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Tatsächlich ist es so, dass ich ersuchen würde, dass wir, so wie im Halbjahrespro­gramm vereinbart, ausgesendet und von allen Fraktionen akzeptiert, diesen 23. Juli als Sitzungstermin wahrnehmen und uns an diesen Sitzungstermin halten. Es geht hier nicht nur um eine zusätzliche Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern es geht auch um die Minister, darum, dass diese ihre Sitzungstermine einhalten. Wir werden immerhin am Dienstag zwölf Ausschüsse zu bewältigen haben, das wird so bis 19 Uhr dauern. 42 Tagesordnungspunkte hatten wir schon öfter. Wir hatten auch weit­aus mehr – mehr als 60 –, auch diese waren bewältigbar. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Mühlwerth.) Das heißt, bei entsprechender Disziplin bei der Rednerliste und auch in der Umsetzung der Reden ist es leicht möglich, dass wir diese 42 Tagesordnungs­punkte bewältigen, Frau Mühlwerth.

Deshalb ersuche ich meine Fraktion, dem Antrag der Frau Kollegin Mühlwerth und des Kollegen Schreuder nicht zuzustimmen.

20.32



BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 194

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Todt. – Bitte.

 


20.32.38

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Da es vier Fraktionen gibt, gestehe ich ganz einfach, dass der Vorschlag von mir gekommen ist. (Beifall bei FPÖ und Grünen.) Wir haben uns auch bemüht, Minister zu überzeugen, dass sie kommen. Es ist tatsächlich gelungen, eine Ministerin davon zu überzeugen. Das reicht aber für eine Tagesord­nung eben nicht aus. Daher muss ich zur Kenntnis nehmen, dass es dieses Mal nicht machbar ist.

Ich denke trotzdem, dass es wichtig ist, dass wir darüber nachdenken, lange Sitzungen so zu verteilen, dass wir so etwas über zwei Tage machen. Ich glaube, wir haben zu­mindest einmal den Beginn gemacht, und hoffe, dass wir dann im Dezember bei dieser Marathonsitzung, wenn wir den Kehraus machen, die Chance haben, diese Sitzung auf zwei Tage auszudehnen. Ich denke auch, Mittwoch ist ein guter Vorschlag. Es ist ein Zwischentag, an dem viele aus den Bundesländern da sind, sodass wir das auch durch­führen können.

Die Präsidiale wird sich weiter damit beschäftigen; dieses Mal geht es halt nicht. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

20.33

20.33.51

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben die Einwendungen gegen den Sitzungstermin gehört. Ich trete den Einwendungen gegen den Sitzungstermin nicht bei.

Somit kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den erhobenen Einwendungen zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit und somit abgelehnt.

Somit gilt der von mir vorgeschlagene Sitzungstermin.

*****

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 21. Juli 2015, ab 14 Uhr, vorge­sehen. Gute Heimreise!

Die Sitzung ist geschlossen.

20.34.27Schluss der Sitzung: 20.34 Uhr

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