Stenographisches Protokoll

110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 12. Mai 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                 Donnerstag, 12. Mai 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Mai 2005: 9.04 – 22.58 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hin­sichtlich des Schulwesens geändert wird, und Bericht über den

Antrag 531/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz, das Bundesgesetz vom 27. Jänner 1976 über die Behördenzuständigkeit und die Ahndung von Verwaltungs­übertretungen in Angelegenheiten der Schifffahrt auf dem Bodensee sowie über die Änderung des Schifffahrtspolizeigesetzes und das Seeschifffahrtsgesetz geändert werden (Schifffahrtsrechtsnovelle 2005)

3. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Erleichterung von Ambulanz- sowie Such- und Rettungsflügen

4. Punkt: Bundesgesetz über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) geändert wird (21. StVO-Novelle), und Bericht über die

Petition (1/PET) betreffend „Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für MotorradfahrerInnen“, überreicht von den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Kurt Eder

6. Punkt: Bericht über den Antrag 19/A der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrs­ordnung 1960 (StVO) geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 124/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenber­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend § 78 StVO und vermeintliche Behinderungen des FußgängerInnenverkehrs

8. Punkt: Bericht über den Antrag 140/A (E) der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend zusätzliche Maßnahmen im Kampf gegen Alkohol am Steuer


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110. Sitzung / Seite 2

9. Punkt: Bericht über den Antrag 141/A der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Straßenverkehrsordnung (StVO 1960) geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 229/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenber­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrs­sicherheit im Zusammenhang mit Kleintransportern sowie LKW unter 7,5 t

11. Punkt: Bericht über den Antrag 243/A der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenver­kehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl Nr. 159/1960, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 128/2002, geändert wird

12. Punkt: Bericht über den Antrag 452/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindesthöhe von Verkehrszeichen

13. Punkt: Bericht über den Antrag 541/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrs­ordnung – StVO geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einfüh­rungsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Halbleiterschutzgesetz und das Sor­tenschutzgesetz 2001 geändert werden (Biotechnologie-Richtlinie-Umsetzungsnovelle)

15. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch zum Schutz von Personen unter Sachwalterschaft vor fremdnütziger Forschung geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetz geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz 2005 – AußHG 2005 erlassen und das Kriegsmaterialgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) erlassen wird sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finan­zierungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Arbeits- und Sozialge­richtsgesetz geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Berufsausbil­dungsgesetz geändert wird

21. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufsschu­len geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verbrechensopfergesetz, das Impfschadenge­setz, das Heeresversorgungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Bundesberufungskommissionsgesetz und das Kriegsgefan­genenentschädigungsgesetz geändert werden (Versorgungsrechts-Änderungsge­setz 2004 – VRÄG 2004)

23. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe


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110. Sitzung / Seite 3

24. Punkt: Bericht über den Antrag 359/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeldeinstufungen bei Wechsel der auszah­lenden Stelle

25. Punkt: Bericht über den Antrag 429/A (E) der Abgeordneten Peter Haubner, Elmar Lichtenegger, Beate Schasching, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Projekt „Nachhaltige Fußball-Europameisterschaft 2008“

26. Punkt: Bericht über den Antrag 166/A (E) der Abgeordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sport in der Schule – Fit fürs Leben“

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz) geändert wird

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch das Zessionsrecht geändert wird (Zessionsrechts-Änderungsgesetz – ZessRÄG)

29. Punkt: Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung; Beitritt Bulgariens, Estlands, Lettlands und Litauens; Annahme durch Österreich

30. Punkt: Bericht über den Antrag 445/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Bauträgervertragsgesetzes und über den

Antrag 426/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend unzureichende Sicherung der KonsumentInnen beim Kauf neuer Immobilien im Bauträgervertragsgesetz

31. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutsch­land über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten

32. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen in der Fassung des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung

33. Punkt: Bericht über den Antrag 533/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend wirksame gesetz­liche und andere Maßnahmen gegen Stalking

34. Punkt: Bericht über den Antrag 588/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (Dritte Lesung)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .......................................................................................................  18, 34

Ordnungsruf ................................................................................................................. 263


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110. Sitzung / Seite 4

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 2723/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ................................................................................... ..... 36

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         165

Redner/Rednerinnen:

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 166

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 168

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 169

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 170

Dr. Dieter Böhmdorfer ........................................................................................... ... 173

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 175

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 36

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ablehnung .................................................  130, 132

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Mag. Wilhelm Molterer .............................................................................................. 130

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 131

Peter Schieder ............................................................................................................ 132

Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Biotechnologie-Richtlinie-Umsetzungsnovelle (615/921 d.B.) gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Ge­schäftsordnung an den Wirtschaftsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung    181, 192

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Vorsitzführung des Präsidenten Dr. Andreas Khol:

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 258

Mag. Wilhelm Molterer .............................................................................................. 258

Dieter Brosz ................................................................................................................ 258

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 258

Fragestunde (13.)

Verkehr, Innovation und Technologie ...................................................................... 18

Kurt Eder (105/M); Barbara Riener, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Gabriela Moser

Werner Miedl (102/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Heidemarie Rest-Hinterseer, Petra Bayr

Dr. Gabriela Moser (110/M); Stefan Prähauser, Erwin Hornek

Mag. Dr. Magda Bleckmann (108/M); Dr. Kurt Grünewald, Heinz Gradwohl, Peter Haubner

Gabriele Binder (106/M); Franz Glaser, Marialuise Mittermüller, Dr. Gabriela Moser

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 34


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110. Sitzung / Seite 5

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz und Nicht­erfüllung von Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien (3025/J) ......................................................................................................................... 123

Begründung: Mag. Terezija Stoisits ........................................................................... 132

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 137

Debatte:

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 142

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 144

Peter Schieder ............................................................................................................ 146

Mag. Herbert Haupt .................................................................................................... 148

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 150

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 152

Dr. Caspar Einem ....................................................................................................... 153

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 155

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 156

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 158

Mag. Walter Posch ..................................................................................................... 159

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 161

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 161

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 163

Dr. Peter Pilz (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 165

Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 165

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (847 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und über den

Antrag 531/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Dr. Magda Bleck­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird (945 d.B.) .......................................................................... 37

Redner/Rednerinnen:

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 37

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 40

Mares Rossmann ..................................................................................................  43, 96

Dieter Brosz ...........................................................................................................  46, 86

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ...................................................................  50, 71

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 53

DDr. Erwin Niederwieser ............................................................................................. 56

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 58

Sabine Mandak ......................................................................................................  60, 98

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ......................................................................... 62

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................... 65

Mag. Andrea Kuntzl ..................................................................................................... 66

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 68

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 69

Mag. Dr. Alfred Brader ................................................................................................ 72

Josef Broukal ................................................................................................................ 73

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 75

Michaela Sburny ........................................................................................................... 77


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110. Sitzung / Seite 6

Dr. Gertrude Brinek ..................................................................................................... 78

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 80

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 81

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 82

Notburga Schiefermair ................................................................................................ 83

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 84

Mag. Kurt Gaßner ......................................................................................................... 85

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 86

Carina Felzmann .......................................................................................................... 87

Mag. Christine Lapp ..................................................................................................... 90

Dr. Andrea Wolfmayr ................................................................................................... 91

Franz Riepl .................................................................................................................... 91

Nikolaus Prinz ............................................................................................................... 92

Beate Schasching ........................................................................................................ 93

Silvia Fuhrmann ........................................................................................................... 94

Dr. Robert Rada ............................................................................................................ 94

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 95

Christian Faul ............................................................................................................... 96

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Mares Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend schlanke und effiziente Schulver­waltung – mehr pädagogischer Freiraum für die Schulen – Annahme (E 105) ....................................................................................................  97, 99

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 99

2. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (814 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz, das Bundesgesetz vom 27. Jänner 1976 über die Behördenzuständigkeit und die Ahndung von Verwaltungsübertretungen in Angelegenheiten der Schifffahrt auf dem Bodensee sowie über die Änderung des Schifffahrtspolizeigesetzes und das Seeschiff­fahrtsgesetz geändert werden (Schifffahrtsrechtsnovelle 2005) (907 d.B.) ................................................................... 99

Redner/Rednerinnen:

Franz Xaver Böhm ..................................................................................................... 100

Kurt Eder ..................................................................................................................... 100

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 101

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 102

Christoph Kainz .......................................................................................................... 102

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 103

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 103

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (841 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slo­wenien über die Erleichterung von Ambulanz- sowie Such- und Rettungsflügen (908 d.B.) ............................................................................................ 104

4. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (860 d.B.): Bundesgesetz über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flug­häfen (909 d.B.) ............................... 104

Redner/Rednerinnen:

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 104

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 104

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 105

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 106


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110. Sitzung / Seite 7

Astrid Stadler .............................................................................................................. 106

Gerhard Steier ............................................................................................................ 107

Johann Rädler ............................................................................................................ 107

Franz Glaser ................................................................................................................ 108

Genehmigung des Staatsvertrages in 908 d.B. ........................................................... 108

Annahme des Gesetzentwurfes in 909 d.B. ................................................................ 108

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (859 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) geändert wird (21. StVO-Novelle), und über die

Petition (1/PET) betreffend „Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für MotorradfahrerInnen“, überreicht von den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Kurt Eder (910 d.B.) .... 109

6. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 19/A der Abge­ordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) geändert wird (911 d.B.) ................................ 109

7. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 124/A (E) der Ab­geordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend § 78 StVO und vermeintliche Behinderungen des FußgängerInnenverkehrs (912 d.B.)                                                                                                109

8. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 140/A (E) der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend zusätzliche Maß­nahmen im Kampf gegen Alkohol am Steuer (913 d.B.) ............................................................................................................................. 109

9. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 141/A der Abgeord­neten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Straßenverkehrsordnung (StVO 1960) geändert wird (914 d.B.) ................................ 109

10. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 229/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit Klein­transportern sowie LKW unter 7,5 t (915 d.B.) ................... 109

11. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 243/A der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl Nr. 159/1960, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 128/2002, geändert wird (916 d.B.) .... 110

12. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 452/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindest­höhe von Verkehrszeichen (917 d.B.)                  110

13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 541/A der Abge­ordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung – StVO geändert wird (918 d.B.) ............................................................................................... 110

Redner/Rednerinnen:

Petra Bayr ................................................................................................................... 110

Werner Miedl ............................................................................................................... 111


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110. Sitzung / Seite 8

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 112

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 113

Gabriele Binder .......................................................................................................... 114

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 115

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................................... 115

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 116

Gerhard Reheis .......................................................................................................... 118

Martin Preineder ......................................................................................................... 119

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 120

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 121

Erwin Hornek .............................................................................................................. 121

Peter Marizzi ............................................................................................................... 122

Barbara Riener ........................................................................................................... 122

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 176

Anita Fleckl ................................................................................................................. 176

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 177

Anton Heinzl ............................................................................................................... 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Heinzl, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die sofortige Realisierung der S 34 (Traisentalschnellstraße) – Ablehnung ...........................  178, 179

Annahme des Gesetzentwurfes in 910 d.B. ................................................................ 178

Kenntnisnahme der acht Ausschussberichte 911, 912, 913, 914, 915, 916, 917 und 918 d.B.                   179

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (615 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Halbleiterschutzgesetz und das Sortenschutzgesetz 2001 geändert werden (Biotechnologie-Richtlinie-Umset­zungsnovelle) (921 d.B.) .............................................................................................. 180

15. Punkt: Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch zum Schutz von Personen unter Sachwalterschaft vor fremdnütziger Forschung geän­dert wird (922 d.B.) ..................................................... 180

Redner/Rednerinnen:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 180

Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................................................... 182

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 183

Mag. Herbert Haupt .................................................................................................... 184

Mag. Johann Moser ................................................................................................... 185

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 186

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 187

Staatssekretär Mag. Eduard Mainoni ...................................................................... 188

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 189

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................... 190

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 191

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 191

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 921 und 922 d.B. ......................................... 192


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110. Sitzung / Seite 9

16. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (852 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisa­tionsgesetz geändert wird (920 d.B.)                     192

Redner/Rednerinnen:

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 193

Georg Oberhaidinger ................................................................................................. 193

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 194

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................................... 194

Johannes Zweytick .................................................................................................... 194

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 195

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 195

17. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (798 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz 2005 – AußHG 2005 erlassen und das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (923 d.B.) ...................................................................................................................... 195

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 196

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................. 196

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 197

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 197

Michaela Sburny ......................................................................................................... 198

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 199

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 200

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 200

18. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (853 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geän­dert werden (924 d.B.) .......................................................................................... 200

Redner/Rednerinnen:

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ... 201

Franz Riepl .................................................................................................................. 202

Mares Rossmann ....................................................................................................... 202

Michaela Sburny ......................................................................................................... 203

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 203

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 203

19. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (856 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) er­lassen wird sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (925 d.B.) .................... 204

Redner/Rednerinnen:

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 204

Ridi Steibl .................................................................................................................... 205

Michaela Sburny ................................................................................................  205, 211

Mares Rossmann ....................................................................................................... 207

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 208

Renate Csörgits .......................................................................................................... 209

Konrad Steindl ............................................................................................................ 210


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110. Sitzung / Seite 10

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 210

Christine Marek .......................................................................................................... 211

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 212

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (683 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaft­liche Berufsausbildungsgesetz geändert wird (864 d.B.) ................................................................................................................................... ... 212

21. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufsschulen geändert wird (865 d.B.) ...................................................................... 212

Redner/Rednerinnen:

Ing. Josef Winkler ....................................................................................................... 212

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 213

Maximilian Walch ....................................................................................................... 214

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 214

Georg Keuschnigg ..................................................................................................... 215

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 216

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 218

Dr. Werner Fasslabend .............................................................................................. 219

Herta Mikesch ............................................................................................................. 219

Notburga Schiefermair .............................................................................................. 220

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 864 und 865 d.B. ......................................... 220

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 864 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der integrativen Berufsausbildung (E 106) ............................................... 221

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (671 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Verbrechensopfergesetz, das Impfschadengesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Kriegsopferversor­gungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Bundesberufungskommissi­onsgesetz und das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert werden (Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 2004 – VRÄG 2004) (868 d.B.) ...................... 221

Redner/Rednerinnen:

Christine Marek .......................................................................................................... 222

Dr. Richard Leutner ................................................................................................... 222

Maximilian Walch ....................................................................................................... 223

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 224

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 224

Bundesministerin Ursula Haubner .......................................................................... 225

Dietmar Keck .............................................................................................................. 226

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 226

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 227

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 868 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend ein Ersuchen an die Bundesministerin für soziale Si­cherheit, Generationen und Konsumentenschutz sowie die Bundesministerin für Justiz hinsichtlich Grundlagen für die Gewährung eines Schmerzengeldes an Verbrechensopfer (E 107) ............................................................................................ 227


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110. Sitzung / Seite 11

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (779 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe (869 d.B.) ...................................................................................................................... 228

Redner/Rednerinnen:

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 228

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 229

Maximilian Walch ....................................................................................................... 229

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 229

August Wöginger ....................................................................................................... 231

Bundesministerin Ursula Haubner .......................................................................... 232

Barbara Riener ........................................................................................................... 233

Genehmigung der Vereinbarung .................................................................................. 233

24. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 359/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeldeinstufungen bei Wechsel der auszahlenden Stelle (870 d.B.) .................................................................................... 233

Redner/Rednerinnen:

Karl Dobnigg ............................................................................................................... 234

Karl Donabauer .......................................................................................................... 234

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 235

Staatssekretär Sigisbert Dolinschek ....................................................................... 236

Maximilian Walch ....................................................................................................... 237

Walter Schopf ............................................................................................................. 237

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ................................................................... 238

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 429/A (E) der Abgeordneten Peter Haubner, Elmar Lichtenegger, Beate Schasching, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Projekt „Nach­haltige Fußball-Europameisterschaft 2008“ (883 d.B.) .......................... 238

26. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 166/A (E) der Abgeordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sport in der Schule – Fit fürs Leben“ (884 d.B.)          ............................................................................................................................. 239

Redner/Rednerinnen:

Peter Haubner ............................................................................................................. 239

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 240

Marialuise Mittermüller ............................................................................................. 240

Dieter Brosz .......................................................................................................  241, 248

Jochen Pack ................................................................................................................ 242

Beate Schasching ...................................................................................................... 242

Markus Fauland .......................................................................................................... 243

Anna Franz .................................................................................................................. 243

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 244

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 244

Katharina Pfeffer ........................................................................................................ 245

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ....................................................................... 245

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 247

Gerhard Steier ............................................................................................................ 247

Dietmar Keck .............................................................................................................. 247


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110. Sitzung / Seite 12

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 883 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Projekt „Nachhaltige Fußball-Europameisterschaft 2008“ (E 108) .......................................... 249

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 884 d.B. ..................................................... 249

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 884 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Initiative für Bewegung und Sport“ (E 109) ................................................................................ 249

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (784 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz) geändert wird (874 d.B.) ...................................................................................................................... 249

28. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (861 d.B.): Bundesgesetz, mit dem im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch das Zessionsrecht geändert wird (Zessionsrechts-Änderungsgesetz – ZessRÄG) (882 d.B.) .................................................................................................... 249

29. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (831 d.B.): Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrecht­lichen Aspekte internationaler Kindesentführung; Beitritt Bulgariens, Estlands, Lettlands und Litauens; Annahme durch Österreich (875 d.B.) .................. 249

30. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 445/A (E) der Abge­ordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Bauträgervertragsgesetzes und über den

Antrag 426/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend unzureichende Sicherung der KonsumentInnen beim Kauf neuer Immobilien im Bauträgervertragsgesetz (876 d.B.)    ............................................................................................................................. 249

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 250

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 250

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 251

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 252

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 253

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 254

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 254

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 254

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 255

Anton Doppler ............................................................................................................ 255

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 256

Josef Broukal .............................................................................................................. 256

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 874 und 882 d.B. ......................................... 257

Genehmigung des Staatsvertrages in 875 d.B. ........................................................... 257

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 876 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Novellierung des Bauträgervertragsgesetzes (E 110) ................................................. 258

Gemeinsame Beratung über

31. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (816 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik


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110. Sitzung / Seite 13

Deutschland über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten (877 d.B.)                    259

32. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (842 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen in der Fassung des Zusatzprotokolls zum Europäischen Überein­kommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwen­dung (879 d.B.)                         259

33. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 533/A (E) der Abge­ordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend wirksame gesetzliche und andere Maßnahmen gegen Stalking (878 d.B.) ........................................................................ 259

Redner/Rednerinnen:

Werner Miedl ............................................................................................................... 259

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 259

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 260

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 261

Dipl.-Ing. Günther Hütl ............................................................................................... 262

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 262

Michael Praßl .............................................................................................................. 263

Otto Pendl ................................................................................................................... 263

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ............................................................... 264

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 265

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 265

Anna Franz .................................................................................................................. 266

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 266

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 877 und 879 d.B. .................................... 266

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 878 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend gesetzliche und andere Maßnahmen gegen Stalking (E 111) ..................................... 267

34. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 588/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexan­der Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (881 d.B.) (Dritte Lesung) .................... 267

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 267

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 34

949: Wehrrechtsänderungsgesetz 2005 – WRÄG 2005

952: Fremdenrechtspaket 2005

953: Dienstrechts-Novelle 2005

Anträge der Abgeordneten

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen nationalen Notfallsplan zur Erreichung des Kyoto-Ziels (609/A) (E)


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110. Sitzung / Seite 14

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsge­setz 1981 geändert wird (610/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz 1981 geän­dert wird (611/A)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die sofortige Realisierung der S 34 (Traisentalschnellstraße) (612/A) (E)

Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Kriegsopfer­versorgungsgesetz und das Heeresversorgungsgesetz geändert werden (613/A)

Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozia­listischer Unrechtsakte erlassen, das Opferfürsorgegesetz geändert und ein Bundes­gesetz, mit dem aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine einmalige Zuwendung (Befreiungs-Erin­nerungszuwendung) für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung sowie deren Hinterbliebene geschaffen wird (Anerkennungsgesetz 2005) (614/A)

Mag. Herbert Haupt, Mag. Walter Tancsits, Kolleginnen und Kollegen betreffend An­erkennung von besonderen Leistungen, die Frauen beim Wiederaufbau der Republik Österreich erbracht haben (615/A) (E)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen den Psychoterror radikaler Abtreibungsgegner gegenüber Frauen, die Hilfe bei ungewollter Schwangerschaft suchen“ (616/A) (E)

August Wöginger, Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird (617/A)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderungsbedarf des Kriegs­materialgesetzes (618/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kritik der Zukunftskommission an der Umsetzung der Bildungsstandards (619/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über die Umsetzungskosten der Empfehlungen der Zukunftskommission (620/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kurssystem für die Oberstufe (621/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend autonome Aufteilung der Unter­richtszeit (622/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterrichtsgarantie der Schulen (623/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend sprachliche Frühförderung (624/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Gleichstellung von Schulen in freier Trägerschaft mit konfessionellen Privatschulen (625/A) (E)


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110. Sitzung / Seite 15

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der Schulpartnerschaft (626/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einschränkung der Klassenwieder­holungen im Pflichtschulbereich (627/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützungsmaßnahmen für LehrerInnen im Umgang mit verhaltensauffälligen SchülerInnen (628/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuordnung der Leistungsbeurtei­lung im Schulsystem (629/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf Nachmittags­betreuung (630/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau des offenen Unterrichts (631/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend System Monitoring und nationalen Bildungsbericht (632/A) (E)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der individuellen Förderung (633/A) (E)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übereinkommen der UNESCO zum Schutz der kulturellen Vielfalt (634/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz und Nichterfüllung von Art. 7 des Staats­vertrages von Wien (3025/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Stickstoffoxide (NOx) (3026/J)


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110. Sitzung / Seite 16

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angele­genheiten betreffend Diskussionsbedarf im Bereich eines noch zu schaffenden Finan­zierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit auf europäischer Ebene (3027/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Entwicklung des Entwurfes von REACH (3028/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Entwicklung des Entwurfes von REACH (3029/J)

Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Entwicklung der Ökostromförderung – ein Fass ohne Boden (3030/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Rück­gabe von Kompetenzen der EU an die Nationalstaaten (3031/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Bevorzugung von Betrie­ben bei öffentlichen Aufträgen (3032/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Ange­legenheiten betreffend Arbeitsbesuch der Ministerin bei UNO-Generalsekretär Kofi Annan (3033/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend regelmäßig unvollständige, zumindest im Einzelfall tatsachenwidrige Information des Nationalrats durch den BM für Verkehr, Innovation und Technologie bzw. sein Ressort (3034/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Förderungen im Bereich der österreichischen Milchwirtschaft (3035/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Exportförderungen im Bereich der österreichischen Milchwirt­schaft (3036/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Schaffung der barrierefreien Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Bundesgebäuden (3037/J)

Marianne Hagenhofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die geplante Schließung von Regionalbahnen in Oberösterreich (3038/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend keine neuen Wagons für SchülerInnengruppen? (3039/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Exportoffensive (3040/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Förderungen für die Entwicklung lärmarmer Eisen­bahnschienen und Schienensysteme (3041/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Finanzierung von Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit (3042/J)


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110. Sitzung / Seite 17

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Basisabgeltung der Albertina (3043/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Albertina (3044/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bauschlussrechnung und Budget Muse­umsquartier (3045/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Aufsicht der Bundesministerin über die Bundesmuseen (3046/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Sammlungstätigkeit der Bundesmuseen (3047/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Schenkungen an die Bundesmuseen (3048/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Evaluierung der Bundesmuseen (3049/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend KHM (3050/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Evaluierung der Bundesmuseen (3051/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Invaliditätspensionen nach § 255 Abs. 7 ASVG“ (3052/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung“ (3053/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend tatenloses Zusehen von drei Regierungsmitglie­dern im BMVIT bei der langfristigen Vorbereitung einer Blamage Österreichs im Schie­nenverkehrsbereich während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes 2006 (3054/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die behördliche Verfolgung nichtkonzessionierter Glücksspielangebote in Österreich (3055/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (2722/AB zu 2760/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (2723/AB zu 2825/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2724/AB zu 2764/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen (2725/AB zu 2772/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (2726/AB zu 2763/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2727/AB zu 2765/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidl­mayr, Kolleginnen und Kollegen (30/ABPR zu 33/JPR)


09.04.00


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Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich darf die Damen und Herren im Hohen Haus begrüßen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Großruck, Wimmer und Öllinger.

09.04.20Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9.04 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das 1. Anfragenthema formuliert Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

 


Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es gab ja einen Infrastrukturgipfel beim Herrn Bundeskanzler.

Meine Frage lautet daher:

105/M

„Welche Infrastrukturprojekte sollen zur Konjunkturbelebung zusätzlich vorgezogen werden?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Eder, ich darf Ihre Fragestellung beziehungsweise die Präambel ein bisschen korrigieren: Es gab nicht einen Infrastrukturgipfel beim Bundeskanzler, es gab mehrere Infrastrukturgespräche, zu denen man natürlich auch „Gipfel“ sagen kann. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es hat auch ein Gespräch bei mir im Ministerium, im Kabinett, mit den Sozialpartnern gegeben, wo wir sehr detailliert einzelne Infrastrukturprojekte, und zwar sowohl Schiene wie auch Straße betreffend, wie übrigens auch im Bereich der Forschung – Stichwort: Breitband – diskutiert und Möglichkeiten des beschäftigungswirksamen Impulsgebens besprochen haben.

Der Gipfel, den Sie angesprochen haben, war sehr erfolgreich, weil wir bei diesem Gipfel 300 Millionen € für zusätzliche Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen be­schlossen haben. Das Sonderinvestitionsprogramm-Schiene umfasst im Wesentlichen kleinere und mittlere Vorhaben, welche in den Jahren 2005 und 2006 ausgabewirksam umgesetzt werden können. Das sind Gleisverbesserungen, um 200 km/h-Geschwin­digkeiten erreichen zu können, das sind kleine Adaptierungen bei Hochbaugebäuden und Ähnliches mehr. Es heißt, dass diese schnell realisierbaren Maßnahmen auch zur Wirtschaftsbelebung beitragen und speziell auch für KMUs interessant sein sollen. Es sind dies also nicht nur, was ja unser Problem ist beim allgemeinen Programm, große


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Baulose, auf die sich große Firmen stürzen – die sind mir auch sehr recht –, sondern auch Nischenprogramme, wenn Sie so wollen, kleine Maßnahmen, im Rahmen derer vor Ort befindliche KMUs gute Chancen haben, zusätzlich Aufträge und damit Beschäf­tigung zu lukrieren beziehungsweise zu gewährleisten.

Generell möchte ich sagen: Bei der Auswahl der einzelnen Vorhaben standen die Ver­besserung des Schienennetzes, die Hebung der Betriebsqualität sowie ein direkter Kundennutzen im Vordergrund. Ich habe es schon erwähnt: 150 Millionen € sind für die Schiene vorgesehen. Davon entfallen rund 70 Millionen auf Reinvestitionen im Bereich des Fahrweges, also die Verbesserung der Schieneninfrastruktur, weitere 50 Millionen auf sicherungstechnische und sicherheitstechnische Maßnahmen, wie Hebung der Betriebssicherheit durch einzelne Maßnahmen, und weitere 30 Millionen € werden in Maßnahmen mit unmittelbarer Auswirkung auf den Kundennutzen investiert. Das ist vor allem für Kleinbetriebe interessant.

Im Bereich der Straße stehen für vorgezogene Investitionsprojekte 151 Millionen € zur Verfügung; davon für Lärmschutz 40 Millionen, für vorgezogene Investitionsprojekte Bauen am Bestand 56 Millionen, für vorgezogene Investitionsprojekte Tunnelsicherheit 55 Millionen, und ohne dass Sie detailliert gefragt haben, darf ich Ihnen noch sagen, dass wir uns auch bemüht haben, auch geographisch eine gute Streuung zu erzielen, vom Neusiedler See bis zum Bodensee sozusagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Herr Kollege Eder? – Bitte.

 


Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich habe erwartet, dass Ihre Antwort eher allgemein gehalten sein wird, darf aber jetzt konkreter fragen, was den Regionenring und die Nordostumfahrung Wien betrifft: Sind in diesen Geldern, die Sie genannt haben, auch konkrete Projekte beinhaltet, und wenn ja, welche, und wenn ja, mit welcher Finanzierung und mit welchen Budgetmitteln gedeckt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter Eder, ich werde gerne versuchen, hier einige konkrete Projekte anzuführen, nur damit Sie ein Gefühl für die Übersicht bekommen. Die Über­sicht als solche gebe ich Ihnen auch sehr gerne, und ich nehme an, dass Sie interes­siert sind und diese Einladung auch wahrnehmen werden. Da werden wir ein, zwei Stunden opfern müssen und uns zusammensetzen und diese Listen durchgehen, die sehr detailliert aufgearbeitet sind. Aber ich vermittle Ihnen gerne ein Gefühl dafür, weil das gut ist für den Eindruck insgesamt.

Burgenland zum Beispiel: Bauliche Erhaltung S 31, Vollausbau Knoten Wulkaproders­dorf–Mattersburg. Der geplante Baubeginn war ursprünglich 2007. Bei einem Gesamt­bauvolumen von 16 Millionen € haben wir jetzt Investitionen in der Größenordnung von 9 Millionen € auf 2006, also um ein Jahr, vorgezogen, um hier beschäftigungswirksam agieren zu können.

Kärnten: Was die Schiene betrifft, stehen für die Gleisneuanlage Klagenfurt–Krumpen­dorf 3,8 Millionen € zur Verfügung, und was die Straße betrifft, haben wir ein Lärm­schutzprojekt vorgezogen, nämlich A 10, Umweltentlastungsmaßnahmen, die Sie ja kennen; darüber wurde in diesem Hause schon öfter diskutiert. Gesamtvolumen: 300 Millionen €. Das ist ja jenes Projekt, wo erstmals die Umweltschutz- und Lärm­schutzmaßnahmen mehr kosten als die eigentliche Baumaßnahme. Aus dieser großen Baumaßnahme, die geplant gewesen wäre ab 2006, haben wir 15 Millionen € vorge­zogen. 2005 werden wir vielleicht nicht mehr alles verbauen können, aber 2005/2006 werden jedenfalls 15 Millionen € vorgezogen.


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Niederösterreich: Hier gäbe es eine ganz lange Palette im Bereich der Schiene. Ins­gesamt werden dafür 50,2 Millionen € eingesetzt. Ich glaube, das wäre so ein Fall, den wir uns im Detail anschauen sollten. Es sind da – das möchte ich hier doch erwähnen, denn das ist sehr signifikant – Beträge von 0,3 Millionen €, also 300 000 €, bis zum Höchstbetrag von 4,6 Millionen € vorgesehen, also, wie ich schon gesagt habe, kleine Einheiten, die auch für KMUs interessant sind. Die kleinste Einheit ist hier zum Beispiel eine Schienenmaßnahme, eine Verbesserung in Laxenburg, und die größte Einheit 4,6 Millionen Grammatneusiedl–Götzendorf, ebenfalls eine Schienenverbesserung. Im Straßenbereich ist es die A 22-Generalerneuerung Stockerau-Ost–Stockerau-West, die Vorziehung einer Maßnahme, die für 2007 geplant war, auf 2006. Gesamtprojektkos­ten: 13 Millionen €. Wir werden davon 2006 schon 7 Millionen € verbauen.

In Oberösterreich gibt es eine ähnliche Liste: auch viele kleine Einzelmaßnahmen.

Das heißt, wir haben das, wie Sie erkennen können, sehr exakt, sehr genau aufgelis­tet, damit das auch nachvollziehbar und, wenn Sie wollen, auch kontrollierbar ist, aber nicht nur durch interessierte Oppositionspolitiker, sondern auch durch den Ressort­verantwortlichen, also durch mich, weil ich da schon sehr genau darauf schaue. Im Übrigen habe ich mich deshalb auch nicht gescheut, diese Projekte auf Länder auf­geteilt und wieder aufgeteilt in Maßnahmen Schiene oder Straße zu veröffentlichen. Diese Dinge sind also auch öffentlich zugänglich.

Ich denke, dass wir mit diesen Maßnahmen erstens einmal den richtigen Schritt ge­setzt haben, um rasch Beschäftigungswirksamkeit zu erzielen, und darüber hinaus werden wir am Ende des Jahres evaluieren, ob das ausgeweitet werden kann, ob wir gut auf Kurs sind. Es wird also eine Zwischenbilanz geben zu diesen Maßnahmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Riener, bitte.

 


Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Österreich liegt im Herzen Europas, und deshalb steigt die Bedeutung des Infrastrukturdreiecks Linz – Wien – Graz mit der Summerauerbahn, der Koralmbahn und dem Semmering­tunnel für den Wirtschaftsstandort Österreich und vor allem für die Steiermark.

Herr Vizekanzler! Welche Maßnahmen wurden zur Realisierung dieser drei Objekte, insbesondere des Semmeringtunnels, gesetzt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Abgeordnete. Der Semmering-Basistunnel ist natürlich eine wichtige Verbindung in den südlichen Raum Österreichs und auch international von entsprechender Bedeutung. Die Südbahn ist Bestandteil der baltisch-adriatischen Achse, hat besondere Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Österreich und insbeson­dere für das südliche Österreich. Sie wissen, dass das alte Projekt, wenn ich das so bezeichnen darf, höchstgerichtlich schon mehrfach behandelt wurde. Deshalb haben wir eine Lösung gesucht, dieses Projekt wieder so auf den Weg zu schicken, dass es auch rasche Realisierungschancen hat.

Bei einem Gipfelgespräch mit den betroffenen Landeshauptleuten, dem Finanzminis­ter, dem Bundeskanzler, meiner Wenigkeit sowie stellvertretenden Landeshauptleuten wurde hier Einvernehmen darüber hergestellt, dass wir ein neues Projekt auf den Weg schicken, das zwar etwas teurer sein wird – 1,25 Milliarden € –, das aber technisch auf dem neuesten Stand ist und das Realisierungschancen hat, das aber auch betriebs­wirtschaftlich Vorteile hat, weil es, was die Neigung betrifft, kompatibel ist mit der Kor­almbahn, sodass wir hier auch den zeitlichen Ablauf akkordiert haben.


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Angestrebter Baubeginn des neuen Projektes ist 2010, Fertigstellung 2020. Die Ge­samtkosten betragen, wie schon erwähnt, 1,25 Milliarden €, und ich bin guter Dinge, dass auch das Land Niederösterreich, das ja bisher Bedenken insbesondere im Hin­blick auf naturschutzrelevante Fragen eingebracht hat, sehr kooperativ mitwirken wird bei der Realisierung des Semmering-Basistunnels.

Die Summerauerbahn ist ja eine Bahn, die wir durch ein PPP-Finanzierungsmodell, wie Sie wissen, weil wichtig, etwas rascher auf den Weg schicken wollen, als ursprünglich vorgesehen. Geschätztes Gesamtvolumen: 950 Millionen. Derzeit finden auch Ver­handlungen mit den Ländern Oberösterreich und Steiermark über Finanzierungsbei­träge statt, ähnlich wie bei der Koralm mit Steiermark und Kärnten, wo jeweils 140 Mil­lionen € Beitrag – das sind etwa 10 Prozent beim Koralmtunnel – geleistet werden. Durch diese Mitfinanzierung können wir auch rascher beginnen, und es wird durch diese Mitfinanzierung auch das Interesse der Länder bekundet.

Zur Koralmbahn, dem dritten von Ihnen angesprochenen Projekt, haben wir ja schon öfter diskutiert. Sie ist finanziell abgesichert, in einem Memorandum auch festgehalten mit den ÖBB, mit den Bundesländern, mit dem Finanzminister. Gesamtkosten: zirka 4 Milliarden €, gewünschter und angestrebter Fertigstellungstermin: 2016, also vorge­zogen, weil diese Verbindung gemeinsam mit dem Semmering-Basistunnel gerade auch vor dem Hintergrund der Erweiterung eine national und international wichtige Schienenverbindung darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Bösch, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Vizekanzler, Sie ha­ben in der Beantwortung der Frage des Herrn Kollegen Eder schon die Mittel erwähnt, die die Bundesregierung für Lärmschutzmaßnahmen einsetzt. Können Sie in diesem Zusammenhang erklären, ob die Bundesregierung hier Schwergewichte setzt und, in aller Kürze, welche Projekte hier in nächster Zeit zu erwarten sind?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter Bösch! Die Lärmschutzmaßnahmen in ganz Österreich werden in einem Kataster festgehalten, sowohl was die Schiene als auch was die Straße betrifft. Das im Detail hier zu erläutern, würde sicherlich 15 Minuten in Anspruch nehmen. Ich hätte eine Tabelle dabei, möchte aber ganz grundsätzlich dazu sagen, dass ich ja 2004 zum „Jahr des Lärmschutzes“ ausgerufen haben und wir für Lärm­schutzmaßnahmen insgesamt zwischen 60 Millionen € und 85 Millionen € pro Jahr ausgeben. Das ist etwa das Dreifache dessen, was noch im Jahr 2003 dafür verwendet wurde.

In den Budgets wurde also entsprechend Vorsorge getroffen. Sie können versichert sein, dass wir auch hier versuchen, eine flächenmäßig optimale Streuung zu erzeugen und die Lärmschutzmaßnahmen, sowohl bei Schiene wie auch bei Straße, mit den regional Verantwortlichen, also den Landesregierungen, abstimmen.

Insgesamt sind es etwa 40 Projekte, die an den Autobahnen und an den Schienenstre­cken vorgesehen sind, abgestimmt auch mit den regionalen Verantwortungsträgern. Ich glaube, dass das die richtige Entscheidung ist: erstens in den Lärmschutz mehr zu investieren und zweitens das auch mit den vor Ort Betroffenen gut abzustimmen. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Zusatzfrage hiezu? – Frau Abgeordnete Dr. Mo­ser, bitte.

 



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Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben darauf hingewiesen, dass die Investitionen in erster Linie Klein- und Mittelbetrie­ben zugute kommen sollen, damit Beschäftigungspotential lukriert wird. Wie kann das geschehen, wenn Sie Baulose, zum Beispiel für die Nord Autobahn, in einem Umfang von 10 Milliarden Schilling, 720 Millionen €, 52 Kilometern ausschreiben? Welches Klein- und Mittelunternehmen kann hier mitbieten? – Genauso beim Pfändertunnel: 130 Millionen €. Welches Vorarlberger Klein- und Mittelunternehmen kann hier für Beschäftigung sorgen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Frau Abgeordnete Moser, Sie haben hier jetzt natürlich, nachdem ich vorhin von für Klein- und Mittelbetriebe interessanten Baulosen gesprochen habe, zwei unpassende Beispiele gebracht (ironische Heiterkeit bei den Grünen) beziehungsweise haben, wenn Sie so wollen, auch nicht Beispiele gebracht für Maßnahmen, die vorher Gegenstand der Anfrage waren, nämlich die vorgezogenen Maßnahmen. Es gibt natür­lich Baulose, wo es vom Ablauf des Baus – nicht nur von den Kosten, sondern auch vom einwandfreien Ablauf des Baues und von der Qualitätssicherung her – absolut unmöglich ist, sie in mehrere kleine Baulose zu zerstückeln. Ein Tunnel zum Beispiel, etwa der Pfändertunnel, den Sie genannt haben, wird im Gesamten ausgeschrieben werden müssen. Ich weiß aber aus Erfahrung – auch in Vorarlberg; zuletzt haben wir ja dort die zweite Röhre des Ambergtunnels gebaut –, dass die verantwortlichen Bau­firmen, die den Auftrag dann erhalten, auch sehr viel im „Sub“ vergeben und dort auch aus transportlogistischen Gründen vor Ort befindliche kleine Baufirmen bedienen.

Es heißt also, wenn eine große Firma einen Auftrag bekommt, dies nicht gleich, dass die kleinen Firmen vor Ort sozusagen leer ausgehen, sondern es werden dabei – und dazu werden die Großfirmen auch angehalten, soweit man das kann – auch kleine Firmen bedient.

Ich darf Ihnen aber sagen – und ich bin auch hier gerne bereit, das mit Ihnen im Detail anzuschauen –, dass ich erstens bemüht bin, kleinere Baulose auszuschreiben, zwei­tens bemüht bin, bis zu einem gewissen Schwellenwert, der von der EU akzeptiert wird, 25 Prozent der gesamten öffentlichen Aufträge im Infrastrukturbereich an hei­mische Unternehmer zu vergeben – und das sind dann Klein- und Mittelbetriebe –, und ich bin übrigens auch gerne bereit, die Nähe der Klein- und Mittelbetriebe zu nutzen, wenn es darum geht, Baulose rascher abzuwickeln – auch wenn sie dadurch teurer kommen –, indem ich auch in der Nacht und am Wochenende arbeiten lasse. Ich darf Ihnen sagen, dass seit meinem Amtsantritt diesbezüglich sehr viel geschehen ist und dass 70 Prozent aller Baustellen, wo es möglich ist, am Wochenende zu arbeiten oder in der Nacht zu arbeiten – überall ist es nicht möglich, wegen der Lärmentwicklung und Ähnlichem mehr –, schon so abgewickelt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Den zweiten Fragenkomplex leitet Herr Abgeordneter Miedl ein. – Bitte.

 


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Vizekanzler! Es geht wirklich etwas weiter in Sachen Verkehrssicherheit. Die letzten Unfallstatistiken lassen einen positiven Trend erkennen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

 


Ich frage Sie daher: Welche weiteren Maßnahmen in Sachen Verkehrssicherheit wer­den Sie dem Parlament zur Umsetzung vorschlagen?


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Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter – das gilt für alle in der Frage­stunde –: Für die Zuhörer ist es wichtig, dass genau die Frage gestellt wird, die Sie angegeben haben. Also nicht extemporieren!

Die Frage hat folgenden Wortlaut:

102/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie zur Erhöhung der Verkehrssicherheit?“

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter Miedl! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein­leitend den Satz sagen, dass Verkehrssicherheit einen Schwerpunkt meiner Verkehrs­politik darstellt. Das war bisher so, ist heute so und wird auch in Zukunft so sein. Wir haben diesbezüglich auch einiges getan, das, wie ich meine, als Mosaikstein einen Beitrag leisten konnte zu einem gesamten Bild, das dadurch gekennzeichnet ist, dass wir mit 878 Verkehrstoten über das Jahr 2004 die niedrigste Unfalltotenstatistik seit 1961 vorweisen konnten – wir müssen nicht darüber diskutieren: das ist immer noch zu viel, aber es ist die geringste Anzahl seit 1961.

Welche Maßnahmen haben, meine ich, dazu beigetragen oder werden in Zukunft dazu beitragen, unser Ziel zu erreichen, bis 2010 die Anzahl der Verkehrstoten zu halbieren, also auf unter 500 zu bringen, und die Anzahl der Unfälle mit Personenschäden um 20 Prozent zu reduzieren?

Da ist zunächst einmal das Vormerksystem zu erwähnen, das wir vor kurzem in die­sem Hohen Hause beschlossen haben, weiters der Mehrphasenführerschein, die Ver­kehrs- und Mobilitätserziehung mit Schwerpunkten in Kindergärten und im Volksschul­alter – also es sind schon sehr früh die Jugendlichen darauf aufmerksam zu machen, welche Gefahren im Verkehr lauern und wie man ihnen ausweichen kann. Weiters sind zu nennen: besondere Programme für Senioren in Form von speziellen Schulungen und Beratungen, ein Schwerpunkt Verkehrslenkung und Verkehrsüberwachung durch diese Verkehrsbeeinflussungsanlagen, die wir vor wenigen Tagen eröffnet haben be­ziehungsweise begonnen haben in Tirol – ein Verkehrsbeeinflussungssystem im Wert von 300 Millionen €, das in den nächsten Jahren flächendeckend österreichweit rund um Ballungszentren erstellt werden soll.

Ich nenne in diesem Zusammenhang auch die Drogentests, die in Zukunft – ich hoffe, der Beschluss wird so erfolgen – noch einfacher und noch schneller und unkompli­zierter bei entsprechendem Verdacht vorgenommen werden können. Weiters ist eine Intensivierung der Verkehrsüberwachung vorgesehen. Es sind aber auch grenzüber­schreitende Verfolgungsmöglichkeiten zu nennen, die hier die Sicherheit erhöhen sollen. Ich erwähne die Section Control, die sich dort, wo sie eingesetzt wird, sehr bewährt hat und die ich intensivieren möchte.

Ich erwähne aber auch Verbesserungen in der Infrastruktur, die nicht unterschätzt wer­den sollen, wenn es um die Erhöhung der Verkehrssicherheit geht. Das beginnt schon bei der Planung, damit, dass wir hier ein Road Safety Audit erstellt haben und schon bei der Planung und bei der Angebotsabgabe darauf achten, dass die Infrastruktur auch den Sicherheitsbedürfnissen entsprechen kann. Ich erwähne das Leitschienen­austauschprogramm, Herr Kollege Miedl. Ich erwähne die Erhöhung der Tunnelsicher­heit – es ist ein besonderes Anliegen von mir, im hochrangigen Netz Gegenverkehrs-


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tunnels auszuschalten, indem ich dort zweite Röhren installieren lasse; da haben wir ein intensives Programm im Laufen.

Ich erwähne die Erhöhung der Baustellensicherheit durch viele kleine Einzelmaß­nahmen – und das ist schon auch erwähnenswert –: erarbeitet mit Verkehrsexperten, mit Verkehrssprechern aller Fraktionen, mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit, mit Autofahrerklubs, mit Autoherstellern, also sehr breit angelegt.

Ich erwähne Maßnahmen der Bewusstseinsbildung durch gezielte Kampagnen in jenen Bereichen, wo wir Probleme orten, etwa Fahren bei Alkohol am Steuer, Fahren von Führerscheinneulingen – Unsicherheiten, und dann noch in Kombination mit Alkohol! –, dass wir hier also entsprechende Kampagnen starten. Übrigens: In den nächsten Wochen wird wieder eine großangelegte diesbezügliche Kampagne über Österreich gezogen werden.

Ich erwähne auch die Einbeziehung der privaten Unternehmer durch besondere An­reizsysteme, Belohnungen auszusprechen an Unternehmensmitglieder, also Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter, die sich besonders solide, sage ich einmal, verhalten. Ich erwähne aber auch andere Maßnahmen wie Unfalldokumentation und verbesserte Unfalluntersuchung, Zusammenführen der Ergebnisse. Ich könnte hier noch eine Reihe von weiteren Maßnahmen wie Licht am Tag oder Führerscheinreform in der Ausbil­dung erwähnen.

Also eine Palette an Sicherheitsmaßnahmen, Herr Kollege Miedl, die übrigens auch international sehr positiv auffällt und als mustergültig bezeichnet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler! In der Geschäftsordnung sind kurze Antworten vorgesehen. Wir sind jetzt, nach 25 Minuten, erst bei der 2. Anfrage! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Herr Vizekanzler hat doch ein Auskunftsrecht, Herr Präsident!)

Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Miedl.

 


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Vizekanzler! Es ist unbestritten, dass viel geschehen ist, trotzdem: Viele Tote und Schwerverletzte haben der Alkohol und die Drogen am Steuer zu verantworten. Das Parlament will heute am Nachmittag ernst machen und Ihrem Vorschlag folgend die Alkovortestgeräte und Drogenvortestgeräte einführen. Ganz konkret, Herr Vizekanzler: Was erwarten Sie sich von dieser Maß­nahme?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Sie wissen, dass herkömmliche Alkohol- und Drogentestgeräte zum Beispiel Aufwärmzeiten brauchen. Das brauchen diese Vortestgeräte nicht. Sie sind auch sehr handlich. Ich erwarte mir, dass dadurch rascher, effizienter und dadurch auch wir­kungsvoller, was die Sicherheit im Straßenverkehr betrifft, festgestellt werden kann, ob ein Straßenverkehrsteilnehmer verdächtig ist, unter Alkoholeinfluss oder Drogenein­fluss ungesetzlicherweise unterwegs zu sein, und dass man ihn dann dem wirklichen Alkoholtest oder Drogentest zuführen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner, bitte.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Sie haben als eine Maßnahme zur Steigerung der Verkehrssicherheit die Verkehrsbeeinflus­sungsanlagen angesprochen. Wie sehen Sie ganz konkret die Ausbaupläne? Das


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heißt: Wo werden in den nächsten Jahren ganz konkret welche Verkehrsbeeinflus­sungsanlagen eingesetzt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Die Verkehrsbeeinflussungsanlage wird bis 2010 fertig gestellt sein. Sie kostet, wie schon erwähnt, 300 Millionen € und wird einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit darstellen, weil nach unseren Schätzungen damit eine Reduktion der Unfälle um etwa 30 Prozent erzielt werden kann. Es wird ein Leitsystem sein, durch das Autofahrer auf besondere Umstände hingewiesen werden, wie etwa Glatteisbil­dung, starken Regen, Stau – man kann also dadurch ausleiten –, oder es wird ein Unfall angezeigt und die Geschwindigkeit entsprechend reduziert. Theoretisch kann ich natürlich auch auf gewissen Strecken die Geschwindigkeit erhöhen, wie Sie wissen.

Die Anlagen werden sukzessive dort aufgebaut, wo wir Verkehrsunfallhäufigkeit fest­stellen und wo in den nächsten Jahren eine hohe Verkehrsdichte zu erwarten ist. Begonnen haben wir deshalb in Tirol an der A 12 und an der A 13, und wir werden uns sukzessive in den Osten vortasten, wo wir, wie gesagt, 2010 fertig sein wollen.

Entscheidend ist hier nicht etwa, welches Land die besten Kontakte irgendwohin hat, sondern die Verkehrsdichte und die Unfallhäufigkeit, sodass wir sagen, der nächste Abschnitt wird Linz sein, der übernächste wird Graz sein und der darauf folgende wird dann der Großraum Wien sein. Nach diesen Überlegungen wird hier vorgegangen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Rest-Hinter­seer, bitte.

 


Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Minister Gorbach! Öster­reich liegt im internationalen Vergleich im Bereich der Verkehrssicherheit nach wie vor im negativen Spitzenfeld – leider. Haben Sie sich angesichts dieser Tatsache endlich von Ihrem Projektthema „Tempo 160“ verabschiedet, das zusätzliche Tote und Ver­letzte und mehr Lärm und mehr Schadstoffe bringen würde?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Eine Bemerkung: Es ist natürlich schwierig, auf eine Frage, die politisch heftig diskutiert wird, diesbezüglich jetzt so kurz zu antworten. (Ruf bei der SPÖ: Man könnte ja „ja“ oder „nein“ sagen!) Ich könnte sagen: „nein“, und mich wieder hinsetzen. Das will ich nicht tun.

Ich möchte nur kurz meine Überlegungen wiederholen, Frau Abgeordnete. Ich habe gesagt: Im Zusammenhang mit dieser Verkehrsbeeinflussungsanlage, die wir gerade vorhin besprochen haben, kann ich mir vorstellen, dass ich auf gewissen Abschnitten, wo es die Umstände zulassen, wie etwa Frequenz, also Verkehrsdichte, Ausbaugrad der Verkehrsanlage – gut ausgebaut, zwei- oder dreispurig in eine Richtung –, optimale Wetterbedingungen, dem Autofahrer die Möglichkeit gebe, über diese Beeinflussungs­anlage nicht nur reduzierte Geschwindigkeiten einhalten zu müssen, sondern auch die Höchstgeschwindigkeit von derzeit 130 in Österreich auf 150 oder 160 auszuweiten – es muss übrigens nicht immer 160 sein.

Ich glaube, dass diese Maßnahme – und das habe ich immer dazugesagt – keine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit darstellen wird. Im Gegenteil: Ich habe schon erste Ergebnisse international eingeholt, wo ich feststelle, dass dort, wo ein schnelleres Fahren unter gewissen Umständen abschnittsweise möglich ist, geringere Verkehrs­totenzahlen und Verletztenzahlen registriert werden können, als das bei uns der Fall ist. Also dieser Zusammenhang ist nicht zwingend gegeben.


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Ich kann Ihnen aber Ihre Frage abschließend so beantworten: Nein, dieses Projekt wird weiterverfolgt, und ja, es wird nur dort und dann umgesetzt, wenn die Verkehrs­sicherheit mit Sicherheit nicht darunter leiden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Krainer: Und was ist mit den Abgasen?)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bayr, bitte.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Im Zuge der Ver­kehrssicherheitsdebatte wird einmal mehr und einmal wieder darüber diskutiert, Licht am Tag obligatorisch für alle motorisierten Verkehrsteilnehmer einzuführen. Motor­radorganisationen haben große Angst davor, dass der Sicherheitsvorsprung, den ein­spurige Kfz jetzt haben auf Grund dessen, dass sie die Einzigen sind, die beleuchtet fahren müssen, verloren geht.

Mich würde interessieren, von Ihnen zu hören, falls Sie gedenken, Licht am Tag für alle Motorisierten einzuführen, wie Sie den Verlust dieses Sicherheitsvorsprungs für ein­spurige Kfz einschätzen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Sie haben natürlich Recht, Frau Abgeordnete, diese Fragen waren immer Thema rund um die Diskussion „Licht am Tag“: Was bringt es? Und ist es gescheit? Die Ergebnisse aus einer Summe von Studien, die mir vorliegen und auch zugänglich sind – natürlich auch für Sie –, sagen unter dem Strich, dass der Gewinn an Sicherheit durch die Maßnahme, wenn alle Licht am Tag haben müssen, größer ist als allfällige partikulare Reduktionen bei einspurigen Fahrzeugen. Ich glaube, dass diese Maß­nahme in Summe die Sicherheit erhöhen wird, so wie das die Erfahrungen zuerst in skandinavischen Ländern, aber inzwischen auch in südlichen Ländern zeigen.

Weil auch die Frage diskutiert wurde, ob man es nur in den Wintermonaten machen soll oder ob man es nur auf hochrangigen Straßen oder aber auch auf Freilandstraßen, Gemeindestraßen machen soll: Ich glaube, es sollte einheitlich für alle Fahrzeuge, so wie es jetzt vorbesprochen ist, durchgezogen werden. Die Fahrzeugindustrie – davon bin ich überzeugt – wird sich auch rasch darauf einstellen und spezielle Lichtquellen entwickeln, sodass ich Ihnen unter dem Strich Ihre Frage so beantworten kann, dass der Verlust der Sicherheit bei einspurigen Fahrzeugen, die jetzt schon mit einge­schaltetem Licht unterwegs sind, gering sein wird, hingegen die Sicherheitserhöhung insgesamt im Straßenverkehr enorm sein kann. Auch hiezu gibt es ja Berechnungen, die von Fachleuten untersucht und bestätigt wurden, dass die Unfallzahlen dadurch in Summe um bis zu 15 Prozent reduziert werden können. Ich glaube, das ist den Versuch allemal wert.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Den 3. Fragenkomplex leitet Frau Abgeordnete Dr. Mo­ser ein. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

110/M

„Was tun Sie gegen die eklatante Mehrbelastung der Bevölkerung mit Schadstoffen, Feinstaub und Lärm, die durch Ihre Pro-LKW-Politik in Wien und Brüssel entstanden ist?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 



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110. Sitzung / Seite 27

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Lassen Sie mich zuerst festhalten, dass ich keine Pro-LKW-Politik – weder in Wien noch in Brüssel noch sonst irgendwo – betreibe. Aber es gibt LKWs, da gebe ich Ihnen schon Recht, und wir alle profitieren auch davon, dass es LKWs gibt, denn eines möchte ich auch einmal sagen: Die Verteufelung des LKWs halte ich für falsch. Er ist ein wichtiger Faktor im Verkehr, auch für die Wirtschaft und damit für Arbeits­plätze, über die wir heute auch schon gesprochen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Moser, ganz nüchtern betrachtet ist das wichtigste Programm diesbe­züglich das Verlagern von LKW-Verkehr, der auf der Straße nicht notwendig ist – weil er keine terminliche Vorgabe hat, weil er keine verderbliche Ware geladen hat, weil er auf die Schiene verlagerbar ist –, auf die Schiene oder auf die Wasserstraße, also auf umweltfreundliche Verkehrsträger.

Mit Verlaub, Frau Kollegin, darf ich schon festhalten, dass wir in den nächsten Jahren ein Budget für den Schienenausbau haben, das größer ist als je zuvor. Es bewegt sich zwischen 1,2 Milliarden und 1,5 Milliarden € pro Jahr – nur für Schienenausbau! Sie wissen auch, dass ich sehr intensiv dabei bin, auch die internationalen Schienenwege im TEN-Programm – Transeuropäische Netze – so zu gestalten, dass Österreich gut berücksichtigt ist. Wir haben deshalb ja auch durch gute Verhandlungen von nur einem Projekt noch vor drei Jahren auf sechs Projekte aufstocken können.

Ich glaube, das ist der beste Beitrag: Ausbau des Schienennetzes, Attraktivieren des Schienennetzes vor allem für den Personenverkehr, und das auch international zu be­treiben. Das ist, kombiniert mit Nichtverteufeln der notwendigen LKWs – die wir brau­chen –, der beste Beitrag dazu, dass wir der Umwelt und auch der Wirtschaft dienen können.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Es geht nicht um die Verteufelung der LKW, sondern es geht um die Verlagerung des LKW-Verkehrs auf die Schiene und um den Schutz der Bevölkerung. (Beifall bei den Grünen.)

Wie soll LKW-Verkehr auf die Schiene verlagert werden, wenn die Benützung der Stra­ße billig ist und der Transport auf der Schiene teurer wird? (Abg. Eder: Richtig! Rich­tig!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Sie rennen hier bei mir offene Türen ein und kämpfen Seite an Seite mit mir. Ich bin ja gerade auf Grund der schwierigen Rahmenbedingungen in der EU heftig unterwegs, diesen Missstand aufzuzeigen, nämlich im Vergleich mit einem Nicht-EU-Land, der Schweiz, wo ich mich verkehrspolitisch ein bisschen auskenne. Dort wurden sehr früh sehr kluge Entscheidungen getroffen, nämlich insofern, als die Bevölkerung entschieden hat, das Schienennetz entsprechend auszubauen, und gleichzeitig das Land, den Staat, die Verantwortungsträger ermächtigt hat, dann, wenn die Schiene nicht entsprechend ausgenutzt ist – zum Beispiel zu 75 Prozent –, automatisch die Mauten auf der Straße bei alpenquerenden Übergängen erhöhen zu dürfen.

Das ist ja unser Problem, um das wir jetzt kämpfen – Stichwort: Wegekostenrichtlinie. Ich gebe Ihnen Recht: Diese Diskrepanz ist vorhanden. Es wird deshalb in Zukunft auch noch ein hartes Stück Arbeit sein, diese Differenz abzubauen. Wir sind dabei, Frau Kollegin!


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110. Sitzung / Seite 28

Ich bin der Erste, der für die Einberechnung der externen Kosten bei Mauttarifen ist. Ich bin der Erste, der für internationale Vergleichbarkeit bei Mauttarifen ist. Davon wird Österreich profitieren. Das geht nicht von heute auf morgen. Ich hoffe, ich habe Ihre Unterstützung dann auch im Parlament in Brüssel. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Ja, sicher!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Prähauser, bitte.

 


Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Danke, Herr Präsident! – Herr Vizekanzler, eine kurze Frage: Wieso fördert der Bund nicht die Nachrüstung mit Partikelfiltern bei Dieselfahrzeugen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Ich denke, wir müssen das Problem eher an der Wurzel packen. Ich glaube, dass es deshalb sinnvoll ist, im Bereich Innovation, Technologie – Bereiche, die ja auch in meiner Verantwortung stehen; es macht ja auch Sinn, dass der Verkehrsmi­nister für diese Bereiche mit zuständig ist – alternative, verbesserte, umweltfreundliche Antriebe und Treibstoffe, alternative Werkstoffe und Fertigungsverfahren und Fahr­zeugelektronik zu fördern. Also ich bin der Meinung, wir sollten bei der Forschung ansetzen.

Sie werden nicht staunen, hoffe ich, dass bei meinem letzten USA-Besuch ein Schwer­punkt war, dass ich mir die Technik und wie das dort in der Praxis schon umgesetzt wird, angesehen habe, um gute Anregungen, Ideen, Innovationen mit nach Europa, nach Österreich zu nehmen, um in Richtung umweltfreundlichere Fahrzeuge im Ver­kehr gehen zu können.

Einzelmaßnahmen können immer diskutiert werden. Diese kosten dann natürlich auch Geld, das muss dann auch mit dem Finanzminister akkordiert sein. Man ist sich auch nicht immer über die Wirksamkeit einig. Auch die Umweltgruppierungen sind nicht im­mer überzeugt davon, dass die Einzelmaßnahme richtig ist. Ich glaube also, wir packen das Problem richtig an, indem wir versuchen, umweltfreundliche Antriebe stärker zu forcieren über den Bereich der Forschung und Innovation.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hornek, bitte.

 


Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ich darf fol­gende Frage an Sie richten: Wie hoch waren die Investitionen in den Lärmschutz im Zeitraum 2000 bis 2005 zum Schutz der österreichischen Bevölkerung?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Lärmschutz ist ein wichtiges Thema. Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir im Jahr 2000 insgesamt bei Schiene und Straße 30 Millionen für Lärmschutz ausgegeben haben, 2001 waren es knapp 40 Millionen, 2002 51,6 Millionen, 2003 61 Millionen, 2004 88,5 Millionen und 2005 laut Budget 123 Millionen. Das heißt, in Summe haben wir in den Jahren 2000 bis 2005 für Schiene und Straße – ich hätte es natürlich auch detailliert aufgelistet – 255 087 000 € ausschließlich für Lärmschutzmaßnahmen aus­gegeben.

 


Grundregel, die ich vorgegeben habe: bei Neubaumaßnahmen 25 Prozent der Ge­samtinvestitionssumme für Lärmschutz- und Umweltschutzmaßnahmen, bei Erneue­rungen, Verbesserungen 10 bis 15 Prozent für solche Maßnahmen. Das heißt, Lärm­schutz ist und bleibt ein Thema in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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110. Sitzung / Seite 29

Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nunmehr zum 4. Fragenkomplex, den Abgeordnete Dr. Bleckmann mit ihrer Frage einleitet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Meine Frage lautet:

108/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie in der Förderung von Forschung und Entwicklung zur Stärkung des Standortes Österreich?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Abgeordnete! Der Bereich Forschung und Entwicklung hat in den letzten Jahren eine gute Entwicklung genommen, im wahrsten Sinne des Wor­tes. Das ist erkennbar an der positiven Entwicklung der Forschungsquote in Österreich, die erstmals im letzten Jahr, also 2004, deutlich über dem europäischen Schnitt lag. Sie lag vor 2000, also zur Jahrtausendwende, noch bei 1,99 Prozent, und sie wird laut Prognose der Statistik Austria für das heurige Jahr bei 2,35 Prozent liegen.

Diese Berechnung hat stattgefunden vor der Forschungsmilliarde, die wir am 1. Mai beschlossen haben, plus den 300 Millionen indirekte Forschung in den Jahren 2006 bis 2010, die auch noch mit berücksichtigt werden müssen. Wenn ich diese Maßnahmen, umgelegt auf 2005 und 2006, auch schon berücksichtige – das sind insgesamt etwa 225 Millionen € in diesen zwei Jahren –, dann kommen wir auf eine Forschungsquote im Jahr 2005 von geschätzten 2,37, 2,38 Prozent. Damit sind wir exakt auf dem Pfad, den wir uns bis 2010 vorgenommen haben, auch im Sinne der Lissabon-Strategie: eine Forschungsquote von 3,0 Prozent zu erreichen.

Ganz kurz erwähnen darf ich die 10 Millionen € für die Bottom-up-Förderung, die vor­gesehen ist, die 10 Millionen € für die Headquarter-Programme, die vorgesehen sind, neu entwickelt werden, die 5 Millionen € für das Programm BRIDGE, die für Projekte an der Schnittstelle zwischen anwendungsorientierter und grundlagenorientierter For­schung eingesetzt werden. Das heißt, wir versuchen, diese Gelder möglichst breit zu streuen und möglichst so einzusetzen, dass eine Hebelwirkung stattfindet, weil zwei Drittel der Forschungsausgaben idealerweise aus dem privaten Bereich kommen sollen und ein Drittel aus dem öffentlichen Bereich.

Ich darf Ihnen aber auch hier abschließend dazusagen: Es wurde in den letzten zwei, drei Jahren in Österreich für Forschung und Entwicklung so viel Geld, öffentliches Geld und auch privates, in die Hand genommen wie nie zuvor. Und der Trend, der er­kennbar ist, zeigt, dass das so fortgesetzt wird. Im Moment gibt es in Österreich Forschungsausgaben in der Höhe von knapp 5,8 Milliarden €. Das ist eine beachtliche Summe. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Herr Vizekanzler! Was unternehmen Sie konkret zur Förderung von Frauen im Bereich Forschung und Ent­wicklung?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Tatsache ist, dass wir in Österreich, so wie in Europa und abgeschwächt auch in der übrigen Welt, ein Manko an Forscherinnen haben, und zwar sowohl im wissenschaftlichen Bereich wie auch im angewendeten Forschungsbereich. Wir haben


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110. Sitzung / Seite 30

spezielle Programme entwickelt, um die Forscherinnen zu fördern, etwa das Pro­gramm, dass wir den Unternehmen die Löhne und Gehälter von Forscherinnen beim Einstieg bezahlen. Damit bauen wir die Schwellen für Forscherinnen ab, in einem Un­ternehmen tätig zu sein. Auch im Zuge des Rückholprogrammes, das wir gestartet ha­ben, sprechen wir speziell Forscherinnen an. Wir machen mit Informationskampagnen in Universitäten speziell darauf aufmerksam, dass Forscherinnen gute Karrieremöglich­keiten und Chancen haben. Wir halten unsere gesamten Programme nicht allgemein, sondern versuchen, durch attraktive Angebote für die Forscherinnen Anreize zu schaf­fen, im Bereich der Forschung tätig zu sein.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Grünewald, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Mit Herbst dieses Jahres läuft die Amtsperiode des Rates für Forschung und Technologie aus. Es stehen Neubesetzungen an. Mich interessiert daher: Welche Übereinkünfte existieren allenfalls mit Frau Bundesministerin Gehrer, das Qualifikationsprofil dieser Räte und Rätinnen zu schärfen, über Proporz und Parteizugehörigkeit hinaus?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Das gute Profil in einem so wichtigen Bereich ist enorm wichtig, gar keine Frage. Ich darf Ihnen sagen und wäre auch leicht imstande, das zu beweisen, dass parteipolitische Zugehörigkeiten bei Besetzungen im Forschungsbereich keine Rolle gespielt haben. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Und ich werde sehr bemüht sein – und das wird mir auch gelingen –, dass das auch in Zukunft so sein wird.

Ich nehme gar nicht an, dass das eine Kritik war. Ich glaube eher, das ist das Be­mühen, alles noch besser zu machen, und so sehe ich das. Der Zustand „besser geht es nicht mehr“ ist ja selten erreicht. Ich glaube, dass die Qualität unserer beratenden Stellen in diesem Bereich – und ich spreche hier vor allem den Rat für Forschung und Technologieentwicklung an – eine sehr gute ist, auch die Auswahl einen guten Mix darstellt, einen Mix zwischen Forschern, die in der Wirtschaft tätig sind, die an den Unis tätig sind, die Erfahrung haben, und eher jüngeren Forscherinnen und Forschern. Gerade Dr. Consemüller hat hier mit seinem Team, auch Professor Bonn als sein Stellvertreter, einen wesentlichen Beitrag geleistet, dass Österreichs Forschungsland­schaft so gut wie nie zuvor dasteht, nicht nur von der neuen Struktur her – Stichwort Forschungsreform, seit 37 Jahren die erste –, sondern auch, was die personelle Aus­stattung betrifft.

Dass wir hier auch im internationalen Vergleich gut liegen, dafür ist der beste Beweis, dass 107 Prozent von den möglichen Rückflüssen der EU-Forschungsprogramme – 107 Prozent, also mehr, als wir dafür aufwenden! – wieder zurückfließen. Das heißt, unsere Programme sind auch international richtig aufgestellt. Das spricht für die Quali­tät der beratenden Stellen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gradwohl, bitte.

 


Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben vorhin die Forschungsquote angesprochen. Ich erlebe Sie seit dem Jahre 2000 als vierten Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, und alle haben uns diese Antworten gegeben. Ohne den Gipfel und die zusätzliche Milliarde scheint das nicht umsetzbar zu sein. Meine Frage an Sie: Wie viele Gipfel wird man noch brauchen, um tatsächlich die Lissabon-Ziele in Österreich zu erreichen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 



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110. Sitzung / Seite 31

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Abgeordneter! In der Tat, ich kann mich erinnern, dass dann, wenn wir hier in diesem Hohen Hause im Bereich Forschung, zum Beispiel beim Budget, davon gesprochen haben, dass wir uns Zwischenziele gesetzt haben, um das Ganze kontrol­lierbar zu machen, auch für Sie als Abgeordnete, müde gelächelt wurde, wenn ich gesagt habe, 2006 werden wir mit diesen Maßnahmen und den budgetierten Zahlen als Zwischenschritt 2,5 Prozent Forschungsquote erreichen, um dann bis 2010 eben die 3,0 Prozent zu erreichen.

Es gibt ganz aktuelle Berechnungen der Statistik Austria, was die Forschungsquote betrifft. Wir hatten im Jahr 2000 eine Forschungsquote von 1,91 Prozent – übrigens: Im Jahr 1999 lag sie noch bei 1,88 Prozent! –, 2001 eine solche von 2,04 Prozent, 2002 eine solche von 2,12 Prozent. 2003 betrug die Forschungsquote 2,2 Prozent, 2004, wie schon erwähnt, 2,27 Prozent, und 2005 beträgt sie 2,35 Prozent, und zwar ohne die am 1. Mai beschlossenen Maßnahmen. Es gibt Schätzungen, wonach sie mit diesen 2,37, 2,38 Prozent ausmachen wird. Als Zwischenziel haben wir uns 2,39 Prozent gesetzt. Also wir sind mit dieser Forschungsmilliarde in etwa dort, wo wir hinmüssten. Und mit diesen Maßnahmen, den Forschungsfreibetrag, die Forschungsprämie auch auf Auftragsforschung auszuweiten, werden noch einmal etwa 300 Millionen € einge­setzt. Also 1,3 Milliarden € zwischen 2006 und 2010 werden den entscheidenden Bei­trag leisten – und das reicht aus, Herr Kollege! –, um die 3,0 Prozent Forschungsquote auch wirklich zu erreichen. Übrigens: Aus heutiger Sicht werden wir da im kleinen Kreis von drei, vier EU-Mitgliedsländern sein, die dieses Ziel erreichen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haubner, bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Herr Vizekanzler, Sie haben schon viel über die Forschungsquote berichtet. Mich würde noch interessieren: Wie hat sich die For­schungsquote gemessen am BIP insbesondere im Vergleich zur Zeit vor 2000 ent­wickelt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Da ich ja jemand bin, der lieber in die Zukunft schaut als in die Vergan­genheit, darf ich jetzt noch die Forschungsquote für 1998 präsentieren. Im Jahr 1998 betrug bei Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung von 3,4 Milliarden € die Forschungsquote, gemessen am BIP, 1,77 Prozent. Ich habe es schon erwähnt, die 2,35 Prozent im heurigen Jahr machen exakt 5,773 Milliarden € aus. Das heißt, wir haben letztes Jahr erstmals den EU-Durchschnitt überschritten, lagen vorher immer im schlechten Mittelfeld, also in der zweiten Hälfte unter den EU-15, und sind jetzt auf dem guten Wege, mein vorgegebenes Ziel, unter die Top 5 der EU-25 zu kommen, auch wirklich zu erreichen.

Das heißt, die Forschungsquote hat sich von 1,77 Prozent im Jahr 1998 auf jetzt 2,35 Prozent entwickelt, die in Wahrheit schon 2,37 sind – zuerst etwas langsamer und jetzt am Schluss etwas rapider, und zwar auf Grund der Offensiven, die die Regierung in diesem Bereich gesetzt hat: Forschungsoffensive I, II und jetzt III. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Den 5. Fragenkomplex und damit den letzten in der heutigen Fragestunde leitet Frau Abgeordnete Binder mit ihrer Frage ein. – Bitte, Frau Kollegin.

 



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110. Sitzung / Seite 32

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine kon­krete Frage an Sie:

106/M

„Was werden die wesentlichen Inhalte der angekündigten Nahverkehrsreform sein?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Die Reform des öffentlichen Personennah- und -regionalverkehrs ist aus mehreren Gründen notwendig. Die Einführung von Wettbewerbselementen im öffent­lichen Verkehr wird auch von der EU zunehmend eingefordert, wie Sie wissen. Die Verbesserung der Qualität des öffentlichen Verkehrs für die Kunden ist erforderlich, auch um mehr von der Straße auf die Schiene zu locken. Die Erhöhung der Effizienz des Einsatzes der Finanzmittel für den öffentlichen Nahverkehr ist immer ein Gebot der Stunde.

Das jetzige Gesetz bezüglich des öffentlichen Personennah- und -regionalverkehrs entspricht nicht mehr den aktuellen verkehrspolitischen Zielen, weshalb wir uns vorge­nommen haben – ich habe Staatssekretär Kukacka damit beauftragt –, diesen Bereich zu reformieren und neu zu gestalten. Die wesentlichen Punkte sind: Es soll eine Ver­länderung der Nahverkehrsmittel dort angestrebt werden, wo wir das im Einvernehmen umsetzen können. Auch die Verländerung der Mittel für Schüler- und Lehrlingsfreifahr­ten aus dem Familienlastenausgleichsfonds ist vorgesehen. Dort, wo wir eine Einigung erzielen können und es Sinn macht, vielleicht auch nach dem Subsidiaritätsprinzip, sollen Nebenbahnen der ÖBB verländert werden.

Es gibt derzeit vier Arbeitsgruppen, die sich mit dieser Reform beschäftigen. Einge­bunden sind neben dem BMVIT auch das Finanzministerium, die Länder, die Verkehrs­verbünde, die ÖBB und die Interessenvertretungen. Es wird weitere Diskussionen über die mögliche Ausgestaltung der Reform geben, diese laufen auch schon. Es wird, was die Einstellung von Nebenbahnen betrifft – und da wird immer wieder ein Schreck­gespenst an die Wand gemalt –, keine rigorosen Maßnahmen geben. Es werden ledig­lich Zweigleisigkeiten abgebaut, und das im Einvernehmen mit den Ländern, die ja mitfinanzieren müssen und auch weiterhin sollen.

Ergebnis soll sein, dass insgesamt der öffentliche Personennahverkehr mehr Mittel ge­zielter zur Verfügung hat, das heißt attraktiviert wird, was ein Grundprinzip und Grund­ziel sein muss, wenn man die Straße wirklich entlasten will.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Frau Kollegin? – Bitte.

 


Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Vizekanzler! Wenn ich Sie recht verstehe, bitten Sie die Länder sehr stark zur Kasse. Meine Frage ist: Wird der Bund weiterhin auch nach der Reform Zahlungen, zumindest in gleicher Höhe wie bisher, für den Nah­verkehr leisten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Das wird der Fall sein. Es werden die Förderungen da und dort neu aufge­teilt werden müssen, aber in Summe wird die Entwicklung eine steigende sein. Das heißt, wir werden für den öffentlichen Verkehr nicht weniger ausgeben als in den letz­ten Jahren, sondern mehr. Es ist aber die Anforderung unheimlich gestiegen, und des­halb werden wir darüber reden müssen, ob wir gewisse Projekte weiterhin wie bisher


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110. Sitzung / Seite 33

mit 50 Prozent fördern können oder ob wir hier eine Reduktion auf 33 Prozent vorneh­men müssen, dafür aber flächendeckender und mehr unterwegs sein können.

Aber Ihre Frage konkret beantwortet: Die Mittel, die der Bund für den öffentlichen Ver­kehr Ländern und auch Gemeinden zur Verfügung stellt, werden nicht reduziert.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Glaser, bitte.

 


Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vizekanzler, unbestreitbar ist, dass der öffentliche Nahverkehr eine wichtige Rolle zu erfüllen hat und dass hier auch die Gemeinden entsprechend eingebunden werden müssen.

Sie haben gerade von den Mitteln gesprochen. Mich würde interessieren: Wie viele Mittel setzt der Bund und wie viele Mittel setzen die Länder zurzeit zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs ein?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Kollege! Es sind in der Tat beträchtliche Mittel. Im Bundes­förderbereich gibt es in Summe Nahverkehrsförderungen von etwa 1 Milliarde €. Diese verteilt sich folgendermaßen: Zahlungen an Verkehrsverbünde in der Höhe von etwa 54 Millionen; Bestellerförderung – dadurch sollen zusätzliche Nahverkehrsangebote er­richtet werden, im Busbereich vor allem – im Ausmaß von 10 bis 12 Millionen; gemein­wirtschaftliche Leistungen im ÖBB-Personenverkehr in der Höhe von 460 Millionen – das ist der große Brocken –; gemeinwirtschaftliche Leistungen für Privatbahnen von 24 Millionen, auch wichtig; 335 Millionen an zusätzlichen Mitteln für Schüler- und Lehr­lingsfreifahrten.

130 Millionen zusätzlich überweist der Bund im Rahmen des Finanzausgleichs anhand eines MÖSt-Schlüssels an die Länder. Damit trägt der Bund in Prozent gesehen 65 Prozent aller Nahverkehrskosten. Das heißt, dass Länder und Gemeinden etwa 700 Millionen € aufbringen und, wie gesagt, der Bund 1 Milliarde €.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mittermüller, bitte.

 


Abgeordnete Marialuise Mittermüller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Die Situation des Nahverkehrs ist auch in meinem Bundesland Kärnten ein viel disku­tiertes Thema. Daher stelle ich zur Nahverkehrsreform folgende Frage an Sie:

Wie hoch sind die gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Bundes aufgeschlüsselt nach den einzelnen Bundesländern, wobei mich natürlich Kärnten sehr interessiert.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Ich darf Ihnen, Frau geschätzte Abgeordnete, sagen, dass alle Länder gleich behandelt werden, was die Förderungen und auch die möglichen Einsparungspoten­ziale betrifft. Ich kann Ihnen die exakte Zahl oder das Datenmaterial für Kärnten jetzt nicht präsentieren, ich habe das nicht bei der Hand, würde es aber, wenn es erlaubt ist, schriftlich nachreichen. Das ist kein Problem, denn die Aufstellungen gibt es natürlich.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass gerade ein Anliegen meiner Verkehrspolitik, meiner öffentlichen Verkehrspolitik auch ist, ländliche Bereiche gegenüber Ballungsräumen nicht zu benachteiligen. Das heißt also, dass auch, wenn dort die betriebswirtschaft­liche Rechung auf Grund erhöhter Erhaltungs-, Betriebeskosten, Baukosten deutlich schlechter aussieht, der ländliche Bereich ein Recht auf öffentlichen Nahverkehr, öffentlichen Verkehr überhaupt hat. Das gilt für Kärnten, wo der ländliche Bereich ver-


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110. Sitzung / Seite 34

stärkt vertreten ist, genauso wie für die Steiermark oder für das Burgenland. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Minister! Aus den Budgetzahlen der Jahre 2000 bis 2005/06 geht hervor, dass die Mittel für den öffentlichen Verkehr gekürzt wurden. Wie wollen Sie den Ländern die Verantwortung übertragen, wenn Sie mit gekürzten Mitteln die Bedürfnisse zufrieden stellen wollen? Sollte angesichts der Tatsache, dass bei der Verländerung der Bundesstraßen der Bund den Ländern zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt hat, nicht auch der öffentliche Verkehr zusätz­liche Mittel bekommen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Abgeordnete! Ich muss Ihnen widersprechen und korrigiere und wiederhole noch einmal: Insgesamt werden die Mittel für den öffentlichen Verkehr nicht gekürzt, sie werden anders neu verteilt. (Abg. Dr. Moser: Es wurde schon ge­kürzt!)

Ich darf Ihnen sagen, dass der Bund für die Verländerung der Bundesstraßen bis zum Jahr 2007 den Ländern Mittel in der Höhe von 550 Millionen € zur Verfügung stellen wird, damit die Aufgaben entsprechend wahrgenommen werden können. Es wird Ver­handlungsergebnis sein müssen, dass wir auch bei einer Verländerung im Schienen­bereich den Ländern entsprechend unter die Arme greifen, sodass sie auch Spaß und Freude am eigenen Produkt Schiene haben. Eine Größenordnung kann ich heute natürlich nicht angeben, weil das mit dem Finanzminister akkordiert werden muss, aber Sie haben mich da als Unterstützer, weil ich glaube, wenn eine Verländerung stattfin­det, dann kann das nicht auf Kosten der Länder oder Gemeinden und Regionen gehen und schon gar nicht auf Kosten der Qualität des öffentlichen Verkehrs im ländlichen Bereich.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Es ist 10.04  Uhr. Die Fragestunde ist daher beendet.

Zusätzlich zu den bereits verkündeten Verhinderungen gebe ich bekannt, dass Herr Abgeordneter Van der Bellen heute auch als verhindert gemeldet ist.

10.04.19Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2722/AB bis 2727/AB;

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 30/ABPR.

2. Regierungsvorlagen:

Wehrrechtsänderungsgesetz 2005 – WRÄG 2005 (949 d.B.),

Fremdenrechtspaket 2005 (952 d.B.),

Dienstrechts-Novelle 2005 (953 d.B.).


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B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Sozialrechts-Änderungsgesetz 2005 – SRÄG 2005 (944 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Arbeitslosen­versicherungsgesetz 1977 geändert werden (946 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (948 d.B.),

Antrag 605/A der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Maximilian Walch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden,

Antrag 606/A (E) der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Mag. Walter Tancsits, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Vorlage des ersten österreichischen Männerberichts, im Sinne des Gender Mainstreamings, an den Nationalrat,

Antrag 607/A der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Maximilian Walch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden;

Außenpolitischer Ausschuss:

Antrag 608/A (E) der Abgeordneten Peter Schieder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Rückgabe der Federkrone Montezumas an Mexiko;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTF-SHG-G geändert werden (GuKG-Novelle 2005) (941 d.B.),

Veterinärrechtsänderungsgesetz 2005 (947 d.B.),

Bundesgesetz über die Änderung des MTD-Gesetzes und des Hebammengesetzes (950 d.B.),

Antrag 603/A der Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger, Mag. Herbert Haupt, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird;

Industrieausschuss:

Antrag 604/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der heimischen Industrie im Informations- und Kommunikations­technologiebereich (IKT) und darüber hinaus durch eine Initiative zum IKT-Ausbau und zur weiteren Professionalisierung der IKT-Politik in Österreich;

Justizausschuss:

Kartellgesetz 2005 – KartG 2005 (926 d.B.),

Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 2005 – GesRÄG 2005 (927 d.B.),

Exekutionsordnungs-Novelle 2005 – EO-Nov. 2005 (928 d.B.),

Wettbewerbsgesetznovelle 2005 (942 d.B.),

Antrag 601/A der Abgeordneten Dr. Dieter Böhmdorfer, Mag. Dr. Maria Theresia Fek­ter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, geändert wird,


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Antrag 602/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Dieter Böhm­dorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz geändert wird.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Pilz, Brosz, Mag. Weinzinger und Sburny haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Ta­gesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3025/J der Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärsjustiz und Nichterfüllung von Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2723/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, einen kurze Debatte über die Beantwortung 2723/AB der Anfrage 2825/J der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdachtslage und Maßnah­men im Zusammenhang mit den Straf- und Wiederaufnahmeverfahren gegen Peter Löffler und Tibor Foco durch die Frau Bundesministerin für Justiz abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 3 und 4, 5 bis 13, 14 und 15, 20 und 21, 25 und 26, 27 bis 30, 31 bis 33 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir gehen daher so vor.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestal­tung und Dauer der Debatte erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, woraus sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 158 Minuten, Freiheitlicher Parla­mentsklub 108 Minuten sowie Grüne 117 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitordnung für die Debatte in der Zeit von 10.05 Uhr bis 13 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen: je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 12 Minuten, anschließend eine Wortmeldung eines Regierungsmitglieds mit 15 Minu­ten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 8 Minuten, dann eine Wortmeldung


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eines Regierungsmitglieds mit 9 Minuten, danach je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten, ferner eine Wortmeldung eines Regierungsmitglieds mit 5 Minuten, weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit 5 Minuten.

Es wurde vereinbart, dass die Redner nach Fraktionsstärke zum Aufruf kommen, die Pro- und Kontra-Reihenfolge gilt während dieser Fernsehzeit nicht.

Vor Beginn der vorletzten Runde wird die allenfalls verbleibende Redezeit von der vorsitzführenden Präsidentin gleichmäßig auf die Fraktionen in der Weise verteilt, dass alle Fraktionen gleichmäßig zu Wort kommen. Weiters besteht Einvernehmen, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach 13 Uhr aufgerufen werden.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Redezeitvorschlag, denn darüber entscheidet das Hohe Haus.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Die Zustimmung wird einstimmig erteilt. Wir werden daher so vorgehen.

10.08.081. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (847 d.B.): Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und über den

Antrag 531/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird (945 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Amon. Redezeit: 12 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.08.57

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Seit dem Jahr 1962, also seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, werden Bildungsgesetze in diesem Haus mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, und zwar völlig unabhängig da­von, ob es sich um große Gesetzesvorlagen handelt oder auch nur um kleine Namens­änderungen, die an und ab notwendig sind.

Seit mehr als 40 Jahren besteht also die Möglichkeit einer wechselseitigen Blockade in diesem Haus, das heißt aber nicht, dass das immer ausgenutzt worden wäre, aber die Möglichkeit dazu hat zumindest bestanden.

Wenn wir heute eine Änderung der Bundesverfassung beschließen und künftig 95 Pro­zent aller Schulgesetze mit einfacher Parlamentsmehrheit beschlossen werden kön­nen, dann tritt damit in Zukunft, meine Damen und Herren, ein interessanter, ein span­nender Wettbewerb von Ideen in Kraft. Dieser setzt eigentlich unmittelbar nach der heutigen Beschlussfassung ein, denn eine Reihe von Vorlagen befinden sich bereits in Begutachtung. Es geht um wichtige Themenbereiche wie um Fragen der sprachlichen Frühförderung, um die Frage der Nachmittagsbetreuung auf freiwilliger Basis oder


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auch um die wichtige Frage der Weiterentwicklung der Pädagogischen Akademien hin zu Pädagogischen Hochschulen.

Meine Damen und Herren! Das sind wichtige Reformen so wie die, die wir auch in den letzten Jahren beschlossen und verabschiedet haben, wie die Oberstufenreform in den allgemein bildenden höheren Schulen, die Neugestaltung der Lehrpläne, Kern- und Erweiterungsbereiche oder auch die Weiterentwicklung der Autonomie von Schulen.

Meine Damen und Herren! Dass wir heute ein schönes Stück Schulgeschichte schrei­ben und dass all diese Reformen bisher möglich gemacht worden sind, ist unverrück­bar mit unserer Bildungsministerin verbunden und ist das unverrückbare Verdienst unserer Bildungsministerin Elisabeth Gehrer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Wenn man eine solch grundlegende Reform wie die heutige beschließt, dann gibt es natürlich viele Menschen, die sich an der Diskussion beteiligen – Menschen, die Ängste haben, Menschen, die Sorgen haben und diese Sorgen und diese Betroffenheit auch im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zu diesem Entwurf der neuen Bundes­verfassung artikuliert haben. Es gab Stellungnahmen der Kirchen, es gab Stellungnah­men von Lehrerinnen und Lehrern, von Elternorganisationen und von Schülerorganisa­tionen. Wir als Volkspartei haben diese Ängste und Sorgen sehr ernst genommen, und wir wollen mit der heutigen Vorlage dieser Betroffenheit, die es da gegeben hat, auch entgegenkommen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Deshalb haben wir wesentliche Eckpunkte, die gerade von diesen Personengruppen gekommen sind, in der Bundesverfassung verankert und abgesichert. Wir haben etwa die Aufgabe der österreichischen Schule klar definiert, wobei es darum geht, den jungen Menschen Demokratie, einen humani­tären Zugang, Solidarität, Offenheit für Frieden, Gerechtigkeit und Toleranz beizubrin­gen. Wir haben in diesem Zielparagraphen definiert, dass in Österreich sichergestellt sein muss, dass unabhängig von der sozialen Herkunft, von der sozialen Lage und auch vom finanziellen Hintergrund ein junger Mensch die bestmögliche Ausbildung ma­chen kann. Das ist eine sozialpolitische Verantwortung, meine Damen und Herren, die wir mit dieser Vorlage auch ernst nehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht darum, musisch kreative junge Menschen zu er­ziehen, sie zu sozialen, religiösen und moralischen Werten zu erziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, mittels eines entsprechenden Bildungswegs auch ein weltan­schauliches Denken zu vermitteln, das aufgeschlossen ist und das es ihnen ermöglicht, sich am kulturellen und wirtschaftlichen Leben Österreichs, Europas und der Welt aktiv zu beteiligen.

Meine Damen und Herren! Wir haben in der neuen Bundesverfassung, die den Schul­bereich betrifft, den Religionsunterricht abgesichert. Wir haben das Verhältnis von Schule und Kirche abgesichert. Wir haben die Schulpflicht und die Berufsschulpflicht als wesentlichen Punkt in der österreichischen Bildungslandschaft verankert. Und wir haben auch, um letzte Zweifel auszuräumen, die Schulgeldfreiheit in dieser Verfassung verankert, obwohl wir der Meinung waren, dass die internationalen Verträge, an denen sich Österreich beteiligt hat, ausreichen. Aber es ist wichtig, dieses Signal zu setzen.

Meine Damen und Herren! Wir haben das differenzierte Bildungswesen in Österreich verankert. Ich lade vor allem die Medien ein, sich die Vorlage ein wenig genauer anzu­sehen und aus einem umfangreichen Absatz nicht nur den letzten Halbsatz herzu­nehmen und daraus jede Interpretation abzuleiten. Ich möchte diesen Absatz zitieren, weil ich glaube, dass er für die künftigen Bildungsreformen und die künftige Gestaltung interessant und wichtig ist. Ich zitiere wörtlich aus der Gesetzesvorlage:


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„Der Gesetzgeber hat ein differenziertes Schulsystem vorzusehen, das zumindest nach Bildungsinhalten in allgemeinbildende und berufsbildende Schulen und nach Bildungs­höhe in Primar- und Sekundarschulbereiche gegliedert ist, wobei bei den Sekundar­schulen eine weitere angemessene Differenzierung vorzusehen ist.“

Meine Damen und Herren! Damit ist für uns als Gesetzgeber eines völlig klar, nämlich dass in Hinkunft viele Reformen ermöglicht werden, dass viel Neues ermöglicht wird, dass aber das, was am österreichischen Bildungssystem gut ist – ich sehe das durch­aus in Zusammenhang mit dem heutigen § 3 des Schulorganisationsgesetzes –, auch abgesichert bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben es geschafft, auf der einen Seite Sicherheit zu geben und auf der anderen Seite Offenheit für Neues, erhöhte Flexibilität im Innenverhältnis der österreichischen Schule sicherzustellen. Vieles, was derzeit starr geregelt ist, wird in Hinkunft mit ein­facher Gesetzgebung gestaltet werden können. Ich halte das für einen ganz wesent­lichen Fortschritt, meine Damen und Herren! Dass dieser Fortschritt in der Bildungs­politik möglich ist, ist das Ergebnis einer, so möchte ich sagen, offenen und sehr intensiven Diskussion.

Es hat auch Kritik gegeben, dass manches in der Diskussion einem Zickzackkurs ge­ähnelt hätte. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Wenn man einen hohen Berg besteigt und ein hohes Ziel anstrebt, dann geht man nicht die Direttissima, dann geht man nicht gerade, sondern einen hohen Berg erklimmt man in der Regel in Serpentinen. Sehen Sie diese Diskussion auch als einen Weg in Serpentinen, um ein wichtiges, ein hohes bildungspolitisches Ziel zu erreichen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nützen, mich als Vorsitzender des Unter­richtsausschusses bei vielen zu bedanken. Klubobmann Cap hat gesagt, es sei ein historischer Tag. Ich glaube, es ist im Hinblick auf die Bildungspolitik eine historische Vorlage, die wir heute beschließen. Ich möchte jener Plattform danken, die sich gegen die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit in wesentlichen Punkten ausgesprochen hat. Das war ein wesentlicher Diskussionsbeitrag, meine Damen und Herren, den wir hier im Hohen Haus sehr ernst genommen haben.

Ich möchte mich bei der Bildungssprecherin der freiheitlichen Fraktion, der BZÖ-Bil­dungssprecherin Mares Rossmann, und beim Bildungssprecher der SPÖ, meinem Kol­legen Dr. Erwin Niederwieser, für die wirklich guten und konstruktiven Gespräche be­danken. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Ich glaube, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ein derartiger Schritt gesetzt wer­den kann.

Ich möchte vor allem aber jene vor den Vorhang bitten, die oft im Hintergrund unglaub­liche Arbeit leisten, um ein derartiges Gesetzesvorhaben zu ermöglichen, nämlich die Fach- und Rechtsexperten der Klubs und des Ministeriums, namentlich Dr. Schnizer, Klubsekretär Schober, Frau Klubsekretärin Mag. Frank aus dem FPÖ-Klub, Mag. Tho­mas Obernosterer aus dem Kabinett der Frau Bundesministerin, unserem Klubsekretär Roman Kunyik und unserer ÖAAB-Bildungsreferentin Eva Gollubits, denn ohne diese Personen wären solche Reformen schlicht und einfach unmöglich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Wem aber der größte Dank und die größte Anerkennung dafür gelten, meine Damen und Herren, dass wir heute dieses Stück Bildungsgeschichte schreiben, ist unsere Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Liebe Frau Bundesministerin! Dass dieser histo­rische Beschluss nicht nur mit deinem gestrigen Geburtstag, sondern auch mit deinem zehnjährigen Amtsjubiläum als Bildungsministerin zusammenfällt, ist zumindest eine


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schöne Fügung. Herzlichen Glückwunsch, Frau Bundesministerin! – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Abgeordne­ten der SPÖ. – Abg. Amon überreicht der auf der Regierungsbank sitzenden Bundes­ministerin Gehrer einen Blumenstrauß.)

10.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusen­bauer. Auch er spricht 12 Minuten zu uns. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Gusenbauer –: Wenigstens eine rote Nelke hätten Sie mitbringen können!)

 


10.20.29

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich teile die Auffassung, dass mit der heutigen Beschlussfassung zum Fall der Reformblockade im Bildungswesen ein ganz wesentlicher Schritt vorwärts gesetzt wird – ein wesentlicher Schritt deswegen, weil damit substantielle Reformen des österreichischen Bildungswesens möglich sind. Und diese Reformen sind nicht nur möglich, diese Reformen sind auch dringend not­wendig, denn die Diskussion, die heute einen gewissen Höhepunkt erreicht, hat ja ihre Ursachen im bisherigen Zustand des österreichischen Bildungssystems. Wenn wir drei Ergebnisse der PISA-Studie in das Zentrum unserer Debatte rücken, dann sind das genau jene drei Ergebnisse, die die größte Herausforderung für das österreichische Bildungswesen darstellen.

Erstens: Es muss uns mit großer Sorge erfüllen, dass ein Fünftel der 15-Jährigen, also jedes fünfte Kind im Alter von 15 Jahren, keine ausreichenden Kenntnisse im Lesen und in Mathematik hat!

Zweitens: Es ist leider so, dass das österreichische Schulsystem die Effekte der sozia­len Herkunft noch verstärkt und nicht verkleinert. Das heißt, das österreichische Schulsystem schafft nicht gleiche Chancen für alle, unabhängig von der Herkunft, sondern ganz im Gegenteil: Die Unterschiede werden durch das Schulsystem noch größer.

Drittens: Unser Schulsystem ist in vielen Bereichen den Anforderungen der modernen Arbeitsgesellschaft, in der meistens beide Elternteile arbeiten gehen, bei weitem nicht mehr gewachsen.

Ich bin der Meinung, mit der heutigen Beschlussfassung wird die Chance eröffnet, Reformen durchzubringen, die diese drei zentralen Herausforderungen des österreichi­schen Schulsystems beantworten. Und genau das wird unsere Aufgabe hier im Hohen Haus sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war bei diesen Beratungen natürlich wichtig, einige Dinge außer Streit zu stellen. Ich glaube schon, dass einige wichtige Signale im Verfassungstext enthalten sind.

Erstens: Die Verankerung der Schulgeldfreiheit ist ein wichtiges Signal, dass nicht dasselbe passiert wie bei den Universitäten, wo auch immer davon gesprochen wurde, dass niemand an die Einführung von Studiengebühren denke, und sie sind trotzdem gekommen.

Zweitens – das ist auch ganz wichtig –: Es werden die Schulpflicht und auch die Be­rufsschulpflicht in der Verfassung verankert, was ein wesentlicher Eckpunkt für das Schulsystem sein muss.

Drittens: In Zeiten der umfassenden Liberalisierung und Privatisierung halte ich es für ein wichtiges Zeichen, dass das österreichische Parlament sagt, der Staat erhält einen


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Verfassungsauftrag, ein öffentliches Schulsystem mit bestmöglicher Qualität zu garan­tieren. Das ist also eine klare Absage an alle Privatisierungstendenzen des Schul­systems und schreibt gerade in Zeiten, in denen das sonst überall probiert wird, fest: Wir wollen, dass die Schule eine öffentliche Angelegenheit ist und die Zielsetzungen der Chancengleichheit auch erfüllt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auch darauf lenken, dass in diesem Verfassungstext eine Zielbestimmung enthalten ist, die besagt: Die österrei­chische Schule soll dafür sorgen, dass es Chancengleichheit gibt und dass die Schule, unabhängig von der Herkunft, der sozialen Lage und dem finanziellen Hintergrund der Eltern, ein höchstmögliches Bildungsniveau zu sichern hat.

Ich halte das für eine ganz entscheidende Zielbestimmung, weil es nämlich eine Ant­wort auf den jetzigen Zustand der Schule ist, wo dies nämlich nicht erreicht ist. Und ich halte es für außerordentlich wichtig, sich auf diesen Punkt zu konzentrieren, weil das die wesentliche Leitlinie dafür gibt, wie das Schulsystem in Zukunft aussehen soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es auch gut, dass wir festgehalten haben, dass es einen konfessionellen Unterricht für alle Kirchen und anerkannten Religionsgemeinschaften geben soll, weil ich der Meinung bin, dass Kulturkampf in der Schule keinen Platz hat und dass wir das Ziel haben müssen, dass Menschen unter­schiedlicher Religionen und Konfessionen auch die Möglichkeit haben, in unseren öf­fentlichen Schulen einen solchen religiösen Unterricht zu haben. Ich halte das für eine Qualität unserer pluralistischen Gesellschaft. Das soll daher auch in der Verfassung verankert sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welche Schule wünschen wir uns? Was soll in der Schule geschehen? Ich besuche pro Woche zumindest eine Schule in Österreich (Abg. Neudeck: Da merkt man nicht viel davon!), sei es eine Pflichtschule, ein Gymna­sium oder eine Handelsakademie, um dort mit den Schülern, den Lehrern und den Eltern zu diskutieren. Ich halte es für wichtig, diesen Dialog zu führen, um zu erfahren, was die wahren Bedürfnisse und die wahren Probleme sind.

Ich wünsche mir eine Schule in Österreich, wo die Kinder in die Volksschule kommen und über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, sodass tatsächlich ein sinnvoller Unterricht für alle möglich ist und nicht ein immer größerer Teil von Kindern die Her­kunftsunterschiede als Nachteile über das gesamte Bildungsleben mitnimmt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Da hätten Sie schon früher etwas tun müssen!)

Ich wünsche mir eine Schule, in der diejenigen, die schwächer sind, gefördert werden, damit sie ihr wirkliches Potential entfalten können. Ich wünsche mir eine Schule, in der die Begabten besonders gefordert werden, damit ihnen nicht langweilig ist. Und ich wünsche mir eine Schule, die sich nicht an einem imaginären Durchschnitt orientiert, sondern in der jeder einzelne Schüler und jede einzelne Schülerin im Zentrum des Lernens und des Arbeitens steht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir eine Schule, in der es auch möglich ist, ganztägig Einheiten des Lernens, des Sports, der Kultur, des Übens so miteinander zu verschränken, dass unsere Schülerinnen und Schüler dann, wenn sie die Schule am Nachmittag verlassen, das Thema Schule für sich auch beenden können (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ) und die Möglichkeit haben, sich ihren Freizeitaktivitäten mit ihren Freunden und ihren Eltern zu widmen. Ich halte es für ganz wichtig, dass Schule nicht den ganzen Tag und den Abend dominiert, sondern dass auf Grund einer guten Schulstruktur, die das alles verschränkt, die Möglichkeit besteht, dass eben all das in der Schule erledigt wird und dass nicht viele Eltern darauf angewiesen sind, mit pri-


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vaten Nachhilfestunden das auszugleichen, was die Schule nicht leisten konnte. Die Schule soll der Ort des Lernens sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir auch eine Schule, in der es Klassengrößen gibt, die es den Lehrerinnen und Lehrern erlauben, wirklich auf jedes Kind einzugehen. Eine Schule lebt letztendlich davon, dass die Lehrerinnen und Lehrer hoch motiviert sind. Frau Bundesministerin! Die Politik der letzten Jahre hat nicht dazu geführt, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer motivierter sind, sondern man trifft leider immer mehr frustrierte Lehrer. Ich sage, eine gute Schule, die unseren Anforderungen und den Anforderungen der Eltern und der Kinder genügt, muss eine Schule sein, in der sich auch die Lehrerinnen und Lehrer wohl fühlen, weil sie die Möglichkeiten haben, das zu tun, was auch pädagogisch notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wünsche mir eine Schule, bei der nicht das ideologische Dogma im Vordergrund steht, sondern bei der das im Vordergrund steht, was unseren Kindern und Jugend­lichen am meisten hilft. (Abg. Mag. Molterer: Jawohl!) Ich werde keine Diskussion mit aufgestellten Pappkameraden führen, wie sie da und dort stattfindet. Ich halte das für sinnlos.

Ich bin der Meinung, jedes Kind muss maximale Möglichkeiten in der Schule vorfinden. Genau nach diesem Maß muss die Schule organisiert sein. Die äußere Form der Schu­le ist erst eine der letzten Fragen, die sich dabei stellen. Für die Kinder und die Eltern ist wichtig, was sich im Klassenzimmer abspielt, was wirklich getan wird. Diesbezüg­lich – das sage ich ganz offen – hat es einige Bewegung in der Diskussion gegeben.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, lesen Sie heute den Beitrag Ihres Kollegen Schilcher in der „Kleinen Zeitung“, der erneut die ÖVP auffordert, in diesem Punkt die Scheuklappen abzulegen und sich einem modernen Bildungsbegriff zu öffnen. (Abg. Dr. Brinek: Das kann er eh!) Ich kann Ihnen nur empfehlen: Nehmen Sie seine Aufforderungen ernst! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich denke, es wird heute ein richtiger, wichtiger und großer Schritt gesetzt. Der heutige Schritt ist noch keine Garantie für ein gutes Schulsystem, aber der heutige Schritt bietet die Chance dazu. Die Ausrede, die es in der Vergangen­heit gegeben hat, man könne das eine oder andere nicht machen, weil die Zweidrittel­mehrheit erforderlich ist, gilt ab heute nicht mehr! Jede Parlamentsmehrheit wird dafür verantwortlich sein, welche Qualität das Schulsystem bietet. Ich bin schon sehr gespannt, Frau Bundesministerin, ob Sie bereit sind, auf unsere breit angelegten, kon­struktiven Vorschläge zur Reform der österreichischen Schule einzugehen oder nicht. Ich denke, den österreichischen Kindern wären wir es allemal schuldig! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Aus gegebenem Anlass möchte ich zum Schluss meiner Rede noch zu einer anderen aktuellen Angelegenheit Stellung nehmen. Es geht um eine der wichtigsten Institutionen für die Demokratie in unserem Land: nämlich den ORF, der für kommenden Samstag zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik geplant hat, eine Fernsehrede des Bundeskanzlers im Anschluss an die „ZiB“ in ORF 1 und ORF 2 gleichzeitig zu übertragen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.) Das ist ein Format, das bisher ausschließlich dem Bundespräsidenten vor­behalten war. (Abg. Scheibner: Hat das was mit der Schule zu tun?) Die Bekanntgabe dieses Vorhabens hat gestern zu einem Hilferuf des ORF-Redakteurrats geführt (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), mit dem Titel: Der ORF ist kein Staatsrundfunk, und man soll den ORF in seiner Unabhängigkeit nicht gefährden. (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen. – Abg. Scheibner: Redezeit, Herr Kollege!)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich fordere daher den Herrn Bundeskanzler auf: Nehmen Sie diesen Hilferuf der ORF-Redakteure ernst, die Unabhängigkeit des


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ORF zu wahren. (Abg. Dr. Fekter: Zwei waren es! Zwei linke Männer! Die anderen hat man nicht gefragt!) Nehmen Sie Abstand von diesem Vorhaben, wenn es Ihr Wunsch war, und nehmen Sie die Einladung nicht an, wenn es ein Wunsch des ORF war! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Ihr müsst euch ganz schön fürchten vor unserem Bundeskanzler! – Abg. Neudeck: Ihr braucht nicht aufdrehen!)

10.33


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. 12 Minuten Redezeit. – Bitte. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glocken­zeichen.)

 


10.33.46

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Gusenbauer, ich erinnere mich an andere Zeiten im ORF, in denen der ORF so rot dominiert war, dass auch diese Dinge möglich waren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer: Genau! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber ich möchte zurück zur Schulpolitik kommen. Zu Beginn meines Redebeitrages zur Bildung möchte ich ganz klar voranstellen, dass gerade wir es waren, die über viele Jahre – mehr als 20 Jahre – in diesem Haus und in öffentlichen Debatten immer wieder den Fall der Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen gefordert haben, um das Schul­system flexibler zu machen und notwendige Reformmaßnahmen rascher umsetzen zu können.

Ich betone aber auch, dass unter Rot-Schwarz in diesem Haus im gegenseitigen, histo­risch gewachsenen Misstrauen, in ideologisch durchaus unterschiedlicher Auffas­sung – man wird das heute vielleicht auch noch merken – jedes noch so kleine Schul­gesetz – wirklich, Herr Kollege Amon hat es so gesagt – in den Verfassungsrang geho­ben wurde. Das Hohe Haus hat dafür vor allem in der Vorbereitung zum Österreich-Konvent von namhaften Verfassungsrechtlern viel Kritik geerntet, die immer wieder gesagt haben: Schluss mit dieser Unsitte, Schulgesetze in den Verfassungsrang zu heben und damit letztendlich die Verfassung zu missbrauchen!

So gab es bis jetzt kaum die Möglichkeit, Schulgesetze rasch zu verabschieden. Es gab die Möglichkeit von Verordnungen, Erlässen oder mühsamen Verhandlungen, um einfachste Dinge umzusetzen. Deshalb sage ich, die Zukunftskommission war mit ausschlaggebend. Ich sage durchaus sehr selbstbewusst: Auch unser Reformwille schon bei den Verhandlungen zur Regierungsvereinbarung dahin gehend, dass im Schulsystem viel zu ändern sei, hat dann dazu beigetragen, dass nun Bewegung in das System gekommen ist.

Als das letzte PISA-Ergebnis auf dem Tisch lag, habe ich gesagt: Es gibt nichts Schlechtes, an dem nicht etwas Gutes ist! Das Schlechte war das PISA-Ergebnis. Das Gute war, dass eine breite Schuldebatte losgetreten wurde und auch von der größten Oppositionspartei, von den Sozialdemokraten, endlich der Reformwille öffentlich kund­getan wurde und die Bereitschaft da war, diesbezüglich mitzusteuern und die Zwei­drittelmehrheit fallen zu lassen.

Wir sind uns der großen Verantwortung, dass durch den Fall der Zweidrittelmehrheit die Regierungsparteien Reformen auch allein beschließen können, sehr bewusst. Wir wissen, dass Schule Kontinuität braucht. Wir wissen, dass wir uns auf keinen Fall in irgendeiner Form bildungspolitische Bocksprünge oder gar schulische Experimente auf Kosten der Kinder leisten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Die Gesellschaft – mein Vorredner hat das schon angesprochen – befindet sich im Wandel. Viele Alleinerzieherinnen müssen den Alltag, die schulische Aufgabe mit den Kindern bewältigen und oft bis spät am Abend Aufgaben machen. Viele Alleinerzieher müssen das ebenso tun. Es gibt mittlerweile viele allein erziehende Väter, die mindes­tens genauso belastet sind. Auch Familien sind belastet, in denen beide Elternteile berufstätig sind, die dann am Abend nach Hause kommen und den Kindern noch bei den Schulaufgaben helfen müssen. Mittlerweile sind aber auch Lehrerinnen und Lehrer oder Kindergärtnerinnen mit Aufgaben belastet, die vorher nicht vorhanden waren. Dies betrifft neue Aufgabenstellungen im Umgang mit Kindern, wie beispielsweise das Schaffen einer gewissen Nestwärme beziehungsweise das Übernehmen von mehr Verantwortung, als ihnen ihr Beruf eigentlich vorgibt.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Kinder so abgelenkt sind wie nie zuvor. Wenn man mit Lehrern spricht, dann erfährt man, dass die Lehrer darunter leiden. Die Kinder haben auf der einen Seite ein Ablenkungspotential wie noch nie zuvor in der Gesellschaft, sie beherrschen auf der anderen Seite aber auch Dinge, die für uns im Vorschulalter, im Volksschulalter und auch später teilweise unvorstellbar waren. Sie verlernen dafür aber Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben, Rechnen und – ich sage das ganz bewusst –: Kopfrechnen. Ich kenne kaum mehr Kinder in der Volksschule, die wirklich gut kopfrechnen können. Das sind Voraussetzungen, die man für das Leben braucht!

Aber auch Phantasie und Kreativität sind bisher teilweise zu kurz gekommen. Es gilt, in Zukunft neue Ansätze zu finden und die Lehrer in der Lehrerausbildung wieder darauf hinzuschulen, dass es sehr wichtig ist, die Kulturtechniken zu lehren und zu vertiefen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir alle hier haben die bildungspolitische Gesamtverantwortung. Ich sage ganz be­wusst: Wir alle haben die Gesamtverantwortung, unseren Kindern eine möglichst indi­viduelle Bildung zukommen zu lassen und sie auf die kommenden Aufgaben für das Leben vorzubereiten. Wir sollten sie auf einen dynamischen, modernen Arbeitsmarkt vorbereiten, der ihnen in Zukunft über das Schulische hinaus auch an sozialer und emotionaler Intelligenz, die immer mehr gefragt ist, sehr viel abverlangen wird. Dafür ist durchaus von Seiten der Unterrichtsmethodik und der Didaktik ein ganz neuer Ansatz zu wählen, den die künftigen Lehrer dann in einer neuen pädagogischen Hochschule lernen werden.

Aus unserer Sicht gilt es, die Schwachen auf der einen Seite zu fördern und die Star­ken und Begabten zu fordern. Erst dann – das sage ich ganz bewusst –, wenn uns das gelingt, kann man von wirklicher Chancengleichheit sprechen! (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben jetzt durch den Fall der Zweidrittelmehrheit die Möglichkeit, zu handeln und die Ratschläge der Zukunftskommission, die auf dem Tisch liegen, wirklich umzu­setzen. Wir sind auch bereit, rasch zu handeln und Dinge umzusetzen. Das beginnt bereits mit dem Vorschlag, den die Zukunftskommission an oberste Stelle gestellt hat. Auf meine Frage: Was würden Sie als Erstes von Ihrem Reformpapier verwirklichen?, war die Antwort ganz klar: die sprachliche Frühförderung schon vor dem Eintritt in die Volksschule. Wenn man in die Volksschule kommt, muss man die Unterrichtssprache Deutsch beherrschen! Man ist gar nicht in der Lage, lesen, schreiben und rechnen zu erlernen, wenn man dem Unterricht sprachlich nicht folgen kann.

Deshalb ist es uns ganz wichtig, dass die Schuleinschreibung ein Jahr vor Schuleintritt erfolgt. Dabei kann die sprachliche Kompetenz abgetestet und festgestellt werden, wie die Kinder dem Unterricht sprachlich folgen könnten und wie sie die Sprache aufneh­men. Wenn die sprachliche Kompetenz nicht zufrieden stellend ist, kann eine entspre-


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chende Frühförderung erfolgen, die im Kindergarten oder in der Vorschule eingerichtet wird.

Uns ist es auch wichtig, dass es – wie ich schon gesagt habe – eine individuelle Förderung für alle Schüler während des ganzen Schuljahres und, wenn es geht, am besten für alle Fächer gibt. Damit hätten wir wirklich ein Problem im Griff, nämlich das Problem der hohen Nachhilfekosten. Wir wissen, dass mehr als 1 Milliarde Schilling, das sind über 70 Millionen €, jährlich für Nachhilfe ausgegeben werden. Das ist Geld, das dann den Eltern in der Haushaltskasse abgeht. Außerdem fragen die Eltern: Wie kommen wir dazu? Die Kinder gehen in die Schule, und wir müssen dann teure Nach­hilfe bezahlen oder uns selbst mit den Kindern zum Lernen hinsetzen. – Deshalb ist es ganz wichtig, dass diese Förderung zielgerichtet erfolgt! Wir werden dafür sorgen.

Aber auch eine geregelte Nachmittagsbetreuung ist wichtig. Da bin ich nicht der Meinung des Herrn Kollegen Gusenbauer, der sagt: verschränkter Unterricht von früh bis spät. Die Kinder kommen am Abend nach Hause. – Das ist ein Modell. Das kann Ihr Modell sein! Das können Schulversuche sein. Solche Modelle gibt es. Aber aus unserer Sicht müssen die Eltern immer die Wahlmöglichkeit haben, ob sie ihre Kinder ganztägig in eine Schule geben oder eine flexible Nachmittagsbetreuung in Anspruch nehmen, die an ihren Arbeitstag angepasst sein kann. Man sagt dann beispielsweise: An manchen Tagen bin ich am Nachmittag als Mutter oder Vater nicht verfügbar, da sind die Kinder in der Schule, aber an anderen Tagen ist es mir lieber, dass die Kinder zu Hause sind. Diese Flexibilität muss gewährleistet sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dazu meine ich Folgendes: Die sprichwörtliche Nestwärme vor allem im Volksschul­alter, aber auch über die Pubertät hinaus findet im Elternhaus statt. Die Nestwärme kann nur das Elternhaus geben und keine Institution, auch wenn sie noch so gut ist.

Auch ein breites Angebot an Fächerbündeln wird mit dieser Reform möglich. Da kommt etwas zum Tragen, was mein Vorgänger als Bildungssprecher, Staatssekretär Schweit­zer, immer gefordert hat: die Einführung von Fächerbündeln? Naturwissenschaftliche Fächer könnten doch als Fächerbündel unterrichtet werden. Mathematik, Physik und Chemie als Fächerbündel! Dann wird das für die Schüler lebendig, dann wird das interessant. Der Physikunterricht, der Mathematikunterricht kann interessant werden, wenn man ihn im Fächerbündel und mit praktischer Anwendungsmöglichkeit bringt. Das ist auf Grund dieser Reform wirklich möglich! Das ist ein großer Schritt, über den ich mich sehr freue.

Schulen bekommen aber endlich auch ein ganz klares Schulprogramm, ein Schulprofil mit ganz klaren Lehrplanvorgaben, die dann zu erfüllen sind. Wir haben beim Reform­dialog die Anregung der Kollegin aus den Niederlanden angenommen und werden eine Lehrplankontrolle, eine von externen Inspektoren überregional und neutral durchge­führte Kontrolle, vornehmen. Diese werden eine Bewertung als Feedback für die Schule abgeben. Dann wird man in Zukunft von wirklicher Qualitätskontrolle sprechen können.

Was mir auch ganz wichtig ist und was jetzt möglich ist: Die Unterrichtszeit kann end­lich besser genutzt werden. Viele Lehrer haben den Wunsch: Wir wollen bis zur letzten Schulwoche unterrichten! Auch die letzten Schultage sollen genutzt werden. Wir verlegen die Lehrerkonferenz in die letzte Schulwoche und verschieben die Zeiten der Einspruchsfrist.

Es ist aber auch möglich, dass die Nachprüfungen nicht in der ersten Schulwoche, sondern in der letzten Ferienwoche stattfinden. Damit ist die Schulzeit bestmöglich genutzt. Mit dem ersten Schultag kann es einen Unterrichtsplan, einen ganz klaren Stundenplan geben, der schon Gültigkeit hat. Die Eltern wissen dann ab dem ersten


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Schultag und nicht erst Anfang oder Mitte Oktober, wie es teilweise jetzt der Fall ist, wie der Stundenplan der Kinder aussieht.

Das heißt, durch den Fall der Zweidrittelmehrheit ist vieles möglich geworden. Wir freuen uns, dass die Opposition Einsicht zeigt und mitgeht, dass die Sozialdemokratie bereit ist, die Zweidrittelmehrheit mit uns abzuschaffen. Ich sage aber auch: Wir wer­den genau schauen, inwiefern Sie bereit sind, auch in Zukunft mitzuarbeiten, denn es ist noch viel zu tun. In der Schulorganisation ist noch viel zu tun. Die Entpolitisierung ist auch mit dem Fall der Zweidrittelmehrheit noch auf dem Tisch, und zwar die Entpoliti­sierung auf allen Ebenen: die Entpolitisierung der Kollegien, die Entpolitisierung in Bezirksschulräten, in Landesschulräten. (Abg. Dr. Kräuter: In Kärnten zum Beispiel!) Wir werden uns das genau anschauen.

Wir sind dabei. Wir haben – ich möchte das noch einmal betonen – von Anfang an gesagt: Der Fall der Zweidrittelmehrheit in allen Bereichen im schulischen System war uns immer wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glo­ckenzeichen.)

Frau Bundesministerin, auch ich bedanke mich, und wir freuen uns auf die weiteren großen Vorhaben, die wir gemeinsam beschließen werden. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

10.46


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. 12 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


10.46.27

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bildungsministerin! Herr Staatssekretär! Die Frage der Zweidrittelmehrheit in Schulfragen war in den letzten Wochen ein heftig diskutiertes Thema. Ich versuche, das Ganze noch einmal dahin gehend zu beleuchten, was denn eigentlich die Substanz ist.

Es gab zwei Gruppen, die begonnen haben, diese Diskussion über die Zweidrittelmehr­heit in der Öffentlichkeit massiv zu bekämpfen oder zu sagen, alles solle so bleiben, wie es ist. Das eine war die Gruppe, bei der sich Herr Kollege Amon vorhin gründlich bedankt hat. Ich würde sagen, das ist die Hardcore-Fraktion der ÖVP. Sie sagt: Das Schulsystem soll in seinen Grundfesten so bestehen bleiben, wie es ist. Die Frau Bil­dungsministerin hat dann gesagt: Ich werde verhindern, dass das finnische Schulsys­tem in Österreich eingeführt werden kann. – Das ist ein besonders origineller Ansatz. Es gibt seit Jahren Studien, die ergeben, dass Finnland das erfolgreichste Schulsystem in Europa hat. Und die zentrale Ansage der Frau Bildungsministerin ist: Ich werde die­ses Schulsystem verhindern! (Abg. Neugebauer: Unzulässige Vereinfachung! – Abg. Dr. Brinek: Da machen Sie es sich zu billig!) Sie können sich vorstellen, mit welchen Zielvorstellungen auch in anderen Politikbereichen gearbeitet wird. – Auf diese Gruppe möchte ich jetzt nicht mehr eingehen.

Ich möchte auf die zweite Gruppe eingehen, die gesagt hat: Das, was die ÖVP in den letzten Jahren in der Bildungspolitik gemacht hat, war schlimm genug – siehe Budget­kürzungen, die Frage der Ressourcen, ein Sparprogramm im Bildungsbereich, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat –, wir müssen verhindern, dass in diesem Bereich noch mehr passiert. – Die Zweidrittelmaterien sind ein Schutz, dass man in der Frage des Schulgeldes oder in anderen Fragen nicht wesentlich schlechtere Maßnah­men einführen kann.

Wie schaut es denn wirklich aus? Was war denn in den letzten Jahren? – Wir hatten Themen, die nur mit einer Zweidrittelmehrheit zu beschließen waren, bei denen es wirklich eine Blockade gegeben hat. Das waren aber die zentralen Fragen. In der Fra-


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ge der Schulorganisation ist nichts gegangen ohne Zweidrittelmehrheit. Es wird in den zentralen Fragen auch weiter nichts gehen. Man kann es auch umdrehen: Die ÖVP hat sich die Blockademehrheit gesichert. Sie kann, solange sie ein Drittel der Stimmen im Nationalrat haben wird, im Bereich der Schulorganisation weiterhin sagen: Ohne unse­re Zustimmung geht nichts. Es können noch drei PISA-Studien kommen, die besagen, was alles schlecht ist. Das ist aber egal. Die ÖVP sagt: Wir wollen diejenigen sein, die allein sagen können, dass das nicht kommen darf.

In den anderen Fragen muss man sich schon darüber klar werden, was Zweidrittelma­terien bedeuten. Schauen wir uns die Maßnahmen der letzten Jahre an: Stundenkür­zungen sind wahrscheinlich das am meisten Kritisierte, was in den letzten Jahren an Sparmaßnahmen durchgeführt wurde. Die Stundenkürzungen sind eine Verordnung, eine Verordnung, die die Frau Bundesministerin von einem Tag auf den anderen erlas­sen hat, die sie von einem Tag auf den anderen verändern kann. – Das muss man sich einmal vorstellen! Wir diskutieren über Zweidrittelmaterien, und wenn die Bildungs­ministerin will, kann sie morgen verordnen, dass im nächsten Schuljahr die Hälfte der Unterrichtsstunden gestrichen wird. Das wird im Parlament nicht einmal diskutiert! Dort spielen sich die Kernfragen ab.

Was ist denn mit dem Lehrplan? – Der Lehrplan ist eine Verordnung! Die Frage, was in Österreichs Schulen unterrichtet wird, wird nicht in diesem Haus diskutiert. Das ist kein Thema hier. Das unterscheidet Österreich grundlegend von allen anderen Ländern, wo über die zentralen Fragen des Unterrichts an den Schulen diskutiert wird. Die genaue Ausformulierung kann man den Schulen überlassen, aber dass der Lehrplan aus­schließlich über Verordnung der Bildungsministerin gemacht werden kann, ist in Öster­reich gang und gäbe.

Zur Frage des Schulgeldes – das ist das, was ich der SPÖ in dieser Debatte wirklich vorwerfe. Was ist denn Schulgeld in Österreich?

Wir haben eine Verordnung, die Verordnung über Kostenbeiträge im Schulsystem, in der steht, dass man in Österreich für den Besuch einer Ganztagsschule zurzeit 80 € im Monat an Kostenbeitrag bezahlt. Man kann sich bei wirklich verschränkten Ganztags­schulen nicht aussuchen, ob man die Betreuung in Anspruch nimmt oder nicht, sondern man kann das Kind nur für die Schule anmelden, und wenn man dies tut, dann muss man 80 € im Monat dafür bezahlen. Jetzt frage ich Sie: Was, wenn nicht Schulgeld, ist das? Wie sonst würden Sie das bezeichnen? – Und auch das ist, Sie werden es erraten, eine Verordnung.

Wenn die Frau Bildungsministerin meint, ab dem nächsten Schuljahr sind nicht 80 €, sondern 160 € zu bezahlen, dann kann sie das von einem Tag auf den anderen verord­nen, ohne dass dieses Haus, das österreichische Parlament, darüber überhaupt noch diskutieren muss. – Das ist Sache im österreichischen Schulrecht, und das halte ich einfach für unzeitgemäß.

Diese Frage haben Sie in Ihrem Kompromiss gar nicht diskutiert, nämlich was man wieder vergesetzlichen sollte, was man der Bildungsministerin in Ihrer Politik nicht allein überlassen kann. Da wären wirklich Maßnahmen notwendig gewesen. (Beifall bei den Grünen.)

Der zweite große Punkt ist natürlich das Budget. Allen, die jetzt aufschreien und sagen, was da Schlimmes kommen kann, muss schon klar sein, dass das Budget immer mit einfacher Mehrheit im Nationalrat beschlossen wird. Die Kürzungen allein von ... (Abg. Dr. Brinek: Wollen Sie eine Zweidrittelmehrheit beim Budget, oder was?) – Ich möchte keine Zweidrittelmehrheit beim Budget, sondern ich sage nur dazu, dass es kein Schutzmechanismus ist, wenn man in die Verfassung schreibt, dass es ein sozial gerechtes Schulsystem geben soll – das ist ja eine gut Formulierung, aber Sie, Frau


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Brinek, da Sie so zwischenrufen, haben mit Ihrer Stimme in den letzten beiden Jahren an Österreichs Pflichtschulen 100 Millionen € gekürzt, in absoluten Zahlen. 100 Millio­nen € im Budget weniger für PflichtschullehrerInnen. Das sind etwa 2 500 bis 3 000 Dienstposten, die es weniger gibt. (Abg. Dr. Brinek: Wenn es weniger Kinder gibt!) Da gibt es keine Schutzmaßnahme durch eine Verfassung. Auch das kann die Regierung mit einfacher Mehrheit von Jahr zu Jahr verändern.

Der Rückgang der Zahl der Schüler, den wir haben und den wir weiter haben werden, wird mit Ihren gesetzlichen Maßnahmen, mit dem Finanzausgleich, den wir haben, dazu führen, dass es zu einem massiven, noch größeren Lehrerabbau in den nächsten Jahren kommen wird. Darüber sollten wir reden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Für uns war die Frage der Aufhebung der Zweidrittelmehrheit deshalb wichtig, weil wir auf einmal – und das war besonders originell, nachdem wir das jahrelang betont haben – von der ÖVP bestätigt bekommen haben: Das ist in Europa völlig einzigartig. Es gibt kein anderes europäisches Land, wo argumentiert wird, dass die Schule ein wichtiger Teil der Gesellschaft ist. Natürlich, aber ich frage mich: Sind es andere Teile nicht? Was ist mit den Pensionen, was ist mit dem Gesundheitssystem, was ist mit all diesen Bereichen, brauchen wir auch dort eine Zweidrittelmehrheit, damit dort nicht etwas – hau ruck! – gänzlich verändert werden kann? Das war nur im Schulsystem so.

Jetzt werden viele Bereiche aufgemacht, das gestehe ich ja zu, aber ich sage auch dazu, in den Fragen, die aufgemacht werden, war die Konfrontation relativ gering. Frau Bildungsministerin, schauen wir uns das, was Sie betreffend die Frage der Blockade immer argumentiert haben, einmal genau an.

Sie haben vor zwei oder drei Jahren ein Sammelgesetz eingebracht, mit dem Sie einige Maßnahmen durchsetzen wollten: Die Umbenennung der „Sonderschulen“ in „Förderschulen“ beispielsweise, die Umbenennung – mittlerweile berühmt geworden – von „Leibesübungen“ in „Bewegung und Sport“. – Ja, das werden Sie künftig können.

Es gibt Politiker in Österreich, die für Maßnahmen bekannt geworden sind. Wenn man an Bruno Kreisky denkt, fällt einem wahrscheinlich die Nahostpolitik ein, auch die Chancengleichheit in Österreich, die gesellschaftliche Öffnung. Wenn man an Alois Mock denkt, fällt einem wahrscheinlich der EU-Beitritt ein. Wenn man in zehn Jahren an Elisabeth Gehrer denkt, wird einem einfallen: Das war die Ministerin, der es endlich nach heroischem Kampf gelungen ist, den Unterrichtsgegenstand „Leibesübungen“ in „Bewegung und Sport“ umzubenennen. Wenn Sie es darauf anlegen, wunderbar, aber ich glaube, es gibt wichtigere Dinge, die man in Österreich durchführen könnte. (Beifall bei den Grünen.)

Aber was haben Sie gemacht? – Es war eine Maßnahme in den Gesetzen, die wir nicht wollten, nämlich dass man die Integration in der neunten Schulstufe ausschließ­lich an den polytechnischen Schulen durchführen sollte, sodass man die Integration von Menschen mit besonderen Bedürfnissen an höheren Schulen nicht durchführen hätte können. Das haben Sie mit hinein verpackt. Statt herzugehen und zu sagen: Okay, stimmen wir das einzeln ab! – dann hätten wir die anderen Dinge schon lange erledigt –, sind Sie hergegangen, haben ein Gesamtpaket hingelegt und gesagt: Friss oder stirb!, entweder alles oder gar nichts. Dann sind Sie drei Jahre lang herumgerannt und haben gesagt: Furchtbar, vor allem die SPÖ, die wollen einfach nicht, dass man in Österreich dazu „Bewegung und Sport“ sagen kann, die wollen unbedingt „Leibesübun­gen“ haben! – Das ist einfach nicht glaubwürdig, Frau Bildungsministerin! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Prammer.)

Wir glauben, dass wir auch in der Frage der Schulorganisation, der Schulstruktur einen wirklich großen Schritt machen sollten. Wir werden deshalb mittels Abänderungsantrag


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einfordern, über Ihre Regierungsvorlage, die Sie eingebracht haben, extra abzustim­men, nämlich über die gänzliche Abschaffung der Zweidrittelmehrheit. Wir werden dem zustimmen.

Sie haben beim Reformdialog auch klar gesagt, Sie treten dafür ein, für Sie gilt das. Ich frage: Wo ist Ihre Handschlagqualität? Wir halten das Angebot, hier mitzustimmen, aufrecht. Sie werden es nicht machen. Ihre eigene Regierungsvorlage abzulehnen ist ja zumindest etwas Neues, das kommt ja nicht so oft vor, aber auch das geht in diesem Haus.

Kommen wir nun zu dieser „wunderbaren“ Formulierung der „angemessenen Differen­zierung“. Ich gebe schon zu, dass das Interpretationsspielraum lässt. So, wie es formu­liert ist, sagen viele Verfassungsrechtler, wird es schwer werden, damit von der Schul­struktur abzugehen und zu einer gemeinsamen Schule zu kommen. Das würde ich eher teilen. Aber gehen wir es einmal anders an.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Jemand möchte sich ein Auto kaufen. Er geht in ein Autogeschäft und sagt: Wissen Sie, ich hätte gerne ein für mich angemessenes Auto. Der Verkäufer und der Käufer vereinbaren, dass der Käufer ein angemessenes Auto bekommt. Am nächsten Tag geht der Käufer hin und möchte das Auto abholen, er freut sich auf seinen Porsche, der dort steht. Der Verkäufer aber sagt: Hier ist der Schlüssel für Ihren Lada, den können Sie jetzt mitnehmen! – Der Verkäufer meint, der Lada sei angemessen, der Käufer aber sagt, der Porsche sei angemessen. Die Frage ist, was eigentlich „angemessen“ ist.

Was würde man in solch einer Situation machen? Würden Sie wirklich diesen Vertrag unterschreiben? Das würde wahrscheinlich niemand machen. Jeder würde sagen, die­sen Vertrag gibt es nicht. – Die einen sind rausgegangen, die SPÖ, und haben gesagt, damit sei die gemeinsame Schule möglich, und die anderen, die ÖVP, sind rausge­gangen und haben gesagt, nicht möglich. Anstatt hier eine politische Klärung vorzu­nehmen, gehen Sie zum Verfassungsgerichtshof und lassen diesen entscheiden, was „angemessen“ ist.

Ich sage Ihnen, das ist das pure Versagen der Politik in diesem Haus. (Beifall bei den Grünen.)

Sie waren nicht in der Lage, eine Regelung zu schaffen, die Klarheit schafft. Dafür gibt es genug Zitate. Der Verfassungsrechtler Funk spricht von einem „erbarmungswürdi­gen Rest“, der hier im Haus abgestimmt wird – und ich halte es mit ihm. So kann und soll man Politik nicht machen.

Zum Inhalt, was wir uns vorstellen würden. Förderunterricht, ganz massiv und ganz zentral. Österreich braucht Förderunterricht für alle Schülerinnen und Schüler. Wir haben ein System, in dem es kaum Förderunterricht, kaum individuelle Fördermaßnah­men gibt. Individuelle Nachhilfe, private Nachhilfe ist das Schlagwort, an den Schulen passiert in diesem Bereich viel zu wenig.

Ich habe heute nicht viel von Finnland gesprochen, muss es aber im Zusammenhang mit dem Fördersystem. In Finnland sind 20 Prozent aller SchülerInnen während der Grundstufe, während neun Jahren, in Fördermaßnahmen, wo zusätzliche LehrerInnen im Einzelunterricht oder in Kleingruppen mit SchülerInnen arbeiten, die Probleme ha­ben; 30 Prozent in den ersten beiden Schulklassen, in den ersten beiden Schultypen. Und was ist das Ergebnis dieser Maßnahmen? Dass in Finnland am Ende der Schul­pflicht etwa 7 bis 8 Prozent der SchülerInnen ein Problem haben, wo man sagen muss, sie haben das Ziel der Schule nicht erreicht. In Österreich liegt dieser Prozentsatz bei 20. Diese 13 Prozent sind politisch, würde ich sagen, abänderbar, mit Maßnahmen, die man setzen kann.


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Man kann nicht bei allen SchülerInnen Erfolg haben, das wird in keinem Schulsystem gelingen, aber Sie sagen nicht, ob Ihnen diese 13, 15 Prozent, die hier zusätzlich her­ausfallen, egal sind oder ob Sie sich um diese Schüler kümmern wollen. Im Budget findet sich kein einziger Euro mehr – kein Euro mehr! – für Fördermaßnahmen in den nächsten Jahren. Da ist schlicht und einfach nichts vorhanden.

Mein Schlusssatz – ich halte mich auch an Alfred Gusenbauer –: Wir finden, dass die ORF-Berichterstattung in letzter Zeit hinsichtlich des Grundsatzes der Objektivität zu wünschen übrig lässt, und wir erwarten von Bundeskanzler Schüssel, dass er am Samstag auf seine Propagandasendung im ORF verzichtet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.58


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr hat sich Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort gemeldet. Frau Ministerin, Sie sind am Wort. Ihre Redezeit ist 15 Minuten. Ich werde Ihnen die Uhr einschalten.

 


10.59.01

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Heute ist ein erfreulicher Tag für das gute österreichische Schulwesen und für das gute österreichische Schulsystem. Ich freue mich darüber, dass es uns mit Zweidrittelmehrheit gelingt, die Blockaden durch die Zweidrittelmehr­heit zu beseitigen. Wir können damit dem österreichischen Schulsystem bei wichtigen Eckpunkten mehr Sicherheit geben, denn zum ersten Mal werden die wichtigen Eck­punkte in der Verfassung festgeschrieben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir können auf der zweiten Seite 95 Prozent der Schulausführungsgesetze, ob das im Schulorganisationsgesetz, im Schulunterrichtsgesetz, im Schulzeitgesetz ist, von die­ser Hürde der Zweidrittelmehrheit befreien. Die einfache Gesetzgebung für die Schul­gesetze ist ein Meilenstein in der Bildungspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Vorrednern sehr intensiv zugehört, und ich möchte – im Gegensatz zu Herrn Dr. Gusenbauer – feststellen: Wir haben ein gutes Schulsystem! Ich verstehe nicht, warum von einer großen Partei, die jahrzehntelang das Schulwesen gestaltet hat, die ja noch bis zum Jahre 2000 mitverantwortlich tätig war, plötzlich gesagt wird, wir hätten in Österreich ein schlechtes Schulsystem. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wir haben ein gutes Schulsystem mit vielen engagierten Lehrern und Lehrerinnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Alle, die sich mit Schule beschäftigen, wissen ganz genau, dass gerade im Bildungsbe­reich Wirkungen von Maßnahmen nur sehr langfristig zu sehen sind und sich Wirkun­gen nur sehr langfristig voll entfalten. Ich möchte dazu den Bildungsexperten Manfred Prenzel zitieren (Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser), der gesagt hat, dass man im Bildungswesen in einem kurzen Zeitraum keine dramatischen Effekte erzielen kann. Es funktioniert nicht, einfach einen Hebel umzulegen, um dann das bestmögliche Er­gebnis zu erzielen; da müssen schon viele kleine Hebel in Bewegung gesetzt werden, so Manfred Prenzel.

Meine Damen und Herren! Seit 1962, seit wir das gemeinsame Schulgesetz gemacht haben, sind unglaublich viele Hebel in Bewegung gesetzt worden, die auch unglaublich viel Wirkung gezeigt haben; es hat sich unglaublich viel verändert. Wir haben ein gutes Schulsystem mit engagierten Lehrern und Lehrerinnen; ich glaube, es ist wichtig, das


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immer wieder zu sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Das stimmt nicht ...!)

In diesem Zusammenhang ist es mir nicht ein Anliegen, zu sagen, was ich mir wün­sche, sondern ich sage, was wir haben: Wir haben ein Schulsystem, bei dem durch eine hundertprozentige Durchlässigkeit jedem Kind optimale Chancen gegeben wer­den: 50 Prozent der Maturanten und Maturantinnen kommen über die Hauptschule zur Matura; die Hauptschule ist eine gute Schule. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Wir haben den Schulen mehr Autonomie gegeben; wir sind von einer Anordnungskultur zu einer Vereinbarungskultur übergegangen. Wir haben den Schulen die Möglichkeit gegeben, selbst Schwerpunkte zu setzen, selbst Stunden in der Stundentafel festzu­legen. Wir haben die Lehrpläne – jahrzehntelang wurde ja gejammert über übervolle Lehrpläne – entrümpelt und für die Oberstufen neue Lehrpläne gemacht, ebenso für die Pflichtschulen.

Wir haben die Schulen mit neuesten Technologien ausgestattet: In Österreich gab es zu Ende des vorigen Jahrhunderts 40 Schüler, die an einem Computer arbeiten muss­ten, heute haben wir für fünf Schüler einen Computer. Das haben wir geschafft, das haben wir investiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Im Schuljahr 1998/99 gab es keine Notebook-Klassen, jetzt sind es 11 100 Schüler und Schülerinnen, die in ihren Klassen mit Notebooks arbeiten.

Meine Damen und Herren! Wir haben die Förderstunden in den Stundentafeln und in den Lehrverpflichtungen festgelegt. Wir haben Tausende von Förderstunden an unse­ren Schulen; sie müssen nur richtig eingesetzt werden!

Wir haben für alle Schulen in Österreich – für alle Schulen! – Internet-Anschlüsse.

Wir haben dem Trend zur höheren Bildung Rechnung getragen, indem wir weiterfüh­rende Schulen gebaut haben; es gibt 30 000 zusätzliche Plätze in weiterführenden Schulen.

Wir haben mehr Lehrer und Lehrerinnen für unsere guten Bundesschulen – und da stehe ich wirklich hier und sage: Mir ist es ein Anliegen, unsere guten Gymnasien auch in Zukunft zu erhalten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn wir von Bildung reden, gehören natürlich die Universitäten und Fachhochschulen dazu. Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen an den Universitäten konnten wir um 31 Prozent steigern; wir haben die Fachhochschulen ausgebaut, sodass es nun eine Verdoppelung des Angebotes gibt.

Gemeinsam haben wir – Regierung und Parlament –, wie ich meine, Voraussetzungen im Bildungswesen geschaffen, die gut sind, die aber selbstverständlich noch besser werden können. Ich habe deshalb den größten Bildungsdialog, den es jemals gegeben hat, mit der Zukunftskommission, mit dem Reformdialog ins Leben gerufen, wozu alle Lehrer und Lehrerinnen Österreichs eingeladen waren, sich daran zu beteiligen, alle Eltern, alle Schulpartner, alle Schüler und Schülerinnen. Wir haben dazu Tausende von Zuschriften, Tausende von Reaktionen erhalten.

Daraus haben wir ein Paket geformt, indem wir sagen: Was wollen wir in Zukunft? – Auf der Basis von dem, was wir haben, was wir geschaffen haben, was gut ist für das Bildungswesen, haben wir jetzt mit der Zukunftskommission, mit dem großen Reform­dialog, und zwar mit allen Schulpartnern, festgestellt, was wir in Zukunft wollen. Und bei diesen wichtigen Schritten, die wir gemeinsam setzen wollen, haben wir in Zukunft die Möglichkeit, sie mit einfacher Mehrheit in der Schulgesetzgebung umzusetzen.


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Das ist ein schöner Tag für das Schulwesen, das ist ein guter Tag für das Bildungs­wesen. Das sind gute Gesetze für unsere Jugendlichen, für unsere Kinder. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Niederwieser.)

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzesbeschluss schaffen wir die Möglichkeit, alle Anliegen, die uns für die Weiterentwicklung der Schule wichtig sind, in den nächs­ten Monaten zu beschließen und umzusetzen – wobei eines schon richtig ist, das gebe ich zu: Nicht für alles und jedes braucht man ein Gesetz! Viele Dinge werden mit Ver­ordnungen oder Erlässen umgesetzt.

Aber was ist denn das Wesen von Reformen? – Das Wesen von Reformen ist, dass die Lehrer und Lehrerinnen, die Direktoren und Direktorinnen motiviert sind, diese Reformen umzusetzen – von einem Gesetz allein habe ich noch nichts! Und diese Motivation muss von uns ausgehen (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), diese Motivation für die Lehrer und Lehrerinnen, die heute mehr sind als Wissensvermittler, die heute Berater, Begleiter, Erzieher und Krisenmanager sind.

Lassen Sie mich da auch ein offenes Wort zur Frage der Ganztagsschule, der Tages­betreuung sagen: Ich halte es für völlig falsch, Schule vollkommen vom Familienleben, von der Gesellschaft abzutrennen (Beifall bei der ÖVP – Ruf bei der ÖVP: So ist es!) und zu sagen: Die Kinder haben in der Schule alles zu erledigen, und wenn sie nach Hause kommen, interessiert sich niemand mehr für die Schule! – Es muss doch ein ständiges Miteinander sein! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Gerade dann, wenn Kinder den ganzen Tag in der Schule sind, brauchen sie Freizeitangebote, Sportangebote, Erholungsangebote. Man kann doch nicht sagen: In der Schule wird alles Schulische erledigt und danach kommt die Freizeit. (Abg. Silhavy: Das hat aber auch niemand gesagt! Das wurde nicht gesagt! – Abg. Neugebauer: Verschränkter Unterricht!)

Ich halte es für äußerst wichtig, dass wir die Schule den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt anpassen, jene Angebote machen, die die Eltern, die die berufs­tätigen Mütter brauchen, dass wir aber den Eltern die völlige Wahlfreiheit lassen. Das ist mein Ziel. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was wollen wir noch? – Wir wollen die Fünf-Tage-Woche umsetzen – wir haben bereits ein Gesetz in Begutachtung gegeben. Wir wollen die Frühförderung im Kindergarten einführen – dafür brauchen wir die Gemeinden. Wir brauchen die Länder, wir brauchen die Kommunen, die hier mitmachen. (Abg. Dr. Rada: Die Gemeinden dürfen auch zahlen!) Wir werden gemeinsam einen Plan entwickeln, wir werden Förderungen von Bundesseite geben, wir werden dafür sorgen, dass die Kinder, die in die erste Klasse Volksschule kommen, die Sprache können. – Aber es gibt Quereinsteiger! Es werden daher auch Sprachgruppen als Fördergruppen an den Schulen geführt werden.

Wir werden weiterhin darauf schauen, dass an unseren guten Schulen Schwerpunkte gesetzt werden können. Ich habe ein Gesetz in Begutachtung gegeben, dass die Schu­len diese Schwerpunkte bereits in ihrem Schulnamen festhalten können. Das ist gut für das Image und den Stellenwert der Schulen.

Ich weiß nicht, warum man das so ins Lächerliche zieht, wenn man darüber diskutiert, ob man „Sonderschulen“ nicht in „Förderschulen“ umbenennen soll. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Ich meine, ein Name ist ein Signal, ein Name sagt etwas aus.

Gerade in Sonderschulen, in den Schulen, wo wir den Kindern in kleinen Gruppen besonders helfen, gerade in diesen Schulen werden Kinder speziell gefördert. Es gibt ganz moderne Sonderschulen, die die Kinder ein paar Monate in ihren Klassen haben, ein paar Monate in ihren Gruppen haben, es aber dann wieder ermöglichen, dass


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diese Kinder zurückgehen in die Hauptschulen, in die Volksschulen, von denen sie her­kommen.

Meine Damen und Herren! Das ist die Durchlässigkeit und das ist das Individualisieren an unseren guten Schulen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich meine, dass wir mit dieser heutigen Gesetzgebung einen echten Meilenstein set­zen. Wir geben damit den Schulen neue Möglichkeiten. Wir geben der Bildungspolitik neue Möglichkeiten. Bildungspolitik, Wissenschaftspolitik, Forschungspolitik sind die Grundlage für die Entwicklung einer Gesellschaft.

Auch in der Europäischen Union ist dieser Stellenwert von Bildungspolitik inzwischen erkannt worden, und sie ist zu einer wichtigen Säule geworden. Die Länder sollen dazu aufgefordert werden, in der Bildungspolitik Schritte zu setzen, in der Bildungspolitik die Chancengleichheit in besonderem Maße zu berücksichtigen.

Im österreichischen Schulsystem ist diese Chancengleichheit zu hundert Prozent gege­ben. Wir haben in der Vergangenheit die Berufsreifeprüfung eingeführt – eine einma­lige Möglichkeit für Lehrlinge, zu einer Matura zu kommen und eine Fachhochschule zu besuchen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Diese hundertprozentige Durchlässig­keit ist das große Markenzeichen des guten österreichischen Schulsystems.

Meine Damen und Herren! Auch die OECD hat das erkannt. Die OECD hat in einem ihrer Berichte festgehalten, und zwar in jenem aus dem Jahr 2004 – ich zitiere –: Als ein besonderes Charakteristikum Österreichs kann die große Vielfalt an Schultypen angesehen werden. Der hohe Level an vertikaler und horizontaler Differenzierung zeigt Vorteile, gerade in einer Gesellschaft, in der viele verschiedene Nationen daheim sind. Und weiter: Im Schulsystem gibt es für die Eltern eine große Freiheit und Wahlmöglich­keit.

Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlussfassung ist Beweglichkeit, ist Of­fenheit gegeben. Wir machen die Fenster weit auf. Wir haben die Möglichkeit, Schule weiterzuentwickeln, Bildung weiterzuentwickeln. Wir wissen, was wir weiterhin wollen. Wir werden die guten Vorschläge der Zukunftskommission gemeinsam umsetzen. Wir geben den Schulen aber auch Sicherheit, indem wir in der Verfassung einen Ziel­paragraphen festhalten, indem wir in der Verfassung die Schulgeldfreiheit festhalten, indem wir in der Verfassung das öffentliche Schulwesen festhalten, indem wir in der Verfassung das Konkordat festhalten, indem wir in der Verfassung das differenzierte Schulsystem festhalten.

Ich danke allen offensiven und zukunftsorientierten Abgeordneten, die mit uns diesen guten Kompromiss erarbeitet haben und die heute mit uns diesen guten Kompromiss beschließen. Ich lade Sie ein: Machen wir weiter auf diesem guten Weg! (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die nächsten vier Abgeordneten verfügen über jeweils 8 Minuten Redezeit.

Als Erster kommt Herr Abgeordneter Neugebauer zu Wort. – Bitte.

 


11.13.55

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz, über das wir heute debattieren, kann wahrlich als Jahrhundertgesetz bezeichnet werden und ist als Jahrhundertgesetz schon dadurch legitimiert, wenn man sich die Entwicklung des Schulrechtes ansieht. Bis vor wenigen Jahren hat man sich auch noch auf das Reichs­volksschulgesetz, das in den sechziger Jahren des vorvorigen Jahrhunderts geschaf-


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fen worden ist, berufen, 100 Jahre später das Schulgesetzwerk 1962, das in seinem Bestand wesentlich revidiert wird.

Die Frage ist: Warum hat es eigentlich so lange gedauert? – Das hat einen sehr realis­tischen Hintergrund. Die junge Republik hat sich bei der Verfassung 1920 nicht einigen können, ob die zentralistischen oder die föderalistischen Kräfte bei der Verantwortung für das Schulwesen die Oberhand haben sollen. Es hat eben eines Unterrichtsminis­ters Dr. Heinrich Drimmel im Jahre 1960 bedurft, der letztendlich den Anstoß für das Schulgesetzwerk 1962 gegeben hat – ein historischer Kompromiss, dessen Bedeutung ich nochmals in Erinnerung rufen darf.

Es ist nämlich die Bedeutung des Schulgesetzwerkes 1962 darin zu suchen, dass es ein einheitliches gesamtösterreichisches Schulwesen gegeben hat, das durchaus da­durch gefährdet gewesen wäre, dass man in jedem Bundesland anders agierte, noch dazu perforiert durch die unseligen Jahre zwischen 1938 und 1945, als die deutsche Schulgesetzgebung hier eingeflossen ist. Das ist die wahre Bedeutung des einheit­lichen Schulgesetzwerkes.

Ich erinnere mich, dass dieses Denken einer breiten Übereinstimmung noch bis vor wenigen Jahren Platz gegriffen hat. Ich habe selbst 1974 mit dem von mir sehr geschätzten Unterrichtsminister Dr. Fred Sinowatz das Schulunterrichtsgesetz verhan­delt. Da ging es nicht um Feilschen um Kleinigkeiten, sondern es war eigentlich Impe­tus, dass viele dieser Dinge selbstverständlich einer breiten verfassungsrechtlichen Mehrheit unterliegen, obwohl das gar nicht dem Thema angemessen gewesen wäre.

Oder ich denke etwa an die Debatten mit Unterrichtsminister Dr. Moritz, die wir 1986 geführt haben, als wir die Schulpartnerschaft – also das institutionalisierte Zusammen­wirken zwischen Eltern, Lehrern und Schülern – gemeinsam verabschiedet haben – alles unter Zweidrittelmehrheit, obwohl das Gebot der Stunde eigentlich nicht danach gewesen wäre.

Die Zeit ist also reif für eine Entscheidung, und ich bedanke mich, dass es nach einer kurzen, intensiven Diskussionsphase nun einerseits zu einer Reformbereitschaft kommt, wo aber andererseits auch Verlässlichkeit und Planbarkeit in den bereits erwähnten Fragen gegeben sind.

Nun kann man sagen, es hätte an sich niemand das Primat der Öffentlichkeit einer Schule in Frage gestellt. Man kann es, wenn es der Wille ist, hineinschreiben. Es ist auch die Schulgeldfreiheit ein wichtiger Aspekt, genauso wie die Schulpflicht, selbst­verständlich das friktionsfreie Miteinander mit Kirchen und Religionsgemeinschaften und das differenzierte Schulwesen.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es gelungen ist, eine Formulierung für eine Zielbestimmung, die einen sehr, sehr hohen Anspruch hat, zu finden. Ich möchte auf einen Punkt hinweisen, nämlich dass wir in partnerschaftlichem Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern den Jugendlichen zu begegnen haben.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass ich 1986 mit Dr. Moritz diese Schulpartner­schaft verhandelt habe. Ich würde mir wünschen, dass diese Partnerschaft belebt wird, dass Schüler ihre Interessen nicht ausschließlich durch Schülerfunktionäre artikulieren, sondern dass die Schüler insgesamt zum politischen Diskurs bewegt werden. Ich würde mir auch wünschen, dass anerkannt wird – und da bin ich der Frau Bundesmi­nisterin sehr dankbar, dass sie auch auf die Verantwortung der Eltern für die Erziehung der Kinder hinweist –, dass Schule nicht ausschließlich im Klassenraum stattfinden kann, dass Bildungs- und Erziehungsarbeit nicht nur Aufgabe der Fachkräfte, der Pädagoginnen und Pädagogen in Österreich ist, sondern ebenso Aufgabe der Familie.


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Viele Lehrerkollegen klagen über die Kontaktarmut zwischen Elternhaus und Schule. Oft wird das Kind abgegeben. Der einzige Kontakt wird am Elternsprechtag nolens volens gepflogen. Aber Schule lebt davon, dass Eltern und Lehrer miteinander in Kontakt bleiben und auch über die Befindlichkeit im Elternhaus sprechen. Ich wünsche mir, dass die Lehrer ihre Freiräume im pädagogischen und erzieherischen Wirken noch mehr nützen als bisher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die Politik Vorschriften gemacht, die Schule hat sie umgesetzt, und die Aufsichtsbehörde hat kontrolliert. Es ist ein anderes Denken eingekehrt.

Frau Bundesministerin! Gestern hat Dr. Van der Bellen hier die Schwarte der europäi­schen Verfassung gezeigt. Das ist die Schwarte des Schulunterrichtsgesetzes (der Redner zeigt sie), worin wir den inneren Schulbetrieb in Österreich regeln. Wir haben zugegebenermaßen die Detailverliebtheit überbordet. Vieles davon unterliegt jetzt nicht mehr der Zweidrittelmehrheit, und ich wundere mich, dass Kollege Brosz so locker über die Rechtsstaatlichkeit und die Aufbauprinzipien unserer Verfassung hinweggeht. Wollen Sie denn wirklich hier im Hohen Haus auch Lehrplaninhalte diskutieren? Das ist wohl Sache der Verordnung und einer langen Diskussion von ExpertInnen und Schul­praktikerInnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin, ich rege an, dass du eine Arbeitsgruppe einrichtest, die versucht, neben dem Wegfall der Zweidrittelmehrheit und der vielen Hemmnisse, all das mit frischem Wind zu durchfluten, damit nämlich unserer Schule im inneren Betrieb nicht der Atem ausgeht. Wir brauchen diesen pädagogischen Freiraum, und ich denke, dass von Vertretern aller Parteien, aller wissenschaftlichen Kreise und auch von Schul­praktikern da gerne Hand angelegt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin genötigt, zu den Äußerungen des Kollegen Gusenbauer etwas zu sagen, weil es auch etwas mit politischer Bildung insgesamt zu tun hat. Ich bedanke mich natürlich für die Werbung dafür, dass der Herr Bundeskanzler am Vorabend des Nationalfeiertages auftreten wird. Ich glaube, dass es ein wichtiger und richtiger Anlass ist, den Spitzen­repräsentanten der Bundesregierung sich an die Bevölkerung wenden zu lassen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Sie werden ihm hoffentlich nicht verbieten wollen, dass er das nächste Mal in einer „Pressestunde“ auftritt.

Aber ich darf Sie daran erinnern – es dürfte Ihnen ein Herr Kalina nicht ganz unbekannt sein –, dass es noch im Jahre 1999 den „Politkrieg um die ,ZiB 1‘“ gegeben hat, wo Herr Kalina massiv interveniert hat, dass kanzlerkritische Passagen entfernt werden. Das ist auch eine Frage der politischen Bildung, wie ich auch der Ansicht bin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf eines noch hin­weisen zu dürfen, nämlich auf den Paragraphen, den ich voll unterstütze, den Zielpara­graphen:

„Jeder Jugendliche soll seiner Entwicklung und seinem Bildungsweg entsprechend zu selbstständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt werden, dem politischen, religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein ...“

Erinnern Sie sich an Ihre 1. Mai-Reden! Dem politischen Denken anderer aufgeschlos­sen sein – das wäre ein Beitrag von Erwachsenen und gerade von Politikern zur politi­schen Bildung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Er hat nicht einmal gewusst, wann der Nationalfeiertag ist, und jetzt redet er über poli­tische Bildung!)

11.22



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110. Sitzung / Seite 56

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

 


11.22.05

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Wir leben schon in etwas eigenartigen Zeiten. Viele Menschen sehnen sich an und für sich nach Harmonie und Frieden. Aber welches Wort auf den Titelseiten fasziniert am meisten? – Es ist die Schlagzeile Krieg. Und daher musste es wohl auch Krieg geben zwischen Opposition und Regierung, es musste Krieg geben zwischen Gusenbauer und Gehrer (Abg. Scheibner: Das ist schon wieder sehr unpassend, Herr Kollege!), es musste eine Zeit lang Krieg geben zwischen Amon und Niederwieser. Wir, die politischen Akteure – und ich bitte Sie, horchen Sie mir bis zum Ende zu! – spielen einerseits bei diesem Spiel mit, sind aber andererseits die Getrie­benen.

Es geht dann oft nicht um den Erfolg in der Sache, sondern es geht nur mehr darum, wer gewonnen hat. Und wenn man die Frage so stellt, wer denn gewonnen hat, dann sagt jeder, wir haben gewonnen. (Abg. Dr. Brinek: Fast alle haben gewonnen!) Und „wir haben gewonnen“ stimmt insofern, als „wir“ all jene sind, die heute diesem Gesetz zustimmen, all jene haben in dieser Sache gewonnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Die SPÖ hat mit vielen anderen Organisationen vorgeschlagen, einige wichtige Punkte im Schulrecht in Verfassungsfragen zu belassen. Sie wurden schon aufgezählt. Diese Punkte sind jetzt weiterhin drinnen.

Es steht jetzt auch ein Satz im Verfassungsrang, der bisher nicht im österreichischen Schulrecht gestanden ist, nämlich dass die Schulen „unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund“ ein bestmögliches Bildungsniveau sicherzustellen haben. Unabhängig von sozialer Lage und finanziellem Hintergrund! Das ist deshalb wichtig, weil eines der Erkenntnisse aus der PISA-Studie war, dass unsere Schulen das nicht leisten.

Ein einziges Beispiel: Nehmen wir die ersten Klassen der Hauptschulen – und da sage ich nichts gegen das, was die Hauptschullehrer an Arbeit leisten –: 30 Prozent der Eltern der Schüler haben Matura. Und dann nehmen wir die ersten Klassen der Gym­nasien in Österreich: 63 Prozent der Eltern haben Matura. Und da will jemand sagen, dass die soziale Herkunft bei unserem Schulsystem keine Rolle spielt? Diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache!

Daher ist es wichtig, dass wir uns auf diesen Grundsatz geeinigt haben, dass das österreichische Schulsystem da etwas zu tun hat, dass Handlungsbedarf besteht. Und es ist auch wichtig, dass wir uns bei dieser Abschaffung grundsätzlich geeinigt haben.

Da gilt es viele Namen zu erwähnen. Am Beginn stand zweifellos das Angebot von Dr. Gusenbauer kurz nach Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse, dieses Reformhin­dernis Nummer 1 zu beseitigen und die Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze abzu­schaffen. Das war gerade in einer Oppositionssituation ein sehr mutiger Schritt. Und dann sind Sie, Frau Ministerin Gehrer, nach einigen Wochen des Nachdenkens auch zu dem Entschluss gekommen, diese Zweidrittelmehrheit zu beseitigen. Und Sie haben im Grundsatz diesen Entschluss beibehalten, trotz vieler Widerstände, wir wissen das, bis zum Schluss, bis zu einer Einigung.

Nicht unerwähnt möchte ich in diesem Zusammenhang auch Kollegin Rossmann las­sen, die gerade in den letzten Stunden bei dieser Frage des differenzierten Schulsys­tems die Tür noch ein Stück deutlicher geöffnet hat, als sie vielleicht zuvor offen


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110. Sitzung / Seite 57

gewesen ist. Diese Namen stehen stellvertretend für viele, die an einer gemeinsamen Lösung interessiert gewesen sind.

Es hat natürlich auch Kritik gegeben, und es gibt diese Kritik auch heute noch. Was heißt, dass unsere Sekundarschulen angemessen differenzieren sollen? – Kollege Brosz, du begibst dich hier auf juristisches Glatteis, würde ich sagen, wenn du fragst: Was ist jetzt mit dem Porsche und dem Lada, den ich bekomme, was ist angemessen?

Im ABGB aus dem Jahre 1811 findet sich genau dafür eine Bestimmung: „Ist im Ver­trag kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein ange­messenes Entgelt als bedungen.“

Seit 1811 leben unsere Gerichte sehr gut mit dieser Bestimmung und wissen das zu interpretieren und stellen sich nicht so naiv an wie Sie bei Ihrem Beispiel. (Demonstrati­ver Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Angemessen, frage ich, wofür? – Angemessen kann sich ja nur auf das Kind beziehen. Angemessen kann sich ja nur auf die Schüler beziehen, denn keinen anderen Zweck hat die österreichische Schule. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Und unser Schulsystem differenziert in vielfältiger Weise: Hauptschulen, Sonderschulen, Gymnasien, viele For­men von Gymnasien, innere Differenzierungen in Leistungsgruppen, x verschiedene Formen berufsbildender, mittlerer und höherer Schulen. Also wir haben eine Form der Differenzierung, die mehr als ausgeprägt ist. Und niemand hier in diesem Saal wird ernsthaft behaupten können, dass genau diese vielfältige Differenzierung das ist, was für alle Zeiten festgeschrieben werden muss oder was heute für alle Zeiten festge­schrieben würde. Immer braucht das die Veränderung. Und Sie werden bei den poly­technischen Schulreformen schon die nächste Veränderung brauchen. Und „angemes­sen“ wird der Gesetzgeber künftig mit einfacher Mehrheit zu definieren haben nach den Richtlinien, die in der Zielbestimmung drinnen stehen.

Von den vielen Verfassungsrechtlern möchte ich Professor Raschauer zitieren. Er hat gemeint: „Verfassungsrechtlich bin ich unglücklich damit, politisch ist das glaube ich ein ganz vernünftiger Kompromiss“. – Und wir stehen zu diesem Kompromiss, und ich halte gar nichts davon, wenn wir diesen Kompromiss durch weitere Streitereien gerin­ger machen, als er ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was war das in erster Linie? – Es hat doch geheißen, Bahn frei für Schulreformen. Und so sieht es auch Professor Haider, der österreichische PISA-Koordinator. Er sagt: „Der Kompromiss ist ein wichtiges Signal, dass es allen ernst ist mit den Reformen“.

Und weiters: „Dass für fünf Punkte die Zweidrittelmehrheit als Hürde beibehalten wird ..., sei für die vorgeschlagenen Reformen nicht wichtig.“

Was können unsere Schülerinnen und Schüler in Zukunft erwarten, wenn dieser Spiel­raum genützt wird? – Das gemeinsame Ziel muss ja sein, zunächst einmal diese 20 Prozent, die nach der letzten PISA-Studie ungenügende Kenntnisse haben, auf 10 Prozent oder darunter zu reduzieren. Wir sind dann immer noch nicht bei den besten PISA-Ländern, aber wir sind dann nahe dran.

Der Weg beginnt früh, bei der Frühförderung, im Kindergarten, wo die Defizite am ehesten, am schnellsten und am wirkungsvollsten beseitigt werden können. Was den Ausbau ganztägiger Schulformen betrifft, sollten wir uns nicht – und wir bemühen uns auch – auf eine einzige Form festlegen. Es ist die verschränkte Form pädagogisch die wichtigere, die bessere Form, und es ist auch gut, wenn die getrennte Form ausgebaut wird. Pädagogisch stehen wir aber zu diesem Modell einer gemeinsamen und einer verschränkten Schule.


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Im Unterricht muss auf jedes einzelne Kind eingegangen werden. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Die Zukunftskommission hat sehr klar be­zeichnet, wie das auszusehen hat.

Sie haben uns, Frau Ministerin, die Zusammenarbeit bei den weiteren Formen ange­boten. Wir nehmen dieses Ihr Angebot gerne an – aber nicht zur Mitfahrt in einem gemächlichen Bummelzug. Der Reformzug muss jetzt rasch Fahrt aufnehmen, das nächste Ziel ist PISA – nicht Pisa in der Toskana, sondern ein besseres Ergebnis bei der nächsten PISA-Prüfung 2006. (Beifall bei der SPÖ.)

11.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort kommt Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. – Bitte.

 


11.30.44

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollegen vor mir haben gespro­chen von einem „Jahrhundertgesetz“, von der endlichen Beendigung der Blockade­politik, und auch ich möchte nun meinen Teil der historischen Betrachtung dem noch anfügen.

Es ist mir schon ein bisschen unverständlich, warum es so lange gedauert hat, bis es endlich zur Abschaffung des Erfordernisses einer Zweidrittelmehrheit bei Schulge­setzen gekommen ist. Diese Frage: Warum hat es so lange gedauert? hat ja Kollege Neugebauer auch schon gestellt.

Mir ist schon unerklärlich, warum in Zeiten der großen Koalition, also SPÖ und ÖVP die Möglichkeit gehabt hätten, und zwar vor fünf Jahren noch, die Zweidrittelmehrheit abzuschaffen, dies nicht angegangen wurde. Da war es Ihnen offensichtlich nicht wich­tig genug, da gemeinsam einen Kompromiss zu finden, da auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, um diese so unnotwendige Zweidrittelmehrheit abzuschaffen. Das ist etwas, was wir heute hier bei dieser Diskussion auch laut sagen müssen: dass Sie es nämlich verabsäumt haben, rechtzeitig, schnell und rasch zu handeln, und zwar schon vor Jahren, als Sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. (Beifall bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Klubobmann Cap deutet mit einer Handbewegung an: Na jetzt machen wir es halt! Nur: Jetzt es ist spät! PISA hat es gezeigt: Es ist zu spät! – und das auf dem Rücken der Schülerinnen und der Schüler und auf dem Rücken der Eltern. Aber es ist gut, dass Sie nun in der Opposition sehen, dass Sie in der Regierungspolitik Fehler gemacht haben. Jetzt sehen Sie etwas klarer, dass es da einer Veränderung bei der Zweidrittelmehrheit bedarf, dass es da einer einfachen Gesetzgebung bedarf, um in der Schule die Blocka­depolitik und den Stillstand, den Sie zu verantwortet haben, zu beenden. Ich finde es gut, dass Sie in der Opposition dieses Einsehen haben. Ich gratuliere Ihnen dazu. (Bei­fall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wer hat jetzt bei diesem Kompromiss, der hier geschlossen wurde, gewonnen? (Abg. Heinisch-Hosek: Die Kinder!) Weder die ÖVP noch die SPÖ! (Abg. Heinisch-Hosek: Die Kinder!) – Die Kinder. Richtig! Die Schülerinnen und Schüler und die Eltern, denn sie sind diejenigen, die dieses Gesetz so notwendig und dringend brauchen, damit jetzt rasch und schnell Änderungen herbeigeführt werden können, die, wie gesagt, schon etwas früher hätten gemacht werden müssen. Aber es ist wichtig, dass endlich die Blockadepolitik beendet wurde und dass somit auch der Stillstand in der Bildungspolitik heute und jetzt ein Ende findet.

Was bleiben wird und was in der Verfassung bleibt, das haben wir schon gehört: die Schulgeldfreiheit, aber auch die Aufrechterhaltung des differenzierten Systems. Das ist


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auch für uns Freiheitliche wichtig, denn wir wollen, dass es weiterhin eine Förderung der Begabten und eine Stärkung der Schwächeren gibt – aber das differenzierte Sys­tem muss aufrechterhalten bleiben, wir wollen keine Gesamtschule!

Was uns auch wichtig ist – und das ist das, was in der Zukunft mit einfacher Mehrheit möglich sein wird –, das ist, dass es andere Grundlagen für Schulversuche wird geben können, dass Laufbahnmodelle von Lehrern, leistungsbezogene Aufstiegsmöglichkei­ten und Funktionsdifferenzierungen mit einfacher Mehrheit möglich sein werden. Eine Erweiterung von Schulsprengeln wird auch möglich sein. Das ergibt mehr Wettbewerb, mehr Planung und mehr Flexibilität für die Eltern, die dann ihre Kinder auch dort in die Schule werden geben können, wo sie arbeiten, und sie nicht dort in die Schule werden schicken müssen, wo gerade der Schulsprengel ist. Das ist wichtig und notwendig.

Aber auch die Teilung des Unterrichts in einzelnen Unterrichtsgegenständen in Schü­lergruppen wird mit einfacher Mehrheit möglich sein. Auch die Autonomie, der Abbau von zentralen Regelungen für Klassenschülerzahlen, Teilungszahlen, Eröffnungszah­len werden dadurch ermöglicht. Es gibt viele, viele Dinge, die jetzt mit einfacher Mehr­heit möglich und machbar sind, wo jetzt an die Arbeit gegangen werden kann.

Da halte ich es auch nicht für schlecht, wenn man „Leibeserziehung“ in „Sport und Bewegung“ umbenennt. Sich darüber lustig zu machen, das halte ich nicht für richtig, sondern im Gegenteil: Ich halte ein Signal in diese Richtung für ganz notwendig, denn wir alle wissen, dass die Kinder in den Schulen viel zu viel sitzen! Daran etwas zu ändern war schon immer ein freiheitlicher Wunsch, den auch unser Sportstaatssekretär über sehr viele Jahre im Parlament immer wieder verfolgt hat, nämlich, dass es mehr sportliche Betätigung in den Schulen für die Schüler geben muss. Es ist notwendig, in diesem Bereich mehr zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

All das ist jetzt machbar und möglich. Sich darüber lustig zu machen, halte ich nicht für den richtigen Weg, sondern man sollte jetzt wirklich die Chance nützen, hier gemein­sam zu Änderungen zu kommen.

Aber leider hat die ÖVP und die SPÖ auf dem Weg, die Zweidrittelmehrheit abzuschaf­fen, etwas der Mut verlassen, denn zunächst wurde ja von einer kompletten Abschaf­fung der Zweidrittelmehrheit gesprochen. Was aber doch noch fehlt – und da haben Sie eindeutig einen Rückzieher gemacht –, ist die Entpolitisierung bei den parteipoli­tischen Gremien wie Landesschulrat und Bezirksschulrat. Dabei, nämlich die Schul­organisation nicht mehr in der Zweidrittelmehrheit zu belassen, sondern sie auch da aufzuheben, hat Sie leider der Mut verlassen.

Ein wichtiges Anliegen – und zwar für uns alle! – muss die Entpolitisierung und die Ver­einfachung der Schulverwaltung sein durch die Abschaffung der parteipolitischen Be­setzungen im Landesschulrat und im Bezirksschulrat. (Abg. Dr. Kräuter: In Kärnten!)

Ich weiß schon, dass ich dafür von Ihnen keinen Applaus ernte – aber ich werde von vielen Lehrern dafür Applaus ernten, die teilweise heute noch, wenn Sie wirklich Lehrer sein wollen, gezwungen werden, Parteibücher zu nehmen, damit sie fixe Arbeitsplätze bekommen. Es ist heute immer noch so! (Abg. Dr. Kräuter: In Kärnten ist es so! Sagen Sie das dem Dr. Haider!) Ich sage das auch der Frau Minister Gehrer, und ich sage das auch dort, wo ich die Möglichkeit dazu habe, nämlich hier: dass es heute leider immer noch so ist! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bedauere es, dass es uns noch nicht gelungen ist, das abzuschaffen, aber wir wer­den sicherlich in der Zukunft noch die Möglichkeit dazu haben – und wenn nicht, wer­den wir Sie immer wieder daran erinnern. Auch da muss die Zweidrittelmehrheit fallen!

Es gibt in allen politischen Bezirken einen Schulaufsichtsbeamten, einen Bezirksschul­inspektor und zusätzlich auch noch die entsprechenden, vom Land organisierten


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Schulverwaltungseinheiten für den Pflichtschulbereich. Diese Behördenstruktur muss vereinfacht werden (Abg. Dr. Kräuter: In Kärnten!), muss abgeschlankt werden und auch effizienter gestaltet werden. Das sind Dinge, die höchst notwendig sind – aber da hat Sie der Mut verlassen, denn das sind die Pfründe, die Sie noch haben, auf die Sie halt nicht verzichten wollen!

Wir stimmen diesem Gesetz trotzdem zu, weil es ein erster, wichtiger und notwendiger Schritt ist, um Ihre Blockadepolitik der letzten Jahrzehnte zu beenden und dem Still­stand ein Ende zu setzen. Aber wir erhoffen und erwarten uns einen weiteren Schritt bei der Abschaffung der Zweidrittelmehrheit, und zwar bei der Schulorganisation, und wir erwarten uns aber auch schnell Gespräche, um all die Dinge, die jetzt aufgezählt worden sind, hier in diesem Hohen Haus mit einfacher Mehrheit beschließen zu kön­nen. Das wünsche ich mir! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort kommt Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte. (Abg. Dr. Wittmann – in Richtung der sich zu ihrem Sitzplatz begebenden Abg. Dr. Bleckmann –: Für wen haben Sie gesprochen? – Gegenruf der Abg. Dr. Bleckmann.)

 


11.38.16

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Wittmann sowie Gegenruf der Abg. Dr. Bleckmann.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Am Wort ist Frau Abgeordnete Mandak, und ich ersuche um die entspre­chende Aufmerksamkeit! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Heinzl und Dr. Bleckmann.)

 


Abgeordnete Sabine Mandak (fortsetzend): Offenbar scheint es jetzt zum Teil para­dox zu sein, wenn die Grünen, die immer für eine Aufhebung der Zweidrittelmehrheit eingestanden sind, hier stehen ... (Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Heinzl und Dr. Bleckmann.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bleckmann und Herr Abgeordneter Heinzl, wenn die Zwischenrufe nicht sofort enden, erhalten Sie beide einen Ordnungsruf!

Am Wort ist jetzt Frau Abgeordnete Mandak! (Abg. Scheibner: Den Wittmann müssen Sie rügen! Das ist ja ungeheuerlich, was da geredet wird! Wir sind entsetzt!)

 


Abgeordnete Sabine Mandak (fortsetzend): Danke. – Das vorliegende Gesetz wer­den wir ablehnen – das hat mein Kollege Brosz schon angekündigt –, wobei das natür­lich ein Stück weit paradox deswegen ist, weil gerade wir immer die Aufhebung der Zweidrittelmehrheit eingefordert haben. (Abg. Dr. Brinek: Überlegen Sie es sich noch einmal!) Wir sind aber nicht bereit – und das wollen wir noch einmal ganz klar sagen –, einem Gesetz zuzustimmen, das derartig viel Unklarheit schafft, derartig viel neue Verwirrung bringt und die politische Verantwortung an den Verfassungsgerichtshof abschiebt wie dieses Gesetz, das Sie hier vorgelegt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Was an der Vorgangsweise eigenartig ist, das ist der Umstand, dass es ja einen Regie­rungsantrag auf Abschaffung der Zweidrittelmehrheit gegeben hat – eine Forderung, die auch die SPÖ sehr lange erhoben hat. Endlich ist die ÖVP so weit gewesen, und dann ist plötzlich ein ganz kapitaler Rückzug gekommen, nämlich von der SPÖ, und der ist für mich nicht nachvollziehbar.


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Plötzlich hat es eine „Verbrüderung“ mit der Kirche gegeben, wo sich der Kardinal ein­geschaltet hat. Es hat darin gegipfelt, dass der Kardinal zu Gesprächen gekommen ist. Ich wünsche mir nur eines: eine Amtskirche in Österreich, die immer dann bei Gipfeln dabei ist und sich aktiv einschaltet, wenn es um soziale Benachteiligung von Menschen in Österreich geht, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht! Das würde ich mir auch wünschen: dass diese Amtskirche dann genauso aktiv wird! (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Der vorliegende Gesetzentwurf lässt zentrale Fragen offen, zum Beispiel die Frage der Gesamtschule. Es ist schon angesprochen worden ist, dass da ein breiter Interpreta­tionsraum offen bleibt. Es geht aus unserer Sicht nicht an, dass Sie, weil Sie sich nicht einig sind, was Sie künftig mit einer Gesamtschule in Österreich machen wollen, ein Gesetz verabschieden, das genau diese zentrale Frage nicht behandelt und nicht klärt. Es kann auch nicht Aufgabe eines Gerichts sein, das zu klären.

Der Vergleich von Kollegem Brosz, den er vorhin gebracht hat, mit dem Kauf eines Autos, wo sich niemand entscheidet, wie dieses Auto eigentlich sein soll, und wo dann plötzlich völlig verschiedene Produkte im Spiel sind, zeigt, wie unterschiedlich da die Standpunkte sind. Es hat sich ja auch an den Reaktionen nach dem Unterrichts­ausschuss gezeigt, dass Sie überhaupt nicht wissen, was Sie in diesem Gesetz ver­abschieden. Leider – wenn ich beispielsweise an die Kollegin Rossmann denke, die danach völlig aufgebracht war. (Zwischenruf der Abg. Rossmann.) Am nächsten Tag hat es dann geheißen: Alles ist ganz anders! Ihr könnt eh machen, was ihr tun wollt, allerdings weiterhin in Form eines Schulversuchs! – Das ist keine Verbesserung für diesen Staat, und das ist auch keine Verbesserung für das Schulsystem! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben in diesem Antrag einen weiteren Punkt, der da heißt: „Schulen sind Einrich­tungen, in denen Schüler gemeinsam nach einem umfassenden, festen Lehrplan unter­richtet werden ...“

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Se damit genau das Gegenteil von dem tun, was die Zukunftskommission empfiehlt und erarbeitet hat. Die spricht nämlich davon – ich zitiere –, „neue formale Strukturen für schlanke Lehrpläne zu erstellen“. Und diese sagt auch ganz klar, dass es nicht darum geht – und das haben Sie, Herr Kollege Neu­gebauer, vorhin kritisiert –, Details zu beschließen, sondern dass es darum geht, einen Rahmenplan festzusetzen – ich betone: einen Rahmenplan! –, und das wäre unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker. Wir sind schon bereit, diese Verantwor­tung zu übernehmen, Sie allerdings drücken sich um diese Verantwortung. Leider! (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Amon hat gesagt, dass der neue Antrag auch das Ziel beinhaltet, dass die Schülerinnen und Schüler zu leistungsorientierten, musischen und kreativen Menschen werden. – Was er jedoch nicht angeführt hat, ist ein Begriff, der mir persönlich sehr aufgestoßen ist. Sie beschließen nämlich heute ein Gesetz – das sage ich all jenen von Ihnen, die es vielleicht nicht genau durchgelesen haben, was vorkommen kann –, in welchem steht, dass die Schülerinnen und Schüler zur Pflichttreue erzogen werden sollen. Zur Pflichttreue! (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Was ist das Problem?)

Ich habe diesen Begriff in die Suchmaschine Google eingegeben, und wissen Sie, was ich da an seitenlangen Antworten erhalten habe? – Da kommt man zu „Archiv der Monarchieliga“, zu „Timotheus“, nämlich zum Neuen Testament, zu „Lehrerkabarett“, zu „Militärische Laufbahnen meiner Vorfahren“, zu „NS-Nachrichten“ der NSDAP, zu „Kolpingwerk Stadtverband Münster“ und dem Zitat „Wer selbst pflichttreu ist, kann auch mit Erfolg andere zur Pflichttreue anhalten“. (Abg. Dr. Brinek: Haben Sie sich je mit philosophischen und anthropologischen Fragen beschäftigt?)


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Das ist eine „zukunftsorientierte“ Bildungspolitik: Pflichttreue? – Unserer Meinung nach nicht! Was Sie nämlich nicht drinnen haben, ist zum Beispiel die Kritikfähigkeit von Schülerinnen und Schülern. Das wäre zukunftsorientiert! Das wäre ein Signal gewe­sen! (Beifall bei den Grünen.)

Was Sie nicht festgeschrieben haben, das ist die gemeinsame Schule. Die Chancen sind nicht gleich, Frau Ministerin, das wissen Sie, das wissen wir, das wissen alle. Tun Sie nicht immer so, als seien derzeit die Chancen gleich – egal, ob man in eine Haupt­schule oder in eine AHS geht. Das ist nicht wahr! Pro forma ist das Bildungssystem durchlässig, aber in der Wirklichkeit funktioniert das nicht so, dass man einfach von einem System zum anderen wechseln kann.

Sie haben in Ihrem Antrag nicht einen schlanken Rahmenlehrplan enthalten, der auch politisch diskutiert und verabschiedet wird. Sie haben darin nicht enthalten die Förde­rung von Schülerinnen und Schülern, die dringend notwendig ist, damit wir einen stär­keren Ausgleich im Schulsystem bekommen. Sie haben darin nicht enthalten die Unter­stützung des Schulsystems durch Außenstehende, wie es etwa in Finnland mit großem Erfolg praktiziert wird, dass zum Beispiel in verstärktem Maß SozialarbeiterInnen, TherapeutInnen und so weiter an die Schulen kommen, die mithelfen, den Schulalltag zu gestalten, und die auch bei Problemen frühzeitig helfen können, ansetzen können, die helfen können, dass sie verhindert werden. All das haben Sie verabsäumt! Sie hätten in diesem Gesetz dazu die Möglichkeit gehabt. Schade darum. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Staatssekre­tär Mag. Schweitzer. Redezeit: 9 Minuten. – Bitte.

 


11.46.11

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre natürlich ver­lockend, jetzt weiter darüber zu diskutieren, warum es so lange gebraucht hat, um die­sen vernünftigen Schritt zu setzen. Das ist aber, glaube ich, nicht mehr das große The­ma. Es ist Gott sei Dank jetzt so weit, und damit können wir diese Diskussion beenden.

Ich glaube, es ist auch nicht das wesentliche Thema, ob mit dieser Neufassung des Gesetzes jetzt die gemeinsame Schule mit einfacher Mehrheit eingeführt werden kann oder mit Zweidrittelmehrheit. Es geht, glaube ich, darum, jetzt die Möglichkeiten zu nut­zen, um die Qualität an unseren Schulen wesentlich zu heben, und das so rasch wie möglich.

Ich habe mir von dieser Diskussion hier eigentlich erwartet, dass es bereits ganz klare Vorschläge von den einzelnen Fraktionen dazu gibt, wie wir diese neuen Möglichkeiten nützen wollen, muss aber leider gestehen, dass ich etwas enttäuscht darüber bin, dass insbesondere die profilierten Bildungspolitiker von der Sozialdemokratie es verabsäumt haben, ihre Redezeit hier dafür zu nützen, endlich einmal Vorschläge auf den Tisch zu bringen (Zwischenruf des Abg. Reheis), wie wir es jetzt besser machen wollen, wie wir die Qualität an unseren Schulen heben wollen. Ich bin der Kollegin Rossmann und der Kollegin Bleckmann dankbar, dass sie hier die Möglichkeit genutzt haben, einige Vor­schläge zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Vielleicht haben Sie die Zeit genutzt, um noch einmal Ihren Anteil an diesem großen Erfolg darzustellen. Mag sein. Vielleicht haben Sie Ihren Anteil auch deshalb so darge­stellt, weil Ihnen die Ideen fehlen, wie wir mit diesen neuen Möglichkeiten umgehen.


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Aber vielleicht kann ich einige Beiträge liefern, meine sehr geehrten Damen und Her­ren, wie wir mit den neuen Möglichkeiten umgehen.

Es geht doch darum, jungen Menschen die Fähigkeiten zu vermitteln, mit laufenden Veränderungen umzugehen, neues Wissen, neue Fertigkeiten durch Kombination be­stehender Fähigkeiten zu erwerben. Ich glaube, darum geht es, und in diese Richtung müssen wir unser Schulsystem weiterentwickeln, so, dass das auch möglich ist. Wir müssen in einer gemeinsamen Diskussion darüber nachdenken, und ich lade alle ein, die an einer Bildungsdiskussion, die zu einer Qualitätssteigerung beiträgt, Interesse haben.

Schlussendlich muss die zukünftige Schule vermehrt darauf reagieren können, dass das Wesen der Dinge Verbundenheit und Vernetzung ist. Die Schule der Zukunft, so stelle ich sie mir vor, soll ein Bildungsunternehmen sein. Daher muss Qualität gehoben und muss Qualität gesichert werden. Ich erlaube mir einige Vorschläge dazu zu machen. (Abg. Faul: Das muss auch finanziert werden!)

Herr Direktor Faul, ein wesentlicher Punkt, warum in der Schule nicht wirklich so viel weitergegangen ist, wie wir es gerne hätten, ist die Tatsache, dass es einen relativ geringen Außendruck – zum Beispiel vielleicht auch auf Ihre Schule – gibt. Die Schulen sind nämlich nicht verpflichtet, sich nachweislich um Qualitätssicherung zu bemühen. Darum geht es aber! Die Schulen müssen sich in Hinkunft um eine Anhebung der Qualität und um eine Qualitätssicherung bemühen, und deshalb wird es für uns wichtig sein, wird es für uns in diesem Hohen Haus wichtig sein, die Verpflichtung auf ein Schulprogramm und auf eine Schulbilanz einzuführen. Ich glaube, dass es dadurch, dass Schulen Rechenschaft ablegen müssen darüber, ob sie ihre Zielsetzungen erreicht haben, und dass sie dann, wenn sie sie nicht erreicht haben, darüber nach­denken müssen, warum das nicht der Fall ist, einen gewaltigen Qualitätssprung geben würde.

Deshalb wiederhole ich meine Vorstellung: Schulprogramm, Schulbilanz – ein wesent­licher Schritt zur Qualitätssteigerung und zur Qualitätssicherung.

Wir sind gemeinsam dabei, auch den Bereich der Lehrerausbildung und Lehrerfortbil­dung auf ein höheres Niveau zu bringen. Ich glaube, dass mit der Einführung der Pädagogischen Hochschule ein Schritt in die richtige Richtung gemacht wird. Wir haben ja früher das Problem gehabt: pädagogisch gut ausgebildete Pflichtschullehrer, fachlich gut ausgebildete Lehrer an den höheren Schulen, aber wo der eine gut war, hatte der andere Defizite, und umgekehrt. Ich hoffe, wir können diese Defizite mit der neuen Lehrerausbildung beheben und auch damit einen Beitrag zur Qualitätssteige­rung leisten.

Es wird aber auch wichtig sein, dass junge Menschen, die diesen sehr verantwortungs­vollen Beruf ergreifen wollen, die Möglichkeit bekommen, gleich zu Beginn zu über­prüfen, ob sie wirklich die Voraussetzungen und die Fähigkeiten mitbringen, um diesen Beruf ein Leben lang entsprechend gut auszuüben. Deshalb ist, glaube ich, eine Stu­dieneingangsphase, in welcher junge Menschen die Rückmeldung darüber bekommen, ob sie geeignet sind oder nicht, eine wesentliche Voraussetzung, wenn wir hier einen weiteren Schritt in die richtige Richtung machen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim PISA-Test hat sich ein Phänomen wie­derholt, das wir bereits bei der TIMS-Studie feststellen konnten. Die Schwächen der österreichischen Schüler liegen vor allem darin, dass sie den Bereich, in dem sie anspruchsvolle Aufgaben verstehen, interpretieren, Schlüsse ziehen, offene Antworten formulieren, nicht wirklich so beherrschen, wie es sein sollte. Wahrscheinlich ist die Ursache auch darin gelegen, dass nach wie vor der fragend entwickelnde Unterricht im


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Vordergrund steht und damit Routinekompetenzen gefördert werden. Denkprozesse und eigenständiges Arbeiten werden dadurch natürlich nicht so gut gefördert.

Ich denke, dass hier auch bei der Lehrerfortbildung angesetzt werden muss, um eine Veränderung in die Richtung zu bewirken, dass es zu „Learning by doing“ kommt, dass Schüler viel aktiver im Unterricht tätig sein können und nicht immer nur die Rolle des Rezipienten einnehmen. Ich glaube, dass hier ein gewaltiger Aufholbedarf besteht, und wir sollten diesem Aufholbedarf auch Rechnung tragen.

Die Erweiterung des methodischen Repertoires von Lehrerinnen und Lehrern ist in der Aus- und Fortbildung sicherlich notwendig. Ich glaube, dass auch – von der Kollegin Rossmann wurde es bereits angeführt – das Andenken der Einführung von Fächerbün­deln, wodurch das vernetzte Arbeiten weitaus mehr in den Vordergrund rücken könnte, durchaus seine Berechtigung hat. Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken, ob wir nicht relativ rasch damit beginnen sollen, das auch umzusetzen.

Frau Bundesminister, ich glaube, dass wir auch ein Problem bei den geltenden Rege­lungen für die Leistungsbeurteilung haben. Auch diese dürften zum Teil Einfluss auf die schwachen Testleistungen bei anspruchsvollen Aufgaben haben, weil es nur gestattet ist, den erst kurze Zeit vorher durchgenommenen Stoff zu prüfen. Ich glaube, das erschwert den Aufbau substanziellen Wissens und verleitet Schüler sehr häufig dazu, nur kurzfristig zu lernen, nur für den Tag der Prüfung zu lernen. Damit kommt das wenig Differenzierte bei den Rückmeldungen heraus.

Wir müssen hier, glaube ich, einen völlig neuen Leistungsstandard andenken und durch eine völlig neue Form der Leistungsbeurteilung einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung machen. Da wird es auch notwendig sein, dass sich unsere Lehrer­fortbildung in diese Richtung entwickelt. Ich glaube, dass die Rolle der PIs eine durch­aus hinterfragenswerte ist, und wäre sehr froh darüber, wenn in Hinkunft die Lehrer­fortbildung auch an den Pädagogischen Hochschulen stattfindet und von privaten Anbietern gemacht werden kann. (Abg. Mag. Gaßner: ... Privatisierung!)

Frau Bundesminister! Mir ist es ganz wichtig, dass wir einen zentralen Punkt gemein­sam angehen. Schule und Sport, Schule und Bewegung, das ist mir ein sehr, sehr großes Anliegen. Bitte stellen wir außer Streit, dass wir alles daransetzen werden, die tägliche Bewegungseinheit anzubieten! Das ist ein Gebot der Stunde. Wenn wir uns die körperliche Entwicklung unserer Jugend anschauen, dann ist diese eine äußerst beklagenswerte! Bitte tun wir alles dafür, dass diese Bewegungseinheit realisiert wird! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben zu 24 bis 25 Prozent bereits Fettleibigkeit bei unseren Jugendlichen, wir ha­ben zu 40 bis 50 Prozent Haltungsschäden bei unseren Jugendlichen. Die Gewöhnung ans tägliche Bewegen von Kindheit und Jugend an ist das, was uns weiterhelfen kann. Das goldene motorische Lernalter ist im Kindergarten und in der Schule zu finden, und da ist alles zu tun, um die Möglichkeit zu nutzen, dass wir vom Krankheitssystem zum Gesundheitssystem kommen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Krankheitssystem aufzuwenden, ist viel zu viel. Die tägliche Bewegungseinheit kann hier rasch Abhilfe schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die nächsten vier Rednerinnen und Redner verfügen über jeweils 5 Minuten Redezeit.

 


Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. – Bitte. (Staats­sekretär Mag. Schweitzer – in Richtung SPÖ –: Waren das genug Vorschläge? Wenn man sie nicht hören will, hört man sie nicht! – Gegenrufe bei der SPÖ.)


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110. Sitzung / Seite 65

11.55.50

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren zu Hause an den Fernsehgeräten! Auf dem Wegweiser in die Zukunft ste­hen an vorderster Stelle als Eckpfeiler Bildung, Wissenschaft und Forschung. Unsere Kinder sollen in der Schule bestens auf die zukünftigen Herausforderungen einer modernen Wissensgesellschaft und auf eine sich rasch ändernde Arbeitswelt vorbe­reitet werden.

Heute ist ein sehr, sehr guter Tag für die österreichische Bildungspolitik! Paktierte Gesetzgebung und Unflexibilität durch Zweidrittelmehrheiten gehören endgültig der Vergangenheit an. 95 Prozent der Schulgesetze können künftig mit einfacher Mehrheit geändert und verbessert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Für wichtige Grundsätze gibt es einen verfassungsrechtlichen Rahmen, der Sicherheit und Kontinuität bietet. Dieser Rahmen enthält einen Zielparagraphen, einen Verfas­sungsauftrag zur Differenzierung nach Inhalt und Höhe, wobei § 3 Schulorganisations­gesetz die Differenzierung näher determiniert. Der Rahmen legt Schulgeldfreiheit, Schul- und Berufsschulpflicht fest und sichert auch den Religionsunterricht und das konfessionelle Privatschulwesen ab. Damit schaffen wir jene Flexibilität, die für eine gedeihliche Weiterentwicklung des Bildungssystems erforderlich ist.

Der Wettbewerb der besten Ideen im Hinblick darauf, was für die Schüler am besten ist, ist gefragt. Für die Sechs- bis Vierzehnjährigen wird grundsätzlich die Fünftage­woche eingeführt. Dies ermöglicht den Kindern längere Erholungspausen und gibt den Familien Chancen für mehr gemeinsame Aktivitäten. Von 87 Prozent der Bevölkerung wird die Fünftagewoche begrüßt.

In Zukunft ist grundsätzlich Tagesbetreuung an den Schulen anzubieten. Häufig arbei­ten beide Elternteile, es gibt auch viele Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher. Für viele Eltern ist es eine wichtige und notwendige Unterstützung, wenn ihren Kindern in der Primar- und Sekundarstufe 1 eine Betreuung am Nachmittag angeboten wird. Wichtig ist uns aber die Freiwilligkeit dieser notwendigen Unterstützung. Die Eltern sollen selbst wählen, ob und in welchem Umfang ihre Kinder das Angebot der Betreuung in den Schulen in Anspruch nehmen.

Die Gesamtschule mit verschränktem Unterricht würde diese Wahlfreiheit einschrän­ken. 62 Prozent der Bevölkerung sind im Übrigen auch gegen diese verpflichtende Gesamtschule mit verschränktem Unterricht. Welche auf Freiwilligkeit aufbauenden Betreuungsformen an einer Schule angeboten werden, soll in erster Linie von der re­gionalen Bildungsplanung und von den Schulpartnern am Standort festgelegt werden.

Lern- und Freizeitbetreuung in Form von Förderunterricht, von Sport und von kreativen Tätigkeiten sollen angeboten werden. Der Förderunterricht wird in Zukunft flexibel und den tatsächlichen Bedürfnissen der Kinder entsprechend durchgeführt. Stark Begabte gehören gefordert, Schwächere gefördert. Fordern und Fördern, das ist in Zukunft die Devise! (Beifall bei der ÖVP.)

Mir ist auch das Bewegungsangebot für die Kinder besonders wichtig. Die Kooperation mit örtlichen Sportvereinen bietet sich an. Die Kinder sollen nicht nur im Rahmen der Nachmittagsbetreuung Sport betreiben, sondern es ist auch ein Ziel, eine Brücke zur Sportausübung in den Vereinen zu schlagen.

Herr Abgeordneter Gusenbauer, das schulfertige Kind, das nach Hause kommt, gibt es nicht. Das sagt auch Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes – ich zitiere –:


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110. Sitzung / Seite 66

Die Schule, in der wir um 7.30 Uhr unsere Kinder abgeben und aus der sie am Abend maturareif, gebildet, erzogen, ausgeglichen und mit dem Pyjama bekleidet zum Kuscheln nach Hause kommen, diese Schule ist eine Illusion. – Und weiters: Es gibt keine Bildungsoffensive ohne Erziehungsoffensive. Eine Offensive der häuslichen Erziehung ist überfällig, denn es ist eine Tatsache, dass sich immer mehr Eltern von der Erziehung verabschieden. – Zitatende.

Ich möchte es nicht verabsäumen, mich abschließend bei den Pädagoginnen und Päd­agogen für ihre geschätzte Arbeit zu bedanken. Unsere Schüler fühlen sich in unseren Schulen sehr, sehr wohl – internationale Vergleichsstudien haben das ergeben –, und das ist das größte Kompliment für unsere Lehrerinnen und Lehrer. Die Schüler gehen gerne in die Schule.

Dieses Ergebnis ist auch ein sehr guter Beweis für die tolle Arbeit. Wenn ich mir die ehrenamtliche Tätigkeit unserer Pädagoginnen und Pädagogen in ganz Österreich anschaue, dann muss man dieser ehrenamtlichen Tätigkeit auch außerhalb der Schul­zeit höchste Anerkennung zugestehen und dafür Respekt zollen. Ich glaube, sie haben sich die Diskussion, wie sie zum Teil geführt wird, nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

Dank gilt auch der Bundesministerin und den Mitgliedern des Unterrichtsausschusses unter dem Vorsitz von Werner Amon sowie den Bildungssprechern, den Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern in den Ministerien und Klubs.

Der Schulpolitik werden durch den heutigen Parlamentsbeschluss neue Chancen ge­geben. Nutzen wir gemeinsam diese Chancen auf eine noch bessere Ausbildung unse­rer Kinder! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl zu Wort. – Bitte.

 


12.01.06

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute tatsächlich ein außergewöhnlicher Tag, denn es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Oppositionspartei den Regierungsparteien anbietet, ihre Sperr­möglichkeit in einer wichtigen Materie aufzugeben, und es ihr dann über Wochen hinweg auch gelingt, die Regierungsparteien dort hinzutragen, dass dieser Beschluss heute fallen kann. (Abg. Mag. Molterer: Überheben Sie sich nicht!)

Ich halte es auch für sehr, sehr gut, dass in einer der umstrittensten Fragen ein Kom­promiss gefunden werden konnte, der uns nicht zu einem Schulsystem verpflichtet, das in Schularten differenziert ist, sondern ein Schulsystem ermöglicht, das mit innerer oder mit äußerer Differenzierung konstruiert ist, und damit, sehr geehrte Damen und Herren, auch die gemeinsame Schule nach dem finnischen Modell möglich macht, die Schule, die letztlich die finnischen Kinder zu Weltmeistern gemacht hat! Das ist, glaube ich, ein großes Vorbild. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wir sollten heute tatsächlich über die nächsten Schritte nachdenken, nämlich dar­über, was wir gemeinsam mit dieser neuen Bewegungsfreiheit machen. Und da, Herr Staatssekretär Schweitzer, haben die Bildungsexperten und -expertinnen der SPÖ viel nachgedacht und bereits sehr, sehr viele Vorschläge ausgearbeitet, die ich Ihnen gerne überreiche. (Die Rednerin überreicht Staatssekretär Mag. Schweitzer eine Bro­schüre. – Staatssekretär Mag. Schweitzer: Danke!)

Mit Ihnen und der Frau Bundesministerin diskutieren wir diese Vorschläge gerne, und zwar in der Hoffnung, dass auch etwas weitergehen wird. Es ist schlicht und einfach unser Ziel, dass wir es in den nächsten Jahren schaffen wollen, die Zukunftschancen


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110. Sitzung / Seite 67

unserer Kinder zu verbessern und die Sorgen, die viele Eltern in der Schule mit ihren Kindern haben, zu senken.

In der Tat ist es wichtig – das haben heute schon einige gesagt –, möglichst früh damit zu beginnen, die Kinder zu unterstützen. Ich spreche lieber davon, dass wir die Kinder dort fördern sollen, wo sie Schwächen haben, und dort fordern sollen, wo sie Stärken haben. Kinder haben nicht nur Schwächen oder nur Stärken, das wissen wir alle, das haben wir heute schon einige Male gehört. Das Problem ist nur, dass Sie genau das Gegenteil machen: Die Frühförderung ist in den letzten Jahren nicht ausgebaut wor­den, sondern im Gegenteil, bei den Kindergärten sind die Mittel zurückgefahren wor­den. Es war eine Ihrer ersten Taten, als Sie die Regierung übernommen haben, dort die Mittel zu streichen.

Frau Bundesministerin, die Förderstunden in den Schulen sind nicht ausgebaut, son­dern leider stark zurückgenommen worden. Die engagiertesten Lehrer und Lehrerinnen schaffen es nicht mehr, allein in der Klasse stehend, in einer großen Klasse stehend, sich wirklich um das einzelne Kind entsprechend zu kümmern, wie sie das gerne möchten und wie es notwendig wäre.

Es ist wirklich nicht fair, Frau Bundesministerin, wenn Sie beim Thema Ganztags­schule – das wäre ein wichtiges Instrument, um die Kinder besser zu fördern – darauf verweisen, dass sich die Eltern zu wenig um die Kinder kümmern. (Abg. Mag. Molterer: Das hat sie nicht gesagt!) Ganz im Gegenteil: Die Eltern verzichten auf sehr viel Freizeit und kümmern sich sehr um ihre Kinder, weil ihnen die Kinder in der Regel das Wichtigste im Leben sind.

Ein weiteres wichtiges Ziel wäre es, die Sorgen der Eltern insofern zu lindern, als die Nachhilfekosten gesenkt werden. Es wird viel zu viel Geld für Nachhilfe hinausgewor­fen: 100 Millionen €! Wir sollten uns das Ziel setzen, diesen Aufwand in absehbarer Zeit deutlich zu senken, tatsächlich mehr in der Schule zu erledigen und den Kindern das Sitzenbleiben zu ersparen. Da werden sinnlose Ehrenrunden gedreht, es wird viel Geld und viel Zeit verschwendet. Das sollten wir den Kindern ersparen. Jeder Euro, sehr geehrte Damen und Herren, den wir investieren, um die Kinder möglichst bald dort abzuholen, wo sie stehen und unsere Unterstützung brauchen, jeder solche Euro ist gut investiertes Geld, hilft den Kindern später, Lebenschancen zu bewahren, und hilft den Eltern dabei, ihre Sorgen anzugehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, Sie haben vor wenigen Tagen Ihr Zehnjahresjubiläum als Ministerin gefeiert. Persönlich möchte ich Ihnen auch dazu gratulieren, weil ich denke, dass zehn Jahre in einem derart exponierten Amt keine leichte Zeit sind. (Demonstra­tiver Beifall bei der ÖVP.) Aber ich bin sicher, dass Sie sich in einer ruhigen Minute auch überlegt haben: Nach zehn Jahren, was bleibt denn da von meiner Arbeit übrig? (Abg. Mag. Molterer: Sehr, sehr viel!) – Ich muss Ihnen sagen, Frau Bundesministerin, Sie haben vor Jahren einen Wendepunkt in der Bildungspolitik eingeleitet, und es ist leider vieles schlechter geworden. Wir waren schon viel weiter – Stichwort Förderun­terricht zum Beispiel. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Mag. Molterer: Da läutet die Frau Präsidentin zu Recht!)

Frau Bundesministerin, diese Verantwortung bleibt Ihnen! Ich kann zum heutigen Tag nur das Angebot machen: Leiten wir gemeinsam ein Reformzeitalter ein, nehmen Sie unser Angebot an! (Beifall bei der SPÖ.)

12.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. – Bitte, Herr Klubobmann. (Abg. Dr. Cap: Ein bissel Bewegung, dann geht was weiter!)

 



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12.06.42

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Es ist herrlich, das muss man sagen! Die Kollegen werden es nicht gehört haben – gerade der Kollege Cap sagt: Be­wegt euch endlich, dann geht was weiter, und wir kommen zu Reformen. Wunderbar! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Cap, ich möchte ja nicht sagen, dass du 30 Jahre gebraucht hast – nämlich 30 Jahre SPÖ-Regierung –, um zu dem Gedanken zu kommen, dass auch in der Bil­dungspolitik mit der Aufhebung der Zweidrittelmehrheit endlich etwas in Gang kommen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Folgendes kann ich aber schon sagen: Du, Kollege Cap, hast fünf Jahre lang ge­braucht, um endlich einzugestehen, dass mit dieser Regierung jetzt endlich die Blo­ckade und der Stillstand in der Bildungspolitik der Vergangenheit angehören. Das sollte man durchaus auch hier anerkennend bemerken. Wenigstens nach fünf Jahren haben das auch die SPÖ und der Klubobmann eingesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist dies richtig, und es ist jetzt zumindest einmal ein Ansatz vorhanden. Hier ist über einen großen Wurf et cetera diskutiert worden; na ja, ich und wir hätten uns gewünscht, dass wir wirklich ganz klar und deutlich gesagt hätten: Die Zweidrittelmehrheit hat im Schulbereich nichts mehr verloren, sie ist antiquiert, wir wollen sie nicht mehr. (De­monstrativer Beifall der Abg. Rossmann.)

Keine Frage, wir wollen einige Prinzipien, etwa das Recht auf Bildung, selbstverständ­lich im Verfassungstext, in der österreichischen Bundesverfassung verankert haben, ja! Aber alles andere – auch die Schulorganisation, meine Damen und Herren – hat im Verfassungsrang nichts zu suchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist das doch überhaupt nicht einzusehen! Das Strafrecht ist Sache von Einfach­gesetzen, alle Sozialgesetze, natürlich mit massiven Auswirkungen auf den Einzelnen, sind Einfachgesetze, aber die Frage der Schulorganisation – ob es in einem Bundes­land ein Schulkollegium mit Landesschulräten und Funktionären gibt – kann ich auch in Zukunft nur mit Zweidrittelmehrheit abschaffen. Das ist antiquiert! Deshalb ist dies ein erster, ein wichtiger Schritt, aber hoffentlich und sicherlich nicht der letzte Schritt, um endlich diesen Stillstand, diese Blockade, diese Reste des alten Proporzes wirklich abzuschaffen und in Österreich ein modernes Schulrecht einführen zu können.

Wir werden diesen ersten Schritt selbstverständlich auch als solchen sehen, und wir werden nicht müde werden, darauf hinzuwirken, dass diesem ersten Schritt weitere wichtige Reformschritte folgen werden und folgen müssen. Denn es ist notwendig, meine Damen und Herren, dass wir das Schulsystem auf die Zukunft ausrichten. Nicht für sich selbst ist dieses System da, auch nicht für die Lehrer, die sind ein wichtiger Bestandteil – (in Richtung des gestikulierenden Abg. Broukal:) reden Sie nachher, Herr Kollege, ich habe heute ausnahmsweise nur fünf Minuten Zeit, um meine Ideen vorzu­bringen –, sondern es geht darum, auch das Bildungssystem so modern zu schaffen, so flexibel zu schaffen, darin so viele Wahlmöglichkeiten zu schaffen, dass unsere Jugend die notwendige Ausbildung für die Zukunft erhält.

Um diese Flexibilität – diese Wahlmöglichkeiten, aber auch die Differenzierungen – geht es uns, meine Damen und Herren: dass man nicht ausschließt, dass es eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen gibt, dass es eine gemeinsame Schule – so wie es jetzt den Schulversuch gibt – der Sechs- bis Fünfzehnjährigen geben soll. Ja, keine Frage, aber das darf nicht als die einzig mögliche Schulform für die Zukunft verordnet werden.


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Dafür bietet, wie ich meine, diese Vorlage jetzt durchaus eine taugliche Regelung. Im großstädtischen Bereich, meine Damen und Herren, und gerade auch in Wien, kann ich mir keine Form der Gesamtschule oder der gemeinsamen Schule als einzig mögliche Schulform vorstellen. Das wäre sicherlich gerade vor dem Hintergrund, vor dem wir hier stehen, nicht adäquat und vor allem auch nicht leistungsfördernd. (Abg. Mag. Gaßner: Was unterscheidet denn in diesem Bereich eine Großstadt vom länd­lichen Raum?)

Du, lieber Freund, bist in Oberösterreich. Dort gibt es eine andere Situation. Orga­nisiere dir dort deine Schulen! In Wien ist eine andere Situation, leider eine andere Situation, aber genau diese Berücksichtigung der Unterschiede sollte auch in Zukunft gewährleistet sein: Flexibilität, Differenzierung, Wahlmöglichkeit für Eltern und Schüler.

Was mir nicht gefällt an diesem Kompromiss: Der Herr Kardinal ist ehrenwert und alles ist in Ordnung. Dass es aber eine Achse zwischen Sozialdemokratie und katholischer Kirche geben muss, um eine Regierungsvorlage zu verhandeln, das verstehe auch ich nicht. (Abg. Dr. Niederwieser: Das hättet ihr auch nicht zusammengebracht!)

Ich hoffe, das ist kein Beispiel für die Zukunft! Wir sollten die Gesetze hier im Parla­ment diskutieren und auch beschließen.

Mir hätte es besser gefallen, wenn wir den Grundsatz, den wir im Verfassungskonvent erreicht haben, nämlich keine Verfassungsbestimmungen in einfachgesetzlichen Mate­rien vorzusehen, auch hier umgesetzt hätten. Leider gab es jedoch im Verfassungs­konvent keinen Konsens, und deshalb ist das jetzt einmal eine Krücke bis dorthin. Ich hoffe, wir schaffen es noch einmal zu sagen: Verfassung ist die österreichische Bun­desverfassung, die eine Zweidrittelmehrheit erfordert. Alles andere – auch der Schul­bereich – wird einfachgesetzlich geregelt. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glo­ckenzeichen.)

Jedenfalls ist wichtig: Die Schule darf kein Spielball sein, weder für irgendeine poli­tische Partei noch für eine Religionsgemeinschaft, sondern sie soll die Bildungsstätte für die Zukunft unserer Jugend sein. Hier werden wir noch viel zu tun haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


12.12.03

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Was wir hier heute erleben, das ist ein Rückfall in alte Zeiten oder vielleicht auch ein Vorgeschmack auf zukünftige. Jedenfalls hat es einen schalen Beigeschmack.

Was passiert heute? – Es wird die Zweidrittelmehrheit, eine Reformblockade für den Schulbereich, abgeschafft und gleichzeitig auch wieder eingeführt. Ich denke, es gibt kein einziges vernünftiges Argument dafür, im Schulbereich eine so genannte Reform­blockade aufrechtzuerhalten. Was unterscheidet den Schulbereich vom Bereich der Universitäten, vom Familienrecht, vom Adoptionsrecht oder von solch sensiblen Be­reichen wie dem Strafrecht? Nichts unterscheidet das Schulorganisationsrecht von diesen Fragen! (Beifall bei den Grünen.)

Das, was wir hier heute erleben, ist deswegen ein Rückfall, weil das vielen Österrei­cherinnen und Österreichern bereits bekannt ist. Über viele Jahrzehnte hinweg war die Republik aufgeteilt zwischen Rot und Schwarz. Ein wichtiges Element dieser Proporz­politik, in der es um Postenbesetzung gegangen ist, in der es auch um gegenseitige Blockaden gegangen ist, war die Verfassung und dass man in die Verfassung Dinge


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hineingeschrieben hat, die man nur mit Zweidrittelmehrheit ändern kann, um sich ge­genseitig zu kontrollieren und einander keinen Bewegungsspielraum zu ermöglichen.

Und so war auch die Schulpolitik. Das hat jahrzehntelang funktioniert, hat sich aber in den letzten zehn, 15 Jahren als absolut überholt herausgestellt, ist auch absolut re­formbedürftig und darf auch so nicht mehr weitergehen.

Wir haben jetzt 18 Monate lang im so genannten Österreich-Konvent über solche Ver­fassungsfragen diskutiert, und es ist nichts herausgekommen dabei. Es war nicht mög­lich, in diesem Haus eine Mehrheit für Reformen zu finden, eine neue Verfassung, in der solche Fragen nicht mehr Blockademehrheiten unterliegen, zu erarbeiten. Für die Schulpolitik gibt es jetzt zwar eine kleine Abschaffung, aber gleichzeitig auch wieder eine Einführung. Das ist der völlig falsche Weg, und ich finde es erschreckend, dass die Politik, SPÖ und ÖVP – das BZÖ erwähne ich nicht, weil die nicht einmal bei den Verhandlungen dabei waren, die sind dann zum Schluss irgendwie informiert worden – in einer so wichtigen Frage nicht fähig sind, eine politische Entscheidung zu treffen, sondern diese Entscheidung an den Verfassungsgerichtshof delegieren, sodass es Jahre dauern wird, bis wieder klare Richtlinien für die Schule, für die Schulpolitik vorlie­gen werden. Ich finde das verantwortungslos! (Beifall bei den Grünen.)

Die Verfassung wird damit zur Schutthalde für ungelöste politische Fragen und für un­gelöste politische Probleme, wie sie es über viele Jahrzehnte hinweg war, vom Benzin­preis in der Verfassung, von der Taxikonzession in der Verfassung bis hin zu einem Schulgesetz in der Verfassung, das dort absolut nichts verloren hat. Ich frage Sie noch einmal: Was unterscheidet die Schulpolitik von den Universitäten? Gar nichts! Das ist reine politische Blockadepolitik von ÖVP und SPÖ.

Die Verfassungsrechtler haben das Ergebnis zerfetzt. Sie wissen das. Es ist so formu­liert, dass man alles hineininterpretieren kann, dass es absolut unklar bleibt. Professor Funk sagt: völlig offen. Professor Raschauer sagt: Der Verfassungsgerichtshof muss jetzt Klarheit schaffen. Professor Funk spricht von einem erbarmungswürdigen Rest, der in einer Verfassung nichts zu suchen hat. Heinz Mayer sagt: Das sagt überhaupt nichts aus. Das ist so unbestimmt, dass man beinahe jede Meinung vertreten kann. Zu einer solchen Vorgangsweise bleibt nur zu sagen, dass man der österreichischen Bevölkerung etwas anderes schuldig wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man schon Verfassungsmehrheiten festlegt, dann sollte man tatsächlich poli­tische Entscheidungen treffen und sich nicht hinter einem Wortkompromiss verstecken und das dann an den Verfassungsgerichtshof delegieren. Es wird Jahre dauern, bis hier eine Klärung herbeigeführt sein wird.

Zur Schulpolitik noch zwei, drei Anmerkungen: Der Sportstaatssekretär hat sich heute hingestellt und davon gesprochen, wie wichtig sportliche Erziehung ist und dass das vor allem für Kinder, die bereits im jugendlichen Alter unter Bewegungsmangel leiden, extrem wichtig ist. Ich frage mich, wie das alles mit der Schulpolitik der letzten fünf Jahre und mit den letzten Budgets zusammenpasst. Das hervorstechendste Merkmal Ihrer Schulpolitik war kürzen, kürzen in allen Bereichen und ohne Rücksicht. Und gerade Bereiche, die gesellschaftlich so wichtig sind wie der musische Bereich, die Leibesübungen und alles, was im freien Bereich geschieht, sind radikal gekürzt wor­den. Das ist ein echter Raub an der Zukunft der jungen Menschen und Kinder! (Beifall bei den Grünen.)

Dann kam die PISA-Studie, und bis zum heutigen Tag warten wir auf irgendwelche Vorschläge. Frau Ministerin! Sie sind heute von Ihrem Bildungssprecher so gelobt wor­den. Was haben Sie getan, um den jungen Menschen ihre Zukunft zurückzugeben? 20 bis 25 Prozent der 15-Jährigen können nicht Sinn erfassend lesen. Das sind die Men­schen, die Sie in die Arbeitslosigkeit schicken, die Menschen, die nicht nur am Arbeits-


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markt keine Chance haben, sondern auch kulturell eines der wichtigsten Güter, die wir haben, nämlich zu lesen, für sich nicht nutzen können. Das ist verantwortungslos!

Und was machen Sie? Das Budget 2006 enthält wieder Kürzungen, wieder um 1 000 Lehrer weniger. Es waren schon im Vorjahr um mehr als 1 000 weniger, und jetzt noch einmal. Das ist äußerst verantwortungslos!

Es liegt in Ihrer Verantwortung, den Kindern und den Jugendlichen die Zukunft zu rauben. Mit dieser de facto Placebo-Verfassungsreform wird das Problem nicht gelöst, sondern einfach nur weiter vertagt. (Beifall bei den Grünen.)

12.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desministerin Gehrer mit einem Redebeitrag von 5 Minuten. – Bitte, Frau Ministerin.

 


12.17.20

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bedanke mich für die zumeist sehr sachlichen Beiträge zu dieser wichtigen und zukunftsweisenden Diskussion. Eine Aussage muss ich aller­dings zurückweisen: Frau Abgeordnete Kuntzl hat behauptet, dass ich gesagt hätte, die Eltern kümmerten sich nicht um ihre Kinder. Das habe ich nicht gesagt. Das ist falsch. (Abg. Mag. Kuntzl: Das ist eine Frage der Interpretation!)

Ich weiß, dass die Eltern sich sehr stark um ihre Kinder kümmern. Ich habe gesagt, dass Schule und Elternhaus gemeinsam für die Erziehung, die Ausbildung der Jugend verantwortlich sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Etwas traurig macht mich der Beitrag der Abgeordneten Glawischnig. (Abg. Dr. Gla­wischnig: Das glaube ich, weil er nämlich richtig war!) Ich halte diese Ausführungen für in großem Maße unrealistisch, Sie verursachen damit eine Verunsicherung. Wenn Sie das Verfassungsgesetz wirklich genau lesen: Da steht genau drinnen, dass der Gesetzgeber ein differenziertes Schulsystem vorzusehen hat. Seit den OECD-Studien, den internationalen Beurteilungen und seit Ihrer großen Liebe für Finnland weiß jeder in Österreich, was das differenzierte Schulsystem ist, und das differenzierte Schulsys­tem wird ganz genau beschrieben. (Abg. Dr. Glawischnig: Meine große Liebe ist nicht Finnland! Es geht um eine Verbesserung unseres Schulsystems!)

Es steht weiters drinnen, dass nach Bildungsinhalten zumindest in allgemein bildende und berufsbildende Schulen zu differenzieren ist, also zumindest! Wir haben die guten allgemein bildenden Schulen, die Handelsakademien, die HTLs, den ganzen Bereich der Tourismusschulen und die guten Gymnasien damit abgesichert. (Abg. Sburny: Damit ist ohnehin alles abgesichert! Gott sei Dank!) Das sind nämlich die allgemein bildenden Schulen.

Wir haben nach der Bildungshöhe in Primar- und Sekundarschulbereich unterschieden. Was Bildungshöhe bedeutet, steht ganz genau im Schulorganisationsgesetz, im § 3. Die Primarschule geht bis zur vierten Schulstufe, dann fängt die Sekundarschule an. Und dann steht da, dass es im Sekundarschulbereich eine weitere angemessene Dif­ferenzierung geben soll. Das ist doch ganz klar: Ab dem zehnten Lebensjahr, ab der fünften Schulstufe gibt es eine weitere angemessene Differenzierung.

Wenn Sie dazu noch den Abs. 10 lesen: Dort steht das Gleiche. Die Zweidrittel­mehrheit gilt, wenn die Grundsätze des Abs. 6a verlassen werden. Es ist also ganz klar definiert. Wir wollen aber, und das sage ich auch ganz offen, Weiterentwicklungen in allen Bereichen. Das Erste und Wichtigste ist die Schulqualität. Das hat die Zukunfts­kommission ganz klar festgestellt. Die Schulqualität zu entwickeln ist unsere oberste und wichtigste Aufgabe.


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Dann werden wir auch über die Schulorganisation Gespräche führen. Es gibt ja schon zahlreiche Versuche in der Autonomie. Es gibt die kooperative Mittelschule in Wien. Tun Sie also nicht so, als ob es da nichts gäbe! Die guten Gymnasien, die guten Hauptschulen und unsere guten berufsbildenden Schulen brauchen eine gewisse Sicherheit. Wir schaffen jetzt die Sicherheit, und wir eröffnen die Chance, in allen Schulgliederungen Weiterentwicklungen herbeizuführen. Und das ist gut so. (Abg. Mandak: Das ist Ihre Sicht der Dinge!) Das ist gut für unsere Schulen, das ist gut für die Kinder, das ist gut für die Lehrerinnen und Lehrer. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Wir werden als erste und vordringlichste Maßnahme die Umsetzung der zehn Bereiche vorantreiben, die wir im Zukunftsdialog, im Reformdialog gemeinsam besprochen haben. In diesem Reformdialog haben wir festgestellt, dass wir die Fünftagewoche ein­führen wollen, dass wir die Tagesbetreuung als Angebot der Schule im Gesetz ver­ankern wollen. Wir haben festgehalten, dass wir die pädagogischen Akademien in den nächsten Monaten in pädagogische Hochschulen umwandeln wollen. Wir haben fest­gehalten, dass wir die frühe Sprachförderung einführen. Wir haben festgehalten, dass wir die Starken fordern und die Schwachen fördern wollen. Wir haben festgehalten, dass wir den Leseschwerpunkt weiterführen, damit alle Kinder nach der vierten Klasse Volksschule Sinn erfassend lesen können. Wir haben festgehalten, dass wir die neue Methodik im naturwissenschaftlichen Unterricht einführen, die Leadership-Academy, die bereits läuft und die Weiterentwicklung der Schulaufsicht.

Das sind ganz große Bereiche, die alle die Qualität an unseren Schulen noch weiter verbessern werden. Ich fordere Sie auf, ich bitte Sie und ich freue mich darauf, wenn wir gemeinsam diese Fortschritte in der Qualität des Schulbereiches umsetzen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Broukal.)

12.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme nun die Redezeitverteilung für die letzten acht Redner und Rednerinnen vor. Die nächste Runde von vier Rednerinnen und Rednern wird jeweils 5 Minuten Redezeit haben, die letzte Runde wird dann mit jeweils 4 Minuten Redezeit von mir vergeben.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Brader. – Bitte.

 


12.22.46

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mandak, es ist nicht schlecht, wenn im Zielparagraphen von Pflicht die Rede ist. (Abg. Mandak: Es geht nicht um Pflicht, sondern um „Pflicht­treue“!) Es ist schon an der Zeit, einmal auch von den Pflichten zu reden und nicht im­mer nur von den Rechten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mandak: Es geht nicht um Pflicht, sondern um „Pflichttreue“, und das ist ganz etwas anderes!)

Frau Kollegin Kuntzl, wie Sie aus dem bestehenden Entwurf herauslesen können, dass unsere Schule nur mit inneren Differenzierungen das Auslangen finden kann, bleibt ein Rätsel. Unsere Schule braucht die derzeitige Vielfalt, und die ist gegeben und die ist zu differenzieren. Ich denke, wir sind da auf dem richtigen Weg.

Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Die Orientierung auf ein Gegenüber und die Bereitschaft zum Dialog, das sind die Türöffner für den kommunikativen Raum. Dieser etwas abgewandelte Spruch von Paul Watzlawick hat nun wieder Geltung bekommen, auch für die österreichische Bildungspolitik. In diesem Raum des Dialogs befinden sich über 95 Prozent der österreichischen Schulgesetze: Schulzeitregelun­gen, vorzeitiger Schulbesuch, Umbenennung von Gegenständen, Lehrplanvorgaben,


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110. Sitzung / Seite 73

Führung ganztägiger Schulformen auf Basis von Freiwilligkeit, Schulsprengelregelung, Angelegenheiten der Schulpartnerschaft, Leistungsbeurteilung, Leistungsgruppen, Or­ganisation der Schulbehörden, Fragen der Integration und so weiter. Draußen bleiben die schon besprochenen Eckpfeiler. Eine gute Lösung also.

Mit dieser Lösung wird eine wesentliche Bedingung für eine qualitätvolle Weiterent­wicklung eines an sich schon guten österreichischen Schulwesens erfüllt. Weiterent­wicklung heißt für mich, die Rahmenbedingungen für die Bildungsprozesse so zu gestalten, dass jedes Kind entsprechend seiner einmaligen Individualität daran teilneh­men kann. Das heißt, die Bildungsprozesse nehmen ihren Ausgang in der Individual­situation des je einmaligen Kindes. In Anerkennung dieser Forderung ist es notwendig, den kognitiven, körperlichen und psychosozialen Entwicklungsstand des Kindes genau zu kennen. Die geplante Vorverlegung der Schuleinschreibung ist daher zu begrüßen, wenn im Falle festgestellter allfälliger Entwicklungsverzögerungen auch die nötigen Fördermaßnahmen angeboten werden können. In diesem Zusammenhang wird es notwendig sein, die diesbezüglichen Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden zu koordinieren und zu organisieren.

Ein optimales Modell auf diesem Gebiet hat sich in Niederösterreich unter der Feder­führung der früheren Soziallandesrätin und späteren Landeshauptmann-Stellvertreterin Liese Prokop etabliert. In Niederösterreich – und das werden auch meine Kollegen aus unserem Bundesland bestätigen – kann jedem Kind mit besonderen Bedürfnissen ein entsprechendes Förderangebot gemacht werden, damit sichergestellt ist, dass der Bildungsprozess nicht schon von Anfang an gefährdet ist. (Abg. Gaál: In Wien ist es besser!)

Eine der Fragen, die nun im Raum stehen, ist natürlich die der Integration. Es steht für uns außer Zweifel, dass die integrative Betreuung für all jene Kinder möglich sein muss, bei denen sich die Eltern für diese Form der Betreuung entschieden haben beziehungsweise bei denen sich diese Form schon bewährt hat. Da geht es uns nicht um eine Automatik, sondern einzig und allein um die Frage, wo und in welcher Form die Bildung des Kindes am besten gefördert werden kann. Das zeigt wiederum: Im Mittelpunkt steht nicht ein System, sondern im Mittelpunkt kann nur das Kind als Per­son stehen mit seiner einmaligen Individuallage, mit seinem einmaligen, unantastbaren Bildungsanspruch.

Diesen Bildungsanspruch wird ja heute wohl auch niemand mehr anzweifeln, sehr wohl aber gibt es viele Diskussionen darüber, in welcher institutionellen Form das Kind seine beste Betreuung empfangen kann. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung Folgendes sagen: Ich habe zehn Jahre lang hörbehinderte Kinder in einem integrativen Projekt betreut und wissenschaftlich begleitet. Es ist so, dass nicht jede Betreuungsform für jedes Kind gut ist, sondern sie muss einfach auf das Kind abgestimmt sein.

Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich auf den Dialog über die vielen spannen­den Fragen, Fragen der Integration und der Weiterentwicklung der Schulaufsicht. Ich freue mich auf eine Diskussion auf einem Niveau, das uns zusteht, und nicht auf einem sehr tiefen Niveau. Ganz besonders aber, meine geschätzten Damen und Herren, freue ich mich auf die Rede des Bundeskanzlers am 14. dieses Monats. (Beifall bei der ÖVP.)

12.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Broukal. – Bitte.

 


12.27.43

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich könnte auf Ihren letzten Satz viel sagen,


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aber ein Rest von Pflichttreue meinem früheren Arbeitgeber gegenüber lässt mich hier lieber schweigen. Nur so viel: Ich war 27 Jahre lang Moderator, aber ich hatte nie eine Belangsendung des Bundeskanzlers anzusagen. Das weiß ich noch. – So. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das ist auch keine Belangsendung, sondern eine Rede! – Abg. Neudeck: Bei Ihnen war jede Moderation eine SPÖ-Werbung!)

In ein paar Stunden ist Schulpolitik ganz normale Politik in Österreich. Die Regierung beschließt sie – in Grenzen – mit Mehrheit, die Opposition kontrolliert, die Opposition macht Gegenvorschläge, und das heißt auch, Herr Staatssekretär, weil Sie das ein­gefordert haben: Bei der nächsten Nationalratswahl kann jede Partei zum ersten Mal seit Jahrzehnten den Wählern und Wählerinnen auch Angebote in Sachen Schulpolitik machen, die nicht durch das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit bloße Deklamationen sind, sondern auch wirklich Realität werden können.

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten steht fest: Wir wollen, dass die Schule in Zukunft mehr tut für die Kinder und für die Jugend. Ich möchte das an drei Beispielen erläutern.

Erstens: Wir wollen der Schule wieder das Geld geben, das sie braucht, um das Beste für die Kinder leisten zu können. Ich bin in den letzten Wochen in Oberösterreich in einigen Dutzend Veranstaltungen unterwegs gewesen mit Eltern, Lehrerinnen und Direktorinnen. Alle Schulleute haben ausnahmslos geklagt, sie bekämen jedes Jahr weniger Geld für den Förderunterricht, sie bekämen Jahr für Jahr weniger Geld, um Sprachschwierigkeiten der Zuwandererkinder – und die gibt es auch am Land – aus­gleichen zu können. Die Zahl der Kinder in den Klassen steigt wieder – diese Statisti­ken kennen Sie auch. Der Unterricht wird schwieriger.

Sie haben in den letzten Jahren 4 500 Lehrerinnen und Lehrer in Frühpension gehen lassen: in der irrigen Annahme, sie würden in der Schule nicht mehr gebraucht. Sie ha­ben 10 Prozent der Schulstunden gekürzt in der irrigen Annahme, Österreich brauche diese Schulstunden nicht für seine Kinder. Ich sage, wir von der SPÖ versprechen hier und heute: Wir werden dafür sorgen, dass die Schule wieder das Geld hat, das sie braucht, um bessere Arbeit leisten zu können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Und was davon halten Sie dann auch morgen?)

Zweitens: Wir werden allen Familien, die es brauchen, einen Ganztagsplatz an der Schule geben. Frau Bundesministerin Gehrer hat ja angekündigt, dass mindestens 15 Kinder Ganztagsbetreuung brauchen müssen, damit es Ganztagsbetreuung an einer Schule gibt. Wir sagen, was kann eine Mutter, was kann eine Familie dafür, dass sich an derselben Schule nicht noch 14 andere Familien finden, die Ganztagsbetreu­ung brauchen. Wir wollen, dass die Ganztagsbetreuung ein Elternrecht ist, unabhängig davon, wie viele Eltern mit Kindern an einer Schule das brauchen. (Abg. Rädler: Wer zahlt das?) Wer zahlt das? Sie und ich mit unseren Steuergeldern im Interesse der Bildung unserer Kinder. Und die sollte uns alles Geld der Welt wert sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Da wir gerade beim Geld sind: Sie von der ÖVP sind ja zum Beispiel der Ansicht, dass die Betreuung am Nachmittag für die Lehrer nur den halben Stundenlohn rechtfertigt. Dahinter steht die Meinung, es ginge ja bloß ums Aufpassen, ums Ruhigstellen. (Abg. Dr. Brinek: Wer sagt das? Wer sagt das?) Auch hier wollen wir mehr. Wir wollen, dass die Lehrer und Lehrerinnen auch am Nachmittag voll da sind für die Schüler und Schülerinnen, ihnen helfen, den Lehrstoff durchzugehen, ihnen Angebote für Sport und Kultur machen. (Abg. Neugebauer: Das wird einvernehmlich geregelt!) Das wird viel­leicht ein wenig mehr Geld kosten, als Sie bereit sind auszugeben, aber ich glaube, jeder Euro in diesem Bereich wird doppelte und dreifache Zinsen tragen in der Zukunft unseres Staates. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ein drittes konkretes Angebot für die Nationalratswahl in Sachen Schulpolitik: Wir wer­den den Gemeinden helfen, die Schulen für den Nachmittag einzurichten. Sie haben ja hier das Prinzip, dass Sie jetzt den Schulen mit jahrzehntelanger Verspätung erlauben, am Nachmittag generell aufzusperren, geben aber den Volks- und Hauptschulen dafür keinen einzigen Cent an Geld. Keinen einzigen Cent an Geld! (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt nicht!) Sie werden mir den Budgetansatz dann zeigen, und ich werde zerknirscht in mich gehen, Frau Kollegin Brinek. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Reiche Gemeinden werden sich also den Ausbau zur Ganztagsschule leisten können, Gemeinden, die nur das wenige Geld haben, das Sie im Finanzausgleich überweisen, werden es sich nicht leisten können. Diesen Gemeinden wollen wir aber helfen, wollen ihnen billiges Geld geben. Und wir versprechen: Die Ganztagsschule wird es in ganz Österreich geben und nicht nur in reichen Gemeinden dieses Landes. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie werden das alles dann von den Oppositionsbänken aus mitverfolgen können. Das wird für Sie kein Problem sein. (Abg. Rädler: Träumer!)

Ich möchte zum Abschluss den beiden Verhandlern gratulieren. Ich weiß aus eigener Anschauung, welche Schwierigkeiten Erwin Niederwieser zu überwinden hatte, und ich kann nur ahnen, welche Schwierigkeiten Sie, Herr Amon, hatten, um hinter den Kulis­sen bei der ÖVP das Ihre zu tun. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzei­chen.)

Ich aber bin stolz darauf, als einer von 183 Abgeordneten heute dieses historische Gesetz mitbeschließen zu können. (Abg. Scheibner – in Richtung Präsidentin Mag. Prammer –: Bei uns haben Sie das Mikrophon sofort abgedreht! – Abg. Neu­deck: Jeder SPÖ-Redner redet eine halbe Minute länger!) – Ihre Aufregung in Ehren: Ich bin schon fertig! – Danke fürs Zuhören. Auf Wiedersehen! (Beifall bei der SPÖ.)

12.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch zu Wort. – Bitte. (Abg. Neudeck: Frau Präsidentin! Schauen Sie sich die Zeitaufzeichnungen an! Jeder SPÖ-Redner redet um eine halbe Minute länger! – Wei­tere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

 


12.33.18

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Frau Ministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn sich die Aufregung gelegt haben wird, dass die Frau Präsidentin bei den SPÖ-Rednern ein bisschen mehr Nachsicht mit der Redezeit hat – das ist eben so, das müssen wir zur Kenntnis nehmen, wir werden etwas früher abgebrochen –, werde ich versuchen, dementsprechend schnell fertig zu sein, damit mir das nicht passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es haben jetzt zirka 20 Redner über diesen großen Erfolg gesprochen, es haben 20 Redner darüber diskutiert, wie epochal die Ereignisse sind. Kollege Broukal ist in seine Moderationsfunktion zurückgetreten und hat wieder einmal nur über das Geld diskutiert. Ich glaube, man kann hier summa summarum ganz klar sagen: Es ist ein wichtiger Schritt gesetzt worden. Es hat sich etwas bewegt, es ist etwas in Gang gekommen, es wurden Entscheidungen getroffen, die dazu beitragen werden, dass sich in der Bildungspolitik mehr bewegt.

Nur, meine geschätzten Damen und Herren, eines sollten wir uns alle vor Augen hal­ten: Wir, wir hier im Hohen Haus, schaffen lediglich die politischen Rahmenbedingun­gen, wir treffen lediglich jene Entscheidungen, damit diese Politik in der Schule besser werden kann. Wir treffen lediglich jene Entscheidung, damit Lehrer und Lehrerinnen,


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die Schüler, die Schülerinnen, die Beamten, aber vor allem eben die Lehrer und auch die Eltern jetzt wirklich besser handeln können. Das ist in Wirklichkeit eine sehr große, eine sehr starke Herausforderung für alle Betroffenen außerhalb dieses Hohen Hau­ses. Wir haben nur Rahmenbedingungen geschaffen.

Dieser neue Spielraum, meine geschätzten Damen und Herren, bietet Chance, aber auch Risiko, und ich möchte an dieser Stelle alle Verantwortungsträger und alle Verantwortlichen auffordern, dieses Risiko zu minimieren und die Chance der neuen Schul- und der neuen Bildungspolitik zu optimieren.

Es war faszinierend mitzuerleben und natürlich auch ziemlich beeindruckend zu sehen – Frau Kollegin Bleckmann hat das angesprochen –, dass es eine Oppositions­phase der SPÖ gebraucht hat, damit man diese Blockade aufgibt, dass es eine rund fünf Jahre dauernde Oppositionsphase der Kollegen Cap, Gusenbauer, Genossen und Genossinnen gebraucht hat, damit man bereit war, diese Blockadepolitik in der Bildung aufzugeben, Zweidrittelmehrheiten aufzugeben. (Abg. Mag. Molterer: Eine gute Me­thode!)

Man kann in Wirklichkeit nur eines fordern: Man kann die Kollegen vom Bündnis, man kann auch die Kollegen von der ÖVP nur auffordern, möglichst lange dafür zu sorgen, dass Sie in der Opposition sitzen bleiben, denn wir haben noch viele wichtige Materien aufzulösen, wir haben noch in vielen wichtigen Bereichen Zweidrittelmehrheiten abzu­schaffen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin, wenn Sie sich so aufregen: Vielleicht sollten Sie sich im Bereich der ÖBB-Reform auch einmal zusammensetzen und darüber nachdenken, ob Ihre Oppo­sitionshaltung und -rolle nicht auch jetzt in der ÖBB-Reform dafür geeignet wäre, die Zweidrittelmehrheiten für all die Pragmatisierungen und Frühpensionierungen abzu­schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das wäre ein guter Ansatz. Hier könnten Sie wirklich beweisen, wie wichtig Ihnen die Politik ist. In der Bildung ist es gelungen, die ÖBB wäre der nächste Schritt.

Ich möchte aber meine verbleibende Redezeit auch noch dafür nutzen, auf ein weite­res Problem der Schul- und Bildungspolitik einzugehen, das mir besonders wichtig erscheint. Ich habe selbst zwei Kinder, die sich gerade in dem Alter befinden, dass sie Kindergarten und Volksschule besuchen, und ich denke, dass wir hier wirklich auch sehr intensiv darüber nachdenken und daran arbeiten müssen, wie wir dort weiter­kommen, um eine noch engere Bindung des Kindergartens und der Volksschule her­beizuführen. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier alle daran arbeiten müssen, dass wir zum Beispiel – in nenne die Stichtagsregelung – vielleicht einmal dazu übergehen sollten, dass nicht mehr nur ein Datum darüber entscheidet, ob ein Kind in der Schule bereits weit genug entwickelt ist oder nicht, sondern dass man die Entwicklung des Kindes als solches ansehen sollte. (Abg. Mandak – Beifall spendend –: Super!) Es wird nicht immer nur der Termin und das Datum sein, es wird oft eine Entwick­lungsphase des Kindes sein, die man viel mehr beachten sollte.

Es wird auch wichtig sein, noch stärker danach zu trachten, dass es in der Volksschule selbst noch mehr wirklich ganz klare Betreuung der Kinder gibt, dass man in diesen vier Jahren Volksschule vor allen Dingen Schreiben, Lesen und Rechnen lernt, dass man hier wirklich die Grundlage dafür schafft, dass diese Kinder, egal, in welche Schu­le sie dann gehen, ob in eine gemeinsame Schule oder in eine HTL, in eine HBLA oder in sonst eine, das Rüstzeug bekommen, dass sie eine ordentliche Ausbildung haben, dass sie eine wirklich ordentliche, persönlich motivierte Ausbildung bekommen, damit sie im späteren Leben bestehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)


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Geschätzte Damen und Herren, vorhin hat Kollege Broukal vom ländlichen Raum ge­sprochen. Der ländliche Raum ist in diesem Schulbereich besonders wichtig. Das habe ich als Schüler selbst am eigenen Leib erlebt, und ich erlebe es jetzt bei meinem Sohn wieder. Wir werden im Volksschulbereich auch über eine Absenkung der Schülerzah­len für die Lehrer nachdenken müssen (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glocken­zeichen), weil wir hier eine klare Ausbildung brauchen. Ich komme zum Schlusssatz, Frau Präsidentin: Die Schüler der Volksschule von heute sind unsere Bürger von morgen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mandak: Die sind jetzt auch schon Bürger!)

12.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Sburny zu Wort. – Bitte.

 


12.39.01

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Scheuch, ich lege Wert auf die Feststellung, dass die Kinder ja schon vorher Bürger und Bürgerinnen sind und nicht erst morgen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Aber ich nehme an, Ihre verlängerte Redezeit hat Sie da inspiriert. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der Applaus von den Grünen hat mich so verwirrt!)

Ein Bild davon, wie „klar“ das Gesetz ist, das Sie hier beschließen, und wie „wenig“ Interpretationsspielraum es bietet – im Gegensatz zu dem, was Sie, Frau Ministerin, behaupten –, konnten sich alle machen, die die Fernsehdiskussion zwischen dem Kollegen Amon von der ÖVP und dem Kollegen Niederwieser von der SPÖ gesehen haben, bei der es nämlich darum gegangen ist: Was heißt „angemessene Differenzie­rung“ jetzt eigentlich? Ist jetzt eine gemeinsame Schule möglich, ja oder nein? – Nein sagt die ÖVP, ja sagt die SPÖ. Na super! Das haben wir vorher auch schon gehabt, nämlich den Wunsch danach, und diese Unsicherheit jetzt in einem Verfassungsgesetz festzuschreiben, das halte ich wirklich für denkbar unsinnig. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Diskussion hat bereits vor zwei Jahren im Bildungsausschuss begonnen, als die Zukunftskommission eingesetzt wurde, und wir haben damals auch schon diskutiert: Geht es auch um eine Schulorganisationsreform oder eben nur um eine innere Reform der Schule? – Wir haben das damals schon heftig urgiert, dass es auch um eine Aus­einandersetzung um die Schulorganisation wird gehen müssen. Sie, Frau Ministerin Gehrer, haben das damals schon ein bisschen abgewiegelt und haben gesagt, nein, nein, das sei sozusagen das Letzte. Und genau so schaut ja jetzt auch das Ergebnis aus.

Die Kommission nämlich hat in ihrem Bericht sehr wohl festgestellt, dass ein echter Fortschritt eine flächendeckende – und der Schwerpunkt liegt auf „flächendeckend“, Herr Kollege Scheibner – Einrichtung einer Gemeinschaftsschule wäre. Allerdings sagt die Kommission in ihrem Bericht auch, dass – ich zitiere – „angesichts der ... historisch-kulturellen Voraussetzungen“ so eine Umgestaltung „ohne realistische Durchsetzungs­chance“ erscheint. – Das heißt, die Kommission sagt zwar, das wäre super und das wäre ein echter Fortschritt, aber leider, die Parteien sind, wie sie sind, und deswegen wird es nicht dazu kommen. – Und genau das haben wir jetzt: nämlich keinen echten Fortschritt, sondern ein Herumlavieren von beiden Seiten, SPÖ und ÖVP. (Beifall bei den Grünen.)

Und ich finde das schade! Ich finde das schade, weil es hier nicht um eine ideologische Diskussion geht. Da kann man – da bin ich mit vielen einig – darüber reden, wie der Titel lautet. Ob „Gemeinschaftsschule“ oder „Gesamtschule“ ist wirklich egal, es geht


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hier nicht um ideologische Fragen, sondern es geht darum: Was nützt den Schülern und Schülerinnen, was nützt unseren Kindern?

Da ist es schon interessant zu sehen – da gibt es zwar keinen direkten Zusammen­hang, das gebe ich schon zu, aber immerhin ist es bemerkenswert –, dass sich schon 2001 bei der ersten PISA-Studie herausgestellt hat, dass es in allen diesen Ländern, die damals vor Österreich lagen, Schulen gibt, in denen die Bandbreite der Leistungen innerhalb einer Schule besonders groß ist. Das heißt, dort gibt es keine Differenzierung wie bei uns – wir haben eine Schule, wo man sagt, da sind die, die sozusagen bessere Leistungen vollbringen, und da sind die, die nicht so gute Leistungen vollbringen können, und die halten wir, bitte schön, auseinander; im besten Fall differenzieren wir dann noch innerhalb der Schule –, sondern das sind Schulen, in denen das eben zusammengefasst wurde und in denen die Differenzierung über die gesamte Anzahl der Schüler und Schülerinnen geht.

Ich finde es bemerkenswert, dass Sie das nach wie vor hartnäckig ignorieren, dass es hier einfach Ergebnisse gibt, dass das offensichtlich das Bessere für die Leistungen der Schüler und Schülerinnen ist. Und ich finde es schade, dass das in dieser Debatte hier wieder einmal untergeht. (Beifall bei den Grünen.)

Die Zukunftskommission sagt auch, dass unsere Schule eben traditionell, strukturell und pädagogisch mehr auf Selektion und Aussonderung als auf Integration und Förde­rung hin angelegt ist. Ich hoffe, dass zumindest in diesem Bereich, in dieser ein biss­chen kulturellen Frage sich jetzt etwas bewegen kann. In den wirklich großen Fragen wird sich allerdings nichts ändern, solange die Zweidrittelmehrheit insgesamt nicht fällt.

Ich kann mich nur noch einmal an Kollegen Scheibner wenden. Sie haben gesagt, die Zweidrittelmehrheit würde insgesamt abgeschafft gehören. Das freut mich. Wir gehen daher davon aus, dass Sie unserem Antrag, den wir heute einbringen, zustimmen wer­den. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die nächsten vier Rednerinnen und Redner ver­fügen über jeweils 4 Minuten Redezeit. Punktgenau werde ich das Ende der jeweiligen Rede auch abläuten.

Frau Abgeordnete Dr. Brinek, Sie sind die Erste. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


12.44.26

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich muss ein paar Richtigstellungen treffen:

Herr Kollege Broukal, es wird immer wieder passieren, dass Sie Dinge erleben, die Sie in den letzten 25 Jahren nicht erlebt haben, auch nicht als Moderator im ORF. Das betrifft das Schulthema genauso. Wir erleben hier Diskussionen, die wir in den letzten 25 Jahren nicht geführt haben, Erfolge, die wir in den letzten 25, auch in den letzten zehn oder fünf Jahren nicht hatten.

Und bitte unterscheiden Sie auch zwischen einer historischen Stunde, einem Ge­denktag – etwa sich der Unterzeichnung des Staatsvertrages zu erinnern – und einer Belangsendung. Vermischen Sie das nicht! Das Differenzierungsvermögen ist auch etwas, was wir in Österreichs Schulen schulen sollten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auch Kollegin Sburny möchte ich in Erinnerung rufen, dass das Ergebnis der ersten PISA-Studie auch Länder mit einem ausdifferenzierten Gesamtschulmodell, einem differenzierten System mit dem Schwerpunkt Gesamtschule als mäßig erfolgreich ausgewiesen hat, Länder, die weit hinter dem österreichischen Ergebnis lagen. (Abg.


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Sburny: Aber alle Länder, die vor Österreich lagen, haben dieses Modell! Das werden Sie nicht bestreiten!) Also das Gesamtschulmodell als Organisationsmodell ist nicht der Fokus, auf den abgestellt werden muss, wenn es um eine zielführende Reform geht.

Ich zitiere Ihnen gleich zu Beginn eine Wortmeldung aus der OECD-Lehrerstudie zum Thema Schulreform und -verbesserung, gerade was multikulturelle Gesellschaften, das heißt städtische, urbane Gesellschaften und Schulsysteme betrifft. Stefan Wolter und Phil McKenzie, die Experten, die sich mit Österreich beschäftigt haben, sagen: Gerade in multikulturellen Gesellschaften sind Einheitsschulsysteme nicht zielführend, da sie die Vielfalt an Bedürfnissen nicht abdecken. Finnland wird, sollte es je in die Situation wie Österreich kommen, hier ebenfalls ein neues System überdenken müssen. – Meine Damen und Herren! Wir denken jetzt schon nach! – Nachzulesen: OECD-Stu­die. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Noch ein wesentlicher Hinweis. Wir sind angehalten, nicht andere Systeme anderer Länder bloß zu kopieren, sondern uns viel lieber mit eigenen Bildungsforschungsergebnissen zu beschäftigen. Sie sagen uns nämlich auch, dass wir etwas, was wir vielleicht in den letzten Jahren vernachlässigt haben, nämlich den Blick auf die Kernaufgabe der Schule, auf den erziehenden Unterricht, wieder stärker in den Fokus zu nehmen haben und dass wir die Ergebnisse des schulischen Lernens wieder verbessern müssen. Das ist nachzulesen in der Schulentwicklungsstudie Öster­reichs des Schulentwicklungszentrums.

Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Ergebnis erreichen wir Sicherheit und Verlässlichkeit auf der einen Seite und die Möglichkeit für Reformoffenheit auf der anderen Seite. Wie weit die im Artikel 14 Abs. 5 und Abs. 6 und 6a B-VG genannte „angemessene innere Differenzierung“ auszulegen ist, ist hier auch schon vielfach dis­kutiert und ausgeführt worden. Jedenfalls sichert es im Primarbereich die Volksschule für alle, im weiterführenden Bereich das gegliederte Sekundarsystem aus Hauptschule, AHS, BHS, innerlich und äußerlich differenziert – was alles noch zusätzlich entwickelt werden kann, wird die Zukunft zeigen –, und – was mir auf alle Fälle noch ganz, ganz wichtig ist – das Ansetzen im Bereich der frühen Förderung.

Meine Damen und Herren! Ich bin geschockt gewesen, als ich kürzlich gelesen habe, dass 8 500 Wienerinnen und Wiener ohne Hauptschulabschluss sind. Auch die Repe­tentenzahlen des vergangenen Jahres zeigen, dass Wien eine überproportional hohe Zahl an Schülerinnen und Schülern aus diesem Bereich aufweist. (Abg. Mandak: Das gilt nicht nur für Wien!) Das sind Bundesländer-Vergleichszahlen. Sie können diese nachlesen.

Das heißt, da sind nicht die Lehrer schlechter oder die Schüler schlechter, sondern man nimmt offenbar die schulischen, die pädagogischen Herausforderungen, die sich auf Grund des urbanen Raums, der Kinder mit Migrationshintergrund, der bildungsfer­nen Schichten ergeben (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), nicht so ernst, wie sie notwendigerweise zu nehmen wären. (Abg. Broukal: Weil Sie jedes Jahr die Gelder für die Förderung kürzen!) Ich weiß, Herr Kollege Broukal, es sind in Wien Schulmittel ... (Abg. Broukal: Jedes Jahr gibt es weniger Geld!) Nein, es sind zusätz­liche Mittel für Lehrer (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen) vorgesehen, Sondermittel für Wien, die man nutzen müsste, ...

12.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete, es tut mir Leid, ich muss auf die Zeit achten, sonst fallen die letzten Wortmeldungen.

(Beifall bei der ÖVP für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Brinek.)

 


Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort. – Bitte.


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12.49.06

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Ich finde es wirklich schade, dass nicht alle Parteien im Hohen Haus heute unsere Freude über die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit teilen. Beleidigt zu sein hat meiner Meinung nach nichts verloren in der Politik, sonst hätte Frau Kollegin Glawischnig nicht entrutschen können, dass Schulen „Schutthalden“ sind. Das möge sie bitte zurücknehmen, denn das stimmt sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Uninformiertsein auch nicht gut in der Politik, und daher schenke ich Herrn Staatssekretär Schweitzer jetzt den Dreistufen­plan des Alfred Gusenbauer für eine moderne Schule, den er sicher noch nicht kennt. (Beifall bei der SPÖ. – Die Rednerin überreicht Staatssekretär Mag. Schweitzer eine Broschüre.)

Und gut sein, wie die Frau Bundesministerin heute gemeint hat, schließt besser wer­den auch nicht aus. Daher ist es unser Ansinnen, dass wir eine bessere, eine moder­nere, eine neue Schule wollen.

Um wen geht es eigentlich? Und: Wer wird profitieren von dieser neuen Schule, wenn die Zweidrittelmehrheit heute fallen wird? – Es geht sicher nicht um persönliche Befind­lichkeiten von Politikerinnen und Politikern, es geht um die Kinder, es geht um die Pädagoginnen und Pädagogen und vor allem auch um die Eltern.

Lassen Sie mich kurz anhand des Beispiels der Ganztagsschule, so wie wir sie päda­gogisch verstehen, nämlich eine verschränkte Form mit sinnvoller Abwechslung von Freizeit, Schulzeit, Projektzeit, Förderzeit und so weiter, darlegen, wie sich das auswir­ken wird.

Was bekommen die Kinder, die eine solche Schule besuchen? – Die Kinder, die eine solche Schule besuchen, bekommen eine Schule, die Lernraum und auch Lebensraum ist. Die Kinder haben in der Zeit, in der sie in der Schule sind, alles zu erledigen. Und die Kinder haben nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer, sie haben auch Sozialarbeite­rinnen und Sozialarbeiter, sie haben andere im Team, die sie auch betreuen – Schul­ärztinnen, Schulärzte –, und alles wechselt entsprechend dem Tagesrhythmus ordent­lich einander ab.

Was haben sie davon? Wie profitieren die Kinder? – Die Kinder haben sicher weniger Leistungsstress. Die Kinder haben sicherlich um 16 Uhr oder 16.30 Uhr, wenn die Schule zu Ende ist, alles erledigt und können in die Freizeit gehen, können Freundin­nen und Freunde treffen, können mit ihren Eltern noch unglaublich viel unternehmen. In dieser Schule werden die Schwächeren gefördert und die Besseren gefordert.

Was haben die Pädagoginnen und Pädagogen davon? – Sie bekommen eine noch wichtigere Rolle durch diese Form der Ganztagsschule, aber sicherlich sehen sie sich auch neuen Herausforderungen gegenüber; keine Frage. Auch Lehrerinnen und Lehrer hätten aber à la longue mit dieser Form weniger Stress.

Arbeitsplätze in der Schule braucht es allerdings. Das ist eine Forderung von uns. Und die Arbeitsplätze in der Schule gehören verbessert, denn ein Quadratmeter pro Lehre­rin und Lehrer ist sicherlich zu wenig. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letztendlich haben auch die Eltern sehr viel von einer Ganztagsschule. Die 100 Millionen € im Jahr für Nachhilfe wären überflüssig, und die Eltern könnten mehr Freizeit mit ihren Kindern verbringen. Und vor allem hätten Frauen, die Teilzeit arbeiten, wenn sie ihre Kinder gut untergebracht wissen, schneller die Möglichkeit, einen Vollzeitarbeitsplatz zu bekommen und dadurch wieder mehr zu verdienen. Dieses Mehr könnten sie etwa für Schulveranstaltungen verwen-


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den, dafür, ihre Kinder auf Schullandwochen oder Projektwochen zu schicken – sie hätten also à la longue weniger Sorgen, und es gäbe glücklichere Familien.

Zum Abschluss, und das ist ganz wichtig: Sie, Frau Bundesministerin, müssten jetzt sofort in die nächsten Finanzausgleichsverhandlungen eintreten und mit den Ländern und Gemeinden und dem Finanzminister Verhandlungen aufnehmen, damit gesichert ist, dass die Gemeinden ihre Schulen umbauen können und diese auch genügend Per­sonal für ganztägige Betreuung haben. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, wird es möglich sein – vom Gesetz her ist es das ab jetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner zu Wort. – Bitte.

 


12.53.13

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie glauben wirklich, dass die verschränkte Ganztags­schule das Allheilmittel in der Bildungspolitik ist! Ich möchte Sie und auch den Kollegen Broukal in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass Sie beide so tun, als wären Sie nicht selbst mit Ihrer Partei jahrzehntelang für die Bildungspolitik in diesem Land verantwortlich gewesen. (Abg. Broukal: Ich sicher nicht!)

Unsere Gedanken reichen in die Zukunft, und für uns ist wichtig, dass ein modernes Bildungssystem die Menschen befähigt, mit den laufenden, schnellen Änderungen umgehen zu können. Da geht es in erster Linie um Qualität und nicht nur um Quantität, wie Sie das auch in Ihren Wissenschaftsdebatten immer an die erste Stelle setzen.

Faktum ist, dass gebildete Menschen im 21. Jahrhundert in der Lage sein müssen, komplexe Problemstellungen zu erkennen und zu lösen. Dazu ist vernetztes Denken erforderlich, und dieses müssen wir in den Vordergrund stellen. Es ist wichtig, dass es ein Bildungssystem gibt, mit dem man rasch auf den Strukturwandel, den die Arbeits­politik mit sich bringt, reagieren kann.

Bildung ist auch mehr als Fachbildung, denn in Zukunft ist es wirklich wichtig, Multi­funktionalität aufweisen zu können und auch die Bildung der Persönlichkeit in den Vor­dergrund zu stellen. Daher ist es gut, dass durch den Wegfall dieser Zweidrittel­blockade im Bereich des Bildungssystems rasch reagiert werden kann, ohne aber an den Grundfesten, wie zum Beispiel an der Schulgeldfreiheit, zu rütteln.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Beseitigung dieser Zweidrittelblockade ist wich­tig, aber wir dürfen uns jetzt nicht zurücklehnen und sagen: Das war’s!, sondern gerade jetzt sind wir alle miteinander gefordert, dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse des Reformdialogs so schnell wie möglich umgesetzt werden. Für mich – und ich bin froh, dass auch Kollege Gusenbauer dieser Meinung ist – sind gute Kenntnisse der deut­schen Sprache in der Volksschule eine Grundlage, um für weitere Bildung gut gerüstet zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist wirklich von großer Bedeutung, dass entsprechende Diagnosen vor dem Schul­eintritt gestellt werden, dass ein Jahr vor Schuleintritt Defizite im Sprachbereich festge­stellt werden, damit Sprachförderungen schon im Kindergartenalter begonnen werden können und diese Kinder in der Schule den Lehrern besser folgen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige Beschluss ist sicher ein Meilenstein für das Bildungssystem, bedeutet aber auch eine große Verantwortung. Schule darf in Zukunft kein Experimentierfeld sein, und wir müssen uns alle miteinander anstrengen,


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dass moderne, flexible, aber insbesondere nachhaltige Verbesserungen im Bildungs­system bewirkt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger zu Wort. – Bitte.

 


12.57.03

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglie­der der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Bundesministerin, Sie haben heute, wie auch schon in der Vergangenheit üblich, jeden Vorschlag zur Verbesserung des öster­reichischen Schulsystems mit dem Verweis abgeschmettert: Es ist eh alles gut! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch lächerlich!)

Es stimmt: Es gibt viel Gutes im österreichischen Schulsystem. Es gibt motivierte Lehrer, aber ich kenne auch Lehrer und Lehrerinnen, die nicht mehr motiviert sind, die frustriert sind vom engen Korsett des Schulsystems, das Sie ihnen aufzwingen. Es gibt sehr zufriedene Eltern, aber ich kenne auch viele Eltern, die nicht zufrieden sind, weil sie glauben, dass ihre Kinder eine noch bessere Betreuung und Förderung verdienen.

Ich glaube, für die Politik ist es immer dann fatal, wenn man nicht mehr auf das schaut, was man verbessern kann, sondern nur noch auf das, was man tatsächlich oder vermeintlich erreicht hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nur ein kleines Beispiel, weil das bislang in der Diskussion noch nicht erwähnt worden ist. Ich glaube zum Beispiel, dass es Aufgabe der Schule ist, Burschen und Mädchen gleichermaßen gut auszubilden, gut vorzubereiten und sie als selbstbewusste junge Bürgerinnen und Bürger in das Leben jenseits der Schule zu entlassen.

Für Mädchen ist das heute bei weitem nicht der Fall. Wir wissen, dass sie in der PISA-Studie in den naturwissenschaftlichen Fächern schlechter abgeschnitten haben, dass sie in vielen Unterrichtsfächern weniger gut zur Geltung kommen. Ich glaube, da wäre deutlicher Nachholbedarf gegeben, gerade wenn eine Frau Bildungsministerin ist und diese Regierung es sich ja auf die Fahnen schreibt, dass ein hoher Frauenanteil unter den Ministern und Ministerinnen zu finden ist.

Unter den wenigen Aussagen, die bei Ihnen, Frau Bildungsministerin, irgendwie ding­fest zu machen waren, gab es eine klare: Es gab eine klare Absage an die Ganz­tagsschule, noch dazu mit dem Verweis darauf, dass Sie strikte dagegen sind, dass die Kinder die Aufgaben alle schon in der Schule gemacht haben, weil das dann in der Familie passieren soll. (Ruf bei der ÖVP: Eine falsche Interpretation!)

Ich frage Sie wirklich: Was für eine verwegene Vorstellung haben Sie davon, was Aufgabe von Eltern und von Familie ist? Glauben Sie tatsächlich, dass sich Eltern nicht mehr für ihre Kinder und für die schulischen Erlebnisse und Leistungen der Kinder interessieren, wenn diese ihre Aufgaben schon in der Schule gemacht haben? (Beifall bei den Grünen.)

Was dabei auch noch auffällt, ist, dass es ja in Wirklichkeit um eine Verlagerung der Verantwortung geht. Wenn Sie von den Eltern und von den Familien reden, können Sie doch ehrlich sein und sagen, zu 80 Prozent heißt das Mütter. Denn wer ist am Nach­mittag zu Hause bei den schulpflichtigen Kindern, um sie zu betreuen, wenn es keine andere Betreuungsform gibt? Es sind in der Regel nicht die Väter, sondern die Mütter. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Ja und?) „Ja und?“, sagt der Herr Staatssekretär. Wenn es Ihnen egal ist – ich denke, für die Wahlfreiheit: Berufstätigkeit oder nicht, spielt das sehr wohl eine Rolle für viele Frauen, die gerne arbeiten gehen würden. (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Stellen wir doch auch einmal Folgendes klar: Ihre Absage an die Ganztagsschule und die gemeinsame Schule halte ich in Wirklichkeit für nicht ideologisch motiviert. Ihnen in dieser Bundesregierung geht es um Sparen im Bildungssystem. Und: Hätten wir die Ganztagsschule, würde das mehr Geld kosten, denn ganztägige Betreuung kostet eben mehr als halbtägige.

Ganztägige Betreuung bringt zwar mehr Qualität, aber das ist Ihnen egal. Wenn wir eine gemeinsame Schule haben, die einen ganzen Tag geöffnet hat, braucht man an­dere räumliche Einrichtungen, bessere Betreuung und so weiter. Wenn wir, so wie die Grünen das verlangen, eine gemeinsame Schule mit einem Ausbau der individuellen Betreuung haben, wo wirklich jede Schülerin/jeder Schüler das bekommt, was sie/er an Betreuung und Unterstützung braucht, dann kostet das natürlich mehr Geld. Das geht Ihnen von den Koalitionsparteien gegen den Strich. Sie haben zwar Geld für Abfangjäger, jedoch keines für den Ausbau unseres Schulsystems. (Beifall bei den Grünen.)

Einen Vorwurf kann ich hier jedoch der SPÖ nicht ganz ersparen. Es war ein merk­würdiges Wunder, dass die ÖVP plötzlich ihre jahre-, jahrzehntelange Blockade aufge­geben hat und nicht mehr an einer Zweidrittelmehrheit in diesem Bereich festhält. Was jedoch die SPÖ dann gemacht hat, war ein Sich-selbst-Überdribbeln. Man zaubert ein paar Gespenster aus dem Hut: Schulgeldfreiheit. Naja, nennen wir es halt Kosten­beitrag und schon muss das Ganze nicht mehr mit Verfassungsmehrheit gemacht werden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt, Sie von der SPÖ zaubern das Gespenst „Gefährdung der Schulgeldfreiheit“ heraus, blasen es auf – und dann bekämpfen Sie das in einem Schattenboxen und feiern es als „Sieg“. Der „Sieg“ bedeutet, es wird in der Verfassung die Formulierung geben: in Fragen der Schulgeldfreiheit Zweidrittelmehrheit. – Kostenbeiträge aber gibt es schon heute, und die ÖVP wird, wenn sie will, das auch in Zukunft machen können. Und Sie von der SPÖ haben gar nichts erreicht – außer, dass Sie die tatsächliche Abschaffung der Zweidrittelmehrheit in allen Bereichen verhindert haben.

Ziel von uns Grünen ist eine gemeinsame Schule mit guter Qualität, mit individueller Betreuung aller Schülerinnen und Schüler – und das braucht eine glatte Abschaffung der Zweidrittelmehrheit, die Sie jedoch leider nicht zulassen. (Beifall bei den Grünen.)

13.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schiefermair. – Bitte.

 


13.02.50

Abgeordnete Notburga Schiefermair (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Werter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ganz verkneifen kann ich mir jetzt Folgendes nicht, Frau Kollegin Weinzinger: Natürlich sind wir ideologisch auseinander, aber Sie behaupten, dass 80 Prozent der Frauen, die Kinderbetreuung am Nachmittag machen – das unterstellen Sie ihnen –, das nicht gerne tun würden.

Ich kenne sehr, sehr viele Mütter, die das gerne machen! (Abg. Mag. Wurm: Wäre halt auch günstig, wenn ein paar Männer dabei wären!) Ja, ja, das machen auch viele, viele Männer. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich werde mit Andrews beginnen, der sagt: „Welche Fähigkeit besitzen wir alle gemein­sam? – Die Fähigkeit, zu verändern.“

Nun: Jetzt hat ein langer Diskussionsprozess ein gutes Ende gefunden, wodurch ein Anfang eines neuen Entwicklungsprozesses ermöglicht wird. Bewahren, wo nötig – verändern, wo möglich.


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Bewahren, wo nötig. – Einen Punkt, der weiterhin einem erhöhten Quorum unterliegt und auch von einer breiten Mehrheit getragen ist, möchte ich hervorheben: die Sicher­heit für die Kirchen und Religionsgemeinschaften. Mir ist die Stärkung der Sozialkom­petenzen, die die Grundlage für die Vermittlung von Werten ist, sehr wichtig. Durch den rasanten Fortschritt in Wissenschaft und Technik brauchen unsere Kinder das nötige Werkzeug, damit sie bei den auf sie zukommenden Entscheidungen im Beruf und auch privat auf eine gesicherte Wissens- und Wertebasis zurückgreifen können, denn jede Entscheidung bedeutet auch, immer eine Wertung vorzunehmen.

Werte, Toleranz, Humanität, Achtung verschiedener Religionsgemeinschaften, Gleich­berechtigung und Würde des Menschen sind zeitlos gültige Grundlagen unserer Ge­sellschaft. – Also den Kindern das nötige Werkzeug!

Veränderung, wo möglich. – Neben der Schulzeitregelung, Umbenennung, Neueinfüh­rung und Zusammenlegung verschiedener Fächer ist meiner Überzeugung nach auch die Durchlässigkeit des Schulsystems ein ganz wichtiger Punkt. Ich denke, unsere Kinder müssen in ihren Stärken gestärkt werden. Ein vielfältiges Angebot unseres Schulsystems wird nun auch die Möglichkeit eröffnen, sich flexibel weiterführender Ausbildungseinrichtungen zu bedienen, und zwar auch in anverwandten Bereichen.

Für unsere jungen Menschen ist es von großer Bedeutung, dass die Schultüren geöff­net sind – und nicht, dass vor den Schulen ein unüberwindbarer Hürdenlauf stattfindet, sodass sie nicht hineinkönnen. Das ist ein wichtiger Punkt, und ich möchte Frau Bun­desministerin Gehrer dafür danken, dass sie sich immer so sehr für die Durchlässigkeit in unserem Schulsystem eingesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend möchte ich meine Wertschätzung den Lehrerinnen und Lehrern gegen­über zum Ausdruck bringen und ihnen gleichfalls danken, begleiten sie doch unsere Kinder – und somit unsere Zukunft. Sie fördern sie, und sie fordern sie.

Schließen möchte ich mit einem Zitat Bismarcks: „Hier tragen viele Verantwortung, und hier müssen viele zusammenwirken, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden und um erfolgreich zu sein.“

Meine Damen und Herren, ich freue mich darauf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

13.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet.

 


13.06.28

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe zwei tatsächliche Berichtigungen: eine auf die Ausführungen der Kollegin Wein­zinger und eine auf die des Kollegen Scheuch. (Abg. Grillitsch: Es gibt nur eine!) – Entschuldige, es gibt auch zwei!

Sie, Frau Kollegin Weinziger, haben gemeint, dass wir von der SPÖ uns mit be­langlosen Themen beschäftigt haben, die wir verankert haben wollen – und Sie haben dann als Beispiel die Schulgeldfreiheit genannt. (Abg. Brosz: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Mag. Weinzinger: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Sie können sich zu Wort melden!)

Ich stelle richtig: Die Schulgeldfreiheit ist kein unbedeutendes Thema, sondern da geht es (Abg. Grillitsch: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Null Berichtigung!) um finanziell wichtige Zugänge zur Bildung. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glo­ckenzeichen.)


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Zweitens: Kollege Scheuch hat Frau Präsidentin Prammer kritisiert und gemeint, sie würde sozialdemokratische Rednerinnen und Redner bevorzugen. (Abg. Dr. Stumm­voll: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist eine Wertung!)

Tatsächlich richtig ist, dass bei der Überziehung der Redezeit drei Personen sozu­sagen führend sind: Schweitzer, Scheuch und Niederwieser.

Von einer einseitigen Bevorzugung durch Frau Präsidentin Prammer kann daher keine Rede sein. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

13.07


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abge­ordneter Mag. Gaßner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.07.43

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Meine Damen und Herren! Der großen Worte sind genug, lasst Taten folgen! Die Reformen beginnen. Ich beginne mit einer Reform, die da immer wieder lautet: sprachliche Frühförderung. – Ich sage, Frühförderung ist zurzeit nicht angesagt, sondern Förderung, denn: In den Pflichtschulen mit einem sehr hohen Anteil von Kin­dern mit nicht-deutscher Muttersprache brauchen wir die Förderung vom Kindergarten bis zur vierten Klasse Hauptschule.

Wir haben bei uns an der Hauptschule ein Modell entwickelt, Frau Bundesministerin, wo wir in allen Bereichen nicht Deutsch sprechende Kinder so weit bringen, dass sie wirklich dem Unterricht folgen können, und zwar zusammen mit ihren Müttern.

Frau Bundesministerin, bis heute ist es nicht gelungen, dass dieser Sprachkurs, der an einer österreichischen Schule stattfindet, öffentlich anerkannt wird, und zwar für die Mütter, wenn es darum geht, einen Nachweis für ihren Aufenthalt in Österreich zu er­bringen. Das wäre eine ganz wichtige und erste Entscheidung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kosten dafür trägt die Gemeinde, mit einem kleinen Anteil des Landes Oberöster­reich. Und damit sind wir auch schon bei den Kosten. Die Gemeinden Österreichs – ich nehme mir jetzt heraus, das für alle zu sagen – sind absolut auf der Seite derer, die sich dafür einsetzen, dass die Kinder die bestmögliche Förderung und das bestmög­liche Schulsystem bekommen. Wir müssen aber gleichzeitig daran denken, Frau Minis­terin, dass das auch finanziell möglich sein muss. (Abg. Amon: Wie soll das finanziert werden?)

Es kann doch nicht sein – wie das aber leider häufig der Fall ist –, dass man ganz einfach sagt: Ja, machen wir Reformen. Nur: Wer zahlt’s? Da bleiben dann schon die Gemeinden übrig. – Die aber wissen nicht, wie sie das alles laufend finanzieren sollen, vor allem gerade auch dann nicht, wenn es um ganztägige Einrichtungen geht.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, das ist von Haus aus mit zu bedenken, damit nicht am Geld all diese Reformen, die man da heute beschwört, scheitern.

Jetzt werden Sie sagen: Wie soll das finanziert werden? – Ich habe das schon aus den Reihen der ÖVP gehört.

Ich habe einen guten Vorschlag: Hören Sie auf, die Post zum Beispiel zu privatisieren, und nehmen Sie die hochaktive Post mit ihren Dividenden her! Sie muss heuer 40 Mil­lionen € dem Finanzminister geben. Geben Sie diese 40 Millionen € in Zukunft den Schülerinnen und Schülern Österreichs! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Das ist die richtige Einstellung!)

13.10



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110. Sitzung / Seite 86

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


13.10.36

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Als nach mehrmaliger Ausschussunterbrechung dann der weiße Rauch aufge­stiegen ist, war man natürlich einigermaßen gespannt, wie es in dieser doch sehr schwierigen Frage – es ist ein bisschen die Quadratur des Kreises –, die so genannte Gesamtschule mit einfacher Mehrheit einführen oder eben doch nicht, zu einem Kom­promiss kommt.

Ich war, als ich die Formulierung gesehen habe, eigentlich enttäuscht – ich habe ge­dacht, es gelingt eben vielleicht doch die Quadratur des Kreises –, denn ein Kompro­miss heißt ja, dass man sich zu einem gemeinsamen Vorgehen unter Hintanstellung eigener Vorstellungen bis zu einem gewissen Grad entschieden hat; ein Kompromiss heißt aber nicht, dass ich eine Formulierung finde, die jeder so auslegen kann, wie er das wünscht. Das war mein Bedenken, und ich habe es auch so geäußert, und in der Diskussion in den Tagen danach sehe ich mich eigentlich stark bestätigt. So haben es die Verfassungsrechtler gesagt – sie haben gesagt, das wird wahrscheinlich vor dem Verfassungsgerichtshof landen –, und das haben vor allem auch die Aussagen, einer­seits aus der ÖVP und andererseits aus der SPÖ, gezeigt. Hierher kam die Aussage: Fein, wir können jetzt die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen mit einfacher Mehrheit einrichten!, und Sie haben dem widersprochen, Frau Ministerin, und haben gesagt: Nein, das wird auch nur mit großer Mehrheit, mit Zweidrittelmehrheit der Fall sein können! – Und selbst hier bei der Debatte im Hohen Haus ist es wieder so durch­geklungen.

Grundsätzlich – wenn ich das noch inhaltlich anmerken kann – bin ich der Meinung, dass es ein falscher Schluss ist, aus PISA zu erkennen, dass die Gesamtschule die Schule wäre, die mehr an Erfolg bringt. Vor allem wenn man eine Detailstudie machen würde und wenn es endlich der Fall wäre, dass das herauskommt, würde man sehen, dass das kein Kriterium ist. Es gibt andere Kriterien, die für den Schulerfolg weitaus maßgeblicher sind.

Aber ich rede grundsätzlich zu diesem Gesetz: Ich meine, dass der Begriff „angemes­sen“ nicht klarlegt, ob damit eine innere oder eine äußere Differenzierung gemeint ist. So wird deswegen also diese Sache irgendwann vor dem Verfassungsgerichtshof lan­den, und ich meine, dass damit eben keine Lösung eines Problems herbeigeführt wird, sondern vielmehr erst das Problem der Klärung dieses Gesetzes geschaffen worden ist. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.12


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Ich erteile es ihm.

 


13.13.00

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bildungsministerin! Damit die Regierungsparteien die Möglichkeit haben, wirklich über ihre ursprüngliche Regie­rungsvorlage abzustimmen, und auch die SPÖ die Möglichkeit hat, ihrer ursprünglichen Intention, die Zweidrittelmehrheit komplett abzuschaffen, zuzustimmen, bringe ich fol­genden Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage 847 ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dieter Brosz und FreundInnen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Unterrichtsausschusses 945 d.B. über die Regierungsvorlage (847 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem


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das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und über den Antrag 531/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage 847 d.B. in der Fassung des Ausschussberichtes 945 d.B. betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hin­sichtlich des Schulwesens geändert wird, wird folgendermaßen abgeändert:

1. Z 1 lautet: „1. Art 14 Abs. 10 entfällt.“

2. Z 2 lautet: „2. Art 14a Abs. 8 entfällt.“

3. Z 3 lautet: „3. Dem Art 151 wird folgender Abs. 32 angefügt:

„(32) Art. 14 Abs. 10 und Art. 14a Abs. 8 treten mit Ablauf des Tages der Kundma­chung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. Xxxx/200x im Bundesgesetzblatt außer Kraft.“

4. Die Ziffern 3a., 4., 5., 6. und 7. entfallen.

*****

Dieser Antrag hat zur Folge, dass die ursprüngliche Regierungsvorlage mit einer kom­pletten Abschaffung der Zweidrittelmehrheit zur Abstimmung steht.

Da Kollege Niederwieser hoffentlich bei Verfassungsgesetzen ein besseres Fachwis­sen hat als bei tatsächlichen Berichtigungen – weil seine vorhin nämlich explizit keine war –, möchte ich nur sagen, dass Kollegin Weinzinger nicht darauf abgezielt hat, zu sagen, dass die Frage der Schulgeldfreiheit ein Thema ist, das Gespenster hervorruft, sondern so, wie Sie sie behandelt haben; denn Sie werden in Ihrer Gesetzesvorlage nirgends drinnen stehen haben oder finden, dass in Österreich Schulgeldfreiheit herrscht (Abg. Dr. Niederwieser: O ja, das steht im Schulorganisationsgesetz drinnen, und das ist jetzt abgesichert!), sondern ausschließlich, dass in Fragen der Schulgeld­freiheit Zweidrittelmehrheit herrscht. Und was sie korrekterweise angemerkt hat, ist, dass damit die Kostenbeiträge, die jetzt schon möglich sind, selbstverständlich auch weiterhin möglich sein werden. – Das war der Punkt. (Beifall bei den Grünen.)

13.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Felz­mann zu Wort. – Bitte.

 


13.15.03

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Viele Bilder der Vergangenheit in der Schuldebatte, die hier heute ausgetauscht worden sind, teile ich nicht mit Ihnen. Sehr wohl teile ich mit Ihnen das heutige Bild des gemeinsamen Weges, und das ist ein guter Baustein auf dem Weg zu einem sehr effizienten, ausgeklügelten und zukunftsorientierten Bil­dungssystem. (Beifall bei der ÖVP.)

95 Prozent der Schulgesetze werden jetzt in die einfache Mehrheit entlassen. Die wich­tigen, bereits auch genannten Grundlagen – wie die Schulpflicht, die Berufsschulpflicht, die Schulgeldfreiheit, ebenso wie auch das Konkordat und natürlich die Differen­zierung – geben Sicherheit, geben Kontinuität. Und für sehr viele andere inhaltliche


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Veränderungen ist ja gar keine gesetzliche Grundlage nötig. Das heißt, die Schulen, die Lehrer, die Lehrerinnen haben hier wirklich einen Gestaltungsspielraum.

Für unsere Kinder ist es, so wie auch im Zielparagraphen formuliert, sehr wichtig, am Wirtschaftsleben Österreichs, Europas und der Welt teilzunehmen. Und gerade da haben sich die Differenzierung im Berufsschulwesen und auch die Schwerpunktset­zung in den Schulen sehr bewährt.

So einzigartig, wie alle unsere Kinder mit ihren Stärken und ihren Schwächen sind, so individuell soll auch eine Schulbildung angeboten werden. Wir sollten nicht nur zwi­schen zwei Varianten, einem Lada und einem Porsche, wählen können, Herr Kollege Brosz (Abg. Mag. Gaßner: Der Lada ist aber nicht schlecht!), sondern hier auf ein differenziertes Angebot zurückgreifen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere duale Ausbildung ist einzigartig in Europa. Weltweit werden wir dafür bewun­dert, und ich sage: Wir müssen diesen Weg auch weitergehen. Natürlich muss man hier auch Veränderungen herbeiführen. Wir haben ein großes Imageproblem, vor allem im urbanen Raum; gleichzeitig brauchen wir auch in der Zukunft ausgezeichnet ausge­bildete Handwerker. Neben der Bedeutung der Wissensgesellschaft ist die Bedeutung der dualen Ausbildung wesentlich, denn wir brauchen auch gute Facharbeiter und Facharbeiterinnen.

Die Weiterentwicklung des guten österreichischen Schulsystems ist eine ständige Herausforderung – das ist ganz klar –, die wir am besten gemeinsam meistern, so wie wir es auch geschafft haben, zu einem gemeinsamen Abänderungsantrag zu kommen, den ich hiermit einbringe:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Werner Amon MBA, DDr. Erwin Niederwieser, Mares Rossmann, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regie­rungsvorlage (847 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes 945 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem oben genannten Bericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geän­dert:

1. Der Einleitungssatz lautet:

„Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bun­desgesetz BGBl. I Nr. 153/2004, wird wie folgt geändert:“

2. In Z 1 (Art. 14 Abs. 5a) entfällt das Wort „österreichischen“.

3. Die Novellierungsanordnung der Z 2 lautet:

„2. In Art. 14 Abs. 6 wird nach der Absatzbezeichnung „(6)“ folgender Satz eingefügt:“

4. Die Novellierungsanordnung der Z 3 lautet:

„3. Nach Art. 14 Abs. 6 wird folgender Abs. 6a eingefügt:“

5. In Z 3 (Art. 14 Abs. 6a) werden die Worte „Der Gesetzgeber“ durch die Worte „Die Gesetzgebung“ ersetzt.

6. In Z 4 (Art. 14 Abs. 10) wird die Wendung „in diesen Angelegenheiten“ durch die Wendung „in vorstehenden Angelegenheiten“ ersetzt.


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7. Die Novellierungsanordnung der Z 7 lautet:

„7. Dem Art. 151 wird folgender Abs. 32 angefügt:“

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.19


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben vorgetragene Abänderungsan­trag der Abgeordneten Amon, Niederwieser, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Werner Amon MBA, DDr. Erwin Niederwieser, Mares Rossmann Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regie­rungsvorlage (847 der Beilagen) betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und über den Antrag 531/A der Abgeordneten Werner Amon MBA, Mag.Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen, betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird (945 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem oben genannten Bericht angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geän­dert:

1. Der Einleitungssatz lautet:

„Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bun­desgesetz BGBl. I Nr. 153/2004, wird wie folgt geändert:“

2. In Z 1 (Art. 14 Abs. 5a) entfällt das Wort „österreichischen“.

3. Die Novellierungsanordnung der Z 2 lautet:

„2. In Art. 14 Abs. 6 wird nach der Absatzbezeichnung „(6)“ folgender Satz eingefügt:“

4. Die Novellierungsanordnung der Z 3 lautet:

„3. Nach Art. 14 Abs. 6 wird folgender Abs. 6a eingefügt:“

5. In Z 3 (Art. 14 Abs. 6a) werden die Worte „Der Gesetzgeber“ durch die Worte „Die Gesetzgebung“ ersetzt.

6. In Z 4 (Art. 14 Abs. 10) wird die Wendung „in diesen Angelegenheiten“ durch die Wendung „in vorstehenden Angelegenheiten“ ersetzt.

7. Die Novellierungsanordnung der Z 7 lautet:

„7. Dem Art. 151 wird folgender Abs. 32 angefügt:“

Begründung:

Dieser Abänderungsantrag dient lediglich redaktionellen Klarstellungen.

Zu Z 1 (Einleitungssatz):

In der derzeitigen Fassung des Einleitungssatzes wird berücksichtigt, dass die – vor der Regierungsvorlage 847 d.B. bzw. dem Antrag 531/A eingebrachte – Regierungs-


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vorlage 832 d.B. ebenfalls eine Änderung des B-VG vorsieht. Da eine Beschluss­fassung des Nationalrates über diese Regierungsvorlage bisher nicht erfolgt ist, ist der Einleitungssatz entsprechend anzupassen.

Zu Z 2 (Art. 14 Abs. 5a):

Das Eigenschaftswort „österreichisch“ vor dem Wort „Schule“ kann als überflüssig ent­fallen, weil im systematischen Kontext des Art. 14 B-VG immer nur von der öster­reichischen Schule die Rede ist (ohne dass dies eigens erwähnt wird oder erwähnt zu werden bräuchte).

Zu Z 3 (Art. 14 Abs. 6):

Die Neufassung der Novellierungsanordnung soll klarstellen, dass der in Z 2 vorge­schlagene Satz Art. 14 Abs. 6 B-VG nicht etwa vorangestellt, sondern als erster Satz eingefügt werden soll.

Zu Z 4 (Art. 14 Abs. 6a):

Die Neufassung der Novellierungsanordnung soll klarstellen, dass der neue Absatz „(6a)“ im Art. 14 eingefügt wird.

Zu Z 5 (Art. 14 Abs. 6a):

Die Verwendung des Begriffes „Gesetzgeber“ im B-VG ist ungebräuchlich; er soll daher durch den – auch in Art. 14 Abs. 1 bis 5 B‑VG verwendeten – Begriff „Gesetzgebung“ ersetzt werden.

Zu Z 6 (Art. 14 Abs. 10):

Es soll klargestellt werden, dass das Erfordernis einer 2/3-Mehrheit sich auch auf Staatsverträge mit Inhalt der Angelegenheiten des Art. 14 Abs. 10, erster Satz bezieht.

Zu Z 7 (Art. 151):

Redaktionelle Richtigstellung der Novellierungsanordnung.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ebenfalls ist der Abänderungsantrag des Vorredners, jener des Abgeordneten Dieter Brosz, Freundinnen und Freunde, ausrei­chend unterstützt, und beide Anträge stehen mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 


13.20.00

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Das Tau­ziehen um die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit war ein sehr langwieriges. Partei­chef Gusenbauer hat das im Dezember des vergangenen Jahres vorgeschlagen, als die Diskussion um die PISA-Ergebnisse unser Land durchzogen hat. Es wurde ein tragfähiger Kompromiss gefunden, und was vor allem wichtig ist: dass die Schüler und Schülerinnen gewonnen haben. Es muss bessere Chancen für Kinder geben, und diese besseren Chancen müssen auch in der Schulorganisation im Bereich der Ressourcen bereitgestellt werden. So zum Beispiel für die sprachliche Frühförderung – darauf legt auch die Zukunftskommission einen sehr großen Schwerpunkt.

Ein weiterer Bereich ist die Integration. Die schulische Integration von behinderten Kin­dern ist ein Thema, das noch sehr am Rande der Schuldebatte steht. Wir sind für die Integration von behinderten Kindern in das Schulsystem und wollen auch den Weg zur Inklusion gehen. Es ist hier jetzt die Bahn frei für die Integration ab der 9. Schulstufe,


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und es wird sich zeigen, ob die Frau Ministerin den Weg der Bahn nimmt oder dieses Thema wegschiebt.

Wichtig ist, dass Ressourcen bereitgestellt werden und dass die Kinder gefördert und gefordert werden.

Auch ein herzliches Dankeschön an Alfred Gusenbauer und Erwin Niederwieser möchte ich von dieser Stelle aus aussprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. – Bitte.

 


13.21.28

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte stelle ich ein gewisses Paradoxon fest: Die Einzigen, die dem historischen Gesetzesantrag, den wir heute vorliegen haben, kein grünes Licht geben wollen, sind die Grünen. Aber ich denke, die gefühls­mäßige Befindlichkeit der großen Mehrheit hier im Hohen Haus ist Erleichterung: Endlich Bewegung! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Freilich ergeben sich aus dieser Bewegung gleich die nächsten Fragen: In welche Richtung bewegen wir uns? Und auch eine gewisse Gefahr ist nicht zu übersehen: dass es nämlich, wie nach jedem Reformstau, eine Art Dammbruch der Ideen und Wünsche geben könnte, dem schnell und effizient durch ein differenziertes Vorgehen zu begegnen ist.

Werte Kollegen und Kolleginnen, ich denke, wir alle, die wir uns in den Ausschüssen und in unzähligen Diskussionen mit der Materie befassen, wurden und werden von der Öffentlichkeit, den direkt Betroffenen, vor allem aber auch den Medien, die hier sehr viel Verantwortung tragen, engagiert und manchmal auch recht emotional begleitet und beobachtet. Das ist auch gut so: Die Zurufe und Impulse von MitdenkerInnen jeder nur möglichen Variante sind wichtig. Aber hinter allen Bedenken und Ängsten, die es auch gibt, sollen wir das große, übergeordnete und gemeinsame Ziel nicht aus den Augen lassen, nämlich das Ziel einer qualitätvollen Schule, die jedes einzelne Individuum nach seinen Möglichkeiten fördert und fordert. Und hierin sind wir uns anscheinend doch einig – zumindest habe ich den Kollegen Gusenbauer ganz zu Beginn so verstan­den.

Deshalb möchte ich an alle KritikerInnen, an alle Vorsichtigen und Ängstlichen und Zögerlichen appellieren: Nur Mut! Vieles scheint nach dem Fall der Zweidrittelmehrheit möglich. Zugleich werden wichtige Eckpunkte markiert und notwendige Grenzen gezo­gen. Auch das ist wichtig, um die vielen Gespräche und Diskussionen in praktikable und akzeptable Umsetzungen münden zu lassen.

Der Dialog ist noch lange nicht beendet, wir sind gerade mittendrin, und ich denke, wir tun gut daran, wenn wir ihn weiterhin nach dem bewährten Motto führen: So viel Stabi­lität wie nötig, so viel Bewegungsfreiheit wie möglich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Niederwieser.)

13.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

 


13.23.55

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär Schweitzer hat in seinem Redebeitrag gemeint, die Lehrerfortbildung – das war eine seiner Forderungen – sollte privatisiert werden.


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Leider haben Sie, Frau Bundesministerin, keine Position dazu eingenommen, ob Sie das, was er gemeint hat, auch teilen. Es ist zwar so, dass vieles, was die Freiheitlichen verlangen, obwohl sie in der Regierung sind, nicht immer kommt, aber es wäre ganz gut, wenn wir wüssten und wenn wir uns orientieren könnten, ob Sie diese Forderung – Privatisierung der Lehrerfortbildung – auch teilen. Das war für mich jedenfalls etwas ganz Neues, und daher möchte ich Sie bitten, Frau Ministerin: Vielleicht können Sie noch einen Satz dazu sagen, ob das auch Ihre Position ist oder nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen heute mit dieser Änderung der Schulgesetze beziehungsweise der Grundsätze in der Bildungspolitik und der Aufnah­me dieser Grundsätze in die Verfassung einen positiven Schritt. Ich glaube, dass die bisherige Diskussion gezeigt hat, dass es unterschiedliche Positionen, unterschiedliche Auffassungen gibt, dass es aber eine gute Diskussion war.

Eine Schulart ist bisher in dieser Diskussion unterbeleuchtet gewesen, das ist die Berufsschule. Ich möchte daher im Besonderen darauf hinweisen, dass wir in der Fas­sung, die wir beschließen werden, auch ausdrücklich die Berufsschulpflicht vereinbart haben. Ich glaube, das ist etwas ganz Wichtiges, geht es doch bei der Berufsschule darum, dass sie eine wichtige Ergänzung der Ausbildung eines Teils unserer Jugend, nämlich jener Jugendlichen, die in einer Berufsausbildungssituation sind, darstellt und dass hier insbesondere neben den beruflichen auch die allgemein bildenden Kenntnis­se eine Rolle spielen, vor allem dann, wenn wir immer wieder von Chancengleichheit der Jugend sprechen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich ausdrücklich auch einmal den Berufsschullehrern danken, die in einer anderen Art als andere Lehrer gezwungen sind, sich immer wie­der, fast täglich, neu mit neuen Schülern auseinander zu setzen, geht es doch bei den Berufsschulen darum, dass sie nicht die ganze Woche Unterricht haben – was die Tagesberufsschulen betrifft –, sondern dass die Lehrer sich jeden Tag auf andere Schüler, auf andere Klassen umstellen müssen, weil ja nur einmal in der Woche Berufsschulunterricht stattfindet, oder eben in Jahrgängen oder in Lehrgängen mehrere Wochen hindurch.

Sehr verehrte Damen und Herren! Unser heutiges Schulsystem war gut für gestern, ist aber nicht gut genug für morgen. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass wir jetzt Re­formen angehen. Sie werden jetzt leichter möglich – darauf ist schon hingewiesen wor­den. Wir brauchen – davon bin ich überzeugt – ein besseres Schulsystem, nach der Devise: Gut war es bisher, besser könnte es werden, aber es könnte auch am besten werden. Also: Gut, besser, am besten.

Wir, die SPÖ, haben jedenfalls Vorschläge dazu, ein Bildungsprogramm dazu, und wir werden es auch umsetzen. Und wir hoffen, dass wir dafür in der Zukunft auch die entsprechenden Mehrheiten bekommen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.27


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


13.27.18

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Was ist das Wichtigste in der Schulpolitik? – Ich sage, es ist die Verlässlichkeit. Schüler, Lehrer und Eltern wollen verlässliche Rahmenbedingungen in einem vielfältigen und den modernen Gegeben­heiten angepassten schulischen Angebot. Natürlich müssen wir immer wieder Schritte setzen, die den Erfordernissen der Zeit entsprechen. Wir müssen ständig darauf ach­ten, das Bildungsniveau und die Bildungsinhalte anzupassen. Aber die Grundprinzipien


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des differenzierten Schulsystems können und dürfen nicht ohne breiten gesellschaft­lichen und politischen Konsens verändert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade in den ländlichen Regionen ist diese Differenzierung und Individualisierung ein besonderes Qualitätsmerkmal. Unsere Hauptschulen mit ihren Leistungsgruppen kön­nen auf die Bedürfnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler gezielt eingehen. Ich bin froh, dass heute hier in diesem Hohen Haus dieser Konsens möglich ist und sicher­gestellt wird. Damit setzen wir ein Zeichen für „Schule neu“, die reformorientiert ihre Tradition fortsetzen kann. Wir wollen alle die beste schulische Ausbildung für unsere Kinder und Jugend, allein: Die Wege dazu gehen oft aus ideologischen oder parteipoli­tischen Motiven auseinander. Leider ist das sehr oft auch auf Kosten der Kinder und Jugendlichen und der schulischen Weiterentwicklung passiert.

Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt in dieser Debatte hinweisen: Obgleich wir heute einen gemeinsamen und mehrheitlich gemeinsamen Weg finden, ärgert es mich doch, dass immer wieder einige hier in diesem Hohen Haus unser Schulsystem, unsere Schulen schlechtreden. Die Realität im österreichischen Schulwesen ist eine andere. Und damit das so bleibt, sind immer wieder Veränderungen mit Augenmaß notwendig. Vieles kann künftig mit einfacher Mehrheit im Parlament beschlossen wer­den. Bei großen schulischen Entscheidungen ist es aber gut, dass eine breite parla­mentarische Mehrheit notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

13.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte.

 


13.29.34

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Meinem Vorredner Prinz möchte ich sagen: Die österreichische Schule schlechtzureden wird wohl niemandem wirklich gut anstehen; aber sie nur gutzuheißen, wenn man die Probleme erkennt, ist auch nicht der richtige Weg. Ich denke daher, dass es sehr wichtig ist, die österreichische Schule, die eine gute ist, noch wesentlich zu verbessern und daran mitzuarbeiten, dass sie auch wirklich verbessert werden kann.

Daher freue ich mich heute in erster Linie darüber, dass eine Reformblockade gefallen ist, der Weg frei ist für Vorschläge der Zukunftskommission. Und ich freue mich nicht nur als Abgeordnete, sondern auch als Vertreterin der Österreichischen Kinderfreunde, immerhin eine Organisation mit 97 000 Familienmitgliedern. 50 000 Aktionen werden da im Jahr durchgeführt, 1 120 Kinderfreizeitgruppen betreut.

Für mich als Vertreterin einer Eltern- und Familienorganisation ist es eine Freude, fest­stellen zu können, dass viele unserer Punkte, Punkte der Kinderfreunde, die sich sehr eingehend mit Schulpolitik beschäftigt haben, durch den Fall der Reformblockade umgesetzt werden können, denn gerade als Lobby für Kinder und Eltern muss man sich mit den Interessen und Bedürfnissen der Betroffenen auseinander setzen und feststellen, dass es eine permanente Weiterentwicklung von Schule geben muss.

Ganz wesentlich sollen die Kinder im Zentrum des Bildungsprozesses stehen. Ganz wesentlich soll die Schule ein Lebensraum für Kinder sein und auf ihre Bedürfnisse angepasst werden, und die Schule soll auch die Chancengleichheit gewähren, die wir alle so dringend brauchen, damit nämlich kein einziges Kind auf dem Weg durch die Bildungslandschaft verloren geht und keine einzige Begabung am Weg liegen bleibt.

Frau Bundesministerin, Sie haben nun Handlungsfreiheit. Wir haben ein Stück dazu beigetragen, dass es zu dieser Handlungsfreiheit nun gekommen ist. Und wir werden umso mehr darüber wachen und darauf achten, was Sie mit dieser Handlungsfreiheit


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tun, ob Sie tatsächlich Reformen, die dringend notwendig sind, endlich angehen, ob Sie die Vorschläge der Zukunftskommission ernst nehmen und umsetzen, und wir wer­den Sie selbstverständlich auch im Sinne unserer Kinder daran messen, und ich hoffe, auch die Eltern tun dies. Die Vorschläge der SPÖ, das SPÖ-Bildungsprogramm liegt nämlich vor, und wir wissen ganz genau, wie wir diese neue Schule umsetzen wer­den. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fuhrmann. Ich erteile es ihr.

 


13.32.03

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Der neue Zielparagraph hält fest, dass wir junge Menschen zu selbst­bewussten und eigenständigen Menschen erziehen sollen und unser Bildungssystem alle Voraussetzungen schaffen können muss, um das auch zu gewährleisten. Wenn wir hier viele Stunden damit verbringen, um unser Bildungssystem und damit auch alle Schülerinnen und Schüler in Österreich schlechtzureden, wir, die wir hier die Gesetze beschließen, werden wir es nicht schaffen, hier das notwendige Selbstbewusstsein zu verbreiten.

Ich würde Sie wirklich auffordern: Halten wir uns an das, was wir hier gemeinsam formulieren, und seien wir auch selbst Vorbild in Richtung Selbstbewusstsein, was die österreichische Bildungspolitik betrifft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn 78 Prozent aller Österreicher eine weiterführende Schule besuchen und der OECD-Schnitt nur bei 64 Prozent liegt, dann ist das herzeigbar. Und wenn es uns auch gelungen ist, die Akademikerquote seit 1991 zu verdoppeln, dann können wir darauf stolz sein, denn das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wenn jetzt, nachdem der Reformstau aufgebrochen werden kann, Schulversuche ver­stärkt ermöglicht werden können, die Tagesbetreuung effizienter organisiert werden kann, es mehr Selbstbestimmung für die Schulen gibt und die Fünftagewoche einge­führt wird, dann ist das nur ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Ich darf Sie hier noch einmal auffordern, auch über andere Punkte, die in der Vergan­genheit auf Grund der notwendigen Zweidrittelmehrheit nicht umsetzbar waren, noch einmal nachzudenken, und lade die Opposition noch einmal ein, wenn es schon so oft heißt, dass die Schulpartnerschaft gestärkt werden soll, sich erneut einer Diskussion über die Verhaltensvereinbarungen zu stellen, denn da werden noch immer die Schüler als die kleinste Kurie oft überstimmt. Sie wollten damals nicht mitstimmen, heute haben wir andere Voraussetzungen, aber ich lade Sie trotzdem ein, hier noch einmal die Dis­kussion mit uns gemeinsam zu begehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.34


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Rada. – Bitte.

 


13.34.24

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich kann in dieser kurzen Zeit nicht auf die Rede­beiträge aller Vorredner eingehen, aber es ist doch sehr interessant, dass die Frau Bundesministerin erklärt hat, dass die Schulqualität vor allen Organisationsfragen geht und dass es im Bereich der Pädagogischen Hochschulen Reformen geben wird. Ich


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wünsche Ihnen sehr viel Glück dazu, und ich ermuntere Sie, möglichst bald mit den Reformen im Bereich der Pädagogischen Hochschulen zu beginnen.

Es hat mir auch gut getan, dass der Abgeordnete Scheuch gemeint hat, dass endlich die Schülerzahlen gesenkt werden müssen. – So viel zu den Ausführungen meiner Vorredner.

Grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich sehr positiv der Beseitigung der Verhinde­rungspolitik, wie manche sagen, des Wegfalls der Zweidrittelmehrheit im Schulbereich gegenüberstehe. Jetzt kann sich endlich Schule den gesellschaftlichen Erfordernissen und Bedürfnissen anpassen, die notwendig sind, um Begabungen zu fördern.

Wenn wir von der inneren Differenzierung und der äußeren Differenzierung heute ge­sprochen haben, so möchte ich sagen: Schüler brauchen Mannigfaltigkeit! Es kann da­her nur der Qualitätssicherung dienen, wenn Schüler verschiedenster Begabungen in einer Klasse sind und nicht vorzeitig durch verschiedene Schulsysteme getrennt wer­den. Den größten Anreiz gibt es unter den Schülern selbst. Differenzierung bedeutet mitunter, wenn sie äußerlich passiert, Frust bei den Schülern, Frust bei den Lehrern. Wir können das auf Grund der PISA-Studie hundertprozentig nachvollziehen.

Weil heute auch immer wieder von den ganztägigen Schulformen gesprochen wurde, möchte ich sagen: Die ganztägigen Schulformen sind rundum, egal, in welcher Form, zu begrüßen, nur: Die Frage der Kosten muss geklärt werden!

Frau Bundesministerin! Es kann nicht so sein, dass alles auf die Länder und in weiterer Folge auf die Gemeinden und dann auf die Eltern von solchen Kindern abgewälzt wird. Diese ganztägigen Schulformen bringen genau das, was wir zur Qualitätssicherung, zur Lernentlastung brauchen, nämlich dass Kinder, wenn sie die Schule verlassen, mit den Eltern nicht mehr weiterlernen und üben müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


13.37.57

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! PISA hat es möglich gemacht, und PISA 2003 war ja nicht das erste PISA-Debakel, sondern bereits das zweite. Jetzt wird es in Zukunft möglich sein, eine sinnvolle Differenzierung im Sinne der Schüler und Schülerinnen vorzunehmen.

Einer der Hauptkritikpunkte am österreichischen Schulsystem, die von allen Experten und Expertinnen, die sich mit Kindern beschäftigen, und auch von Zukunftskommission geäußert wurden, war die Kritik an der frühen Selektion, die bereits in der letzten Volksschulklasse einsetzt. Meist geht es dabei um eine Aufteilung in gut und schlecht geeignet und weniger geeignet, aber jeder, der sich mit Kindern beschäftigt, weiß, dass das völlig absurd ist und völlig danebengreift.

Fakt ist, dass es sich bei einer so frühen Selektion um eine soziale Auslese handelt, die nichts, und zwar gar nichts, mit dem Können, mit dem Talent und den Fähigkeiten der Kinder zu tun hat. Das gehört daher abgeschafft.

Das finnische Modell wird allgemein lobend hervorgehoben und studiert. Das finnische Modell hat ganz einfache Voraussetzungen: Man muss den Kindern Zeit geben. Man muss den Kindern die Möglichkeit geben, sich in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu ent­falten und ihre Ressourcen und Fähigkeiten zu entdecken, ohne gleich dem sozialen Druck standhalten zu müssen.


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Das finnische System sagt auch Folgendes: Wir können es uns nicht leisten, Schüle­rInnen unterwegs zu verlieren. Daher gibt es in dieser gemeinsamen Schule innere Differenzierung durch unterstützende Fördermaßnahmen.

Diese breite gemeinsame Ausbildung ist eine hervorragende Voraussetzung für die Fähigkeit zur Entwicklung von Kreativität, eine Voraussetzung für die Freude an Inno­vation, Experimenten und Leistungen. Jetzt endlich sind wir in Österreich auch so weit, dass wir tatsächlich aufholen können, wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das auch wollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

 


13.39.18

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als aktiver Lehrer bin ich sehr glücklich über die heutige Situation. Ich freue mich darüber, dass man, wenn man über Schulreform reden will, nicht in den Geschichtsbüchern mehr nachschlagen braucht bei Otto Glöckl oder Hartmut von Hentig, sondern dass sich Schulentwicklung in Zukunft bei uns aktiv anbieten wird. Ich glaube, das ist auch für die Lehrer ganz ent­scheidend. LehrerInnen können nicht in einem Betrieb erfolgreich arbeiten, der einem permanenten Stillstand unterworfen ist. Ich glaube, Lehrerinnen und Lehrer brauchen, um motiviert zu sein, diese Bewegung in der Schule. Ich glaube, das ist ganz wichtig.

Wichtig ist meiner Ansicht nach auch, dass in Bezug auf diese Zweidrittelmehrheit die Verhältnismäßigkeit hergestellt wird. Ich habe das nie verstanden, und viele Österrei­cher haben es auch nicht verstanden, dass man, wenn in Österreich große Industrien und Staatsvermögen verschleudert werden, dazu eine einfache Mehrheit braucht (Rufe bei der ÖVP: BA! Bank Austria!) und dass man, wenn es um einen „Rohrstaberl-An­trag“ vom Kollegen Amon geht, eine Zweidrittelmehrheit dafür braucht.

Kurz und gut, Gewinner werden die Schülerinnen und Schüler sein, und ich glaube, das ist das Wichtigste dieses neuen Gesetzes, das wir heute beschließen werden. Aber eines noch zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungspar­tei: Schule und Schulentwicklung werden immer Geld kosten, und die Auseinanderset­zung mit der Frage, ob man sie totspart, wird uns auch in Zukunft nicht erspart bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

 


13.41.03

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es freut mich, dass mit dem heutigen Beschluss, wie schon von meinen Kollegen erwähnt, ein erster großer Schritt zur Abschaffung der Zweidrittelmehrheit gesetzt wird und dadurch viele Reformen ermöglicht werden. Ganz besonders freut mich, dass, wie eine klare Erklärung der Frau Bundesministerin zeigt, die Umsetzung einer gemeinsamen Schule der 6- bis 15-Jährigen – es gibt ein Kärnt­ner Modell, aber auch ein ähnliches steirisches Modell – nun mit einfacher Mehrheit möglich ist. Ich bedanke mich wirklich dafür. Aber auch viele andere Reformen, die heute schon erwähnt wurden, sind nun möglich.

Wir möchten aber trotzdem darauf drängen, dass, wie heute schon diskutiert wurde, der eingeschlagene Weg, der auch im Österreich-Konvent beschritten wurde, weiterge­gangen wird und eine wirkliche Entpolitisierung der Schulkollegien, Bezirksschulräte,


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Landesschulräte, aber auch Präsidentschaften, stattfindet. Es muss aber auch eine schlanke Verwaltung im Schulbereich verwirklicht werden, so wie es auch der Rech­nungshof fordert. Damit sind Einsparungsmöglichkeiten gegeben, und damit haben auch Sie von der Sozialdemokratie die Möglichkeit, diese Gelder dann auch zielgerich­tet den Schülern zukommen zu lassen. Das wurde ja heute von Broukal x-mal eingefor­dert. All das ist möglich, wenn dieses Ziel nachhaltig im neu gegründeten Ausschuss des Konvents weiterverfolgt wird.

Deshalb bringe ich folgende Antrag ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird ersucht, eine Expertengruppe zur Durchforstung des Schulrechtes einzusetzen, mit dem Ziel, die pädagogischen Freiräume zu erweitern.

Weiters geht der Nationalrat davon aus, dass die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Beratungen des oben stehenden Besonderen Ausschus­ses im Sinne der Weiterentwicklung hin zu einer schlankeren Schulverwaltung und Schulaufsicht nach besten Möglichkeiten unterstützt und ersucht, im Falle eines Be­schlusses des Nationalrates die erforderlichen Maßnahmen im Bildungsbereich mög­lichst rasch umzusetzen.“

*****

Mit dieser Entschließung ermöglichen wir, dass dieses uns sehr, sehr wichtige An­liegen im Besonderen Ausschuss des Konvents weiter intensiv beraten wird, und wir freuen uns, wenn die Sozialdemokratie dann auch wie jetzt bei der Abschaffung der Zweidrittelmehrheit eifrig mitarbeiten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

13.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben vorgetragene Entschließungs­antrag der Abgeordneten Neugebauer und Rossmann ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Neugebauer, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend schlanke und effiziente Schulverwaltung – mehr pädagogischer Freiraum für die Schu­len, eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (847 d.B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und über den Antrag 531/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag.Dr. Magda Bleckmann, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird (945 d.B.)

Die Abschaffung der 2/3-Erfordernisse für Schulgesetze und die Festschreibung wich­tiger Schulprinzipien in der Verfassung stellen einen großen Fortschritt in der Bildungs­politik dar und bringen der Schule die notwendige Flexibilität für eine qualitative Weiter­entwicklung des Schulsystems. Diese neue schulrechtliche Situation soll dazu genützt


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werden, über die in Angriff genommenen Reformvorhaben hinaus das Schulrecht, insbesondere das Schulunterrichtsgesetz, mit dem Ziel zu durchforsten, die pädago­gischen Freiräume zu erweitern. Eine weitere Herausforderung stellt die Weiterent­wicklung der Schulverwaltung und Schulaufsicht dar.  Ziel muss es sein, eine einfache und schlanke Verwaltung mit klaren Zuständigkeiten und Verantwortungen sowie eine Entpolitisierung der Schulverwaltung zu schaffen. Im Rahmen der Beratungen des Österreich-Konvents über eine neue Verfassung wurde auch diese Weiterentwicklung der Schulverwaltung und Schulaufsicht diskutiert. Diese Beratungen werden im Beson­deren Ausschuss zur Vorberatung des Berichtes des Österreich-Konvents, vorgelegt vom Bundeskanzler, fortgesetzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird ersucht, eine Expertengruppe zur Durchforstung des Schulrechts einzusetzen, mit dem Ziel, die pädagogischen Freiräume zu erweitern.

Weiters geht der Nationalrat davon aus, dass die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Beratungen des oben stehenden Besonderen Ausschus­ses im Sinne der Weiterentwicklung hin zu einer schlankeren Schulverwaltung und Schulaufsicht nach besten Möglichkeiten unterstützt und ersucht, im Falle eines Be­schlusses des Nationalrates die erforderlichen  Maßnahmen im Bildungsbereich mög­lichst rasch umzusetzen.“

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mandak. Ich erteile es ihr.

 


13.44.05

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Kollegin Rossmann! Es ist fast schade, dass Ihr Antrag jetzt ein bisschen leise hinübergekommen ist, es ist auch der Lärmpegel relativ hoch, es ist nämlich ein guter Antrag. Wir werden diesem Antrag zustimmen und ihn unterstützen und freuen uns, dass das Schulunterrichtsgesetz durchforstet werden soll mit dem Ziel, die päda­gogischen Freiräume zu erweitern – ausgezeichnet. Eigenartig, dass Sie vorher auch den umfassenden festen Lehrplan beschließen, aber Sie werden schon wissen, was Sie tun.

Wir freuen uns auch sehr über die einfachere und schlankere Schulverwaltung und Schulaufsicht und ganz besonders über die Entpolitisierung der Schulverwaltung. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Das ist heute eigentlich eine Sternstunde! Wir freuen uns sehr darüber und werden dem natürlich zustimmen, denn das ist eine For­derung, die wir schon erheben, seit es die Grünen überhaupt gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.45


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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110. Sitzung / Seite 99

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 945 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Werner Amon, Dr. Erwin Niederwieser, Mares Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf und den eben erwähnten Abände­rungsanträgen jeweils um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich werde zunächst über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kol­leginnen und Kollegen, dann über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschuss­berichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Werner Amon, Dr. Erwin Niederwieser, Mares Rossmann, Kolleginnen und Kollegen abstim­men lassen.

Die Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag eingebracht. Wer diesem Abänderungsantrag beitritt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit, und damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantra­ges der Abgeordneten Werner Amon, Dr. Erwin Niederwieser, Mares Rossmann, Kolle­ginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies eben­falls die Mehrheit. Ich stelle abermals die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehrheit fest.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Neugebauer, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend schlanke und effiziente Schulverwaltung – mehr pädagogischer Freiraum für die Schulen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist dieser Antrag angenom­men. (E 105.)

13.47.252. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (814 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz, das Bundesgesetz vom 27. Jänner 1976 über die Behördenzuständigkeit und die Ahndung von Verwaltungsübertre­tungen in Angelegenheiten der Schifffahrt auf dem Bodensee sowie über die Än­derung des Schifffahrtspolizeigesetzes und das Seeschifffahrtsgesetz geändert werden (Schifffahrtsrechtsnovelle 2005) (907 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.


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110. Sitzung / Seite 100

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Böhm. – Bitte.

 


13.47.49

Abgeordneter Franz Xaver Böhm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Erlassung des Schifffahrtsgesetzes im Jahr 1997 hat sich in der Verwaltungspraxis und auf Grund der fortschreitenden Ent­wicklungen, etwa im Bereich der Europäischen Integration oder bei den Kommunika­tionstechnologien, ein Bedarf an Erneuerung und Anpassung diverser Rechtsvorschrif­ten ergeben.

Das österreichische Schifffahrtsrecht soll durch diese Novelle an bestehende Rechts­normen, etwa aus dem Bereich der Europäischen Union, angepasst werden. Der Verkehrsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 28. April 2005 in Verhandlung genommen, und bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Das Transportaufkommen 2002 beträgt laut Statistik Austria auf der Straße zirka 285 Millionen Tonnen, auf der Donau zirka 12 Millionen Tonnen, auf der Schiene zirka 84 Millionen Tonnen. Das heißt, es entspricht der Transport auf der Donau 4 Prozent des Gesamttransportes der Straße und 14 Prozent von jenem auf der Schiene.

Es werden nach wie vor große Mengen an verschiedenen festen und flüssigen Stoffen über das Wasser durch Österreich transportiert. Daraus ergeben sich zwei Problem­kreise: die Sicherheit und die Umwelt.

Erstens zur Umwelt: Die Problematik dabei besteht in der Verklappung von bordeige­nem Unrat in Wasser. Immer wieder wird dabei ölhältiges Wasser aus Tankbehältern und vor allem Bilge-Wasser im Wasser entsorgt. Durch die hier vorliegende Gesetzes­novelle werden die Häfen aufgefordert, entsprechende Entsorgungsstellen einzurich­ten. Damit soll verhindert werden, dass einerseits Fahrzeuge unzumutbar hohe Men­gen an Ölrückständen oder ölhältigem Wasser ohne zusätzliche Kosten entsorgen und andererseits Fahrzeuge ausschließlich zur Inanspruchnahme der Entsorgungsleistung in den Hafen einfahren, ohne dass dieser Leistung ein nennenswertes Hafenentgelt gegenübersteht. Dadurch wird der Einsatz von Entölerschiffen forciert.

Zweitens geht es um die Sicherheit vorwiegend bei der Navigation, Wetterinformation und den Wasserständen und um die Verbesserung der Telekommunikation über das River-Informationssystem. Weiters geht es um die Abgleichung der Funksysteme auf gemeinsamer europäischer Ebene.

Im Sinne der Sicherheit bitte ich um eine allgemeine Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

13.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.50.28

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bei diesem Tages­ordnungspunkt zunächst einmal Grundsätzliches zum heutigen umfangreichen Ver­kehrspaket zu sagen. Meine Kolleginnen und Kollegen werden dann noch bei den wei­teren Tagesordnungspunkten und bei den weiteren Verkehrsproblemen auf die einzel­nen Punkte näher eingehen.


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110. Sitzung / Seite 101

Wir beschließen heute – mein Vorredner hat es schon gesagt – eine wichtige Schiff­fahrtsrechtsnovelle. Die Bedeutung der Wasserstraße wurde bereits erklärt, das brauche ich nicht zu wiederholen. Wir werden dieser Novelle natürlich unsere Zu­stimmung geben, genauso wie wir den Rahmenbedingungen für die Flughäfen und die Luftfahrt sowie der Straßenverkehrsordnung generell heute unsere Zustimmung ertei­len werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies war im Ausschuss noch nicht so, denn im Ausschuss gab es noch differente Stellungnahmen und Überlegungen, nämlich be­treffend das LKW-Wochenendfahrverbot. Es war vorgesehen – die Regierungsparteien haben auch im Ausschuss dem zugestimmt –, dass das LKW-Wochenendfahrverbot wesentlich gelockert hätte werden sollen. Wir waren der Meinung, dass diese Locke­rung und die Lärmbelästigungen, die damit verbunden wären, vor allem für den ge­samten Urlaubsreiseverkehr, für die Tourismuswirtschaft und auch für die Umwelt nicht gut wären. Der Bevölkerung soll wenigstens am Wochenende ermöglicht werden, ein etwas ruhigeres Leben als während der normalen Arbeitstage zu haben. Und so wurde das dann auch verhandelt.

Ich habe den Herrn Staatssekretär persönlich nach der Ausschusssitzung damals er­sucht, mitzuhelfen, ob man dieses Wochenendfahrverbot nicht wieder darauf be­schränken könnte, dass nur Lebendtiere und verderbliche Lebensmittel transportiert werden, aber alle anderen Lkw-Fahrten hintangestellt werden. Dem ist nun von den Regierungsparteien in einem gemeinsamen Abänderungsantrag die Zustimmung ge­geben worden. Daher werden wir heute beim übernächsten Tagesordnungspunkt, nämlich bei der Straßenverkehrsordnung, eine gemeinsame Beschlussfassung haben, worüber ich auch sehr froh bin, weil eine Reihe von Verbesserungen, vor allem was die Verkehrssicherheit anlangt, in diesen Punkten beinhaltet sind, denen wir als Sozial­demokraten selbstverständlich auch gerne die Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


13.53

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Die Straßenverkehrsnovelle, die Kollege Eder gerade angesprochen hat, wird erst beim übernächsten Tagesordnungspunkt be­schlossen, daher werde ich mich jetzt wieder auf die Schifffahrt beschränken.

Es ist mir schon wichtig anzumerken, dass durch den Transport von Gütern mit der Schifffahrt eine sehr gute Verbesserung der Verkehrsbelastung bewirkt werden und daher auch für die Bürger und für die Umwelt ein vermehrtes Verkehrsaufkommen in Grenzen gehalten werden kann. Natürlich sind die Möglichkeiten dafür in Österreich beschränkt, das ist ganz klar. Wir haben kein weit verzweigtes Wasserwegenetz, das kommerziell genutzt werden kann. Und außerdem ist es wichtig, dass wir die Gewäs­ser für die kommerzielle Schifffahrt nicht nur als nasse Autobahnen ansehen, sondern dass wir auch daran denken, dass diese Wasserverkehrswege Lebensräume von unschätzbarem Wert sind, die es zu erhalten gibt, und daher ist auch ihre Nutzung entsprechend abzuwägen.

Das vorliegende Schifffahrtsgesetz ist eine Fortschreibung des bestehenden Schiff­fahrtsgesetzes und insbesondere für die Technologieentwicklung im Kommunikations­bereich eine Novellierung. In diesem Zusammenhang möchte ich ganz besonders das neue Binnenschifffahrtsinformationssystem ansprechen, das DoRIS.


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110. Sitzung / Seite 102

Wir in Österreich können eine sehr innovative Technologie vorweisen, bei der wir in Europa führend sind. Ich möchte ganz besonders darauf hinweisen, dass wir auch im Bereich der Technologie europaweit sehr gut zusammenarbeiten. Dieses System wird Ende Oktober oder Ende Herbst eingeführt werden und soll mit 1. Jänner 2006 in Betrieb gehen. Wir können stolz darauf sein, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir da in Europa führend sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genauso wie meine Vorredner finde ich es sehr gut und sehr positiv, dass wir gerade im Bereich des Verkehrs, sei es das Schifffahrtsgesetz oder die kommenden zwei No­vellen betreffend die Straßenverkehrsordnung, einen breiten Konsens finden und dass insbesondere diese wichtige Schifffahrtsrechtsnovelle gemeinsam hier im Hohen Haus beschlossen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


13.55.46

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Eingangs darf ich gleich vor­ausschicken, dass ich meine Ausführungen zu allen Verkehrspunkten wegen der umfangreichen Tagesordnung auf zwei Minuten beschränken werde. Dies ist ein Ent­gegenkommen meinerseits Ihnen gegenüber. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und Freiheitlichen.)

Die Zustimmung zum Schifffahrtsgesetz ist auch von unserer Seite her gegeben. Als positiv zu erwähnen sind: die Senkung auf 0,5 Promille und die reguläre Entsorgung der Ölabfälle. Wir haben allerdings Bedenken – und das ist schon mein Schlusssatz – wegen der Verbesserung der Zulassungsvoraussetzungen für Waterbikes. Bitte pas­sen Sie auf, dass das Fahrverbot nach wie vor gültig bleibt! Und mit diesem Appell möchte ich unsere Zustimmung noch einmal bekräftigen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.56


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.

 


13.56.52

Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Staatssekretäre! Die heutige Gesetzesmaterie war schon im Verkehrsaus­schuss Konsensmaterie, und so auch jetzt. Zweifellos gibt mit dieser Änderung des Schifffahrtsgesetzes auch der Gesetzgeber auf die veränderten Rahmenbedingungen die richtigen Antworten.

Die Schifffahrt in Österreich ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, und zwar nicht nur auf den Seen für den Tourismus, sondern auch immer mehr im Transportwesen. Die Was­serstraße Donau als grenzüberschreitender wichtiger Verkehrskorridor, der auch in das transeuropäische Netz aufgenommen wurde, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Des­wegen ist es notwendig, die Regelungen anzupassen und die Schifffahrtsrechtsnovelle heute zu beschließen.

In der heutigen Novelle geht es um das Binnenschifffahrtsinformationssystem, die Auf­nahme von neuen Wasserfahrzeugen, die Änderung der Promillegrenze und – das ist ein ganz besonders wichtiger Umweltaspekt – um die Reinigung von Tankschiffen.


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Es wird damit ein richtiger Schritt in der Verkehrspolitik gesetzt, weil die Schifffahrten und der Transport auf dem Wasser eine stärkere Bedeutung gewinnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

 


13.58.25

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekre­täre! Geschätzte Damen und Herren! Wir von der SPÖ stimmen – Kollege Eder hat das schon gesagt – dieser Schifffahrtsrechtsnovelle zu. Und ich möchte das, was Kollegin Moser gesagt hat, unterstreichen.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen und, nachdem wir heute an den Herrn Vize­kanzler Fragen stellen konnten, auf seine Antwort zurückkommen. Ich habe ihn ge­fragt, warum er nicht daran denkt, in Österreich Partikelfilter-Nachrüstungen zu unter­stützen, sei es durch Subvention oder anderes. Darauf habe ich als Antwort bekom­men, das sei ein schwieriges Problem, das wir an der Wurzel packen müssten. Das ist eine sehr blumige Antwort, aber ich weiß nicht, was die Grundlage für diese Auskunft war.

Da ich jedoch solche Auskünfte an sich ernst nehme, darf ich den Herrn Vizekanzler auf einen Artikel im „Spiegel“ aufmerksam machen, in dem Vergleiche zwischen Die­selmotoren in Deutschland und in Amerika angestellt werden. Wir kennen die Grenz­werte in Europa für Stickoxyde. Stickoxyde und Russpartikeln sind jene Produkte, die es auszuscheiden gilt, die also umwelt- und gesundheitsgefährdend sind. Den Ruß­partikelfilter wollen wir gefördert wissen. Ich weiß, dass wir dafür entsprechende Mittel freimachen müssten, das ist klar. Aber die Stickoxyde, die nicht weniger gefährlich sind, kann man in Kombination mit Katalysatoren herausfiltern. In Deutschland wird ein solcher Weg schon erprobt – er scheint sehr erfolgreich zu werden –: nämlich mit Harnstoffzusätzen. Damit wird eine 80-prozentige Verringerung der Stickoxyde er­reicht, was zu einer enormen Verbesserung der Luft führen könnte.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es uns die Umwelt wert sein sollte, nicht nur Probleme an der Wurzel zu packen, sondern sich ernsthaft mit solchen Dingen auseinander zu setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 907 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die noch nicht Platz genommen haben, diesen einzunehmen, und bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.


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14.01.173. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (841 d.B.): Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die Erleichterung von Ambulanz- sowie Such- und Rettungsflügen (908 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (860 d.B.): Bun­desgesetz über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen (909 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


14.01.58

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Herren Staatssekretäre! Das Abkommen mit Slowenien findet natürlich unsere Unterstützung, hingegen ist Tagesordnungspunkt 4, bei dem es um das Bundesgesetz über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen geht, unserer Meinung nach mit sehr kritischen Punkten behaftet.

Es ist klar, dass wir für mehr Lärmschutz für AnrainerInnen sind. Nach wie vor gibt es in Österreich kein Lärmschutzgesetz, und nach wie vor liegt das Umgebungslärmge­setz im Umweltausschuss. Das ist für uns – auch in der Perspektive, wie es dort ange­legt ist – bei weitem zu wenig, und darum fordern wir jetzt eindeutige Maßnahmen ein! Wir müssen, da wir heute in der Früh vom Herrn Minister gehört haben, dass Lärm­schutz im Verkehrsbereich für ihn ein Schwerpunkt sei, bei diesem Gesetz nein sagen und werden das auch tun. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.02


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Regler. – Bitte.

 


14.03.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Hinsichtlich des Verkehrslärmschutzes haben wir derzeit die größten Probleme im Luft­verkehr, und zwar wesentlich mehr als im Straßenverkehr und im Schienenverkehr. Wir haben diesbezüglich zahlreiche und besonders aktive Bürgerinitiativen. Derzeit haben wir sogar eine Zivilklage wegen Beeinträchtigung des Wertes eines Grundstückes durch das Überfliegen von Flugzeugen.

Zu Frau Kollegin Moser möchte ich sagen: Wir haben derzeit im Parlament ein Geset­zeszwillingspaar, nämlich das Gesetz über die lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen, das wir heute auf der Tagesordnung haben – das war im Verkehrsaus­schuss – und demnächst kommt in den Umweltausschuss das Bundes-Umgebungs­lärmschutzgesetz, das sowohl den Lärmschutz auf Bundesstraßen, im Eisenbahnver­kehr und im zivilen Flugverkehr, als auch bei den industriellen Tätigkeiten regeln soll.

Heute setzen wir eine EU-Richtlinie um, die für Wien-Schwechat – diese neue Richt­linie betrifft nur Wien-Schwechat – um nahezu 30 Jahre, wenn man so sagen kann, zu spät kommt, denn bereits vor 30 Jahren hat die Behörde für Wien-Schwechat jene Auflagen vorgeschrieben, die jetzt, 30 Jahre später, die EU-Richtlinie eigentlich fordert. Daran sieht man schon, wie weitsichtig die Behörden damals gearbeitet haben.


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Aber die Entwicklung im Luftverkehr geht weiter. Wir wissen, wir werden in Wien-Schwechat voraussichtlich im Jahre 2010, spätestens 2012, 20 Millionen Passagiere haben. Sollte das erreicht sein, dann werden die aufgetragenen Lärmschutzbeschrän­kungen entsprechend geändert werden müssen.

Wir haben am Flughafen Wien-Schwechat ein langjähriges Mediationsverfahren hinter uns, mit über 50 Parteien, mit Bürgerinitiativen, mit Vertretern Wiener Bezirke, mit nie­derösterreichischen Bürgermeistern et cetera. Folgendes wurde festgelegt: Es wird zuerst das Mediationsverfahren zu Ende geführt, und dann wird das UVP-Verfahren für die dritte Piste eingeleitet. Das Ergebnis ist praktisch fertig. Es wird von fast allen mit­getragen und beinhaltet: umfassende Nachtflugverbote und die Verlegung von Flug­routen möglichst über unbewohntes Gebiet.

Forderungen, den Flughafen Wien-Schwechat überhaupt zu verlegen, zum Beispiel ins Marchfeld oder gar nach Ungarn, würden dazu führen, dass gigantische Investitionen entwertet werden und unzählige Arbeitsplätze verloren gehen. Auch die Forderungen, dass nur An- und Abflüge nach Wien-Schwechat kommen dürften und nicht umge­stiegen werden darf, sind, so muss ich sagen, geradezu naiv, weil dann viele Flug­verbindungen entfallen würden und damit der Wirtschaftsstandort Österreich schwer gefährdet wäre.

Auch dem Verlangen, dass nur mehr Kapitel-4-Flugzeuge landen dürfen, kann nicht Rechnung getragen werden, wobei derzeit in Wien-Schwechat ohnedies nur Kapitel-3-Flugzeuge landen dürfen. Die Kapitel-4-Flugzeuge werden erst laufend zugelassen, das dauert noch etwas.

In diesem Sinne bitte ich um die Zustimmung zur Umsetzung der EU-Richtlinie und auch unsere Kolleginnen und Kollegen von den Grünen um eine etwas realistischere Sicht des Flugwesens. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

 


14.06.55

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Steier wird dann zur Frage der lärmbedingten Betriebsbeschränkung auf Flughäfen Stellung nehmen. Ich möchte einige wenige Sätze zum Abkommen mit Slowenien sagen.

Es ist bekannt, dass im Katastrophenfall oder bei schweren Unfällen die gegenseitige Hilfsleistung mit Fluggerät im Abkommen geregelt ist, und zwar mit allen Nachbar­staaten. Für die Dinge, die im täglichen Leben passieren, also etwa bei medizinischer Versorgung, bei Ambulanz-, Such- und Rettungsflügen, gibt es derzeit erst Abkommen mit Italien und mit Ungarn. Wie ich höre, sind gerade Verhandlungen mit der Schweiz im Gange. Das erscheint mir als unmittelbarer Bewohner an der tschechischen Grenze etwas zu wenig zu sein. Ich glaube, es wäre notwendig, dass entsprechende Abkom­men auch mit allen anderen Nachbarstaaten geschlossen werden, weil es darum geht, Erleichterungen für diese Einsatzflüge auch in den Nachbarstaaten zu ermöglichen, also dass solche Flüge auch von Außenlandeplätzen durchgeführt werden können und nicht nur von bewilligten Zivilflugplätzen, dass es entsprechende Erleichterungen beim Grenzübertritt gibt und anderes mehr. Ich halte das für notwendig.

Die Initiative müsste eigentlich beim Außenministerium liegen, aber es wäre natürlich wichtig, dass vom Ministerium, das hinter mir von den beiden Staatssekretären vertre-


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ten wird, der notwendige Input, der Anstoß kommt. Ich hoffe, dass das auch gelingt. Wir werden dem Abkommen zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08



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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


14.08.48

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Regierungsmit­glieder! Hohes Haus! Ich bin der gleichen Meinung wie Herr Abgeordneter Parnigoni. Natürlich ist es wichtig, dass alle Nachbarstaaten erfasst sind. Gerade der alpenlän­dische Raum ist bei uns besonders wichtig. Slowenien und Österreich haben einen alpinen Bereich, haben touristische Bereiche und sehr viel Reiseverkehr.

Menschenleben und die Gesundheit von Menschen haben Priorität bei uns in Öster­reich. Daher begrüße ich diese Maßnahme und dieses Abkommen.

Man sieht, dass dieses Thema über alle Parteien hinweg prioritär ist und daher auch gemeinsam beschlossen wird. Der Inhalt ist immer gleich: Menschen retten, Menschen helfen, Gesundheit, Gesundheitsvorsorge, Heimkehr von Verletzten. Ich glaube, ge­rade für ein touristisches Land ist das wichtig. Wir werden das Abkommen – das haben wir auch vorher gesagt – gemeinsam mit Ihnen unterstützen. Wir begrüßen solche Maßnahmen, hoffentlich gibt es weitere, und auch diese werden wir dann, sage ich einmal, gemeinsam beschließen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

14.09


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stadler. – Bitte.

 


14.10.00

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Auch ich darf zu diesem Abkommen sprechen und begrüßen, dass im Rahmen dieses Abkommens eine Erleichterung der Durchführung von Ambulanz- und Rettungsflügen beinhaltet ist. Da der Reiseverkehr zwischen Österreich und Slowenien immer stärker wird und es zunehmend Alpentourismus gibt, ist es höchst notwendig, dass wir für verunglückte oder erkrankte österreichische, aber auch slowenische Staatsbürger eine Heimholung über den Luftweg entschieden erleichtern.

Bisher waren grenzüberschreitende Rettungs- und Ambulanzflüge mit großen administ­rativen Auflagen behaftet. Da bei Verunglückten der Zeitfaktor eine sehr große Rolle spielt und es oft um Minuten geht, um Menschen in Lebensgefahr rasch zu bergen, werden mit diesem Abkommen die administrativen Formalitäten auf ein Mindestmaß reduziert.

Der vorliegende Entwurf sieht die Erleichterung in der Abwicklung zollrechtlicher und grenzpolizeilicher Verfahren vor: die Ausnahme vom Zollflugplatzzwang, die Abstand­nahme von der grenzpolizeilichen Abfertigung, die weitgehende Reduzierung der erfor­derlichen Zollformalitäten und die Vereinfachung des Verfahrens bei der Abgabe des Flugplanes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Sinne der Sicherheit ist dieses Abkom­men notwendig, nachdem es bereits mit mehreren Nachbarstaaten vereinbart wurde. Es ist eine echte Lücke, die wir heute schließen, und es freut mich, dass alle Parteien dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.11


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steier. – Bitte.

 


14.11.51

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Herren Staats­sekretäre! Meine geschätzten Damen und Herren! In Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2002 sollen mit dem Bundesgesetz über lärmbedingte Betriebsbeschrän­kungen auf Flughäfen zusätzliche Maßnahmen zur Minderung von Lärmemissionen möglich werden.

Mit der Erwartungshaltung, dass dadurch für die lärmgeplagten AnrainerInnen von Flughäfen zumindest mittelfristig durchaus positive Ansätze bestehen könnten, werden wir von der SPÖ dieser Vorlage zustimmen.

Kritisch sehen wir, dass sich der Status quo für Anrainer von Flughäfen nicht verbes­sern wird, weil lärmbedingte Betriebsbeschränkungen nur für Flughäfen mit über 50 000 Flugbewegungen vorgesehen sind. Davon ist derzeit nur der Flughafen Wien-Schwechat betroffen, dessen Betriebsbeschränkungen aus dem Jahr 1972 halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Generell war in den vergangenen Jahren wenig Bereitschaft vorhanden, sich der Problematik Fluglärm ernsthaft anzunehmen. Sowohl die heute zu beschließende Regelung als auch das Bundes-Umgebungslärm­schutzgesetz, das demnächst auf der Tagesordnung stehen wird, verdanken wir der Existenz von EU-Vorgaben.

Klar festzuhalten ist, dass die Erarbeitung eines eigenständigen Fluglärmgesetzes bisher leider gescheitert ist, und zwar an finanziellen Vorgaben beziehungsweise an Kompetenzproblemen in der Raumordnung.

Meine geschätzten Damen und Herren! Bei all der Bedeutung der Luftfahrt für den Wirtschaftsstandort Österreich beinhaltet das hohe Wachstumspotenzial der Luftfahrt eine zunehmende Umwelt- und Lärmbelastung: plus 15,9 Prozent bei den Passagier­zahlen des Flughafens Wien-Schwechat, gestern veröffentlicht. Da ist der Interessen­konflikt bereits vorprogrammiert.

Um der Forderung nach einer Limitierung von Flugbewegungen vorzubeugen, ist es höchste Zeit, tatsächlich eine Lösung betreffend Fluglärm zu finden: eine Lösung, die tragfähig ist und keine Alibiaktion darstellt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rädler. – Bitte.

 


14.14.06

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Gerade angesichts der gestern stattgefunden habenden, großen europäischen Diskussion in diesem Haus steht die Festsetzung eines zwischenstaat­lichen Abkommens mit Slowenien auch in diesem Zusammenhang. Die europäische Reisefreiheit ist ja ein Grundrecht, das in der Verfassung verankert ist. Daher müssen wir uns natürlich auch im Bereich des Flugrettungsdienstes damit auseinander setzen.

Österreich hat in diesem Bereich eine große Geschichte: Seit mehr als 22 Jahren wird die Flugrettung in Österreich betrieben, und zwar sehr erfolgreich. Wir haben europa­weit das beste System mit 18 Hubschraubern, die einsatzfähig sind. Innerhalb von vier Minuten ist der Flugrettungsdienst mit einem Notarztsystem am Unfallort. Der Notarzt ist ein eigenes Berufsbild, das aus dieser Geschichte der Flugrettung entstanden ist. Ich denke, dass das eine sehr positive Entwicklung ist.


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Darüber hinaus ist ein Eckpfeiler der österreichischen Flugrettung das Jahr 2001, in dem unter Bundesminister Ernst Strasser die Zusammenführung der Christophorus-Hubschrauberflotte mit dem Pool des Innenministeriums stattgefunden hat und ein schlagkräftiges System aufgebaut wurde.

Auch die Länder haben ihren Anteil: Die Bundesländer finanzieren nicht nur das Not­arztsystem, sondern auch die dazugehörige Infrastruktur. Durch den heutigen Be­schluss, so denke ich, können wir feststellen, dass der österreichische Flugrettungs­dienst seiner europäischen Aufgabe gerecht wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.15


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


14.15.50

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Ich glaube, dass das vorliegende Abkommen mit Slowenien bezüglich der Rettungsflüge natürlich für Gesamtösterreich wichtig ist, aber in meinen Augen ist es speziell für die Grenzregionen ein absolut wichtiges System. Ich persönlich möchte als Einwohner einer Grenzregion, des Südburgenlandes, dazu sagen, dass es hier durchaus in der Praxis noch Verbesserungsmöglichkeiten gäbe, denn allzu viel ge­schieht im Bereich der Rettungshubschrauberflüge noch nicht in gemeinsamer Arbeit.

Ich möchte überhaupt eine Lanze für ein Gesamtösterreich abdeckendes Rettungs­hubschrauber-System brechen, vor allem für die Grenzregionen, weil ich denke, dass dieses System in den Grenzregionen durchaus noch ausbaufähig ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Beispiel aus dem Südburgenland erzählen: Vor zwei Wochen ist ein Probebetrieb von einer Firma von heute auf morgen einge­stellt worden. Gott sei Dank hat dann eine andere Firma – der ÖAMTC – dieses Sys­tem übernommen. Bereits am ersten Tag des Einsatzes wurden drei lebensrettende Einsätze geflogen. Das zeigt, dass zwar vielleicht tage- oder wochenlang kein Einsatz notwendig ist, aber an einem anderen Tag drei oder vier solche lebensrettende Ein­sätze notwendig sind.

Ich möchte abschließend allen Personen, die in diesem Bereich lebensrettend tätig sind, ein herzliches Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

14.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen mit der Republik Slowe­nien über die Erleichterung von Ambulanz- sowie Such- und Rettungsflügen in 841 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein beja­hendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesge­setz über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen, samt Titel und Ein­gang in 860 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (Abg. Sburny: Nein!) – Das kommt davon, weil während der Abstimmung immer zwischen den Sitzen spazieren gegangen wird. Und daher sage ich immer vor der Abstimmung: Bitte die Plätze einzunehmen! Wenn alle zwischen den Sitzen herumgehen, dann hat man keinen Überblick. – Es ist dies mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

14.19.305. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (859 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) geändert wird (21. StVO-Novelle), und über die

Petition (1/PET) betreffend „Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für MotorradfahrerInnen“, überreicht von den Abgeordneten Dr. Johannes Jaro­lim und Kurt Eder (910 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 19/A der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) geändert wird (911 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 124/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend § 78 StVO und vermeintliche Behinderungen des FußgängerInnenverkehrs (912 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 140/A (E) der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend zusätzliche Maßnahmen im Kampf gegen Alkohol am Steuer (913 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 141/A der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Straßenverkehrsordnung (StVO 1960) geändert wird (914 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 229/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur


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Erhöhung der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit Kleintransportern so­wie LKW unter 7,5 t (915 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 243/A der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei er­lassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl. Nr.159/1960, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 128/2002, geändert wird (916 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 452/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindesthöhe von Ver­kehrszeichen (917 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 541/A der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung – StVO geändert wird (918 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


14.21.00

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen kurz in die Niederungen der Wiener Kommunalpolitik begeben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja keine Niederung, die Kommunalpolitik! Das ist ja ungeheuerlich!) Es gibt den Spitzenkandidaten der ÖVP-Wien, Herrn „Gio“ Hahn. – Für diejenigen, die ihn nicht kennen (Abg. Mag. Regler: Ein guter Mann!), was offensichtlich der Fall ist: Das ist derjenige, der im letzten Sommer eine Image-Kam­pagne für sich selbst gestartet hat und im neckischen Rollkragenpullover aufgetreten ist, während ganz Wien bei 30 Grad im Schatten geschwitzt hat. – Dieser Herr Hahn jedenfalls (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was für ein Hahn?) wendet sich in einem Brief an die „Lieben Motorradfans!“ – wobei hintangestellt bleibt, woher er denn die Adressen der lieben Motorradfans hat – und schreibt:

Um die Freude am Motorradfahren zu fördern, fordere ich, dass – dann kommen ein paar andere Punkte – Busspuren für einspurige Kfz freigegeben werden. – Zitatende.

Genau das werden Sie jetzt gleich ablehnen. Ich frage mich wirklich, welcher bislang überdeckter Konflikt das zwischen der Wiener ÖVP und der Bundes-ÖVP ist (Abg. Mag. Regler: Gar keiner!), dass die Bundespartei dem Wiener Spitzenkandidaten so in den Rücken fällt, und genau das, was er fordert, heute ablehnen wird. – Das ist ja eigentlich allerhand! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Regler.)

Das Arge ist: Diese tiefe Kluft zwischen Wiener ÖVP und Bundes-ÖVP geht noch wei­ter. (Abg. Mag. Regler: Da ist keine Kluft!) Da gibt es Herrn Gemeinderat Gerstl und Herrn Gemeinderat Neuhuber, die am 1. April dieses Jahres einen Antrag an den Wiener Gemeinderat stellten, um die Verkehrssicherheit für den Motorradverkehr zu


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verbessern. Auch sie fordern eine Freigabe der Busspuren. – Den Antrag desselben Inhalts werden Sie heute ablehnen!

Ich bin mir nicht sicher, ob bei Ihnen die linke Hand weiß, was die rechte macht (Beifall bei der SPÖ), ob das Ihr Verständnis von stringenter Politik ist oder ob das nur ein Versuch ist, die Motorradfahrer und Motorradfahrerinnen zu foppen. Das erscheint mir am ehesten als wahrscheinlich.

Es ist sehr bedauerlich, dass sich auch in dieser StVO-Novelle keinerlei Verbesserun­gen für die Lenker und Lenkerinnen von einspurigen Fahrzeugen finden. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das erklärt vieles, aber nicht alles!) Aus meiner Sicht ist diese StVO wahrlich kein Fortschritt. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

 


14.23.17

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Bayr, es ehrt uns sehr, dass Sie uns als ÖVP-Mandatare für etwas brauchen, was der Herr Bürgermeis­ter im eigenen Wirkungsbereich auf Grund einer ortspolizeilichen Verordnung längst alleine machen könnte. (Abg. Bayr: Bundesgesetz!) Bitten Sie ihn, das umzusetzen, und die Sache ist in Ordnung! (Beifall des Abg. Mag. Regler.) Der Gesetzgeber ist da nicht gefragt, der Gesetzgeber gibt die Möglichkeit hiefür. (Abg. Parnigoni: Das ist ja ein glatter Schmäh!)

Herr Kollege! Wissen Sie, reden Sie zu den Bereichen, bei denen Sie sich auskennen, und die anderen Geschichten lassen Sie bleiben! Eine ortspolizeiliche Verordnung genügt! (Abg. Bayr: Sie wollen den Schilderwald vermehren?!) Es gibt ausreichend Ausnahmen auf Busspuren für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern. Er könnte das auch tun, wenn er es wollte und die Courage dazu hätte.

Ich sage Ihnen: Er wird es deswegen nicht machen, weil der Berufspendlerverkehr, der Arbeiterverkehr, der Schülerverkehr und so weiter den Interessen diametral entgegen­stehen. Das ist das wirkliche Problem. Wenn Sie es wollen, machen Sie es! Aber schieben Sie nicht die Schuld auf ÖVP-Mandatare! (Beifall des Abg. Mag. Regler.) Ich bitte, das zu beherzigen und zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Wir haben viel Wichtigeres: Wir haben ... (Abg. Bayr: Eine blöde Geschichte!) – Das ist überhaupt keine blöde Geschichte! Herr Häupl soll das machen, wenn er glaubt, dass es notwendig ist. Was braucht er uns dazu? – Der Gesetzgeber gibt ihm die Möglichkeit. Dann soll er es machen, so wie andere Bürger­meister das in ihren Gemeinden auch machen, und nicht andere Mandatare vorschie­ben! Das ist doch eine Spielerei, Frau Kollegin! Das haben wir doch gar nicht notwen­dig! Entschuldigung bitte! (Abg. Gaál: Verstehst du nicht, was sie sagt?)

Ich habe es Ihnen schon im Ausschuss gesagt: Herr Bürgermeister Häupl kann das machen, wenn er es will. – Also soll er es tun, wenn Sie es für notwendig erachten! (Abg. Bayr: Das ist aber ein Armutszeugnis!)

Ich bin froh, dass wir heute ein Gesetz beschließen, das für die Verkehrssicherheit etwas bietet und diese Spielereien nicht berücksichtigt. Ich bin froh, dass wir heute im Interesse der Verkehrssicherheit bei den Alko-Lenkern und Drogenlenkern den Knebel anziehen und das besser überprüfbar machen. Wir haben den Drogen-Vortest und den Alko-Vortest heute im Gesetz drinnen.


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Ich bedanke mich wirklich ausdrücklich bei all jenen, die mitgearbeitet haben, und denke, es ist auch Zeit, der Exekutive für das Umsetzen der Maßnahmen zu danken, die wir ihr als Gesetzgeber vorgeben. Das ist unabdingbar wichtig: Wir brauchen die Exekutive zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. – In diesem Sinne werden wir dem Gesetz gerne zustimmen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


14.25.43

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Vielleicht noch eine kurze Replik: Herr Kollege Regler, wir diskutieren ja gerne fachlich. (Abg. Dr. Stummvoll: Regler ist immer fachlich!) In der Sache Lärmschutz vor Fluglärm sind wir wirklich unterschiedlichster Meinung. Sie beziehen sich immer auf die Realitäten, den Wirt­schaftsstandort. (Abg. Mag. Regler: So ist es!) Wir sagen immer: Priorität haben die Menschen, die dort ein Recht auf Ruhe während des Schlafes haben. (Abg. Dr. Bri­nek: Die werden auch wegfliegen wollen!) – Bitte!

Ja, es geht auch um Ruhe in der Nacht. Diese ist nicht gewährleistet, auch nicht mit dem Ergebnis der Mediation. (Abg. Mag. Regler: O ja!) Es geht um sechs Stunden, aber in diesen sechs Stunden dürfen im Jahr 3 000 Nachtflüge stattfinden. Das ist ja das Problem! Es ist nicht die Zahl der Nachtflüge, sondern dass ein Startknall einen Anrainer aus dem Schlaf reißt. Das ist extrem gesundheitsgefährdend! Daher sagen wir: Es muss eine Regelung geben, die den Flugverkehr erlaubt – das ist jetzt vorhan­den –, nur darf es nicht zu diesen Steigerungen kommen. Das ist der Unterschied! Das gestehen Sie mir zu. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Regler: Die passieren aber!)

Jetzt komme ich zu den insgesamt neun Tagesordnungspunkten, die unter einem verhandelt werden. Ich konzentriere mich wieder auf den einen Bereich der StVO-Ver­ordnung. Herr Kollege Miedl, Sie haben durchaus Recht, es wird hier einiges beschlos­sen, was der Verkehrssicherheit gut tut, was für die Verkehrssicherheit wichtig ist, was die Kontrollen erleichtert, was die Effizienz erhöht. Diesbezüglich stehen wir völlig auf Ihrer Seite. Das unterstützen wir auch. Aber da diese StVO-Reform als eine relativ große angekündigt worden ist und nichts für eine Verbesserung der Situation der FußgeherInnen und der RadfahrerInnen – nämlich der schwächsten Verkehrsteilneh­merInnen – in der StVO-Verordnung vorliegt, ist es für uns zu wenig! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sind aber nicht die Schwächsten! Die sind sehr stark! Die Radfahrer fahren auf den Gehsteigen!)

Wir sind auch mit dem Abänderungsantrag nicht einverstanden, den Sie uns präsen­tiert haben. Demnach sind Tiertransporte am Wochenende nach wie vor möglich, und Transporte von verderblichen Lebensmitteln werden auf Anhänger ausgedehnt – also nicht nur auf LKW-Züge, sondern auch auf Anhänger. Das ist für uns zwar besser als die Regelung, die Sie ursprünglich vorhatten. Die derzeitig gültige sieht ja noch ein Verbot vor, und wir wollen lieber bei diesem klaren Wochenend-Fahrverbot bleiben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.) Deswegen werden wir diesem Abänderungs­antrag nicht zustimmen und die StVO-Verordnung ablehnen.

Wir bedauern, dass die großen Möglichkeiten, die es gegeben hätte, nicht wahrgenom­men worden sind. Wir hoffen auf eine baldige neue Runde, die endlich die Verbesse­rungen bringen soll, die die Menschen dringend brauchen. Darum geht es uns. Es geht nicht nur um Verkehrspolitik für die Erleichterung des PKW-Verkehrs. Da ist ja das Rechtsabbiegen bei roter Ampel durch diese Verordnung und diese gesetzliche Ände-


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rung im Vorfeld schon angedeutet. Wir wollen eine gesamte StVO-Reform, und das ist uns leider zu wenig. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.28


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Witt­auer. – Bitte.

 


14.29.02

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Regierungsmit­glieder! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Moser, Sie sind meiner Meinung nach für Drogen und für Alkohol, weil Sie die Vortests ablehnen.

Sie sagen hier heraußen, wir hätten zu wenig für die Fußgänger getan, wir hätten zu wenig für die Radfahrer getan. – Ich glaube, dass diese ausreichend Schutz haben. Das, was Sie hier machen, ist eine fadenscheinige Ausreden-Politik, um nicht zuzu­stimmen. Das ist reine Oppositionspolitik. Das verstehe ich nicht.

Bei dieser Straßenverkehrsordnung geht es rein darum, die Sicherheit zu erhöhen. Ich denke, das sind Maßnahmen, die die Sicherheit gewährleisten. Dem Ziel dieser Regie­rung – der Halbierung der Zahl der Verkehrstoten – kommen wir mit dieser Novellie­rung näher.

Wenn man dann Prioritäten setzt – natürlich sind Menschen wichtig; wir haben die Probleme im Transit, wir haben die Probleme mit Feinstaub und mit vielen anderen Dingen –, muss man sagen: Die Menschen wollen ein würdiges Leben, und ein würdi­ges Leben bedeutet auch, einen Arbeitsplatz zu haben, wenn möglich, irgendwo in der Nähe, um nicht so pendeln zu müssen wie beispielsweise die Steirer, die teilweise Wochenpendler sind, wo man auch schaut, wie man das ändern kann.

Das ist auch eine Priorität: Der Mensch soll schlafen können, er muss aber auch arbeiten können, er muss genug zu essen haben, und es muss auch soziale Sicherheit gegeben sein. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

Ich muss jetzt Herrn Abgeordneten Eder nicht nur loben, sondern auch seine Unterstüt­zung bei einer Diskussion hervorheben. Er hat im Rahmen einer Diskussion gesagt, dass die Straßenverkehrsordnung gut ist, dass aber ein paar Dinge falsch sind. Das haben wir erkannt. Wir hatten etwas übersehen, und das haben wir jetzt geregelt.

Die Sozialdemokraten stimmen dieser Novellierung der Straßenverkehrsordnung zu, und zwar deshalb, weil sie gut ist. Sie von den Grünen aber stimmen nicht zu, weil sie einfach nicht zustimmen können, weil sie in diesem Fall kleinbürgerlich denken. (Iro­nische Heiterkeit bei den Grünen.)

Wir versuchen, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. (Zwischenrufe bei den Grü­nen.) – Ja, die Viehtransporte, das ist mir direkt unter die Haut gegangen, nicht nur als Bauer, sondern auch als Tierschutzsprecher. Ich bin gegen Tiertransporte, aber wenn man am Wochenende die Großviehtransporte vor der Grenze abstellen muss oder, so wie Sie den Tieren zumuten möchten, dass sie 300, 400 Kilometer um Österreich her­umgefahren werden müssen, dann ist das eine Schande, das sage ich Ihnen. Ich als Bauer weiß, wovon ich rede. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Sie die leicht verderblichen Lebensmittel angesprochen haben: Das Einzige, was wir gemacht haben, ist, dass wir den Hängerzug mit dem normalen LKW gleichgestellt haben. Sie sagen, auch das sei Ihnen zu viel. Es sind die gleichen Verbote gegeben wie vorher, wir haben lediglich eine Gleichstellung vorgenommen und die Viehtrans­porte mit hineingenommen. Dafür stehe ich, und das unterstütze ich auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Frau Abgeordneter Bayr möchte ich Folgendes sagen: Ich bin auch ein Motorradfahrer. Wir reden hier herinnen immer wieder von der Stützung des Nahverkehrs, vom freien Verkehr, Personenverkehr, Bussen et cetera. Wenn wir heute die Motorradfahrer da­zunehmen, dann kommt der Nächste und sagt: Ich möchte auch diese Freizügigkeit haben. – Ich bin dagegen, weil ein Motorradfahrer genauso ein Hindernis darstellt wie jedes andere Fahrzeug auch. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Macht viel mehr Lärm!) Der Bus wird nicht darum herum fahren können. Deshalb sind wir dagegen.

Natürlich würde es mich als Motorradfahrer freuen, wenn ich das auch benützen könnte, aber im Hinblick auf die Verkehrssicherheit und die Förderung des Nahver­kehrs sind wir dagegen, bleiben wir dagegen und werden diese Maßnahmen nicht unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. – Bitte.

 


14.32.53

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wittauer, Argumente sind das eine, das Spannende an dieser Debatte ist aber, dass das, was Kollegin Bayr vorgetragen hat, nämlich Wünsche auch von der ÖVP Wien, von Ihnen hier negiert wird. Dem, was die Basis wünscht, schließen Sie sich nicht an! (Zwischenruf des Abg. Miedl.)

Herr Kollege Miedl, ich habe mich erkundigt: Es würde einen Schilderwald nach sich ziehen, wenn der Herr Bürgermeister einen Alleingang (Abg. Miedl: Sie haben ja die Möglichkeit! Sie scheuen die Verantwortung!) – nicht auf den Boden hauen, ganz ruhig bleiben! – in Wien machen würde. Das wäre nicht im Sinne der Verkehrssicherheit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hornek: Sie wollen sich vor der Verantwortung drücken!)

Die Straßenverkehrsordnung, meine Damen und Herren, dient dazu, die Benützung des Straßenraumes zu regeln, und zwar für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Ver­kehrsteilnehmer. Besondere Berücksichtigung müssen insbesondere die schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen finden, auf ihre Bedürfnisse muss eingegangen werden.

In der vorliegenden Novelle werden bestehende Bestimmungen auf den aktuellen Stand gebracht. Ein Abänderungsantrag macht es uns möglich, zuzustimmen, aber und insbesondere müssen wir danach trachten, dass die Ausnahmen von Feiertags- und Wochenendfahrverboten nicht reduziert werden, sondern eingedämmt, Entschuldi­gung, noch mehr reduziert werden und noch mehr eingedämmt werden, denn oftmals entsteht der Eindruck, dass am Wochenende entweder das Fahrverbot nicht eingehal­ten wird oder die Zahl der Ausnahmebewilligungen zunimmt. Das ist nicht im Sinne des Erfinders.

Wir bedauern auch sehr, dass nur eine sehr eingeschränkte Ferienverkehrsordnung erlassen wird. (Abg. Miedl: Sie kennen sich überhaupt nicht aus! Keine Ahnung!) Es wird, wie im gestrigen oder im heutigen „Kurier“ zu lesen ist, das programmierte Chaos im Sommer kommen.

Generalsekretär Heller meint, der so genannte Fahrverbotskalender sei ein Flickwerk mit argen Mängeln. Ich denke, das ist nicht im Sinne der Benützerinnen und Benützer von Straßen, der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. (Beifall bei der SPÖ.)

14.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 



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14.35.32

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Die Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Über die Steigerung der Verkehrssicherheit mit diesem Paket bin ich sehr zufrieden, aber ich glaube, dass die Straßenverkehrsordnung grundsätzlich noch weitere Aufgaben zu erfüllen hat, als „nur“ – unter Anführungszeichen – die Straßen­verkehrssicherheit zu gewährleisten. Die Straßenverkehrsordnung dient vor allem auch dazu, den Verkehrsfluss für die Menschen nachvollziehbar zu ordnen, den Verkehr flüssig zu halten.

Es liegen im Verkehrsministerium – zum Teil schon seit Jahren – einige ganz grundver­nünftige Vorschläge vor, die auch mit diesem Paket wieder nicht in Begutachtung gegangen sind, was ich doch sehr bedauere.

Ich erinnere daran, dass – und das betrifft jeden – zum Beispiel Vorkehrungen zu treffen wären, wie man Umbauten auf einer Autobahn und in einer Zubringerstraße zu einer Stadt und in der Stadt koordiniert, sie zeitlich einigermaßen aufeinander abstim­men könnte. Dafür ist es erforderlich, dass Entscheidungskompetenzen regional zum Land wandern.

Ich hoffe, dass in künftigen Straßenverkehrsordnungspaketen diese und andere ver­nünftige Vorschläge, wie beispielsweise vom ÖAMTC, Dinge, auf die die Menschen dringend warten, umgesetzt werden und vielleicht noch in diesem Jahr in Begutach­tung gehen.

Sehr erfreut bin ich darüber, dass wir ein neues Hinweisschild bekommen, nämlich „Taxistand“. Im Tourismus-Weltmeisterland haben wir es nämlich bis zum heutigen Tage nicht geschafft, dass auch Fremde und nicht Ortskundige aus größerer Entfer­nung ein Taxischild erkennen können, um zu wissen: Da kann ich mich hinstellen, da kommt ein Taxi vorbei.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass es letztlich doch gelungen ist, zumindest dieses Schild zu machen, hoffe aber, dass auch weitere Forderungen, auch des Taxigewerbes, umgesetzt werden, da das wichtig ist, wenn wir unsere Innenstädte neben dem öffent­lichen Verkehr auch für Touristen attraktiv halten wollen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. Ich erteile es ihr.

 


14.37.49

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Die Herren Staatssekretäre! – Der Herr Minister fehlt wieder. (Abg. Mag. Regler: Zwei Staatssek­retäre sind ja hier!)

Diese Straßenverkehrsordnung, die als großer Wurf angekündigt wurde, erscheint mir eher wie ein Bumerang, ein Bumerang nämlich, der insbesondere die FußgängerInnen und RadfahrerInnen treffen wird. Für sie ist wieder nichts geschehen.

Wir behandeln hier Entschließungsanträge aus dem Jahr 2003, eine große Aufarbei­tungsflut, darum wird das heute auch so „heruntergenudelt“, möchte ich fast sagen, obwohl das lauter wichtige Themen sind, zum Beispiel die Erhöhung der Verkehrs­sicherheit im Zusammenhang mit Kleintransportern – das ist noch ein Antrag von Frau Kollegin Lichtenberger aus dem Jahr 2003, er wird abgeschmettert. Änderung der Stra­ßenverkehrsordnung, generelles Nachtfahrverbot – heute dringender denn je, da wir nach dem Fall der Ökopunkte-Verordnung immer mehr LKWs auf den Straßen haben, auch das wird abgeschmettert.


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Ein Punkt, der mich auch in meiner Berufstätigkeit trifft, ist § 78 StVO, vermeintliche Behinderungen des FußgängerInnenverkehrs, wo das Herumlungern auf Straßen, auf Gehsteigen ohne Grund abgestraft wird. Das allein schon ist schwer festzustellen, nämlich ob ein Mensch einen Grund hat, auf einem Gehsteig stehen zu bleiben. Davon werden hauptsächlich Randgruppen der Bevölkerung betroffen, und zwar sehr unein­heitlich betroffen.

Ich habe hier eine Strafverfügung eines jungen Mannes, der arbeitslos ist, der in der Nähe der Karlsplatz-Passage auf einen Freund gewartet hat und abgestraft worden ist mit 70 €; das ist sehr viel Geld für ihn, weil er derzeit ein sehr geringes Einkommen hat. Möglicherweise muss er dafür eine Ersatzarreststrafe antreten. Ich frage mich, ob das wirklich im Sinne des Gesetzgebers ist.

Wir haben hier gefordert, dass es eine in grundrechtlicher Hinsicht unbedenkliche Neu­regelung geben soll – gibt es aber nicht.

Also insgesamt kein großer Wurf, sondern ein Bumerang für viele Verkehrsteilnehme­rinnen und Verkehrsteilnehmer. (Beifall bei den Grünen.)

14.40


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


14.40.44

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Moser und Frau Rest-Hinter­seer, ich finde es wirklich sehr unverständlich, dass Sie von den Grünen gegen die Straßenverkehrsordnung stimmen, da Sie sich damit eindeutig gegen Verkehrssicher­heit aussprechen. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Nein, nein, ...!)

Ich begrüße es wirklich sehr, dass die Fraktion der SPÖ gemeinsam mit uns und der ÖVP einen Abänderungsantrag einbringt, um der Novellierung der Straßenverkehrs­ordnung zustimmen zu können.

Ich bringe somit den Abänderungsantrag der Abgeordneten Miedl, Eder, Wittauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes ein.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen, dass die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, in der Fas­sung des Ausschussberichtes geändert wird.

Es gibt vier Punkte, die mit diesem Abänderungsantrag berichtigt werden.

Erstens geht es darum, dass abgenommene Blutproben, um Manipulationen entgegen­zuwirken, nicht vom Probanden selbst überbracht werden dürfen, sondern dass dies in Zukunft von Polizeidienststellen durchgeführt werden soll.

Der zweite Punkt ist die heute schon mehrfach angesprochene Rücknahme des Aus­nahmekatalogs von Wochenendfahrverboten, wobei lediglich die zuerst schon von meinem Kollegen Wittauer angesprochene Tierschutzmaßnahme bestehen bleibt. Ich sage wirklich ausdrücklich: Tierschutzmaßnahme, da Großviehtransporte nicht an den Grenzen stehen bleiben sollen und die Tiere dann dort über das Wochenende „vor sich hin darben“, sage ich jetzt einmal unter Anführungszeichen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Der vierte Punkt dieses Antrages ist die Kenntlichmachung von Taxistandplätzen.


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Als fünfter Punkt bleibt die zweijährige Überprüfung von Verkehrsschildern bestehen. Diese Frist wurde ursprünglich auf fünf Jahre ausgeweitet, wir sehen es aber als sinn­voll an, dass der jetzige Zustand bestehen bleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Novelle der Straßenverkehrsord­nung ist sehr umfassend, sie berücksichtigt technische Weiterentwicklungen und geän­derte Rahmenbedingungen, aber in erster Linie – das möchte ich noch einmal ganz besonders betonen – stellt die vorliegende Novellierung der Straßenverkehrsordnung einen weiteren Beitrag zur Verkehrssicherheit dar, ein Punkt, den sich Bundesminister Gorbach für seine Verkehrspolitik ganz besonders vorgenommen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.43


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag der Abgeordneten Wittauer, Miedl, Eder, Kolle­ginnen und Kollegen schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Dem Stenographischen Protokoll wird er ebenfalls beigegeben.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wittauer, Miedl, Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (21. StVO-Novelle) (859 d.B.) in der Fassung des Ausschussbe­richtes (910 d. B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) geändert wird (21. StVO-Novelle), (859 d.B.), in der Fassung des Aus­schussberichtes (910 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. Nach Z 8 wird folgende Z 8a eingefügt:

„8a. In § 5 Abs. 8 wird folgender Satz angefügt:

‚Die Blutprobe darf nicht durch den Probanden selbst übermittelt werden.‘“

2. Z 22 lautet:

„22. § 42 Abs. 2a und 2b lauten:

‚(2a) Von den in Abs. 1 und 2 angeführten Verboten sind Fahrten ausgenommen, die ausschließlich im Rahmen des Kombinierten Verkehrs (§ 2 Abs. 1 Z 40 KFG 1967) innerhalb eines Umkreises mit einem Radius von 65 km von den durch Verordnung gemäß Abs. 2b festgelegten Be- und Entladebahnhöfen oder Be- und Entladehäfen durchgeführt werden.

(2b) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat die Be- und Ent­ladebahnhöfe sowie die Be- und Entladehäfen gemäß Abs. 2a unter Bedachtnahme auf die technischen Anforderungen für den Kombinierten Verkehr mit Verordnung fest­zusetzen.‘“

3. Nach Z 22 wird folgende Z 22a eingefügt:

„22a. In § 42 Abs. 3 entfällt der letzte Satz.“


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4. Nach Z 29 wird folgende Z 29a eingefügt:

„29a. In § 53 Abs. 1 wird nach Z 6 folgende Z 6a eingefügt:

‚6a.

Dieses Zeichen weist auf einen Taxistandplatz hin.‘“

5. Z 42 entfällt.

Begründung

Mit diesem Abänderungsantrag werden einige Änderungen zur Regierungsvorlage vor­genommen.

Zu Z 1 (§ 5 Abs. 8):

In der Vergangenheit kam es verschiedentlich vor, dass die abgenommene Blutprobe dem Probanden zwecks Weiterleitung an die Polizei- oder Gendarmeriedienststelle an­vertraut wurde. Die damit eröffneten Manipulationsmöglichkeiten stellten einen schwe­ren Verfahrensmangel dar; deshalb wird nunmehr klargestellt, dass die Übermittlung nicht durch den Probanden selbst erfolgen darf.

Zu Z 2 (Z 22 der Regierungsvorlage) und 3 (§ 43 Abs. 3):

Die in der Regierungsvorlage enthaltenen Erweiterungen des Ausnahmekatalogs vom Wochenendfahrverbot in § 43 Abs. 3 StVO 1960 erscheinen zu weitgehend.. Lediglich die Erweiterung dieser Ausnahmen auf Großviehtransporte soll – insbesondere auch im Hinblick auf den Tierschutz – bestehen bleiben.

Zu Z 4 (§ 53 Abs. 1 Z 6a):

Dieses neue Hinweiszeichen soll eine deutlichere Kenntlichmachung von Taxistand­plätzen ermöglichen.

Zu Z 5 (Z 42 der Regierungsvorlage):

Hinsichtlich der zweijährigen Überprüfung von Einrichtungen zur Regelung und Siche­rung des Verkehrs soll die gegenwärtige Rechtslage beibehalten werden, weshalb die Z 42 der Regierungsvorlage (die eine Verlängerung dieser Frist auf fünf Jahre vorsieht) gestrichen wird.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

 


14.44.15

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Herr Präsident! Teure Mitglieder der Bundes­regierung! Zuerst zum Erfreulichen. Es ist gerade für die Tiroler Bevölkerung ein Erfolg, wenn diese Novelle der Straßenverkehrsordnung festlegt, dass das LKW-Wochen­endfahrverbot nicht aufgeweicht wird. Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen


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haben, insbesondere bei den Mitgliedern meiner Fraktion, bei Kurt Eder, unserem Verkehrssprecher, dass dieses Wochenendfahrverbot erhalten bleiben konnte. Danke schön dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich schon hier am Rednerpult stehe und die heutige Ausgabe von „News“ vor­liegen habe, darf ich die Herren Staatssekretäre fragen, wie ernst das jetzt mit der Pkw-Maut auf Grund der Feinstaubbelastung ist. „News“ sagt, dass das umstrittene Umweltthema des Jahres – und das ist nun einmal die Feinstaubbelastung – nun auch dazu anregt, Überlegungen in Richtung PKW-Maut anzustellen.

Ich denke, eine Maut für Feinstaubbelastung einzuheben, das kann ja nur dann sinn­voll sein, wenn dadurch die Belastung gemildert wird. Derzeit brächte das, so wie es aussieht, nur Mehrkosten für die Autofahrer, für die Pendler. Meines Erachtens würde damit eine Art Strafsteuer eingehoben.

Es sollte auf jeden Fall, wenn da schon etwas gemacht werden soll, die Umstellung auf Dieselpartikelfilter gefördert werden, dafür sollten Förderungen ausbezahlt werden, aber es sollte da keine Maut eingehoben werden, denn damit würde man nur die Men­schen, die das Auto brauchen, bestrafen.

Was die letzten Meldungen zum Transitbereich betrifft, meine Damen und Herren: Viel­fahrerbonus statt Transitbremse – es ist ja unglaublich, in welche Richtung sich das entwickelt! Dass man jetzt bereit ist, für Vielfahrer einen Bonus auszubezahlen, das kann und darf nicht wahr sein, dass die EU jetzt in diese Richtung geht, statt den Transit auf die Schiene zu verlagern oder zu verhindern. Jetzt soll ein Vielfahrerbonus ausbezahlt werden, der, so lese ich, bis zu 13 Prozent ausmachen soll! Das ist ein völlig untauglicher und kontraproduktiver Ansatz zur Vermeidung des Transitverkehrs, meine Damen und Herren, und dagegen muss man sich wehren! Ich bitte darum. (Bei­fall bei der SPÖ.)

14.46


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Preineder. – Bitte.

 


14.46.46

Abgeordneter Martin Preineder (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Mobilität ist Ausdruck unseres Lebens, Ausdruck der Lebensqualität und des Fortschrittes, ist aber auch Grundlage für Wirtschaft und Handel. Auf der einen Seite brauchen wir Mobilität, auf der anderen Seite bringt hohe Mobilität viel Verkehr, viele Belastungen – im Transitland Österreich weiß und kennt man das –, damit auch Lärm und Schadstoffe.

Gerade deshalb – wir haben das heute Vormittag in der Fragestunde gehört – hat Österreich entsprechend in den Lärmschutz investiert, und wir haben auch versucht, die Schadstoffe zu minimieren. Herr Kollege Reheis, Sie wissen, dass die Partikelfilter eingeführt werden, um hier einen Schritt in diese Richtung zu gehen (Zwischenruf des Abg. Reheis), und zwar mit einem Bonus/Malus-System, und dass mit der Biokraft­stoffverordnung auch im Bereich der Schadstoffentlastung etwas getan werden wird.

Wir werden ab 1. Oktober zum Teil Pflanzenöl und ab 1. Oktober 2007 Alkohol im Tank haben.

Mehr Verkehr bedeutet aber auch mehr Risiko, mehr Unfälle. Gerade die Straßen­verkehrsnovelle, die vorliegt, soll einen Teil zu mehr Sicherheit beitragen. Es sind sicher noch Schritte der Verbesserung möglich, aber man muss auch hier sagen, es wird immer ein Schritt nach dem anderen gesetzt. Auch in Blickrichtung Flüssigkeit des Verkehrs wird noch einiges zu tun sein.


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Im Bereich der Alkohollenker wird es mit den Alkoholvortestgeräten zu einer Verbesse­rung kommen. Es hat – da können wir auf Erfolge verweisen – im Jahr 2004 53 Ver­kehrstote weniger gegeben als 2003, und 67 Verkehrstote weniger im Bereich des Alkoholproblems als 2003. Ich glaube, diesen erfolgreichen Weg sollten wir fortsetzen.

Geschätzte Damen und Herren! In Zukunft sollten Alkohollenker in Österreich nur unter 0,5 Promille Alkohol im Blut haben, aber dafür über 5 Prozent Alkohol im Tank. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.49


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Kukacka. – Bitte.

 


14.49.09

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, sagen zu können – und das zeigt ja auch die weitgehende Zustim­mung hier im Haus –, dass die heutigen Verkehrsgesetze darauf hinweisen, dass das ein guter Tag für die Verkehrspolitik in Österreich ist. Es ist auch ein guter Tag, was die Schifffahrt und vor allem die Nutzung der Wasserstraße Donau betrifft.

Wir haben eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen, gerade um den zuletzt vom Kollegen Reheis angesprochenen Transit von der Straße auf die Wasserstraße Donau zu verlagern, indem wir die Effizienz des Binnenschifffahrtstransportes durch die Schiff­fahrtsnovelle entsprechend erhöhen.

Diese Wasserstraße für den Gütertransport zu nutzen und insbesondere dafür zu sorgen, dass ökologisch verträglicher Gütertransport notwendig, machbar, leistbar und durchführbar wird, ist ja ein ganz wesentliches verkehrspolitisches Anliegen dieser Bundesregierung, und das wird auch durch diese Novelle des Schifffahrtgesetzes ent­sprechend dokumentiert.

Es ist auch, wie ich meine, ein guter Tag für die Verkehrssicherheit in Österreich, denn es werden, wie ich doch hervorheben möchte, hier neue Einsatzmöglichkeiten für die Vortestgeräte für Alkohol und Drogen geschaffen. Damit kommt es auch zu einer ent­sprechenden umfassenden Verdichtung der Kontrollen. Dies ermöglicht eine Verzehn­fachung der Kontrollen, und damit wird ein ganz neues, qualitativ besseres Instrumen­tarium im Hinblick auf Verkehrssicherheit eingeführt.

Ich glaube, mit all den Maßnahmen, die wir heuer schon gesetzt haben, sind wir wirk­lich auf dem richtigen Weg. Ich denke an den digitalen Tachographen, ich denke an die Einführung der Section Control, ich denke an die Erhöhung der Strafen bei Verletzung der Gurtenpflicht, für das Telefonieren mit einem Handy ohne Freisprechanlage, an die neuen Vorschriften für die Tunnelsicherheit, die Einführung des Mehrphasenführer­scheins und vor allem auch an das Vormerksystem, das in erster Linie nicht auf Strafen abstellt, sondern auf Bewusstseinsbildung, das aber auch ein wichtiges Instrument ist, um Hochrisikolenker aus dem Verkehr zu ziehen.

Ich glaube, diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, zeigen: Wir sind auf dem richtigen Weg, wir betreiben eine strategische Verkehrssicherheitspolitik, die tatsäch­lich mehr Sicherheit im Verkehr, mehr Sicherheit für die Menschen bringen wird, und das ist das, was wir anstreben! Ich danke allen hier im Hohen Haus, die diese Politik unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 



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110. Sitzung / Seite 121

14.52.18

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekre­täre! Hohes Haus! Die Unfallstatistik 2004 verglichen mit jener aus 2003 ist durchaus positiv. Das Ziel für 2004 ist allerdings klar verfehlt.

Ein Problem stellen die 15-jährigen Mopedfahrer dar. Die ursprüngliche Idee, nämlich mehr Mobilität für die 15-Jährigen zur schnelleren Erreichbarkeit von Job und Schule zu schaffen, war zweifellos in Ordnung. Tatsache ist, dass diese Fahrzeuge aber auch in der Freizeit verwendet werden, und gerade da passieren die meisten und schwers­ten Unfälle. Es sind nicht fehlende körperliche Voraussetzungen, vielmehr sind es psy­chische, und daran werden wir zu arbeiten haben.

Die Vergleichszahlen der Unfälle: 2004 erfolgte gegenüber 1997 eine Steigerung von 32 auf 882. Das ist ein Alarmsignal und zwingt uns zu raschen Handlungen. Die prak­tische Ausbildung von sechs Fahrstunden ist jetzt zweifellos in Ordnung, aber auch eindeutig zu wenig, und es werden weitere verkehrserzieherische Maßnahmen mit geeigneten Anreizsystemen zu setzen sein.

Das Verkehrssicherheitsprogramm für 2010 ist zweifellos ambitioniert, und wir werden gemeinsam – ich betone: gemeinsam – gefordert sein, es im Interesse unserer Jugend auch rasch umzusetzen. Meine Damen und Herren, ich hoffe, es gelingt uns. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54



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110. Sitzung / Seite 122

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

 


14.54.10

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Seit den siebziger Jahren beobachten wir, dass die Zahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten stetig sinkt. 1972 mussten 2 948 Menschen bei Verkehrsunfällen sterben, 2004 waren es 878. Unser Ziel muss es sein, diese Opfer­zahl permanent nach unten zu drücken. Besonders betroffen macht der Umstand, dass junge Verkehrsteilnehmer besonders gefährdet sind. 31 Prozent der Verletzten und 23 Prozent der Unfalltoten waren unter 24 Jahre alt.

Viel zu oft ist dabei Alkohol im Spiel. Die Zahl der Alkoholunfälle stagniert seit Jahren auf hohem Niveau. 2004 wurden gerade einmal sechs Alkoholunfälle weniger als 2003 registriert. Die 21. Novelle zur Straßenverkehrsordnung ermöglicht der Exekutive nun, als bedeutendste Neuerung neue Möglichkeiten zur Bekämpfung von Alkohol und Drogen einzusetzen. Nach Inkrafttreten der Novelle Anfang Juli dieses Jahres wird es den Sicherheitsbeamten möglich sein, mittels Vortestgeräten konsequenter als bisher zu kontrollieren. Durch die einfache Handhabung und den flächendeckenden Einsatz dieser Geräte kann die Alkoholkontrolldichte beinahe verzehnfacht werden. Wer keinen nennenswerten Atemalkohol aufweist, darf gleich nach dem Vortest die Fahrt fortset­zen.

Die neu eingeführten Suchtgiftvortestgeräte, die auf Grundlage eines Speichelstreifens arbeiten, helfen der Exekutive, einen Drogenverdacht bei Lenkern zu konkretisieren. Dadurch wird im Bereich dieses sehr häufigen Delikts eine wichtige Lücke geschlos­sen.

Zusammenfassend: Es liegt mit dieser Regierungsvorlage eine moderne, auf die neuen technischen Rahmenbedingungen angepasste und vor allem auf Sicherheit bedachte Novelle der Straßenverkehrsordnung vor. Die Richtung des Weges stimmt. Stimmen Sie zu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.56


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

 


14.56.22

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir stimmen dieser Novelle zu, weil wir sie für richtig halten, aber ich muss Folgendes hinzufügen: Wir stimmen auch deshalb zu, weil man auf unsere Vorschläge betreffend Wochenendfahrverbote eingegangen ist. Ich glaube, dass diese wichtig sind. Wir bekommen auf Grund dieser Novelle auch neue Verkehrsschilder, wir bekommen Vortestgeräte.

Aber auf eines, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss ich besonders hinwei­sen: Wenn wir uns die Statistiken ansehen, dann wird uns klar, dass in der nächsten Zeit – und Sie kennen sicher alle die diesbezüglichen Artikel in der Presse – eine Stei­gerung des Lkw-Verkehrs um 30 Prozent zu verzeichnen sein wird. Die Hauptursachen liegen in der Verkehrspolitik, und die Hauptverursacher sind auf den Autobahnen zu 50 Prozent die Lkws.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht nicht nur darum, sondern man müss­te, wie ich meine, da auch stärker kontrollieren, und das fordern wir immer wieder, denn die Situation auf unseren Straßen ist alarmierend: Jeder fünfte Lkw ist schrottreif. Natürlich sind diese Lkw nicht aus Österreich, wir wissen das genau, die kommen aus allen Ländern, wobei auch die Fahrer schlechte Bedingungen haben. Wir sollten diese „rollenden Zeitbomben“ aus dem Verkehr ziehen. Herr Staatssekretär, dort sollte man Prioritäten setzen. Es ist nicht nur die Zahl der Verkehrstoten ein Problem, sondern auch der Umstand, dass – und wenn man sich die Statistik und die Schätzungen der Wirtschaftskammern Österreichs ansieht, dann sieht man das – 4 000 Arbeitsplätze in den Speditionen gefährdet sind.

Daher ist es, glaube ich, notwendig und wichtig, dass wir schärfere Kontrollen durchführen, vor allem bei den Lkws, um damit den Schutz von Leben zu forcieren und um damit auch den Schutz der Arbeitnehmer und auch den Schutz unserer österreichi­schen Transportunternehmer zu garantieren. Das muss Priorität haben. Das ist uns Sozialdemokraten wichtig, und daher geben wir dieser Novelle gerne unsere Zustim­mung. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Riener. – Bitte.

 


14.58.37

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte kurz die Bereiche der Überprüfung der Atem­luft bei Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol beziehungsweise die neuen Tests auf Überprüfung von Suchtgiftspuren ansprechen. Wenn nun immer wieder bezweifelt wird, dass diese Maßnahmen die gewünschte Wirksamkeit aufweisen, so möchte ich Folgendes anführen.

Erstens: Das optimale Ziel lässt sich nur in einzelnen Schritten erreichen.

Zweitens: Stellen Sie sich vor, Sie kündigen Ihrem Kind Maßnahmen zur Einhaltung der aufgestellten Regeln und Grenzen an, Sie überprüfen aber deren Einhaltung nicht. Ihr Kind wird annehmen, dass es sich nicht daran halten muss, es ist egal, es ist ja nicht ernst gemeint. Überträgt man das nun auf die Straßenverkehrsordnung, so ist es auch da pädagogisch wichtig, dass es zu mehr Überprüfungen, die jetzt rascher durch­geführt werden, kommt und dass vor allem auch die Ausweitung auf Suchtgifttests erfolgt.


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Steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Autofahrer oder eine Autofahrerin überprüft wird, umso eher wird er beziehungsweise sie sich an die Regeln halten.

Weiters wird auch der Kreis der Ärzte durch eine spezielle Fortbildung und Ermächti­gung der Landesregierung erweitert, und somit werden jene, bei denen sich der Ver­dacht eines Alkohol- beziehungsweise Suchtgiftkonsums durch die Vortests bestätigt, rascher einer Untersuchung zugeführt. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vor­sitz.)

Letztlich trägt das zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr bei und somit auch zu mehr Sicherheit in meinem Bundesland Steiermark. Sichere Heimat ist ja schon lange das Thema unserer Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic. (Beifall bei der ÖVP.)

15.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 13 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung der Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.52Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz und Nicht­erfüllung von Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien (3025/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3025/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Vor 60 Jahren wurde Österreich von der NS-Diktatur befreit. Vor 50 Jahren erlangte das Land durch die Unterzeichnung des Staatsvertrages von Wien seine Freiheit und seine Selbstbestimmung wieder. Es ist eine Schande, dass 60 Jahre nach Kriegsende und damit auch 60 Jahre nach Ende der NS-Diktatur durch Mandatare des Bun­desrates die Existenz von Gaskammern infrage gestellt und der Widerstand gegen das NS-Regime diffamiert wird. Abgeordnete wie Kampl und Gudenus müssten in jeder funktionierenden Demokratie innerhalb von wenigen Stunden aus allen Ämtern zurück­treten. Und zwar nicht aus Parteiräson, sondern weil für solche Ewiggestrigen kein Platz in einer ernst zu nehmenden Volksvertretung sein darf. Der Kärntner Bundesrat Siegfried Kampl – neuerdings Mitglied des BZÖ – hat mit seiner Bezeichnung von Wehrmachtsdeserteuren als „Kameradenmörder“ einmal mehr die Notwendigkeit einer unmissverständlichen Rehabilitierung der Opfer der NS-Justiz aufgezeigt. Diese „ande­ren Soldaten“, die in den Widerstand gingen, desertierten oder Jüdinnen und Juden versteckt haben, waren die Anständigen, denen heute ohne Wenn und Aber unser Respekt und unsere Anerkennung gelten sollte.

Darüber hinaus sollte es 50 Jahre nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle Bestimmungen dieses Vertrages beachtet und umgesetzt sind. Dem ist bedauerlicherweise auch heute noch nicht so. Die vollständige Erfüllung der Bestimmungen des Artikel 7, insbesondere hinsichtlich der Bezeichnun­gen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch, ist nach wie vor ausständig. Die Bundesregierung ist hier seit Jahrzehnten säumig.


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Der VfGH hat im Erkenntnis G213/01, V62/01 die als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des Volksgruppengesetzes und der Verordnung über zweisprachige Ortstafeln im Dezember 2001 nicht sofort aufgehoben, sondern dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber eine Frist bis 31. Dezember 2002 eingeräumt, um die Verfassungs­widrigkeit zu sanieren. Die Bundesregierung hat diesen klaren Auftrag des Höchstge­richtes bisher jedoch völlig ignoriert, kein einziger Akt zur Umsetzung dieses Erkennt­nisses wurde bislang gesetzt. Dies ist eine bisher beispielslose Ignoranz gegenüber dem Rechtsstaat. Dafür trägt aufgrund ihrer Untätigkeit nicht nur die Bundesregierung, sondern vor allem auch der Kärntner Landeshauptmann die Verantwortung, der sich nachhaltig weigert, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes umzusetzen, dieses sogar als „null und nichtig“ bezeichnete und den Rechtsstaat und seine Repräsentan­ten verhöhnte. Jetzt stellt sich heraus, dass die zuständigen Beamten außerstande sind, den Ortsnamen „Žvabek“ richtig zu schreiben. Darüber hinaus hat der Kärntner Landeshauptmann den Protesten einer kleinen Gruppe von Gegnern zweisprachiger Ortstafeln sofort nachgegeben und den gemeinsam mit dem Bundeskanzler geplanten Festakt in Neuhaus/Suha abgesagt.

Doch auch in anderen Bereichen ist Österreich schon längst säumig: Mit Entschließung des Nationalrats vom 14. Juli 1999 wurde die damalige Bundesregierung mit großer Mehrheit – alle im Nationalrat vertretenen Parteien mit Ausnahme der (damaligen) FPÖ stimmten zu – ersucht, nach Vorliegen eines wissenschaftlichen Forschungsberichts über die Opfer der NS-Militärjustiz in Österreich Gerichtsbeschlüsse über die Un­gültigkeit von Verurteilungen nach dem Aufhebungs- und Einstellungsgesetz, StGBl 48/1945, herbeizuführen. Die Forschungsergebnisse von Univ.-Prof. Manoschek und seiner MitarbeiterInnen liegen seit September 2002 vor und wurden im Juni 2003 anlässlich des Symposions „Österreichische Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit – Rehabilitation und Entschädigung“ im Parlament einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Die Daten von insgesamt 1.618 Opfern der NS-Militärgerichtsbarkeit wurden dem Bun­desministerium für Justiz bereits im Herbst 2002 für die amtswegige Aufhebung der Urteile zur Verfügung gestellt.

Im Österreich der Zweiten Republik gibt es bis heute keine öffentliche Anerkennung für jene ungehorsamen Soldaten, die sich der mörderischen Kriegsführung des NS-Regi­mes verweigerten und dadurch ihren persönlichen Beitrag zum beschleunigten Unter­gang des Hitler-Regimes leisteten. Deserteure, Selbstverstümmler, Kriegsdienstverwei­gerer, Saboteure, Meuterer und angebliche Hochverräter streuten Sand ins Getriebe des Vernichtungskrieges und waren aus diesem Grund auch am Wiedererstehen eines freien, unabhängigen österreichischen Staates beteiligt. Dennoch wurde ihnen bis zum heutigen Tage die ihnen gebührende Anerkennung und Respekt nicht zuteil; vielmehr wurden sie in jenem Staat , der sich kollektiv als Opfer Hitlerdeutschlands erklärte, von der Gesellschaft ausgegrenzt, zum Schweigen verurteilt und als "Feiglinge", "Verräter" und "Kameradenschweine" diffamiert.

Fahnenflüchtige und andere Opfer der nationalsozialistischen Militärgerichtsbarkeit haben aber nicht nur mit moralischen, sondern auch mit gravierenden straf- und sozial­rechtlichen Missständen zu kämpfen: Die zwischen 1938 und 1945 verhängten Urteile der Wehrmachtrichter wurden bisher nicht pauschal und formell aufgehoben, und Zei­ten einer wegen Desertion verhängten Haft in Gefängnissen, Wehrmachtsstraf- oder Konzentrationslagern konnten bisher grundsätzlich nicht als Ersatzzeiten in der öster­reichischen Pensionsversicherung angerechnet werden.

Die NS-Militärjustiz war eines der Instrumente in einem Rassen- und Weltanschau­ungskrieg, deshalb war es notwendig und richtig, dass sich die Soldaten abwendeten. Die Spekulationen über die sehr unterschiedlichen individuellen Beweggründe der Fah­nenflüchtigen sind nicht nur müßig, sondern inhaltlich falsch. Den Nationalsozialisten


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war es ganz egal, warum sich der Deserteur „der Manneszucht“ entzog. Deserteure galten als „Verräter“ an der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft und wurden aufs Härteste verfolgt. Rund 15.000 von den Wehrmachtsgerichten zum Tode verurteilte und hingerichtete Deserteure belegen die unglaubliche Brutalität der Militärgerichte. Festzuhalten bleibt, dass die Tat der Desertion aus der Deutschen Wehrmacht richtig war.

Im Gegensatz zu Österreich erfolgte in Deutschland die volle Rehabilitierung der Kriegsdienstverweigerer, Wehrmachtsdeserteure und der sogenannten „Wehrkraftzer­setzer“ aus der NS-Zeit im Jahr 2002 mit Beschluss des Bundestages.

Ein Erlass des Bundesministeriums für Justiz, JABl 7/2004, weist darauf hin, dass neben dem Aufhebungsgesetz 1945 auch die Befreiungsamnestie, BGBl 79/1946, Anwendung zu finden hat. Beide Gesetze sehen die pauschale Ungültigkeit der Ver­urteilungen ex lege vor. Die umfassende Umsetzung durch die erforderlichen Gerichts­beschlüsse lässt aber noch immer auf sich warten. „Rehabilitierung ist aber eine offizielle, öffentliche und individuelle Wiederherstellung der Rechte und auch der per­sönlichen Ehre der Opfer. In juristischem Sinne versteht man darunter die Beseitigung des Makels einer Strafe durch offizielle Aufhebung der Verurteilung“, schreibt Dr. Kohl­hofer in seinem Vorwort zu dem Buch, in dem die Ergebnisse des oben erwähnten Symposiums veröffentlicht wurden, und er argumentiert weiter: „Eine Rehabilitierung, von welcher weder die entehrten, bestraften und verfemten Personen wissen, noch das für die Rehabilitierung zuständige Bundesministerium für Justiz und schon gar nicht die Öffentlichkeit, ist keine Rehabilitierung! Die unmittelbar nach dem Krieg beschlossenen Gesetze stellten bestenfalls den (leider gescheiterten) Versuch dar, den zu unrecht Verurteilten Gerechtigkeit zu erweisen. Der österreichische Gesetzgeber ging in seinem Entschließungsantrag aus dem Jahr 1999 davon aus, dass bisher eine Rehabi­litierung nicht erfolgt ist. Dies zeigt mit nicht zu überbietender Deutlichkeit, dass der nunmehrige Verweis auf eine durch eben diesen österreichischen Gesetzgeber bereits vor Jahrzehnten erfolgte Rehabilitierung unhaltbar ist.

Der Standpunkt des Bundesministeriums für Justiz ist aber nicht nur aus diesen pragmatischen Überlegungen unhaltbar, sondern auch inhaltlich verfehlt: Sowohl das Aufhebungs- und Einstellungsgesetz aus dem Jahre 1945 als auch die so genannte „Befreiungsamnestie“ aus dem Jahre 1946 normieren übereinstimmend, dass verschie­dene Verurteilungen durch nationalsozialistische Gerichte „als nicht erfolgt“ gelten. Beide Gesetze verlangen jedoch eine Entscheidung durch das zuständige Gericht, ob im Einzelfall die Verurteilung tatsächlich als nicht erfolgt gilt. Erst diese gerichtliche Entscheidung bewirkt die juristische Rehabilitierung des Verurteilten. Diese erfolgt entweder über Antrag oder „von Amts wegen“. Im Zusammenhang mit der Intention des Gesetzgebers, nämlich der Rehabilitierung der unschuldigen Opfer, ist von einer Verpflichtung zur amtswegigen Aufhebung auszugehen. Wann immer daher Justiz­behörden von einer unter die beiden genannten Gesetze fallenden Verurteilung Kenntnis erlangen, sind sie verpflichtet, von Amts wegen einen Gerichtsbeschluss im konkreten Fall herbeizuführen. Soweit ersichtlich ist dies aber bisher in keinem einzi­gen Fall geschehen. Gerichtsbeschlüsse zur Rehabilitierung erfolgten – erstmals im Jahre 1998 (!) – bisher nur in neun Fällen von ermordeten österreichischen Zeugen Je­hovas, jeweils über einen Antrag von Einzelpersonen bzw. der staatlich eingetragenen Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen.

Die Befreiungsamnestie 1946 deckt das ganze Feld der notwendigen Rehabilitierungen also ebenso wenig ab wie das Aufhebungsgesetz 1945. Das Verhältnis beider Gesetze zueinander ist verwirrend und teilweise widersprüchlich. Das Aufhebungsgesetz 1945 mit ergänzender Verordnung, StGBl 155/1945, verlangt zusätzlich zur Aburteilung nach bestimmten NS-Gesetzen, dass die Handlung „gegen die nationalsozialistische Herr-


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schaft“ gerichtet war. Das trifft vor allem für die Wehrdienstverweigerer aus religiösen Gründen, von denen viele zum Tode verurteilt wurden, nicht unmittelbar zu. Eine Anwendung des Gesetzes ohne Berücksichtigung dieser individualisierenden Klausel, wie sie bisher erfolgte, ist rechtsstaatlich unbefriedigend. Die Befreiungsamnestie 1946 berücksichtigt zwar schematisch alle Urteile der Militär- und SS-Gerichte, nicht aber der Sondergerichte und der Zivilgerichte. Außerdem hat dieses Gesetz Gnadencharak­ter, was nicht einer Rehabilitierung entspricht. Die Betroffenen verdienen nicht Gnade, sondern Recht. Beide Gesetze sehen gerichtliche Überprüfungsverfahren in jedem Einzelfall vor, damit nicht nur die gesetzlichen Voraussetzungen überprüft werden, sondern auch das Zusammentreffen mit Allgemeindelikten abgeklärt wird, bei deren Vorliegen eine Straffestsetzung in einem neuen ordentlichen Verfahren einzuleiten ist. Das ist jedoch 60 Jahre nach Kriegsende praktisch unmöglich.

Die Gesetzeslage ist nicht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit vorgedrungen. Allen­falls ist ihre Wirkungslosigkeit bekannt. Dem Vernehmen nach ist eine bloße Wieder­verlautbarung des Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 und der Befreiungsam­nestie 1946 und eine sogenannte „authentische Interpretation“ geplant . Dies ist jedoch keineswegs geeignet, eine angemessene Rechtssituation herzustellen. Darum wird der Ruf nach einer pauschalen Aufhebung ohne Einzelprüfung laut, so erst im Jänner dieses Jahres durch den Herrn Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer. Er fordert einen Akt der Gesetzgebung, durch den alle Urteile der Wehrmachtsjustiz „mit einer unserem heutigen Kenntnisstand entsprechenden Begründung“ aufgehoben werden. Aus diesen Gründen ist in Vollziehung der Entschließung des Nationalrats vom 14. 7. 1999 ein umfassendes, vereinfachendes neues Gesetzes über die Rehabilitierung von Opfern der NS-Strafjustiz erforderlich, das unter Einbeziehung der Rechtslage nach den bei­den bestehenden Gesetzen alle auf bestimmten nationalsozialistischen Gesetzen beru­henden Verurteilungen durch die NS-Strafjustiz generell aufhebt.

Der heute 83-jährige Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani, der Sprecher des Perso­nenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“, kämpft seit Jahren verdienstvoll um die Rehabilitierung und damit um die Würde der Opfer der NS-Militär­justiz und deren Hinterbliebenen. In einem bezeichnenden Briefwechsel mit dem Bun­desministerium für Justiz (9. November 2003) schließt Wadani mit folgenden Worten:

„Lassen sie mich zum Abschluss noch einmal auf die Befreiungsamnestie aus 1946 zu­rück kommen. Ich bin kein Jurist. Wenn ich aber im Duden nachschlage, finde ich unter Amnestie folgende Definition: „das Vergessen; die Vergebung; durch ein besonderes Gesetz verfügter Straferlass oder verfügte Strafmilderung für eine Gruppe bestimmter Fälle, bes. für politische Vergehen“. Es ist ganz bestimmt nicht so, dass das BMJ uns etwas „zu vergessen oder zu vergeben“ hat. Ich habe es als meine Pflicht gesehen, gegenüber diesem verbrecherischen Nazi-Regime den Fahneneid zu brechen und auf Seiten der Alliierten für die Niederlage der Wehrmacht, der Armee Adolf Hitlers, zu kämpfen. Das war meine persönliche Form des Widerstandes gegen den Nationalso­zialismus, ich habe meinen Teil für ein freies unabhängiges Österreich damit geleistet. Sorgen Sie jetzt dafür, dass uns endlich Gerechtigkeit widerfährt. Für einen Akt der Gerechtigkeit werden wir auf jeden Fall weiter eintreten. Wir betrachten die Rehabilitie­rung gewiss nicht als abgeschlossen.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1. 1995 haben Sie die Aussagen Dr. Jörg Haiders vor ehemaligen Waffen SS-Ange­hörigen als „ganz unerträglich“ bezeichnet, Haider war für Sie nichts anderes als ein "Wiederholungstäter". Im von Ihnen selbst ausgerufenen großen „Gedankenjahr 2005“


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ist er in Ihren Augen eine „konstruktive Persönlichkeit“ geworden. Und zu den Auslas­sungen von BZÖ-BR Kampl – die entsprechendes internationales Interesse auf sich zogen – schweigen Sie noch immer. Warum verurteilen Sie die Aussagen von FPÖ-BR Gudenus, während bisher Sie zu den Diffamierungen von BZÖ-BR Kampl offensichtlich aus falsch verstandener Koalitionsräson geschwiegen haben und auch nach seinem Rücktritt weiterhin schweigen?

2. Unterstützen Sie die Forderung nach Rücktritt von Bundesrat John Gudenus?

3. Sind für Sie Personen als Abgeordnete des österreichischen Parlaments tragbar, die Wehrmachts-Deserteure als „Kameradenmörder" bezeichnet haben?

4. Macht es für Sie einen rechtlichen Unterschied, aus welchen Gründen bzw. Motiven ein Österreicher in einem völkerrechtswidrigen Angriffs- und Vernichtungskrieg deser­tiert ist? Sind die Wehrmachtsdeserteure Ihrer Meinung nach aus einer fremden Armee desertiert?

5. Bedurfte es in den Jahren 1938 - 1945 nicht eines viel höheren Maßes an Mut zu desertieren, als in der Wehrmacht zu bleiben?

6. Mit welchem Urteil musste ein Wehrmachtsdeserteur rechnen, wenn er sich der Wehrmachtsjustiz gegenüber mit dem Argument verantwortet hat, er habe sich „gegen die nationalsozialistische Herrschaft“ gerichtet bzw. er sei „Gegner des Nazi-Regi­mes“?

7. Teilen Sie die „Sorge“ Ihres Koalitionspartners und der Bundesministerin für Justiz um eine vermeintliche „Zwangsbeglückung“ der Betroffenen bzw. deren Hinterbliebe­nen bei einer amtswegigen Urteilsaufhebung von NS-Unrechtsurteilen?

8. Werden Sie sich als Bundeskanzler dafür einsetzen, dass es – wie von den Betrof­fenen und Bundespräsident Dr. Heinz Fischer gefordert – einen eindeutigen, unmiss­verständlichen, kollektiven Akt des Gesetzgebers geben wird? Wenn ja, welche Vor­bereitungen werden von Ihnen getroffen? Ihre Pressesprecherin kündigte gegenüber dem „Falter“ eine „Geste“ des Gesetzgebers an. Welche konkreten Pläne hat die Bundesregierung für die Opfer der NS-Militärjustiz im „Gedankenjahr 2005“?

9. Werden Sie bzw. die Bundesregierung dem Nationalrat ein Gesetz zur Beschluss­fassung vorlegen, dessen erklärtes Ziel es ist, mittels Rehabilitierung Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz herzustellen und nicht den Anschein eines Gnadenaktes zu erwecken, weil es nicht um die Amnestierung eines begangenen Unrechts, sondern um die Anerkennung des Unrechtes der NS-Militärjustiz geht?

10. Warum ehrt die Republik einerseits den militärischen Widerstand von Offizieren wie Bernardis, Szokoll und anderen, der darin bestand, kein weiteres Unrecht durch Natio­nalsozialismus und Wehrmacht zuzulassen, respektiert aber andererseits Fahnenflucht und Desertion von einfachen Soldaten nicht entsprechend als den „Widerstand des kleinen Mannes“?

11. Entspricht es den Tatsachen, dass seitens der Bundesregierung eine bloße Wie­derverlautbarung des Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 und der Befreiungs­amnestie 1946 sowie eine sogenannte „authentische Interpretation“ geplant sind?

12. Mit einer Wiederverlautbarung und einer Interpretation ist es nicht getan, weil beide genannten Gesetze Ihrem Wortlaut nach teilweise sowohl zu weit als auch zu kurz greifen, was durch Auslegung nicht zu beseitigen ist. Insbesondere sind die Vorschrif­ten für neue Strafverfahren bei Mischurteilen so nicht zu gebrauchen (neue Haupt­verhandlung). Werden Sie sich dafür einsetzen, dass aus genannten Gründen ein umfassendes, neues Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern der NS-Strafjustiz zur Beschlussfassung kommt, das unter Einbeziehung der Rechtslage nach den beiden


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bestehenden Gesetzen alle auf bestimmten nationalsozialistischen Gesetzen beruhen­den Verurteilungen durch die NS-Strafjustiz generell aufhebt?

13. Führende Rechtsexperten – wie zum Beispiel Univ. Prof. Dr. Reinhard Moos, der in Fragen der NS-Justiz als Koryphae gilt – sprechen sich für einen neuen eindeutigen Rechtsakt zur Beseitigung von zahlreichen rechtlichen Widersprüchlichkeiten aus. Im Justizausschuss wurde ein neues, von Prof. Moos ausgearbeitetes „NS-Rehabilitie­rungsgesetz“ eingebracht. Wie beurteilen Sie dieses Gesetz und werden Sie sich als Bundeskanzler für dessen Beschlussfassung einsetzen?

14. Sozialrechtlich sind Wehrmachtsdeserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz gegenüber Wehrmachtssoldaten, SS-Schergen und auch Kriegsverbrechern immer noch schlechter gestellt. Werden Sie dafür Sorge tragen, dass dieser unerträgliche Missstand endlich beseitigt wird?

15. Aus Anfragebeantwortungen des Sozialministeriums geht hervor, dass "Zeiten einer wegen Desertion verhängten Haft in Gefängnissen, Wehrmachtsstraf- oder Kon­zentrationslagern [...] grundsätzlich nicht als Ersatzzeiten in der österreichischen Pen­sionsversicherung angerechnet werden (können)".  Begründung: Desertion sei auch schon vor 1938 in Österreich ein strafbares Delikt gewesen. Soll diese Rechtslage, auch für die Zeit der NS- Herrschaft weiter bestehen?

16. Das Sozialministerium hat laut eigenen Angaben bisher keine Anhaltspunkte gefunden, wonach Opfer der NS-Militärjustiz sozialrechtlich benachteiligt worden seien. Die wissenschaftlichen Forschungen belegen jedoch das genaue Gegenteil. Über Jahr­zehnte wurden mehr als 2/3 der gestellten Anträge auf Opferfürsorge abgelehnt. Die Leidensgeschichten der Kriegsdienstverweigerer, Deserteure u.a. wurden zumeist des­halb nicht berücksichtigt, weil in diesen Fällen laut Gesetz keine "Haft aus politischen Gründen" anerkannt wird. Da sich weder die gesetzlichen Bestimmungen noch die Sachlage seit den damaligen Entscheidungen geändert haben, waren die Anträge „wegen entschiedener Sache zurückzuweisen". Zuletzt erhielt Franz Piontek, der die berüchtigten "Moorlager" im Emsland überlebte, im Dezember 2004 einen entspre­chenden Bescheid der Behörden. Was gedenken Sie bzw. die Bundesregierung zu unternehmen, dass diese Verhöhnung der wenigen noch lebenden Opfer endlich been­det wird?

17. Ist im „Gedankenjahr 2005“ endlich mit der Anerkennung von homosexuellen und sogenannten „asozialen“ NS-Opfern im Opferfürsorgegesetz zu rechnen? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass diese vergessenen (in Wahrheit bewusst ausgegrenzten) Opfergruppen endlich in das Opferfürsorgegesetz aufgenommen werden?

Staatsvertrag und Ortstafeln

18. Der VfGH hat im Erkenntnis G213/01, V62/01 die als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des Volksgruppengesetzes und der Verordnung über zweisprachige Ortstafeln im Dezember 2001 nicht sofort aufgehoben, sondern dem gesetzes- bzw. Verordnungsgeber eine Frist bis 31. Dezember 2002 eingeräumt, um die Verfassungs­widrigkeit zu sanieren. Weshalb haben Sie in dieser Zeit nicht Ihre Verantwortung wahrgenommen und dafür Sorge getragen, dass die als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen fristgerecht durch verfassungskonforme Regelungen ersetzt wurden?

19. Wer trägt die Verantwortung dafür, dass das zitierte Erkenntnis des VfGH bisher nicht umgesetzt wurde?

20. LH Haider hat den mit Ihnen gemeinsam geplanten Festakt zur Ortstafel-Aufstel­lung in der Gemeinde Neuhaus/Suha abgesagt, weil es Proteste gab. Haben Sie der Absage zugestimmt?


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21. Sind auch Sie bereit, dem Druck von Gegnern von zweisprachigen Ortstafeln auf diese Weise nachzugeben?

22. Auf der Ortstafel, die in Schwabegg/Žvabek aufgestellt wurde, ist der slowenische Ortsname falsch geschrieben. Wer ist für die falsche Schreibweise verantwortlich?

23. Werden Sie dafür sorgen, dass die zuständigen Beamten ganze Wörter auf Slowe­nisch richtig schreiben können?

24. Wie beurteilen Sie die Äußerungen des Landeshauptmannes von Kärnten, der öffentlich erklärt hat, er würde die Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses in Kärnten nicht zulassen und das Erkenntnis des VfGH sei „null und nichtig“?

25. Was werden Sie als Bundeskanzler konkret unternehmen, um einen verfassungs­konformen Zustand herzustellen?

26. Entspricht es ihrem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, den Bruch von verfas­sungsrechtlich garantierten Minderheitenrechten solange in Kauf zu nehmen, bis Sie die Zustimmung von offensichtlich minderheitenfeindlichen Kräften erhalten?

27. Sind Sie auch in anderen Politikfeldern, bei denen es um Grund-, Menschen- und Minderheitenrechte, somit um den verfassungsrechtlichen Schutz von potentiell be­nachteiligten Personen und Gruppen in unserer Gemeinschaft geht, bereit, den Bruch von Verfassungsrecht hinzunehmen und mit zu verantworten? Wenn ja, in welchen Bereichen? Wenn nein, weshalb nehmen Sie ihre Verantwortung im Bereich des Min­derheitenschutzes nicht wahr?

28. Nach Ziffer 5 des Artikel 7 im Staatsvertrag von Wien ist die Tätigkeit von Orga­nisationen, die darauf abzielen, der kroatischen oder slowenischen Bevölkerung ihre Eigenschaft und ihre Rechte als Minderheit zu nehmen, zu verbieten. Welche Schritte hat die Bundesregierung bisher gesetzt, um diese Staatsvertragsbestimmung umzuset­zen?

29. Sind Sie im Einklang mit diesen gesetzlichen Bestimmungen bereit, ein Verbot des Kärntner Abwehrkämpferbundes prüfen zu lassen?

30. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Anwendungsbereich des Staatsvertrages von Wien 1955 hinsichtlich der zweisprachigen Topographie ist wegen der identen Rechtsgrundlagen auch auf das Burgenland anzuwenden. Dessen unge­achtet wurden bisher überhaupt keine Schritte zur Umsetzung gesetzt. Wann ist damit zu rechnen, dass die Topographieverordnung für das Burgenland um jene Orte ergänzt wird, die zwar die Kriterien des Verfassungsgerichtshofes erfüllen („ein Minderheiten­prozentsatz von mehr als 10% auf Grund der Ergebnisse der Volkszählungen über einen längeren Zeitraum betrachtet“), aber bisher nicht berücksichtigt wurden?

31. Welche konkreten Schritte haben Sie bisher unternommen, um das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Burgenland umzusetzen?

32. Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien garantiert in den Verwaltungs- und Ge­richtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung die Zweisprachigkeit von Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur. Trotzdem wurden im Burgenland, in Kärnten und in der Steiermark seit nunmehr 50 Jahren in Verletzung des Staatsvertrages keine Weg­weiser nach der Straßenverkehrsordnung zweisprachig angebracht. Mit 45 Jahren Verspätung wurden im Jahr 2000 unter dem Druck der EU-Sanktionen lediglich die Ortstafeln an den Ortseinfahrten zweisprachig gestaltet. Weshalb verweigern sie die Umsetzung der zweisprachigen Topographie auf den Wegweisern in den betroffenen Bezirken des Burgenlandes?


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33. Können sie garantieren, dass zumindest noch in diesem Jahr, dem 50. Jahr nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages von Wien, die Bundesregierung dieser Ver­pflichtung sowohl im Burgenland als auch in Kärnten nachkommt? Wenn nein, wie rechtfertigen sie die nunmehr 50 jährige Verletzung dieser Bestimmungen des Staats­vertrages von Wien?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage gem. §93 Abs. 1 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Glawischnig zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.01.12

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Die Grünen haben vergangene Woche angekündigt, eine Dringliche Anfrage zu einem sehr großen Unrecht, das nach wie vor in der österreichischen Rechtsordnung besteht, nämlich die Rehabilitierung von NS-Deserteuren in unserem Rechtssystem, heute zum Gegenstand einer Dringlichen Anfrage zu machen.

Es wurde uns heute, gerade eben, mitgeteilt, dass der Herr Bundeskanzler hier nicht erscheinen wird, weil er sich zu Feierlichkeiten im Burgenland verpflichtet hätte und das schon länger vorher bestimmt worden sei.

Ich fordere trotzdem dringend die Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers hier. Wir haben gestern bereits versucht, diese Dringliche Anfrage einzubringen, jedoch wurde uns das verunmöglicht durch einen Dringlichen Antrag der ÖVP, und zwar zu einem Thema, das mehr als unaktuell war, nämlich zum Beschäftigungsgipfel vom 1. Mai (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP), wobei es dazu keinen einzigen neuen Inhalt und keine einzige neue Maßnahme gibt, die nicht schon vorher im Minis­terratsvortrag vom Dienstag veröffentlicht worden wäre.

Ich beantrage daher gemäß § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung, der Nationalrat möge beschließen, dass der Herr Bundeskanzler dieser Debatte beigezogen wird, und ich beantrage weiters eine Sitzungsunterbrechung, bis der Herr Bundeskanzler dieser Debatte beiwohnt. (Beifall bei den Grünen.)

15.02


Präsident Dr. Andreas Khol: Sitzungsunterbrechungen verfügt der Präsident; diese können nicht beantragt werden. Über Ihren Antrag zur Herbeiholung des Bundeskanz­lers werden wir abstimmen.

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Molterer. – Bitte.

 


15.02.26

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Meine Damen und Herren! Ich halte hiermit fest, dass nach dieser Wortmeldung der Kollegin Glawischnig klar ist: Für die Grünen ist die Frage der Arbeitsmarktsituation nicht aktuell, nicht dringlich. (Abg. Dr. Glawischnig: Die Maßnahmen dieser Regierung sind nicht aktuell!) Und das ist schon eine politische Äußerung, die mir Sorge macht, denn wer mit Menschen, die keine Arbeit haben, redet, weiß, dass das wohl eines der aktuellsten Themen ist, das es überhaupt gibt. – Erstens. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens: Ich habe schon einmal darauf hingewiesen, dass die Opposition – zu Recht – auf ihre geschäftsordnungsmäßigen Rechte pocht, aber die Geschäftsordnung


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macht in der Ausübung der Rechte keinen Unterschied zwischen Oppositions- und Regierungspartei. Es war daher selbstverständlich das geschäftsordnungsgemäß ver­briefte Recht der Österreichischen Volkspartei, gestern einen Dringlichen Antrag einzu­bringen, und zwar zu einem sehr wohl dringlichen Thema, nämlich zur Arbeitsmarkt­situation in Österreich. (Abg. Dr. Glawischnig: Sehr dringlich!)

Drittens, Frau Abgeordnete Glawischnig, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass die Geschäftsordnung eine sehr klare Regelung für Vertretungsfragen festlegt: dass näm­lich ein Staatssekretär selbstverständlich befugt ist, jeden Bundesminister – und damit selbstverständlich auch den Bundeskanzler – hier im Parlament zu vertreten.

Damit es alle wissen: Der Herr Bundeskanzler war heute in Kärnten, und zwar in einer wichtigen Frage, nämlich im Sinne einer Konsenserzielung in der Ortstafelfrage, und er befindet sich jetzt bei einem seit langem geplanten Termin, nämlich der offiziellen Feier des Burgenländischen Landtages – Frau Abgeordnete Pfeffer nickt, sie weiß es – zum Festakt 60 Jahre Österreich.

Ich denke, dass es gut ist, dass Franz Morak hier im Parlament ist und der Herr Bun­deskanzler bei diesem Festakt des Burgenländischen Landtages und damit würdig die Republik Österreich vertritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.04


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Scheibner. – Bitte.

 


15.04.33

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist es das Recht jedes Abge­ordneten, hier die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern zu verlangen. Darüber wird der Nationalrat zu befinden haben.

Es ist aber auch das Recht eines Regierungsmitgliedes, sich entsprechend der Ge­schäftsordnung und der Bundesverfassung hier im Hohen Haus vertreten zu lassen, wenn es durch andere Termine verhindert ist. Und genau das geschieht heute bei dieser Dringlichen Anfrage.

Andere Bewertungen, dass Dringliche Anfragen von verschiedenen Fraktionen nicht aktuell sind, gerade wenn es um den Arbeitsmarkt geht, sind, wie ich meine, nicht Ge­genstand von Geschäftsordnungsdebatten, sondern das ist politisch zu bewerten. Und ich glaube, jeder wird auch politisch bewerten, was es heißt, wenn Abgeordnete hier der Meinung sind, dass der Kampf um Arbeitsplätze, dass der Kampf um den Arbeits­markt nicht von großer Aktualität sei.

Vor dem Hintergrund dessen, dass man hier in einer entsprechenden Zeit, auch in einer interessanten Zeit für die mediale Berichterstattung diese wichtige Debatte, die wir jetzt vor uns haben, führen soll, wäre es auch überhaupt nicht sinnvoll – wenn ohnehin jeder weiß, dass der Herr Bundeskanzler im Burgenland ist –, jetzt die Sitzung zu unterbrechen, eine Stunde oder eineinhalb Stunden zu warten und dann mit einiger Verspätung in diese Debatte einzugehen.

Deshalb ist klar, dass auch meine Fraktion diesem Antrag der Grünen nicht zustim­men wird, sondern geschäftsordnungsmäßig korrekt wird Herr Staatssekretär Morak Herrn Bundeskanzler Schüssel hier vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubob­mann-Stellvertreter Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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15.06.12

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Fraktion wird dem Antrag der Grünen zustimmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Selbstverständlich ist es das Recht des Bundeskanzlers, sich vertreten zu lassen, aller­dings würden wir uns einen Bundeskanzler wünschen, der sich beim Thema Rehabili­tierung der Opfer der NS-Militärjustiz nicht vertreten lässt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Glawischnig hat gemäß § 18 Abs. 3 GOG den Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers gestellt.

Wer diesem Antrag beitritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

*****

Wir kommen nunmehr zur Behandlung der Dringlichen Anfrage. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) – Ich darf die Damen und Herren um Ruhe bitten!

Ich erteile Frau Abgeordneter Mag. Stoisits als Fragestellerin zur Begründung der An­frage das Wort. Ihre Ausführungen, Frau Kollegin, dürfen 20 Minuten nicht überschrei­ten. – Bitte.

 


15.07.46

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Herr Präsident Khol, selbstverständlich ist die Geschäftsordnung des Nati­onalrates zu respektieren, selbstverständlich respektieren die Grünen die Geschäfts­ordnung des Nationalrates, und selbstverständlich ist es möglich, das, was geschäfts­ordnungsgemäß vorgesehen ist, zu nutzen.

Allerdings, Herr Präsident Khol und Herr Klubobmann Molterer: Es ist eine Frage der politischen Bewertung und eine politische Entscheidung, die der Herr Bundeskanzler in solchen Fällen zu treffen hat.

Herr Klubobmann Molterer, ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, in denen es so war, dass Dringliche Anfragen im Nationalrat um 10 Uhr früh, wenn die Sitzung begon­nen hat, eingebracht wurden. Große Überraschung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Daran kann ich mich noch gut erinnern.

Wenn es damals vorgekommen ist, dass ein Bundeskanzler auf Grund der knappen Zeit nicht hier herkommen konnte, dann gab es in der Vergangenheit Präzedenzfälle, dass es hiefür Verständnis gab, allerdings: Eine Dringliche Anfrage im Mai 2005, im Jubiläums-, im Gedenkjahr 2005, die von der grünen Fraktion als Dringliche Anfrage angekündigt wurde, um im Plenum des österreichischen Nationalrates eine Diskus­sion über Fragen des Umgangs mit der Vergangenheit Österreichs abzuhalten, hier eine Diskussion über die politische Verantwortung für Versäumnisse zu führen – was wir auch dem Herrn Bundeskanzler vergangenen Montag mitgeteilt haben, um jedoch am Mittwoch damit konfrontiert zu werden, dass der Herr Bundeskanzler es vorzieht, die Ergebnisse seiner PR-Veranstaltung zum Arbeitsmarkt vom 1. Mai hier im National­rat noch einmal präsentieren zu dürfen, und zwar in Form eines Dringlichen Antrages seiner eigenen Fraktion –, das, Herr Klubobmann Molterer und Herr Präsident Khol, überlasse ich auch Ihnen zu bewerten, welches politische „Fingerspitzengefühl“ das ist,


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um eine „Antwort“ in dieser Form zu geben, wie Sie das tun, nämlich mit einem ein­fachen und schlichten Verweis auf die Geschäftsordnung des Nationalrates. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Damit, meine Damen und Herren, bin ich auch schon voll im Kern des Gegenstands der heutigen Dringlichen Anfrage der grünen Fraktion angelangt: bei der Auseinander­setzung mit der Geschichte, bei deren Aufarbeitung, bei dem, was in dieser Republik in den letzten Jahrzehnten seit 1945 – und wir sind ja erst vor wenigen Tagen im Redoutensaal gewesen und haben dort gemeinsam feierlich die Zweite Republik, das Wiederauferstehen des demokratischen Österreich gefeiert – verabsäumt worden ist, bei der Frage, welche offenen Bereiche es gibt. Und es stellt sich schon die Frage, wie der Nationalrat selbst und die Abgeordneten des Nationalrates auch einen Diskus­sionsbeitrag, einen Debattenbeitrag, Herr Präsident, jenseits von feierlichen Proklama­tionen zu leisten haben.

Ich möchte hier nicht sagen: Herr Bundeskanzler, fahren Sie nicht ins Burgenland und reden Sie dort nicht feierlich vor den burgenländischen Landtagsabgeordneten! Ich habe nichts dagegen. Nur kann ich Ihnen versichern, dass der Herr Bundeskanzler bei einer feierlichen Gedenkveranstaltung ganz sicher nicht mit kritischen Fragen zur Ver­gangenheitsaufarbeitung konfrontiert werden wird, denn Feiern haben es in sich, dass es keinen Widerspruch gibt, dass man eine Rede hält und dann geht.

Dringliche Anfragen und Diskussionen im Plenum des Nationalrats bieten die Möglich­keit, Argumente auszutauschen und auch die unterschiedlichen Standpunkte, die die einzelnen Fraktionen haben, herauszuarbeiten. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich heute am 13. Mai des Jubi­läumsgedenkjahres zwei offenen Bereichen dieser 60-jährigen Auseinandersetzung widmen. (Ruf bei der ÖVP: Heute ist der 12. Mai!) Entschuldigung! 12. Mai. Morgen sind es noch zwei Tage bis zum 15. Mai, bis „50 Jahre Staatsvertrag“. – Wie gesagt, ich widme mich heute zwei offenen Bereichen.

Der erste Punkt ist das Beispiel des Umgangs mit Deserteuren und Opfern der NS-Mili­tärjustiz in Österreich nach 1945, und der zweite Punkt ist die Frage des Umgangs mit Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien, dessen wir am Sonntag – wir alle gemeinsam, sozusagen Österreich – sehr feierlich gedenken werden.

Ich halte es für ein Gebot der Stunde, jene Punkte – ich will es nicht „schwarze Fle­cken“ nennen, sondern unaufgearbeitete Dinge –, wo es noch nichts dazu gibt, wo bisher die politische Verantwortung versagt hat, wo sie nicht wahrgenommen wurde, aufzuarbeiten. Das ist Gegenstand meiner Sorge in diesem Jubiläumsjahr, in diesem Gedankenjahr 2005. (Beifall bei den Grünen.)

Sie, meine Damen und Herren, wissen ja – soweit kennen Sie mich –, dass sowohl das Thema „Deserteure“ als auch die Einhaltung des Artikels 7 des Staatsvertrages von Wien mir wirklich ein persönliches Anliegen sind – in der einen Sache, weil ich mich seit Jahren als Parlamentarierin dafür einsetze – ich werde noch darauf zurückkom­men –, und in der anderen Sache, weil ich eine unmittelbar Betroffene des Minderhei­tenschutzes durch Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien bin beziehungsweise der Auswirkungen des in Österreich nicht gebotenen Minderheitenschutzes im Sinne des Artikels 7 des Staatsvertrages von Wien.

Kommen wir zum Thema Deserteure.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deserteure und andere Opfer der NS-Militär­justiz, Kriegsdienstverweigerer – Beispiel: Franz Jägerstätter –, so genannte Selbstver­stümmeler, so genannte Wehrkraftzersetzer, Saboteure, Meuterer und angebliche Hochverräter und Landesverräter: Das ist die Gruppe jener, die in den Kreis der Opfer


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der NS-Militärjustiz fiel, weil sie – und das ist immer und immer wieder das gleiche Argument gewesen – der Manneszucht der Nazis, wie es damals hieß, nicht entspro­chen haben. Das waren die Gründe für die Verurteilung durch NS-Militärgerichte.

Sie haben nicht der Manneszucht der Nazis entsprochen – diese Wortfolge werden Sie in fast jedem dieser Urteile finden, sofern es überhaupt schriftliche oder mündlich doku­mentierte Urteile gibt. Denn: Tatsache ist auch, dass es durch das Wüten und durch das Unrechtsregime – ich nenne es nicht Justiz, denn es war keine Justiz, es war Naziterror, der da Platz gegriffen hat – Dinge gegeben hat, die unglaublich erscheinen: dass nämlich Menschen zwei, drei Tage vor der Kapitulation jeweils dort, wo sie waren, noch standrechtlich erschossen oder gehenkt worden sind und so Opfer dieses Terror­regimes geworden sind.

Meine Damen und Herren! Es hat der Herr Bundesrat Kampl, der im Bundesrat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht hat, sondern das einfach – wie soll ich das nennen? – herausgelassen hat, was in seinem Kopf war, die Diskussion darüber in Österreich maßgeblich weiterbewegt. Und was sagte der Herr Bundeskanzler dazu? –Bisher nichts. Zur Tatsache, dass hohe Repräsentanten der Republik im Jahr 2005 Deserteure aus der Wehrmacht als „Kameradenmörder“ und als „feig“ bezeichnen kön­nen, schweigt Bundeskanzler Schüssel bis heute. Deshalb wollten wir diese Auseinan­dersetzung heute mit ihm führen, um ihm die Möglichkeit zu geben, hier ganz eindeutig dazu Stellung zu nehmen und jene Klärungen, die ausständig sind, hier heute auch vorzunehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Da geht es um Grundwerte der Demokratie und um Grund­werte des Verständnisses von Freiheit und Demokratie. Und da ist es wirklich nicht verfehlt, zu sagen: Wer zu solchen Aussagen schweigt, der stimmt zu! Das ist kein Sprichwort, sondern eine Tatsache: Wer schweigt, der stimmt zu! (Abg. Scheibner: Es hat aber der gesamte Bundesrat damals zugestimmt!) Diese Gelegenheit nimmt Bun­deskanzler Schüssel heute nicht wahr! (Abg. Scheibner: Es stimmte der gesamte Bun­desrat diesen Aussagen zu!)

Ich komme jetzt zur Geschichte dieser Frage der Anerkennung der Opfer der NS-Mili­tärjustiz. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum schreien Sie eigentlich so? Das ist unerträg­lich!) 1999 gab es hier im Nationalrat den ersten Schritt bei der Beschäftigung der Poli­tik und bei der demokratischen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Es hat damals eine Initiative gegeben, die von vier Parteien mitgetragen wurde – damals waren die Liberalen noch im Nationalrat; wie gesagt, von vier Parteien, es waren damals fünf, die Freiheitlichen waren damals nicht dabei, sie sind es bis heute nicht –, und diese Initiative, die sich damit beschäftigt hat, dass endlich Forschungstätigkeit zu diesem Thema in Österreich Platz greift, ist dann auch aufgegriffen worden.

Dieses Unrecht, das Unrecht des Versäumnisses, das wieder gutgemacht werden muss, ist in einem Forschungsauftrag, der unter Minister Einem – ich erwähne ihn, weil er jetzt hier sitzt – durchgeführt worden ist, auch aufgearbeitet worden, und die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts sind Inhalt des von einem ganz großen Teil des Nationalrates damals beschlossenen Entschließungsantrages. Diese Ergebnisse sind im Herbst 2002 dem Justizministerium als Auftraggeber übergeben worden und bei einem – Herr Präsident, Sie erinnern sich sicher noch – von Herrn Präsidenten Khol eingeladenen Symposium quasi offiziell präsentiert worden.

Diese Veranstaltung hat bei mir und sicher bei einigen anderen, die damals dabei waren – und da blicke ich in Richtung von Frau Dr. Fekter –, eine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Aber diese nachhaltige Wirkung – und es sind an die tausend Seiten Forschungsergebnisse – hat nicht, wie Sie vielleicht glauben mögen, dazu geführt, dass das umgesetzt worden wäre. Nein, ganz im Gegenteil: Jene betroffenen Deser-


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teure und andere Opfer der NS-Militärjustiz, die damals dort anwesend waren, waren geradezu erschlagen von dem Erkenntnis, das uns da präsentiert wurde, nämlich das Erkenntnis, das man wie den Phönix aus der Asche gezogen hat, nämlich ein Gesetz aus dem Jahre 1946, die so genannte Befreiungsamnestie, wobei man gesagt hat: Dieses Gesetz gilt!

Wir haben es zwar jetzt erst, vor zwei Monaten, entdeckt, dass dieses Gesetz gilt, aber es gilt seit 1946. Kein Richter, kein Staatsanwalt, kein Justizbeamter in dieser Republik hat bis zu diesem Tag gewusst, dass dieses Gesetz auch auf diese Opfergruppen vermeintlich anzuwenden ist. Aber wir sagen: Jetzt gilt es! Erinnern Sie sich an damals, Herr Präsident? (Präsident Dr. Khol: Ja!) Sie haben auch, wenn ich das jetzt so salopp sagen darf, große Augen gemacht, weil das nicht der Erwartung entsprochen hat.

Sie, Herr Präsident Khol, haben damals ganz klar gesagt: Unrecht muss wieder gutge­macht werden! Sie haben sich – und diesen Eindruck hatte ich damals sehr stark – mit den Erkenntnissen auseinander gesetzt, mit dem, was in dieser Forschungsarbeit drinnen steht.

Seit dem Juni 2003 ist es wie ein Perpetuum Mobile, dass diesen Opfern – denken Sie daran: 1945 ein Opfer der NS- Militärjustiz gewesen zu sein, bedeutet, dass man heute jedenfalls rund um 80 Jahre alt ist; die Opfer, die ich in den letzten Jahren kennen gelernt habe, sind alle jenseits der 80, 90 Jahre – gesagt wird: Wenden Sie sich an die österreichischen Gerichte! Bringen Sie einen Antrag ein! Es wird dann im Einzelfall ge­schaut, ob die Befreiungsamnestie – lassen Sie dieses Wort auf der Zunge zergehen – gelten soll oder nicht!

Da kann ich nur sagen: Das ist eine Art von Kaltschnäuzigkeit bei einer juristisch spitz­findigen Argumentation, wo es mir als Juristin kalt über den Rücken läuft, wenn ich so etwas höre. Aber das war so! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Initiative der Grünen war damals, sofort einen Gesetzesantrag einzubringen, in dem gefordert wird, dass das geklärt werden muss. Das Beispiel, Herr Klubobmann Molterer, ... (Abg. Mag. Molterer: Warten Sie einmal ab!) Ich warte schon so lange, Herr Mag. Molterer! (Abg. Mag. Molterer: Warten Sie 5 Minuten!) Ich warte seit Jahren darauf, dass etwas passiert. Ich kann noch warten, aber ich möchte Ihnen sagen, was hier notwendig ist. Das ist mein Punkt, Herr Mag. Molterer, weil ich mich schon so lange damit beschäftige.

Aber nicht ich allein beschäftige mich damit, da gibt es Forscher, Forscherinnen, große Gruppen, da gibt es ein Personenkomitee, da gibt es die Betroffenen selbst, die sich organisiert haben und die seit drei Jahren zu den Institutionen betteln gehen, um zu ihrem Recht zu kommen, nämlich dazu zu kommen, dass es in diesem Land Recht und nicht Gnade für Opfer der NS-Militärjustiz und Deserteure gibt. Das ist der Punkt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Obwohl es darüber jetzt schon eine fast dreijährige Auseinandersetzung im Justizaus­schuss gibt – diese Anträge sind wie Wanderpokale: vertagt, das nächste Mal wieder auf der Tagesordnung, nichts passiert, zig Gespräche mit dem damaligen Minister Haupt, mit dem Justizministerium, mit den Fraktionssprechern, aber alles vergeblich –, gibt es noch immer keinen Akt, der dieses Unrecht auch nur in Ansätzen zu benennen versucht, geschweige denn, es wieder gutzumachen. (Abg. Dr. Fekter: Das stimmt nicht!)

Herr Mag. Molterer, es hat erst vor einigen Wochen derjenige Jurist, der sich in Öster­reich am allerlängsten mit Fragen der NS-Militärjustiz beschäftigt hat, nämlich Univ.-Prof. Dr. Reinhard Moos aus Linz, einen Gesetzesvorschlag neu formuliert. Es ist kein Gesetzesvorschlag der Grünen, sondern es ist ein Vorschlag von Dr. Moos, einer


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Koryphäe auf diesem Gebiet, und der hat gesagt: So kann es nicht weitergehen! Das muss jetzt endlich ins Parlament kommen! Aber das liegt jetzt auch im Justizausschuss und wird wahrscheinlich weiterhin dort liegen bleiben.

Inzwischen ist 60 Jahre Republik gefeiert worden, inzwischen ist die Befreiung des KZ Mauthausen gefeiert worden, inzwischen ist der 8. Mai, nämlich der Tag der Kapitu­lation der Deutschen Wehrmacht und damit das Kriegsende in Europa gefeiert und gewürdigt worden – aber die Opfer der NS-Militärjustiz, die warten immer noch auf Schritte der Politik, Herr Mag. Molterer! Deshalb ist die Behandlung dieser Fragen so dringlich! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich nehme an, Sie haben jetzt verstanden, warum das so dringlich ist: weil es zu die­sem Komplex Gedenkjahr insgesamt dazugehört.

Ich möchte Ihnen sagen – um jetzt schon etwas vorwegzunehmen –, warum es sicher nicht genügen wird, dass man sagt: Der Nationalrat verlautbart wieder die Gesetze aus 1945/46! Das hat Professor Moos in seinem Gesetzesantrag auch begründet, und Sie kennen das alles. – Es wird nicht genügen, weil nämlich diese beiden Gesetze nicht alles abdecken, was heute zu geschehen hat, weil es darin Lücken gibt, weil diese beiden Gesetze auch verwirrend und teilweise auch widersprüchlich sind und weil eben nicht alle Gerichte – und ich habe diese „fliegenden Standgerichte“, diese Schnellver­fahren vorhin schon angesprochen – davon erfasst sind und weil dieses Gesetz eben Gnadencharakter hat und das Unrecht, das geschehen ist, nicht ganz eindeutig und klar beseitigt und die Opfer rehabilitiert. Deshalb möchten wir die Fragen, die wir ge­stellt haben, auch vom Herrn Bundeskanzler beantwortet wissen.

Ich anerkenne sehr – und jetzt gehe ich auf den Zwischenruf von Frau Dr. Fekter ein; und ich sitze auch im Kuratorium des Nationalfonds –, dass etwas geschehen ist. Der Nationalfonds hat – und das wissen Sie, Herr Präsident, am allerbesten – der Beharr­lichkeit dieser alten Männer – es sind lauter alte Männer – zu verdanken, dass da etwas geschieht, weil sie sich nicht durch die Kaltschnäuzigkeit der Beamtinnen und Beamten geschlagen geben, weil sie dort darauf bestehen. Das anerkenne ich – aber diese gesetzlichen Schritte, die fordere ich ein!

Herr Staatssekretär Morak, der Sie immer das Los beziehungsweise das Schicksal haben, da zu sitzen und Dinge zu verantworten, für die Sie nicht unmittelbar verant­wortlich sind! 21 813 Tage wurde in Österreich die Verfassung gebrochen, denn bereits 21 813 Tage gilt der Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien, seit 15. Mai  1955.

Jetzt nehme ich nur einen Teil heraus. Ein Teil davon sind die topographischen Be­zeichnungen, wie es im Staatsvertrag von Wien heißt, und die Umsetzung dieser Bestimmungen ist noch immer nicht erfolgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden in dieser Debatte noch vielfach darauf zurückkommen, dass genau an diesem Tag, an dem der Herr Bundeskanzler nicht hier im Parlament beziehungsweise hier im Nationalrat erscheint, sondern bei einem zugegebenermaßen verunglückten Festakt Ortstafeln enthüllt (Abg. Murauer: Er ist im Burgenland!) und damit geradezu zeigt, dass diese Missachtung von Verfas­sungsrecht in Österreich in Permanenz anhält. Es sind nämlich nur drei oder vier Tafeln (Abg. Dr. Fekter: 20!) heute in Kärnten aufgestellt und enthüllt worden. Es sind vier von 20 Tafeln, Frau Dr. Fekter, die seit 1977 in der Verordnung bezeichnet sind und seit 1977 nicht stehen – gar nicht zu reden von den restlichen über 300, die auf Grund des Artikels 7 des Staatsvertrages von Wien erfasst wären und wo keine Rede davon ist, sie aufzustellen.

Das ist mein Schlusssatz, Herr Präsident! – Herr Staatssekretär! Erklären Sie uns einmal: Wie fühlt man sich als Staatssekretär auf der Regierungsbank, wenn man eine


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Regierung vertritt, die 21 813 Tage die Verfassung bricht? Ist das ein gutes Gefühl? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Damals war er noch nicht in der Regie­rung!)

15.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Staatssekretär Morak zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten, aber da es 33 Fragen sind, wird das, glaube ich, schwierig werden. –Bitte, Herr Staatssekretär.

 


15.28.41

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte einleitend einige allgemeine Bemerkungen zum Gegenstand dieser Dringlichen Anfrage machen.

Die Zweite Republik Österreich, deren 60. Geburtstag wir vor wenigen Tagen began­gen haben, hat sich von Anfang an als Antithese schlechthin zu Totalitarismus und jeder Form von Diktatur verstanden. Das demokratische Fundament, zu dem sich alle gesellschaftlichen Gruppen in unserem Land bekennen, steht außer Zweifel und bildet auch den Grundkonsens dieser Demokratie. Das inkludiert auch, dass wir uns ins­besondere in den letzten beiden Jahrzehnten verstärkt des Umstandes bewusst ge­worden sind, dass zahlreiche Österreicherinnen und Österreicher an den Verbrechen des Nationalsozialismus aktiv beteiligt waren und dass nach 1945 durch zahlreiche gesetzliche Maßnahmen versucht wurde, nationalsozialistisches Unrecht, so weit dies überhaupt möglich war und ist, wieder gutzumachen.

Ich verhehle aber nicht: Es wurde nicht in allen Bereichen genug getan. Deshalb wurde in einem weit reichenden Konsens aller maßgeblichen politischen Kräfte in diesem Land seit den neunziger Jahren ein Bündel von Maßnahmen entwickelt, um wirksame Signale legistischer Natur zu setzen und materielle Leistungen seitens der Republik möglich zu machen, wo dies erforderlich war.

Hier im Parlament ist mit dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus ein erster wichtiger Schritt gesetzt worden. Andere Maßnahmen sind auch von dieser Bundesregierung seit dem Jahr 2000 gesetzt worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Regelungen im Bereich der Zwangsarbeiter erinnern.

Am gestrigen Tag legte die im österreichischen Fernsehen gezeigte Dokumentation von Hugo Portisch ein objektives und unverdächtiges Zeugnis darüber ab, welche Schritte hier unternommen worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Hinblick darauf darf ich, bevor ich auf die Fragen im Detail eingehe, folgenden Appell an Sie richten: Lassen Sie uns die im Zusammenhang mit unserer jüngeren Geschichte stehenden politischen Fragestellun­gen nicht im Geiste parteipolitischer Polemik, sondern staatspolitischer Verantwortung diskutieren und gemeinsame Lösungsansätze finden! (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Wo bleibt Ihre Verantwortung? All das steht auf Ihrem Zettel! Sie lesen ja vor!)

Ich komme nun zur Beantwortung Ihrer dringlichen Fragen.

Zu den Fragen 1 bis 3:

Ganz allgemein habe ich den Eindruck, dass alle maßgeblichen politischen Kräfte im Bund und in den Ländern, besonders der Herr Bundespräsident, die Bundesregierung, aber auch alle Landeshauptleute bemüht sind, das Gedankenjahr 2005 zu einer ehrli­chen Reflexion über die seinerzeitigen Ereignisse und zum würdigen Gedenken zu benützen, was bisher – wie ich glaube – in hervorragender Weise gelungen ist.


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Bundesrat Kampl ist von seiner Funktion zurückgetreten. (Abg. Dr. Grünewald: Aber nicht wegen Ihnen!) Ich meine, das war die richtige Konsequenz.

Am 27. April hat der Herr Bundeskanzler dazu in seiner Rede im Rahmen des Staats­aktes in den Redoutensälen wörtlich festgehalten – ich zitiere:

„Und daher ist für mich und hoffentlich für uns alle klar, dass, wer die Gräuel des natio­nalsozialistischen Regimes verharmlost und die Existenz von Lagern, von Gaskam­mern relativiert, nicht in unsere Institutionslandschaft passt.“ – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eindeutiger kann man sich zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage nicht äußern!

Zu den Fragen 4 bis 8:

Ich möchte dazu – auch wenn es aus der Distanz von 60 Jahren nicht in jedem Einzel­fall möglich sein wird, individuelle Beweggründe zu erforschen – außer Streit stellen, dass vor allem in der Endphase des Zweiten Weltkrieges Deserteure aus der Deut­schen Wehrmacht in der ganz überwiegenden Zahl aus anerkennenswerten Motiven gehandelt haben.

Dass dies zum Grundkonsens der Zweiten Republik zählt, zeigen auch die in der unmittelbaren Nachkriegszeit erlassenen gesetzlichen Maßnahmen, nämlich das so genannte Aufhebungs- und Einstellungsgesetz: Ich meine damit das Gesetz vom 3. Juli 1945 über die Aufhebung von Strafurteilen und die Einstellung von Strafverfah­ren, Strafgesetzblatt Nr. 48/1945, die darauf basierende Verordnung vom 5. September 1945 sowie schließlich die so genannte Befreiungsamnestie, Bundesgesetz vom 6. März 1946 über die Einstellung von Strafverfahren, die Nachsicht von Strafen und die Tilgung von Verurteilungen aus Anlass der Befreiung Österreichs, Bundesgesetz­blatt Nr. 79/1946 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 192/47. (Abg. Dr. Gla­wischnig: Könnte man nicht Ihr Manuskript verteilen? Dann müssten Sie das nicht vorlesen!)

Durch diese auch heute noch unverändert in Kraft stehenden Gesetze sind die Un­rechtsurteile gegen Wehrmachtsdeserteure der NS-Zeit rechtlich aufgehoben und wurden die von diesen Urteilen betroffenen Personen rechtlich rehabilitiert. In diesem Sinne ist daher auch die vom Bundesministerium für Justiz vertretene Rechtsauffas­sung zu verstehen, wonach zusätzliche gesetzliche Regelungen zur Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren nicht notwendig sind.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang aber auch daran, dass sich der Nationalrat bereits seit mehreren Jahren mit dieser Problematik befasst und in diesem Zusammen­hang auch eine – in Ihrer Anfrage auch zitierte – Studie erstellt wurde, die mit folgender Feststellung schließt – ich zitiere:

„Da der österreichische Gesetzgeber die Frage der Beseitigung von Urteilen der NS-Militärjustiz bereits einer umfassenden Regelung zugeführt hat, erscheinen neue ge­setzliche Maßnahmen nach dem Vorbild des deutschen NS-Aufhebungsgesetzes nicht mehr erforderlich. Davon unberührt bleiben freilich allfällige politisch-moralische Akte zur weiteren Aufarbeitung dieser Problematik.“ – Zitatende.

Ich glaube in diesem Sinn, dass man gerade im Gedankenjahr 2005 diese Problematik nicht auf eine rechtliche Fragestellung reduzieren darf. Der Herr Bundeskanzler ist daher auch, um allfällige Zweifel an der Richtigkeit der geschilderten Rechtsauffassung zu beseitigen, mit dem Herrn Bundespräsidenten einer Meinung, dass es angezeigt wäre, Urteile der deutschen Kriegsgerichte gegen Deserteure durch einen symboli­schen Akt des Gesetzgebers im Sinne einer authentischen Interpretation außer Kraft zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Gleichzeitig sollte bei dieser Gelegenheit natürlich den Opfern der NS-Militärjustiz und ihren Familien die Hochachtung unserer Republik ausgesprochen werden.

Wie Sie natürlich wissen, wird dieser Fragekomplex derzeit auf parlamentarischer Ebe­ne behandelt und ist – wie ich höre – auf gutem Wege. Ich unterstütze diese Bemühun­gen ausdrücklich und erkläre meine Bereitschaft, die allenfalls benötigte Expertise des Bundeskanzleramtes in diese Verhandlungen einfließen zu lassen.

Zur Frage 9:

Die Dringliche Anfrage geht von einer Fehlinterpretation aus, wenn behauptet wird, dass im Sinne des Aufhebungs- und Einstellungsgesetzes sowie der Befreiungs­amnestie zur Aufhebung von Urteilen eine gerichtliche Entscheidung notwendig ist. Ich möchte überdies darauf verweisen, dass es sich bei § 7 der Befreiungsamnestie, wie sich auch aus der Erläuterung zu diesem Gesetz ergibt, ausdrücklich nicht um eine Amnestiebestimmung handelt. Dem Gesetzgeber der Befreiungsamnestie ging es nicht um einen – von den Betroffenen zu Recht als unzumutbar abgelehnten – kollektiven Gnadenerweis für die Verurteilten, sondern um ein klares Zeichen der Abgrenzung von einer Unrechtsjustiz, an deren Rechtsakte sich das wiedererstandene Österreich ge­rade in Fällen der Militärdelikte nicht mehr gebunden sah.

Zur eigentlichen Frage möchte ich darauf hinweisen, dass die in dieser Dringlichen Anfrage aufgeworfenen Fragen im Justizausschuss einer eingehenden Beratung unter­zogen werden und ich davon ausgehe, dass dort eine Initiative gesetzt wird, die einer­seits die Rechtswirkungen der genannten Gesetze eindeutig klarstellt und andererseits ein Symbol der Anerkennung des Unrechtes der NS-Militärjustiz ist.

Zur Frage 10:

Der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Justiz folgend wurden alle Un­rechtsurteile durch das Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 sowie durch die Befreiungsamnestie 1946 ex lege aufgehoben. Insofern unterscheidet sich, wie immer wieder verkannt wird, die österreichische Rechtslage deutlich von der deutschen. Abgesehen von der rechtlichen Situation stehe ich einer Anerkennung der Opfer des NS-Regimes einschließlich der Opfer der NS-Militärurteile positiv gegenüber.

Zur Frage 11:

Ich verweise auf die Beantwortung zur Frage 9, wonach ich davon ausgehe, dass im Justizausschuss entsprechende Schritte im Sinne der von den Anfragestellern inten­dierten Art beschlossen werden.

Zur Frage 12:

Zu dieser Frage möchte ich auf die Rechtsausführungen in der Studie von Thomas Grünewald, der im Zuge seiner Forschungen erst auf die bis dahin weitgehend un­bekannte Befreiungsamnestie 1946 gestoßen ist, verweisen. Grünewald führt darin unter anderem aus, dass die Befreiungsamnestie anders als das Aufhebungs- und Einstellungsgesetz Urteile der Militär- und SS-Gerichte ausnahmslos und vollständig beseitigt und damit auch die von diesen Gerichten mit verurteilten allgemeinen Straf­taten erfasst.

Zur Frage 13:

Wie ich bereits betont habe, sehe ich keine zwingende rechtliche Notwendigkeit, über die bestehenden Gesetze hinaus gehende legislative Schritte zu setzen, weil Professor Moos selbst schreibt, dass deutlicher hervortreten muss, dass den Gerichten nur die protokollarische Funktion zukommt, den Antragstellern zu bescheinigen, dass die fragliche Verurteilung kraft Gesetzes aufgehoben ist. Ich spreche mich aber selbst-


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verständlich für eine solche Verdeutlichung wie auch für einen symbolischen Akt der Anerkennung der Opfer der NS-Militärjustiz aus.

Zu den Fragen 14 bis 16:

Dazu ist mir wichtig, einleitend darauf hinzuweisen, dass das offizielle Österreich gerade in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen gesetzt hat, um sich der Mit­verantwortung für die Folgen der Zeit des Nationalsozialismus zu stellen. Ich erwähne dazu Maßnahmen der Kunstrestitution genauso wie den National- und den Versöh­nungsfonds sowie den Allgemeinen Entschädigungsfonds.

Im Sinne dieser sehr konsequenten politischen Linie der Bundesregierung meine ich daher, dass auch Deserteure aus der Deutschen Wehrmacht, die aus diesen Gründen zu Opfern der NS-Militärjustiz geworden sind, sowie deren Familienangehörige keine sozialrechtlichen Nachteile erleiden dürfen. Sollte es dazu noch Zweifel geben, so trete ich dafür ein, dass die für diese Fragen zuständige Sozialministerin solche Fälle einer Prüfung unterziehen und im Falle bestehender Benachteiligungen ehestens das zu de­ren Beseitigung Erforderliche veranlassen sollte. Ein solcher Schritt könnte, ohne dass ich mich in die diesbezüglich laufenden parlamentarischen Gespräche einmischen wollte, wohl auch durch eine parlamentarische Entschließung eingeleitet werden.

Zur Frage 17:

Ja. Ich werde für eine Anerkennung der Homosexuellen und der so genannten asozi­alen NS-Opfer und darüber hinaus auch der von Ihnen nicht erwähnten „Zwangssterili­sierten“ im Opferfürsorgegesetz eintreten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Zu den Fragen 18 bis 21:

Es ist richtig, dass der VfGH in Erkenntnis G213/01, V62/01, einzelne Bestimmungen des Volksgruppengesetzes beziehungsweise der Topographieverordnung aufgehoben hat. Die Bestimmungen wurden in den siebziger Jahren, genauer gesagt: 1976 und 1977, geschaffen.

Der Herr Bundeskanzler hat daraufhin unmittelbar Aktivitäten begonnen, um, dem Spruch des VfGH Rechnung tragend, einen verfassungskonformen und vor allem von allen Mitbetroffenen akzeptierten Rechtszustand herzustellen. Denn eine breite Akzep­tanz ist die Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben der Volksgrup­pen, wie es auch der Intention der Väter des Staatsvertrages entspricht.

Die Einberufung der Konsenskonferenz war von der Absicht getragen, diesen breiten Konsens zwischen den Vertretern der Minderheit, den Heimatverbänden und den Landtagsparteien herzustellen. Dieser erste Anlauf war im September 2002 wegen der fehlenden Zustimmung eines Volksgruppenvertreters letztlich nicht erfolgreich.

Zu Beginn des heurigen Jahres wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Sie verlaufen gut und sind von intensiven Beratungen in Kärnten selbst begleitet. Als ein konkreter Schritt soll nun in den Gemeinden ein direkter Informations- und Diskus­sionsprozess erfolgen.

Gleichzeitig ist beabsichtigt, als Zeichen des guten Willens aller Beteiligten die laut Topographieverordnung von 1977 noch fehlenden Ortstafeln vorab aufzustellen. Damit kommt es zum ersten Mal seit fast drei Jahrzehnten zur Aufstellung neuer zweispra­chiger Ortstafeln in Kärnten.

Die Aufstellung der ersten Ortstafeln erfolgte heute. Ein kurzfristiges Erscheinen im Parlament hätte dem Herrn Bundeskanzler die Möglichkeit genommen, an dieser staatspolitisch wichtigen Veranstaltung teilzunehmen. Ich bin mir sicher, dass seine


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Mitwirkung in Kärnten von allen hier im Hause vertretenen Parteien unterstützt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Maßnahmen, die nicht im Konsens ergriffen werden, son­dern quasi über die Köpfe von Gruppen vor Ort hinweg, würden den geschilderten Prozess nur erschweren. Das ist die Lehre, die wir aus den zum Teil gewaltsamen Ereignissen in den siebziger Jahren ziehen sollten.

Zu den Fragen 22 und 23:

Für Fragen der Rechtschreibung auf Verkehrsschildern besteht keine Zuständigkeit des Bundeskanzlers. Die zuständigen Gemeindebediensteten haben den Fehler natür­lich sofort erkannt und beseitigt.

Zu den Fragen 24 bis 26:

Wie schon ausgeführt, hat der Bundeskanzler im Rahmen der Konsenskonferenz alles unternommen, um eine breite Zustimmung aller Beteiligten zu erhalten. Dieser Dialog wird fortgesetzt.

Zur Frage 27: Nein.

Zu den Fragen 28 und 29:

Es ist ja völlig unbestritten, dass der Kärntner Abwehrkämpferbund oftmals hinsichtlich der Volksgruppenpolitik abweichender Meinung von jener der Volksgruppenvertreter ist. Die Meinungsfreiheit ist in Österreich allerdings garantiert. Dass diese Äußerungen des Abwehrkämpferbundes darauf abzielen, der kroatischen oder slowenischen Bevöl­kerung ihre Eigenschaft und ihre Rechte als Minderheit zu nehmen, ergibt sich meiner Meinung nach daraus aber nicht. Ich verweise insbesondere darauf, dass alle relevan­ten Kräfte und damit auch der Abwehrkämpferbund in die Konsenskonferenz eingebun­den sind.

Zu den Fragen 30 und 31:

Meiner Meinung nach entspricht es durchaus einer vernünftigen Vorgangsweise, wenn wir zuerst daran arbeiten, das Problem der Ortstafeln für Kärnten in einer konsensua­len Weise zu lösen. Das ist derzeit die hauptsächliche politische Herausforderung. Natürlich werden wir – im Sinne der für Kärnten gefundenen Lösung – dann auch die Topographieverordnung für das Burgenland erweitern.

Zur Frage 32:

In der Frage der Aufstellung zweisprachiger Wegweiser ist, da ja als Straßenerhalter in aller Regel die Länder fungieren, keine Kompetenz des Bundeskanzlers gegeben. Im Übrigen trifft es natürlich nicht zu, dass die zweisprachigen Ortstafeln im Burgenland unter dem Druck der EU-Sanktionen aufgestellt wurden. Dazu genügt ja schon der Hinweis, dass der Begutachtungsentwurf für die Topographieverordnung für das Bur­genland bereits vor dem Jahr 2000 in Begutachtung geschickt wurde. Die vom Herrn Bundeskanzler geführte Bundesregierung hat diesen Text in der Folge beschlossen und gemeinsam mit allen Beteiligten im Burgenland umgesetzt.

Zur Frage 33:

Nach den erkennbaren Bemühungen aller an der Konsenskonferenz Beteiligten be­steht die Absicht und auch die Hoffnung für eine baldige Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

15.47



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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Die Debatte wird von Herrn Abgeordnetem Dr. Pilz eröffnet. Herr Abgeordneter, Sie haben sich eine Redezeit von 8 Minuten gewünscht. Ich schalte Ihnen die Lampe auf 8 Minuten; gesetzlich ist Ihre Rede mit 10 Minuten begrenzt. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.47.27

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst kurz zum abwesenden Bundeskanzler: Natürlich ist es sein formales Recht, jeder Anfragebeantwortung, jeder Dringlichen Anfrage und jedem Dringlichen Antrag fern zu bleiben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) Der Nationalrat und das österrei­chische Parlament haben aber mehr als nur formale Rechte! Wir haben alle gemein­sam das Recht, politische Antworten vom Regierungschef und nicht immer von seinen Vertretungen zu bekommen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Freuen Sie sich doch! Er ist ohnedies Tafeln aufstellen!)

Wir haben lange angekündigt, dass wir bereits gestern diese Fragen stellen wollten.

Der Bundeskanzler hat sich beim Klubobmann der Österreichischen Volkspartei einen Dringlichen Antrag zur Wiederholung einer Kanzlerpressekonferenz bestellt. Das ist gestern durchgeführt worden. Auch das ist formal durch die Geschäftsordnung ge­deckt. Und ich verstehe die Menschen im Burgenland, die heute zu Recht das 60-Jah­re-Jubiläum feiern wollen. Aber ich habe kein Verständnis für einen Bundeskanzler, der sagt: Ich gehe lieber feiern in Eisenstadt, als im Nationalrat in Wien Fragen zu beant­worten. Der Platz von Bundeskanzler Schüssel wäre heute hier im Nationalrat! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Herr Staatssekretär, erklären Sie mir einmal die Rätsel der kanzlerischen Mobilität! Er ist Ihrer Ansicht nach zwar in der Lage, um 15 Uhr von Kärnten aus Eisenstadt zu erreichen, aber offensichtlich nicht in der Lage, Wien zu erreichen! Da muss in der Ver­kehrspolitik der Bundesregierung etwas uns bisher völlig Unbekanntes schief gegan­gen sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Dritte, was ich hier erwähnen möchte, ist diese neue Bestellkultur. Einen Tag bestellt sich der Bundeskanzler einen Dringlichen Antrag. – Dieser Wunsch wird erfüllt. Am anderen Tag bestellt er sich eine Rede an die Nation. – Auch das wird erfüllt! Was ist denn das für eine Bestellkultur, wo so genannte unabhängige Einrichtungen wie ein öffentlich-rechtliches Fernsehen auf der einen Seite und eine gesetzgebende Körper­schaft auf der anderen Seite auf Bestellung des Bundeskanzlers funktionieren?

Wie viel Anstand als Abgeordneter, Herr Mag. Molterer, wie viel Restanstand ist Ihnen noch verblieben, dass Sie auf jede Bestellung des Kanzlers losrennen und sagen: Dringliche Anfrage – Anruf bei Mück – dringende Rede an die Nation? (Ruf bei der ÖVP: Bei Ihren Dringlichen Anfragen ist nicht einmal der Klubobmann dabei! – Weitere Zwischenrufe.) – So, und jetzt Schluss: Wenn Wolfgang Schüssel es vorzieht, dem Nationalrat fernzubleiben, dann soll er daraus gefälligst einen Dauerzustand machen, indem er diese Regierung zum längst fälligen Rücktritt bringt und den Platz freimacht, nicht nur für heute, sondern für alle Zukunft! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt zum Thema Deserteure. – Meine Damen und Herren, insbesondere von der Österreichischen Volkspartei: Ein einziger Satz ist überfällig, und der heißt: Deserteure sind keine Kriminellen! Deserteure sind Menschen, die zum Teil hohes Risiko auf sich genommen haben und die zumindest eines erreicht haben: einen kleinen Beitrag zur Schwächung des nationalsozialistischen Verbrechensregimes zu leisten. Jeder dieser


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Deserteure hat das Nazi-Regime geschwächt, und das war für viele Menschen das Beste, was sie in dieser Situation tun konnten.

Bis heute wird ihnen nur Amnestie geboten. Amnestie ist nicht Anerkennung, Amnestie ist die Vergebung eines Verbrechens. (Abg. Scheibner: Da haben Sie dem Herrn Staatssekretär nicht zugehört!) Die Republik Österreich signalisiert mit dem Wort „Amnestiegesetz“ nach wie vor an die Deserteure und an viele andere: Wir vergeben euch eure Schuld (Staatssekretär Morak: Das stimmt nicht! – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), aber nicht: Wir erkennen an, dass ihr einen Beitrag zur Schwächung der verbrecherischen Wehrmacht und des verbrecherischen Nazi-Regimes geleistet habt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Bei anderen haben sich frühere Bundesregierungen leichter getan. (Abg. Brosz – in Richtung ÖVP und Freiheitliche –: Da hätten Sie auch klat­schen können!) So hat etwa während seiner Haft in Italien Walter Reder eine Rente als Kriegsopfer von der Republik Österreich bezogen. Über diesen Walter Reder hat 1985 der Kärntner Landeshauptmann – immer noch derselbe Kärntner Landeshauptmann – wörtlich erklärt:

Walter Reder war Soldat wie Hunderttausende andere auch. Er hat seine Pflicht erfüllt, wie es der Eid des Soldaten gebietet. – Zitatende.

Da gibt es Anerkennung, da gibt es eine Rente, da gibt es Geld – für einen Massen­mörder! Für einen Massenmörder, der für den Mord an tausend Widerstandskämpfern und Zivilisten und Zivilistinnen in der italienischen Ortschaft Marzabotto verantwortlich ist! Das wissen die Opfer des Nationalsozialismus, die wirklichen Opfer des Nationalso­zialismus: wer geehrt worden ist, wer eine Rente bekommen hat, für wen gesorgt wor­den ist und auf wen vergessen worden ist. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Das ist genau der Punkt, an dem längst eine Rehabilitierung, längst eine Entschuldi­gung, längst für die wenigen, die noch einen Anspruch selbst formulieren können, eine finanzielle – es ist ja nicht Wiedergutmachung –, eine kleine finanzielle Leistung der Republik nötig wäre. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Sie kennen die gel­tende Rechtslage nicht!)

Jetzt ganz kurz noch zu den Ortstafeln. – Heute wurde von Bundeskanzler Schüssel der Versuch unternommen, den Anteil der Ortstafeln, die der Verfassungsgerichtshof vorschreibt, um 0,8 Prozent zu erhöhen. Das ist die Gesamtleistung der österreichi­schen Bundesregierung zur Erfüllung des Staatsvertrages nach 50 Jahren Verfas­sungsbruch: 0,8 Prozent mehr! Ein Drittel dieser 0,8 Prozent wurde falsch geschrieben. Heute in der Früh, als bereits der Bundeskanzler dort war, mussten Beamte mit Klebe­bändern anrücken, um das Z mit einem Hatschek zu versehen. Das ist Staatsvertrags­politik im Jahr 2005! So ernst nehmen Sie es! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am Abend vorher gibt es einen kleinen lokalen Protest, und daraufhin sagt der Kärnt­ner Landeshauptmann den geplanten Festakt in Neuhaus ab, einfach so, weil – Herr Staatssekretär, auch Sie haben es bestätigt – jeder, der sich in Kärnten „Abwehrkämp­fer“ nennt, de facto ein Vetorecht hat. Was Sie Konsens nennen, ist nichts anderes als das Vetorecht für Ewiggestrige, und dieses Vetorecht für Ewiggestrige wird genutzt.

Wissen Sie, wer die Ewiggestrigen sind, die die Konsenskonferenz blockieren? – Nicht einmal mehr der Kärntner Heimatdienst, der Abwehrkämpferbund und die Ulrichsberg­gemeinschaft. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Meine letzte Bemerkung dazu – damit klar ist, dass es diesmal nicht nur um zwei frei­heitliche Parteien und um eine Österreichische Volkspartei geht –: Der Sprecher dieser beiden Organisationen, der Blockadeführer in der Frage Ortstafeln, heißt Rudolf Gal-


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lob, war Landeshauptmann-Stellvertreter (Abg. Mag. Molterer: Wem gehört der an?), Landesrat und ein führender Funktionär der Kärntner SPÖ.

15.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Das war Ihr Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

(Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Pilz.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. – Bitte.

 


15.56.12

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen! Hohes Haus! Diese Dringliche Anfrage hat damit begonnen, dass Frau Abgeordnete Glawischnig es zum Thema gemacht hat, dass der Herr Bundeskanzler sich heute in Kärnten befindet und dort Ortstafeln auf­stellt, um damit ein Symbol für etwas längst Überfälliges zu setzen (Abg. Mag. Stoi­sits: Er stellt nicht auf ...! – Abg. Dr. Glawischnig: Er ist im Burgenland! – weitere Zwischenrufe bei den Grünen), und dass er darüber hinaus am Nachmittag einen lange vereinbarten Termin im Burgenland wahrnimmt, dem jüngsten Bundesland Österreichs, das vor 60 Jahren als Erstes auch von den Kriegsereignissen überzogen worden ist und das am längsten und stärksten unter der Nachkriegssituation gelitten hat, weil am Eisernen Vorhang gelegen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Es ist befreit worden! – Abg. Dr. Pilz: Es ist befreit worden und nicht „überzogen worden“!)

Sie haben weiters beklagt, dass das offensichtlich nicht so dringlich ist und dass andere Fragen, wie etwa die Arbeitsmarktsituation, dringlicher seien. Da muss ich wirklich fragen (Abg. Dr. Pilz: Der einzige Arbeitsplatz, der hier interessiert, ist: Wo ist der Bundeskanzler?): Auf der einen Seite stehen Sie immer wieder auf und sagen Sie, es muss alles, was nur irgendwie möglich ist, getan werden; und wenn der Bundes­kanzler, wenn unsere beiden Fraktionen den gestrigen Tag zu einem Diskussionstag über das eminent wichtige Thema gemacht haben, dass alles getan wird, um jungen Menschen zur Arbeit zu verhelfen, dann sagen Sie: Das ist nicht dringlich!? (Abg. Dr. Glawischnig: Warum nicht heute?) – Beide Fragen sind wichtig, aber die Dringlich­keit, die ganz unmittelbare Dringlichkeit liegt zweifelsohne bei der Beantwortung der Frage (Abg. Dr. Glawischnig: Warum war es nicht möglich, gestern mit dem Bundes­kanzler zu diskutieren und heute ...?), wie man jungen Menschen Arbeit geben kann. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Dazu stehen wir auch. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Warum war es nicht möglich ...?)

Herr Staatssekretär Morak, ich bedanke mich bei Ihnen für die Worte, die Sie bei der Beantwortung dieser Anfrage gefunden haben. Mich hat das persönlich berührt. Das war klar und eindeutig und hat auch eine innere Überzeugung zum Ausdruck gebracht, die keinen Zweifel daran lässt, worum es uns geht (Abg. Dr. Grünewald: Dann tun Sie was!): dass wir all den Opfern des Nationalsozialismus unbedingten Respekt schulden, dass wir nicht nur an das, was in der Vergangenheit geschehen ist, denken müssen, sondern auch daran denken müssen, wie wir es verhindern können, dass Ähnliches – auch nur im Ansatz Ähnliches – in Zukunft jemals wieder passiert. Ich glaube, Sie haben das mehr als klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Daher möchte ich mich in weiterer Folge insbesondere mit dem ersten Punkt Ihrer Dringlichen Anfrage, die Ortstafeln betreffend, beschäftigen und dann selbstverständlich auch einige Worte zu den Opfern des Zweiten Weltkrieges sagen.

Was die Ortstafelfrage betrifft, habe ich mich als Nicht-Kärntner immer gefragt: Was macht dieses Problem und diese Frage in Kärnten offensichtlich so schwierig? – Frau Abgeordnete Stoisits ist hier von der Rednerbühne weggegangen mit dem Vorwurf, dass über 21 000 Tage vergangen sind, in denen ein Gesetz nicht erfüllt worden ist, in


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denen der Staatsvertrag nicht zur Gänze erfüllt worden ist. Das heißt, sie hat sich offensichtlich darauf bezogen, dass seit dem gescheiterten Versuch der Kreisky-Allein­regierung im Jahr 1977, diese Ortstafeln aufzustellen, noch immer nicht alle Bedingun­gen erfüllt worden sind.

Natürlich muss man sich die Frage stellen: Hat Kreisky versagt? War er ein unfähiger Politiker? Hat er das böswillig getan? Hat Sinowatz, hat Vranitzky, hat Klima nicht den Weg dazu gefunden, in dieser Frage Lösungen herbeizuführen? (Zwischenruf des Abg. Krainer.) – Ich glaube, man würde es sich da zu einfach machen. Ich glaube, dass sie alle den Willen hatten, eine Lösung herbeizuführen, und dass es offensichtlich ungeheuer schwierig ist, in dieser Frage einen Konsens herbeizuführen, der notwendig ist, wenn diese Lösung auch eine Verbesserung im Zusammenleben der unterschied­lichen ethnischen Gruppen mit sich bringen soll. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Ich möchte das ganz kurz wie folgt erklären, weil ich glaube, dass die Zuschauer auch ein Recht haben, dies zu wissen: Was kann der Hintergrund sein? – Der Hintergrund liegt wahrscheinlich darin, dass es fast genau 60 Jahre her ist, dass am 8. Mai 1945 in Klagenfurt, der Hauptstadt von Kärnten, jugoslawische Truppen einmarschiert sind und den südlichen Teil des Landes besetzt haben, nur 26 Jahre nach dem Ersten Welt­krieg, als zum ersten Mal eine Besetzung Klagenfurts durch jugoslawische Truppen stattfand, und 24 Jahre nach dem Zeitpunkt, als sich die Kärntner Bevölkerung in einer Volksabstimmung eindeutig für den Verbleib bei Österreich aussprach, und zwar in der Zone A, die mehrheitlich von einer slowenischsprachigen Bevölkerung bewohnt war: Diese hat für die Einheit des Landes gestimmt!

Natürlich geht es auch um die Frage, wie diese Urangst – wie sie selbst Kreisky bezeichnet hat – entstanden ist. Das war offensichtlich immer wieder der Gedanke in Kärnten: Wenn man das Gebiet großflächig und großräumig, in sehr vielen Ortschaf­ten, mit slowenisch klingenden Ortstafeln versieht, könnte im Ausland der Eindruck entstehen, dass es dort eine slowenische Mehrheitsbevölkerung gibt (Abg. Dr. Pirkl­huber: Wo leben sie heute?), und das könnte von Jugoslawien dazu genutzt werden (Zwischenrufe bei den Grünen), territoriale Ansprüche zu stellen, nachdem das im 20. Jahrhundert schon zwei Mal passiert ist. Egal, wie man dazu stehen mag, ob das wahrscheinlich ist oder nicht, offensichtlich stand das dahinter.

Aber das hat sich in der Zwischenzeit fundamental verändert! Spätestens seit 1991, spätestens seit dem Zerfall der jugoslawischen Republik und der Selbstständigkeit Slo­weniens stehen sich da zwei ungefähr gleich große Staaten gegenüber. Und spätes­tens seit dem Augenblick, in dem Slowenien Mitglied der Europäischen Union gewor­den ist, sodass es sich mit uns in einer politischen Union befindet, braucht in Kärnten und nirgendwo eine Person zu fürchten, dass es zu Ansprüchen territorialer Natur kommen könnte, die nicht berechtigt sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher bin ich auch vollkommen davon überzeugt, dass die Frage jetzt dazu reif ist, dass wir jetzt auch nicht mehr warten sollten, sondern dass wir zügig darangehen müssen – so wie heute die Aufstellung dieser 20 Tafeln erfolgt ist –, auch den weiteren Schritt zu setzen, weil es ja in unserem Bestreben liegen muss, den Menschen dort die Möglichkeit zu geben, ihre Kultur auch auszuleben, weil wir natürlich ein Interesse daran haben, dass das im Konsens geschieht, und weil wir wollen, dass sich die Volks­gruppen vertragen, dass mehr Verständnis, Toleranz und Akzeptanz entsteht, aber nicht das Gegenteil.

Ein kurzes Wort noch, weil die Redezeit gleich zu Ende ist, zum Thema Deserteure: Es wird meine Kollegin Fekter darauf eingehen, und sie wird Ihnen auch einen Antrag zur Kenntnis bringen, den die beiden Regierungsparteien verfasst haben, einen Antrag,


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der klar zum Ausdruck bringt, dass für uns der Respekt für alle Opfer des Nationalsozi­alismus ein ganz wichtiger Wert ist, wobei wir gar keinen Zweifel darüber lassen, dass es nicht einmal den Anflug des Anscheins geben darf, dass hier Missinterpretationen möglich sind.

Ich glaube, wenn wir offen an die Fragen herangehen, wenn wir uns dazu bekennen, klar und deutlich Stellung zu nehmen, und uns gleichzeitig auch dazu bekennen, dass nicht alles in einem Brei vermischt wird, sondern dass man zwischen Opfern und Tätern unterscheiden kann – auch das ist eine wichtige Frage –, dann werden wir eine wichtige Grundlage dafür gelegt haben, dass wir aus der Geschichte lernen können. Das müssen wir, spätestens im 21. Jahrhundert!

Wir müssen den Blick nach vorne richten. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzei­chen.) Wir müssen alles dazu tun, die Menschen nicht nur zu versöhnen, sondern sie dazu zu bringen, dass wir ein gemeinsames Europa aufbauen und dass wir aus der Geschichte für die Zukunft lernen. (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glocken­zeichen.) Dann haben wir die richtige Lehre gezogen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.04


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Schieder. Ge­wünschte Redezeit: 6 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.05.01

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die heutige Dringliche Anfrage ist eine wirklich dringende, und die Situation, die sie beschreibt, ist fast makaber: Mitten in den Feiern um 50 Jahre Staatsvertrag müssen wir noch darüber diskutieren, dass er von uns nicht zur Gänze und nicht in allen Bestimmungen erfüllt ist. 60 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur müssen wir darüber diskutieren, warum es noch immer keine öffentliche Anerkennung und Rehabilitierung jener ungehorsamen Soldaten gibt, die sich dem Regime verweigerten und dadurch einen Beitrag zum schnelleren Untergang dieses Regimes leisteten.

Dazu gibt es noch Kampl und Gudenus, die den Widerstand diffamieren und von de­nen einer wissenschaftlich erforschen lassen will, ob es überhaupt Gaskammern gege­ben hat. Ich glaube, dieses Parlament ist es sich, der Republik und der Welt in diesem Jubiläumsjahr schuldig, in all diesen Fragen klar Stellung zu beziehen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir finden es auch gut, dass in diesem Antrag an eine Forderung erinnert worden ist, die schon längst erfüllt sein sollte, nämlich die Anerkennung von homosexuellen und so genannten „asozialen“ NS-Opfern im Opferfürsorgegesetz und auch von Zwangs­sterilisierten.

Ich hoffe, dass es nicht der Fall ist – und ich nehme es auch nicht an –, dass der Herr Staatssekretär, indem er hier gesagt hat, dass er sich dafür einsetzen wird, nur eine persönliche Verwendungszusage gegeben hat, sondern dass er hier für den Bundes­kanzler geantwortet hat. Ich nehme also an, hier wird es ein Einsetzen in der Regie­rung geben, hier wird es eine Regierungsvorlage geben. Da die Materie nicht schwierig ist, freuen wir uns darüber und würden Sie bitten – da das in einem gewissen Zusam­menhang mit den Feiern steht –, sie, wenn möglich, noch vor dem Sommer dem Hause zuzuleiten. (Abg. Mag. Molterer: Da sind wir schneller!) Dann ist es gut, dann ist es umso besser. Wir werden ja sehen.

Hitlers Deserteure – wie vieles andere Furchtbare hat er schon in „Mein Kampf“ seine Haltung dazu klargestellt: Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben,


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schrieb er. Wer nicht gestorben ist, dem bleibt auch Jahrzehnte nach dem Ende Hit­lers, nach dem Ende der Nazi-Diktatur immer noch die Opferrolle versagt. Hans Rau­scher brachte es zu Beginn dieses Jahres in einem Kommentar auf den Punkt, als er schrieb: Jeder Soldat, der sich dem mörderischen Vernichtungskrieg des „Dritten Rei­ches“ durch Fahnenflucht entzog, sei es, weil er einfach überleben wollte – die große Mehrheit –, sei es, weil er zum Widerstand gehörte, hat eine achtenswerte Tat gesetzt.

Das soll nicht die Millionen abwerten, die einfach dabeigeblieben sind, weil sie es für ihre Pflicht hielten oder weil sie einen so radikalen und lebensgefährlichen Schritt nicht wagen wollten. Aber die Missachtung, ja der Hass, der den Deserteuren lange entge­gengebracht wurde, war immer falsch! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Beim Symposion „Widerstand in Österreich“ hier im Parlament forderte uns Bundes­präsident Dr. Heinz Fischer auf, nach den Menschen zu forschen, die ihren Glauben an andere Werte unter Gefahr ihres Lebens aufrechterhalten und oft auch mit ihrem Leben und dem ihrer Angehörigen bezahlt haben. Fischer hielt die Forderung für berechtigt, trotz der so genannten Befreiungsamnestie von 1946 alle Urteile der Wehr­machtsjustiz und vergleichbarer Sondergerichte wegen Desertion, Wehrdienstverwei­gerung, Fahnenflucht und Hochverrat durch einen demonstrativen Akt des Gesetz­gebers aufzuheben. – Meine Damen und Herren, wir sind der Gesetzgeber, der diesen Akt zu setzen hat!

Der Standpunkt des Bundesministeriums für Justiz und der Bundesministerin zu dieser Frage – und der heute größtenteils auch von Ihnen, Herr Staatssekretär, eingenommen wurde –, nämlich dass eine Rehabilitierung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen gar nicht mehr notwendig ist, da sie bereits im Jahre 1946 erfolgt sei, ist meines Erach­tens inhaltlich nicht haltbar, den noch lebenden Opfern nicht zumutbar und politisch nach den Äußerungen der beiden Bundesräte aus dem freiheitlichen Parteienspektrum nicht einmal mehr vertretbar. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Entschließungsantrag des Nationalrates aus dem Jahre 1999 spricht von einer Rehabilitierung, die bisher nicht erfolgt ist. Das unmittelbar nach dem Krieg beschlos­sene Gesetz mag ein ehrenhafter Gerechtigkeitsversuch gewesen sein, aber – wie Dr. Kohlhofer feststellte – eine Rehabilitierung war es nicht, denn Rehabilitierung ist die offizielle, öffentliche und individuelle Wiederherstellung der Rechte und auch der per­sönlichen Ehre der Opfer.

Im Übrigen wäre die Frau Justizministerin, wenn Sie bei Ihrer Haltung bleibt, zu fragen, warum sie denn dann – so wie auch ihre Vorgänger, und dazu zählen auch die meiner Fraktion – seit dem Jahre 1946 nicht tätig wurde und ihrer Verpflichtung zur amts­wegigen Aufhebung nicht nachgekommen ist. (Abg. Dr. Fekter: Böhmdorfer ist tätig geworden! Er hat einen ...!)

Meine Damen und Herren! Es ist höchste Zeit für einen Vier-Parteien-Antrag in dieser Sache. Wenn eine dieser vier Parteien – eigentlich müsste man jetzt sagen: vier Klubs; Parteien sind es ja wahrscheinlich mehr –, wenn einer dieser Klubs aus welchen Grün­den auch immer nicht wollte, dann ist die Sache zu ernst, als dass darauf Rücksicht genommen werden könnte. (Abg. Scheibner: Von was reden Sie überhaupt, Herr Kollege?)

Wenn die kleinere Regierungsfraktion nicht will, dann darf sich die größere Regie­rungsfraktion meiner Ansicht nach auch nicht mehr mit Rücksicht auf die Koalition so einem Antrag entziehen – in diesem Moment der Geschichte Österreichs, nach den Äußerungen dieser zwei Bundesräte. Bedauerlicherweise haben beide noch ihr Man­dat. Der eine hat eine Zurücklegung gar nicht angekündigt, der andere hat es ange­kündigt, wird sein Mandat aber erst am 2. Juni im Zuge einer Rochade, wie ich höre, zurücklegen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Glauben Sie nicht alles, was Sie hören, Herr


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Kollege Schieder!) Ich habe mich bei der Parlamentsdirektion erkundigt. Er hat es noch nicht formell zurückgelegt. Bedauerlicherweise haben beide noch immer ihr Mandat.

In dieser Situation sollte es aber meiner Meinung nach keine Koalitionserhaltungsrück­sicht mehr geben. So wie Sie es richtig gesagt haben: In dieser Frage darf man nicht parteipolitisch, sondern muss man staatspolitisch handeln. (Abg. Rossmann: In vielen Fragen sollte man staatspolitisch handeln!)

Wenn ein Klub nicht will, dann müssen es eben die drei anderen tun. Das erwarten wir von Ihnen, Herr Klubobmann Molterer, das erwarten wir vom Bundeskanzler Schüssel als Parteiobmann, und das erwarten wir auch von den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP.

In Deutschland ist die Rehabilitierung bereits erfolgt. Dort kämpft die Bundesvereini­gung der Opfer der NS-Militärjustiz in diesen Tagen nur mehr um einen Platz, wo sie für ihre Opfer die Blumen niederlegen können.

Ihre österreichischen Kollegen haben beides nicht: weder das Grabmal des unbekann­ten Deserteurs noch die Ehrenrettung. Der normale Staatsbürger würde sagen, dass es zum Schämen ist oder zum laut Schreien. Für die Regierung, Herr Staatssekretär, und für uns Parlamentarier besteht eine weitere Möglichkeit: Handeln wir! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.13


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


16.14.01

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Schieder, Sie haben in Ihrem letzten Satz gesagt, dass es zu handeln gilt. Das haben die Regierungsfraktionen heute gemacht, indem sie einen gemeinsamen Antrag zur in Diskussion stehenden Problematik eingebracht haben.

Ich glaube nicht, dass es gerechtfertigt ist, unkritisch allein die Haltung von Historikern als Haltung des gesamten Hohen Hauses zu übernehmen, denn das würde bedeuten, dass das österreichische Parlament nur mehr ausschließlich historische Dokumente umsetzen würde und nicht die Meinung der politischen Vertreter – der gewählten Volksvertreter – durchsetzen würde. Das wäre eine Haltung, die meiner Ansicht nach mit unserer Verfassung und mit unseren demokratischen Grundregeln nicht in Einklang zu bringen ist. Es handelt sich bei solchen Dokumenten um entsprechende Hilfs- und Unterstützungsdokumente für das Handeln des Parlaments, die aber nicht statt der Meinungen des Parlamentes betrachtet werden können.

Darauf lege ich als frei gewählter Abgeordneter in diesem Hohen Hause großen Wert. In der Demokratie macht nicht die Wissenschaft die Gesetze, sondern die gewählten Abgeordneten, und so soll es auch aus gutem Grund bleiben, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt gar nichts daran zu deuteln, dass nicht nur in den letzten Tagen, sondern auch in den vergangenen Jahren Äußerungen von manchen Amtsträgern in dieser Republik getätigt wurden, die inakzeptabel und für einen Demokraten nicht adäquat waren. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich komme auch aus einer Familie, in der Nationalsozialisten genauso zu finden waren wie Sozialdemokraten und Christlichsoziale. Es ist für mich daher keine Frage, klar zwischen jenen zu unterscheiden, die unter dem falschen Glauben an die Diktatur


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unter Umständen auch 1938 am Heldenplatz gestanden sind, und jenen, die heute – 60 Jahre nach Kriegsende – noch immer nicht gelernt haben, was Demokratie und demokratische Gesinnung ist. Dieser Unterschied ist wichtig, dieser Unterschied ist entscheidend, und dieser Unterschied sollte auch der Grundkonsens für alle politischen Handlungen des österreichischen Parlaments heute und in Zukunft sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht aber auch nicht an, dass man Handlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, einfach negiert; dass man zum Beispiel einfach negiert, dass das Sozialministerium in den letzten fünf Jahren – davon habe ich viereinhalb Jahre die Ehre gehabt, das Sozialministerium zu führen – keinen einzigen Fall, der an uns herangetragen worden ist und der für eine Berücksichtigung gemäß dem Opferfürsorgegesetz in Frage gekommen ist, abgelehnt hätte.

Das ist eine grundsätzlich andere Haltung als die, die Amtsvorgänger – etwa der Sozi­aldemokratie in der Zeit vor der Regierung Schüssel I – an den Tag gelegt haben.

Ich glaube daher, dass es sehr wohl auch ansteht, in dieser Situation und in dieser Dis­kussion nicht zu verschweigen, dass die Gesetze, die 1945, 1946 und 1947 vom ersten frei gewählten, demokratischen österreichischen Parlament der Zweiten Republik beziehungsweise vom provisorischen Parlament beschlossen worden sind, richtungs­weisend für die Erledigung der Problematik waren, mit der wir heute beschäftigt sind.

Als Österreicher kann man auch nicht übersehen, dass Österreich bereits zu einem Zeitpunkt begonnen hat, die dunklen Stunden unserer Vergangenheit und die Verbre­chen des Nationalsozialismus aufzuarbeiten, als man in der Bundesrepublik Deutsch­land dazu nicht bereit war, und dass auch die Anzahl der in Österreich durch die Volksgerichte Verurteilten in der Relation zur Bevölkerung bedeutend gewichtiger ist als die der Verurteilungen, zu denen es in der Bundesrepublik Deutschland aus dem gleichen Grund gekommen ist.

Es ist auch nicht zu übersehen, dass sehr viele, die in der damaligen Zeit Spitzenfunk­tionen – auch in den Tötungsmaschinerien der Nazis – innegehabt haben, durch demo­kratische Parteien – und die Sozialdemokratie hat das ja für ihre Partei erst jüngst aufgearbeitet – Schutz bekommen haben.

Für mich als Jugendminister waren und sind die Ereignisse am Spiegelgrund eine Tra­gödie besonderer Art. Für mich ist und war es auch immer eine besondere Tragödie, weil ich als kleines Kind, als mein Vater im Landesnervenkrankenhaus Hall war, noch bewusst erleben durfte, wie die damalige Bevölkerung behinderten Kindern noch immer unter dem Eindruck der Indoktrinierung des Dritten Reiches gegenübergestan­den ist. Es war gut, dass alle, die damals verstorben sind, obduziert werden mussten, um Übergriffe – versteckte und nicht versteckte – aufzuklären und ahnden zu können.

Unsere Demokratie ist einen langen Weg gegangen. Auf diesem langen Weg haben wir schmerzliche Auseinandersetzungen in den Familien, zwischen den Familien, zwi­schen den Generationen und innerhalb der Generationen mitmachen müssen.

Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass das Handlungspaket, das heute hier von Seiten der beiden Regierungsparteien auf den Tisch gelegt wird, ein gutes Paket ist, das wir dann bestmöglich als Vier-Parteien-Einigung umsetzen können und wollen.

Ich bin aber auch der Meinung, dass nicht ausschließlich die Fragen der Vergangen­heit auch die Fragen der Zukunft dieses Staates sein können, denn auch die ältere Ge­neration hat ein Anrecht darauf, dass es als Fortschritt anerkannt wird, wenn sie sich zu Demokraten gewandelt hat, und dass nicht immer nur die Anfänge ihrer Existenz in den Vordergrund gestellt werden, sondern dass auch ihre demokratische Weiterent-


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wicklung und bei vielen auch die demokratische Gestaltung unserer Zweiten Republik mitberücksichtigt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube daher, dass wir heute tatsächlich ein ernstes Thema behandeln, das – wenn ich auch die Kärntner Volksabstimmung und den Staatsvertrag mitbetrachte – in vielen Punkten übererfüllt ist. (Abg. Mag. Posch: In welchen Punkten?) Es ist eigentlich schade, dass die grüne Fraktion in ihrer Anfrage nicht auch die Übererfüllung des Staatsvertrages mit in die Waagschale der Diskussion geworfen hat.

Ich habe mit meinem Ministerium – im Unterschied zu meinen Vorgängern – für die zweisprachigen Schulen mit der Bedingung, dass beide – die slowenischsprachige und die deutschsprachige Kindergartenhelferin beziehungsweise Kindergärtnerin – ange­stellt sein müssen, einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, eine Befriedung in das System zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube daher, dass es nicht gerechtfertigt ist, davon zu sprechen, dass nichts geschehen ist. Ich glaube auch nicht, dass es gerechtfertigt ist, zu verschweigen, dass wir im Rahmen der Tätigkeit meines Ministeriums mit all den Aufrufen, die wir in den Zeitungen der Opferverbände in den letzten vier Jahren gemacht haben, von den heute in Diskussion stehenden beiden Opfergruppen keine einzige Meldung bekommen ha­ben.

Ich halte es auch nicht für gerechtfertigt, dass verschwiegen wird, dass meine Beam­ten, die hier kritisiert worden sind, die Weisung bekommen haben, jeden Hinweis als amtliche Vorstellung und als amtlichen Antrag zu betrachten und zu erledigen. Ich glaube, die Regierungen Schüssel I und Schüssel II haben in dieser Frage eine gute Haltung bewiesen.

Wir haben Dinge abgehandelt und erledigt. Wenn ich an die Frage der Zwangsarbeiter denke, an die Frage der Kriegsgefangenen, an die Frage der Emigranten und deren Zurückholung, wenn ich mir die Briefe vergegenwärtige, die die Emigranten an unsere Fonds geschrieben haben, dass es endlich – 40, 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und ihrer Vertreibung aus der Heimat – auch symbolische Akte im pekuniären Bereich gegeben hat, so glaube ich, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir einen guten Fortschritt auf dem Weg zur Demokratie gemacht haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube weiters, dass wir als demokratisch ge­wähltes Parlament auch in der Lage sein werden, die eine oder andere nicht akzep­table Leistung gemeinsam zu bewerten und auch gemeinsam so abzuhandeln, wie die Meinungsumfragen in unserer Gesellschaft es zeigen: 92 Prozent der Österreicher sind befreit worden, und 8 Prozent meinen noch immer, dass sie beim Ende des Zweiten Weltkrieges eine Niederlage erlitten haben. Ringen wir darum, dass die 8 Prozent auch endlich befreit werden! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. 7 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.24.17

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Kollege Haupt, ich darf Ihnen jetzt, da Sie darauf hingewiesen haben, dass im Sozialministerium kein Fall zurückgewiesen wurde, Folgendes zur Kenntnis bringen. – Der Genauigkeit halber lese ich Ihnen das vor:

Und Gnade wird nicht jedem zuteil: Der ehemalige „Schlurf“ 1 Franz P. war Ende 1943 wegen Fahnenflucht zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden und hatte über ein


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Jahr in Neu-Sustrum, einem der gefürchteten norddeutschen Moorlager, verbracht, bevor er Anfang 1945, auf 36 Kilo abgemagert, als Kanonenfutter der Bewährungstrup­pe 500 zugeteilt wurde, einer Einheit, deren Mannschaften ausschließlich aus militär­gerichtlich verurteilten Soldaten bestanden.

Am 24. November 2004 stellte der pensionierte Bundesbahner einen Antrag auf Amts­bescheinigung und Opferfürsorge; nur eine Woche später, einen Tag vor seinem 80. Geburtstag, erhielt P. eine Antwort von der Behörde. Diese konnte in P.s Leidens­geschichte keine – ich zitiere – „Haft aus politischen Gründen“ erkennen, und da sich – ich zitiere – „weder die gesetzlichen Bestimmungen noch die Sachlage seit der letzten Entscheidung geändert haben,“ – P. hat bereits 1989 vergeblich um Opferfürsorge angesucht – „war der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen“.

Das war in Ihrem Ministerium, Herr Kollege Haupt! Ich kann Ihnen auch den Bescheid vorlegen: Wien, 2. Dezember 2004. Ich zitiere nochmals: „Da sich weder die gesetzli­chen Bestimmungen noch die Sachlage seit der letzten Entscheidung verändert haben, war der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.“

Das sind Tatsachen, Herr Kollege, und das ist auch ein Grund, warum wir heute hier und jetzt leider noch immer zwei unaufgearbeitete Kapitel dieser Republik diskutieren müssen – heute, am 12. Mai, heute im Jahr 2005! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen auch noch ein anderes Zitat präsen­tieren, denn es waren nicht nur Deserteure; es waren nicht nur Menschen mit Behinde­rung; es waren nicht nur sozial Diskreditierte; es waren auch Menschen mit homo­sexuellen Neigungen, die bis heute nicht rehabilitiert worden sind.

Ich darf Ihnen aus dem „Kurier“ vom 4. Mai zitieren:

„Obwohl meine Vorstrafe durch die Wehrmachtsamnestie getilgt war, ist mir die Wie­dereinstellung in den Finanzdienst verweigert worden. (...) Am meisten schmerzt mich, dass ich die beiden Jahre in Haft für meine Pensionsanrechnung nachkaufen musste. Andere Ex-Gefangene hatten dieses Problem nicht.“ – Das sagt Herr Erwin Wid­schwenter in einem „Kurier“-Interview.

Auch das ist eine Tatsache: Menschen die wegen ihrer anderen sexuellen Orientierung inhaftiert waren, haben Schwierigkeiten mit der Pensionsanrechnung und sind heute nach wie vor diskreditiert. Das ist unser Problem, dem wir uns politisch stellen müs­sen und für das wir politisch eine Antwort brauchen.

Herr Staatssekretär Morak, Sie haben einiges in Aussicht gestellt, aber die politische Antwort sind Sie uns schuldig geblieben, denn die politische Antwort heißt eine Rehabi­litierung und heißt weg von Amnestie, vom Gnadengedanken hin zum Rechtsanspruch, hin zum Rechtsgedanken. (Beifall bei den Grünen.)

Diesen Schritt – diesen politischen Schritt! – sind wir nicht nur uns persönlich schul­dig, sondern auch der zukünftigen Generation. In all diesen Festansprachen wurde ja immer wieder der Hinweis genannt: lernen und nie wieder. Heute Vormittag haben wir über Schulreformen und über Anliegen der zukünftigen Generation diskutiert. Wir müs­sen auch Sachverhalte schaffen und politische Bekenntnisse ablegen, die einen ge­wissen Vorbildcharakter haben, die endlich einen Schlussstrich unter die negativen Kapitel der Vergangenheit ziehen und die endlich Rechtssituationen klarstellen und nicht Gnadensituationen fortdauern lassen.

Herr Staatssekretär, darum lasse ich die Verlesung der Meinung des Herrn Bundes­kanzlers nicht unwidersprochen im Raum stehen. Darum fordere ich wieder und noch­mals: Lassen Sie wirklich Recht ergehen – Recht vor Gnade und nicht umgekehrt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Wir müssen auch noch in anderer Hinsicht endlich Recht geben: Es ist für mich beschämend, dass wir die Staatsvertragsverpflichtung noch immer nicht eingehalten haben. Herr Kollege Fasslabend! Sie haben sich wahrscheinlich nicht richtig erkundigt: Es geht um zweisprachige Ortstafeln in Kärnten. Es geht nicht um slowenischspra­chige Ortstafeln. Die Staatsvertragsverpflichtung sieht zweisprachige Ortstafeln vor, und diese Verpflichtung haben wir bis jetzt nicht eingehalten und sind insofern als Republik rechtsbrüchig!

Wieso soll ich dann der künftigen Generation, Schülerinnen und Schülern immer wie­der Pflichttreue vermitteln? Heute Vormittag war es ja klar, dass Sie zum Beispiel, genauso wie Sie (in Richtung SPÖ), den Schülern eine Werthaltung abverlangen, die da heißt: Pflichttreue. Ich sage Ihnen: Es ist Pflicht hier und heute, jetzt endlich ein poli­tisches Zeichen zu setzen und endlich eine Rehabilitierung von Deserteuren, von Homosexuellen und von anderweitig Verfolgten vorzunehmen. Es ist unsere Pflicht – und das verstehe ich unter Pflichttreue – und es ist eine Frage der Ehre und es ist eine Frage der Redlichkeit. Bitte, stellen Sie sich dieser Frage und machen Sie das nicht zu einer Koalitionsfrage. Drei sind genug! (Beifall bei den Grünen.)

16.30


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Fek­ter. Auch sie wünscht 7 Minuten zu sprechen. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


16.31.07

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der unter­schiedlichen Tonlage kann ich doch erkennen, dass diese Dringliche Anfrage der Grü­nen beweist, dass Oppositions- und Regierungsfraktionen darin weitgehend überein­stimmen, dass politische Anliegen, die geschichtlich geprägt sind, im Gedankenjahr einer Lösung zugeführt werden sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gehe davon aus, dass – so wie die Mehrheit in diesem Hause – auch die Oppo­sition an Lösungen und Ergebnissen orientiert ist. Daher habe ich mich persönlich auch über die zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln gefreut, und mir war es allemal recht, dass der Herr Bundeskanzler dort dabei war, um zu signalisieren, dass es der Bundes­regierung ein Anliegen ist, hier etwas weiterzubringen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mandak: Sind Sie zufrieden mit drei Ortstafeln?)

Nein, Frau Kollegin, ich bin selbstverständlich noch nicht zufrieden, es ist erst einmal der erste Schritt. Begrüßenswert ist aber, dass diese neuen Tafeln in Gemeinden auf­gestellt wurden, wo SPÖ-Bürgermeister regieren. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die sind zum Teil ja dagegen!) Das heißt, hier ist sehr wohl ein Konsens erkennbar, und genau um diesen Konsens haben wir uns immer bemüht, und solange er nicht vorhanden ist, soll man nichts vom Zaun brechen. Wir haben in den siebziger Jahren erlebt, dass das dem Land nicht gut tut.

Zur Rehabilitierung von NS-Opfern: Wir haben vor dieser Dringlichen einen Antrag eingebracht, und mir obliegt es jetzt, unsere Position dazu zu erläutern. Dieser Antrag betrifft ein Bundesgesetz, in dem wir dezidiert die Leistungen des Widerstandes aner­kennen und in dem wir noch einmal auf die geltende Rechtslage und deren explizite Rechtswirkung hinweisen.

Ich meine, dass die Debatte heute gut ist, um die geltende Rechtslage wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen, denn in der Dringlichen Anfrage ist uns ja vorgeworfen worden, dass sie nicht im Bewusstsein der Bevölkerung ist. Ich meine auch, dass es gerechtfertigt erscheint, dass man das noch einmal bekräftigt. Gleich­zeitig meine ich aber, dass es im heurigen Gedenkjahr notwendig ist, das Opferfürsor-


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gegesetz zu ändern, dass man den Opferbegriff ausweitet, und zwar insbesondere um jene, die Opfer geworden sind wegen ihrer sexuellen Orientierung, wegen vorgewor­fener Asozialität, wegen medizinischer Versuche, die man mit ihnen angestellt hat, und wir müssen auch jene berücksichtigen, die man einer Zwangssterilisation unterworfen hat.

Es ist notwendig, dass wir – wie in anderen Gedenkjahren – auch diesen Opfern noch einmal eine Zuwendung zukommen lassen. Es sind ja ohnehin nicht mehr sehr, sehr viele am Leben. Daher hat unser Antrag drei Artikel: Den Artikel bezüglich der Beseiti­gung nationalsozialistischer Unrechtsakte, die Änderung des Opferfürsorgegesetzes und ein Bundesgesetz, mit dem wir Befreiungs-Erinnerungszuwendungen gewähren wollen, so wie wir es auch 1988 und 1982 getan haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rehabilitierung von NS-Opfern beschäf­tigt uns ja bereits seit 1999. Damals haben wir, angeregt durch eine deutsches Gesetz, auch geglaubt, wir bräuchten ein ähnliches Gesetz wie die Bundesrepublik. Nach der Studie, die wir in Auftrag gegeben haben – das hat Kollegin Stoisits ja eindeutig erläu­tert –, waren wir alle überrascht, dass bei uns eine andere Rechtslage gegeben ist. Die bestehende Rechtslage hat Staatssekretär Morak ausgeführt. Nach dem Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 gelten Verurteilungen von Österreichern wegen Hoch- und Landesverrats oder nach der Kriegssonderstrafrechtsverordnung als nicht erfolgt, wenn die Handlungen gegen die nationalsozialistische Herrschaft oder auf die Wieder­herstellung eines unabhängigen Staates Österreich gerichtet waren. Das waren die politischen Urteile. Aufgehoben wurden damals auch ex lege alle Verurteilungen, die nach taxativ angeführten Gesetzen ergangen sind. Die dazu erlassene Verordnung erweiterte die Anwendbarkeit der Aufhebung. Es ist so, dass ein eigenes Gerichtsurteil, das das feststellt, nicht mehr notwendig ist.

Da heute immer wieder diese Differenzierung zwischen Amnestie und Rehabilitation angesprochen wurde, möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass es sich beim § 7 der Befreiungsamnestie nicht um eine Amnestiebestimmung handelt. Das hat der historische Gesetzgeber in den Erläuterungen bereits eindeutig ausgeführt. Er hat damals bereits angeführt, dass es dem Gesetzgeber nicht um eine Amnestie im klas­sischen Sinne geht, um keinen kollektiven Gnadenerweis, sondern um ein klares Zei­chen der Abgrenzung von einer Unrechtsjustiz, an deren Rechtsakte sich das wieder erstandene Österreich gerade in den Fällen der Militärdelikte nicht mehr gebunden sah. – Ich habe hier zitiert.

Wir sollen schon in einem Gesetz noch einmal explizit auf diesen Willen des histori­schen Gesetzgebers hinweisen und in einem Akt hier im Parlament den Opfern derarti­ger Unrechtsurteile, den Personen im österreichischen Widerstand, den Vertriebenen sowie deren Familien Achtung und Mitgefühl aussprechen. Ich lade alle Fraktionen dieses Hohen Hauses ein, hier gemeinsam an einem Konsens zu arbeiten.

Ich habe den Oppositionsjustizsprechern unseren Antrag bereits übergeben. Wir haben Zeit bis zum 1. Juni, an dem ein Justizausschuss stattfinden wird. Ich bitte um einen ehestmöglichen Gesprächstermin, und ich meine, wir sollen den Konsenspfad, den wir in der Aufarbeitung der Geschichte immer beschritten haben, nicht verlassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.38


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Einem. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.38.42

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Erlauben Sie mir zunächst einen Satz zum Thema Ortstafeln in


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Kärnten. Man sollte klar sagen: Es ist natürlich in höchstem Maße wünschenswert, die Rechtsunterworfenen oder die Beteiligten, im Fall Kärnten alle Beteiligten, an einen Tisch zu bekommen, um eine Lösung zustande zu bringen. Das bestreiten wir nicht. Wir müssen aber auch sehen, dass wir Recht nicht ausschließlich davon abhängig machen können, ob diejenigen, die es nicht wollen, vielleicht doch bereit sind, es zu akzeptieren. Es gibt dann irgendwann einmal einen Punkt, an dem man beginnt, den Rechtsstaat als solchen in Frage zu stellen, und dieser Punkt ist nahe. Daher sollten wir hier zu einer Lösung kommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, Bezug nehmen auf das, was wir gestern hier in diesem Hohen Haus beschlossen haben. Wir haben gestern die EU-Verfassung nahezu einstimmig ratifiziert, und diese Verfassung – und das ist von allen Rednern, die zum Inhalt der Verfassung gesprochen haben, zum Ausdruck gebracht worden – zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr, sehr stark auf Werten basiert, auf Werten, die uns in Europa über die Staatsgrenzen hinweg gemeinsam sind. Es sind Werte wie Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Per­sonen, die Minderheiten angehören.

Warum, meine sehr geehrten Damen und Herren, spreche ich das an? – Weil wir dar­auf achten müssen, konsistent zu bleiben in dem, was wir in diesem Hohen Hause tun und beschließen. Wir können uns nicht an einem Tag vollmundig zu den Werten, auf denen Europa basiert, bekennen und am nächsten Tag da Zweifel zulassen.

Ich möchte Ihnen ein hypothetisches Beispiel vorführen. Die Frage ist: Wie würden wir das Handeln von Menschen beurteilen, die diesen Werten verbunden sind und ge­zwungen werden, in eine Armee einzutreten, die andere Länder überfällt und ver­wüstet? Wie würden wir das Verhalten von Menschen beurteilen wollen, was würden wir uns wünschen, wie diese Menschen handeln, wenn die Armee, in die sie gegen ihren Willen eingezogen werden, zwangsweise eingezogen werden wie alle, wenn diese Armee die Menschenrechte mit Füßen tritt? Und wie würden wir wollen, dass Menschen sich verhalten, wenn diese Armee nicht ihre eigene Armee ist, sondern es außerdem noch eine Okkupationsarmee ist, die Armee eines Landes, die das eigene Land besetzt hat und in die dann – in dem Fall Österreicher – eingezogen und zum Militärdienst gezwungen sind, wie würden wir wollen, dass die sich verhalten? – Natür­lich ist die spannendere Frage die, wie wir uns vorstellen, dass eine Diktatur von An­fang an vermieden und verhindert wird. Überhaupt gar keine Frage! Aber was ist, wenn der Punkt erreicht ist? Was ist dann? Sind wir dann der Meinung, diese Menschen, die in diese Armee eingezogen werden, sollen die Zähne zusammenbeißen und ihren Dienst ableisten – egal, was sie sehen, egal, welche Rechtsbrüche sie im Namen eines diktatorischen und verbrecherischen Regimes mit begehen müssen? Oder sind Sie bereit anzuerkennen, dass es notwenig sein kann, hier anders zu handeln?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass es heute offenbar auch von den Regierungsparteien eine Initiative in die richtige Richtung gibt. Ich möchte das gar nicht verschweigen. Ich denke jedoch, wir sollten nicht nur in Bezug auf die Ver­gangenheit agieren und überlegen, sondern es muss uns klar sein – da hat Kollegin Moser vollkommen Recht gehabt –, dass wir eindeutige Signale senden müssen. Wir dürfen nicht nur an Tagen wie gestern von den Werten, auf denen Europa beruht, reden, sondern es muss uns auch klar sein, dass wir den Maßstab, den wir gestern angelegt haben, auch heute gültig sein lassen wollen. Und das heißt, dass wir denen, die diesem Maßstab entsprechend gehandelt haben, auch deutlich machen müssen, dass sie zu den Opfern zählen und nicht zu den Tätern, und daher müssen wir ihnen auch etwa im Rahmen der Anerkennung im Rahmen des Opferfürsorgegesetzes den


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notwendigen Respekt erweisen. In diesem Sinne bin ich sehr für eine Lösung, auch wenn sie jetzt spät zustande kommt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. Seine Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.43.37

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Ich möchte daran erinnern, dass Frau Abgeordnete Stoisits zu Beginn ihrer Aus­führungen gesagt hat: Wer schweigt, stimmt zu.

Das stimmt nicht im juristischen Sinn, das stimmt aber sicherlich im politischen Sinn: Es gibt Situationen, in denen man entsprechend reagieren muss. Und ich denke, dass man dem, was Sie, Frau Abgeordnete, gesagt haben, grundsätzlich entgegenhalten kann und auch muss, dass sich die Republik Österreich, die Zweite Republik, nicht verschwiegen hat in Bezug auf die Gräuel des Nationalsozialismus, sondern dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um diese Verbrechen vergessen zu machen, zu bekämpfen, wieder gutzumachen, was nicht bedeutet, dass nicht noch einiges, das eine oder andere, weiterhin zu tun wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt jedoch einen Grundkonsens in diesem Land, und der lautet, dass die Verbre­chen des Nationalsozialismus einhellig und ohne jeden Abstrich abgelehnt werden, dass sie verabscheut werden und dass man sich gemeinsam bemüht, Wiedergut­machung zu leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Sie daran erinnern, dass sich die drei Weisen in unserem Lande im Jahr 2000 auch für diese Frage interessiert haben, und ich habe ihnen im Namen des Justizminis­teriums eine Dokumentation darüber vorgelegt, was in Österreich bereits geschehen ist in puncto Wiedergutmachung. Die waren sehr erstaunt. Es war auch ein deutscher Hochschulprofessor dabei, der die deutsche Rechtslage sehr genau kennt, der Herr Professor Frowein, und auch er hat zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir viel, viel mehr getan, als die Deutschen gewusst haben, und vielleicht sogar mehr, als die Deut­schen selbst getan haben. Es soll hier kein Wettbewerb stattfinden, das möchte ich schon sagen, aber was wir tun konnten, haben wir immer getan, und, Frau Abgeord­nete, wir haben uns hier nie verschwiegen.

Wir haben allen Grund – das möchte ich jetzt auch einmal sagen, denn das ist bisher untergegangen –, stolz auf unseren Gesetzgeber zu sein, der wenige Monate nach der Geburtsstunde der Zweiten Republik bereits das Aufhebungs- und Einstellungsge­setz 1945 beschlossen hat. Zunächst unerkannt war in diesem Aufhebungsgesetz auch die „Befreiungsamnestie 1945“ enthalten.

Ich gehe auf das ein, was Sie, Herr Dr. Pilz, gesagt haben. Ich gebe Ihnen natürlich zum Teil begrifflich-inhaltlich Recht. Diese Befreiungsamnestie – das erste Wort stellt Sie völlig zufrieden, das zweite nicht – hat den Schönheitsfehler, dass darin das juris­tische Wort „Amnestie“ vorkommt. Frau Dr. Fekter hat das schon gesagt. Ich füge aber hinzu, dass – und das ist wieder rein juristisch – es in Österreich nicht darauf ankommt, welche Überschrift ein Gesetz oder ein Paragraph trägt, sondern wie es inhaltlich gestaltet ist. Und diesen zweiten Teil, der zur Vollständigkeit gehört – und zur Wahrheit gehört die Vollständigkeit –, haben Sie dem Hohen Hause nicht mitgeteilt, dass näm­lich inhaltlich ex lege in diesem Gesetz rückwirkend alle Urteile der NS-Militär- und der SS-Gerichtsbarkeit aufgehoben wurden. Aufgehoben wurden!

Es ist richtig, dass prinzipiell bei einer Amnestie im Sinne der österreichischen Rechts­sprache, die bis in die Verfassung reicht, diese Aufhebung von Verurteilungen nicht


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stattfindet. Im vorliegenden Fall ist aber auch eine politische und rechtliche Rehabilitie­rung in diesem Befreiungsamnestiegesetz 1946 enthalten, und das mögen Sie bitte endlich zur Kenntnis nehmen. Sie sind hier im Unrecht, wenn Sie so tun, als ob der Gesetzgeber hier einen Fehler gemacht hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und diesen Fehler macht auch Professor Moos, der einen Entwurf vorlegt, der an­geblich eine Lücke schließen will. Ihr Professor Moos legt einen Entwurf vor, und da schauen Sie jetzt einmal genau hin, Frau Abgeordnete Stoisits, der so tut, als ob es sich um eine Erstregelung handelte. Eine solche gesetzliche Beschlussfassung wäre keine Erstregelung. Wenn man in der Begründung seines Entwurfs nachliest, kann man das, wenn man es weiß, erkennen. Es ist der Entwurf des Professors Moos aber jedenfalls keine Erstregelung. Professor Moos negiert mit seinem Entwurf, in dem er übrigens die deutsche Regelung von 1998 abschreibt, dass schon 1946 der österrei­chische Gesetzgeber die Befreiungsamnestie beschlossen hat, und zwar mit der ex lege rückwirkenden Aufhebung der Urteile. Es ist schade, dass Herr Abgeordneter Schieder, der nicht mehr hier ist, um 16:06 Uhr – nur um die Recherche zu erleich­tern – gesagt hat: „Noch immer“ gibt es „keine öffentliche Anerkennung und Rehabilitie­rung“. Das stimmt eben nicht. Auch in Ihrer Antragsbegründung steht es unrichtig. Da steht drinnen: „Im Österreich der Zweiten Republik gibt es bis heute keine öffentliche Anerkennung für jene ungehorsamen Soldaten, die sich der mörderischen Kriegsfüh­rung des NS-Regimes verweigerten ...“ – Das stimmt nicht, Frau Abgeordnete, und es ist schade, dass der zentrale Satz Ihrer Begründung nicht richtig ist.

Wie ist das zu erklären? Am 14. Juli 1999 hat es eine Entschließung des Nationalrates gegeben, und das Institut für Staatswissenschaften hat festzustellen gehabt, wie viele Deserteure verurteilt wurden. Das ist geschehen. Diese Meldung ist in der Folge mit dem Auftrag an das Justizministerium gegangen, legistische Maßnahmen zu setzen. Bei Erfüllung dieses Auftrages ist hervorgekommen, dass ein in Vergessenheit gerate­nes Gesetz, nämlich das Befreiungsamnestiegesetz 1946 existiert und dieses ex lege mit einer politisch-moralischen Verurteilung alle Urteile gegen Deserteure aufgehoben hat. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

Nun zur Abwesenheit des Herrn Bundeskanzlers: Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie meinen, dass er hier absichtlich fernbleibt, denn er hätte allen Grund gehabt, hier­her zu kommen, wenn er die Zeit gehabt hätte, denn er hat allen Grund, stolz zu sein auf diese Republik und diese Regierung, die alles in ihrer Macht Stehende tat und tut, um jedes Unrecht zu beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.50


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Seine Wunschredezeit: 5 Minuten; die Restredezeit der Fraktion: 10 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


16.50.24

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist nicht leicht, über dieses Thema zu sprechen, weil es einfach Dinge gibt, die man außerordentlich schwer verstehen kann, und darunter fällt für mich auch diese Debatte. (Abg. Dr. Mitterlehner: Aber?) Nicht aber, sondern genau deswegen.

Es gibt auch Argumente, etwas nicht zu tun, die langsam ermüdend sind, die teilweise fadenscheinig sind und auch nicht sehr glaubwürdig sind. (Abg. Scheibner: Wenn etwas schon getan ist, ist es gar nicht möglich, es noch einmal zu tun!) Ich möchte jetzt auch nicht den Herrn Staatssekretär angreifen, das wäre kein Zeichen besonderen Mutes, aber was schon etwas nervt, ist, wenn man meint, man könne jetzt Moral in


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eine parteipolitische und eine staatspolitische einteilen, wobei er und der Kanzler für sich natürlich die staatspolitische in Anspruch nehmen und alles andere als partei­politisch abtun. Als ob man Wahrheit durch einen grünen oder roten Schleier nicht sehen könnte. Das ist einfach falsch.

Wenn Sie davon reden, Herr Staatssekretär Morak – es wurde Ihnen ja aufgesetzt –, dass sich die ÖVP natürlich dazu bekennt, dass das Unrechtsjustiz war, erinnere ich Sie und den Kanzler schon daran, dass viele damalige Richter nach wenigen Jahren wieder tätig wurden, genau jene, die Unrecht gesprochen haben. Und das ist sicher keine vertrauensbildende Maßnahme.

Was ich mich frage, geschätzte Regierungsparteien: Warum muss man immer hundert Gründe suchen, etwas nicht zu tun, wenn es nur einen einfachen Grund gibt, etwas zu tun, nämlich Gerechtigkeit zu üben? Ist das so schwierig? Wenn ich dauernd höre, Sie setzen Hunderte von ehrenhaften, tollen Schritten – Sie haben auch einiges getan, zweifellos, das will ich nicht bestreiten –, warum ist es dann so schwierig, warum braucht man so viel Mut, noch diesen einen Schritt zu setzen, um den Leuten zu helfen?

Wichtig ist mir auch noch: Natürlich kann man sagen, 1945 hat man Gesetze geschrie­ben, die per se ein neues, wie es die Betroffenen wollen, nicht nötig machen. Aber glauben Sie mir, es gibt Dinge, die lassen sich nicht nur juridisch begreifen und nicht nur juridisch begründen, sondern es gibt Dinge, die muss man anders begründen. Ich kann ja einem Patienten Krankheit und Tod auch nicht in mathematischen und bio­chemischen Formeln nahe bringen. Es bedürfte vielleicht nur des einen Satzes: Es tut mir Leid. Ist es so schwierig, das zu sagen? Ich finde nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Noch etwas: Gehen wir schon davon aus, wenn wir jetzt sozusagen plötzlich anfangen, uns hier anzumaßen, von mehreren Arten, mehreren Sorten von Menschen und Solda­ten zu sprechen, die einen mutige Helden, und die anderen Feiglinge und Verräter – so ist das nicht. Erstens haben sich nicht alle freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, außer­dem haben sich auch nicht alle mit Hitlerdeutschland identifiziert. Wen sollten sie da verraten? Eine Heimat, die für mich keine Heimat ist, kann ich nicht verraten. Ich kann auch vor Fahnen fliehen, die nicht die meinen sind. Ich kann auch Feinde nicht töten wollen, weil es nicht meine Feinde sind. Das könnte man heutzutage vielleicht einmal klarstellen. Warum muss ich eine Heimat verteidigen, wenn es nicht mehr die meine ist? Das sind an und für sich keine schwierigen Dinge, die müsste man doch ver­stehen.

Nochmals: Vermeiden Sie dieses wirklich unsägliche Wort „Feigling“. Ich glaube, dass damals alle Angst gehabt haben. Das Wort „Held“ ist auch so ein zweischneidiges. Ich glaube, als Helden sollte man jene bezeichnen, die sich irgendwo für eine gute Sache aufgeopfert haben. Die anderen mögen tapfer, sehr tapfer gewesen sein, aber Helden? Seien Sie damit vorsichtig! Die einen hatten Angst vor dem so genannten Feind, die anderen vor der Feldgendarmerie und der Nazijustiz dann. Wenn ich irgendwo drau­ßen liege, weiß ich, da gibt es niemanden von dem so genannten Feind, der aufge­schrieben hat, ich muss jetzt dem Kurt Grünewald das Bajonett ins Herz stoßen oder ihn erschießen, die Justiz aber hat den Namen des Deserteurs gehabt, und da – da hat Schieder völlig Recht – muss man vielleicht sogar mutig sein, zu sagen: Nein, da kämpfe ich nicht mit! – Erkennen Sie das einfach an! Das wäre gut. (Abg. Scheibner: Da muss man aber selbst diese Entscheidung treffen!)

Man muss selber Entscheidungen treffen. Zu denen sind sie gestanden, und sie haben den Tod riskiert. (Abg. Scheibner: In der Historie ist das immer leichter!)

Was für mich unverständlich ist: Warum wagen Sie nicht, diesen Schritt zu tun? Wer ist in Geiselhaft von wem? Wem sind Sie etwas schuldig? Warum haben Sie nicht den


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Mut, sich von jenen zu distanzieren, die Ihnen sagen, Sie sind ein Deserteur, wenn Sie mit uns stimmen, die Ihnen sagen, Sie haben die Ideologie verraten? Trauen Sie sich das doch endlich! (Abg. Scheibner: Haben Sie nicht zugehört heute? Hören Sie irgendwann einmal zu, wenn wer anderer etwas sagt!)

Ich glaube, man kann noch mehr verraten, man kann auch Anstand, Mitgefühl und Moral verraten. Und was sagen Sie dann dazu? Ist das nicht feig? Ich glaube, es wäre nicht notwendig nach dem, was Fekter gesagt hat, und ich habe auch von Haupt heute etwas wirklich Schönes gehört. Warum gehen Sie diesen Schritt nicht mit uns? Ich kann es nicht verstehen und die Betroffenen auch nicht. Und mit einigen Paragraphen werden Sie denen die Welt nicht mehr erklären können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


16.56.22

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Kollegen und Kolleginnen! Knalleffekt, Aufruhr, Absage eines Festaktes in Neuhaus in Kärnten – das sind die bedenklichen heutigen Schlagzeilen zur Aufstellung von zweisprachigen Orts­tafeln. Und das im Jubiläums-, Bedenk- und Gedenkjahr „50 Jahre Staatsvertrag“ und 50 Jahre Artikel 7.

Als Kärntner Abgeordnete und auch als Angehörige der slowenischen Volksgruppe möchte ich nicht nur, sondern muss ich zu diesen Vorfällen eine kurze Aufklärung geben, und zwar deshalb, weil diese Vorfälle und die darauf folgenden Schlagzeilen symptomatisch sind für so vieles in den letzten Jahrzehnten in Kärnten.

Der Bürgermeister von Neuhaus, Gerhard Visotschnig, hat jahrelang sehr mühevoll mit sehr vielen Menschen in seiner Gemeinde Bewusstsein und ein Klima geschaffen, das in der Bevölkerung von einer vormaligen äußerst radikalen und vehementen Ableh­nung gegen zweisprachige Ortstafeln in den letzten Monaten zu einer breiten Zustim­mung der Mehrheit der Bevölkerung in Neuhaus zur Aufstellung der Ortstafeln geführt hat.

Im Gegensatz zum Landeshauptmann hat Gerhard Visotschnig vor der Wahl und auch danach gesagt, dass ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs und der Artikel 7 ein­zuhalten und umzusetzen sind. Er, nämlich Ersterer, hat hingegen immer wieder lauthals in Kärnten gesagt – ich zitiere –: Solange ich Landeshauptmann bin, wird es keine zusätzlichen Ortstafeln geben! – Er hat eigenhändig vor laufender Kamera ein slowenischsprachiges Hinweisschild, nämlich „Laibach/Ljubljana“, auf der Autobahn abmontiert, und er wollte noch vor wenigen Wochen die Landesgrenze gegen Slo­wenien in der Kärntner Landesverfassung festschreiben.

Und genau er kündigt in der Vorwoche plötzlich gemeinsam mit dem Bundeskanzler überfallsartig einen Festakt in diesem Neuhaus an. Der Bürgermeister hat vorigen Freitag, als der Landeshauptmann zu einem Gespräch gebeten hat, ersucht, davon Abstand zu nehmen, weil es nichts zu feiern gibt, wenn um Jahrzehnte verspätet zwei­sprachige Ortstafeln aufgestellt werden. Diese Sensibilität des Bürgermeisters und der Bevölkerung in Neuhaus wurde vom Tisch gewischt, weil ganz offensichtlich der Herr Landeshauptmann wie auch der Herr Bundeskanzler nach jahrelanger effektiver Untä­tigkeit einfach eine Inszenierung wollten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wer Feindbilder und Angst schürt, wer gegen die Volksgruppe, wer gegen Volksgruppen überhaupt und das Nachbarland Slowenien agitiert, der reißt alte Gräben auf und trägt nichts dazu bei – im Gegenteil! –, die Kärnt-


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ner Geschichte endlich aufzuarbeiten. (Abg. Scheibner: Meinen Sie den Peter Ambro­zy? Sagen Sie das dem Landeshauptmann-Stellvertreter!) Diese historische Schuld, Kollegen aller Parteien, trifft in Kärnten Repräsentanten und Repräsentantinnen aller Parteien – mit Ausnahme der Grünen, die Gott sei Dank einfach noch zu jung sind.

Aber die Verschleppung der Umsetzung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichts­hofes hat einen Verursacher, und der heißt Bundeskanzler Schüssel. (Abg. Murauer: Das hat mehrere Ursachen!) Denn Dialog ist gefragt und erforderlich, Konsens ist gewünscht, aber das kann nicht bedeuten, dass man Erkenntnisse des Verfassungsge­richtshofes wegdiskutiert und ignoriert.

Daher, so denke ich mir, gilt es, in dieser Frage das Verfassungsgerichtshoferkenntnis und eine Verordnung umzusetzen und sich auf der anderen Seite ein Beispiel zu neh­men an Nationalratskollegen wie etwa dem Dieter Antoni, der sich hier im Nationalrat und auch in Kärnten über viele Jahre hinweg für das Minderheitenschulwesen einge­setzt hat und es auch mit der Bevölkerung umgesetzt hat.

Es gab auch andere in Kärnten, und ich denke, an denen könnten sich der Bundes­kanzler und auch der Landeshauptmann ein Beispiel nehmen (Abg. Murauer: Und was ist mit dem Ambrozy?) nach dem Motto: Kulturelle Vielfalt ist Reichtum, Einfalt das Gegenteil. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Er hat eine Redezeit von 5 Minuten; Restredezeit der Fraktion: 8 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.01.00

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich, dass es seitens der Regierung jetzt doch offensichtlich diese Einigung gibt im Hinblick auf die Nazideserteure und eine Wiedergutmachung in dieser Hinsicht. Ich möchte das auch begründen, weil ich glaube, dass es aus der Distanz von 60 Jahren einfach leichter ist, Urteile zu fällen, und dass die Schwierigkeiten dann anfangen, wenn es um das Jetzt geht, um das Jetzt und um das Hier.

Bei den Gedenkfeiern und im Ton der Gedenkfeiern und auch heute, da mit einem Übermaß an Selbstlob sowohl Republik als auch die eigene Politik gelobt wurden, habe ich immer mitgehört, wie viel leichter es ist, aus der Sicht des Jahres 2005 über Menschen und Dinge zu urteilen, als damals in der Situation drinnen gewesen zu sein. Das möchte ich hier gesagt haben. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vor­sitz.)

Ich möchte mich aber eigentlich zum Artikel 7 Staatsvertrag äußern, weil der Kollege Fasslabend dazu einige nach meinem Dafürhalten bemerkenswerte Worte gesagt hat, die teilweise auch die Schwierigkeit der Kärntner Politik und der handelnden Akteure erklären, denn es hängt nämlich zum Teil schon mit den handelnden Akteuren zusam­men. Jetzt mag man zur Sache stehen, wie man will, aber wenn der Herr Landeshaupt­mann diese Festtafelenthüllung als Fest der Gemeinsamkeit, der Freundschaft und des Friedens avisiert, so hat das schon ein bisschen etwas von Pathos, und auch die Aufstellung der Ortstafeln ist nicht ganz frei von Selbstlob, von Show, von Inszenie­rung. Das hat zum Beispiel auch ein Mitglied des Abwehrkämpferbundes dort so geäußert. Er hat gesagt, so viel Pomp, so viel Aufwand.

Es geht bei diesen Dingen immer wieder um Show, um Präsentation, und ich verstehe das. Der Herr Bundeskanzler will sich dort als minderheitenfreundlicher Staatsmann präsentieren und will seine Erfolge haben, und dafür braucht man schon einmal ein gutes Foto.


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Ich gebe aber zu, es ist auch nicht ganz einfach, in Kärnten integrativ zu wirken nach einer Suada von Ausfällen gegen Repräsentanten des Staates. Ich denke etwa an die Beschimpfungen des Landeshauptmannes gegenüber dem damaligen Verfassungs­gerichtshofpräsidenten: Wenn einer schon Adamovich heißt, muss man zuerst einmal fragen, ob er überhaupt eine ordentliche Aufenthaltsberechtigung hat.

Oder ich denke daran, dass derselbe Landeshauptmann dort gesagt hat: Schließlich sei Khol – der da oben (Abg. Dr. Khol – von seinem Abgeordnetenplatz aus –: Hier!); ach, jetzt ist er nicht mehr da oben, sondern da unten – in dieser Frage sehr nützlich, weil er aufzeige, wer für die friedliche Entwicklung der Minderheitenpolitik in Kärnten sei, und wer hier dauernd zündelt. – Der „Zündler“ Khol, der die Sache des Verfas­sungsgerichtshofes ins Gespräch gebracht hat. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Herr Haider, der Herr Landeshauptmann hat Professor Khol als „Zündler“ bezeichnet, weil dieser damals in der Sache des VfGH-Erkenntnisses die Initiative ergriffen hat. (Abg. Scheibner: Wieder einmal nicht zugehört!)

Auch die ständigen Pressionen mit geheimer Minderheitenfeststellung zum Beispiel, unausgesprochen vor drei, vier Wochen vom Landeshauptmann: Solange ich Landes­hauptmann bin, wird es keine zweisprachigen Ortstafeln geben!, denn eine vernünftige Volksgruppenpolitik habe nichts mit Ortstafeln zu tun. – So Haider. (Abg. Scheibner: Na und?) Da darf man sich nicht wundern, wenn ihn die eigene Gefolgschaft nicht mehr versteht (Abg. Scheibner: War ja auch nicht wirklich gescheit, diese Geschichte!) und wenn der jetzige FPÖ-Obmann von Kärnten, Karlheinz Klement, Haider in der Frage der Ortstafeln Verrat an Kärnten vorwirft. (Abg. Scheibner: Da müssten Sie den Haider einmal in Schutz nehmen!) Da muss man sich schon wundern in der ganzen Sache, denn das klärt einiges auf. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was ist mit dem Peter Ambrozy?)

Auch wenn eine geheime Minderheitenfeststellung, wie sie der Herr Landeshaupt­mann, wie gesagt, angekündigt hat, ex lege gar nicht mehr möglich ist und durch das Volkszählungsgesetz 1980 schon beseitigt ist, aber für die Drohung reicht es allemal. (Abg. Scheibner: Der Ambrozy hat gesagt, wenn der Abwehrkämpferbund nicht zu­stimmt, kann er auch nicht zustimmen! Ihr Landeshauptmann-Stellvertreter Ambrozy! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Fragen Sie lieber Ihre SPÖ-Bundesrätin, warum sie den Gudenus geküsst hat!)

Die Verantwortung in der Sache trägt der Bundeskanzler. Ich will seine Bemühungen gar nicht schmälern, ich will seine Bemühungen auch anerkennen, aber er hat dafür die Verantwortung. Es ist auch die Republik Österreich, die sich in der Staatsziel­bestimmung zum Schutz der Minderheiten, ihrer kulturellen Rechte, ihrer sprachlichen Rechte bekannt hat. Diese Ortstafelfrage ist daher auch nur in Zusammenarbeit aller Kärntner Parteien mit der slowenischen Volksgruppe und in Kooperation mit den von der Verfassung bestimmten Organen des Bundes vernünftig zu lösen.

Ich bin zuversichtlich, dass es eine solche Lösung geben wird, wenn, wie gesagt, bestimmte Hardliner und Akteure ihre Haltung ändern. Dazu zähle ich den Landes­hauptmann, dazu zähle ich in bestimmten Bereichen auch den Abwehrkämpferbund, der auch – und da zähle ich auch die eigenen Leute dazu – gut daran tun würde, in der eigenen Sache seine Positionen zu überdenken und zu überlegen, ob nicht eine tolerantere Haltung für ein Zusammenleben in der Sache besser wäre und ob es nicht letzten Endes allen Akteuren und vor allem dem Land dienen würde.

Denn da bin ich ganz bei Heinz Fischer, der vor 14 Tagen in Tainach gesagt hat: „Österreich muss sich vor Slowenien nicht fürchten, und Slowenien muss sich vor Österreich nicht fürchten.“ – Damit ist alles gesagt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sag das dem Peter Ambrozy!)


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Für alle, die es auch verstehen und die ein bisschen populär denken, zitiere ich noch den Franz Klammer als den Prototyp eines Kärntners, als den Prototyp eines „unpoli­tischen“ Kärntners, der sagt ... (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ein Prototyp ist das nicht mehr! Er ist schon ein älteres Modell!) Bitte? Was ist er? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ein älteres Modell!) Ein „älteres Modell“ ist der Franz Klammer!; wir werden es ihm aus­richten. Herr Scheuch sagt, der Franz Klammer ist ein älteres Modell. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wo wirst du ihm das ausrichten?) Da werden sich alle, die über 50 sind in unserem Lande, freuen, als „ältere Modelle“ bezeichnet zu werden.

Jenes „ältere Modell“ Franz Klammer sagt also: „Ich verstehe das auch nicht ganz, dass es nicht möglich sein soll, zweisprachige Ortstafeln dort aufzustellen, wo es vor­gesehen ist. Es wundert mich, dass es in der heutigen Zeit noch Leute gibt, die nicht in der Lage sind, zu akzeptieren, dass zwei Sprachen gesprochen werden.“ (Abg. Scheibner: Das sind eure Bürgermeister!) – Und dass es Leute gibt, die von Men­schen über 50 Jahren als „ältere Modelle“ sprechen. Posch! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Die SPÖ-Bürgermeister sind das!)

17.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Jarolim. Restredezeit der Fraktion der Sozialdemokraten: 1 Minute. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


17.07.55

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Kurze Zusammenfassung: Ich glaube, dass man respektieren muss, dass nach nunmehr doch mehreren Jahren der Versuch unternommen wird, hier eine Regelung zu schaffen. Ich werde das auch jetzt nicht irgendwie negativ kommentieren, ich darf Sie nur einladen, da das heute hier nicht zur Beschlussfassung steht, vielleicht doch auch die Ausführungen von Professor Moos durchzulesen, weil dieser Vorschlag ganz einfach einige Punkte nicht berücksichtigt, die aber eine Tatsache sind. Ich weiß nicht, ob es Ihnen wirklich wichtig ist, dass zum Beispiel aus religiösen Gründen Verfolgte nicht umfasst sein sollen von dieser Amnes­tie beziehungsweise Rehabilitierung. Das würde nach dem derzeitigen Stand der Fall sein.

Die Feststellung, dass die alten Gesetze etwas erreicht haben sollen, was sie nicht erreichen, die nützt nichts. Es gibt hier ganz konkret 50 weitere Gesetze und Rechts­vorschriften, die nicht unter diese Bestimmung fallen. Ich lade Sie wirklich ein, lesen Sie das durch. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Wir sollten das weitestgehend – die Redezeit ist vorbei (Abg. Scheibner: Eine Minute ist nicht län­ger!) – durchlesen und hier gemeinsam eine verantwortungsvolle Lösung suchen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mag. Stoisits. Restredezeit für den grünen Klub: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


17.09

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Frau Präsidentin! Es wurde einiges nach meiner Einschätzung sehr Wesentliches gesagt, sodass ich glaube, Herr Klubob­mann Molterer, und jetzt, da ich den Antrag, den uns die Frau Dr. Fekter gegeben hat, auch schon durchgelesen habe, davon überzeugt bin, da geht wirklich einiges weiter.

Die Tatsache, Homosexuelle, Zwangssterilisierte nach 60 Jahren ins Opferfürsorge­gesetz aufzunehmen, ist ehrenwert, aber bitte, Herr Klubobmann Molterer, sich selbst dafür zu belobigen oder zu glauben, damit ist alles getan, das ist auch zu viel. (Abg.


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Scheibner: Aber beschimpfen muss man sich auch nicht lassen!) Nein. (Abg. Mag. Molterer: Habe ich irgendetwas gesagt?) – Herr Klubobmann, Sie sitzen in der ersten Reihe. Das ist Ihr Schicksal. (Abg. Mag. Molterer: Ich habe mich selbst gelobt?)

Herr Klubobmann, vor allem in der Frage der Rehabilitierung der Opfer der NS-Militär­justiz gibt es auch andere Meinungen von hochrangigen Verfassungsjuristen. (Abg. Scheibner: Dann diskutieren wir sie im Ausschuss! Böhmdorfer hat es Ihnen doch erklärt!) Einer davon schreibt: Alle Urteile wurden aufgehoben, allerdings per Amnestie unmittelbar nach Kriegsende. Das ist ein Gnadenakt und setzt Schuld beziehungs­weise rechtmäßige Verurteilung voraus. Ergebnis richtig, Begründung falsch. Dies muss man ändern. Die Urteile sind als Urteile der nationalsozialistischen Verbrecher­justiz von Anfang an nichtig. (Abg. Scheibner: Haben Sie Böhmdorfer nicht zuge­hört?) – Das schreibt Herr Universitätsprofessor Dr. Andreas Khol – und das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie in Ihrem Gesetzesantrag tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Kompetenz von Professor Khol – ich betone: in seiner Eigenschaft als Professor Khol! – wird hier wohl niemand anzweifeln, Herr Professor und Präsident Khol.

Meine Damen und Herren, und jetzt auf den Antrag bezogen: Einer Anfragebeantwor­tung des Sozialministeriums ist zu entnehmen, dass zur Frage der sozialrechtlichen Gleichstellung von Opfern hier noch einiger Handlungsbedarf ist. In der Anfragebeant­wortung heißt es: Zeiten einer wegen Desertion verhängten Haft in Gefängnissen, Wehrmachtsstraflagern oder Konzentrationslagern können grundsätzlich nicht als Ersatzzeiten in der österreichischen Pensionsversicherung angerechnet werden.

Wissen Sie, was das heißt? – Angehörige der Waffen-SS bekommen Ersatzzeiten für die Pension angerechnet, Opfer der NS-Militärjustiz nicht! Und das fehlt ihn Ihrem Antrag. Herr Klubobmann! Ich sage das jetzt zwar empört, aber immer in der Hoffnung, dass Sie das als Anregung verstehen, dass das mit aufgenommen wird. (Abg. Scheib­ner: Sie werden nie zufrieden sein!) Der jetzt schon vielfach zitierte Universitätsprofes­sor Dr. Khol schreibt nämlich in einem Brief, die Zeit der Desertion sei in der Sozial­versicherung wie Wehrdienst anzurechnen. Dazu bedarf es eines Gesetzes. – Dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und das wollen wir mit Ihnen, Herr Klubobmann Molterer, mit Ihrer Fraktion, mit Ihnen, Herr Klubobmann Scheibner, gemeinsam im Justizausschuss, wo dieser Antrag dann behandelt wird, auch erreichen.

Das jetzt nur als eine kleine Richtschnur: Wir wollen ein Gesetz zur Rehabilitierung, und wir wollen diesen Punkt drinnen enthalten haben.

Ich möchte diese heutige Dringliche Anfrage – ich glaube, ich bin die letzte Rednerin dazu – schließen mit den Worten von Richard Wadani, dem Sprecher des Personen­komitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz. Er war selber Deserteur und hat – und jetzt komme ich auf den Minister a. D. Böhmdorfer zu sprechen – in einem Briefwechsel mit dem Bundesministerium für Justiz im Jahr 2003 – da war eben Dr. Böhmdorfer Minister – zu diesem Thema geschrieben:

„Ich bin kein Jurist. Wenn ich aber im Duden nachschlage, finde ich unter Amnestie folgende Definition: ,das Vergessen; die Vergebung; durch ein besonderes Gesetz, verfügter Straferlass oder verfügte Strafmilderung für eine Gruppe bestimmter Fälle, bes. für politische Vergehen‘.“

Und dann schreibt Richard Wadani weiter: „Es ist ganz bestimmt nicht so, dass das BMJ uns etwas ,zu vergessen oder zu vergeben‘ hat. Ich habe es als meine Pflicht ge­sehen, gegenüber diesem verbrecherischen Nazi-Regime den Fahneneid zu brechen und auf Seiten der Alliierten für die Niederlage der Wehrmacht, der Armee Adolf


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Hitlers, zu kämpfen. Das war meine persönliche Form des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, ich habe meinen Teil für ein freies unabhängiges Österreich damit geleistet. Sorgen Sie jetzt dafür, dass uns endlich Gerechtigkeit widerfährt.“ (Präsiden­tin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Für einen Akt der Gerechtigkeit werden wir auf jeden Fall weiter eintreten. Wir betrachten die Rehabilitierung gewiss nicht als abgeschlossen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Wunschredezeit: 5 Minuten, Gesamtrestredezeit: 9 Minu­ten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Broukal: Ein Höhepunkt des Nachmittags!)

 


17.14.59

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Frau Präsident! Frau Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Frau Kollegin Stoisits hat ihre erste Rede begonnen mit der Feststellung: Wer schweigt, stimmt zu!, und sie hat dafür Applaus geerntet.

Ich möchte jetzt nur vier Namen vorlesen: Elisabeth Kerschbaum, Eva Konrad, Dr. Ru­perta Lichtenecker und Stefan Schennach. Das sind vier Bundesräte der Grünen Fraktion. (Abg. Mandak: Das sind drei Bundesrätinnen und ein Bundesrat!) Drei Bun­desrätinnen und ein Bundesrat. Aber sie sind alle vier drinnen gesessen, haben die Rede gehört und haben geschwiegen. Wer schweigt, stimmt zu. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wer schweigt, stimmt zu, und diese vier, die geschwiegen haben, dürfen zugestimmt haben. Das nur zur Relativierung dessen, was damals im Bundesrat passiert ist. (Abg. Dr. Pilz: Kamerad Scheuch, abtreten!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte hier als Vertreter des Bündnisses noch einmal ganz klar feststellen, dass wir alle uns klar von diesen Aussagen distan­ziert haben, dass wir alle diese Dinge entschieden abgelehnt haben und auch verur­teilen. Das Nazi-Regime, die Taten Hitlers, all das wird von uns klar abgelehnt und zurückgewiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Dr. Pilz.)

Herr Dr. Pilz, ob Sie das glauben oder nicht, ist mir ungefähr so egal wie ob es drau­ßen regnet oder die Sonne scheint. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Sie können in Ihr Tagebuch heute am Abend hineinschreiben, ob Sie das geglaubt haben oder nicht! Ihre vier Bundesräte haben geschwiegen und haben zugestimmt. Das müssen Sie ein­fach so zur Kenntnis nehmen! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Ich möchte aber – und das scheint mir besonders wichtig zu sein – noch einmal auf die wirklich eindrucksvollen Reden von Herrn Mag. Haupt und von Herrn Dr. Böhmdorfer eingehen, die hier ganz klar die Linie unserer Partei dargestellt haben. Sie haben auch ganz klar aufgezeigt, dass es nicht einfach war in der damaligen Zeit, dass es sehr viele Verlierer gegeben hat auf allen Seiten. Siegfried Kampl, ein Bundesrat aus Kärn­ten, hat in seiner Rede klar überzeichnet, und seine Aussagen waren nicht in Ordnung. Das haben wir bereits festgestellt. Siegfried Kampl hat aber von sich aus die Konse­quenz gezogen.

Herr Kollege Schieder, und wenn das noch nicht im Parlament gemeldet ist, er hat es klar gesagt: Er wird den Bundesrat verlassen! (Abg. Eder: Und Bürgermeister bleibt er?) Er wird sich vom Bundesrat zurückziehen und wird damit die Konsequenz daraus ziehen, dass es anscheinend zu gravierend war, was er gesagt hat. Ich bitte aber, dass man doch anerkennt, dass das seine persönlichen Interpretationen waren, dass man


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sieht, dass er eben persönliche traumatisierende Erfahrungen gemacht hat, die viel­leicht seine Sichtweise etwas unscharf werden haben lassen.

Ich bin vor einer Woche mit Frau Kollegin Stoisits dort oben im Saal gestanden, und sie hat mit mir gemeinsam diese Rede von Siegfried Kampl durchgelesen. Und wissen Sie, was sie zu mir gesagt hat? – An der Rede selbst gibt es eigentlich nichts auszu­setzen, die nachfolgenden Interviews und die fehlende Distanz waren das Problem. Da sind wir einer Meinung, und deswegen hat er auch die Konsequenz gezogen.

Ich möchte als Kärntner Abgeordneter aber auch zu den Ortstafeln Stellung nehmen, denn Frau Kollegin Trunk und auch Kollege Posch haben hier ganz klar die fehlende Verantwortung der Bundesregierung, die jahrzehntelang fehlende Verantwortung des Kärntner Landeshauptmannes eingemahnt. Das eigentliche Urteil über die Ortstafeln stammt aus dem Jahre 1977. Frau Kollegin Trunk und Herr Kollege Posch! Seit 1977 hat es genau fünf Bundeskanzler in dieser Republik gegeben, die verantwortlich waren: Bundeskanzler Bruno Kreisky, Bundeskanzler Fred Sinowatz, Bundeskanzler Franz Vranitzky, Bundeskanzler Viktor Klima und in den letzten fünf Jahren Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Es hat in diesen Jahren von 1977 bis 1988, elf Jahre lang, Landeshauptleute gegeben: Landeshauptmann Leopold Wagner von der SPÖ, von 1988 bis 1989 Peter Ambrozy, SPÖ, dann war Jörg Haider für zwei Jahre Landes­hauptmann, anschließend war beinahe zehn Jahre lang Christoph Zernatto Landes­hauptmann und dann wieder Jörg Haider.

Es ist hier vielleicht von den politischen Parteien etwas falsch gemacht worden, es hat vielleicht zu lange gedauert, bis diese Ortstafeln kommen. Aber es ist mir ein bisschen zu wenig herausgekommen, dass (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk) – ja, in einem Nebensatz erwähnt, aber 5 Minuten Haider und Schüssel beschuldigt! – von 1977 bis 2005 viel mehr Verantwortung bei anderen politischen Parteien lag als bei den momen­tan in der politischen Verantwortung stehenden Parteien. Ich bin davon überzeugt, und sogar der Weisenrat, den die Europäische Union geschickt hat, hat klar festgestellt, dass Kärnten eine vorbildliche Minderheitenpolitik macht. Es geschieht sehr viel Gutes in der Minderheitenpolitik; ich denke nur an Kindergärten, an Sportförderungen, an Volkskultur et cetera. Es gibt sehr viele Bereiche, in denen viel Positives geschieht.

Wir alle sind gefordert, die negativen Dinge auszuräumen. Da passiert jetzt einiges, da werden Ortstafeln aufgestellt, und es fasziniert mich nur die Kritik von Herrn Mag. Posch, der jetzt kritisiert, dass Jörg Haider sagt, er stellt keine auf, und jetzt stellt er doch welche auf. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Man könnte ja sagen: Danke, Jörg Haider, dass du jetzt welche aufstellst und gescheiter geworden bist! Es ist ja jedem unbenommen, sich auch weiterzuentwickeln und gescheiter zu werden. (Abg. Dr. Grünewald: Noch gescheiter?) Vielleicht noch viel gescheiter, wir werden ja sehen. Er wird noch lange Kärntner Landeshauptmann sein.

Geschätzte Damen und Herren, ich glaube, wir sollten bei einem so sensiblen Thema versuchen, die Scharfmacher auf beiden Seiten zu beruhigen. Die gibt es auf beiden Seiten. Es gibt solche auf Seiten der slowenischen Minderheit und auf Seiten der rein deutschsprachigen Kärntner. Sie sind in beiden Bereichen in der Minderheit, und beide Seiten sollten aufgefordert werden, einen Beitrag dazu zu leisten, dass solche Dring­liche Anfragen in Zukunft nicht mehr nötig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die GO-Bestimmungen: zunächst den zu berichtigenden, dann den berichtigten Sachverhalt. 2 Minuten. – Bitte.

 



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17.21.46

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Abgeordneter Scheuch hat behauptet, die vier Grünen Bundesrätinnen und Bundesräte hätten nach der Rede des Bundesrats­abgeordneten Kampl nicht nur geschwiegen, sondern dadurch auch ihre Zustimmung zur Rede erklärt. – Das ist unrichtig, und zwar aus zwei Gründen.

Erstens hat es sofort dazu nicht nur im Bundesrat, sondern auch in der APA am 20. April eine Erklärung unseres Fraktionsführers Stefan Schennach gegeben, in der es heißt, dass Kampl als Bundesrat und als Politiker untragbar ist. Das ist jederzeit nachzulesen. Eine derartige Erklärung steht vom Bundeskanzler nach wie vor aus. (Abg. Dr. Khol: Das ist ja eine Rede! – Abg. Scheibner: Das ist ein Debattenbeitrag!)

Zweitens habe ich hier das Protokoll der Rede des Bundesrates Kampl, und hier ist nach seinem Dank in Klammern unten festgehalten: „Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.“ – Das war der Beifall, den es für Kampl gegeben hat, und dafür steht die Entschuldigung des Bundeskanzlers nach wie vor aus. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. Auch für Sie gelten diesel­ben Bestimmungen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.23.29

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Frau Präsidentin! Kollege Uwe Scheuch hat eben in seiner Rede gesagt, er hätte sich mit mir gemeinsam die Rede von Bun­desrat Kampl durchgelesen, und Kollege Scheuch behauptete, ich hätte nichts daran auszusetzen gehabt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das habe ich nicht gesagt!)

Ich berichtige ihn tatsächlich. Es stimmt, dass er mit mir darüber diskutiert hat. Aller­dings ist es völlig falsch, dass an dieser Rede nichts auszusetzen gewesen wäre, vielmehr ist richtig, dass ich ihm gesagt habe, dass die Interviews, die Herr Bundesrat Kampl anschließend gegeben hat, sozusagen die fatale Auswirkung seiner Rede noch einmal dramatisch unterstrichen haben. Menschen, die Deserteure als „Kameraden-Mörder“ bezeichnen, ...

17.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer (das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeord­nete, diese Anfügung ist keine tatsächliche Berichtigung mehr!

(Beifall bei den Grünen für die das Rednerpult verlassende Abg. Mag. Stoisits.)

Dazu ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

17.24.37Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2723/AB

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung der Bundesministerin für Justiz mit der Ordnungszahl 2723/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs.  1 der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner/der Erstrednerin zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen


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von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Dr. Moser als Antragstellerin, die Debatte zu eröff­nen. Frau Abgeordnete, Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

 


17.25.32

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Bereits Ende März wollte ich eine Anfragebesprechung zu diesem Thema haben, ein Thema, das uns ja, glaube ich, schon 15 oder 17 Jahre langt begleitet; jedenfalls seit dem Jahre 1987.

Es war das ja auch immer wieder Thema parlamentarischer Anfragen, und zwar so­wohl freiheitlicher als auch grüner Repräsentanten hier im Nationalrat. Leider war bis­her eine solche Anfragebesprechung aus Termingründen nicht möglich, und deshalb war Frau Ministerin Miklautsch so freundlich und hat meine zweite Anfrage früher beantwortet.

Heute gibt es also die erste Möglichkeit, das zu besprechen, was bereits im März und auch schon viel früher Thema war. Und das Grundproblem ist: Der Fall Foco ist un­gelöst. Die Fehlentscheidungen, die Missgriffe in diesem Verfahren sind leider noch konsequenzenlos, und daher sollten wir, da sich diesbezüglich auf juristischer Ebene wenig bewegt, das auch einmal hier im Nationalrat besprechen.

Vorneweg möchte ich aber klar zum Ausdruck bringen, dass für mich erstens das Vertrauen in und zweitens der Respekt vor einer unabhängigen Justiz unverrückbar ist. Und ich möchte auch erklären, dass die Qualität und die Arbeit des Ressorts heraus­ragend sind, und ich möchte hier auch noch einmal das persönliche Engagement von Frau Bundesministerin Miklautsch anerkennen.

Nicht anerkennen kann ich allerdings, Frau Ministerin, die Art und Weise, wie Sie meine Anfrage beantwortet haben. Man braucht ja nur gegenüberzustellen, worauf meine Fragen abzielten und wie Sie sich dann in Ihren Antworten, die Sie ja wahr­scheinlich nicht persönlich formuliert haben, sondern Ihre Mitarbeiter, versucht haben, sich um eine konkrete Stellungnahme herumzuschwindeln und herumzudrücken.

Als Beispiel die Antwort auf die Fragen 1 bis 3 beziehungsweise auf die Frage 8; Sie alle, meine Damen und Herren, haben ja die ausgeteilten Kopien vor sich liegen. Frau Bundesministerin, Sie geben keine Antwort auf die Frage, die wir gestellt haben, son­dern geben Antwort auf Fragen, die wir nicht gestellt haben.

Wir haben nicht gefragt, ob durch das Oberlandesgericht erwiesene Gesetzesbrüche des seinerzeitigen Vorsitzenden des Verfahrens Gegenstand des Verfahrens gegen Foco sind. Das spielte – und das ist doch auch ersichtlich – in unserer Anfrage keine Rolle.

Weiters haben wir nicht gefragt, ob Ihre Vorgänger auf Fragen in ähnlicher Richtung geantwortet haben.

Jedenfalls haben Sie, Frau Bundesministerin, auf von uns gestellte Fragen nicht geantwortet. Das ist unser Problem: Dass Sie auf konkrete Fragen, nach den Konse­quenzen aus der Fehlurteilsfindung im Fall Foco, leider keine konkreten Antworten geben – bis auf einen Hinweis, den ich auch für eine weitere Frage heranziehe. Und dieser Ihr Hinweis lautete, dass für dienstaufsichtsbehördliche Maßnahmen kein An­lass bestehe.

Frau Ministerin, da frage ich schon, was Sie in dieser Sache bis jetzt unternommen haben, haben Sie mir doch geantwortet, dass es sehr wohl dazu gekommen ist, dass


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zuständige Stellen das untersucht haben und es einer dem strafrechtlichen Gehalt und der Beweislage entsprechenden Erledigung zugeführt worden ist. So Ihre Antwort.

Daher meine Frage: Welche Erledigung wurde da vorgenommen? Wer hat wann ge­prüft? Wie wurde geprüft? Können Sie darüber Auskunft geben oder Unterlagen vorle­gen?

Von Ihnen, vom Ressort und auch von der Justiz ist ja unbestritten, dass es da zu einem Fehlurteil gekommen ist, zu einem Fehlurteil, das aufgehoben wurde, dass sich aber der Richter, der dieses Fehlurteil fällte, nach wie vor im Amt befindet, dass jene Staatsanwälte, die auch fehlerhaft agierten, nach wie vor ihrer Arbeit nachgehen.

Geschworene, die damals, und zwar unter falschen Rahmenbedingungen, ihre Stimme abgaben, bereuen jetzt wiederholt, widerrufen, und sie wollen die Sache nach ihrer jetzigen Erkenntnis richtig stellen.

Frau Ministerin! Es gibt Zeuginnen, die jetzt genau das Gegenteil von dem, was da­mals auf dem Tisch lag, aussagen. Und es gibt ein Verfahren – darauf werden Sie ja hinweisen –, das nach wie vor die Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt hat, das aber nicht stattfinden kann, weil die Staatsanwaltschaft nach wie vor davon ausgeht, dass Foco der Schuldige ist und dass das Verfahren gegen ihn angestrebt werden muss; und er ist – wie Sie ja wissen – auf der Flucht, weil er die Verflochtenheit der Justizsitu­ation vor Ort in Linz anscheinend – das ist die Vermutung – als nicht günstig erachtet, um sich einem Verfahren zu stellen.

Frau Ministerin, da frage ich mich schon: Warum haben Sie nicht die Möglichkeit ergrif­fen, dass Sie dieses Verfahren, diesen sozusagen zukünftigen Prozess an eine andere Gerichtsstelle transferieren, dass ein anderes Landesgericht, eine andere Staatsan­waltschaft arbeitet, ermittelt und ein neues Verfahren durchführt? Dann würden wahr­scheinlich Rahmenbedingungen herrschen, die Vertrauen in eine korrekte Abwicklung zulassen – denn das war ja damals, 1987, nicht gewährleistet. Und das müsste bei diesem Justizskandal, bei diesem massiven Fehlurteil, jetzt endlich nachgeholt werden.

Frau Ministerin Miklautsch, Sie persönlich haben die Chance, Sie persönlich sind in der Lage, die Staatsanwaltschaft auf diese richtige Vorgangsweise hinzuweisen, eine andere Behörde zu beauftragen. Da wurden massiv Fehler gemacht – ich möchte sie nicht wiederholen, sie sind ja alle in meiner Anfrage aufgeführt, angeführt, noch einmal dokumentiert. All diese Gründe, diese Fehler, diese Missstände sind Ihnen ja schriftlich durch mich noch einmal vorgelegt worden. Aber Ihre Antworten sind keine konkreten Antworten auf die aufgeworfenen Fragen, und insofern prolongieren Sie, verlängern Sie den Missstand, der für Österreich, für die Rechtsprechung eigentlich eine Schande ist.

Deswegen, Frau Ministerin, möchte ich Sie ersuchen, hier noch einmal persönlich Stel­lung zu nehmen zu den Fragen, die ich an Sie gerichtet habe: Wie schaut es aus mit den Konsequenzen beim Richter, bei den Staatsanwälten? Wie schaut es aus mit einer möglichen neuen Aufnahme des Verfahrens unter anderen Bedingungen? Wie schaut es aus auch mit der Situation von Haftentschädigungen? Wir wissen, der eine Ange­klagte, Peter Löffler, hat ja jahrelang massiv danach sozusagen verlangen müssen, und es ist erst kürzlich eine Möglichkeit eröffnet worden, allerdings unter Rahmen­bedingungen, die auch wieder sehr zweifelhaft sind – ich habe sie Ihnen ja auch vorgelesen. Er hätte nämlich auf einen Anspruch, der ihm sehr wohl zusteht, verzichten müssen, beziehungsweise er hätte sogar eine Formulierung treffen müssen, die ein neues Licht auf die Situation wirft. – Ich kann es Ihnen auch gerne vorlesen; Sie haben es wahrscheinlich ohnehin in meiner Anfrage bereits dokumentiert vor sich liegen.


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Das alles ist für mich Anlass, den ganzen Fall jetzt noch einmal im Parlament zur Spra­che zu bringen, damit die Justiz diesen Selbstreinigungsprozess in Gang setzt – mit Ihrer Hilfe und vielleicht auch mit Ihrem Nachdruck. (Beifall bei den Grünen.)

Wir brauchen, Frau Ministerin, wirklich das Vertrauen, das ich eingangs erwähnt habe. Und es ist größtenteils da, nur in diesem einen Fall gibt es nach wie vor dunkle Fle­cken, schwarze Flecken, weiße Flecken, weil nicht korrekt ermittelt wurde. (Beifall bei den Grünen.)

Es sind Beweisstücke einfach verschwunden. Es sind Gutachten nicht korrekt gewe­sen. ZeugInnen haben sich auf einmal endlich ohne Druck von Seiten der Untersu­chungsbehörde äußern können und ganz andere Aussagen getroffen. Das alles gehört neu auf den Tisch, gehört in ein neues Verfahren – und dazu, Frau Ministerin, sollen Sie heute persönlich auch etwas beitragen können. Ergreifen Sie das als Chance, wirk­lich als Justizministerin tätig zu werden und nicht die Handlangerin bei der Aufrecht­erhaltung von vergangenen Fehlern, von vielleicht bereits verfahrenen Situationen zu sein. Frau Ministerin, ein aufrechter Appell! (Beifall bei den Grünen.)

17.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer zu Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben, so wie Ihre nachfolgenden drei RednerInnen, 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.34.24

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich darf zu Beginn ein bisschen auf diesen Fall Tibor Foco, der ja Gegenstand dieser Anfrage war, eingehen. Der Fall Tibor Foco hat sicherlich alle Ingredienzen eines wahrhaft spannen­den Kriminalfalles, ich würde sogar sagen, eines Kriminalthrillers.

Es gab eine durchaus schillernde Persönlichkeit, Herrn Tibor Foco, einen jungen Mann, der Rennfahrer war und durchaus auch Bezug zu einem zweifelhaften Milieu hatte. Es gab einen grauenhaften Mord an einer Prostituierten. Es gibt einen etwas später – und zwar unter zweifelhaften Bedingungen – ums Leben gekommenen Ermitt­lungsbeamten; später widerrufene Geständnisse von Kronzeugen samt Foltervorwür­fen; zwei Verurteilungen, die inzwischen auch wieder aufgehoben worden sind; eine spektakuläre Flucht; aber auch – und das ist, glaube ich, auch von Seiten der Justiz zu betonen – eine inzwischen jahrzehntelange Beschäftigung der Justiz, quer durch alle Instanzen, mehrfach, mit diesem Fall; es gab den Freispruch eines ursprünglich verur­teilten Tatverdächtigen und Hauptverdächtigen; und es gab schwer wiegende Vorwürfe der Geschworenen gegen den vorsitzenden Richter sowie vielfältige Vorwürfe gegen die Polizei, Sachverständige, Staatsanwaltschaft, Gerichte beziehungsweise einzelne Richter.

Dieser Fall ist dennoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, kein Romanstoff, er ist nicht das Ergebnis der Phantasie eines Schriftstellers, kein Drehbuch, sondern er ist bittere Realität. Er ist sicherlich einer der spektakulärsten Fälle der österreichischen Kriminal- und Justizgeschichte und – und auch das sei nicht verhehlt – auch sicher kein Ruhmesblatt für die österreichische Polizei und Justiz. Denn: Natürlich ist es be­dauerlich, dass es sich nach wie vor nicht um einen historischen Fall handelt, sondern dass dieser Fall, diese Akte Tibor Foco, immer noch offen ist, nach beinahe 20 Jahren Verfahrensdauer immer noch nicht abgeschlossen ist.

Wenngleich ich daher nicht verhehle, dass die bisherige Geschichte dieser Akte Tibor Foco vielerlei Ungereimtheiten, viele überraschende Wendungen, Entscheidungen, die aus heutiger Sicht falsch waren oder die einer Überprüfung nicht standgehalten haben,


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enthält, so werde ich mich aber dennoch hüten, hier in diesem Hohen Haus eine Beur­teilung abzugeben oder ein Urteil zu fällen. Jeder von uns kann seine persönliche Mei­nung haben über Dinge, die auch in der Öffentlichkeit sehr stark transportiert worden sind, aber es ist und bleibt – und ich halte das für sehr wichtig und für sehr gut – nach wie vor Sache unabhängiger Gerichte, über Schuld und Unschuld eines Angeklagten, eines Tatverdächtigen zu entscheiden.

Mir scheint es aber wesentlich, auf etwas anderes aus politischer Sicht noch einzu­gehen, sehr geehrte Frau Kollegin Moser, und insofern kann ich auch Ihren Vorwurf an die Frau Justizministerin, Handlanger für irgendetwas zu sein, das Sie im Dunkeln ge­lassen haben, das Sie nicht näher ausgeführt haben, in keiner Weise nachvollziehen. Im Gegenteil: Ich muss das wirklich auf das Schärfste zurückweisen!

Aber es zeigt eines, nämlich dass das Instrument der Weisungsmöglichkeit des Bun­desministers, der Bundesministerin für Justiz an die Ermittlungsbehörden seinen Sinn hat, ja dass es sogar von wesentlicher Bedeutung ist. Dass eine Weisungsmöglichkeit, die sparsam eingesetzt, die gut begründet eingesetzt wird, ihren Sinn hat, das zeigt gerade auch dieser Fall und das zeigen gerade auch Ihre Ausführungen, sehr geehrte Frau Kollegin Moser.

Dennoch glaube ich, dass dieser Fall Tibor Foco, zumindest im jetzigen Stand, nicht geeignet ist, die Weisungsmöglichkeit, die die Frau Justizministerin gegenüber den Anklagebehörden hat, in irgendeiner Weise zu unterstützen, oder dass diese Weisun­gen etwas helfen könnten, denn gerade in diesem Fall gibt es ja eine rechtskräftige Anklage, es haben auch schon Gerichte über diese Anklage entschieden, und es wäre fatal, wenn da seitens der Justiz nachträglich eingegriffen würde.

Dieser Fall steht zur Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht an. Es ist einfach not­wendig, dass sich der Angeklagte diesem Verfahren auch stellt. Das hat er bisher nicht getan. Ich glaube aber, dass weder die Frau Justizministerin noch ihre Vorgänger oder Nachfolger in irgendeiner Weise geeignet sind beziehungsweise die Möglichkeiten und Kompetenzen haben, diesen auf der Flucht befindlichen Tibor Foco zurück nach Öster­reich zu bringen, sondern es wird an ihm liegen, sich diesem unabhängigen Gericht in Österreich zu stellen und auch das Vertrauen in die grundsätzlich gut funktionierende Gerichtsbarkeit in Österreich aufzubringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Ja­rolim zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.39.38

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Kollege Donnerbauer, ich glaube, ich kann Ihnen in vielem folgen, und ich glaube auch, dass man in einer derartigen Angelegenheit sehr sensibel umgehen muss. Ich darf allerdings nur daran erinnern, dass es auch in der Causa Heidegger acht Jahre, glaube ich, gedauert hat, bis das Unrecht, das sich auch dort während des Verfahrens mehr oder weniger abgezeichnet hat, dann tatsächlich dazu geführt hat, dass der Frei­spruch erfolgt ist.

Ich glaube daher, man sollte sich im gegenständlichen Fall genauso anschauen, dass da Dinge stattgefunden haben, die im Vergleich zur Causa Heidegger eigentlich noch wesentlich gravierender sind. Wenn das, was die eigenen Geschworenen und damit eigentlich auch das Gericht selbst – und das ist schon ein Unterschied! – sagen, auch nur teilweise stimmt, dann ist das ein massiver Justizskandal, Exekutivskandal, wobei


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es offensichtlich ja mehr so ist, dass es im Bereich der Exekutive Mängel und Fehler gegeben hat, die man – aus meiner Sicht – jedenfalls aufklären muss.

Daher glaube ich auch, dass man bei einem sehr sensiblen Umgang mit dem Wei­sungsrecht gerade in solchen Fällen einschreiten müsste, wo zwar eine Anklage vor­liegt, aber die entsprechenden Erhebungen nicht in jene Richtung gingen, die die Geschworenen aufgezeigt haben – die ja jetzt sagen, sie wurden vom Richter, vom Berufsrichter ganz offensichtlich manipuliert, sie wurden also beeinflusst. Das kann nicht dazu führen, dass man darüber hinweggeht. Und da glaube ich, dass die Frau Justizministerin als Weisungsspitze jedenfalls einschreiten müsste und hier die Weisung geben müsste, Ermittlungen beziehungsweise Erhebungen in Richtung dieser aus dem Gericht selbst – und ich sage ja: das ist aus dem Geschworenenbereich gekommen – stammenden Darstellungen durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Wenn hier Unterlagen – nämlich die entscheidenden Unter­lagen! – bei einem oder einer Sachverständigen abhanden gekommen sind, wenn eine Reise dieser Sachverständigen mit Polizeibegleitung – sehr aufwendig! – stattgefunden hat, wo man sich im Nachhinein fragt, was eigentlich dort passiert sein soll, und sie dann erklärt, sie habe ein Kuvert begutachtet, das dann eigentlich leer war, dann schreien da ja förmlich diese Widersprüchlichkeiten heraus.

Man kann davon halten, was man will, wer das war und welche Vorgeschichte Tibor Foco hatte, aber offensichtlich gibt es hier Vorfälle und Umstände – vor allem in der Exekutive –, die es jedenfalls nicht akzeptieren lassen, dass hier nichts passiert. Frau Justizministerin, ich glaube daher, dass Sie wirklich sehr gut beraten wären, unter Ein­beziehung beziehungsweise nach Besprechung mit allen Ihren Experten diese Ange­legenheit jedenfalls aufzugreifen und hier so vorzugehen, dass die Klarheit, die möglich ist – relativ leicht möglich ist, indem man ergänzende Verfahrensschritte durchführt –, geschaffen wird, und Erhebungen einzuleiten.

Ich würde daher meinen, dass diese Anfrage jedenfalls zu Recht erfolgte und dass die Beantwortung eher sehr schnoddrig ist. Ich verstehe auch nicht, warum Sie das mit dem Hinweis, es gebe pauschale Mängel – diese werden hier genannt –, abtun. Ich hätte mir gewünscht, dass man sich in Ihrem Haus mit dieser Causa so weit ausein­ander setzt, dass man auf die präzisen Vorhaltungen und Fragen auch wirklich präzise Antworten gibt – und nicht eine Antwort, die es sehr wohl rechtfertigt, dass man hier eine Diskussion darüber abführt.

Ich darf Sie daher ersuchen, im Sinne der allgemeinen Gerechtigkeit und des An­spruchs auf Gerechtigkeit in Österreich jedenfalls aktiv zu werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch zu Wort. Frau Bundesministerin, entsprechend der Geschäftsordnung soll Ihr Redebeitrag 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


17.43.43

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die behaupteten Vorwürfe im Strafverfahren gegen Tibor Foco waren – das hat auch Frau Abgeordnete Moser be­reits ausgeführt – schon mehrfach Gegenstand von Anfragen an das Justizministerium, und diese wurden auch bereits mehrfach durch Antworten an das Hohe Haus beant­wortet. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Leider oft unzureichend!)

Nun, das ist Ansichtssache! Es ist so: Schauen Sie, wir haben uns immer bemüht – und ich danke auch noch einmal für die lobenden Worte, die Sie für meine Mitarbeite-


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rinnen und Mitarbeiter gefunden haben – und sind auch immer bemüht, Ihre Anfragen, beziehungsweise die Anfragen des Hohen Hauses ganz generell, sehr sachlich und sehr umfassend zu beantworten.

Aber ich darf auch hier Folgendes anmerken: Sie haben in Ihrer Anfrage so viele Anwürfe gemacht, für deren umfassende Entkräftung im Sinne Ihrer Anfrage allerdings Details der Erhebungen und der Beweisaufnahmen mit berücksichtigt werden müss­ten – und deren Bewertung steht mir als Justizministerin nicht zu, sondern deren Be­wertung kommt ausschließlich den Geschworenen beziehungsweise dem Gericht zu.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass die Erwägungen, die die Staatsanwaltschaft Linz nach der, wie Sie ja wissen, genehmigten Wiederaufnahme des Verfahrens zur Ein­bringung einer neuerlichen Anklage gegen Herrn Tibor Foco wegen Mordes veranlasst hat, in einer über 60 Seiten starken Anklageschrift ausführlich dargelegt sind, und diese 60 Seiten starke Anklageschrift hat auch einer ausführlichen – und die war wirk­lich sehr ausführlich! – Überprüfung durch das Oberlandesgericht Linz – sprich: durch ein unabhängiges Gericht – standgehalten.

Das Oberlandesgericht Linz hat in seinem Beschluss vom 30. August 2000 ausgeführt, dass sich die Anklageschrift durchaus nicht punktuell und isoliert auf bestimmte, eben nur Herrn Tibor Foco belastende Indizien stützt, sondern eine Gesamtschau aller Be­weisergebnisse durchgeführt wurde – freilich auch unter Berücksichtigung der neues­ten Erkenntnisse –, und das Oberlandesgericht Linz ist zu dem Schluss gekommen, dass unter Berücksichtigung all dieser Ergebnisse und all dieser Ausführungen eine Verurteilung in einem weiteren Prozess gegen Herrn Tibor Foco wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch – sonst hätte ja die Anklage nicht halten können.

Die zweifellos vorhandenen – und da stehe ich auch nicht an, das auch anzuerkennen, und Sie haben das in Ihrer Anfrage auch sehr ausführlich dargestellt – gegensätzlichen Verhandlungsergebnisse und vor allem auch Ermittlungsergebnisse müssen aber letzt­endlich einer beweiswürdigenden Beurteilung durch ein erkennendes Gericht unter­zogen werden, das eben nach höheren rechtsstaatlichen Garantien – ich nenne hier: Mündlichkeit, Öffentlichkeit und Unmittelbarkeit – zu einem urteilsförmigen – also zu einem Urteil – und umfassend kontrollierbaren Ergebnis kommen wird.

Die gegen die Anklage eingewendeten entlastenden Umstände erfordern sicherlich einen diffizilen und umfassenden, profunden Akt der Beweiswürdigung – das ist sicher der Fall –, an dessen Ende aber nicht der Spruch einer Justizministerin, sondern an dessen Ende für mich dann der Wahrspruch der Geschworenen stehen muss. – Ich glaube, darin sind wir uns ja einig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Ja, ja, bitte ...!)

Die von Ihnen auch in Ihrer Anfrage immer wieder angeführten Kritikpunkte und Be­hauptungen sind jedoch nicht von solch evidentem entkräftenden Gewicht, dass sie einer Anklage den Boden entziehen würden. So haben wir derzeit den Zustand, dass die Anklage nach wie vor rechtskräftig aufrecht ist.

Diese Anmerkungen oder Anregungen mögen zwar teilweise einen Kontrapunkt zur Sachverhaltsschilderung der Anklageschrift bilden – das ist auch richtig, das erkennen wir auch an –, doch konnte eine Auflösung dieses bestehenden Spannungsfeldes, wie es üblicherweise im kollegialgerichtlichen Verfahren regelmäßig vorkommt, eben nicht im Wege des Anklageeinspruches gefunden werden. Hier hat vielmehr das OLG Linz, wie ich schon ausgeführt habe, diese Anklage bestätigt. Dies eben deshalb, weil eine abschließende beweiswürdigende Beurteilung dem erkennenden Gericht vorbehalten ist und dem Einspruchsverfahren, ebenso wie auch im Rahmen der Bewilligung einer Wiederaufnahme, eben nicht vorgegriffen werden darf. Und das ist genau das Span­nungsverhältnis, in dem wir uns hier bei dem Fall Tibor Foco befinden.


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Vor allem hat das Oberlandesgericht Linz in dieser Ausführung auch darauf hingewie­sen, dass die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Wiederaufnahme noch nicht vorgele­genen neuen Gutachten Herrn Tibor Foco in einem noch deutlicheren Ausmaß belas­ten, als dies in früheren Verfahrensschritten der Fall gewesen ist. – Da gibt es eben – das kennen Sie sicher, Frau Abgeordnete – dieses Gutachten über die Hundehaare, Nagellackspuren und die Schmauchspuren.

Weiters betont das Oberlandesgericht auch, dass sich die Anklageschrift sehr plausibel auch mit den Tatmotiven auseinander gesetzt hat.

Auch eine abschließende Bewertung der Aussagen insbesondere einiger Zeuginnen bedarf einer umfassenden und in die Tiefe gehenden Beweiswürdigung auf Grund unmittelbaren Eindrucks von diesen Zeuginnen durch – wiederum – das erkennende Gericht.

Zusammenfassend kommt das Oberlandesgericht Linz – und ich betone immer wieder: das ist ein unabhängiges Gericht!; das ist jetzt nicht die Staatsanwaltschaft, weil mir ja immer gesagt wird, dass ich mit Weisungen agieren muss, sondern das ist ein unab­hängiges Gericht, das die Anklage der Staatsanwaltschaft überprüft hat! –, also ein unabhängiges Gericht, im Verfahren zur Anklageüberprüfung zu dem Schluss, dass die Schlussfolgerungen der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung Tibor Focos wegen der beiden angelasteten Delikte als wahrscheinlicher erachten lassen als dessen Frei­spruch. – Das ist die Grundlage, auf der wir hier agieren.

Sie haben jetzt auch angesprochen, dass wir die Vorwürfe gegen die Polizei, gegen die Ermittlungsorgane nicht überprüft hätten. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass diese Vorwürfe schon seit dem Jahr 1988 bestehen und diese Vorwürfe selbstverständlich von der Staatsanwaltschaft damals, wo es ja unmittelbar einen näheren Zusammen­hang zur Tat gab, geprüft wurden und keine Bestätigung der Vorwürfe gemacht werden konnte.

Sie haben auch den Richter angesprochen. Auch dazu gab es im Jahr 1996 bereits eine Anfrage des Hohen Hauses. Das Disziplinargericht hat diesen Fall überprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Maßnahmen zu treffen sind.

Sie haben auch angefragt, wie meine Position dazu ist, dass die Angelegenheit von der Staatsanwaltschaft Linz praktisch zu irgendeiner anderen Staatsanwaltschaft – ich nehme nicht an, dass Sie eine Präferenz für eine bestimmte Staatsanwaltschaft ha­ben – weitergeleitet werden möge.

Dazu darf ich ausführen: Zuständig für die Frage der Delegierung dieser Aufgaben an eine andere Staatsanwaltschaft ist der OGH. Es ist so, dass der OGH immer wieder betont hat, dass jedem Staatsbürger das Recht auf seinen zuständigen Richter zu­steht. Nur wenn es ganz besondere Argumente gibt, kann man von diesem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter auch abweichen.

Nach den mir vorliegenden Informationen finde ich eine derartige Argumentation nicht. Es steht aber dem Verteidiger des Herrn Tibor Foco selbstverständlich frei, mit den aus seiner Sicht schlüssigen und nachvollziehbaren Argumenten an den OGH heranzutre­ten und eine Delegierung zu erreichen.

Für mich ist es auch wichtig, dass seit der Rechtskraft dieser zweiten Anklage – das ist jetzt doch schon eine geraume Zeit her – keine Änderung der maßgeblichen Beweis­lage eingetreten ist. Daher besteht für mich als Justizministerin beziehungsweise für das Justizministerium kein Anlass, die Anklagebehörde zur Zurückziehung der Anklage anzuweisen. Dies würde vielmehr für mich ein unzulässiges Eingreifen oder Vorgreifen einer gerichtlichen Entscheidung über die Anklagebestätigung bedeuten.


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Ich möchte nochmals betonen: Ein Geschworenengericht hat seinerzeit den Schuld­spruch gefällt und eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. Der Oberste Gerichtshof hat damals dieses Urteil bestätigt. In der Sache selbst ist seither sowohl entlastendes als auch belastendes Material zutage getreten.

Ein solches – es ist auch schon mehrfach von meinen Vorrednern angesprochen wor­den – wirklich sehr diffiziles Verfahren durch eine Weisung meinerseits vom Schreib­tisch aus zu beenden, wäre aus meiner Sicht rechtsstaatlich mehr als bedenklich und ist für mich als Justizministerin dieser Republik in keinem Fall zu verantworten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meiner Meinung nach – und das ist für mich ganz wesentlich – ist nur das zuständige Gericht dazu berufen, diesen Fall endgültig zu beenden. Ich darf aber an dieser Stelle nochmals anmerken, dass dieses Verfahren deswegen noch offen ist, weil sich Herr Tibor Foco diesem Verfahren nicht stellt.

Ich betone an dieser Stelle nochmals, dass ich nach wie vor zu meinem Angebot stehe und bereit bin, Herrn Tibor Foco freies Geleit für dieses Verfahren zu gewähren. Was noch fehlt, ist der entsprechende Antrag des Herrn Tibor Foco. – Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zum Wort kommt Herr Abgeord­neter Dr. Böhmdorfer. Herr Abgeordneter, Sie haben ebenfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.54.26

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Frau Abgeordnete Dr. Moser! Ich komme einfach nicht dahinter, warum Sie diese Anfrage gestellt haben. Ich komme nicht dahinter. Auch die heutige Begründung war wirklich nicht so, dass man sagen konnte, die Frau Abgeordnete hat wirklich ein Anlie­gen, da ist etwas faul in diesem Verfahren, da gibt es grobe Mängel, das sollte man sich eigentlich auch einmal im Nationalrat anschauen, ob mit dieser Justiz grundsätz­lich etwas nicht stimmt.

Eine Erklärung dafür, warum Sie diese Anfrage in dieser Form stellen, auch in dieser Oberflächlichkeit, muss ich gleich dazusagen, bestünde darin, dass Sie ein nicht geordnetes Verhältnis – ich sage es sehr, sehr vornehm und zurückhaltend – zur Justiz haben.

Ich darf Ihnen schon sagen: Es ist eigentlich furchtbar, welche Lücken und welches Unverständnis da hervorkommen. Es geht um einen Mord im Rotlichtmilieu, unter schrecklichsten Umständen, und da wird 1987 ein Angeklagter rechtskräftig zu lebens­langer Haft wegen Mordes verurteilt: Tibor Foco. Es gelingt ihm dann, weil er – moder­ner Strafvollzug – die Gelegenheit hat, in Linz Jus zu studieren und einen Hörsaal zu besuchen, 1995 die Flucht. Dann wird sein Mittäter freigesprochen, was letztlich auch zu einer Wiederaufnahme seines Verfahrens führt.

Jetzt bekommt er nach Österreich freies Geleit, hat also alle Chancen, sich erneut zu verteidigen. Niemand kann sagen, dass in Österreich jemand vorweg als Verurteilter gilt, wir pflegen die Unschuldsvermutung, wir haben einen Rechtsstaat, wir haben Rechtsmittel, jeder bekommt seinen Verteidiger, ob er Geld hat oder nicht. Er bekommt freies Geleit, was nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist. Nun verletzt er diese Begünstigung, befolgt nicht die Spielregeln, die Kaution verfällt: Tibor Foco erscheint nicht. Also kommt es nach dem wieder aufgenommenen Verfahren wieder zu einer Überprüfung: Muss ihn die Republik Österreich anklagen oder nicht?


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110. Sitzung / Seite 174

Nun erhebt der Staatsanwalt wieder eine Mordanklage. Das schaut sich natürlich der Leitende Staatsanwalt an, das schaut sich der Oberstaatsanwalt an – lauter Männer, von denen Sie sagen würden, wenn Sie die Namen hören würden: Um Gottes willen, wie kann ich denn die verdächtigen, grobe Unzulässigkeiten, grobe Oberflächlichkeiten auch nur im Entferntesten zu dulden?!

Gut, es kommt zu dieser Anklage, und dann kommt es zu einem Einspruch gegen die Anklage. Der Einspruch wird von seinem Verteidiger gemacht, meines Wissens auch ein Hochschulprofessor. Dieser Einspruch ist offenkundig sehr ausführlich und sehr begründet – und das Oberlandesgericht überprüft. Also ein Gericht überprüft in einem unabhängigen Senat diese Anklage und hält diese Anklage für gerechtfertigt und richtig und sagt: Ja, dieser Prozess muss stattfinden, weil überwiegend Gründe dafür und weniger Gründe dagegen sprechen, dass es hier zu einer Verurteilung kommen wird.

Nun kommen Sie mit einer Besprechung einer Anfragebeantwortung, bei der Sie heute die Gelegenheit haben, Ihre Anfrage ordentlich, rechtsstaatlich, logisch, richtig – leider muss ich sagen: auch juristisch richtig (da gehören Paragraphen dazu) – zu begründen und auch Überlegungen und die entsprechende Judikatur dazu zu liefern.

In dieser Anfrage rutschen Ihnen Sätze heraus wie: „Bisher haben die befassten StaatsanwältInnen aber keinerlei der gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen getrof­fen. Wir verweisen daher ausdrücklich auf § 84 StPO ...“ – Das ist die Anzeigepflicht, die jeden Beamten, auch die Frau Ministerin als öffentlich Bedienstete trifft. Sie können diese Anzeige aber auch machen. Sie sind ja sonst nicht fad beim Anzeigenerstatten. Das glaube ich schon, nicht?

Dann schreiben Sie: Der Richter hat die Geschworenen belogen, er hat die Bestim­mungen der StPO gebrochen.

Weiter hinten heißt es dann: Die Staatsanwälte sind „ihrem gesetzlichen Auftrag offen­kundig bis heute nicht nachgekommen.“ Es gibt eine „unkontrollierbare Verwendung des § 90 StPO.“ – Das ist natürlich falsch, das wissen Sie ohnehin.

Abschließend fragen Sie: Warum ziehen Sie das unmoralische Angebot eines Verglei­ches – gegenüber dem Mittäter offensichtlich – nicht zurück? Wann bekommt er end­lich die ihm zustehende Entschädigung?

Bitte, Frau Abgeordnete, wenn Sie so versuchen, eine Justizministerin zu beeinflussen, dann haben Sie, muss ich sagen, wirklich ein gestörtes Verhältnis zu unseren rechts­staatlichen Einrichtungen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich das Grundkonzept unserer Rechtsordnung – wir haben das im Bereich der StPO verbessert, das stimmt schon – einmal anschauen. Schauen Sie sich an, wie in Österreich Entscheidungen der Staatsanwälte, der Richter und der Gerichte überprüft werden! Wenn Sie eines Besseren belehrt sind, wenn Sie über einen verbesserten Wissensstand verfügen, dann werden Sie möglicherweise über diese Anfrage und ihre Begründung anders denken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer, ein „gestör­tes Verhältnis“ zur österreichischen Rechtsordnung unterstellen wir in diesem Haus niemandem, würde ich vorschlagen. (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung Präsidentin Mag. Prammer –: Das ist ja paradox, was Sie da sagen! Das ist ja lächerlich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 5 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


18.00.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Frau Präsidentin! – Selbstverständlich unterstellen wir das niemandem. Das würden wir Grüne auch niemandem von der Freiheitlichen Partei oder von der ÖVP unterstellen. Diese Art von Unterstellungen ist ein Privileg von Minister Böhmdorfer außer Dienst.

Frau Ministerin! Nachdem Herr Bundesminister außer Dienst Böhmdorfer jetzt noch einmal die Abfolge dieser ganzen Causa dargestellt hat, die seit 1987 eine bald 20-jährige Geschichte hat, möchte ich hier zum Abschluss nach dieser Diskussion eines sagen: Es ist das für mich eine Frage, die ich unter den Kontext „Zugang zu einem fairen Verfahren“, „menschenrechtlich relevant“ reihen würde, weil es hier nicht darum geht, dass irgendjemand von Ihnen fordern würde, Sie sollen hier Weisungen geben. Ganz im Gegenteil! Das ist genau das, Herr Minister Böhmdorfer außer Dienst, zu dem Frau Dr. Moser in ihrem Redebeitrag die Frau Ministerin nicht aufgefordert hat. (Abg. Dr. Mitterlehner: Was wollen Sie denn?)

In dieser Causa Tibor Foco zeigt sich, dass im österreichischen – ich vermeide jetzt das Wort „Rechtsstaat“ und sage – Gefüge der unterschiedlichen Gewalten wahrlich nicht alles so ist, wie es eigentlich sein sollte. Der Punkt ist ja der, wie in dieser ganzen Causa die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden damals erfolgt sind, was damals passiert ist und wie es zu dieser Misere gekommen ist, die sich daran knüpft. Es haben natürlich unabhängige Gerichte entschieden, aber es ist halt Tatsache, dass die ermittelnden Beamten alle in Linz und Umgebung waren und alle Richter, Richterinnen, Staatsanwälte, Staatsanwältinnen genau in demselben sozusagen räumlichen „Biotop“ sich befinden und ich mich, ohne hier eine Wertung abgeben zu wollen, des Eindrucks nicht erwehren kann, dass dieses „Biotop“ ein sehr durchlässiges ist.

Die Grünen haben wiederholt Anfragen zu diesem Thema gestellt. Das ist vielleicht in Ihrer Ministerinnenschaft jetzt die erste, aber diese Causa hat ja schon Herr Kollege Rudi Anschober, als er hier Abgeordneter war, heftigst verfolgt, und zwar so, dass ich sagen muss: Dass der Herr Löffler letztendlich auch Entschädigungen bekommen hat, hat etwas damit zu tun, dass Abgeordnete dieses Nationalrates ihrem Interpellations­recht nachkommen (Abg. Dr. Mitterlehner: Was wollen Sie?), weil das auch eine ge­wisse Öffentlichkeit schafft, weil das auch, Herr Minister Böhmdorfer, positiven Druck erzeugen kann – nicht nur den Druck, den Sie uns immer unterstellen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist das, was Frau Dr. Moser mit der Beharrlichkeit, mit der Konsequenz, die ihr eigen ist, tut, und ich kann Ihnen versichern – ich kenne die Frau Dr. Moser –, sie wird das weiter tun.

Weil sich heute die Gelegenheit so günstig bietet und wir die Frau Ministerin hier haben, möchte ich noch Folgendes ansprechen: Frau Ministerin! Sie haben sicher den „Falter“-Artikel gelesen. (Die Rednerin hält einen Zeitungsartikel in die Höhe.) Ich will ihn jetzt nicht vorlesen, aber, Kolleginnen und Kollegen, lesen Sie auf Seite 18 den Artikel mit dem Titel „GV mit einer Negerin“ in der neuesten Ausgabe des „Falter“! (Abg. Neudeck: Kriegen Sie eine Provision vom „Falter“?) Lesen Sie das! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich lese den „Falter“ nicht!)

Ich habe den Verdacht, ich hoffe, den unbegründeten Verdacht, dass es zahlreiche parlamentarische Anfragen geben könnte, wenn sich diese Dinge als richtig herausstel­len. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ihre Reden werden immer skurriler!) Ich sage das jetzt nicht zufällig in der Debatte um die Causa Tibor Foco. Wir werden Sie damit beschäfti-


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gen müssen – außer Sie handeln schnell, denn hier können Sie es nämlich. Hier könn­ten Sie Ihre Möglichkeiten nutzen – zum Positiven für Frauen. (Beifall bei den Grünen.)

18.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

18.05.04Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 13 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. Wunschredezeit: 2 Minu­ten. – Bitte.

 


18.05.22

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Der Herr Verkehrsminister hat heute Vormittag in der Fragestunde sinngemäß erklärt, er sei weder in Wien noch in Brüssel der Anwalt der LKWs. – Die Botschaft hör’ ich wohl, aber allein die Ausschussberatungen zur Auf­weichung der LKW-Fahrverbote an Wochenenden im § 42 StVO haben ein anderes Bild geboten. Ich gebe aber zu, ihr nunmehriges Zurückweichen ist durchaus erfreulich.

Absolut nicht erfreulich ist hingegen das Verhalten des Verkehrsministeriums in der Frage der Ferienreisezeitverordnung. Es handelt sich hier um eine Verordnung, die sich über zwölf Jahre hindurch in Österreich äußerst bewährt hat, und die nunmehr vom Verkehrsministerium geplante Regelung ist in keiner Weise ein adäquater Ersatz dafür.

Massive Erleichterungen für den Schwerverkehr werden mit einer enormen Beein­trächtigung des Reiseverkehrs erkauft. Dass der Wirtschaftskammer der Tourismus allerdings egal ist, ist ohnehin bekannt. Die Folge werden vermehrte Staus und eine Erhöhung der Unfallgefahr sein. Die Folge wird aber auch zumindest ein imagemäßiger Schaden für den Tourismusstandort Österreich sein, zumindest ein Imageschaden.

Die Ankündigung des Verkehrsministers, er werde – ich zitiere – die Entwicklung des Reiseverkehrs an den Wochenenden mit Argusaugen beobachten, beruhigt auch kei­nesfalls. Diese Reiseströme sind uns seit Jahren bekannt. Das heißt also, entweder hat sich der Verkehrsminister bis dato mit dieser Problematik nicht wirklich ausreichend befasst, oder sie ist ihm egal. Beides stimmt bedenklich.

Ziel muss es sein, den Schwerverkehr zu Zeiten der wesentlichen Ferienwochenenden sowohl von den Autobahnen als auch den Bundes- und Landesstraßen fernzuhalten. Erforderlich ist daher ein Maßnahmenpaket bestehend aus der bisherigen Ferienreise­zeitverordnung sowie flankierenden Verboten im übrigen Straßennetz. Die Nichterlas­sung der bisherigen Ferienreiseverordnung beweist indessen einmal mehr, dass die Tourismus- und Freizeitwirtschaft dieser Bundesregierung vollkommen gleichgültig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fleckl. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.07.31

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekre­tär! Viele Teile der Novelle zur StVO sind sicher begrüßenswert, aber in einigen Punk-


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ten trägt sie aus meiner Sicht ganz sicher nicht zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei.

Die Änderung der Ferienreiseverordnung ist ein Beispiel dafür. Mit der Vorgangsweise, anstatt dieser Verordnung einen Fahrverbotskalender, der sehr schwammig formuliert ist, zu installieren, werden die ohnehin schon viel zu langen Staus in Österreich wäh­rend der Reisezeit nicht vermieden. – Ganz im Gegenteil: Folge sind nunmehr Sonder­regelungen in Form von Sonderfahrverboten. Diese sind zwar gut gemeint, bringen aber nichts, wenn sie nicht auch entsprechend überwacht und exekutiert werden. Die Exekutivbeamten im ländlichen Raum, die sowieso schon am personellen Limit sind, werden die Einhaltung wohl nur mangelhaft überwachen können.

Die Leidtragenden sind wieder einmal die Menschen, nämlich die Reisenden und die Bevölkerung. Es hätte wirklich etwas Sinnvolles entstehen können, wenn Sie einmal die Warnungen und Meinungen von Experten nicht ignoriert und auf die Zusammen­arbeit mit ihnen nicht verzichtet hätten.

Klar ist, dass die massiven Erleichterungen für den Schwerverkehr zu Erschwernissen im Reiseverkehr führen werden und damit die Lebensqualität der an verkehrsreichen Straßen lebenden Menschen wieder ein Stück vermindert wird.

Ein lachendes und ein weinendes Auge schaut auf diese Novelle, denn ein verkehrs­politischer Fortschritt ist sie mit Sicherheit nicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.09.23

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich beziehe mich auf den Antrag 141/A, mit dem wir vor eineinhalb Jah­ren sehr viele Maßnahmen eingebracht haben, die behinderten Menschen im Verkehr mehr Sicherheit geben sollen und auch ihre Stellung im Bereich der Mobilität gewähr­leisten sollen. Es hat eineinhalb Jahre gedauert, dass dieser Antrag hier im Plenum behandelt wird, und er wird nun von Seiten der Regierungsfraktionen abgelehnt.

Es ist schade, dass in der Straßenverkehrsordnung nur eine Veränderung für behin­derte Menschen gemacht wird, und zwar dass blinde Menschen bei den Schildern keinen Hürdenlauf machen müssen, weil die Schilder nun höher gehängt werden. Doch leider haben Sie es verabsäumt, dass es eine Mindestgrenze für die Schilder geben muss. Die variable Höhe für die Schilderanbringung wird auch den behinderten Men­schen, speziell den blinden Menschen, den Hürdenlauf wieder nicht ersparen.

Was ich Ihnen aber vorwerfen muss, ist, dass Sie vor einem Jahr im Ausschuss gesagt haben – ich glaube, Verkehrssprecher Miedl war es, aber auch der Herr Staatssekretär hat das gesagt –, dass behinderte und betroffene Menschen bei dieser Straßenver­kehrs-Novelle mitarbeiten können, das war aber nicht der Fall. Ich denke, es wäre wichtig, dass Sie betroffene Menschen einbeziehen und nicht draußen stehen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Heinzl. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.11.04

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Die vorlie­gende Novelle der Straßenverkehrsordnung hat im Vorfeld einige Diskussionen ausge­löst, und ich freue mich, dass die nun vorliegende Novelle unseren Vorstellungen als


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Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Wesentlichen entspricht. Daher werden wir heute auch zustimmen können. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Besonders wichtig war für uns – und das wissen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien –, dass das Wochenendfahrverbot für LKWs nicht aufge­weicht wurde, weil wir das rundweg ablehnen. Schon derzeit hat man am Wochenende den Eindruck, dass die bestehenden Fahrverbote nicht eingehalten werden, und bei der jetzt schon geringeren Kontrolldichte des Straßengüterverkehrs wäre ein weiterer massiver Missbrauch dieser Bestimmungen vorausprogrammiert gewesen.

Die Straßenverkehrsordnung wird sicherlich einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrs­sicherheit leisten, davon bin ich überzeugt. Die StVO stößt allerdings dort an ihre Gren­zen, wo die Straßenbelastung bereits an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt ist und die Unfallhäufigkeit deshalb steigt. Eine mehr als ausgelastete Straße ist beispielsweise die B 20, die von St. Pölten aus in südlicher Richtung nach Mariazell führt. Diese Straße wird in der Region mit voller Berechtigung auch als Todesstrecke bezeichnet.

Als Entlastung der B 20 ist schon lange die Verlängerung der S 33 vom Autobahn­knoten St. Pölten in Richtung Süden in Form der S 34 in mehreren Varianten geplant worden. Die Einreichplanung des ersten Abschnitts der S 34 von St. Pölten nach Wil­helmsburg liegt mittlerweile vor.

Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heinzl, Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend die sofor­tige Realisierung der S 34 (Traisentalschnellstraße)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Novelle zum Bundesstraßengesetz 1971 dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen, in welcher die S 34 (Traisental­schnellstraße) im Verzeichnis 2 als Bundesstraße S (Bundesschnellstraße) mit der Beschreibung der Strecke „Knoten St. Pölten (A1) – Wilhelmsburg – Umfahrung Wil­helmsburg – Traisen – Lilienfeld“ aufgenommen wird und für eine vorrangige Errich­tung zu sorgen.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Heinzl vorgetragene Entschließungsantrag ist entsprechend eingebracht, ausreichend unter­stützt und steht mit in Verhandlung.

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. – Ich ersuche die Damen und Herren, die Plätze einzunehmen! – Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen damit zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend die 21. StVO-Novelle in 910 der Beilagen.


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Hiezu haben die Abgeordneten Wittauer, Miedl, Eder, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf in 910 der Beilagen samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 910 der Beilagen samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrages der Abgeordneten Wittauer, Miedl, Eder, Kolleginnen und Kollegen.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Heinzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die sofortige Realisierung der S 34 (Traisentalschnellstraße).

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und dieser Antrag ist somit abge­lehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (911 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (912 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte auch hier jene Damen und Herren im Falle ihrer Zustimmung um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (913 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (914 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (915 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (916 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.


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Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (917 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht (918 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

18.17.5814. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (615 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungs­gesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Halbleiterschutzgesetz und das Sorten­schutzgesetz 2001 geändert werden (Biotechnologie-Richtlinie-Umsetzungs­novelle) (921 d.B.)

15. Punkt

Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch zum Schutz von Personen unter Sachwalterschaft vor fremdnütziger Forschung geändert wird (922 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Abgeordneter Krainer. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.18.47

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir lehnen die vorliegende Biopatentrichtlinien-Umsetzung ab, und zwar nicht aus Prinzip, weil wir diese Richtlinie nicht umsetzen wollen, sondern weil wir mit der Art und Weise, wie sie umgesetzt wird, nicht einverstanden sind.

1998 wurde auf europäischer Ebene die Biotechnologie-Richtlinie beschlossen, in der Zwischenzeit hat es eine Reihe von technischen Weiterentwicklungen gegeben – Klei­nigkeiten, zum Beispiel dass das menschliche Genom entziffert wurde. Sieben Jahre lang konnte man beobachten, welche Auswirkung diese Richtlinie auf die Praxis der Patentierung beim Europäischen Patentamt in München hat. Und die Kritik auf Grund dieser Praxis – auf die stützt sich unsere Ablehnung dieser Richtlinie – setzt an mehre­ren Punkten an. Man hat in der Praxis gesehen, dass diese Richtlinie nicht tauglich ist und große Schwächen hat.

Einige Länder haben ebenso wie Österreich mit der Umsetzung dieser Richtlinie zuge­wartet und haben auf Basis der Analyse der Schwächen und der Kritik an der Praxis dieser Richtlinie auch Modifizierungen vorgenommen, wie zum Beispiel Deutschland oder Frankreich.

Ich will mich jetzt auf zwei Punkte konzentrieren. Es gibt eine Reihe von Punkten, die man kritisieren kann. Der Erste ist, dass die Begriffe „Entdeckung“, „Erfindung“ und „Stoffschutz“ vermischt werden. Auf Grund der Kürze der Redezeit werde ich das an


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einem sehr vereinfachten Beispiel darlegen. Wenn es zum Beispiel – umgelegt auf konventionelle Erfindungen – jemand schafft, einen Stoff zu isolieren – in der Richtlinie steht, wenn es jemand schafft, ein Gen oder eine Gensequenz vom menschlichen Körper zu isolieren oder technisch herzustellen –, dann kann er ein Patent darauf er­werben, sofern er eine wirtschaftliche Verwertbarkeit vorlegen kann, auch wenn diese Gensequenz oder diese Gene, wie sie in der Natur vorkommen, identisch sind.

Das ist so, als ob man sagt, jemand entwickelt eine Technik, um Erdöl aus der Erde zu holen, und er hat dann nicht auf die Technik des Förderns aus der Erde ein Patent, sondern auf das Erdöl selbst. Und dann kommt dieser Stoffschutz ins Spiel, der ein absoluter Stoffschutz ist. Das heißt, er hat auch einen Stoffschutz auf das Erdöl, also nicht nur auf die Verwertung, die er selbst entwickelt oder entdeckt wie zum Beispiel die Herstellung von Benzin oder Diesel, sondern auch auf alle anderen Herstellungs­möglichkeiten, auf die jemand in Zukunft kommen könnte, wie die Herstellung von Styropor oder Medikamenten.

Dieser absolute Stoffschutz ist ein sehr großes Hemmnis für Forschung und Entwick­lung, aber auch für die Wirtschaft. Und hier setzt unsere Kritik an, dass wir sagen, wir wollen einen eingeschränkten funktionsbezogenen Stoffschutz, so wie das andere Länder bereits gemacht haben.

Der zweite Punkt betrifft die Möglichkeit der Patentierung von Leben und von mensch­lichen Genen. Die Praxis hat gezeigt, dass Hunderte Lebewesen, Pflanzen und auch menschliche Gene bereits beim Europäischen Patentamt patentiert wurden. Das heißt, dass die Umsetzung dieser Richtlinie dazu führt, dass das möglich ist. Und das lehnen wir ab. Auch da gibt es Beispiele von anderen Ländern, die zeigen, dass man die Richtlinie auch eingeschränkt umsetzen kann, also ohne diese negativen Auswirkun­gen, die wir für wirtschafts- und forschungsfeindlich halten.

Deswegen bringen wir einen Rückverweisungsantrag ein, den ich hiemit einbringen möchte.

Antrag

der Abgeordneten Krainer, Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwei­sung des Berichtes des Wirtschaftsausschusses über die Biotechnologie-Richtlinie-Umsetzung (615/921 d.B.) nochmals an den Wirtschaftssausschuss im Sinne des § 73 Abs. 3 Z 2 GOG

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, die gesamte Vorlage im Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Biotechnologie-Richtlinie-Umsetzungsnovelle (615/921 d.B.) nochmals an den Wirtschaftssausschuss zu verweisen.

*****

Die Begründung dafür ist, weil aus unserer Sicht dieser Gesetzentwurf den Bedenken, die ich vorher geäußert habe, nicht ausreichend Rechnung trägt. Ich ersuche um Zu­stimmung der Rückverweisung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Rückverweisungsantrag liegt dem Präsi­dium vor.

 


Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Wunschrede­zeit: 3 Minuten. – Bitte.


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18.22.48

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir unterstützen diesen Rückverwei­sungsantrag selbstverständlich nicht (Abg. Dr. Pirklhuber: Jetzt hätte ich geglaubt, es kommt eine Überraschung!), weil es höchste Zeit ist, dass Österreich diese Richtlinie endlich umsetzt. Es ist Ihnen wahrscheinlich auch bekannt, dass mittlerweile von 25 EU-Staaten 19 diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben. (Abg. Dr. Pirklhuber: Aber anders als wir!) Würden wir diese Richtlinie nicht bald umsetzen, würde uns pro Tag eine Strafe in der Höhe von 150 000 € drohen, und ich würde sagen, das ist nicht wenig. Das ist aber nicht entscheidend, sondern wesentlich ist, wenn wir die Richtlinie nicht umsetzen, hätte das einen Wettbewerbsnachteil für die heimische Wirtschaft. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das ist doch absurd!)

Zu der Einschränkung in zwei Ländern, die Sie, Herr Kollege Krainer, angesprochen haben: Sie müssen einmal festhalten, dass es nur zwei Länder sind. In zwei Ländern wurde dieser funktionsbezogene Stoffschutz umgesetzt, aber dieser führt eher zu Unsicherheiten als zu Klarstellungen. (Abg. Krainer: Es gibt auch andere Länder wie Italien!) Daher sind wir der Meinung, dass die österreichische Umsetzung, weil es eben eine Klarstellung bringt, der richtige Weg ist. (Abg. Krainer: Das stimmt nicht!)

Sie müssen auch sehen, dass, wenn von 19 Staaten 17 die Richtlinie exakt umsetzen, das nicht der falsche Weg sein kann.

Sie haben auch gemeint, Herr Kollege, dass wir in der Umsetzung einige Zeit vertan haben, darin gebe ich Ihnen Recht. Das führt aber nicht dazu, dass man sagen kann, deswegen sei die Richtlinie überholt. Überholt sind wir, weil wir nicht umgesetzt haben. Die Patentierung gibt dann im Zeitablauf wieder, dass wir in diesem Zusammenhang technische Weiterentwicklungen feststellen können, und genau diese technischen Weiterentwicklungen sollen dann auch dokumentiert werden.

Das, was Sie und auch die grüne Kollegin, die jetzt nicht da ist, Frau Glawischnig, in noch stärkerem Umfang meines Erachtens falsch machen, ist, dass Sie einfach nicht unterscheiden können, was ist eine Patentierung und was sind die Zielsetzungen bei­spielsweise des Gentechnik-Volksbegehrens. Dass Sie das in Zusammenhang brin­gen, finde ich fast grob fahrlässig. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Die Patentierbarkeit von Leben ist eben nicht gegeben (Abg. Krainer: In der Praxis schon!), und Sie sollten das auseinander halten. Patente können unter den generellen Voraussetzungen auch für Erfindungen erteilt werden, deren Gegenstand Mikroorga­nismen, Zelllinien, Pflanzen oder Tiere sind (Abg. Dr. Pirklhuber: Was heißt das prak­tisch?), aber das ist genau der Unterschied. Dabei ist nicht die Schöpfung Gegenstand des Patentes, sondern die technische Lehre, nach der man bestimmte Merkmale eines Organismus verändern oder dem Organismus eine neue Eigenschaft geben kann.

Auch gewährt ein Patent keine Eigentumsrechte an biologischem Material, Pflanzen und Tieren. Patente geben insbesondere keine unmittelbare Verfügungsgewalt über die patentierten Gegenstände. Vielmehr beschränkt sich das Patent auf das Recht, anderen bestimmte Verwertungshandlungen zu verbieten. – Ihr Argument, Herr Krai­ner, ist eigentlich genau der Ausschluss dessen. (Abg. Krainer: Absatz 2 Ziffer 4 der Richtlinie sagt, dass es doch geht!)

Ich möchte jetzt ganz kurz in der verbleibenden Zeit auch noch darauf eingehen, was Frau Glawischnig in einer gestrigen Presseaussendung gesagt hat. Sie meinte, die Umsetzung der Richtlinie würde auch einen Verstoß gegen die Biomedizinkonvention und die Konvention über den Schutz der Artenvielfalt darstellen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Gegen das Bioethikprotokoll!)


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Die Bioethikkommission bei Bundeskanzleramt in Österreich hat sich eingehend mit ethischen Fragen der Umsetzung der Biopatentrichtlinie beschäftigt und die Umset­zung empfohlen. Der Schutz nicht einwilligungsfähiger Personen in Zusammenhang mit klinischen Prüfungen wird durch eine Änderung des ABGB nochmals ausdrücklich festgehalten,

Zum Vorwurf, die Richtlinie würde gegen die Biodiversitätskonvention verstoßen: Lesen Sie, Herr Kollege, Artikel 16, in dem ganz detailliert festgehalten ist, dass diese Konvention die Existenz von geistigen Schutzrechten auf dem Gebiet der Biotechno­logie als eine wichtige Voraussetzung insbesondere für den Technologietransfer und für gemeinsame Investitionen anerkennt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Die Schutzbestimmun­gen!) – Es gibt noch ein paar weitere Punkte, die das bestätigen.

Meine Damen und Herren, wir reden immer von Arbeitsplätzen, davon, dass wir die Lissabon-Ziele einhalten und erreichen sollen. Wenn Sie sehen, dass wir im Biomedi­zinbereich als europäischer Standort gegenüber Amerika im Nachteil sind – die haben die vierfachen Anmeldungen –, dann werden Sie endlich erkennen, dass dieser Weg der letztlich eindeutig richtige ist, weil einerseits der Wirtschaftsstandort entsprechend abgesichert wird und Möglichkeiten geschaffen werden und andererseits die berechtig­ten Anliegen betreffend Lebenspatentierbarkeit, die Sie angesprochen haben und die wir auch teilen, eben berücksichtigt werden. Daher ist das der richtige Weg, und wir geben diesem Weg die entsprechende Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Grünewald. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.28.02

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich gebe zu, die Debatte ist schwierig. Das hängt auch damit zusammen, dass mir auffällt, dass die Diskussion ausgesprochen plakativ ist. Ich gebe auch zu, dass es teilweise beide sich widersprechenden Seiten betrifft, und viel­leicht kann ich ein bisschen etwas zur Klärung beitragen.

Wozu ich aber nichts beitragen kann, ist die Meinung, dass diese Vorlage keinesfalls zurückverwiesen werden soll. Wir Grüne haben uns mit dem Thema eingehend be­schäftigt und im Prinzip verschriftlicht, dass wir sehr vieles an dieser Richtlinie positiv und als eine Verbesserung betrachten. Wir richten aber auch unsere Augen dorthin, wo einiges relativ unpräzise formuliert, einiges auch widersprüchlich ist und anderes doch mehrere Deutungen zulässt, mit denen wir alle nicht einverstanden wären. So ist es.

Gewisse Befürchtungen teile ich nicht, das sage ich jetzt als Person. Aber trotzdem ist mir das Thema zu wichtig, als dass man sagen könnte, egal, was jetzt die Opposition sagt, Hauptsache ich habe morgen die Arbeitsplätze, die aber morgen nicht da sein werden. Mir ist lieber, wenn da doch etwas substanziell verbessert wird, weil sogar die EU sagt, dass das Richtlinien sind und es den jeweiligen Staaten natürlich freisteht, nationale Spielräume zu nutzen. Das soll man jetzt nicht im Sinne exemplarischer Überzeichnungen verstehen oder dass man überhaupt schon glaubt, es wird dann, wenn diese Richtlinie umgesetzt wird, das ewige Heil kommen, und die Krankheit wird von der Erde verschwinden. So ist es nicht. Aber in Extremen kann man nicht debattie­ren.

Wenn der Wirtschaftsstandort Österreich profitieren soll, profitiert er auch davon, wenn solch ein Gesetz möglichst konsensual von einer breiten Mehrheit getragen wird und Unsicherheiten ausgeräumt werden. Wir haben ja nicht vorgeschlagen, alles zu


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ändern, sondern die Diskrepanz, dass manches Positive in der Richtlinie steht, aber das Europäische Patentamt einige Male anders entschieden hat, als es unserer Auffas­sung dieser Richtlinie entsprechen würde, liegt darin, dass man schon sehen muss, dass das ja teilweise hochkarätige Forschung ist. Ein Patentamt lebt auch nur von seinen Angestellten, die nicht in Windeseile ein Patent nach dem anderen, vielleicht bis ins letzte Detail ziseliert, verstehen und begutachten können.

Zum Beispiel haben wir jetzt vorgeschlagen, dass man auf EU-Ebene versucht, die Valenzen des Europäischen Patentamtes in München zu bessern. Ich frage mich: Warum kann man nicht versuchen, solch ein essenzielles Thema, bei dem auch bessere Rechtssicherheit und eine Sicherung von Normen, die wir uns alle wünschen, zu erreichen sind, besser anzugehen? Darin sind alle Methoden, die zum Klonen von Menschen dienen, verboten, die kommerzielle Verwertung von Embryonen, um Ge­winne zu machen, ist klar vom Patentrecht ausgeschlossen – ebenso Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Das war noch nie in dieser Form formuliert.

Und jetzt, nur weil Sie meinen, das müsse sofort oder nächste Woche oder nächstes Monat beschlossen werden, würde ich Sie wirklich ersuchen, hier mit uns einen Konsens zu finden. Ich halte ihn nicht für ausgeschlossen. Allerdings gebe ich zu, dass sich sozusagen beide Teile ein bisschen werden bewegen müssen. Was dabei heraus­kommen kann, kann nur etwas Besseres sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.32.12

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Namen mei­ner Fraktion unterstütze ich die heutige Beschlussfassung der vorliegenden Gesetzes­materie.

Herr Kollege Professor Grünewald, man sollte nicht vergessen, dass die gesamte Dis­kussion mit der Opposition, wenn man auch die letzte Legislaturperiode mit einbezieht, über mehr als vier Jahre geführt worden ist und auch eine Reihe von Expertisen der Ethikkommission der Bundesregierung in die Abänderungen gegenüber dem ursprüng­lichen Entwurf eingeflossen ist, sodass ich glaube, dass hier der Spielraum und die ethische Dimension im Gegensatz zum Rückverweisungsantrag der sozialdemokra­tischen Fraktion gut berücksichtigt sind.

Es ist mir immer wichtig gewesen – und ich habe hier auch einige Jahre selbst dazu beigetragen, dass die entsprechende Beschlussfassung nicht stattgefunden hat –, dass jene Menschen, die selbst nicht entscheidungsfähig sind, sei es, weil sie im Koma sind, sei es, weil sie geistige Behinderungen haben, sei es, weil es sich um Kleinkinder handelt, sozusagen nicht zu – man verzeihe mir den drastischen Ausdruck – Versuchs­kaninchen verkommen können und dass all diese Belange nicht nur auf den engen Bereich der medizinischen Forschung zutreffen, sondern auch auf alle anderen damit zusammenhängenden neuen Forschungsbereiche ausgedehnt werden.

Wenn man sieht, dass heute die Gentechnik und die mikrobiologische Forschung oftmals mit der Kybernetik und der Elektronik streng einhergehen, so sind die Grenzen zwischen Medizin, Medizintechnik und anderen Forschungsbereichen sehr offen ge­worden. Daher macht es auch Freude, dass hier über das ABGB ein entsprechender Schutz für diese meiner Meinung nach wichtige Bevölkerungsgruppe geschaffen wurde.


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Ich bin auch sehr zufrieden damit, dass behinderte Menschen endlich in den Ethikkom­missionen ad personam vertreten sind, da wir auch wissen, dass behinderte Menschen ein anderes Sensorium und eine andere Empfindlichkeit für die Fragen der sozialen Stellung und für die Fragen der sozialen Möglichkeiten haben.

Dass die Forschung insgesamt in diesem Bereich nicht zur Gänze ausgeschlossen worden ist, wie es manche in der Diskussion wollten, halte ich auch für gut, denn wir würden sonst keinen Fortschritt bei der Behandlung von oder den Verbesserungen bei körperlichen oder geistigen Erkrankungen erzielen. Es war daher wichtig, diese Nische so offen zu halten, dass auch die ethische Abwägung zwischen einer Doppelblind­studie, einer heute für die entsprechende Erkrankung oder Behinderung möglichen Therapie und einer künftigen vielleicht besseren Therapie gegeben ist. Es soll keine Blindprobe alleine mehr sein, sondern es müssen heutige therapeutische Möglichkei­ten im Verhältnis mit künftigen therapeutischen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden. Es ist nicht zumutbar, dass Menschen, die selbst nicht über sich verfügen können, in Doppelblindstudien zu schlechterer Behandlung verurteilt werden, während es vielleicht praktikable, durchaus gängige Verbesserungen und Möglichkeiten gibt.

Ich glaube daher, dass wichtige Anliegen auch nach den Kommentaren der Ethik­kommission erreicht werden konnten. Wir unterstützen daher dieses Vorhaben, weil wir uns davon wieder eine Erholung der österreichischen Forschungslandschaft erwarten.

Die Stadt Wien ist vom 23. Platz in Europa auf den 28. Platz im Bereich dieser For­schungstätigkeiten abgeglitten. Manche der neuen Forschungsentwicklungen zwischen Tulln und dem 3. Wiener Gemeindebezirk bereiten mir sehr große Sorgen, nämlich dass man potente und lange Jahre am Standort Wien befindliche Forschungseinrich­tungen vorsätzlich vertrieben hat. Ich hoffe daher, dass wir damit die Rahmenbedin­gungen in diesem Zukunftsbereich geschaffen haben, um in Österreich wieder Qualität, Heilung und Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Mag. Moser. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.36.51

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erster Punkt: Ich weiß nicht, wen oder was Herr Staatssekretär Mainoni hier vertritt. Das war auf der Agenda des Wirtschaftsausschusses schon unklar. Viel­leicht kann man klären, wie das kompetenzrechtlich geregelt ist.

Grundsätzlich möchte ich anmerken, dass diese Biopatent... (Zwischenruf der Abg. Sburny.– Ja, es war im Ausschuss auch so. Man kennt sich nicht mehr aus, wer wofür zuständig ist. Das liegt möglicherweise in der Fortsetzung der „neuen“ Partei­struktur, der Klubs und so weiter. Man müsste das vielleicht einmal in der Zwischenzeit klären. (Abg. Sburny: Er hat uns auch keine Antwort geben können, warum ... nicht nützen!) – Möglicherweise wegen der Kompetenzfrage.

Der vorliegende Entwurf ist noch immer wirtschafts- und forschungsfeindlich, obwohl es viele Verbesserungen gegeben hat. Der eigentliche Hauptpunkt, der uns besonders beschäftigen sollte, ist die nach wie vor bestehende Rechtsunsicherheit, weil dieses Gesetz, an die Ausführungen des Kollegen Krainer anschließend, den absoluten Stoff­schutz zulässt. Und was wird die Folge sein? – Die Folge wird sein, dass sich eine Schar von Patentanwälten mit diesem Thema wird auseinander setzen müssen, was die Wirtschaft viel Geld kosten wird, was die Forschungsverwertungen verzögern wird und was bis hin zur Abwanderung von Forschungsinstitutionen führen kann. Und das


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ist ein negativer Aspekt, den wir hier aus der Sicht der Wirtschaft stark berücksichtigen sollten.

Ich glaube, dass da das französische oder das deutsche Modell, in denen es um eine Zweckbeschränkung oder um eine Funktionsbeschränkung geht, wesentlich mehr Klarheit bringen. Daher könnte man diesen Bereich durchaus näher betrachten.

Was bei dieser Rechtsunsicherheit besonders zu berücksichtigen ist, ist, dass die Verwertung von Lizenzgebühren, also die Nutzungsrechte über Lizenzgebühren abge­schöpft werden. Das ist verteilungspolitisch hochproblematisch, nämlich dann, wenn bestimmte Leute keinen Zutritt mehr zu diesen Nutzungsrechten haben, sondern sich auch entsprechend finanziell verausgaben müssen.

Für uns Sozialdemokraten sind zwei Ziele wesentlich: Das erste Ziel ist, dass die Würde und Integrität der Menschen gewahrt bleiben müssen. Das ist der Hauptpunkt. Und das ist durch diese Richtlinie, durch dieses Gesetz nicht gegeben.

Der zweite Punkt ist, dass diese wissenschaftliche und medizinische Forschung den Menschen zu Gute kommen muss, dass sie also nicht von bestimmten Therapien aus­geschlossen werden. Wir von der SPÖ werden nicht zustimmen, dass der medizini­sche und wissenschaftliche Fortschritt zu einem Privileg der Reichen wird. Wir wollen, dass alle diesen Zugang haben. Und daher lehnen wir diese Novelle ab. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort kommt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.39.29

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär Mai­noni! Für mich ist Ihre Anwesenheit sehr schlüssig. Diese Materie hat in vollem Umfang mit Forschung zu tun, das ist hier bereits angesprochen worden. Wenn ich mir die Pole Grünewald – Moser anschaue, stelle ich fest, für den einen ist die Vorlage zu wirt­schaftsfreundlich, für den anderen zu wirtschaftsfeindlich. Interessanterweise ist das für die SPÖ noch immer zu wirtschaftsfeindlich, also müsste es noch wirtschaftsfreund­licher sein. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Aber forschungsmäßig ist diese Novelle gewiss ein Gewinn, weil wir damit Sicherheit in einem Bereich erreichen, der mit hohen Investitionen verbunden ist. Die Vorberei­tungen plus Verwertungen von Patenten betragen etwa 20 Jahre, im Biopatentbereich beträgt die Nutzbarkeit nur etwa 10 bis 12 Jahre.

In dieser Zeit ist aber das Forschungsprivileg nicht gestoppt. Das heißt, Versuche, lizenzierte Weiterentwicklungen und Publikationen sind möglich. Was mich auch als Bürgerin einigermaßen beruhigt, ist, dass die Bioethikkommission beim Bundeskanz­leramt nach strenger Prüfung die Umsetzung empfohlen hat. Wir setzen nicht mehr um, als notwendig ist. Wir schaffen Klarheit. Wir schaffen Sicherheit. Das ist für die Bürgerinnen und Bürger genauso wichtig wie für die Forscherinnen und Forscher.

Wovon haben die Bürger einen Nutzen? – Vor allem von der biotechnologischen Medi­zinforschung. In den nächsten zehn Jahren wird die Hälfte aller Arzneimittel biotechno­logisch, also auf der Basis „roter Biotechnologie“ sein. Wir alle werden davon profi­tieren. (Abg. Krainer: Da sagen aber medizinische Forscher das Gegenteil!) Es wird Sicherheit und Klarheit für die Nutzer gegeben sein. Es wird als Gegenleistung für das Patentieren Sicherheit für die Forscher geben. Übrigens: Patente gibt es seit über 500 Jahren. Das ist nichts Neues, sondern schafft Klarheit und Transparenz – für Er­gebnisse in der sequenzierten Form. (Abg. Krainer: Die Forscher selber sehen das aber ganz umgekehrt!) – Die Forscherinnen und Forscher sehen das ähnlich.


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Wir hatten im Jahr 2003 – da waren Sie noch nicht hier im Parlament, Herr Kollege – eine Enquete ... (Abg. Krainer: Da war ich natürlich schon im Parlament, 2003! 2002 bin ich ins Parlament gekommen!) – Okay, Sie waren schon hier. Dann haben Sie es offenbar versäumt, an der Enquete teilzunehmen. (Abg. Krainer: Ich habe nichts ver­säumt! – Abg. Dr. Cap: Hat er nicht versäumt!) Dort gab es eine sehr ernsthafte Aus­einandersetzung, die sich im Wesentlichen auf die Einwände bezogen hat, die Herr Magister außer Dienst Haupt heute ausgeräumt hat. (Abg. Dr. Cap: „Magister außer Dienst“ ist er nicht! Minister außer Dienst!) Mit dem §-27-Antrag, mit dem Schutz von nicht einwilligungsfähigen Personen – hier heute mit zur Debatte –, ist der Einwand behoben.

Wir können sagen: Mehr Sicherheit für die Konsumentinnen und Konsumenten, mehr Sicherheit für die Forschung, mehr Sicherheit für die Wirtschaft. (Abg. Dr. Cap: Das stimmt ja nicht!) Wien muss sich anstrengen, dass wir den verlorenen Platz in der Biotechnologie wieder aufholen. Die heute vom Vizekanzler und gestern vom Bundes­kanzler angesprochene Forschungsoffensive braucht auch diese Klarstellung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Krainer: Das stimmt ja gar nicht! – Abg. Dr. Brinek – das Rednerpult verlassend –: Stimmt schon!)

18.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Pirkl­huber. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.42.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Brinek, Sie haben es sehr klar zum Ausdruck gebracht: Es ist nicht mehr umgesetzt worden, als notwendig ist. Das haben Sie gesagt. (Abg. Dr. Brinek: Als die Richtlinie verlangt!) Genau damit haben Sie unserer Kritik Recht gegeben. Genau dort, wo die Richtlinie Schwächen und Unausgegorenheiten hat, setzt unsere Kritik an.

Schauen Sie, auch wenn Verbesserungen – das haben wir auch durchaus zugestan­den – im Rahmen der Diskussionen erreicht wurden: In der Sache selbst, meine Da­men und Herren, ist es eine forschungspolitische Sackgasse, die durch internationale Entwicklungen im Biotechnologiebereich dominiert ist.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Millionen an Lizenzgebühren, die Monsanto jetzt bereits in der amerikanischen Landwirtschaft, also in der Praxis, einklagt. (Abg. Dr. Brinek: Sie zitieren hier immer amerikanische Beispiele!) – War­um? – Weil die Themenführerschaft in diesem Bereich – und das haben Sie ja zu Recht gesagt – in der Regel bei amerikanischen Konzernen liegt. Natürlich haben wir eine europäische Forschung, und in den medizinischen Spezialbereichen und in der Medikamentenentwicklung ist die Gentechnik nicht wegzudenken, keine Frage. (Abg. Dr. Brinek: Ja eben!) Das sehen wir Grünen auch ganz klar, und dafür braucht es klare Regelungen.

Aber, meine Damen und Herren, das, was das Gentechnik-Volksbegehren mit dem Slogan „Kein Patent auf Leben“ intendiert hat, ist ein Anspruch, der völlig berechtigt ist und der nach wie vor in der europäischen Diskussion zu führen ist. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. – Abg. Dr. Mitterlehner: Das hat ja mit dem nichts zu tun!) – Das hat sehr viel damit zu tun, Herr Kollege Mitterlehner! Es wäre notwendig, dass die Bundesregierung zum Beispiel eine Initiative startet, um die EU-Richtlinie auch zu reparieren. Das gehört so wie hier im Nationalrat wieder zurück an die Adresse der Europäischen Kommission beziehungsweise des Europäischen Parla­ments verwiesen. Diese Richtlinie fällt zurück hinter aktuelle ... (Abg. Dr. Mitterlehner:


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Sie können sich die Chancen ausrechnen, wenn das 19 Länder schon entsprechend umgesetzt haben, dass das noch einmal neu aufgerollt wird!)

Herr Kollege Mitterlehner, Sie haben aber in der Art, wie es umgesetzt wurde, die Mög­lichkeit des eingeschränkten, funktionsgebundenen Stoffschutzes nicht so genutzt, wie das andere Länder gemacht haben. (Abg. Dr. Brinek: Zwei!) Das wäre das Mindeste gewesen, was Sie hätten tun können. Ich erinnere daran, dass Bundesminister Pröll in der Enquete damals klar gesagt hat, dass man sich überlegen müsse, ob man Pflan­zen und Tiere in derselben Form regelt oder nicht. Das ist, so denke ich, der Kern der Frage.

Im Bereich pflanzlicher und tierischer Lebensmittel beziehungsweise Produkte besteht aus unserer Sicht die Notwendigkeit zum Schutz der Biodiversität, auch im Sinne einer sozialen, globalen Sichtweise bezüglich der Rechte der indigenen Völker, die zu schüt­zen sind. Ich erinnere daran, dass das Münchner Patentamt vor kurzem ein Patent auf eine indische Pflanze zurücknehmen musste, weil es unberechtigt erteilt wurde. (Zwi­schenruf der Abg. Dr. Brinek.– Na ja. Sie sehen, dass das ein Grenzbereich ist, wo wir gezwungen sind, den Dingen ernsthaft in die Augen zu sehen.

Daher werden wir den Rückverweisungsantrag des Herrn Kollegen Krainer natürlich unterstützen und gemeinsam tragen (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner) und hoffen, dass Sie, Herr Kollege Mitterlehner, in diesem Punkt auch mitgehen, das wäre richtig, damit in ein paar Monaten eine wirklich brauchbare Lösung auf den Tisch kommt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort gelangt Staatssekretär Mag. Mai­noni. – Bitte.

 


18.46.13

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Eduard Mainoni: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu allererst zur Aufklärung: Das Patentamt, patentrechtliche Angelegen­heiten und die Rechtsmaterie des Patentwesens ressortieren zum Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, in dem ich Staatssekretär bin. Deshalb sitze ich heute hier und befasse mich mit dieser Materie. Ich befasse mich selbstverständlich sehr intensiv damit, und als Jurist sehe ich da eine sehr bedenkliche Situation.

Es war nämlich bereits im Jahr 2000, meine sehr geehrten Damen und Herren, als die Biotechnologie-Richtlinien – um genau zu sein: bis zum 30. Juli 2000 – innerstaatlich umgesetzt werden hätten sollen. – Das ist Faktum eins. (Abg. Dr. Pirklhuber: In ande­ren Ländern auch andere Richtlinien!)

Faktum zwei, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass der Europäische Ge­richtshof am 28. Oktober 2004 mit Urteil festgestellt hat, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus der Biotechnologie-Richtlinie verstoßen habe. (Abg. Krainer: Das haben Sie schon im Ausschuss vorgelesen!) – Aber es ist ganz gut, wenn Sie es hören, weil eine Rückverweisung auch aus zeitlichen Gründen fahrlässig ist, sehr geehrter Herr Kollege. (Abg. Krainer: Das kennen wir schon!)

Das Dritte ist: Die Europäische Kommission hat mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 an das Bundeskanzleramt das Urteil in Erinnerung gerufen und für den Fall, dass dem Urteil nicht entsprochen wird, die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens ange­droht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben es bereits gehört: Die dro­hende Strafe beträgt täglich 152 000 €. Deshalb wäre es absolut fahrlässig, hier noch zu zögern.


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Ich darf auch auf Ihre Kritik, sehr geehrter Herr Kollege, betreffend die Thematik abso­luter Stoffschutz oder eingeschränkter, funktionsgebundener Stoffschutz eingehen. Faktum ist, dass lediglich Deutschland und Frankreich den eingeschränkten bezie­hungsweise funktionsgebundenen Stoffschutz angewandt haben (Abg. Dr. Pirklhuber: Portugal, Italien! – Abg. Krainer: Italien!), während der absolute Stoffschutz, an dem auch wir uns orientieren, von Schweden, Dänemark, Großbritannien, Spanien, Portugal und (Abg. Krainer: Tschechien!) unter anderem auch Tschechien angewendet wird. (Abg. Krainer: Ich habe die gleichen Unterlagen wie Sie!) – Die haben Sie von mir bekommen, vollkommen richtig. Ich hoffe, Sie haben sie auch gelesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind einmal die formalrechtlichen Gründe. Ich darf dann noch darauf verweisen, dass die Bioethikkommission keinerlei weiteren Wünsche – und sie hat genau diese Vorlage nicht im Jahr 2002, sondern jetzt noch einmal vorgelegt bekommen – geäußert hat, insbesondere natürlich auch keinen Wunsch nach einer weiteren Restriktion. Die Bioethikkommission – ich darf schon dar­auf verweisen – ist ein Expertengremium, das, so hoffe ich, über jeden Verdacht erha­ben ist. Das sind unter anderem – die Leitung hat Universitätsprofessor DDr. Huber – zahlreiche führende Mediziner und auch Theologen wie der Moraltheologe Günter Virt zum Beispiel.

Wir sehen auch vor, wie es bereits im Jahr 1998 verhandelt wurde, dass als zusätz­liche Kontrolle noch ein Instrumentarium geschaffen werden kann: das so genannte Monitoring-Komitee. Die Textierung über dieses Monitoring-Komitee ist übrigens sei­nerzeit zwischen ÖVP und SPÖ akkordiert worden.

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren, alles in allem ist es dringend an der Zeit, die EU-Richtlinien hier in Österreich umzusetzen. Es handelt sich dabei um eine Rechtsmaterie. Ich darf darauf verweisen, dass es hier nicht um den Inhalt geht. Das sind vollkommen andere Rechts- und Strafmaterien. Da geht es zum Beispiel um das Tierschutzgesetz und dergleichen mehr.

In diesem Fall geht es darum, dass wir EU-Richtlinien schon sehr spät, aber gerade noch rechtzeitig umsetzen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

18.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.50.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf auf die Ausführungen einiger meiner Vorredner Bezug nehmen.

Kollege Pirklhuber, ich meine, dass Sie verunsichern. Es ist wohl richtig, dass eine Ent­scheidung des Patentamtes zurückgenommen wurde, revidiert wurde. Gott sei Dank gibt es die entsprechenden Kontrollmechanismen (Abg. Dr. Pirklhuber: Gott sei Dank! Aber warum?), die gerade das möglich machen. Auf mich jedenfalls wirkt das beruhi­gend. Und dass da und dort Fehlentscheidungen getroffen werden können, wird sich auch durch entsprechende gesetzliche Regelungen nicht verhindern lassen.

Wir vertreten den Standpunkt – aus gutem Grund, wie ich meine –, dass der umfas­sende Stoffschutz die sinnvollere Lösung ist und dass wir nicht deswegen, weil zwei Länder den eingeschränkten Stoffschutz gewählt haben, angehalten sind, dem gleich­zutun.

Geschätzte Damen und Herren! Nach einer zehnjährigen Diskussion, Erörterung im Rat und im Europäischen Parlament wurde diese Richtlinie angenommen. Es wurde


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110. Sitzung / Seite 190

bereits dargestellt, dass wir schon längst verpflichtet gewesen wären, diese in inner­staatliches Recht zu übernehmen.

Ich weise ausdrücklich darauf hin: Es hat ja in wirklich vielen Diskussionen entspre­chende Erörterungen gegeben. Tatsache ist, dass es höchst an der Zeit ist, jenen Unternehmungen, die in diesem Bereich tätig sind, die hier sehr, sehr viel Geld inves­tieren oder bereit sind zu investieren, die hier Arbeitsplätze schaffen, Sicherheit zu geben, einen Schutz für ihre Investitionen. Ich bin überzeugt davon, dass mit dieser Anregung auch Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ich darf noch auf die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Gebiet der Biotechnologie bezie­hungsweise Gentechnologie hinweisen. Schätzungen zufolge sind es im Jahr 2005 in diesem Marktsegment in etwa 100 Milliarden €, und man rechnet global, weltweit, mit in etwa 2 Billionen € im Jahr 2010. Das heißt, es ist ein entsprechender Markt gege­ben.

Inhaltlich wurde schon ausgeführt, dass die Bedenken, die geäußert wurden, unserer Meinung nach nicht zutreffend sind. Daher ist es selbstverständlich, dass wir den Rückverweisungsantrag nicht unterstützen und heute zu einer entsprechenden Be­schlussfassung kommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.52



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110. Sitzung / Seite 191

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Bauer. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.52.49

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich glaube, niemand zweifelt hier die Bedeutung dieses Gesetzes und dieses Bereiches an. Es ist einmal so, dass er schwierig zu regeln ist, weil einerseits der technische Fortschritt und damit auch die Möglichkeit zum Beispiel des medizini­schen Fortschrittes gegeben sein sollen, andererseits aber steht die Frage im Raum, wie weit er gehen soll und wie er eingegrenzt werden kann auf das, was wir auch wirk­lich verantworten können.

Da stellt sich also schon die Frage: Wer hat letztlich noch Zugang, wenn man einen zu umfassenden Bereich patentieren lassen kann? Wenn man das nicht auf das Ver­fahren beschränkt, sondern auch auf die Gene oder Gensequenzen ausdehnt, dann bedeutet das, dass viele keinen Zugang mehr finden. Wenn man sich ganze Pflanzen­arten schützen oder patentieren lassen kann, dann bedeutet das, dass sich einige Großkonzerne letztlich Monopole schaffen werden, die dann von niemandem mehr „geknackt“ werden können. – Das ist die Diskussion, die wir führen sollten. Nicht, weil wir forschungsfeindlich sind, nicht, weil wir nicht wissen, dass auch eine große Chance damit verbunden sein kann, sondern die Frage des Zugangs zu diesen Forschungen und die Frage, wie sie dann genützt werden, sollten politisch klarer geregelt sein. Wir glauben, dass mit der vorliegenden Übernahme der Richtlinie der Europäischen Union ein zu weit reichender Ansatz gewählt wurde und Österreich mehr „heraushandeln“ hätte müssen.

Was die Pflanzen betrifft – Herr Kollege Auer, wir haben es erlebt beim Saatgut: Da gibt man einmal eine Zustimmung, und das Ende ist, dass plötzlich niemand mehr das Saatgut, das er in früheren Zeiten einfach von der Ernte zurückgehalten hat, so einfach wieder verwenden kann – heute darf er nur mehr gegen hohe Bezahlung diese Mög­lichkeit nutzen. Das ist das, was wir zu diskutieren haben, und daher sind wir mit dieser weit reichenden Fassung nicht einverstanden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Hoscher. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


18.55.10

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es wurde von meinen Kollegen bereits darauf hingewiesen, dass insbesondere der absolute Stoffschutz einer unserer Kritikpunkte ist, weil wir eben meinen, dass hier die Forschung unter Umständen unnötig behindert wird.

Ohne Zweifel – und das ist unbestritten, da ist den Vorrednern aller Fraktionen Recht zu geben – ist der Bereich der Biotechnologie ein Hoffnungsbereich der Wirtschaft. Das ist keine Frage.

Nur zur Illustration dazu: Gerade Wien hat, allen uninformierten – der Bundeskanzler würde sagen: allen ätzenden – Bemerkungen zum Trotz, mit dem Biotechnologie-Clus­ter in der Dr.-Bohr-Gasse Großes geleistet. Seit 1997 hat die Stadt Wien hier als Teil ihrer Technologieoffensive – immerhin befinden sich über 45 Prozent aller in Österreich forschenden Einrichtungen in der Bundeshauptstadt – rund 130 Millionen € in den Aus­bau des Biotech-Standortes investiert. Damit ist es gelungen, auch im Europavergleich einen sehr bedeutenden Life-Sciences-Cluster zu schaffen.

Die Zahl der Unternehmen lag Ende 2003 bei rund 70; das sind mehr als drei Viertel aller Unternehmen dieses Bereiches in ganz Österreich, um das auch einmal zu doku­mentieren. Die Beschäftigung stieg rasant auf über 6 500 MitarbeiterInnen. Nukleus ist der Campus Vienna Biocenter, wo zurzeit über 1 000 WissenschafterInnen aus über 40 Nationen dieser Welt tätig sind, mit dem Schwerpunkt medizinisch orientierter Be­reich. All das könnte durch die gegenständliche Umsetzung gefährdet werden.

Es ist schon klar, dass Patente in der Forschung einen sehr, sehr hohen Stellenwert haben und ein wichtiger Bestandteil sind. Nur: Ein überzogenes Patentrecht, das zu viel der Patentierung anheim fallen lässt, behindert in Wirklichkeit die Forschung, be­hindert die Entwicklung und behindert dann auch die kommerzielle Umsetzung und damit die Arbeitsplätze.

Daher glauben wir, dass es gilt, das Prinzip des eingeschränkten Stoffschutzes hier stärker zu verankern. Das wurde aber leider mit dieser Richtlinie verabsäumt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Gaßner. Wunschredezeit: ebenfalls 2 Minuten. – Bitte.

 


18.57.22

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Es besteht für mich der zwingende Verdacht, dass die Regierungsparteien gegen unseren Willen diese Biopatentrichtlinie beschließen werden. Sie haben aber doch erkannt, dass Missbrauch möglich ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Daher ist es besonders wichtig, Menschen, die eines Sachwalters bedürfen, besonders zu schützen. Das haben sie schon erkannt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Bri­nek.) Daher wird das ABGB in diesem Zusammenhang geändert, um einen besonde­ren Schutz für Personen, die unter Sachwalterschaft stehen, zu gewährleisten.

Wir stimmen diesem Antrag zum besonderen Schutz dieser Menschen natürlich zu. Ich frage mich allerdings, was mit den Menschen geschieht, die nicht unter Sachwalter­schaft stehen, die aber auch nicht in der Lage sind, möglichen Missbrauch zu erken­nen.


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110. Sitzung / Seite 192

Es gibt eine ganze Reihe von offenen Fragen, und daher wäre es gut, darüber noch länger nachzudenken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Krainer, Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen, den Ausschussbericht 921 der Beilagen an den Wirtschaftsausschuss rückzuverweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Minderheit, und dieser Antrag ist somit abgelehnt. (Ruf bei der ÖVP: Fünf Grüne! – Ruf: Vier!)

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend Biotechnolo­gie-Richtlinie – Umsetzungsnovelle, samt Titel und Eingang in 615 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird, samt Titel und Eingang in 922 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.

19.00.3316. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (852 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz geän­dert wird (920 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

 


Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.


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110. Sitzung / Seite 193

19.01.02

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es galt damals, im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes auch einen Markt zu schaffen für die so genannte Ausgleichsenergie. Zur Gewähr­leistung des Wettbewerbs bei der Beschaffung dieser Ausgleichsenergie waren die so genannten Regelzonenführer berufen. Die Administration dieses Systems wurde so ge­nannten Verrechnungsstellen übertragen, die für diese Ausgleichsenergie auch markt­konforme Preise zu ermitteln hatten. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Das System funktioniert bestens, der Verfassungsgerichtshof hat jedoch Teile dieses Gesetzes aus formalen Gründen aufgehoben, sodass wir jetzt mit dieser Novellierung neuerlich eine gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit dieser Verrechnungsstellen schaffen müssen und die Aufgaben und Befugnisse dieser Verrechnungsstellen neu festlegen müssen. Das geschieht eben mit dieser Gesetzesnovelle.

Festzuhalten ist dabei auch, dass die Regelzonenführer in Vollziehung dieses Geset­zes die Benennung der Bilanzgruppenkoordinatoren durchzuführen haben und damit einen Akt der staatlichen Hoheitsverwaltung vollziehen, wobei die Regelzonenführer als beliehene Unternehmen tätig werden beziehungsweise ihnen das in dieser Funk­tion übertragen wird.

Die Vorlage ist im Konsens mit allen Fraktionen erstellt worden, und ich denke, sie wird auch einstimmig beschlossen werden. Ich bedanke mich für die Kooperation bei dieser Gesetzesmaterie auch bei den anderen Fraktionen, bedanke mich aber auch bei den Beamten des Ministeriums, bei der Sektion Energie, die dafür die Vorarbeiten geleistet haben, und bitte um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.03


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

 


19.03.28

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat ja schon erklärt, worum es im Großen und Ganzen geht. Zum besseren Verständnis dieser Materie: Wir haben einen Strom­markt, und damit dieser funktioniert, ist es erforderlich, dass alle Marktteilnehmer einen entsprechend effektiven Zugang zu diesem Markt haben. Es war notwendig, dafür so genannte Ausgleichsmechanismen zu schaffen, die nicht diskriminieren dürfen und entsprechend kostenorientiert sind. Diese Aufgabe erfüllen die Verrechnungsstellen, die von den Regelzonenführern ernannt werden.

Bei der Beschlussfassung im Jahr 2000 waren wir der Meinung, dass das gut funktio­nieren müsste – aber: Wir haben gedacht, und andere haben gehandelt! Sie haben beim Verfassungsgerichtshof geklagt und zum Teil Recht bekommen. Die Materie, die aufgehoben wurde, läuft mit 30. Juni ab, und daher müssen wir reparieren.

Mit dem ausdrücklichen Hinweis für das Protokoll, dass es sich bei der Benennung der Verrechnungsstellen durch die Regelzonenführer um einen hoheitlichen Akt handelt, stimmt meine Fraktion natürlich der Reparatur in der vorliegenden Vorlage zu.

Abschließend darf ich dich, Herr Bundesminister, noch daran erinnern, dass mit 1. Jän­ner 2006 die Richtlinie zum Energieausweis umzusetzen sein wird. Wie ich höre, gibt es immer noch Streit darüber, wer dafür zuständig ist, ob der Landwirtschaftsminister oder der Wirtschaftsminister. Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, das zu regeln. Ich halte vor allem das angedachte Instrument, nämlich einen Artikel-15a-Vertrag mit den


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Bundesländern auszuverhandeln, für nicht mehr relevant, weil es sich zeitlich kaum noch ausgehen wird. Das wollte ich noch kritisch anmerken, aber wir stimmen zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.05


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


19.05.52

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Konsensmaterie, wie ich meine, zu einem Thema, das inhaltlich bereits dargestellt wurde. Dem ist nicht viel hinzuzufügen.

Ich darf mich dem Dank an die Beamten der Energie-Sektion anschließen und ihn sei­tens meiner Fraktion übermitteln. Es hat wie immer eine hervorragende Zusammen­arbeit gegeben.

Ich darf noch ergänzend anmerken, dass bezüglich der materiellen Ausübungsvoraus­setzungen sowie hinsichtlich der Aufgaben der Bilanzgruppenkoordinatoren mit dieser Novelle keinerlei Veränderungen eintreten. Bisher war für die Konzessionserteilung der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständig, nun erfolgt, wie bereits erwähnt, die Benennung durch den Regelzonenführer, und es hat eine Anzeige bei der Behörde zu erfolgen.

Wir werden dieser Novelle selbstverständlich zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.07


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Ist sie nicht im Saal? (Abg. Rest-Hinterseer: Umgemeldet!) – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

 


19.07.30

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Danke, Herr Präsident! Frau Dr. Glawischnig ist krankheitshalber ausgefallen.

Es ist so, dass bereits alles gesagt ist, was zu sagen ist. Wir stimmen natürlich im Gro­ßen und Ganzen dieser Anpassung, die ein technisches Erfordernis ist, zu und würden in diesem Falle auch, da es auch die Länder betrifft, für eine rasche und einheitliche Umsetzung plädieren. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.08


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

 


19.08.14

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Richtlinie ist von meinen Vorrednern bekannt. Das Europäische Parlament und der Rat vom 26. Juni 2003 haben über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnen­markt zur Sicherstellung eines effektiven Marktzuganges für alle Marktteilnehmer, ein­schließlich neuer Marktteilnehmer, die Schaffung von nichtdiskriminierenden, kosten­orientierten Ausgleichsmechanismen vorgesehen.

Durch die Einrichtung von Verrechnungsstellen für den Bereich der Regelzonen wur­den bereits durch das Energieliberalisierungsgesetz 2000 diese Mechanismen ge­schaffen, die es ermöglichen, für Ausgleichsenergie, die von mehreren im Wettbewerb


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stehenden Anbietern angeboten wird, das günstigste Angebot zu ermitteln und die damit verbundenen Kosten verursachergerecht zuzuordnen und abzurechnen.

Das Ziel ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Verrechnungs­stellen im Rahmen der durch die Bundesverfassung für das Elektrizitätswesen vorge­gebenen Kompetenzverteilung.

Ich danke auch für den breiten Konsens. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

19.09


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


19.09.27

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hohes Haus! Zur Sache haben die Abgeordneten Kopf, Oberhaidinger und Hofmann schon das Notwendige gesagt. Ich bedanke mich bei den Fraktionen für die in Aussicht gestellte Konsensfindung.

Zur Anmerkung des Abgeordneten Oberhaidinger: Ich sehe in Sachen Energieausweis keinen Streit. Wir sind der Auffassung, dass die Ausweisgestaltung Aufgabe der Län­der im Rahmen deren Baukompetenz ist. Zum zivilrechtlichen Teil hat das BMJ einen Entwurf erstellt betreffend die Vorlage beim Abschluss von Miet- und Kaufverträgen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.10

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen!

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 852 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

19.10.5317. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (798 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Außenhandelsgesetz 2005 – AußHG 2005 erlassen und das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (923 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

 


Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. – Bitte.


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19.11.17

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Einige Worte zur Novellierung des Kriegs­materialgesetzes.

Aus unserer Sicht sind die vorgesehenen Änderungen in wesentlichen Segmenten unzureichend. Es ist geradezu absurd, wie es in den Stellungnahmen auch dargestellt wurde, dass im Ergebnis der Novellierung für verhältnismäßig harmlosere Waffen zum Teil deutlich genauere und strengere rechtliche Bestimmungen zur Anwendung gelan­gen als für schwere Waffen laut Kriegsmaterialgesetzverordnung. Diese niedrigen Standards im Kriegsmaterialgesetz betreffen unter anderem die Spezifizierung der Bewilligungskriterien.

Darüber hinaus geben unserer Meinung nach auch die Strafbestimmungen Anlass zu Kritik. Auch im Kriegsmaterialgesetz muss es zu einer Verschärfung dieser Bestim­mungen kommen. Ansonsten könnte zum Beispiel der Fall eintreten, dass der phy­sische Export eines Gutes laut Kriegsmaterialgesetzverordnung anders bestraft wird als der elektronische Export der zu diesem Gut gehörenden Software.

Wir sind außerdem der Auffassung, dass die Bundesregierung als bewilligende Be­hörde bei Regierungsgeschäften ähnlichen Kriterien unterliegen soll, wie sie auch für private Unternehmen zur Anwendung gelangen.

Als besonders gravierend fällt die mangelnde Transparenz für uns ins Gewicht. Das Bewilligungsverfahren ist als nichtöffentliches Ein-Parteien-Verfahren ausgestaltet. Rechtsmittel gegen Bescheide in diesem Verfahren können somit lediglich von der Antrag stellenden Partei ergriffen werden. Damit gibt es also nur Rechtsmittel gegen verweigerte Bewilligungen, nicht aber gegen Bewilligungen, die unter Umständen zu Unrecht erteilt wurden.

Da auch der von den Regierungsparteien eingebrachte Abänderungsantrag an diesen Kritikpunkten nicht wirklich Grundsätzliches ändert, lehnen wir die Novelle ab. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

 


19.13.11

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den Ausführungen meines Vorredners muss ich sagen, dass ich es unverständlich finde, dass die sozialdemokratische Frak­tion das Außenhandelsgesetz ablehnt. Wie Sie alle wissen, trägt dieses Gesetz den neuen internationalen Entwicklungen Rechnung. Es trägt der Dual-Use-Verordnung, den Beschlüssen der GASP, der Rüstungskontrolle, den Technologietransfers im inter­nationalen Bereich Rechnung und bringt – und das ist unbestritten – eine wesentliche Verbesserung des Außenhandelsregimes dort, wo es notwendig ist.

Daher verstehe ich Ihre Ablehnung nicht und kann auch nicht Ihre Meinung hinsichtlich dessen, was Sie hier hinsichtlich Intransparenz und so weiter gesagt haben, teilen.

Wir glauben ganz im Gegenteil, dass das Ministerium einen richtigen Weg gewählt hat. Sie haben ein neues Außenhandelsgesetz mit wesentlichen Verbesserungen gemacht. Wir werden diesen Gesetzentwurf unterstützen. Es kommen klare Kontrollbestimmun­gen. Österreich kommt seinen Verpflichtungen betreffend Vermittlung und technische Unterstützung völlig nach.


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Wir haben dem Abänderungsantrag der Grünen im Ausschuss nicht zugestimmt, weil dieser zu viel zu großen Verkomplizierungen geführt hätte. Die von Ihnen, Herr Kollege Hoscher, befürchtete Lücke zwischen Außenhandelsgesetz und Kriegsmaterialgesetz im Bereich der Technologie und technischen Unterstützung besteht unserer Meinung nach nicht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

 


19.14.40

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir werden das Außenhandelsgesetz und auch das Kriegsmaterialgesetz ablehnen.

Ich kann vielleicht noch einige Erklärungen ergänzend zu den Ausführungen meines Kollegen hinzufügen. Es gibt zwar grundsätzliche Verbesserungen gegenüber der Re­gelung aus 1995, weil der Verhaltenskodex der Europäischen Union integriert ist, weil auch Exporte auf telefonischem und elektronischem Wege integriert sind. Aber es gibt sehr viele Mängel, unter anderem auch eine Mängelliste von Amnesty International, die hier nicht abgearbeitet und berücksichtigt wurde. Und daher glauben wir, dass auf Grund von Absurditäten, dass also im Außenhandelsgesetz etwas strenger geregelt ist als im Kriegsmaterialgesetz, diese beiden Novellen nicht wirklich konsistent sind. Da­her werden wir diese Maßnahme ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.15


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


19.15.52

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mit diesem Gesetz werden der Verkehr mit Waffen oder Waren, die zur Herstellung von Waffen oder Raketentechnologie bestimmt sind, alle Bereiche des Verkehrs mit Waren, die sowohl für eine militärische als auch für zivile Verwendung be­stimmt sein können, und auch bestimmte Bereiche des Verkehrs mit Dienstleistungen geregelt.

Das Gesetz entspricht der europäischen Rechtslage, ist dieser also angepasst. Es enthält klare Bestimmungen für die Kontrolle im innergemeinschaftlichen Verkehr und natürlich auch der Durchfuhr und erlaubt vor allem – und das will ich betonen – einfach mehr Flexibilität zur Reaktion auf internationale Entwicklungen, insbesondere auch beim Kampf gegen den Terrorismus. Es ist eine Erleichterung für die Wirtschaft, wie ich meine. Es besteht nicht die Möglichkeit, Ausfuhren aus rein wirtschaftlichen Grün­den zu beschränken.

Dies bedeutet zwar einen personellen Mehraufwand, aber es ist daran gedacht, interne Umschichtungen vorzunehmen.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny. Ich erteile es ihr.

 



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19.17.27

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Ich teile die Kritik der Kollegen von der SPÖ, allerdings kommen wir zu einem anderen Schluss.

Das Außenhandelsgesetz, die Neuschaffung des Außenhandelsgesetzes ist eine wesentliche Verbesserung. Es ist übersichtlicher, klarer und beinhaltet einige Aspekte, die ganz notwendige und lange geforderte Verbesserungen bringen.

Es gibt allerdings auch Kritikpunkte. Und da finde ich, Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer – wo auch immer Sie sind –, Sie machen es sich ein bisschen zu leicht, wenn Sie sagen, das Problem der Differenz zwischen Außenhandelsgesetz und KMG gibt es nicht.

Tatsächlich ist es nämlich so, dass vor allem nicht mehr klar ist, ob militärisch-tech­nisches Wissen und der Transfer dieses Wissens tatsächlich jetzt erfasst sind, nämlich bezüglich sämtlicher Waffenarten, auch jener, die im KMG erfasst sind. Das heißt, das ist zumindest eine Sache, die Sie, wenn Sie nicht wollen, dass hier eine Lücke ent­steht, in einem KMG erfassen und neu regeln müssten. Und genau das passiert nicht, und das ist tatsächlich der größte Schwachpunkt an diesem Gesetz, dass nämlich das KMG nicht entsprechend dem Außenhandelsgesetz neu geregelt wird.

Es kann also zu dieser absurden Situation kommen, dass zwar die Ausfuhr physischer Waffen geregelt ist, aber nicht die Ausfuhr beziehungsweise der Transfer von Wissen auf elektronischem Weg. Und das ist eine Situation, die sicher auf Dauer nicht haltbar ist, und ist nur ein Beispiel dafür, wo das KMG dringend Erneuerung brauchen würde.

Ebenso geht es im KMG um eine gesetzliche Verpflichtung zu einer umfassenden Endverbleibsbescheinigung. Das heißt, es geht schlicht und einfach darum, dass wir, dass Österreich, dass der Gesetzgeber klarlegen muss, was die Kriterien sind, damit eine Bewilligung für die Ausfuhr vor allem von militärischem Gerät überhaupt erteilt werden kann, was die Voraussetzung dafür ist. Das ist nicht genügend geregelt und müsste auch in einem neuen KMG geregelt werden.

Insgesamt ist also dieses Missverhältnis zwischen Außenhandelsgesetz und KMG tat­sächlich ein Problem.

Wir haben deswegen heute einen Antrag eingebracht, nachdem im Ausschuss unser Antrag abgelehnt worden war, der lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sburny, Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderungsbedarf des Kriegsmaterialgesetzes

Mit Beschlussfassung der Regierungsvorlage 798 dB/XXII.GP, mit dem das Außen­handelsgesetz 2005 – AußHG novelliert wird, entsteht für das Kriegsmaterialgesetz erheblicher Änderungsbedarf, da sonst Kriegswaffen einem weniger tauglichen Kon­trollregime unterworfen werden als Sport- und Jagdwaffen, Güter mit doppeltem Ver­wendungszweck u.Ä.

Das Außenhandelsgesetz 2005 bedeutet eine grundlegende Verbesserung gegenüber der Situation davor. Gleichzeitig führt dies zum absurden Resultat, dass für verhältnis­mäßig leichtere Waffen, die unter das Außenhandelsgesetz 2005 fallen genauere und strengere rechtliche Bestimmungen gelten wie für die „schweren“ Waffen des Kriegs­materialgesetzes.

Niedrigere Standards sind im KMG in der derzeitigen Fassung insbesondere hinsicht­lich der Spezifizierung der Bewilligungskriterien hervorzuheben und als problematisch


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einzustufen. Darüber hinaus sind die Strafbestimmungen nach einer Novelle gemäß Regierungsvorlage völlig unproportional.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert das Kriegsmaterialgesetz entsprechend der Neufassung des Außenhandelsgesetzes zu ändern. Dieser Änderungsbedarf im Kriegsmaterialgesetz entsteht sowohl hinsichtlich der Begriffsbestimmungen, der Güter, der Akteure und der Vorgänge, die sich am Weltwaffenmarkt in den vergan­genen 30 Jahren eklatant verändert haben, als auch dadurch, dass die Novellen zum Kriegsmaterialgesetz seither diese Entwicklungen nicht hinreichend einbezogen haben.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.

*****

Wir wollen, dass Sie hier jetzt nicht einfach die Änderung ablehnen, wie Sie es schon im Ausschuss gemacht haben, sondern dass dieser Entschließungsantrag dem Bun­desministerium für Inneres zugewiesen wird, wo er nämlich eigentlich hingehört, denn im Wirtschaftsausschuss ist das ja nur gelandet, weil Sie so eine Irgendwie-Anpassung gemacht haben. Und vielleicht gibt es dann die Möglichkeit, das dort noch einmal in aller Ruhe zu diskutieren.

Wir werden nichtsdestotrotz dem jetzigen Gesetz zustimmen, weil wir glauben, dass es wesentliche Verbesserungen beinhaltet. (Beifall bei den Grünen.)

19.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


19.21.09

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Sburny, Sie haben sich jetzt ähnlich konstruktiv und gleichzeitig kritisch wie schon im Ausschuss zu diesem Thema geäußert, und dafür bedanke ich mich.

Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass wir uns als Wirtschafts- und damit Außen­handelsressort mit den für das Außenhandelsgesetz notwendigen Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes befasst und uns darauf auch im Einvernehmen mit dem BMI beschränkt haben. Darüber hinausgehend möchte ich mangels Kompetenz heute auch nicht Stellung beziehen. Wir halten jedenfalls fest, dass das, was im KMG zu ändern war, um diese Außenhandelsgesetznovelle zu bestreiten, selbstverständlich im Kon­sens mit dem BMI erfolgt ist.

Meine Damen und Herren! Diese Novelle zum Außenhandelsgesetz bringt eine Reihe von Verbesserungen und Neuerungen. Ich kann die Ausführungen von Frau Abgeord­neter Sburny mehr als nachvollziehen, wenn sie sagt, es ist übersichtlicher und klarer geworden, die notwendigen Regelungen auf Basis der Chemiewaffen-Konvention, der Biotoxin-Konvention sowie des Wassenaar Arrangements. Es geht aber auch darüber hinaus, dass wir die innerstaatlichen Beschränkungen im Zusammenhang mit Gütern, die als Vorläufersubstanzen für chemische oder biologische Waffen verwendet werden


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können, verbessert haben, dass wir auch flankierende Maßnahmen gesetzt haben zur so genannten Dual-Use-Verordnung der Europäischen Union. Auch Straf- und Über­wachungsbestimmungen sind angepasst worden.

Gleichzeitig, Hohes Haus, haben wir den Versuch unternommen, das Ganze wirt­schafts- und administrationsfreundlich zu gestalten, Doppelbewilligungen entsprechend Außenhandelsgesetz und Chemiewaffenkonventionsgesetz entfallen zu lassen, die Regelungen für den innergemeinschaftlichen Verkehr auf das absolute Mindestmaß zu beschränken, dort, wo möglich, zu entkriminalisieren, die Möglichkeit zur Festlegung von Bagatellgrenzen zu schaffen und insgesamt Kostenbelastungen für Unternehmun­gen zu vermeiden oder zu reduzieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.23


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Entschließungsantrag der Vorrednerin, der Abgeordneten Sburny, Pilz, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. (Abg. Dr. Pirklhuber: Irrtum, das ist ein Selbständiger Antrag!)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. – Bitte.

 


19.23.48

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an sich – die Diskussion zusam­menfassend – auch gleich zum Schluss kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass die Kritik, die seitens der SPÖ, aber auch seitens der Grünen ge­äußert wurde, nicht berechtigt ist, bin auch sehr froh, dass sie trotzdem zustimmen werden – nämlich was die Fraktion der Grünen anlangt –, und möchte nur noch einmal das unterstreichen, was der Herr Bundesminister sehr eindrucksvoll gesagt hat, dass nämlich dieses Gesetz äußerst wirtschaftsfreundlich gestaltet ist, dass es zu einem Entfall von Doppelbewilligungen kommt und dergleichen mehr.

Daher werden Sie sich ja nicht wundern, dass ich nur empfehlen kann, diesem Gesetz zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 923 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenom­men.

19.25.2718. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (853 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, das Allgemeine


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Sozialversicherungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Insolvenz-Entgelt­sicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (924 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tages­ordnung.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


19.26.00

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Angepasst an die zunehmende Mobilität und Flexibilität der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wurde das neue und effi­ziente Instrument der betrieblichen Vorsorge – die Abfertigung neu – geschaffen. Mit­arbeiter, die nach dem 31. Dezember 2002 in ein neues Dienstverhältnis eingetreten sind, werden automatisch in das neue System eingegliedert.

Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes sind bis Dezember 2004 1,5 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in das neue System eingetreten.

Seit Beginn der Einzahlungen in die Kassen im Jahr 2003 stieg das Volumen der Abfertigungsanwartschaften bis Ende 2004 auf über 355 Millionen € an, es konnte somit im Jahr 2004 ein markanter jährlicher Zuwachs von 147,6 Prozent verzeichnet werden. Die Bilanzsumme der neuen Kassen stieg seit 31. März 2003 um mehr als das Zehnfache.

Während zu Beginn der Errichtung von Mitarbeitervorsorgekassen die Verträge zwi­schen Unternehmen und Kassen nur zögerlich abgeschlossen wurden, waren bis Ende 2004 knapp 183 Beitrittsverträge unterzeichnet. Trotzdem haben 150 000 Unter­nehmer noch keinen Beitrittsvertrag mit einer Mitarbeitervorsorgekasse abgeschlossen.

Im Hinblick auf das neu geschaffene Zuweisungsverfahren wird im § 10 Absatz 1 eine Frist von sechs Monaten festgelegt. Nach deren Ablauf ist ein Zuweisungsverfahren einzuleiten, wenn zu diesem Zeitpunkt der Arbeitgeber noch keinen Beitrittsvertrag mit einer Kasse abgeschlossen hat. Wird innerhalb der Frist von sechs Monaten kein Bei­trittsvertrag mit einer Mitarbeitervorsorgekasse abgeschlossen, so ist das Zuweisungs­verfahren nach § 27a vom zuständigen Träger der Krankenversicherung einzuleiten.

Mit dieser Gesetzesänderung wird nicht nur den Ansprüchen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Rechnung getragen, sondern auch den Arbeitgebern, weil wir hier auch eine Neuregelung des Beitragszeitraums für geringfügige Beschäftigungsverhält­nisse geschaffen haben.

Ich bedanke mich bei Herrn Bundesminister Bartenstein dafür, dass die Evaluierung des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes so schnell geklappt hat und damit eben ein bereits erfolgreiches Konzept nunmehr wahrlich ein sozialpolitischer Meilenstein wird, ein Zukunftsmodell – sozial, fair und sicher, ein Gewinn für alle Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer und für unseren Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.28


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Sburny, Ihr Entschlie­ßungsantrag, den Sie vorher eingebracht haben, wird natürlich dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen.

 


Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.


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110. Sitzung / Seite 202

19.29.04

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Auch ich möchte mich beim Herrn Bundesminister bedanken, dass er diese Novelle des Mitarbeitervorsorgegesetzes so schnell dem Hohen Haus zugeleitet hat – schnell deshalb, weil bei einer Anfrage von mir an ihn im Oktober vergangenen Jahres klar geworden ist, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits 176 000 Arbeitnehmer und Arbeit­nehmerinnen gegeben hat, für die in Wirklichkeit noch keine Mitarbeitervorsorgekasse vom Arbeitgeber fixiert wurde und deren Beiträge sozusagen bei der Gebietskranken­kasse, und zwar sehr gering verzinst, geparkt wurden.

Ich glaube, es ist auch wichtig, bei diesem Tagesordnungspunkt darauf hinzuweisen, dass dieses Gesetz eigentlich ein ganz wichtiges Sozialgesetz ist. Die Abfertigung neu, auf die ja nicht nur die einzelnen Parteien, sondern im Besonderen die Sozialpartner stolz sind, ist ja eigentlich ein Kind der Sozialpartner, und darauf sollte man hinweisen.

Wenn man sich den Inhalt anschaut, sieht man, dass es weiterhin einen Überarbei­tungsbedarf gibt, es wurde also mit dieser Novelle noch nicht alles komplett abgedeckt. Aber auch die Ertragslage entspricht nicht den Erwartungen, die in Wirklichkeit im Zuge der Gesetzwerdung auf Grund der Versprechungen in dieses Gesetz gesetzt wurden. Daher stellt sich die Frage nach einer weiteren Novelle, die sich aus meiner Sicht eigentlich schon abzeichnet.

Im Rahmen dieser Novelle stellt sich natürlich auch im Besonderen die Frage einer Erhöhung des Beitrages von 1,53 Prozentpunkten. Ich plädiere daher dafür, die Umset­zung dieses Gesetzes weiterhin sehr gut zu beobachten, es zu evaluieren und zeitge­recht über eine Erhöhung dieses Beitrages das Gespräch zu suchen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.31


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

 


19.31.07

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Riepl, wenn Sie bei diesem Jahrhundertprojekt und bei dieser Einzigartigkeit der Abfertigung für alle sagen, es sei ein Kind der Sozialpartner, dann kann ich nur sagen: Es ist ein Kind von unserem Sozialstaatssekretär Sigisbert Dolinschek! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist leicht nachzuverfolgen an den Debatten hier in diesem Hohen Haus. Die Sozialpartner waren höchstens die Geburts­helfer bei diesem Kind. Das gestehe ich Ihnen zu.

Es wurde heute schon viel zu diesem Gesetz gesagt. Ich möchte dem nur noch hinzu­fügen: Wir haben mit diesem Gesetz in weiser Vorausschau auch eine Evaluierung mit beschlossen. 178 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nach dieser Evaluierung noch keine Mitarbeiterkasse gehabt, und zwar mit Stichtag 1. Jänner. Dieses Gesetz ermöglicht es jetzt, all diese Lücken zu schließen. Meine Vorredner haben darauf schon im Detail Bezug genommen, daher brauche ich das nicht mehr näher auszu­führen.

Wir sind froh darüber, dass die Evaluierung damals festgelegt wurde. Es kann sein, dass es noch einmal eine Evaluierung und noch einmal eine Anpassung wird geben müssen, aber jetzt sind einmal die ersten Lücken geschlossen, und wir sind froh dar­über. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 



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110. Sitzung / Seite 203

19.32.41

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Evalu­ierung finde ich gut, hat sich offensichtlich bewährt. Vielleicht sollten wir aber auch einmal evaluieren, was tatsächlich an Beiträgen hier herauskommen wird. Es ist nämlich, wie es Kollege Riepl schon angesprochen hat, bei weitem nicht das, was bei den Verhandlungen versprochen wurde oder auch geplant war, nämlich dass nach einem langen Arbeitsleben so etwas wie das Verdienst von einem Jahr als Abfertigung herauskommen soll. Davon sind wir weit entfernt, und das liegt daran, dass die Ver­zinsung viel zu hoch angesetzt war, was damals eigentlich schon alle gewusst haben, einschließlich des Herrn Finanzministers, der das damals behauptet hat, aber Sie haben es trotzdem so beschlossen. Also es wird gut sein, wenn man sich das tatsäch­lich einmal anschaut, und ich sehe das durchaus so wie Kollege Riepl, dass man wahrscheinlich über eine Beitragserhöhung irgendwann einmal wird sprechen müssen. Trotzdem finden wir jetzt einmal diese Maßnahme gut und werden ihr zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Scheibner.)

19.33


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


19.33.45

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hohes Haus! In aller Kürze: Danke für die breite Zustimmung zu dieser Novelle und auch für das Verständnis, dass wir hier für diesen Bereich, wo Arbeitgeber keine Kasse aussuchen, dann eben entsprechende Maßnahmen setzen müssen, damit eine opti­male Veranlagung gewährleistet ist.

Zwei kurze Bemerkungen:

Zum Ersten zur Frage der Vater- beziehungsweise Mutterschaft.

Herr Abgeordneter Riepl! Es ist richtig, dass die Sozialpartner in dieser Sache einen Konsens vorgelegt haben. Es ist auch richtig, dass die Arbeitnehmervertreter vieler Parteien da engagiert waren. Wenn in diesem Zusammenhang Dolinschek erwähnt wurde, so sind aus meiner Sicht selbstverständlich auch der ÖAAB im Gesamten und Herr Präsident Fink im Besonderen zu erwähnen und viele andere mehr. Das ist jeden­falls eine gute Sache, die Anerkennung verdient.

Zum Zweiten: Herr Abgeordneter Riepl, Sie schlagen eine weitere Novellierung mit einer Änderung der Beitragshöhe vor. Da darf ich Sie schon darauf aufmerksam ma­chen, dass erstens die Beitragsgrößenordnung von 1,53 Prozent ebenfalls auf Basis eines Sozialpartnerkonsenses festgesetzt wurde und zweitens Rendite-Erwartungen nicht von mir oder von sonst jemandem aus der Regierung formuliert wurden, sondern diese auch wieder auf Erwartungshaltungen der Sozialpartnerschaft zurückgehen.

So gesehen, in beiderlei Beziehung, möchte ich sagen: Ich meine, wir sollten bei dem bleiben, was die Sozialpartner vereinbart haben respektive was sie an Rendite-Erwar­tungen formuliert haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 924 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.


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110. Sitzung / Seite 204

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

19.36.0919. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (856 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem ein Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG) erlassen wird sowie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Arbeits- und Sozialge­richtsgesetz geändert werden (925 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

 


19.36.33

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Dienstleistungsscheckgesetz, mit dem Sie, Herr Bundesminister – so führen Sie jedenfalls an –, Beschäftigungsmöglichkeiten für Personen mit geringer Qualifika­tion schaffen möchten beziehungsweise illegale Beschäftigung in privaten Haushalten bekämpfen wollen, also die Gesetzesvorlage, die wir heute hier diskutieren, scheint diese Ziele jedenfalls nicht erreichen zu können.

Zum einen haben wir das Problem, dass wir derzeit 3 500 Hausgehilfinnen voll ver­sichert und 7 000 geringfügig beschäftigt haben, das Modell aber nur bis zur Gering­fügigkeit geht, daher Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigte damit nicht legalisiert werden können.

Außerdem schafft der Dienstleistungsscheck neue prekärere Beschäftigungsformen, wovon wahrscheinlich primär Frauen betroffen sein werden. Sie wissen, dass derzeit Beschäftigte in Privathaushalten den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Hausgehil­fen- und Hausangestelltengesetzes unterliegen.

Mit dem vorliegenden Entwurf haben Sie jedenfalls die Arbeitsverhältnisse jeweils auf einen Monat begrenzt. Das heißt, Sie legalisieren damit eigentlich Kettenverträge, wo wir behaupten, dass auch das EU-widrig ist.

Des Weiteren nehmen Sie damit den Menschen sozusagen die arbeitsrechtlichen Ansprüche, wie etwa den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, bei Pflege­freistellung und dergleichen mehr.

Es liegt aus unserer Sicht auch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vor. Wei­ters fehlt auch die Transparenz bei den Entlohnungsbestimmungen, weil diese auch nicht angeführt werden müssen.

Darüber hinaus sind Ihre Kostenschätzungen nicht nachvollziehbar. Wir haben im Ausschuss schon darüber diskutiert, dass sich vom Begutachtungsentwurf bis zur Re­gierungsvorlage aus einem Defizit dieser Vorlage auf einmal ein leichtes Plus ergeben sollte. Nicht klar ist jedenfalls, wie Sie überhaupt zu dieser Kostenrechnung kommen können.

Im Wesentlichen gehen Sie mit diesem Dienstleistungsscheckgesetz den falschen Weg, weil Sie wieder Frauen oder Menschen in Richtung working poor drängen, weil


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Sie Menschen nicht durchgehende Beschäftigungen ermöglichen und weil Sie Men­schen aus ihren arbeitsrechtlichen Ansprüchen drängen. Daher lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

 


19.39.57

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Wir beschließen in dieser Stunde einen weiteren Meilen­stein in der Familienpolitik: den Dienstleistungsscheck. In diesem Zusammenhang möchte ich meiner Kollegin Silhavy, wie auch allen SPÖ-Frauen, Folgendes mit auf den Weg geben:

Dienstag, 17. Februar 2004, SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Bures: „Dienstleistungs­scheck ist langjährige SPÖ-Forderung. Regierung hat sich sehr lange Zeit gelassen.“ (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Ich zitiere weiter:

„SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hat dieses Konzept bereits im Jahr 2002 vor­geschlagen, um einen legalen Arbeitsmarkt für Haushaltshilfen und ähnliche Dienst­leistungen zu schaffen, und das ohne bürokratische Hindernisse.“ (Zwischenrufe der Abgeordneten Bures und Silhavy.)

Jetzt zitiere ich unsere parteiunabhängige Präsidentin Prammer:

„Die SPÖ hat schon seit 2002 den Dienstleistungsscheck gefordert. Ein legaler Arbeits­markt ohne bürokratische Hürden für Haushaltshilfen ... Geringfügig und atypische Beschäftigte – zum allergrößten Teil Frauen – sollten damit zu Krankenversicherung und Pension kommen.“ (Abg. Silhavy: Stimmt ja eh, aber der Minister hat ...!)

Ich würde Ihnen vorschlagen, die Regierungsvorlage zu lesen, denn Sie haben sie anscheinend nicht gelesen, Sie haben nur davon gesprochen und haben nicht nachge­dacht, was deren Inhalt ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Silhavy: Man soll nie von sich selbst laut denken!)

Ich möchte Ihnen nur noch mit auf den Weg geben – leider haben wir bei dieser sehr wichtigen Materie nur eine ganz kurze Redezeit zur Verfügung –, dass ich Ihnen gerne Nachhilfeunterricht gebe. (Oh-Ruf des Abg. Dr. Cap.) Auch die Information, die wir aufbereitet haben, um den Menschen draußen tatsächlich Hilfe anzubieten und nicht Angst zu machen, würde ich Ihnen gerne zur Kenntnis bringen. In diesem Sinne sage ich an den Herrn Bundesminister Bartenstein ein Danke dafür, dass er diesen Schritt gewagt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Nicht genügend! Setzen!)

19.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

 


19.41.55

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Ganz so kurz wird es nicht gehen. Frau Kollegin Steibl, den Nachhilfeun­terricht könnten Sie vielleicht auch dem Hilfswerk geben. (Abg. Dr. Cap – in Richtung der Abg. Steibl –: Den brauchen Sie!) Das Hilfswerk ist nämlich eine Institution, die sich bemüht. Ich finde den Ansatz völlig richtig, in dieser Sache dieses Problem zu re­geln, und die Regeln sind vom System her in einer korrekten Form, nämlich: Die Leute,


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die dort arbeiten, bekommen eine richtige Anstellung, und zwar mit allen Ansprüchen, die daraus erwachsen.

Genau solche Institutionen wie dieses Hilfswerk und auch die Volkshilfe, die das anbie­ten, untergraben Sie mit diesem Modell des Dienstleistungsschecks (Abg. Dr. Fekter: Nein! – Abg. Steibl: Stimmt nicht!), indem Sie eine völlige Segregation des Arbeits­marktes vornehmen und die geregelten Arbeitsverhältnisse komplett untergraben. Das ist das, was wir an diesem Gesetz kritisieren und wozu wir ganz sicher nicht zustim­men werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich wollte eigentlich mit dem Positiven anfangen, aber Sie haben mir das leider verun­möglicht, denn ich habe das wirklich als extreme Provokation empfunden. (Abg. Steibl: Aber geh!) Es gibt nämlich zwei positive Punkte gegenüber der Erstvorlage.

Es gibt erstens eine Verbesserung insofern, als die Tätigkeiten wesentlich klarer be­nannt sind. Es war im Erstentwurf völlig unklar, welche Qualifikationen beziehungs­weise welche Arbeit mit welcher Qualifikation in diesen Bereich hineinfällt. Das ist klarer geregelt, und das ist sicher ein Fortschritt und ist zumindest eine Verbesserung in dieser Sache.

Das zweite Positive ist, dass die Geringfügigkeitsgrenze die Höchstgrenze ist, dass das festgelegt ist. Auch das ist eine Verbesserung.

Dennoch: Dieses Gesetz ist in der Praxis unkontrollierbar (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Wieso ist das unkontrollierbar?), und vom System her geht es in eine völlig falsche Richtung.

Sie betreiben da eine ganz bewusste Arbeitsmarktsegregation, nämlich eine weitere – Sie sind da eh schon auf einem sehr guten Weg in Ihrem Sinn –, und Sie zementieren einen Niedriglohnbereich ein, der natürlich und selbstverständlich in erster Linie Frauen treffen wird.

Das, was Sie behaupten, nämlich dass es einen erweiterten Zugang zum Arbeitsmarkt gibt, wird sich in einem marginalen Bereich abspielen, weil jene, um die es wirklich geht, diejenigen sind, die ohnehin keine Beschäftigungsbewilligung bekommen. Das heißt, die können auch nicht auf einen Dienstleistungsscheck zurückgreifen, und das ist der weitaus größere Teil, wo es darum gehen würde, dass Menschen, die eine Aufenthaltsbewilligung haben, auch eine Arbeitsbewilligung haben, und dann könnten sie auch regulär arbeiten und wären nicht auf den Dienstleistungsscheck angewiesen.

Ein weiteres Problem ergibt sich bei dieser Art von Dienstleistungsscheck – manchmal wird derselbe Name für unterschiedliche Dinge verwendet –, also bei der Art, wie Sie das jetzt machen, und zwar besteht eine große Gefahr des Missbrauches. Es gibt Untersuchungen aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Frankreich, wo heraus­gekommen ist – und da hat sogar Minister Bartenstein schon einmal eingestanden, dass das problematisch ist –, dass auf Grund der steuerlichen Bestimmungen fiktive Dienstleistungsschecks ausgestellt werden. Das heißt, Leute stellen einfach Dienst­leistungsschecks aus, verwenden diese zur steuerlichen Absetzbarkeit, aber in Wirk­lichkeit wird nicht die Arbeit geleistet, die angegeben wird.

Darüber hinaus geht es in die Richtung, ob man nicht auch im Gastgewerbe – auch das wurde schon andiskutiert – solche Dienstleistungsschecks verwenden kann. Also es ist eine ganz bewusste und gezielte Aufspaltung, eine Segregation des Arbeitsmark­tes.

Aus unserer Sicht ist diese Art des Dienstleistungsschecks nicht nur schlecht, sondern sie untergräbt auch einen durchaus guten Versuch von manchen Initiativen, wie zum


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Beispiel dem Hilfswerk, dieses Problem tatsächlich sinnvoll zu lösen, und daher wer­den wir dem unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Grünen.)

19.45


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

 


19.45.05

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Sburny, ich verstehe Ihre Argumentation nicht ganz, dass bei diesem Dienstleistungsscheck eine Gefahr des Missbrauchs bestünde. Es wird doch niemand hergehen und einen Dienstleistungsscheck kaufen – den muss er ja erwerben – und dann die Leistung von demjenigen nicht einfordern. Also ich kann das nicht nachvollziehen. Aber vielleicht können wir dann nachher darüber reden.

Zu Ihnen, Kollegin Silhavy, möchte ich Folgendes sagen: Wenn Sie jetzt plötzlich im Zusammenhang mit dem Dienstleistungsscheck von „working poor“ sprechen und davon, dass die Leute, vor allem Frauen, vom Arbeitsmarkt gedrängt werden, dann möchte ich Sie daran erinnern, was von Seiten Ihrer Partei dazu gesagt worden ist.

Ich habe hier eine Fülle von Presseaussendungen und Erklärungen Ihres Parteivor­sitzenden. Ich beginne mit jener vom 6. November 2002, und das ist noch Inhalt des SPÖ-Wirtschaftsprogramms: 

„Als weiteren Punkt des SPÖ-Wirtschaftsprogramms nannte Gusenbauer die Bekämp­fung der organisierten illegalen Beschäftigung.“ – Das machen wir hiermit! (Abg. Sil­havy: Das ist ein Irrtum!)

Und weiters: „Dazu seien auch auf den ersten Blick ‚unorthodoxe Maßnahmen‘ ge­rechtfertigt.“ – Auch das machen wir! – „Konkret nannte Gusenbauer hier einen ‚Dienst­leistungsscheck‘, der möglichst viele Menschen motivieren soll, in den legalen Be­schäftigungsbereich zu wechseln.“

Diese Erklärungen finden ihre Fortsetzung im „Standard“ vom 7. November 2002; also noch einmal Gusenbauer:

„Weiters will Gusenbauer Anreize zum Ausstieg aus der Schwarzarbeit bieten, dazu überlegt er einen ‚Dienstleistungsscheck‘.“

Am 18. September 2002 meldet die APA: „Spätestens Ende Oktober will Gusenbauer ein Modell für einen Dienstleistungsscheck gegen den Pfusch vorstellen. Es gehe da­bei darum, einen legalen Arbeitsmarkt für Haushaltshilfen und andere Dienstleistungen zu schaffen, ohne bürokratische Hindernisse.“ – Auch das machen wir! (Abg. Silhavy: Eben nicht!)

Laut APA vom 8. Februar 2004 ist auch Kollegin Bures für den Dienstleistungsscheck und verweist in diesem Zusammenhang auf die entsprechende Idee von Alfred Gusen­bauer.

Laut APA vom 17. Februar 2004 gibt es sogar einen so genannten Entstehungsstreit hinsichtlich des Dienstleistungsschecks. Da heißt es: „SPÖ reklamiert Idee für sich.“ (Abg. Silhavy: Sie verstehen das nicht! Wir sind nicht grundsätzlich gegen einen Dienstleistungsscheck, sondern gegen diese Form!)

Wir haben das im Ausschuss ausführlich diskutiert. Es wird auch eine Evaluierung geben, und zwar in einem Jahr, und dann wird man sehen, ob sich diese durchaus unorthodoxe Maßnahme, wie sie Ihr Vorsitzender bezeichnet hat, bewährt, und dann wird man sehen, welche Konsequenzen man daraus zu ziehen hat.


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In diesem Sinn begrüßen wir dieses Dienstleistungsscheckgesetz. Es ist wirklich ein Weg in die Legalität, und wir hoffen, dass der Dienstleistungsscheck auch dementspre­chend breit angenommen wird und entsprechend dem Grundgedanken, die Leute im kleinen Dienstleistungsbereich aus der Illegalität herauszuholen, hilft. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


19.48.10

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Dienstleistungsscheck ist Neuland, ohne Frage, und ich begrüße daher, dass wir in recht kurzer Frist eine erste Evaluierung vornehmen wollen und sollen. Es ist dies zweifellos keine Möglichkeit, aus einer illegalen Beschäftigung eines Ausländers oder einer Ausländerin eine legale zu machen, das ist nie gesagt worden, das ginge auch gar nicht, aber es ist eine Möglichkeit, im Bereich von haushaltsnahen Dienstleistungen – und Frau Abgeordnete Sburny hat schon darauf hingewiesen; wir haben versucht, das weiter einzuengen und zu präzisieren – denjenigen Dienstgebern und Dienstnehmern, die in Österreich nicht anmelden und die außerhalb der Sozialver­sicherungspflicht liegen, die Möglichkeit zu geben, ihr Gewissen zu erleichtern und als legales Beschäftigungsverhältnis den Dienstleistungsscheck heranzuziehen.

Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Eines geht sicherlich nicht: auf der einen Seite zu sagen: Ich möchte so etwas haben!, wie das insbesondere Dr. Gusen­bauer mehrmals nachvollziehbarerweise gesagt hat, dann aber auf der anderen Seite den Dienstleistungsscheck mit allem zu befrachten und zu überfrachten, was unser Arbeits- und Sozialversicherungsrecht an Bürokratie aufzuweisen hat.

Es ist schon manches von dem vereinfacht und reduziert, was geringfügige Beschäfti­gungen anbelangt. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) Ich habe von Ihrer Seite noch kein einziges Argument gehört, wie Sie es denn anders machen würden, damit Ihr Dienstleistungsscheckmodell der Idee des Dr. Gusenbauer entsprechen würde – we­der von Ihnen noch von Ihren MitstreiterInnen. Ich wäre dankbar für solche Vorschläge. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber es geht letztlich darum, die Möglichkeit für eine legale Beschäftigung zu bieten, es geht darum, einen Anfang zu machen, es geht darum, dass wir gerade nach der Be­gutachtung sehr viel näher an die Sozialversicherungsbedingungen der geringfügigen Beschäftigung herangegangen sind, auch in Bezug auf Sätze und dergleichen mehr.

Ich darf daran erinnern: Die Sozialversicherungssätze, die dort Gültigkeit haben, stam­men nicht von mir, das ist schon unter Lore Hostasch so eingeführt worden, mit allen Ungeradlinigkeiten, die solche Dinge nun einmal an sich haben, beispielsweise mit der Möglichkeit, relativ günstig zu Krankenversicherungs- und auch Pensionsmonaten zu kommen, wenngleich ich sage, dass das nach den Neuerungen unseres Pensions­rechtes in Zukunft eine geringere Rolle spielen wird als in der Vergangenheit.

Es ist dies also ein Pilotprojekt, wir betreten damit Neuland. Ich bedanke mich für die engagierten Diskussionen! Das, was Sie, Frau Abgeordnete Sburny, gesagt haben, dass es mit dem Dienstleistungsscheck die Möglichkeit des Missbrauchs geben könnte, durch Kauf jetzt eine steuerliche Absetzbarkeit zu begründen, ist für mich in keinster Weise nachvollziehbar. Ich habe mich erkundigt, was Sie gemeint haben könnten: Es wird niemand den Dienstleistungsscheck kaufen, ihn nicht abgeben und versuchen können, ihn finanzmäßig geltend zu machen, weil er ganz sicher nicht aner­kannt werden würde.


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Worüber man mittelfristig diskutieren kann und soll, ist, dass man haushaltsnahe Dienstleistungen insbesondere dann, wenn sie im Zusammenhang mit Kinderbetreu­ung stehen, steuerlich geltend machen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Das ist heute noch nicht möglich, aber ich meine, dass das im Rahmen einer nächsten Steuerreform beziehungsweise einer nächsten steuerlichen Entlastung ein Thema sein muss, und dann wird man auch darüber reden, inwieweit man den Dienstleistungs­scheck steuerlich absetzbar machen kann, vielleicht innerhalb gewisser Grenzen. Aber das ist Zukunftsmusik, das steht jetzt überhaupt nicht zur Debatte, also sind die von Ihnen angezogenen Missbrauchsmöglichkeiten für mich auch nicht nachvollziehbar. – Herzlichen Dank, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

19.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 


19.52.02

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Ich gebe schon zu, dass das Neuland ist. Aber man würde sich sicherlich einiges ersparen, wenn man sich zum Beispiel die Stellungnah­men sowohl der Arbeiterkammer als auch des ÖGB angeschaut hätte. Ich nehme zwar an, dass Sie sich diese sowieso angeschaut haben. Entschuldigung! Ich wollte Ihnen nicht unterstellen, dass Sie sich diese nicht angeschaut haben. Aber darin hätten Sie sicherlich einige Ansätze gefunden, wo man verbessern könnte.

Vom Grundsatz her – ich möchte das noch einmal betonen – ist der Gedanke okay, einen Dienstleistungsscheck zu kreieren, um die Bedingungen für die Beschäftigten im Haushalt, die an sich auch nach dem Hausgehilfinnen‑Gesetz teilweise abgesichert sind, zu verbessern. Das ist okay, dagegen haben wir auch gar nichts. Allerdings ist das sehr weit entfernt von den Vorschlägen, die Herr Kollege Gusenbauer eingebracht hat und die wir gerne diskutiert hätten.

Hätte man von Seiten der Regierung wirklich die Bereitschaft gehabt, etwas Gutes oder noch Besseres zu machen, dann wäre man wahrscheinlich auch im Rahmen der Diskussion im Wirtschaftsausschuss unserem Vorschlag gefolgt, sich das noch einmal anzuschauen, zurück zum Start zu gehen und wirklich etwas zu tun, womit man genau dieser Beschäftigtengruppe hilft. – Das geschieht in diesem Fall nicht, denn man wird die Schwarzarbeit nicht bekämpfen, und man hat im Zusammenhang mit der völlig undurchsichtigen Situation betreffend Entlohnung zusätzlich noch ein Lohndumping.

Herr Bundesminister, ich gebe Ihnen schon Recht, wenn Sie als Wirtschaftsminister sagen, dass man das nicht mit Arbeitsrecht überfrachten darf. Als Gewerkschafterin sage ich Ihnen aber: Mir sind die Beschäftigten dort wichtig, und daher muss man dar­auf achten, dass nicht wieder eine Gruppe von Beschäftigten geschaffen wird, die dann im wahrsten Sinne des Wortes in den sauren Apfel beißen müssen. Man muss schon schauen, wer denn die Stärkeren sind, und das sind nicht die Leute, die im Bereich des Haushaltes leben; Letztere haben wir aber zu schützen!

Kettendienstverträge und das Ausklammern von Sozialversicherungsbereichen sind sicherlich Maßnahmen, denen ich als Gewerkschafterin nicht die Zustimmung geben kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steindl. – Bitte.

 



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110. Sitzung / Seite 210

19.54.12

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus! Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien! Ich glaube schon, dass illegales Arbeiten schlechter ist als legales Arbeiten. Hier wird nun ein erster Weg aufgezeigt, um viele Damen und Herren in die legale Arbeit zu bringen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eines der wichtigen Themen in der Zukunft. Eltern brauchen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf familienverträgliche Rah­menbedingungen. Die Herstellung von Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit kann nicht dem Selbstlauf überlassen werden, sondern ist als gesellschaftlich notwen­dige Entwicklung zu betrachten.

Ein guter Schritt in die richtige Richtung ist der Dienstleistungsscheck, den wir hier heute vorstellen und beschließen. Der Dienstleistungsscheck, der es künftig leichter macht, legal – ich betone: legal! – in privaten Haushalten Pflege- und Reinigungsarbei­ten zu verrichten, aber auch in Anspruch zu nehmen, dient hauptsächlich zur Förde­rung des privaten Unternehmens Haushalt. Dieser Dienstleistungsscheck soll dazu die­nen, dass Haushaltshilfen künftig nicht mehr überwiegend illegal beschäftigt werden, sondern legal beschäftigt werden können. Mit diesem Scheck will man auch den Anreiz schaffen, Haushaltshilfen mit gutem Gewissen zu beschäftigen. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir abschließend, als verantwortlicher Spar­tenobmann noch festzustellen, dass natürlich für manche Tätigkeiten Gewerbeberech­tigungen notwendig sind und der Dienstleistungsscheck diese nicht ersetzen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hof­mann. 2 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


19.56.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Csörgits, Sie haben gesagt: Zurück an den Start! – Was würde denn da herauskommen? Wo sind denn tatsächlich die Vorschläge? (Abg. Gradwohl: Nehmen Sie Anleihe bei Ihrem Kollegen Walch! Lesen, denken, sprechen!, das sagt er doch immer!)

Wenn Sie die Gruppe jener Personen ansprechen, die arbeitsrechtlich schutzbedürftig sind, dann frage ich Sie: Wie stufen Sie die Gruppe jener, die jetzt gleichsam schwarz arbeitend tätig sind, hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit ein? – Ich gehe aus gutem Grund davon aus, dass tatsächlich ein Teil jener, die in diesem Schwarzarbeitsbereich tätig sind, mit dem Dienstleistungsscheck sozusagen in den legalen Bereich herüber­wandern und diese attraktive Alternative annehmen werden.

Frau Kollegin Sburny, Sie haben es leider Gottes nicht begründet, und ich kann nicht nachvollziehen, wo Ihrer Meinung nach die so genannte Unkontrollierbarkeit dieses Dienstleistungsschecks liegt. Der Missbrauch, den Sie ansprechen, ist ein tatsächlicher oder möglicher Vorgriff auf eine steuerliche Absetzbarkeit von Haushaltshilfen, die irgendwann in der Zukunft, wie ich hoffe, umgesetzt werden wird, und ich freue mich darauf, wenn es so weit ist.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass es sich bei dieser Lösung um eine einfache Art handelt, einen Teil der schwarz Beschäftigten in den legalen Bereich überzuführen. Ich bin über die Lösung, die hier angeboten wird, sehr froh! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.58



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110. Sitzung / Seite 211

Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Marek. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


19.58.03

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ich möchte ganz kurz auf ein paar Kritikpunkte eingehen.

Meine Damen und Herren! Ich komme zuerst zur Kritik von Seiten der Arbeiterkam­mer. – Ich denke, dass es jenseits jeglicher Realität ist, wenn die Arbeiterkammer in ihrer Stellungnahme sagt, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von wichtigen arbeitsrechtlichen Standards ausgeschlossen werden. Ich meine näm­lich, dass die Betroffenen mit dem Dienstleistungsscheck überhaupt erstmals in ein Sozialsystem einbezogen werden, weil die bürokratischen Hürden hier minimal gestal­tet sind.

In Wahrheit gibt es in diesem Bereich leider auch keinerlei Unrechtsbewusstsein, und das ist genau das Problem bezüglich Schwarzbeschäftigung bei den haushaltsnahen Dienstleistungen. Und das ist auch ein Grund dafür, dass so wenige Menschen ihre Haushaltshilfen offiziell anmelden und beschäftigen, die damit bisher überhaupt keinen Anspruch auf soziale Leistungen als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten.

Das ist etwas, was ich Frau Kollegin Sburny gerne mitgeben möchte: Sie sagt nämlich in einem „Standard“-Interview – nachzulesen auf „diestandard.at“ –, dass mit dem Dienstleistungsscheck Menschen in stundenweise Beschäftigung gedrängt werden, während sie bisher angestellt oder zumindest geringfügig angestellt werden mussten. – Das ist aber genau der Trugschluss, Frau Kollegin, genau das wurde und wird eben nicht gemacht! Und genau deshalb begrüße ich den Dienstleistungsscheck als ersten Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

19.59


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr hat sich Frau Abgeordnete Sburny für 2 Minu­ten zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.59.41

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): So viel Verwirrung wollte ich zu später Stunde gar nicht anrichten! Also muss ich nun Aufklärung in diese Verwirrung bringen. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Durch Prolongieren?) Nein! Das ist mir wirklich ein Anliegen!

Zur Frage mit dem Missbrauch gibt es ein Beispiel aus Frankreich, wo es sich tatsäch­lich so verhält. Ich gehe davon aus, dass diese Sache, wie Kollege Hofmann jetzt ge­sagt hat, auch bei uns kommen wird, denn Sie wollen ja, dass das steuerlich absetzbar wird. Das wurde ja gerade wieder bestätigt. Diese Möglichkeit des Missbrauchs gibt es jetzt schon.

Was aber unkontrollierbar ist, und zwar jetzt schon, ist, dass Sie überhaupt nie werden kontrollieren können, wie viele Stunden jemand für einen Dienstleistungsscheck arbei­tet. Und die Leute, die so sehr unter Druck sind, dass sie solche Arbeiten annehmen müssen, werden sich darüber ganz sicher nicht beklagen, und so sind diesem Miss­brauch und dieser Unkontrollierbarkeit ganz gewiss Tür und Tor geöffnet! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.


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110. Sitzung / Seite 212

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 856 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich auch um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch hier wird diese Zustimmung mit Mehrheit erteilt. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

20.01.2520. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (683 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Berufsaus­bildungsgesetz geändert wird (864 d.B.)

21. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufsschulen geändert wird (865 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 20 und 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Winkler. Seine Redezeit ist freiwillig mit 3 Minuten begrenzt; eingegeben sind 3 Minuten, und nach 2 Minuten blinkt es. – Bitte.

 


20.02.22

Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Gut Ding braucht Weile!, heißt es so schön. Aber heute ist es so weit: Auch in der Land- und Forstwirtschaft bekommen sozial, bega­bungsmäßig oder körperlich benachteiligte Jugendliche die Möglichkeit, wichtige beruf­liche Qualifikationen zu erlangen.

Ich darf heute aber auch die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei allen hier, insbeson­dere beim Herrn Bundesminister, aber auch bei allen Sozialpartnern sehr, sehr herzlich zu bedanken, dass es zu diesem Gesetzeswerk gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bis zu 400 Jugendliche erhalten nun österreichweit die Möglichkeit, entweder durch Verlängerung der Lehrzeit oder durch Erlangung von Teilqualifikationen auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Und gerade in strukturschwachen ländlichen Regi­onen kommt es zu keiner Konkurrenzierung, wie dies vermutlich dort und da befürchtet wird; es wurde nämlich bereits in vielen gewerblichen Branchen bewiesen, dass das nicht der Fall ist.

Besonders wichtig in dieser Novelle ist auch die erstmalige Zulassung von Aus­bildungsversuchen. Die österreichische Land- und Forstwirtschaft – und damit auch die Arbeitsplätze in diesem Bereich – steht in weltweit direkter Konkurrenz hinsichtlich billiger land- und forstwirtschaftlicher Produkte aus der ganzen Welt. Aus- und Weiter­bildung hilft daher auch unserer Land- und Forstwirtschaft zu überleben, und gleich­zeitig werden auch Arbeitsplätze im ländlichen Raum geschaffen. Auch deswegen ist


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110. Sitzung / Seite 213

es notwendig, die Herausforderungen mutig und aufgeschlossen anzunehmen, neue Wege zu gehen und unser Erwerbsleben durch zeitgemäße Aus- und Weiterbildung zu sichern.

Das ist auch für die Land- und Forstwirtschaft die beste Antwort auf die Globalisierung. Das nötige Know-how muss vermittelt werden, und auch dafür sind diese Ausbildungs­versuche, die letztlich auch in eine traditionellen Berufsausbildung münden können, dringend notwendig.

Ich halte es daher auch für besonders wichtig, dass der Sozialausschuss in einer Ent­schließung festhielt, dass die Bestimmungen zur integrativen Berufsausbildung nach zwei Jahren evaluiert werden müssen, und dass er auch mittels eines §-27-Antrages die grundsätzliche land- und forstwirtschaftliche Berufsschulpflicht sowie das Recht auf land- und forstwirtschaftlichen Berufschulbesuch festgeschrieben hat.

Hohes Haus! So wichtig diese Novelle ist – es ist dies ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung –, möchte ich dennoch auch darauf hinweisen, dass es noch viele Bereiche gibt, in denen es auf Grund einer fehlenden zeitgemäßen Definition von Beru­fen keine entsprechenden arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen gibt, beziehungs­weise keine sachgerechten Normen für den Arbeitnehmerschutz zutreffen.

Stellvertretend darf ich hier nur auf die Berufsausbildung in Reitställen oder bei Schlä­gerungsunternehmen oder in anderen aufstrebenden Berufen des Umwelt- und Natur­schutzes hinweisen, welche dringend durch eine Neuregelung des § 5 Landarbeits­gesetz einer entsprechenden Lösung bedürften. Die diesbezügliche Gesetzesänderung sollte daher mittels des seit Jänner 2004 vorliegenden Initiativantrages zur Abänderung des § 5 Landarbeitsgesetz ehebaldigst beschlossen werden.

Geschätzte Damen und Herren! Ich lade Sie heute zunächst einmal dazu ein, dem vor­liegenden, sehr wichtigen Gesetz Ihre Zustimmung zu geben. Darüber hinaus ersuche ich Sie aber auch dringend, mitzuhelfen, dass die sich im Zuge der strukturellen Verän­derungen in der Land- und Forstwirtschaft ergebenden neuen Berufe in das moderne Arbeits- und Sozialrecht eingegliedert werden, denn nur so hat die Landarbeit für die Menschen, die in diesen Berufen tätig sind, auch Zukunft! – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


20.06.07

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt ist mehr als angespannt. Wir sagen dazu, dass sie noch nie so schlecht war, weil wir uns nicht immer unbedingt vergleichen wollen, sondern den Blick auf Österreich lenken.

Ich denke allerdings, dass das Berufsausbildungsgesetz insofern gut geändert wurde, als wir die integrative Berufsausbildung geschaffen haben, die über 1 100 Jugendliche umfasst. Das wird heuer evaluiert, und wir werden uns gemeinsam anschauen, wie das bei jenen angekommen ist, die diese Ausbildung gewählt haben. Jetzt können – der Kollege vor mir hat es gesagt – ungefähr 400 Jugendliche im land- und forstwirtschaft­lichen Bereich dazu kommen. Ich meine, dass gerade Berufe in Gärtnereien oder in Forstbetrieben geeignete Berufe für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen sind, weil sie in der Natur tätig sein können.

Das ist grundsätzlich gut, und wir werden auch zustimmen, wiewohl wir einige Kritik­punkte haben, wie dieses Gesetz noch hätte verbessert werden können. Lassen Sie mich das ganz kurz nur erwähnen!


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110. Sitzung / Seite 214

Ich weiß, es gibt Artikel-15a-Vereinbarungen, aber es gibt dadurch auch neun Ausfüh­rungsgesetze, und es ist ein bisschen ungerecht, dass Jugendliche, die fast nebenein­ander, aber in zwei Bundesländern wohnen, unter Umständen unterschiedlich behan­delt werden.

Unser Meinung nach soll es keinen Unterschied zwischen Lehr- und Ausbildungs­vertrag geben, egal ob jemand die Lehrzeit verlängert oder eine Teilqualifizierung oder einen Lehrvertrag abschließt. Das soll nicht diskriminierend sein, dieser Unterschied zwischen Ausbildungsvertrag und Lehrvertrag sollte ausgeglichen werden.

Außerdem werden auch Jugendliche, die nur eine Teilqualifizierung machen, diskrimi­niert. Die Berufsschulpflicht – und das ist uns sehr wichtig – für Lehrlinge in der Teil­qualifizierung wird nur eingeschränkt, und wenn die Partner nicht einverstanden sind, könnte es sogar sein, dass diese sogar gar nicht vorgesehen ist.

Bei den Ausbildungsversuchen wäre es unserer Ansicht nach wichtig, dass man die Abschlussprüfung mit der Facharbeitsprüfung gleichstellt, um damit diese Ausbildungs­schiene für Jugendliche auch auszuwerten.

Geben wir denen, die es ohnehin schon schwer haben, noch einige zusätzliche wich­tige Möglichkeiten mit auf den Weg! Vielleicht stimmen Sie doch unserem Abände­rungsantrag zu. (Beifall bei der SPÖ.)

20.08


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Walch 2 Minuten. – Bitte.

 


20.08.37

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass das wieder ein Antrag in die richtige Richtung ist: Den Jugendlichen wird eine Chance ge­geben, dass sie speziell in der Landwirtschaft einen Lehrplatz beziehungsweise einen Ausbildungsplatz bekommen.

Wir alle lieben die Landwirtschaft, und wir müssen uns bei jenen bedanken, die uns tagtäglich etwas Frisches und Gutes auf den Tisch bringen und außerdem die Landschaft pflegen. Speziell für Jugendliche mit Handicaps werden in der Landwirt­schaft nun Jobs geschaffen, und ich glaube, das ist ganz wichtig. Ich hoffe, dass viele Jugendliche dieses Angebot annehmen, und ich ersuche um Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Haidlmayr. Wunsch­redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


20.09.35

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich vorweg: Irrtümlich wird noch oft von „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ gesprochen, und dann werden Menschen mit Behinde­rungen genannt.

Ich möchte Ihnen sagen, meine Bedürfnisse sind genauso besonders oder nicht be­sonders wie Ihre auch. Wenn ich Unterstützung brauche, zum Beispiel beim Toiletten­gehen oder was auch immer, dann ist das Toilettengehen für mich genauso besonders wie für Sie, also normal. Sprechen wir also von Menschen mit Behinderungen und nicht „mit besonderen Bedürfnissen“, weil das wirklich ziemlich komisch klingt. – Das ist einmal das eine, nur zur Sprachaufklärung und damit Sie wissen, welche diskrimi­nierenden Begriffe man eigentlich nicht mehr verwenden sollte.


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110. Sitzung / Seite 215

Aber jetzt zum Berufsausbildungsgesetz für Menschen mit Behinderungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Grundsätzlich können wir dem Gesetz etwas Positives abgewinnen. Nur, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es muss zumindest nach zwei Jahren eine Evaluierung gemacht werden, um zu sehen, wie es dann wirklich läuft. Wir alle kennen die Zeitungsberichte – sie haben uns wochenlang verfolgt – zum Beispiel aus der Steiermark, dort hat sich ein Landwirt zehn, fünfzehn behinderte Men­schen – unter Anführungszeichen – „gehalten“, die dort verwahrlost sind. Das war auch ein Unternehmer, der gesagt hat: Ich bilde hier behinderte Menschen aus. – Man muss da also in Zukunft sehr genau schauen, wer wirklich Unternehmer sind, die Menschen ausbilden, und wer sich an dieser Möglichkeit der Ausbildung vielleicht bereichern will. Das soll man ganz genau prüfen, und nach zwei Jahren muss es eine Evaluierung dazu geben.

Ich wünsche mir auch, dass es nicht so sein kann, dass jetzt zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten automatisch in den Bereich „behindert“ abgeschoben werden; ich sage: abgeschoben werden. Um sich in der Berufsschule nicht einen Zusatzlehrer leisten zu müssen, sagt man dann: mach nur eine Teilqualifikation, weil das auch geht, und man verdirbt ihm vielleicht eine Berufschance.

Das heißt: Nur dort, wo es notwendig ist, eine Teilqualifizierung, aber dort, wo es mög­lich ist, natürlich eine Vollqualifizierung, so wie es auch nicht behinderte Lehrlinge für sich in Anspruch nehmen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keuschnigg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


20.12.15

Abgeordneter Georg Keuschnigg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Dr. Cap: Liebe Opposition!) Liebe Opposition! (Heiterkeit.) Geschätzter Herr stellvertretender Klubobmann! Dieses Ge­setz verfolgt mehrere Zielsetzungen. Die Einwände oder kritischen Ansätze der Vorred­nerInnen sollen auch, glaube ich, so bestehen. Wir sagen uneingeschränkt ja zu einer Evaluierung, und wir werden auf diese Dinge sehr genau eingehen.

Da Sie mich so direkt ansprechen, Herr Klubobmann Cap: Sie haben vor wenigen Tagen eine Pressemeldung abgesetzt, ein Interview im „Standard“ gegeben, worin Sie der Landwirtschaft Reformunwilligkeit vorgeworfen haben. Dieses Gesetz ist eine inter­essante Brücke, um diesen Dialog hier weiterzuführen.

In diesem Gesetz werden auch die Ausbildungsversuche der Land- und Forstwirtschaft geregelt, es ist also ein extrem wichtiger Beitrag. Der Veränderungsdruck, der in der Land- und Forstwirtschaft vor allem seit dem EU-Beitritt herrscht, ist ungeheuer groß. Ich weiß nicht, wann Sie zum letzten Mal auf einem Bauernhof waren, vielleicht vor zehn, fünfzehn Jahren. (Abg. Broukal: Nein, nein, immer wieder!) Ich würde Ihnen wirklich raten, besuchen Sie einen Bauernhof – oder mehrere, das ist noch besser –, nicht nur einen Heurigen in Wien, und schauen Sie, welche modernen, schlagkräftigen, aber auch hart arbeitenden Betriebe Sie dort finden und was diese Betriebe in den letz­ten zehn Jahren an Veränderung durchgemacht haben. Das würde ich Ihnen wirklich dringend empfehlen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.14


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Königsberger-Lud­wig mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 



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110. Sitzung / Seite 216

20.14.05

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ich glaube, es ist unumstritten, dass wir alle dafür eintreten, dass Jugendliche mit Benach­teiligung unsere besondere Unterstützung und Förderung auf ihrem Start in ihr selbst­bestimmtes Leben brauchen. Diese Regierungsvorlage ist da meiner Ansicht nach wieder ein wichtiger Schritt in diese Richtung, die wir alle gemeinsam verfolgen.

Ich glaube aber, um dieses Gesetz erfolgreich umsetzen zu können, müssen auch an­dere Maßnahmen erfüllt werden. Es muss meiner Meinung nach Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung und bei den Betrieben gemacht werden, es muss ein Zusammen­spiel von Gesetzgeber und öffentlichen Institutionen geben, und es muss meiner Mei­nung nach vor allem auch ein Wahrnehmen der sozialen Verantwortung der Betriebe geben. Ich wünsche mir, Herr Kollege Walch, sehr viele Betriebe, die Jugendliche auch wirklich ausbilden; das wünsche ich mir zu Ihrem Wunsch dazu, weil ich denke, dass das ein ganz, ganz wichtiger Beitrag zu diesem Gesetz ist.

Ich denke, es muss uns gelingen, dass wir nicht auf die Schwächen der Jugendlichen schauen, sondern auf ihre Stärken, und dass wir ihre Stärken auch nützen, um ihnen den Platz im Leben und in der Gesellschaft zu geben. Ich glaube auch, wir müssen dafür die besten gesetzlichen Voraussetzungen schaffen.

Daher bringe ich jetzt einen Abänderungsantrag ein, der die wichtigsten Kritikpunkte, die Kollegin Heinisch-Hosek schon angesprochen hat, beinhaltet. Es ist dies ein Abän­derungsantrag der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Heidrun Silhavy, Franz Riepl und KollegInnen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Berufsausbil­dungsgesetz geändert wird.

Ich erläutere diesen in den Kernpunkten.

Erster Punkt: Die im Rahmen eines Ausbildungsversuches abgelegte Abschlussprü­fung ist einer Facharbeiterprüfung gemäß § 7 gleichzustellen.

Zweiter Punkt: Personen, die in einer Teilqualifikation ausgebildet werden, sind hin­sichtlich der Berufsschulpflicht anderen Lehrlingen gleichzustellen.

Dritter Punkt: Das Landarbeitsgesetz soll nicht nur im Abschnitt 6, sondern zur Gänze auf die Jugendlichen angewendet werden.

Ich ersuche die Damen und Herren von den Regierungsparteien, unseren Abände­rungsantrag zu unterstützen, vor allem zum Wohle der Jugendlichen, für die wir dieses Gesetz beschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Frau Abgeordneter Königsberger-Ludwig in seinen Kernpunkten vorgestellte Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Heidrun Silhavy, Franz Riepl ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung. Er wird im Übrigen gemäß § 53 Abs. 4 Geschäftsordnungsgesetz verteilt werden.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Heidrun Silhavy, Franz Riepl und KollegInnen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (864 d.B.) über die Regierungs­vorlage (683 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das land- und forstwirtschaftliche Berufs­ausbildungsgesetz geändert wird


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110. Sitzung / Seite 217

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In § 7b Abs. 5 zweiter Satz wird nach dem Ausdruck „Abschluss des Ausbildungs­versuches“ die Wortfolge „von der land- und forstwirtschaftlichen Lehrlings- und Fach­ausbildungsstelle“ eingefügt.

2. In § 7b Abs. 3 wird folgender zweiter Satz angefügt:

„Die im Rahmen eines Ausbildungsversuches abgelegte Abschlussprüfung ist einer Facharbeiterprüfung gemäß § 7 gleichzuhalten.

3. In § 11b Abs. 1 jeweils erster und letzter Satz wird das Wort „Ausbildungsvertrag“ durch das Wort „Lehrvertrag“ ersetzt.

4. § 11b Abs. 4 lautet:

„(4) Personen, die in einer Teilqualifikation ausgebildet werden, sind hinsichtlich der Berufsschulpflicht anderen Lehrlingen gleichgestellt.“

5. § 11c Abs. 2 letzter Satz lautet:

„Diese berufliche Orientierungsmaßnahme gründet nicht auf einem Lehrvertrag.“

6. In § 11e wird im ersten Halbsatz der Ausdruck „einen Ausbildungsvertrag nach“ gestrichen.

7. § 11f Abs. 3 lautet wie folgt:

„(3) Die Berufsausbildungsassistenz hat vor Beginn der integrativen Berufsausbildung gemeinsam mit den dafür in Frage kommenden Personen beziehungsweise den Er­ziehungsberechtigten und den Lehrbetrieben oder den besonderen selbstständigen Ausbildungseinrichtungen und unter Einbeziehung der land- und forstwirtschaftlichen Lehrlings- und Fachausbildungsstelle, der Schulbehörde erster Instanz und des Schul­erhalters die Ziele der integrativen Berufsausbildung festzulegen.“

8. § 11f Abs. 4 lautet wie folgt:

„(4) Die Berufsausbildungsassistenz hat zusammen mit einem Experten des betreffen­den Berufsbereiches die Abschlussprüfung gemäß § 11g durchzuführen.“

9. In § 11g Abs. 2 wird der Ausdruck „Ausbildungsvertrag“ durch den Ausdruck „Lehr­vertrag“ ersetzt.

10. In § 11h Abs. 1 wird der Ausdruck „einem Ausbildungsverhältnis“ gestrichen.

11. In § 11h Abs. 2 entfällt der Ausdruck „beziehungsweise Ausbildungsvertrages“.

12. In § 11i Abs. 1 wird der Ausdruck „Teilqualifikation“ durch den Ausdruck „integrati­ven Berufsausbildung nach § 11a und“ ersetzt und der Ausdruck „Abschnitt 6 des“ wird durch den Ausdruck „das“ ersetzt.

13. In § 11i Abs. 2 wird der Ausdruck „Teilqualifikation“ durch den Ausdruck „integrati­ven Berufsausbildung nach § 11a und“ ersetzt.

Begründung:

Die im Rahmen eines Ausbildungsversuches abgelegte Abschlussprüfung soll einer Facharbeiterprüfung gleichgehalten werden. Der Lehrling hat dadurch die Sicherheit einer abgeschlossenen Qualifikation, auch wenn der Ausbildungsversuch nicht ins Regelsystem überführt wird. Diese Gleichhaltung sollte auch im Hinblick auf die Einstu­fung nach den Kollektivverträgen erfolgen.


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110. Sitzung / Seite 218

Klargestellt werden soll, wer den Bericht über den Ausbildungsversuch an den Bundes­minister für Wirtschaft und Arbeit vorzulegen hat. Sinnvollerweise sollte das die jewei­lige land- und forstwirtschaftliche Lehrlings- und Facharbeiterstelle sein.

Für Personen, die in einer Teilqualifizierung ausgebildet werden sollen, entfällt durch die in der Regierungsvorlage gewählte Formulierung de facto die Berufsschulpflicht; in § 11b Abs. 4 ist die Teilnahme am Berufsschulunterricht für diese Personengruppe nur dann zu ermöglichen, wenn bei der Festlegung der Ausbildungsziele gemäß § 11d auch die Einbindung in die Berufsschule für zielführend erachtet wurde. Eine Berufs­schulpflicht für Personen im Rahmen einer Ausbildung gemäß § 11b der Regierungs­vorlage ist aber nicht nur für den Erfolg der Maßnahmen der integrativen Berufaus­bildung sondern auch für einen allfälligen Wechsel des Ausbildungszieles erforderlich. Eine Nichteingliederung in den Berufsschulunterricht bedeutet darüber hinaus eine massive Diskriminierung von Personen, die im Rahmen einer Teilqualifizierung ausge­bildet werden. Nur durch Einbeziehung dieser Personengruppe in die Berufsschul­pflicht können die Schulbehörden verpflichtet werden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die schulische Integration für alle Zielgruppen im Rahmen der integrati­ven Berufsausbildung zu erreichen.

Es soll keine Unterscheidung zwischen Lehr- und Ausbildungsvertrag geben und die Zielsetzung ist, dass egal ob verlängerte Lehrzeit oder Teilqualifizierung ein Lehr­vertrag im Sinne des LFBAG abgeschlossen wird; die Unterscheidung zwischen Ausbildungsvertrag und Lehrvertrag wirkt diskriminierend, weil dadurch betont wird, dass Ausbildungsverträge anders zu bewerten sind, als Lehrverträge. Sie ist insbeson­dere auch deshalb abzulehnen, da Probleme beim Bestandsschutz beziehungsweise hinsichtlich einer leichten Lösbarkeit dieser Ausbildungsverträge entstehen könnten.

Nachdem das Landarbeitsgesetz nicht nur im Abschnitt 6 wesentliche Bestimmungen enthält, die auf Jugendliche anzuwenden sind, soll der Hinweis auf diesen Abschnitt entfallen.

Außerdem sollen diese Bestimmungen nicht nur für die Teilqualifikation sondern auch für die verlängerte Lehrzeit gelten, damit zum Beispiel sichergestellt ist, dass Anspruch auf Familienbeihilfe auch nach einer grundsätzlich drei Jahre dauernden Lehrzeit gewährt wird.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundes­minister Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


20.16.44

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bedanke mich dafür, dass das Thema der integrativen Berufsaus­bildung weiterhin eine Konsensmaterie ist. Das war im Ausschuss schon deutlich erkennbar. Dieser gerade eingebrachte Abänderungsantrag ist mir neu. Wir werden versuchen, ihn in den nächsten Minuten auch seitens meines Hauses zu prüfen.

Lassen Sie mich jetzt schon sagen, dass die bisher vorliegenden Zahlen in Sachen Entwicklung der integrativen Berufsausbildung Mut machen. Hat es am Anfang so ausgesehen, als würde sich ein guter Teil der integrativen Berufsausbildung in so genannten Einrichtungen abspielen, gibt es jetzt auch, sowohl was die Verlängerung der Lehrzeit anbelangt als auch was Teilqualifikationen anbelangt, recht ermutigende Zahlen von jungen Menschen in Unternehmungen. Von insgesamt 1 100 sind rund 500 schon in Unternehmungen, das ist mehr als ein guter Anfang!


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110. Sitzung / Seite 219

Frau Abgeordnete Haidlmayr, ich nehme das sehr gerne zur Kenntnis: „Menschen mit Behinderung“. Die von Ihnen heute und vor allem im Ausschuss geäußerten Befürch­tungen, dass gerade auf Bauernhöfen dieses oder jenes passiere, teile ich nicht. Wenn es so ist, dass es im land- und forstwirtschaftlichen Bereich mehr an Möglichkeiten für solche jungen Menschen gibt, so ist es umso wichtiger, dass wir jetzt die integrative Berufsausbildung auch für den land- und forstwirtschaftlichen Bereich nachvollzie­hen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend bis zu 2 Minuten zu uns. (Heiterkeit.)

 


20.18.20

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies eine Konsensmaterie, und ich möchte diese Gelegenheit dazu nutzen, einfach die Frage aufzuwerfen – und ich richte sie insbesondere an die gewerkschaftlichen Kollegen aus der Sozialdemokratie –, dass wir gemeinsam darüber nachdenken, inwieweit nicht eine stärkere Differenzierung bei der dualen Ausbildung den Betroffenen hilft, nämlich den angehenden Lehrlingen und andererseits auch dem Markt, das heißt, bei der Nachfrage Verbesserungen mit sich bringt.

Ich glaube, dass es die Zeit wert ist, sich mit diesem Thema eingehend auseinander zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herta Mikesch ebenso kurz wie Werner Fasslabend. (Heiterkeit.)

 


20.19.11

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Mit dem heutigen Beschluss wird ein neues Angebot, das es für Jugendliche in der gewerblichen Berufsausbildung bereits gibt, auf den landwirtschaft­lichen Bereich ausgedehnt. Das beweist, dass es uns seitens der Regierungsparteien damit ernst ist, jungen Menschen eine Chance für die Zukunft zu geben. Denn eine fundierte Ausbildung ist die wichtigste Grundlage für ein künftiges Berufsleben.

Derzeit stehen in Österreich rund 120 000 junge Menschen in einem Lehrverhältnis, 60 000 davon im Handwerk und im Gewerbe. Vor allem unsere Klein- und Mittel­betriebe sind es, die diese duale Berufsausbildung tragen, und unsere Unternehmen bekennen sich dazu. 88 Prozent unserer Unternehmen bezeichnen die Lehrlingsaus­bildung als die wichtigste Form, um qualifizierte Mitarbeiter für ihr Unternehmen zu bekommen. 94 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer sind der Ansicht, dass die Berufsbilder auch mit den betrieblichen Anforderungen übereinstimmen.

Allerdings muss Folgendes deutlich gesagt werden: Die Unauflösbarkeit des Lehrver­hältnisses ist nicht immer ein Schutz des Lehrlings, sondern leider oftmals ein Hemm­schuh. Es bedarf hier vielleicht eines Umdenkprozesses, natürlich nach genau defi­nierten Kriterien. Weil das JASG oftmals dargestellt wird, als würde man die jungen Menschen abschieben, um sie aus der Arbeitslosenstatistik herauszubekommen, sei hier festgehalten: Die JASG-Plätze sind ein voller Erfolg, zwei von drei Lehrlingen wechseln direkt aus dem JASG in ein Lehrverhältnis.

Meine Damen und Herren! Unser Berufsausbildungssystem ist hervorragend. Als ehe­malige Sportlerin werfe ich einen Blick auf eine Weltmeisterschaft, die vielleicht nicht allen bekannt ist: die Berufsweltmeisterschaften. Seit dem Jahr 1991 nahmen insge­samt 237 junge Menschen aus unserem Land teil, und sie errangen 118 Medaillen. Ich


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110. Sitzung / Seite 220

gratuliere den jungen Menschen ganz besonders dazu und bitte ganz einfach auch Sie, ihnen allen für diese tollen Leistungen zu danken. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

20.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schiefermair. – Bitte.

 


20.21.22

Abgeordnete Notburga Schiefermair (ÖVP): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Um es möglichst kurz zu machen: Wir alle sind einer Meinung, wenn es darum geht, jungen Menschen mit Be­hinderungen oder Benachteiligungen den Besuch berufsbildender Schulen zu ermög­lichen. Wir sind auch d’accord, dass die Landwirtschaft ihren Beitrag dazu zu leisten hat. Ich vermute nur, dass diese landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu romantisch gese­hen werden. Denn – Kollege Keuschnigg hat es auch schon gesagt – Landwirtschaften sind jetzt schon schlagkräftige Unternehmen, die nach betriebswirtschaftlichen Maßstä­ben geführt und auch daran gemessen werden. (Bravorufe bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Wichtigste ist auch, wir haben die Schulen vergessen, die Schulen, in die jetzt diese jungen Leute gehen sollen. Ich glaube, wir müssen sie alle dabei unterstützen, dass sie die nötigen Grundlagen haben, die Plätze und auch die Unterstützung der Länder, dass das möglich wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung, die über jeden Ausschussantrag getrennt durchgeführt wird.

Zuerst stimmen wir ab über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das land- und fortwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird, in 683 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwur­fes in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordne­ten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die Mehrheit und ist daher abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das Zeichen wird mit Mehrheit gege­ben, dies ist daher angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.


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110. Sitzung / Seite 221

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Dies geschieht einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung für diesen Gesetzentwurf eintritt, den bitte ich um ein Zei­chen. – Auch in dritter Lesung wird der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 864 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies wird einstim­mig angenommen. (E 106.)

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entwurf samt Titel und Eingang in 865 der Beilagen.

Der vorliegende Entwurf über ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Berufsschulen geändert wird, kann als Angelegenheit des Artikels 14a Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz gemäß Artikel 14a Abs. 8 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Es handelt sich hiebei um eine historische Abstimmung. Denn wenn das, was wir heute in der Früh beschlossen haben, kundgemacht ist, wird es solche Abstimmungen nicht mehr geben. Seien Sie sich also der Bedeutung dieser Abstimmung bewusst, meine Damen und Herren!

Somit stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfas­sungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustim­mung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Trotz der Lücken hier im dritten Sektor stelle ich fest, dass die verfassungsmäßig not­wendige Zweidrittelmehrheit erreicht ist. Daher ist das einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das Zeichen wird wiederum von allen Damen und Herren gegeben, daher ist dies einstimmig angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

20.26.1622. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (671 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Verbrechensopfergesetz, das Impfscha­dengesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsge­setz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Bundesberufungskommissionsgesetz und das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert werden (Versor­gungsrechts-Änderungsgesetz 2004 – VRÄG 2004) (868 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 22. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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110. Sitzung / Seite 222

Die Debatte wird von Frau Abgeordneter Marek eröffnet. Sie wünscht sich 3 Minuten Redezeit, wird aber 2 Minuten sprechen, nehme ich an. – Bitte.

 


20.26.17

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das heute zu beschlie­ßende Versorgungsrechts-Änderungsgesetz enthält ganz wesentliche Verbesserungen für Menschen, die ohne eigenes Verschulden in sehr schwierige ... (Unruhe im Saal.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, der Dame am Rednerpult zuzuhören!

 


Abgeordnete Christine Marek (fortsetzend): Die Vorlage umfasst einerseits Maß­nahmen im Bereich der Unterstützung von Verbrechensopfern sowie andererseits Hilfe für Menschen, die auf Grund von Impfschäden unter langjährigen beziehungsweise lebenslänglichen, zum Teil sehr schweren Beeinträchtigungen zu leiden haben. Spe­ziell auf diesen Bereich wird mein Kollege Franz-Joseph Huainigg, der selbst ein sol­ches Opfer ist, später noch näher eingehen.

Ich möchte mich daher auf den Bereich der Verbrechensopfer konzentrieren und die wichtigsten Änderungen der vorliegenden Novelle erläutern.

Für Opfer von Verbrechen beziehungsweise für deren Angehörige wird es künftig eine Mindestsicherung in Form einer einkommensabhängigen Unterstützungsleistung ge­ben. Kinder werden Unterhalt bekommen, Unversicherte eine Unterstützung bis zur Ausgleichszulage. Auch wenn der Kreis der so betroffenen Personen relativ klein ist, können wir damit doch jenen Menschen helfen, die ohnehin Schreckliches erlebt haben und sich so zumindest nicht um die Frage der täglichen Existenz Sorgen machen müssen.

Eine weitere deutliche Verbesserung wird es bei notwendigen Rehabilitationen und Rezeptgebühren nach Verbrechen geben. Auch hier werden Opfer künftig zumindest keine finanziellen Belastungen wie bisher mehr haben.

Ein Bereich, der gerade mir als Mutter besonders am Herzen liegt, ist der der Psy­chotherapie etwa nach Missbrauchsfällen. Bisher hatten Opfer von Missbrauch im Kin­desalter keinen rückwirkenden Anspruch auf Kostenersatz für Psychotherapie; künftig wird dies anders sein, und es wird diesen Anspruch auch rückwirkend geben. Ich bin sehr froh, dass das gerade für die Kinder und die erwachsenen Menschen später eine gute Möglichkeit für ein erfülltes Leben sein wird.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr darüber, dass dieses Gesetz vom Hohen Haus einstimmig beschlossen wird, weil dies auch ein wichtiges Zeichen an die so schlimm betroffenen Menschen ist, und ich danke Ihnen allen dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leutner. Auch er wird bis zu 3 Minuten sprechen. – Bitte.

 


20.28.57

Abgeordneter Dr. Richard Leutner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat auf die Materie bereits Bezug genommen. Das Vorhaben hat sozialpolitisch schon im Begutachtungs­verfahren breite Zustimmung aller Institutionen erreicht, und auch unsere Fraktion kann diesem Vorhaben heute mit gutem Gewissen zustimmen.


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110. Sitzung / Seite 223

Ich möchte es in diesem Zusammenhang nicht versäumen, mich bei Sektionschef Gruber vom Sozialministerium und seinem Team ganz herzlich zu bedanken. Ich weiß, dass von ihm und seinem Team ganz wesentliche Impulse für diese Neuordnungen ausgegangen sind.

Das Vorhaben selbst bringt wichtige Vereinheitlichungen und Vereinfachungen, vor allem aber wesentliche Verbesserungen für die Verbrechensopfer mit sich. Ich denke etwa an die Kostenbeteiligungen für Rehabilitation und Rezeptgebühren, die künftig vom Staat übernommen werden, die Ausdehnung des Anspruches von Verbrechens­opfern auf Psychotherapie – das ist ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang – und die dringend notwendige Verbesserung des Rechtsschutzes.

Es ist auch ein wichtiger Kernpunkt des Gesetzes, dass künftig für Verbrechensopfer eine einkommensabhängige Mindestsicherung eingeführt wird.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang sagen, auch die Ausschussberatungen haben wieder ergeben: Wir brauchen dringend eine bundes­einheitliche Sozialhilfe-Grundsatzgesetzgebung. Grundstandards in der Sozialhilfe dür­fen in Zukunft nicht mehr davon abhängen, in welchem Bundesland man sich gerade befindet. Frau Ministerin! Ich glaube, da müssen Sie in den nächsten Monaten auch noch tätig werden.

Abschließend: Ich freue mich auch, dass wichtige Vorschläge der SPÖ in Verhandlun­gen noch in den Gesetzentwurf eingeflossen sind. Ich denke etwa an die Einbeziehung von ausländischen Staatsbürgern – das ist internationaler Standard – oder den Ersatz von Sachschäden. Und wir haben auch eine gemeinsame Entschließung zur Frage des Schmerzengeldes auf den Weg gebracht. Das müssen wir in Zukunft auch noch sozialpolitisch regeln. – Diese Vorschläge haben den Entwurf ganz zweifellos noch wesentlich verbessert.

Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass es meiner Meinung nach wichtig ist, dass jetzt die Behörden – Polizei, Gerichte, Staatsanwälte – die Opfer von diesem Gesetz unbürokratisch informieren.

Am heutigen Tage können wir sagen: Das neue Gesetz erfüllt berechtigte Anliegen der Betroffenen. – Nehmen wir es an! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

20.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. Er wünscht 2 Minuten zu sprechen. – Bitte.

 


20.31.47

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Es freut mich natürlich ganz besonders, dass heute die Opposition mit unserem Zug mitfährt und auch einsieht, dass die Regierung für jene Leute, die besonders benachteiligt waren, wieder etwas getan hat. (Abg. Sil­havy: Mit eurem Zug fahren wir nicht mit!)

Der Gesetzentwurf – eine Verbesserung für Verbrechensopfer und Personen mit Impf­schaden – bringt viele Vorteile. Es ist das eine Sammelnovelle, in der verschiedene Sozialentschädigungsgesetze vereinfacht oder vereinheitlicht werden. Betroffen sind das Verbrechensopfergesetz, das Impfschadengesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz und das Kriegsgefan­genenentschädigungsgesetz.


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110. Sitzung / Seite 224

Es freut mich natürlich besonders, dass damit auch die Leistungen erhöht werden und dass alle zustimmen. – Ich bedanke mich recht herzlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ihre Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.32.52

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg: Wir werden dem Versorgungsrechts-Änderungsgesetz zustimmen, weil es doch auch einige wesentliche Punkte enthält, die wir Grünen seit Jahren gefordert haben und die jetzt endlich umge­setzt werden.

Als eines der Beispiele möchte ich die Möglichkeit und die Finanzierung der Psycho­therapie nennen, die Opfer manchmal erst viel später brauchen, weil sie gerade im Anfangsstadium, wenn sie sehr stark traumatisiert sind, das Ausmaß eigentlich noch nicht erkennen können und sich erst später im Leben herausstellt, dass sie irgendwie nicht „zusammenkommen“, was sehr oft auf ihre Opferrolle zurückzuführen ist.

Frau Ministerin, wir finden es auch vorteilhaft, dass die Entschädigungen jetzt verfas­sungsrechtlich dem Bund zugerechnet werden, denn es war immer ein Problem, dass Verbrechensopfer, die einfach einen Anspruch auf Entschädigung haben, bis jetzt lange Verfahren hinnehmen mussten und teilweise auch auf privatrechtlichem Wege einklagen mussten, dass sie zu ihrem Recht kommen. Es ist auch ein Vorteil, dass es jetzt eine Vereinheitlichung des Rechtsweges gibt.

Frau Ministerin! Auch beim Impfschadengesetz gibt es wesentliche Vorteile. Speziell die Situation für Kinder hat sich eindeutig verbessert, und auch die Verjährungsbestim­mungen gelten jetzt in diesem Sinne nicht mehr. Somit erhalten Opfer, die ihre Behin­derung auf Grund einer Impfung erworben haben, bessere rechtliche Voraussetzungen als bisher.

Wir würden uns wünschen, Frau Bundesministerin, dass auch in anderen Gesetzes­bereichen positive Maßnahmen möglich sind, die wirklich von allen getragen werden können, wie in diesem Fall.

Ich möchte allerdings schon dazusagen, dass es natürlich noch sehr großen Hand­lungsbedarf in diesem Bereich gibt, wenn ich zum Beispiel an die NS-Opfer und Homo­sexuelle in der NS-Zeit denke, wo es noch keine Regelungen gibt. Diese Probleme – wir haben ja heute in der Dringlichen Anfrage schon darüber gesprochen – müssen in nächster Zeit auch geklärt werden, damit wirklich alle, die ein Recht haben, Leistun­gen zu bekommen, und die nicht mehr als Täter, sondern als Opfer gesehen werden, wirklich auch als Opfer anerkannt und endlich rehabilitiert werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.36


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. Er wünscht, 2 Minuten zu uns zu sprechen. – Bitte.

 


20.36.32

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Gestatten Sie mir heute eine persönliche Geschichte. Ich bin immer wieder in Schulen und diskutiere mit Kindern über meine Kinderbücher. Da werde ich immer von Kindern gefragt: Seit wann sitzt du im Rollstuhl? – Dann schaue ich auf die Uhr und sage: Na ja, um sieben Uhr bin ich aufgestanden: fünf Stunden.


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Dann sagen Sie: Das wollen wir gar nicht wissen. Wir wollen wissen: Warum bist du behindert? – Wenn ich das gefragt werde, erzähle ich immer, wie das war, wie es meine Mutter immer erzählt hat: dass das eben von einer Impfung im Babyalter von zehn Monaten passiert ist – Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus. Auf die erste Impfung habe ich mit Fieber reagiert. Bei der zweiten Teilimpfung sind wieder Fieber und erste Lähmungserscheinungen aufgetreten. Die dritte Impfung habe ich nicht mehr bekom­men.

Wenn ich das in den Schulen erzähle, dann werden immer alle ganz bleich und sagen, dass es so etwas gibt. – Ja, es gibt so etwas. Und hier stehe ich.

Als ich vor zirka zehn Jahren, als das Impfschadengesetz beschlossen worden ist, um offizielle Anerkennung des Impfschadens angesucht habe, wurde es abgelehnt, weil es eben nur als „wahrscheinlich“ eingestuft worden ist, dass das mit einer Impfung zu tun hat, und ich das nicht beweisen konnte, was klar ist. Aber es ist so, denke ich – warum sollte ich auch an den Aussagen meiner Eltern zweifeln?

Heute beschließen wir eine Novelle zum Impfschadengesetz, die, denke ich, sehr wichtig ist, da derzeit nur bei weniger als hundert Personen Impfschäden anerkannt sind. Nunmehr reicht es auch, wenn ein Impfschaden als „wahrscheinlich“ gilt, dass dieser anerkannt wird. Weiters sind die Verjährungsfristen aufgehoben worden, und auch Kinder werden mit der potentiellen Karriere sehr gut eingestuft.

Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt für eine Gesellschaft: dass wir uns, wenn wir uns zu Impfungen bekennen, die durchaus auch ihre Berechtigung haben, auch zu den Impfopfern bekennen und ihnen auch helfen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

20.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Haub­ner. – Bitte.

 


20.40.45

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich beim Herrn Kollegen Huainigg für seine Worte bedanken, denn diese persönliche Betroffenheit im Zusammenhang mit Verbesserun­gen bei Impfschäden, aber auch bei Verbrechensopfern ist etwas, wo wir gefordert sind und wo wir auch nicht nur nachdenken sollen, sondern – wenn wir können – auch handeln müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Ich möchte mich daher bei allen vier Parlamentsparteien hier im Hause bedanken, dass wir im Vorfeld in den Ausschüssen und in den Beratungen ein gemeinsames Ergebnis erzielt haben, im Bewusstsein, welche körperlichen und seelischen Schäden auch durch Gewalt und durch Verbrechen entstehen können und dass wir hier größt­möglichen Handlungsbedarf haben und Verbesserungen anbringen müssen.

Ich möchte mich bei allen für die Anregungen, für die Ideen und all das, was gemein­sam eingeflossen ist, bedanken. Es ist sehr vieles dabei, was gerade auch die Hilfs­organisationen von Verbrechensopfern immer wieder an Forderungen gestellt haben.

Dieses konstruktive Miteinander bei einer Gesetzwerdung ist ein gutes Beispiel dafür, wie man manchmal Dinge gemeinsam erarbeiten und etwas verbessern kann. Ich nehme auch gerne den Dank an, den Herr Kollege Leutner an die Sektion, an den Sektionschef und an die Beamten gerichtet hat, denn ich glaube, es ist auch wichtig, dass man da fachlich gut begleitet wurde.


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Sie haben auch – was ich als positiv empfunden habe – eine gemeinsame Entschlie­ßung zustande gebracht, dass wir, das Sozialministerium, mit dem Justizministerium seriös Daten und Fakten bezüglich Schmerzensgeldzuerkennung erheben, sodass wir – was ja auch ein Wunsch von vielen ist – zumindest einmal eine Basis haben und über diese Dinge dann auch entsprechend diskutieren können.

Ich glaube, es ist das ein wichtiges und gutes Gesetz, das zu einem Zeitpunkt entstan­den ist, zu dem es höchst notwendig war. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

20.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.43.32

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekre­tär! Beim vorliegenden Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 2004 – das wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits ausführlich erläutert – handelt es sich um eine Materie, die aus unserer Sicht, der Sicht der SPÖ, sehr positiv ist, denn alle hier getroffenen Maßnahmen bringen für die Opfer von Verbrechen, aber auch für jene, die unter das Impfschadengesetz fallen, ausschließlich Erleichterungen und Verbesse­rungen.

Eine Zustimmung zur Vorlage – es wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt – kann daher mit gutem Gewissen auch unsererseits erfolgen. Mit heutigem Beschluss wird diese Gesetzgebung, die im Fall von derartigen Tragödien ohnehin immer nur einen Bruchteil der tatsächlich lebensnotwendigen Hilfe gewährleisten kann, ein wenig mehr an die Realität angeglichen.

Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang vor allem die nunmehr mögliche rückwirkende Kostenübernahme im Fall von Psychotherapien. Vor allem jene, die in ihrer Kindheit vergewaltigt oder misshandelt wurden und oftmals erst Jahre später die Chance bekommen, diese traumatischen Erlebnisse aufzuarbeiten, können nun end­lich auch auf eine nachträgliche staatliche Kostenübernahme hoffen, auch dann, wenn sie den Antrag nicht unmittelbar nach Schädigung gestellt haben.

Frau Minister! Wenn man sich auch den Ruck gegeben hätte, in Sachen Schmerzens­geld noch etwas zu machen, dann wäre dieses Gesetz perfekt gewesen. So aber bleibt der Wermutstropfen, dass sich die Opfer von Gewalttaten auch in Zukunft selbst, und zwar auf privatrechtlichem Weg, um ihr Schmerzensgeld bemühen müssen.

Schade, dass hier nicht die Bereitschaft bestanden hat, als Bund in Vorlage zu treten und sich dann das Geld von den Tätern zurückzuholen, denn nicht die Höhe des Schmerzensgeldes wäre ausschlaggebend gewesen, sondern es hätte eine Anerken­nung der psychischen Situation der Opfer geben sollen, um diesen Menschen die Mühsal über den privatrechtlichen Klageweg zu ersparen. Schade, dass dieser kleine Schritt nicht auch noch erfolgen hat können, um dieses Gesetz perfekt zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin dazu ist Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.45.34

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderungen des Versor-


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gungsrechts-Änderungsgesetzes sind absolut zu begrüßen, denn Verbrechensopfer haben ohnehin schon so viel mitgemacht.

Als ehrenamtliche Rechtsberaterin einer Frauenorganisation bin ich häufig mit unglaub­lichen Fällen konfrontiert, und das psychische und körperliche Leid, das Verbrechens­opfer hinter sich haben, ist oft wirklich unfassbar. In den anschließenden Gerichtsver­fahren erfolgt nicht selten noch eine weitere Traumatisierung.

Verbrechensopfer sind nach diesen Erfahrungen meist hypersensibel und meiden erfahrungsgemäß alle zusätzlichen bürokratischen Hürden, auch wenn sie dadurch auf Ansprüche verzichten müssen. Deshalb ist es, denke ich, unsere moralische Verpflich­tung, diesen Menschen, wo es geht, entgegenzukommen und es ihnen möglichst leicht zu machen, zu ihrem Recht zu kommen.

Da ist es sehr hilfreich, wenn das Entschädigungsverfahren vom Zivilrecht ins öffent­liche Recht transferiert wird, weil da die sehr ungünstige Klägerrolle mit allen Risken – allem voran dem Prozesskostenrisiko – wegfällt.

Im Übrigen schließe ich mich den Vorrednern meiner Fraktion an und möchte noch festhalten, dass es sehr erfreulich ist, dass sehr viele unserer Forderungen Eingang gefunden haben.

Das hebt sich sehr wohltuend von der sonstigen Praxis der derzeitigen Regierungspar­teien ab, Vorschläge der Opposition reflexartig abzulehnen. Ich würde mir mehr solcher Beispiele wünschen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Neugebauer: Nach sorgfältiger Prüfung!)

20.47


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Versorgungsrechts-Änderungsgesetz 2004 samt Titel und Eingang in 868 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch dies erfolgt einstimmig. Der Entwurf ist daher mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 868 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Wer ihr zustimmt, den bitte ich um Zeichen. – Das Zeichen wird von allen Mitgliedern des Hohen Hauses erteilt. Das ist einstimmig angenommen. (E 107.)


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20.48.4323. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (779 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über Sozialbetreuungsberufe (869 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler. Ihre Wunschredezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte.

 


20.49.11

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir schaffen mit dem heutigen Beschluss einheitliche Grundsätze für die Ausbildung und die Tätig­keitsbereiche der Sozialbetreuungsberufe – ein ganz wichtiger Aspekt, da es derzeit sehr viele Überschneidungen, unterschiedliche Berufsanforderungen, teilweise Nicht­anerkennung von Ausbildungen in einzelnen Bundesländern und dadurch auch ein uneinheitliches Niveau gibt.

Besonders wichtig für jene in diesem Bereich Tätigen ist in Zukunft auch die gegen­seitige Anerkennung der Ausbildungen in den einzelnen Bundesländern. Das wertet den Berufsstand insgesamt auf und ist vor allem auch für Wiedereinsteigerinnen und Frauen wichtig, die beispielsweise nach der Babypause eine Umschulung oder eine Höherqualifizierung anstreben.

Im Hilfswerk sind zum Beispiel über 30 Prozent Frauen um die 40, die berufsbegleitend eine Höherqualifizierung und eine Weiterqualifizierung absolvieren. – Auch das wird jetzt leichter.

Durch die geplanten Vereinbarungen wird insgesamt ein modulares Ausbildungssys­tem geschaffen, das die Qualitätsstandards verbessert. Das ist vor allem auch für die betroffenen Menschen wichtig, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen. Das Ausbildungs­system wird durchlässiger. Wir bräuchten – das möchte ich auch noch anmerken – auch in der Krankenpflege-Ausbildung flexiblere Möglichkeiten. Auch darüber sollten wir diskutieren. Ich hoffe und wünsche mir, dass die 15a-Vereinbarungen in den Län­dern möglichst schnell umgesetzt werden.

Eine Anmerkung noch, weil das auch immer wieder diskutiert wurde: Es ist nunmehr auch möglich, nach Absolvierung entsprechender Ausbildungsmodule zur Verbesse­rung der Basisversorgung und eben auch zur Unterstützung der Basisversorgung Arzneimittel zu verabreichen und anzuwenden. Auch das ist für die praktische Arbeit wichtig. Das ist nicht nur ein Kostenfaktor, sondern das ist wichtig, um die Arbeit im extramuralen Bereich überhaupt zu ermöglichen. Hier müssen die Familien und die entsprechend ausgebildeten Fachkräfte zusammenspielen. Nur dann ist eine Arbeit im extramuralen Bereich möglich.

Ein wichtiger Beschluss, um die Betreuung, die Qualität in der Betreuung zu sichern, aber auch, um die Mobilität im Arbeitsbereich zu verbessern. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Spindelberger. 2 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



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110. Sitzung / Seite 229

20.51.40

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Meine Damen und Herren! Gleich vor­weg: Wir von der SPÖ werden heute der Artikel-15a-Vereinbarung über die Sozialbe­treuungsberufe zustimmen, weil diese Vereinbarung zumindest in geringen Ansätzen einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Es ist deswegen ein Schritt in die richtige Richtung, weil es damit endlich gelingt, österreichweit eine einheitliche gesetzliche Regelung der Berufsbilder, aber auch für die Ausbildung in den Sozialberufen zu be­kommen. Und das ist ein richtiger Schritt auch deswegen, weil nunmehr endlich auch der modulare Aufbau der Ausbildung gesetzlich verankert wird.

Trotzdem gibt es viele Punkte, Frau Minister, die mir negativ aufstoßen, und zwar, dass die neuen Berufsbilder viel zu wenig differenziert sind und dass die Kompetenzabklä­rung zwischen diesen Berufen überhaupt nicht erfolgt. Es darf ja auch nicht sein, dass das Berufsbild der größten Berufsgruppe, nämlich jenes der Heimhilfen, in den Län­dern nur fakultativ vorgesehen ist, denn die Logik würde gebieten, dass man, wenn man schon österreichweit einheitliche Regelungen der Berufsbilder und für die Berufs­ausbildung schafft, auch die große Gruppe der Heimhelferinnen verbindlich für alle Länder verankert.

Und wo, meine Damen und Herren, bleiben in dieser Vorlage die berufsbegleitenden Ausbildungsmöglichkeiten? Die kommen überhaupt nicht vor. Dabei könnte man mei­nen, dass es sich inzwischen auch bis zu Ihnen durchgesprochen hat, dass es arbeits­politisch ein Wahnsinn ist, wenn man ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Möglichkeit, sich beruflich zu verbessern, einfach ausschließt.

Meiner Ansicht nach zeigt das wieder einmal deutlich, wie unbeirrbar Sie Ihren neo­liberalen Kurs fortsetzen – und das, obwohl wir in Österreich 246 000 Arbeitslose zu verzeichnen haben, darunter viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es ist für mich beschämend, dass dies nicht berücksichtigt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

20.53


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walch. 2 Minu­ten. – Bitte.

 


20.53.54

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Bundesminister! Es ist wieder ein Gesetz in die richtige Richtung, der Jugend mehr Chancen zu geben, einen Lehrplatz zu bekommen, Frauen, Wieder­einsteigern eine Ausbildung zukommen zu lassen. Das ist in den Sozialberufen sehr wichtig. Mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung wird diese Berufsgruppe auch von den einzelnen Bundesländern anerkannt. Die Vereinheitlichung, die Regelung ist ganz wichtig, speziell die Berufsanerkennung, die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Berufsgruppen gewährleisten und Doppelgleisigkeiten beseitigen wird. Das ist wieder etwas in die richtige Richtung. Danke für die Zustimmung! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

20.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr wird Frau Abgeordnete Haidlmayr sprechen. Ihre Wunschredezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.55.01

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Sozialbetreuungsgesetz, also das Gesetz über die Sozialbetreuungsberufe ist ganz, ganz wichtig. So gibt es in Österreich endlich einmal die Möglichkeit, dass eine Ausbildung auch in anderen Bundesländern anerkannt wird. Wenn jemand in Oberösterreich eine Ausbildung als


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BehindertenhelferIn, als AltenhelferIn absolviert hat und sich dann persönlich verän­dern, vielleicht in ein anderes Bundesland ziehen wollte, dann war es bis jetzt so, dass er zwar dorthin ziehen hat können, dort aber wieder ein Hilfsarbeiter oder eine Hilfs­arbeiterin war, weil die Ausbildung nicht anerkannt wurde.

Ich komme aus einer Grenzregion zwischen Oberösterreich und Niederösterreich, in der viele, die diese Ausbildung gemacht haben, entweder in Haag, also in Niederöster­reich, gearbeitet haben oder in Steyr oder in Linz. Jene, die in Haag die Ausbildung gemacht haben, haben Pech gehabt, wenn sie in Steyr einen Arbeitsplatz bekommen hätten, und die von Steyr haben eigentlich Pech gehabt, wenn sie in Niederösterreich hätten arbeiten können. Von daher sehe ich es auf jeden Fall als Verbesserung, dass es da jetzt österreichweit eine einheitliche Regelung gibt, um die Möglichkeit zur Mobili­tät derjenigen, die diesen Beruf ausüben, zu verbessern.

Was mir in dieser ganzen Sache ein bisschen Sorge bereitet, ist, dass es zwar eine Artikel-15a-Vereinbarung gibt, wir aber dennoch in dieser Richtung aufpassen müssen. Frau Ministerin! Wir kennen sehr viele Artikel-15a-Verträge. Ich erwähne nur den Artikel-15a-Vertrag zum Bundespflegegeldgesetz aus 1993: Das gibt es jetzt praktisch zwölf Jahre, das wissen wir, und bis jetzt haben die Länder diesen Vertrag noch immer nicht erfüllt. Es wird daher auch an Ihnen liegen, die Umsetzung dieses Artikel-15a-Vertrages auch einzufordern, damit es wirklich sehr bald eine gleiche, eine einheitliche Ausbildung gibt.

Als ehemalige Leiterin eines ambulanten Betreuungsdienstes, den ich damals – erst­malig in Österreich – in Oberösterreich aufgebaut habe, kann ich mit meinem Vorred­ner doch einige Auffassungen nicht teilen, wie zum Beispiel, wenn er meint, es wäre sinnvoll gewesen, das auch berufsbegleitend für ältere ArbeitnehmerInnen anzubieten.

Ich sage Ihnen etwas: Wer heute älter ist, wird sich sehr gut überlegen müssen, ob er in diesem Berufsfeld mit 55 noch arbeiten kann. Es ist kein Honiglecken, in diesem Be­reich zu arbeiten, und es wäre auch für viele Frauen ein psychischer oder letztlich auch finanzieller Druck, wenn man sie jetzt in diese Bereiche hineinstopfen würde, obwohl es vielleicht gar nicht mehr geht, weil einfach die körperlichen Voraussetzungen fehlen.

Ich finde es gut, wenn es zuerst die Ausbildung gibt und zusätzlich zur Ausbildung das Praktikum, aber ich finde es nicht so sinnvoll, wenn es generell berufsbegleitend ge­macht wird, denn dann treten auch Probleme für die Einrichtungen auf, die dann Leute zur Betreuung schicken müssten, die noch keine Ahnung davon haben, worum es geht, und die innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren eine berufsbegleitende Ausbil­dung machen. Ich finde es besser, wenn die Ausbildung vorher und mit den entspre­chenden Praktika absolviert wird, sodass die Leute erst dann in diesem Bereich tätig sein können.

Es soll jetzt zwar ein einheitliches Berufsbild geben, aber was zur Gänze fehlt, ist noch immer ein Kollektivvertrag, und der muss rasch, sehr rasch kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie wissen alle ganz genau, dass jene, die in diesen Bereichen tätig sind, vom Gehalt her dort eingestuft werden, wo sie der Verein, das Heim einstufen will. Das steht jedem offen. Wenn heute zwei Betreuungsvereine in einer Stadt tätig sind und dieselbe Tätigkeit ausüben, dann heißt das noch immer nicht, dass jene, die dort arbeiten, auch wirklich dasselbe Grundgehalt bekommen. Manche werden nach dem Schema der Gemeindebediensteten finanziert, manche werden nach dem Landesschema finanziert, und jene, die Privatvereine sind, die geben halt irgendetwas oder auch nicht, oder sie geben nur ganz wenig.

Deshalb muss es da auch einen einheitlichen Kollektivvertrag geben, in dem auch drinnen steht, dass die Leute auch Anspruch haben auf Fortbildungszeiten, wo es auch


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die Möglichkeit gibt, dass man sich ein Jahr karenzieren lassen kann, und so weiter und so fort.

Wer im Betreuungsbereich tätig ist, muss wissen, dass er das nicht zehn Jahre durch­gehend machen wird können, sondern nach einem Zeitraum von zwei, drei Jahren zumindest ein halbes Jahr Luft braucht, um danach wieder in diesem Bereich tätig sein zu können. Wir wollen ja nicht, dass wir die Leute dort wirklich auspowern, bis sie selbst nicht mehr können. Sie wissen alle, dass das Burn-out-Syndrom in diesem Bereich sehr, sehr stark verbreitet ist und dass die Zeit, die heute jemand in einer Einrichtung als BehindertenbetreuerIn, als AltenhelferIn verbringt, relativ kurz ist. Die Verweildauer könnte man oder frau auch verlängern, indem es einfach immer wieder die Möglichkeit zu Auszeiten gibt, damit sich der Einzelne wieder erholen kann und dann wieder weitermacht. – Diese Möglichkeit müsste man noch schaffen, und sehr viele würden die Chance nutzen, in dieser Zeit noch eine zusätzliche Fort- oder Weiter­bildung zu machen, was sie jetzt nicht tun können, denn mit einer Woche Bildungs­urlaub, wie es die Regel ist, kommt man eben nicht weit. Ich denke, da ist noch einiges möglich, da könnte man sich noch einiges überlegen, da wäre noch einiges verbesse­rungswürdig.

Das ist jetzt ein erster Schritt. Frau Ministerin, Sie sind gefordert, darauf zu schauen, dass die Länder die 15a-Verträge auch umsetzen, und die Personalvertreter sind ge­fordert, die Gewerkschaften sind gefordert, darauf zu schauen, dass es endlich einen Kollektivvertrag auch für diese Berufsgruppen gibt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wöginger. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


21.01.39

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Staatssekretär! Diese einstimmige Materie ist eine sehr wichtige Gesetzesänderung. Ich bedanke mich bei der Frau Minis­terin für die Schaffung der länderübergreifend einheitlichen Berufsbilder und Anforde­rungen in den Sozialbetreuungsberufen.

Ich finde es auch wichtig, dass im Bereich dieser Berufe – also für Betreuungs- und Pflegepersonal – die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sichergestellt und durch­lässig zwischen den einzelnen Helfergruppen gemacht werden. Durch diese Durchläs­sigkeit und zusammen mit dem Ausbildungs-Modulsystem wird es zum Beispiel einem Sozialbetreuer möglich gemacht, später auf einfache Weise ein höheres beziehungs­weise ein anderes Bildungsniveau zu erreichen.

Wir alle kennen die demographische Entwicklung und wir alle wissen um die steigen­den Kosten im Sozial- und Pflegebereich. Durch diese Vereinbarung und Harmonisie­rung sichern wir die Mobilität am Arbeitsmarkt und den Zugang zur Beschäftigung in diesem Sektor. Gerade in der Alten-, Behinderten- und Familienbetreuung brauchen wir vermehrt qualifiziertes Personal, das auf die gesteigerten Anforderungen und Anfra­gen reagieren kann.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, appelliere ich noch an die Länder und an die Träger, die Ausbildung berufsbegleitend anzubieten, damit die nöti­ge Flexibilität gewährleistet ist. Dies würde es vielen Menschen ermöglichen, in diese für die Gesellschaft so notwendigen Pflegeberufe umzusteigen und wäre eine berufs­politisch weitsichtige Maßnahme.

Der Politik sollte es auch Anliegen sein, sei es durch AMS- oder durch anderweitige existenzsichernde Unterstützung, jeder und jedem die Aus- und Fortbildung in den so


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dringend benötigten Sozial- und Pflegeberufen zu ermöglichen. Das wäre meiner Meinung nach eine richtige Investition für die sozialen Herausforderungen der Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Bundesministerin Haubner. – Bitte.

 


21.03.41

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit der Harmonisierung der Sozialbetreuungsberufe setzen wir einen weiteren wichtigen Baustein in einer qualitätsvollen Pflege und vor allem auch in einer einheit­lichen Pflege in Berufen, die natürlich vorwiegend auch von Frauen besetzt werden. In diesem Bereich, im Bereich der Alten-, Behinderten- und Familienarbeit, hat Qualität Vorrang, vor allem aber auch Einheitlichkeit – jene Einheitlichkeit, die auch dazu führt, dass eine bessere Mobilität in diesem Bereich auch am Arbeitsmarkt gegeben ist.

Dass das etwas ist, was nicht von gestern auf heute geschehen kann, zeigt mir die Geschichte. Ich habe mich von meinen Beamten aufklären lassen, die mir gesagt haben, der heutige Tag sei für sie ein historischer Tag, denn man habe lange – ich möchte sagen, jahrzehntelang – in Arbeitsgruppen über die Vereinheitlichung von Sozialbetreuungsberufen diskutiert und versucht, Lösungen zu finden, und erst ab dem Jahre 2001 seien die Dinge realistisch geworden und hätten Form angenommen. Daher bin ich sehr froh und dankbar, dass auch das Hohe Haus, das Parlament, diese Einigung zur Vereinheitlichung grundsätzlich sehr, sehr positiv sieht.

Ich denke, wir machen hier etwas in Richtung jener, die in diesem Bereich arbeiten wollen, arbeiten müssen und arbeiten können, aber vor allem auch für diejenigen, die gepflegt und betreut werden müssen, denn die haben einen Anspruch auf die höchst­mögliche Qualität, und die Ausbildung selbst ist ja dadurch, dass sie eine modulare ist, eine sehr praxisorientierte und auch eine sehr umfassende.

Ich meine, dass es wichtig ist, gerade im Bereich der Heimhelfer und Heimhelferinnen eine Basisausbildung anzubieten, und hier hat es mit den Ländern grundsätzlich eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit gegeben. Ich ersuche die Länder, der Ratifizierung, die wir auf Bundesebene vollzogen haben, möglichst rasch beizutreten. Es sind bislang nur zwei Bundesländer, die ratifiziert haben, aber ich denke, dass, wenn wir heute dieses Signal setzen, auch die anderen Länder entsprechend nachziehen werden. Ich werde mich auch in meiner Funktion als Sozialministerin dafür verwenden, dass das auch rasch geschieht.

Wir werden auch – und darauf haben wir uns verständigt – eine notwendige Evaluie­rung nach zwei Jahren durchführen, damit wir sehen, ob die Praxis passt und ob das, was wir heute beschließen werden, auch den Bedürfnissen der Pflegenden und der zu Pflegenden entspricht.

Ich möchte hier meinem Vorgänger als Sozialminister, Herbert Haupt, ein herzliches Danke sagen, denn er hat hier den größten Anteil, auch was die Vorbereitungen dieser Artikel-15a-Vereinbarung anlangt, erbracht. Ich freue mich, dass ich heute hier gemein­sam mit Ihnen diesen Beschluss mittragen kann. – Danke schön. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

21.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin hiezu: Frau Abgeordnete Riener. 2 Mi­nuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 



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110. Sitzung / Seite 233

21.07.09

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Diese Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern betreffend die Sozialbetreuungsberufe ist aus mehreren Gründen zu begrüßen.

Erstens: Die Ausbildungen zur Diplom- und FachsozialbetreuerIn beziehungsweise ‑HeimhelferIn werden vereinheitlicht – das wurde bereits mehrmals erwähnt –, wodurch eine Anerkennung bundesländerübergreifend erfolgt. Diese Harmonisierung und Aner­kennung ist auf Grund der bisherigen Uneinheitlichkeit und Überschneidungen der Berufsbilder in den Bundesländern dringend erforderlich gewesen.

Zweitens bringt die Spezifizierung der Ausbildungen in die Bereiche Alten-, Familien- und Behindertenarbeit sowie in die Behindertenbegleitung mehr Klarheit und Sicherheit für die zu betreuenden Menschen und auch für die Angehörigen dieser Sozialbetreu­ungsberufe.

Drittens ist in der Ausbildung zur Diplom- und FachsozialbetreuerIn mit Ausnahme der Behindertenbegleitung die Pflegehelferausbildung integriert.

Viertens werden die Länder angehalten, bei den Diplomausbildungen eine Prüfung in der Ausbildung vorzusehen, die als Fachbereichsprüfung für die Berufsreifeprüfung anerkannt werden kann.

Und fünftens sind die Ausbildungen zu den Sozialbetreuungsberufen durch Module aufbauend und ergänzend im Sinne von erweiternd möglich. Dies erleichtert es vor allem Frauen, während beziehungsweise nach der Familienphase weitere Qualifikatio­nen zu erlangen.

Dies sind mindestens fünf gute Gründe, dieser Vorlage zuzustimmen. Es liegt nun an den Ländern, diese Harmonisierung so rasch wie möglich umzusetzen, und in der Steiermark werde ich den SPÖ-Sozial-Landesrat Flecker sehr genau beobachten, wie rasch er imstande ist, diese Ausbildungen gesetzlich zu regeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Da wird der sich aber fürchten!)

21.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozi­ales, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz in 779 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer dies tut, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Zustimmung wird von allen Damen und Herren des Hohen Hauses erteilt. Das ist daher einstimmig ange­nommen.

21.09.2724. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 359/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege­geldeinstufungen bei Wechsel der auszahlenden Stelle (870 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

 


Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dobnigg. Seine Wunschredezeit beträgt 2 Mi­nuten. – Bitte, Sie sind am Wort.


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110. Sitzung / Seite 234

21.10.00

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Behandlung des Antrages be­treffend Pflegegeldeinstufungen bei Wechsel der auszahlenden Stelle zeigt wieder ein­mal leider sehr deutlich, wie diese Bundesregierung mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft umgeht. Ebenso zeigt es sich, wie desinteressiert die Regierungsparteien die Oppositionsanträge vielfach behandeln, welche Verbesserungen für die sozial benachteiligten Menschen erreichen wollen.

Der gegenständliche Antrag wurde am 16. März 2004 – ich wiederhole: am 16. März 2004! –, also vor 14 Monaten, eingebracht. Im Sozialausschuss in Behandlung genom­men wurde der Antrag von den Regierungsparteien erst über ein Jahr später, am 19. April 2005, und mit ihrer Mehrheit leider niedergestimmt.

Diese Vorgangsweise ist genauso wie bei der achtzehnmaligen Ablehnung des SPÖ-Antrages auf Rückzahlung der Steuer bei den Unfallrenten für das Jahr 2003. Und gerade das Jahr 2003 war das Jahr der Behinderten.

In Sonntagsreden, wie auch heute von Ihnen, Frau Bundesministerin, finden Sie zwar schöne Worte, die Wirklichkeit sieht aber leider anders aus. Das für die Betroffenen doch große Problem wäre so leicht zu lösen, wenn Sie nur den Funken eines Lösungs­willens hätten. Derzeit müssen nämlich die Menschen mit Behinderung, die Pflegegeld­bezieher, wenn sie zum Beispiel ihren Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegen, einen sinnlosen und ärgerlichen bürokratischen Hindernislauf absolvieren. Sie müssen einen neuen Pflegegeldantrag entweder bei der entsprechenden Pensionsversicherung oder im neuen Bundesland stellen. Hier passiert es leider vielfach, dass Pflegegeld­einstufungen, die seit Jahren konstant waren, weil die Behinderung ja nicht geringer geworden ist, plötzlich keine Gültigkeit mehr haben. Menschen mit Behinderungen müssen dann nicht nur den langen Weg der Berufung in Kauf nehmen, sondern auch monatelang dafür kämpfen, dass sie ihre Pflegegeldeinstufung wieder erhalten.

Werte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien! Beenden Sie Ihre unsoziale Politik und unterstützen Sie diese Forderung, damit den Ärmsten in unserem Land end­lich wirklich geholfen werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

21.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Donabauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.12.09

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Dobnigg! Dieses Parlament verdient einen besseren Beitrag, als Sie jetzt geleistet haben! Das ist ungeheuerlich, was Sie hier feststellen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie brauchen nur eines zu tun: Lesen Sie bitte diesen Antrag durch! Es geht darum, dass bei Wechsel des Wohnsitzes oder bei Wechsel der Zuständigkeit ein eigenes Begutachtungsverfahren stattzufinden hat. Dazu gibt es auch obergerichtliche Ent­scheidungen. Und Sie können nicht hier herausgehen und die Bundesregierung be­schuldigen, dass sie unbarmherzig gegenüber denen ist, die Pflegegeld beziehen. Das ist nicht in Ordnung! Das muss Ihnen einmal gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dobnigg: So ist es aber! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ungeheuerlich! – Abg. Scheibner: Ein Skandal! – Abg. Silhavy: Ein Skandal ist das, was Sie sagen, Kollege Donabauer!)


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Zum Zweiten: Lesen Sie den Bericht des Bundesministeriums vom 23. Mai des Jahres 2003. Dort steht ganz genau drinnen, dass es bei Wechsel der Zuständigkeit in 62 Prozent der Fälle zu einer gleichen Beurteilung, in 22 Prozent zu einer besseren Beurteilung und bloß in 15 Prozent zu einer Korrekturbeurteilung nach unten kommt. (Abg. Haidlmayr: Bei 20 Prozent! 20 Prozent!) Da drinnen steht es bitte! Das können Sie alles selbst nachlesen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und der Abg. Haidlmayr.)

Ich möchte an dieser Stelle dem Bundesministerium und vor allem Herrn Sektionschef Dr. Gruber und der ganzen Gruppe herzlich danken für die großartige Arbeit. Diese Bundesregierung braucht sich in keinster Weise bei Ihnen zu entschuldigen, dass sie in irgendeiner Weise unsachlich oder unkorrekt gehandelt habe. Sie hat bis heute Aufga­ben erfüllt, die Sie in den letzten 50 Jahren nicht erfüllen haben können, weil Sie sich dazu nicht entschlossen haben. (Lebhafter Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.14


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Haidlmayr. 4 Minu­ten Wunschredezeit. (Abg. Silhavy: Sie drückt das schlechte Gewissen, Kollege Dona­bauer!)

 


21.14.04

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Donabauer, ich weiß nicht, warum Sie sich so furchtbar aufregen. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das muss ein riesiges schlechtes Gewissen sein. Da habe ich Sie wahrscheinlich auf dem richtigen Fuß erwischt. (Abg. Scheibner: Den Donabauer auf dem linken Fuß erwischen, das ist auch nicht schlecht!)

Ich habe Sie gerade bei den Pensionsversicherungsanstalten genau auf Ihrem richti­gen Fuß erwischt. Es ist nämlich so, dass, wenn heute jemand vom Landespflegegeld zum Bundespflegegeld wechselt, weil er in Pension geht, er dann – siehe da! – plötz­lich eine um zwei Stufen geringere Einstufung kriegt, als er beim Landespflegegeld gehabt hat.

Diese Fälle, meine Damen und Herren, kennen wir zur Genüge. Nicht nur ich kenne sie, auch der Herr Donabauer kennt sie (Abg. Gradwohl: Aber der Donabauer will davon nichts wissen!), weil nämlich die Pensionsversicherungsanstalten immer versu­chen wollen, sich auf Kosten der betroffenen Menschen Pflegegelder zu ersparen. Und zu einem Großteil gelingt es ihnen auch, das muss ich auch dazusagen, weil nicht alle die Nerven haben, so lange Prozesse, die zwar nichts kosten, aber trotzdem sehr viel Zeit und Energie brauchen, durchzumachen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat es uns ja im letz­ten Ausschuss gesagt: 20 Prozent jener, die vom Landes- ins Bundespflegegeld über­wechseln, werden schlechter eingestuft. (Abg. Dobnigg: Es sind sogar noch mehr!) Es kann schon sein, dass 25 Prozent besser eingestuft werden gegenüber dem Land, aber das bringt den 20 Prozent, die schlechter eingestuft werden, reichlich wenig.

Ich sehe absolut keine Notwendigkeit, dass dann, wenn das Land eingestuft hat und man in Pension geht, der Bund noch einmal einstuft. Dafür gibt es überhaupt keine logische Notwendigkeit. (Abg. Hagenhofer: Das ist eine Vereinbarung!) Oder misstraut man den einstufenden Ärzten der Länder und sagt: Die haben sicher irgendwie gemau­schelt mit jemandem, wir schauen uns das jetzt an!? – Und zack geht das Pflegegeld nach unten. Das kann es nicht sein.


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Abgesehen davon dürfen Sie eines nicht vergessen: Das kostet einen Haufen Euro, jede Menge Euro. (Abg. Silhavy: Das ist dem Donabauer aber Wurscht!) Der Arzt von der Pensionsversicherungsanstalt, der dann zur Untersuchung kommt, macht das natürlich auch nicht um einen schönen Dank, sondern kriegt auch sein Geld dafür, und dafür kriegt er nicht wenig. Ich habe das auch schon im Ausschuss gesagt, und der Herr Donabauer ist fast bis zur Decke gehupft. Aber es ist halt so.

Zur Mutter von meiner Bekannten ist dreimal der Amtsarzt von der PVA gekommen. Sie war zweimal nicht daheim, denn sie hat ja nicht gewusst, dass er kommt. Er hat gefragt: Warum waren Sie nicht daheim? Sie hat gesagt, sie hat nichts gewusst. Abge­sehen davon, dass er sich hätte anmelden müssen, hat er gesagt: Mir ist es eh Wurscht. Ich komme von mir aus dreimal auch oder noch öfter. Ich krieg’ eh jedes Mal dafür bezahlt.

Diese Gelder, die da verschwendet werden, die gehen dann nämlich beim Pflegegeld wieder ab. Und wir wollen das nicht. Wir wollen, dass es da wirklich eine Effizienz gibt und dass nicht, nur weil ich einen Wechsel von einem Auszahlungsträger zum nächs­ten habe, dann die ganze Maschinerie wieder von vorne zu rennen anfängt, sondern das muss eins zu eins übernommen werden.

Innerhalb der Länder funktioniert es schon halbwegs, nur zwischen Bund und Ländern funktioniert gar nichts. Und das muss funktionieren, denn da geht es um das Pflege­geld, und da haben wir nichts zu verschenken, am allerwenigsten an die untersuchen­den Ärzte. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Staatssekretär Dolin­schek. – Bitte.

 


21.18.00

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die im Entschließungs­antrag angeführten Zuständigkeitswechsel für die Gewährung von Pflegegeld zwischen Land und Bund treten in der Praxis vor allem dann auf, wenn eine pflegebedürftige Person, die Pflegegeld von einem Land erhält, einen Pensionsanspruch erwirbt und damit in die Kompetenz des Bundes fällt.

Im § 9 Abs. 1 des Bundespflegegeldgesetzes wurde geregelt, dass in diesen Fällen das Pflegegeld mit dem Folgemonat des Entfalls der Leistungszuständigkeit des Lan­des von Amts wegen gebührt, wodurch keine Lücke im Bezug entsteht, Frau Kollegin Haidlmayr.

Die Problematik liegt eigentlich darin, dass es beim Wechsel zum Bund als aus­zahlende Stelle des Pflegegeldes zu einer Neueinstufung und damit zu geänderten finanziellen Leistungen kommen kann. Wie eine Untersuchung unseres Ministeriums ergab, fallen pro Jahr etwa 1 200 derartige Sachverhalte an. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist vor allem, dass es in 62 Prozent, also fast zwei Drittel der Fälle, zu keiner Veränderung kommt. Bei fast einem Viertel – ich berichtige Sie –, bei 22 Prozent genau – nicht 20 Prozent, wie Sie gesagt haben –, kommt sogar eine bessere Bewer­tung durch den Bund zustande. (Abg. Haidl


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110. Sitzung / Seite 237

mayr: Und die Differenz? Die Differenz fehlt mir!)

Dazu ist auch festzustellen, Frau Kollegin Haidlmayr, dass diese Veränderungen durch den Lauf der Zeit bedingt sind und eben Verschlechterungen, aber auch Verbesserun­gen im Gesundheitszustand und damit im Pflegebedarf eintreten können. Entweder verbessert sich der Gesundheitszustand oder er verschlechtert sich eben. (Abg. Haidl­mayr: Viele sind dann schlechter gestellt als vorher!) Zu Beginn des Systems des Pflegegeldes waren derartige Unterschiede häufiger und von der Dimension her auch viel relevanter, da haben Sie schon Recht, aber durch die umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofes und bedingt auch durch klare Richtlinien und Erlässe kam es aber zu einer Vereinheitlichung des ganzen Systems.

Wesentlich für diese Entwicklung war auch eine Bund-Länder-Sitzung im April des vor­letzten Jahres, im April 2003. Dabei wurde vereinbart, dass die Sozialversicherungs­träger die seitens des Landes vorgenommene Einstufung übernehmen und, wenn das Gutachten als schlüssig und nachvollziehbar zu betrachten ist, keine eigene Begut­achtung durchzuführen ist. Nur dann, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles, insbesondere aus dem Akteninhalt, Anhaltspunkte ergeben, dass sich die Einstufung ändern wird, ist der Sachverhalt von Amts wegen zu erheben. Dabei steht dem Pflege­bedürftigen kein Leidensweg bevor, so wie Sie das erwähnt haben, vielmehr erfolgt die Untersuchung im Rahmen eines rechtzeitig angekündigten Hausbesuches durch den Amtsarzt. (Abg. Haidlmayr: Das wird nicht angekündigt!)

Wir erachten daher eine Neuregelung als nicht erforderlich. In manchen Fällen würde sie sich sogar zum Nachteil des Pflegegeldbeziehers oder der Pflegegeldbezieherin auswirken.

Frau Kollegin Haidlmayr, ich kann Ihnen hier auch noch einen Brief geben, der vor zwei Jahren seitens unseres Ministeriums an den Hauptverband gesandt worden ist, in dem darauf hingewiesen wird, und soviel ich weiß, halten sich die Sozialversicherungs­anstalten auch daran. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


21.22.46

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wäre gerechtfertigt, wenn den Behinderten gravie­rende Nachteile entstehen würden. (Abg. Haidlmayr: Die entstehen auch!) Aber es ist so, wie es der Herr Staatssekretär ausgeführt hat, Frau Kollegin Haidlmayr. Die Unter­suchungen führt nicht der Herr Staatssekretär oder die Frau Bundesminister oder der Max Walch durch, sondern die Untersuchungen führen Ärzte durch. Und ich habe großes Vertrauen zu Ärzten.

Ich glaube, man muss auch einmal das Positive sehen: Wenn ich jetzt in Pension gehe oder einen Länderwechsel vornehme, ist mitunter eine höhere Einstufung möglich. Ich kann mir nicht vorstellen, wenn ich heute von Oberösterreich nach Niederösterreich wechsle, dass über Nacht die Pflegestufe um zwei Stufen reduziert wird. Also das kann ich mir nicht vorstellen. Außerdem führen das nicht irgendwelche Ärzte durch, sondern Vertrauensärzte der Pensionsversicherung. Da kommen auch Hausärzte dran, und ich unterstelle diesen Hausärzten nicht, dass sie falsche Einstufungen machen.

Daher können wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Schopf. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.23.14

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zum Kollegen Dona-


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110. Sitzung / Seite 238

bauer: Sie haben eine sehr emotionale kurze Rede geschwungen, aber letztendlich kein einziges Argument dargelegt, warum die ÖVP diesem Antrag keine Zustimmung gibt. Kollege Donabauer, ich nehme an, Sie haben sich aus dem Grund so aufgeregt, weil unser Kollege Dobnigg jetzt tatsächlich richtig erwähnt hat, und er hat Recht: Es ist für viele betroffene Menschen tatsächlich ein Hürdenlauf. Ich könnte Ihnen einige Namen und einige Beispiele nennen. Ich habe sie mit.

Meine Damen und Herren! Es ist doch wichtig, hier zu sagen, es geht nicht nur darum, ob der Wohnort gewechselt wird, wie mein Vorredner gesagt hat, zum Beispiel von Oberösterreich nach Niederösterreich, es geht auch darum, ob ein aktiver Erwerbstäti­ger sich in den Pensionsstand begibt. Es geht bei vielen Menschen aber auch darum, dass jemand aus dem aktiven Erwerbsleben leider die Invaliditätspension antreten muss, bei den Angestellten die Berufsunfähigkeitspension antreten muss. Das sind eine Reihe von Themen, die wir hier zu diskutieren haben.

Das Hauptproblem ist – das hat Kollege Dobnigg angeführt, und dafür ist die Regie­rung doch noch verantwortlich –: Wir wollten – das ist in diesem Antrag auch ersicht­lich –, dass es hier eine Regelung gibt, die für die gesamte Republik Österreich Gültig­keit hat. Wir wissen, dass jedes Bundesland dieses Thema unterschiedlich handhabt. Wir wissen, dass jeder Sozialversicherungsträger dieses Problem unterschiedlich handhabt.

Ich sage ein Beispiel aus Oberösterreich: Im letzten Jahr gab es insgesamt 404 Per­sonen – ganz konkret 404 Personen –, die quasi von der Zuständigkeit der Lan­desregierung Oberösterreich in die Zuständigkeit der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Linz, gewechselt sind. In Oberösterreich wird sechs Monate lang – das ist in jedem Bundesland unterschiedlich – dieses Pflegegeld weiterbezahlt, und nach diesen sechs Monaten gibt es amtswegig von der ärztlichen Leitung die Möglichkeit, bestimmte Personen nachzuuntersuchen. In Oberösterreich wurden insgesamt 10 Pro­zent, sprich 40 Personen, nachuntersucht. Diese relativ kleine Gruppe von 40 Perso­nen hat diesbezüglich viele große Probleme.

Daher, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, denke ich, es wäre an der Zeit, und es ist unsere Aufgabe, auch für diese Gruppe diesen Antrag heute zu beschließen, damit wir in Zukunft derartige Schwierigkeiten nicht mehr haben. (Beifall bei der SPÖ.)

21.26


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozi­ales, seinen Bericht 870 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenom­men.

21.26.2925. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 429/A (E) der Abgeordneten Peter Haubner, Elmar Lichtenegger, Beate Schasching, Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Projekt „Nachhaltige Fußball-Euro­pameisterschaft 2008“ (883 d.B.)


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110. Sitzung / Seite 239

26. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 166/A (E) der Abgeordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sport in der Schule – Fit fürs Leben“ (884 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 25 und 26 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte wird vom Abgeordneten Peter Haubner eingeleitet, der 3 Minuten zu uns sprechen wird. (Abg. Silhavy: 3 Minuten oder bis zu 3 Minuten?)

 


21.27.15

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Bis zu 3 Minuten, Frau Kollegin. – Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Der Ball ist im Spiel. Mit dem Startsignal für den Bau des vierten Stadions in Klagenfurt ist nun das Österreich-Quartett für die Fußball-Euro 2008 komplett. Als Salzburger freut es mich natürlich auch, dass drei Spiele in Salzburg stattfinden, und es wird sicher in Salzburg so sein, dass der neue Rasen im Stadion besser sein wird für die Fußballer als das Eis bei der Eishockey-WM in der Wiener Stadthalle. Das kann ich Ihnen heute schon versprechen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es gilt nun natürlich, alle Kräfte für diese Europameisterschaft zu bündeln. Für die sportliche Seite werden natürlich unsere Fußballer verantwortlich sein. Die ent­sprechenden Vorbereitungen laufen ja, gut unterstützt durch Sondermitteln aus dem Bundeskanzleramt, bereits auf vollen Touren. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Fußballeuropameisterschaft habe ich von dieser Stelle aus bereits mehrfach in den Vordergrund gerückt. Ich möchte hier noch einmal festhalten, dass derartige Sport­großveranstaltungen einen hohen Werbewert für Österreich haben. Wir können dabei ganz Europa zeigen, dass wir gute Veranstalter und charmante Gastgeber sind.

Unser Vierparteienantrag zum Projekt „Nachhaltige Fußball-Europameisterschaft“ schlägt ein neues zusätzliches Kapitel auf. Wir haben einmal mehr die Gelegenheit, international Trendsetter zu werden, denn erstmals werden Ökonomie, Ökologie und Soziales aktiv berücksichtigt. Wesentlich sind auch die Aspekte der Infrastruktur. Es besteht hier die berechtigte Hoffnung, dass die erforderliche Anpassungen beim öffent­lichen Verkehr der Bevölkerung in den Regionen auch nachhaltig erhalten bleiben.

Dieses Bekenntnis zur nachhaltigen Fußball-Europameisterschaft findet auch bei der UEFA entsprechende Berücksichtigung, und der Chief Executive  Lars Olsson hat ge­rade dem Minister und dem Staatssekretär geschrieben, die UEFA sieht die Chancen und Synergien, die sich durch die Ausrichtung des weltweit drittgrößten Sportevents für die Gesellschaft eines Landes ergeben können.

Ich möchte Ihnen versichern, dass die UEFA die Initiative Ihres Bundesministeriums zusammen mit dem Staatssekretär, anlässlich der UEFA Euro initiativ zu werden, sehr positiv aufnimmt. Diese Fußball-Euro ist auch als Impulsgeber für unsere Fuß­balljugend ein wesentliches Signal.

In dieser Hinsicht freuen wir uns, dass wir Gastgeber dieses drittgrößten Sportereignis­ses sein können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

21.30



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110. Sitzung / Seite 240

Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr kommt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.30.00

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Nur zwei Anmerkungen. Die erste: In der Diskussion um eine Veränderung des Schulwesens ist auch zu berücksichtigen, dass es, wenn man die ganztägigen Schulformen, die bei jeder Reform an der Spitze stehen, auch tatsächlich einfährt, notwendig sein wird, eine tägliche Bewegungseinheit einzuführen und gesetz­lich mit auf den Weg zu geben.

Wenn man das der Schulautonomie überlässt, besteht angesichts von 60 Prozent inaktiven Österreichern die Gefahr, dass auch in den Schulgremien 60 Prozent Inaktive sitzen, und es ist unmöglich, Kinder zehn Stunden anzunageln, ohne dass man ihnen Bewegungseinheit bietet.

Da wäre es eine Möglichkeit für die Sportverbände, das mit ihren gut ausgebildeten Trainerstäben oder mit anderen ... (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Du weißt ja eh, dass wir das tun!) Das weiß ich, dass wir da in einem Boot sitzen, aber in der Diskus­sion um die Neuregelung der Schulen wäre es notwendig, dass das auch von jenen, die die Schulreform behandeln, berücksichtigt wird.

Da wäre die Chance für die Fachverbände gegeben, dass sie eben die Trainer zur Ver­fügung stellen, dass eine polysportive Ausbildung in diesen Bewegungseinheiten statt­findet, wenn man da mehrere Sparten natürlich wöchentlich abwechselnd einbringen könnte. Ich weiß, dass Sie da im Boot sitzen, Herr Staatssekretär. Sie müssen sich nur der Frau Minister gegenüber durchsetzen; das letzte Mal ist es Ihnen nicht gelungen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ein Wort zu einer nachhaltigen Europameisterschaft. Wir haben uns in diesem Vierpar­teienantrag auch dazu bekannt, auch soziale Aspekte einfließen zu lassen. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass in Deutschland eine Diskussion über die Anfertigung von Fußbällen in Pakistan entbrannt ist, und dass die FIFA aufgefordert wurde, die Fußbälle auszutauschen, weil sie in Pakistan unter unmöglichsten Kinderarbeitsbedin­gungen hergestellt werden. Man soll Fußbälle verwenden, die das Fair-Trade-Siegel bekommen haben.

Ich glaube, es wäre sinnvoll, das auch in Österreich zu diskutieren, diese Diskussion zu übernehmen und entsprechend zu handeln, also nur Fußbälle zu verwenden, die unter sozial gerechten Bedingungen hergestellt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mittermüller. Auch ihre Redezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte.

 


21.32.26

Abgeordnete Marialuise Mittermüller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der heute zu beschließende Antrag „Sport in der Schule – Fit fürs Leben“ hat für uns zwei Ziele, und zwar einmal die Verbesserung der Gesundheit unserer Kinder und zweitens ein adäquates Betreuungsangebot in den Schulen.

Man glaubt es kaum, wenn man die Ergebnisse schulärztlicher Untersuchungen in unseren Volksschulen ansieht: 21 Prozent Haltungsschäden und Wirbelsäulenproble­me, 15 Prozent Übergewichtige, starkes Zunehmen degenerativer Fußprobleme. Ein erschreckendes Ergebnis, wenn man daran denkt, dass es sich dabei um Kinder von 6


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bis 10 Jahren handelt, um Kinder, die eigentlich gesund und fröhlich ausschauen und einen guten Eindruck machen!

Bei Jugendlichen verschärfen sich diese Gesundheitsprobleme noch, wie wir heute schon von unserem Herrn Staatssekretär gehört haben.

Bewegungsmangel und dabei vor allem der Mangel der täglichen Bewegung führt zu diesen Gesundheitsproblemen. Schülertransport statt Schulwege zu Fuß, Computer und Fernseher statt Bewegung im Freien – wir kennen sie alle, die Verursacher dieser gesundheitlichen Defizite. Trotz der sehr positiven OECD-Studie, die den österrei­chischen Schulen einen hohen Anteil an Bewegung und Sport am Gesamtunterricht bescheinigt, wissen wir, dass wir hier Handlungsbedarf haben. Nur ein vermehrtes Bewegungsangebot im Kindesalter kann zu einer Verbesserung dieser Situation füh­ren. Kooperationsmodelle zwischen Schulen und Sportvereinen eignen sich bestens, um Kindern den Zugang zu verschiedensten Sportarten zu ermöglichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher wird dieser einstimmige Antrag des Sportausschusses hier ganz sicher breite Zustimmung finden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr kommt Herr Abgeordneter Brosz 2 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


21.34.42

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Zu den beiden in Verhandlung stehenden Anträgen hinsichtlich der Unterstützung oder der Angebotsausweitung in den Schulen ist festzustellen, dass wieder das übliche Spiel gespielt worden ist. Es gibt einen Antrag der Opposition – in diesem Fall brauche ich nicht selber mein Licht irgendwo hinstellen (Heiterkeit) –, der Kollegin Schasching. Inhaltlich haben wir dann genau das Gleiche beschlossen, aber der Antrag der Kollegin Schasching durfte offenbar nicht beschlossen werden, sondern es musste dann einer werden, den die Regierung extra beschließt. Demokratiepolitisch das übliche Spiel, aber immerhin inhaltlich positiv.

Nur: Wenn Herr Staatssekretär Schweitzer dann immer so tut und sagt: Ja, tun wir eh!, muss man zumindest, auch wenn da viele schöne Zahlen draufstehen, feststellen, dass Bundesministerin Gehrer in der Frage des Sportunterrichts sehr wohl alles andere als eine Dame ist, die da mit im Boot sitzt. Offenbar müssen wir ein anderes Boot kau­fen und die Ministerin auch noch mit einladen, denn nur die Bekundung von Interesse wird zu wenig sein.

Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir in etwa vor einem halben Jahr – vielleicht ist es ein bisschen länger her – bei Ihnen im Büro gesessen sind und genau die Frage nach effektiver Unterstützung gestellt haben, nämlich ob es wirklich auch Geld gibt für diese Kooperationsangebote (Beifall bei den Grünen), ob es möglicherweise Personen gibt, die im Bezirk Angebote auch unterstützen können, und da war die Antwort des Bildungsministeriums: Na, so können wir es nicht machen! Das heißt, ob wir jetzt wirk­lich Geld zur Verfügung haben und ob das Ganze mit Leben erfüllt wird, ist ein anderes Kapitel.

Zur Frage der Fußballeuropameisterschaft: Ja, nachhaltig ist ein gutes Stichwort. Da sollte man noch schauen, ob es wirklich so wird, wie es im Antrag steht. Wenn man beispielsweise die Anlagen für die portugiesische Europameisterschaft mit jenen in Österreich vergleicht, dann sieht man, dass auch die Anlage der Stadien in Österreich mit mehr Nachhaltigkeit erfolgt. In Portugal hat man zwar wunderschöne Stadien hin­gestellt, allerdings war die Nachnutzung teilweise äußerst problematisch.


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Wir erkennen auch an, dass es Sinn macht, wenn in diesem Zusammenhang keine Paläste errichtet werden, die wir dreimal brauchen und dann nicht mehr. Auf der anderen Seite hat Nachhaltigkeit damit zu tun, dass, wie schon angeführt worden ist, auch Verkehrsprojekte errichtet werden, die dann zur Verfügung stehen sollen, dass der öffentliche Verkehr gefördert wird. Diesbezüglich haben wir bislang noch etwas wenig gehört, aber den Antrag kann man durchaus mit Leben erfüllen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pack. Auch er hat 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


21.37.29

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Zu den zwei Anträgen.

Erstens: Nachhaltige Fußballeuropameisterschaft 2008 – wirklich eine sehr gute Idee, diese Veranstaltung mit dem Thema Nachhaltigkeit zu verknüpfen, denn Österreich ist beim Thema Nachhaltigkeit immer federführend. Ich glaube, es gibt in fast jeder Region in Österreich einen Verein oder eine Organisation, der/die sich mit diesem Thema beschäftigt, wie zum Beispiel in Hartberg den Regionalcluster oder in Feldbach das Vulkanland und so weiter.

Dass sich gerade Veranstaltungen sehr gut eignen, das Thema Nachhaltigkeit zu transportieren und präsentieren, zeigt ja auch die steirische Initiative „G’scheit feiern“, die sich auch mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt.

Österreich ist sozusagen das Land der Nachhaltigkeit, und die Europameisterschaft wird eine tolle Bühne sein, um das wieder zu betonen und zu beweisen.

Zum zweiten Punkt ganz kurz: Laut OECD-Studie liegt Österreich im internationalen Spitzenfeld, was den Anteil an Bewegung und Sport im Gesamtunterricht betrifft. (Ruf bei der SPÖ: Wird aber weniger!) Aber eines muss man sagen: Man kann noch so tolle Förderungen machen, noch so tollen Unterricht gestalten, das Wichtigste bei sport­licher Bewegung ist, dass die Einstellung passt und dass die Vorbilder vorhanden sind. Und wenn wir diese Initiative starten, die sich ja auch auf die Familien ausdehnen soll, muss man sagen: Diese Initiative setzt richtig an!, denn die Familie ist ein gutes Vor­bild, und sie kann vor allem die Einstellung zur Nachhaltigkeit zum Sport ändern und positiv ändern. Also seien auch Sie Vorbilder! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.39


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr wird Frau Abgeordnete Schasching 2 Minuten zu uns sprechen. (Abg. Dr. Jarolim: Aber das Zither-Spielen der Frau Gehrer ist keine Sportart!) – Die Frau Gehrer spielt Flöte und nicht Zither. (Heiterkeit.)

 


21.39.28

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Ich Klavier und Gitarre, aber darum soll es heute nicht gehen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollege Brosz, ich muss mich dafür bedanken, dass Sie darauf hingewiesen haben. Der Antrag „Sport in der Schule“ hat wirklich schon einen ganz kleinen Bart. Diesen Antrag habe ich damals eingebracht, als die berühmten Turnstundenkürzungen in Österreich vorgenommen wurden und als es darum gegangen ist, den Turnunterricht für die Schulen zu sichern und mit aller Kraft und Nachhaltigkeit zu versuchen, dass es nicht noch weniger Bewegung in den Schulen gibt, als es nämlich schon der Fall war.


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110. Sitzung / Seite 243

Trotz alledem bin ich froh, dass wir zu einer Vierparteieneinigung gefunden haben, aber das ist wieder einmal ein Minimalprogramm geworden im Vergleich zu dem, was wir uns wünschen würden. Die Bereitschaft, auf Anträge der Opposition einzugehen, ist wirklich eine ganz, ganz minimale. So ist zum Beispiel der Antrag, Leibesübungen in „Sport und Bewegung“ umzubenennen, mittlerweile schon fast zu einer nationalen Lachnummer geworden ist! Das ist es aber nicht. Es wäre durchaus eine sehr wichtige Initiative und ein gemeinsamer Fortschritt, um hier einen modernen Begriff zu schaffen. Diesen Antrag habe ich im Jahr 2000 eingebracht, und ich habe mir immer wieder sagen lassen müssen, dass man ihn vertagen soll, wahrscheinlich bis zum heutigen Tag und um noch ein paar Jahre.

Unser aller gemeinsamer Auftrag soll sein, in den Schulen mehr Sport möglich zu machen, eine Erziehung zum Sport und durch den Sport zu fördern. Beides hat seine Wertigkeit. Und wenn ich mir jetzt anschaue, was im Entschließungsantrag als Text übrig geblieben ist, dass wir sozusagen Kooperationen unterstützen und fördern sollen, dann sage ich Ihnen als Dachverbandspräsidentin: Die Vereine und Verbände sind be­reit dazu. Sie haben ihre Aufgaben bereits gemacht. Sie wollen in die Schulen hinein, wollen aber nicht die Turnlehrer und den normalen Turnunterricht ersetzen, sondern zusätzliche Angebote stellen. Sie wollen nicht den Ersatz für diejenigen sein, die das täglich tun sollen, die tägliche Bewegungseinheit in der Schule, sondern wollen ergänzend wirken, am Nachmittag und im Freizeitbereich.

Auch da besteht also Handlungsbedarf seitens der Bundesministerin, um hier Koopera­tionen seitens der Schule auch durchführen zu können. Die Verbände und die Vereine warten dringend darauf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.42


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fauland. Seine Wunschredezeit: bis zu 2 Minuten. – Bitte.

 


21.42.22

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Auch ganz kurz etwas zur Nachhaltigkeit. Es ist eine sehr wesentliche Sache, etwas nicht nur zu sehen, was den Event selbst betrifft, sondern dann auch ein Konzept zu entwickeln, das sich auch entsprechend präsentiert und das vor allem was die Infrastrukturmaßnahmen betrifft den Österreiche­rinnen und Österreicher auch zur Verfügung steht.

Etwas, worüber ich verwundert und auch positiv überrascht bin, ist, dass das Stadion Klagenfurt heute kein Thema mehr ist, da es auch von der Opposition zur Kenntnis genommen worden ist, dass dieses Stadion rechtzeitig realisiert wird. Was aber nicht einen kleinen Seitenhieb meinerseits verhindert, indem ich sage, dass ich doch hoffe, dass es, nachdem ja die Kühlung in Wien nicht besonders gut funktioniert hat, dann zu­mindest mit der Heizung funktionieren möge. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Franz. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


21.43.00

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Brosz, es geht nicht so sehr darum, wie der Antrag zustande gekommen ist, sondern es geht um unsere Kinder. Diese sind in erster Linie die Gewinner, und deshalb glaube ich, dass das ganz gut ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Er hört es nicht


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mehr, da ist eine Scheibe dazwischen!) Er hört es leider nicht, er ist nicht da. Na ja, man wird es ihm ausrichten.

Es geht im vorliegenden Antrag um Kooperationsmodelle mit Sportvereinen, mit Sport­dachverbänden, und das sind auch die Gewinner. Ich denke, das ist gut so, denn es soll die sportliche Betätigung unserer Jugend stärken. Es sind derzeit schon viele Leh­rerinnen und Lehrer auch Trainerinnen bei Vereinen, und sie wollen sich einbringen, nicht nur im aktiven Vereinsleben, sondern auch in der Schule und ihr Wissen dort weitergeben. Es sei an dieser Stelle diesen Lehrerinnen und Lehrern auch einmal gedankt, die sich sehr einsetzen, vor allem in Orten in ländlichen Gemeinden.

Ich freue mich, dass es nun vermehrt ein gezieltes sportliches Angebot gibt. Was bringt uns dieser Ausbau des sportlichen Angebotes? – Es ist ein Beitrag zur Gemeinschafts­förderung. Was den Mannschaftssport betrifft, ist es ein Beitrag zur Charakterbildung. Ich denke da an Zielstrebigkeit, an Leistung, an Durchhaltevermögen, an Teamgeist. Ich denke aber auch an die Gesundheit. Wir hören immer häufiger von zunehmender Fettleibigkeit (Abg. Neudeck: Nicht schon wieder! – Heiterkeit) – bitte um Entschuldi­gung, ich habe nicht Sie gemeint, sondern unsere Kinder –, und ich muss sagen: Da kann eine Stunde Sport sehr viel bewirken. – Ich bin froh, denn das ist ein Weg zu einem gesunden Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

21.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Prähauser ist der nächste Redner. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.45.33

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nachhaltige Fußballeuropameisterschaft: Wir dürfen uns in der Tat zu freuen beginnen, denn sie wird stattfinden, Klagenfurt ist in der Lage, ein Stadion zu bauen. Allerdings, Kollege Haubner, sind wir als Salzburger eines gewohnt, nämlich höflich zu sein, freundlich zu sein, Solidarität zu üben. Schadenfreude ist für uns ein Fremdwort.

Wenn es in Wien mit dem Eis nicht so geklappt hat, schließen wir nicht darauf, dass in Salzburg der Rasen viel besser sein wird. Meine Damen und Herren! Salzburg baut ja auch von Zeit zu Zeit ein Stadion. Wir haben ein neues Stadion gebaut, und als wir mitten im Bauen waren, stellten wir fest – unter einem Landeshauptmann Schaus­berger –: Die Mittel reichen nicht. Er kam auf die gute Idee, mit der UEFA einen Deal auszuhandeln, einen Versuchskunstrasen aufzubauen, den wir noch haben, mit dem Nebeneffekt allerdings, internationale Spiele nicht ausführen zu dürfen, mit dem Hinter­gedanken: Salzburg steigt eh nicht mehr so schnell auf. – Es hat anders ausgeschaut, und wir mussten nach Linz ausweichen.

Das heißt, wir haben dort zurzeit einen Kunstrasen, eine riesige Betondecke, und dar­auf werden wir einen ordentlichen Rasen machen, um wettbewerbsfähig zu sein. Da müssen wir aufpassen, ob der dann auch entsprechend gut hält. – Und wenn der hält, lachen wir nachträglich über Wien. (Beifall bei der SPÖ.)

21.46


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger spricht als Nächster. 2 Minuten. – Bitte.

 


21.47.09

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Internationale Studien belegen, dass Österreich durchaus im internationalen Spitzenfeld liegt, was den Anteil von Bewegung und Sport am Ge­samtunterricht unserer Jugend betrifft, aber es ist immer noch zu wenig. Man kann


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immer mehr tun, man kann sich immer verbessern, und Bewegungsstudien zeigen auch auf, dass da noch etwas machbar ist.

Zwei Ziele peilen wir da an.

Erstes Ziel: Bewegung und Sport bietet sich hervorragend an im Rahmen einer zuneh­menden Nachmittagsbetreuung. Da sollte vor allem die Kooperation mit den Sport­vereinen und Dachverbänden gesucht werden.

Zweites Ziel soll sein, dass Kinder und Jugendliche dann auch eventuell bei Sportver­einen in ihrer Freizeit aktiv Sport ausüben. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.48


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. Auch sie spricht bis zu 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 


21.48.07

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Sport und Bewegung ist für die Gesundheit, für Teamfähigkeit, für Charakter, für Disziplin besonders in den ersten Entwicklungsjahren unserer Kinder und Jugendlichen unerlässlich und sehr wichtig.

Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass mit Sport und Bewegung bereits im Kindesalter, das heißt, im Kindergartenalter begonnen werden soll und dass, wie auch im Entschließungsantrag erwähnt ist, möglichst auch in der Grundschule anzusetzen ist und überall dort, wo Bedarf besteht, dies zu realisieren.

Meine Damen und Herren! Auf die Mitarbeit und die Zusammenarbeit der Vereine, der Dach- und Fachverbände darf nicht vergessen werden. Unterschätzen wir bitte deren Arbeit nicht! Sie glauben gar nicht, was dort an Arbeit für unsere Kinder und Jugend­lichen, für unsere Sportlerinnen und Sportler geleistet wird.

Ein Beispiel dafür ist das Burgenland, wo in Zusammenarbeit mit dem ASVÖ jedes Jahr in den Schulen ein Talente-Grand Prix in der Leichtathletik veranstaltet wird. Engagierte Lehrer und Funktionäre arbeiten da während der Unterrichtszeiten mit den Schülerinnen und Schülern. Ergebnis dieser Veranstaltungen ist, dass sich schon viele sportliche Talente herauskristallisiert haben, dass die Schülerinnen und Schüler durch Pokale und Urkunden motiviert und angespornt werden, sich sportlich zu betätigen.

Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, warum Bewegung in jedem Alter wichtig und eigentlich selbstverständlich sein soll: unsere eigene Gesundheit, für die wir ver­antwortlich sind. Dies allein sollte uns Anlass genug sein, dem Schulsport einen wich­tigen Stellenwert einzuräumen und nicht Stunden zu kürzen, wie das die Frau Bundes­ministerin vor zwei Jahren getan hat. Denken wir darüber nach! Unsere Gesundheit und die unserer Kinder sind das Wichtigste. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.50


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Staatssekretär Mag. Schweit­zer. – Bitte.

 


21.50.12

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir drei Bemerkungen.

Zum Ersten finde ich es bemerkenswert, dass jener Abgeordnete, der den Sportaus­schuss dazu benutzt hat, auf nichts begründet sehr, sehr viel Wirbel zu schlagen, es vorzieht, der Debatte fernzubleiben – es deshalb vorzieht, der Debatte fernzubleiben, weil sich herausgestellt hat, dass Kollege Pilz mit all seinen haltlosen Anwürfen einmal


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mehr nicht Recht behalten hat (Abg. Dr. Fekter: Wie wahr!) und der Auftrag für das Stadion Klagenfurt ordentlich vergeben wurde und auch klargemacht wurde, wer Auf­traggeber ist, nämlich die Stadt Klagenfurt. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Stummvoll.)

Er hätte ruhig herkommen und sich dieser Debatte stellen sollen! Aber das ist typisch für das Verhalten eines grünen Peter Pilz, der überall die Leute anschüttet! (Hallo-Rufe bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Gaál: Keine politischen ...!) Wenn es darum geht, dann geradezustehen für eine Meinung, die nicht gehalten hat, weil sich die des Staatssekretärs als die richtige herausgestellt hat, dann soll er Manns genug sein und hier herkommen und darüber diskutieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Sburny: ...! Hauptsache, Sie!)

Aber so kennen wir den Pilz: Einer, der sich selbst nicht mag, der kommt auch hier nicht her. (Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Krainer: Herr Präsident, bitte! Diese Polemik muss man sich nicht gefallen lassen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir den Kollegen Pilz im letzten Sportausschuss stundenlang mit haltlosen Vorwürfen anhören müssen, und ich hätte jetzt gerne die Debatte mit ihm geführt. (Abg. Sburny: ... präpotent! – ... ein Regie­rungsmitglied!) Er entzieht sich dieser Debatte, also sei es mir gestattet, einige Be­merkungen dazu zu machen. – Danke schön! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Sburny: Sie sind absolut präpotent!)

Zweite Bemerkung: Die Forderung nach einer nachhaltigen Fußball-Europameister­schaft 2008 wird von uns natürlich erfüllt. Und jetzt kommt die positive Nachricht für die Grünen: Wir arbeiten da zusammen mit den Brainbows – das dürfte Ihnen sehr gut bekannt sein. Kollegin Langthaler und Christian Nohel haben da ein hervorragendes Konzept vorgelegt, das wir gemeinsam mit dem Umweltministerium umsetzen werden. (Abg. Scheibner: Was hat das gekostet?) Wir werden eine vorbildlich nachhaltige Europameisterschaft organisieren.

Dritte Bemerkung: Wenn sich der Sportsprecher der SPÖ, Dr. Wittmann, beim Präsi­denten der ASKÖ – das ist auch der Dr. Wittmann – informiert, dann wird er in Erfah­rung bringen können, dass wir mit den Dachverbänden hervorragend zusammen­arbeiten, dass wir mit den Dachverbänden unter dem Titel „Fit für Österreich“ eine hervorragende Zusammenarbeit haben, was mehr Sport in den Kindergärten betrifft, was mehr Sport in den Schulen betrifft, was mehr Sport in den Betrieben betrifft und was mehr Sport auch für die Senioren, und zwar mit der Aktion „Fit für 50 plus“, betrifft.

Sie wissen, dass wir auch entsprechende Finanzierungen aufgestellt haben. Als Vertreter im Fonds „Gesundes Österreich“ könnten Sie dafür sorgen, dass diese Mittel noch mehr diesen Zielsetzungen zugute kommen. Dann könnten wir auch gemeinsam für die Dachverbände ASKÖ, ASVÖ und Sportunion mehr tun. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir einiges weitergebracht haben und auch in Zukunft noch einiges weiter­bringen werden. – Danke für die Unterstützung, ASKÖ-Präsident Dr. Wittmann! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Sbur­ny. – Gegenruf des Staatssekretärs Mag. Schweitzer. – Abg. Sburny: Bitte? Ich hab’ es nicht gehört! – Staatssekretär Mag. Schweitzer: Dem, der sich selbst nicht mag!)

21.53


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. 2 Minuten, Sie kennen die Geschäftsord­nung. – Bitte.

 



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21.53.45

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat von einer „ordentlichen“ Vergabe in Klagenfurt gesprochen.

Ich berichtige ihn: Richtig ist vielmehr, dass die Gutachter zahlreiche Rechtsverstöße bei der Vergabe festgestellt haben.

Zweitens ist richtig, dass die Frage der Parteienfinanzierung noch nicht geklärt ist. (Bei­fall bei der SPÖ.)

21.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Das war keine tatsächliche Berichtigung. Das war ein Redebeitrag.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steier. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


21.54.34

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben hier im Hohen Haus schon des Öfteren das Thema Bewegungsarmut der Kinder und Sport in der Schule diskutiert. Die Eckpunkte sind hinlänglich bekannt. Die Zahl der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen steigt, gleichzeitig stagniert das Sportangebot in der Schule, und die körperlichen Aktivitäten in der Freizeit werden auch immer weniger. Es ist fraglich, wie viele Kinder noch die tägliche Stunde empfoh­lener Mindestbewegung in ihrem Alltag unterbringen.

Geschätzte Damen und Herren! Auch wenn Österreich grundsätzlich, was den Sport anlangt, in internationalen Studien noch gut abschneidet, kann angesichts des allge­meinen Sportverhaltens der Bevölkerung gar nicht früh genug damit begonnen werden, Sport und Bewegung zu fördern. Insbesondere der Schule kommt da eine ganz be­sondere Rolle zu, damit die Schulzeit nicht zur Sitzzeit wird. In der Schule sollte der Grundstein für lebenslange körperliche Betätigung gelegt werden.

Geschätzte Damen und Herren! Der Erfolg der Initiative für Bewegung und Sport wird von einzelnen Maßnahmen abhängen und an Maßnahmen zu messen sein. Letztend­lich wird sich daran entscheiden, ob die angebotenen Initiativen innovativ genug und cool genug sind, um von den Kindern und Jugendlichen angenommen und weiter be­trieben zu werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Keck. Auch er wünscht, 2 Minuten zu sprechen. – Bitte.

 


21.56.10

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es ist alar­mierend, was wir unlängst über die Medien erfahren mussten. Ich habe hier den Artikel von „NEWS“: „XXL-Kinder“. In diesem Zusammenhang sagen uns Experten: „25 Pro­zent der heimischen Kinder und Jugendlichen sind zu dick.“ (Abg. Broukal: ... 25 Pro­zent der Erwachsenen, leider!) Und beinahe „die Hälfte davon“ – und das muss man sich ja wirklich geben, das ist immerhin noch jedes achte Kind! – „leidet sogar an Fett­sucht“. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind es heute mehr als 400 000 Jugendliche und Kinder, die ein sehr viel höheres Gewicht aufweisen, als dies ihrem Körper gut tut. Man bedenke: Vor zehn Jahren waren es nur halb so viele. Wenn es um das Gewicht beziehungsweise die Fettleibigkeit unserer Kinder geht, dann liegen wir heute gleichauf mit den USA. Nur Italien oder Griechenland können uns in diesem traurigen weltweiten Wettbewerb noch schlagen.


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Meine Damen und Herren! Das sind Jugendliche, die ein zehn Mal höheres Risiko in sich tragen, an Diabetes zu erkranken, die Gelenkserkrankungen haben, Haltungs- oder Gefäßschäden aufweisen. Asthmatische Erkrankungen und psychische Be­schwerden sind bei diesen Kindern gang und gäbe.

Programme, dieses massive zivilisatorische Problem in Angriff zu nehmen, sollte es geben – Programme, die es verhindern, dass unsere Kinder schon im frühen Alter ihre Gesundheit verspielen. Eine tägliche verpflichtende Stunde der Bewegung – und das ist unsere simple Forderung – würde schon ausreichen, um unseren Kindern die täg­liche Anregung, die sie brauchen, zu geben.

Ich kann Ihnen sagen: Das wirkt!, denn wir in Linz verfügen über eine Schule, an der dies seit Jahren, aber leider nur im Rahmen eines Schulversuches, praktiziert wird. Das Ergebnis sind durchschnittlich dünnere, sportlichere, belastbare und – man wird es nicht glauben – auch sehr viel gesündere Kinder. Anstatt stur am Lehrplan zu kleben, ist man in dieser Schule flexibel und am Wohl unserer Kinder interessiert.

Ich kann nur sagen: Meine Damen und Herren, unterstützen auch Sie die tägliche ver­pflichtende Bewegungsstunde an Österreichs Schulen! Unsere Kinder werden uns das in der Zukunft danken. (Beifall bei der SPÖ.)

21.58


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzte Wortmeldung kommt von Herrn Abge­ordnetem Brosz. Er hat sich eine Redezeit von 18 Minuten gegeben. – Bitte.

 


21.58.15

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Ja, wenn der Herr Staatssekretär ausfällig wird, dann muss der Rest des Hauses leiden! (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt werden wir einmal schauen, was wir im Ausschuss für eine Diskussion hatten, Herr Staatssekretär. Es ist offenbar Ihre Art, ausfällig zu werden. Sie haben im Aus­schuss schon einen Ordnungsruf kassiert (Abg. Dr. Fekter: Mäßigen Sie sich!) für eine Beleidigung, die Sie gegenüber dem Abgeordneten Pilz geäußert haben. (Abg. Neu­deck: Im Ausschuss gibt es keinen Ordnungsruf!)

Im Ausschuss gibt es einen Ordnungsruf, den er auch kassiert hat, weil er offenbar nicht in der Lage ist, bei politischen Diskussionen in diesem Haus Argumente vor­zubringen, ohne von „Anschütten“, von „Nasenbohrern“ – was waren da noch alles für wunderschöne Worte, die Sie da im Ausschuss verloren haben? – zu sprechen.

Ich weiß nicht, Herr Staatssekretär: Faktum war, dass wir in fünf Fragerunden von Ihnen die Antwort haben wollten, wer denn für Ihre dilettantische Vorgangsweise rund um den Bau des Stadions Klagenfurt schadenersatzpflichtig sein könnte. Und ich sage Ihnen noch etwas: Das Stadion Klagenfurt ist nicht wegen Ihrer Vorgangsweise jetzt im Bau, sondern trotz Ihrer Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Die Frage der Parteienfinanzierung wird sich in Klagenfurt noch ganz genau stellen. Sie können sich einmal anschauen, was das für eine Vorgangsweise ist: Es gibt eine Ausschreibung, es gibt einen Sieger. Und was machen Sie jetzt? – Sie diskutieren jetzt darüber, dass der Verlierer der Ausschreibung in einem Konsortium dieses Stadion gemeinsam bauen soll, damit keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden sollen! – Das ist die Verantwortung von Ihnen und von Herrn Landeshauptmann Haider in Kärnten. Und ob hier eine Parteienfinanzierung vorliegt oder nicht, das wird sich noch weisen.

Sie haben überhaupt keinen Grund, aber überhaupt keinen Grund, hier die politische Verantwortung abzuschieben und im Zusammenhang mit Fragen, die wir ausführlich


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im Sportausschuss diskutiert haben – wo Sie eindeutig überfordert und inhaltlich nicht kompetent genug waren, Antworten zu geben –, über Abgeordnete dieses Hauses her­zuziehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Ein Schlusswort wird nicht gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 883 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Konsens ist eingekehrt: Das wird einstimmig beschlossen. (E 108.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sport­angelegenheiten, seinen Bericht 884 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 884 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 109.)

22.01.4027. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (784 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz) geändert wird (874 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (861 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch das Zessionsrecht geändert wird (Zessionsrechts-Änderungsgesetz – ZessRÄG) (882 d.B.)

29. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (831 d.B.): Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte interna­tionaler Kindesentführung; Beitritt Bulgariens, Estlands, Lettlands und Litauens; Annahme durch Österreich (875 d.B.)

30. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 445/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Bau­trägervertragsgesetzes und über den


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Antrag 426/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend unzureichende Sicherung der KonsumentInnen beim Kauf neuer Immobilien im Bauträgervertragsgesetz (876 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 27 bis 30 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Sie wird durch Frau Abgeordnete Mag. Dr. Fekter eröffnet. Wunschredezeit: 3 Minu­ten. – Bitte.

 


22.03.05

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Ich spreche zum Mediengesetz. Die Kollegen und Kolleginnen von meiner Fraktion, die nach mir sprechen, werden sich den anderen von Ihnen angeführten Gesetzesvorlagen widmen.

Das Mediengesetz schützt vor Verletzung des höchst persönlichen Lebensbereiches, vor Verletzung der Unschuldsvermutung und gewährt Schutz vor verbotener Bericht­erstattung. (Abg. Parnigoni: Es schützt leider nicht vor dem Schüssel-Bildschirm!) Mit der heutigen Novelle gilt dieser Schutz jetzt auch für Inhalte, die elektronisch über­mittelt werden. Elektronische Inhalte, ausgestrahlt durch Rundfunk, abrufbar beispiels­weise über Websites, sind jetzt auch dem Medienrecht unterworfen, und wir haben die Instrumente diesen elektronischen Medien angepasst. Wenn beispielsweise im Internet die Unschuldsvermutung verletzt wird, dann ist Ziel der neuen Regelung, die inkriminie­renden Äußerungen Dritter, etwa in Chats, so rasch wie möglich aus der Website zu entfernen.

Dafür brauchen wir natürlich neue Instrumente, weil die klassische Beschlagnahme oder Einziehung hier ja nicht greift. Die strengen Regelungen für Gegendarstellung und nachträgliche Mitteilungen gelten jedoch nur für solche Websites, die eine über die Darstellung des persönlichen Lebensbereiches sowie die Präsentation des Medienin­habers hinausgehende Information aufweisen und somit geeignet sind, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Das heißt, wir unterscheiden hier zwischen großen und kleinen Websites.

Dieser Schutz ist notwendig und gilt auch international, wobei wir natürlich bei den internationalen Verlautbarungen nur auf die Provider im Inland zugreifen können. Rechtsschutz ist etwas, was umfassend sein soll und nicht nur in Printmedien vorhan­den ist. (Beifall bei der ÖVP.)

22.05


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Auch er spricht bis zu 3 Minuten zu uns. (Ruf bei der SPÖ: „Bis zu“? – Ab drei!)

 


22.05.18

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es gibt heute eine weitestgehend konsensuale Debatte zum Mediengesetz. Ich glaube nur, grundsätzlich sollten wir in weiterer Folge darüber diskutieren, ob es nicht insbe­sondere in diesem Bereich des Rechtes, nämlich jenem des Mediengesetzes, sinn­voller wäre, aus dem Strafrecht in das Zivilrecht überzutreten und hier Regelungen zu finden, weil eine Entkriminalisierung dies im Medienbereich angezeigt erscheinen lässt.

Was ich noch dazu sagen möchte, nämlich auf Grund der jüngsten Diskussionen, ist, dass sich, was Medien, insbesondere die Televisionsmedien anlangt, natürlich auch


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die Frage stellt, inwiefern man Maßnahmen schaffen sollte, die etwa das verhindern, was wir in letzter Zeit im ORF erleben, im Zusammenhang insbesondere mit Einzelper­sonen wie Herrn Mück und Darstellungen einer politischen Partei, wie etwa die Sen­dung über den Herrn Bundeskanzler am Samstag, und was man schlicht und einfach nicht akzeptieren kann. (Abg. Dr. Fekter: ... Sendung über den Staatsvertrag!)

Ich meine, hier wird das Objektivitätsgebot in einer Art und Weise verletzt, die schlicht und einfach unbegreiflich ist, und ich verstehe schon lange nicht mehr, wie Personen wie ein Herr Mück in einer Form agieren können, wie sie in einem entwickelten mittel­europäischen Staat an sich eigentlich nicht üblich sein dürften. Ich meine daher, dass wir einmal alle gemeinsam – ich denke, das müsste eigentlich auch Ihnen ein Anliegen sein – gegen derartige Missbräuche von Medien, die wirklich teilweise an Zustände erinnern, die man irgendwo weit, weit über der Grenze vor geraumer Zeit noch hatte, vorgehen sollten. Wir sollten damit verantwortungsvoll umgehen und eine passende Antwort auf Mück und alle, die so um ihn herum sind, finden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. Auch er spricht bis zu 3 Minuten. – Bitte.

 


22.07.26

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Ich wollte mich sehr kurz fassen, aber Herr Kollege Jarolim hat mir jetzt ein biss­chen Gesprächsstoff gegeben.

Zunächst einmal: Das Mediengesetz – ich bitte, das zu beachten – ist ein hochmoder­nes Gesetz. Ich bin dagegen, dass es in das Zivilrecht übertragen wird, weil wir die Grundtatbestände, vor allem § 111 StGB, aus dem strafrechtlichen Bereich – ohne neue einzuführen – benötigen und persönliche Verurteilungen der Redakteure ohne­dies praktisch niemals stattfinden, sondern die medienrechtlichen Anträge nach §§ 6 ff an der Tagesordnung sind, und da geht es nur mehr um die Geldbußen auf Basis der Grundtatbestände, die nur im Hintergrund stehen. Sie werden in den letzten fünf Jah­ren kaum Verurteilungen von Journalisten erlaubt haben.

Was den ORF anbelangt, verstehe ich Ihre Äußerung – werde aber in diese Polemik nicht einfallen –, das sage ich ganz offen, denn ein großer Schub von Redakteuren der „Arbeiter-Zeitung“ ist dort untergekommen, und Sie können sich beim ORF eigentlich bedanken. Ich möchte schon einmal sagen: Ich kenne das Gerücht und ich kenne auch die Mitteilungen, dass Herr Professor Mück im ORF täglich eingreift. Aber gerade Sie haben ja Ihre Redakteure dort. Wenn Sie sich beschweren wollen, dann bringen Sie Beispiele! Es wäre schön, wenn wir das einmal öffentlich diskutieren könnten, weil wir alle ein Interesse an einem wirklich objektiv agierenden Rundfunk haben.

Ich kann nur sagen, die Freiheitliche Partei und der Freiheitliche Parlamentsklub haben das höchste Interesse, dass das einmal objektiviert wird. Wenn Sie so viel wissen, wie Sie tun, dann sagen Sie es bitte! Aber nur: In das Mediengesetz passt die Problematik nicht, denn wir gehören mit diesem Thema eigentlich zum Bundeskommunikations­senat.

Ich danke jedenfalls Herrn Professor Zeder dafür, dass er dieses Mediengesetz moder­nisiert hat. Wir brauchen das.

Ich bedanke mich bei der nächsten Materie, bei der Kreditbesicherungsfrage, dem Zessionsverbot, bei Herrn Professor Kathrein, weil auch hier eine Modernisierung eintritt, allerdings eine Modernisierung, die uns auch Sorgen machen kann, weil sie Er-


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gebnis des Umstandes ist, dass wir politisch zu wenig für die Klein- und Mittelbetriebe getan haben und die Eigenkapitalschwäche der österreichischen Unternehmen es natürlich jetzt erforderlich macht, dass sie über ihre Forderungen flexibler verfügen können als bisher.

Mein Appell geht an die große Regierungspartei, diese Eigenkapitalschwäche durch legistische Maßnahmen zu beheben, nämlich die Eigenkapitalschwäche der Klein- und Mittelbetriebe, die immerhin 97 Prozent der österreichischen Unternehmungen darstel­len und mehr als die Hälfte der Lehrlinge ausbilden. Das wäre sehr schön.

Die dritte Materie ist das Bauträgervertragsgesetz, auch etwas, wogegen man etwas unternehmen musste. Tatsache ist, dass jahrzehntelang – ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich das sage, ich möchte wirklich niemanden reizen – letztlich auch durch Leichtfertigkeit der Banken die Bauträger überfinanziert wurden. Die Letzten in der Kette, die Käufer der Wohnungen, waren die Dummen und die Geschädigten. Hätten die Banken weniger die Bauträger in Bezug auf den Baufortschritt überfinanziert, dann hätte es nicht zu einer Überzahlung der Bauträger kommen können, die ihrerseits zu wenig von dem von ihnen bezogenen Geld in die Wohnungen hineingesteckt haben. Dadurch konnte es zu einer Schädigung der kleinen Käufer kommen, weil die von die­sen erworbenen Liegenschaftsanteile mit höheren Bankdarlehen belastet wurden, als dies dem tatsächlichen Baufortschritt entsprach.

Es ist mir ganz wichtig gewesen, das auch einmal zu sagen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.10


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Wunschredezeit: 4 Minuten; das muss aber nicht ausgenützt werden.

 


22.10.59

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Danke, Herr Präsident, für den Hinweis! Ich werde es auch nicht ausnützen. Ich wollte Ihnen mitteilen, dass auch die Grünen dieser Mediengesetz-Novelle zustimmen werden; das haben wir auch schon im Aus­schuss getan. Wir haben diese Gelegenheit aber dazu benutzt, um auch grundsätz­liche Kritik am Mediengesetz, an den Mediengesetzen insgesamt anzubringen, und haben das auch in einer abweichenden persönlichen Stellungnahme getan.

Ich möchte diese Punkte jetzt aus Zeitgründen nur nennen. Der erste wesentliche Punkt sind grundsätzliche Einwände gegen die Systematik des Mediengesetzes, weil es keinen Rechtszug zum Verfassungsgerichtshof gibt – gerade dieser Punkt wurde von den Grünen letztes Jahr in den Diskussionen im Österreich-Konvent im Aus­schuss IX auch vehement eingebracht – und sich dadurch natürlich auch keine öster­reichweit einheitliche Rechtsprechung ergeben kann.

Ein zweiter Punkt ist ein Wunsch, der sich darauf bezieht, dass das Medienrecht, wie es im Mediengesetz geregelt wird, nur einen ganz kleinen Teil der österreichischen Mediengesetze insgesamt betrifft. Sinnvoll wäre es, ein umfassendes Recht der Medi­en in Österreich in einem Guss zu haben, also vom Medien-Kartellrecht über das ORF-Gesetz, über wirtschaftliche Besonderheiten bis hin zu den Fragen von Ehrenbeleidi­gung, Gegendarstellung, Presseförderung – all das!

Es ist mir ein Anliegen, dies zu deponieren, auch dahin gehend, dass die Damen und Herren im Justizressort hohe Sachkompetenz haben und gemeinsam, oder nicht ge­meinsam, sondern in erster Linie im Auftrag der Frau Bundesministerin vielleicht einen Hinweis bekommen könnten, ob es vielleicht einmal Veranstaltungen auch gemeinsam mit dem Parlament in diese Richtung geben könnte. Ich habe gesehen, Herr Dr. Zeder und seine Mitarbeiter sitzen hier; ich glaube, das wäre gerade auch im Sinne der


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konstruktiven Diskussion zur Mediengesetz-Novelle sicher eine sinnvolle Anregung. Danke, Frau Ministerin! (Beifall bei den Grünen.)

22.13


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 


22.13.35

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur noch ein Nach­trag zu Kollegen Jarolim. (Abg. Mag. Stoisits steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Mag. Miklautsch. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Und auch, weil es heute von Herrn Klubobmann Gusenbauer schon einmal kritisiert worden ist: Was diesen Fernsehauftritt betrifft, wenn der Bundeskanzler im ORF zur österreichischen Bevölkerung spricht, meine ich, dass wir nichts gegen einen offenen Wettbewerb hätten. Ich glaube nicht, dass wir verlieren würden, wenn auch Herr Gu­senbauer in gleicher Weise dort spräche, das wäre grundsätzlich sicherlich kein Pro­blem. Er ist eben nicht Bundeskanzler, und er wird es wahrscheinlich noch lange nicht werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warten wir ab; aber eines möchte ich jedenfalls sagen: An der Objektivität des ORF sind wir alle interessiert, das ist überhaupt keine Frage. (Abg. Dr. Matznetter: Warum lassen Sie das nicht an den Bundespräsidenten ...?) Da ist auch noch einiges auf­zuarbeiten, das ist ebenfalls keine Frage. Ich erinnere nur daran, wenn Sie sich jetzt darüber beklagen: Herr Kollege Broukal, der jetzt für Ihre Partei im Parlament sitzt und sich damit geoutet hat, wem seine Affinität gehört, hat ja jeden Tag seinen Sendeplatz im ORF gehabt, und es war auch allen schon damals klar, wohin er gehört. (Abg. Neu­deck: Das war keine Überraschung! – Abg. Broukal: Was wollen Sie damit sagen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht hier heute auch um das Bauträger­vertragsgesetz, das seit 1997 in Kraft ist und sich in dieser Zeit durchaus bewährt hat. (Abg. Broukal: Was wollen Sie damit sagen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das möchte ich auch sagen. Dass sich dieses Bauträgervertragsgesetz bewährt hat, zeigt sich daran, dass erst in den letzten ein, zwei Jahren das eine oder andere Pro­blem aufgetaucht ist. (Abg. Broukal: Was wollen Sie damit sagen, Herr Donner­bauer? – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Da möchte ich der Arbeiterkammer für Tirol ... (Abg. Broukal: Was wollen Sie damit sagen? Ich habe meine Arbeit objektiv erledigt!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Broukal, melden Sie sich zu Wort! Sie können nicht die ganze Zeit dazwischen rufen!

Am Wort ist der Redner!

 


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (fortsetzend): Herr Abgeordneter Broukal, ich verstehe Ihre Aufregung aus Ihrer Sicht, aber es gibt keinen Grund dafür. (Abg. Broukal: Was polemisieren Sie hier dagegen?)

Wir reden jetzt vom Bauträgervertragsgesetz, und wenn Sie mich ausreden lassen, werde ich das noch machen. (Abg. Dr. Matznetter: ... nicht unterscheiden!) Ich danke der Arbeiterkammer für Tirol, die sich dieses Themas angenommen hat, damit man jetzt auch die Lücken, die es vielleicht da und dort geben kann, aufdeckt. Wir sind da­her gerne bereit, diesen Entschließungsantrag heute zu unterstützen, und ich bin auch sehr positiv eingestimmt, weil das ein gemeinsamer Entschließungsantrag ist. Wenn es da und dort solche Lücken gibt, dann soll man das überprüfen, und dann werden wir


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uns sicherlich auch finden, diese zu schließen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.16


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.16.15

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin! Ich möchte noch kurz zum Mediengesetz Stellung nehmen. Dieser Entwurf stellt eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zum Ministerialentwurf dar, wonach ursprünglich unter bestimmten Voraussetzungen noch eine Haftstrafe für Medieninhaber möglich war. Da dieser Ministerialentwurf von den Regierungsparteien ganz vehement verteidigt wurde, würde mich interessieren, welche Argumente zu die­ser Haltungsänderung geführt haben, sodass das herausgekommen ist.

Ganz kurz noch zwei Punkte. – Eine Sache ist mir nicht ganz klar: ob die so genannten Weblogs nach Definition der Regierungsvorlage auch unter das Mediengesetz fallen. Die zweite Sache ist, dass in einer Stellungnahme der Einwand vorgebracht wurde, dass im § 24 eine Bestimmung darüber fehlt, an welcher Stelle in elektronischen Medi­en das Impressum zu veröffentlichen ist. Ich habe das jetzt auch nicht darin gefunden. (Abg. Dr. Fekter: Das gilt wie beim E-Commerce-Gesetz!) – Danke.

Abschließend möchte ich nochmals kurz hinterfragen, welchen Sinn es macht, dass das Mediengesetz im Strafrecht zu verankern ist, denn es ist ja – Kollegin Stoisits hat es auch gesagt – in einem so grundrechtsrelevanten Medienbereich somit auch kein Rechtszugang zum VfGH vorhanden. Ich denke, dieser Diskussion sollte man sich sehr rasch stellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grüne­wald.)

22.18


Präsident Dr. Andreas Khol: Da sich Frau Abgeordnete Partik-Pablé von der Redner­liste hat streichen lassen, spricht nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Moser. Wunschrede­zeit: 3 Minuten. (Abg. Dr. Gabriela Moser – auf dem Weg zum Rednerpult –: 1 Minute! Eineinhalb!) 1 Minute. – Bitte.

 


22.18.14

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute schon angekündigt, dass ich mich kurz fasse. Der erste Bereich, der mich betrifft, ist die Frage des Zessionsrechts. In dieser Frage sind wir konsensual auf einer Ebene wie Sie, insofern geben wir unsere Zustimmung.

Auf der zweiten Seite spreche ich noch über die Bauträgervereinigung beziehungs­weise über die rechtliche Änderung im Sinne der Wohnungswerber. Auch da gibt es einen Konsens, weil ja der Antrag von Kollegen Maier und auch von mir initiiert wurde. Sie zeigten durchaus Verständnis, deswegen unsere Zustimmung und, Herr Präsident, eine knappe Redezeit. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.19.00

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir schaffen mit der Novelle des Mediengesetzes endlich ein zeitgemäßes


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Mediengesetz. Längst rufen viele junge Leute – und Gott sei Dank auch ältere – aus dem Internet die Zeitungen und die Nachrichten ab.

Die Anwendbarkeit des Mediengesetzes auf das Internet und auf über das Internet verbreitete Inhalte war aber lange Zeit umstritten. Jetzt wird beispielsweise klargestellt, dass Massen-E-Mails und Homepages unter Medien fallen. Es wird auch klargestellt, wer beispielsweise bei Diskussionsforen Medieninhaber ist. Wer ist dafür verantwort­lich, und wer kann hier haftbar gemacht werden? – Es ist nicht der Access-, nicht der Service-Provider, sondern nur derjenige, der für den Inhalt, die Auswahl der Teilneh­mer und der Diskussionsbeiträge verantwortlich ist.

Das alles dient einer höheren Rechtssicherheit und ist ein zukunftsweisendes Gesetz. Ich freue mich, dass wir das endlich beschließen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.20


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Mag. Maier ist der nächste Redner. 2 Minuten Redezeit; absolute Obergrenze. (Heiterkeit.) – Bitte, Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


22.20.35

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bauträgervertragsgesetz gehört novelliert; das hat ein Gutachten, das im Auftrag der Tiroler Arbeiterkammer von Universitätsprofessor Dr. Böhm gemacht wurde, ganz eindeutig ergeben. Über 20 Schutzlücken wurden festgestellt.

Ich darf daran erinnern: Beim Bauen geht es für den Einzelnen um sehr viel Geld. Es geht dabei um die Käufer von Eigentumswohnungen beziehungsweise um die, die sich ein Eigenheim finanzieren wollen, sowie um die entsprechende rechtliche Absicherung.

Ich kann mich noch daran erinnern – Kollegin Fekter wahrscheinlich auch –, dass wir, als wir hier im Jahre 1997 das Bauträgervertragsgesetz beschlossen haben, davon ausgegangen sind, dass die Gelder der Wohnungswerber geschützt sind. Hohes Haus, das Gegenteil ist eingetreten! Findige Unternehmer, Bauträger, haben Lücken gefun­den, die Banken haben sich über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten der Kaufwerber entsprechend abgesichert, und wenn alles schief gegangen ist, ist dann noch der Treuhänder – da meine ich jetzt einen Rechtsanwalt – mit dem Geld der Wohnungseigentumswerber verschwunden.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich namens meiner Fraktion für die Bereitschaft der Regierungsparteien, hiezu ein neues Gesetz zu machen. Es geht um den Schutz der Wohnungswerber einerseits, aber auch um den Schutz unbe­sicherter Professionisten andererseits, die ebenfalls auf ihren Kosten sitzen bleiben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.)

22.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Abgeordneter Doppler ist der nächste Redner. Er spricht bis zu 2 Minuten zu uns. – Bitte.

 


22.22.31

Abgeordneter Anton Doppler (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer Zeit schneller Veränderungen. Diese Schnelllebigkeit hat auch vor den Medien nicht Halt gemacht, und es ist deshalb notwendig, das Mediengesetz so zu ändern, dass es problemlos auch auf das Internet und auf die elektronischen Medien angewandt werden kann.


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Da es dazu einen Konsens aller Parteien gibt, möchte ich mich jetzt sehr herzlich bei Frau Ministerin Miklautsch dafür bedanken, dass sie diese Gesetzesänderung so vor­bereitet hat, möchte aber auch den Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Ministerium aussprechen, da wohl für jeden ganz augenscheinlich ist, dass wir hiermit eine notwendige Gesetzesänderung durchführen.

Ich bin wirklich froh darüber, dass alle Parlamentsfraktionen von der Notwendigkeit dieser Gesetzesänderung überzeugt sind, einer Änderung, mit der im Wesentlichen die Sache mit den Webseiten-Mindestangaben geregelt wird und wodurch auch Regelun­gen betreffend Gegendarstellungen vorgenommen werden.

Herzlichen Dank für diese Gesetzesvorlage! Ich danke auch – und bin davon über­zeugt – für Ihre werte Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Mag. Ikrath ist der nächste Redner. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


22.23.53

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Kürze liegt die Würze; auch beim Zessionsrechts-Änderungsgesetz.

Ich schließe mich da Kollegem Böhmdorfer an: Mit diesem Gesetz setzen wir einen sehr wichtigen Schritt zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunft unserer kleinen und mittleren Unternehmen. Mit der Aufhebung der absoluten Wirkung des Zessionsverbotes im Geschäftsverkehr stärken wir die Finanzierungsfähigkeit dieser Unternehmensgruppe einerseits und eröffnen endlich auch in Österreich den Weg in Richtung Verbriefung von Forderungen. Auch das ist gerade vor dem Hintergrund von Basel II eine ganz wesentliche Maßnahme; wir tun das am Vorabend von Basel II just in time.

Dafür danke ich auch der Frau Justizministerin, die besondere Bereitschaft zeigt, den Erfordernissen der Wirtschaft Rechnung zu tragen. Ich freue mich, dass wir dieses wichtige Gesetz heute gemeinsam mit der Opposition beschließen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Broukal. 2 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


22.25.18

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Donnerbauer, gerade wenn wir wollen, dass der ORF das bleibt, was er ist (Zwischenrufe bei der ÖVP), ist es, wie ich meine, zu billig, zu unterstellen, dass alle Mitarbeiter des ORF oder einige von ihnen ihre Arbeit dort nicht objektiv und nach bestem Wissen und Gewissen erledigen. (Abg. Scheibner: Das behaupten ja Sie die ganze Zeit! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was in der Geschichte des ORF unvergleichlich ist, ist die einmalige Einräumung von 4 Minuten Sendezeit an einem Tag der nationalen Erinnerung an den Obmann einer Partei, die 42 Prozent der Wähler repräsentiert, aber nicht das österreichische Volk! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das sei Ihnen einmal gesagt, falls Sie den Unterschied nicht begreifen! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ihre Unterstellung, ich hätte meine Arbeit beim ORF parteipolitisch erledigt (Zwischen­rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), richtet sich gleichzeitig, nehme ich an, an


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Ursula Stenzel, an Frau Wendl-Turkovic, an Frau Zierler, an Herrn Schimanek, an Herrn Kronberger, an Frau Resetarits, an Franz Kreuzer und vielleicht auch noch an Robert Hochner. (Ruf bei der ÖVP: Nur an Sie!) – Nur an mich, okay. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen jedenfalls sagen, dass ich mich in meiner Zeit beim ORF (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) vor Angeboten der ÖVP und ÖVP-naher Organi­sationen nicht erwehren konnte, ihre Veranstaltungen zu moderieren, bis hin zum Zukunftskongress der ÖVP Oberösterreich. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

22.26


Präsident Dr. Andreas Khol: Nach diesem Höhepunkt ist niemand mehr zu Wort ge­meldet. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstatterinnen wünschen kein Schlusswort. (Abg. Gradwohl: Zur Geschäfts­behandlung! – Weitere Rufe „Zur Geschäftsbehandlung!“ bei der SPÖ.)

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme. (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Während ich enunziere, gibt es keine Geschäftsbehandlung! (Abg. Silhavy: Das darf ja nicht wahr sein! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nach der Abstimmung.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir stimmen ab über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über die Presse und andere publizistische Medien geändert wird, samt Titel und Eingang in 874 der Beilagen.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend Zessions­rechts-Änderungsgesetz samt Titel und Eingang in 861 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das geschieht einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das Gesetz ist auch in dritter Lesung angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung; Beitritt Bulgariens, Estlands, Lettlands und Litauens; Annahme durch Österreich, 831 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Wer dies tut, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Die Zustimmung wird einstimmig erteilt. Das ist angenommen.


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 876 der Bei­lagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das geschieht einstimmig und ist angenommen. (E 110.)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Cap zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Neudeck: Nein, Gradwohl! – Abg. Scheibner: Bitte, Gradwohl hat sich gemel­det! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


22.29.28

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Zu Ihrer Bemerkung nach der Rede des Abgeordneten Broukal (Abg. Neudeck: Gemeldet hat sich Gradwohl!) möchte ich doch auf Folgendes hinweisen: Es ist die Aufgabe des Präsidenten, die Sitzung zu leiten, es ist aber nicht die Aufgabe des Präsidenten, die Wortmeldung eines Vertreters einer Fraktion zu kommentieren oder gar ironisch zu be­werten! (Abg. Dr. Fekter: Aha! Geschäftsordnungsantrag?) Ich möchte daher zu dieser Ihrer Bemerkung, Herr Präsident – „nach diesem Höhepunkt“ –, den Protest meiner Fraktion hiemit zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.30


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann Molterer. – Bitte.

 


22.30.14

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Meine Damen und Herren! Erstens hatte sich eigentlich Kollege Gradwohl zu Wort gemeldet. (Abg. Silhavy: Das ist aber unser Problem!) Aber das ist nicht meine Angelegenheit.

Ich verstehe den Protest nicht! Ich finde, das ist doch eine tatsächliche Auszeichnung und ein Höhepunkt: Ich meine, Kollegen Broukal über Objektivität im Journalismus zu hören, ist wirklich ein Höhepunkt! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

22.30


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abge­ordneter Brosz zu Wort gemeldet.

 


22.31.01

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident Dr. Khol, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Qualifizierung der vor­maligen beruflichen Tätigkeit des Abgeordneten Broukal mit dem Vorwurf „parteipoliti­scher Missbrauch“ in dieser Form ein sehr schwerer Vorwurf ist.

Und ich meine auch, dass dazu eine zynische Bemerkung von Ihnen nicht angebracht war! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit die Runde vollständig ist, gelangt auch Herr Abgeordneter Scheibner zur Geschäftsbehandlung zu Wort.

 


22.31.32

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bin etwas verwundert, dass man hier eine politische Debatte durch Geschäftsordnungs-Wortmeldungen fortzuführen versucht. (Zwischenruf des Abg. Riepl.) – Man hätte sich ja melden können!

Wenn man weiß, welche Angriffe und zum Teil auch Verunglimpfungen gerade Abge­ordnete, die sich hier jetzt besonders alterieren, vom Rednerpult aus gegenüber ande-


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110. Sitzung / Seite 259

ren Abgeordneten und ganzen Fraktionen gemacht haben, ist diese Aufregung beson­ders verwunderlich. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) Vielleicht ist es jedoch weniger verwunderlich, wenn man weiß, dass viele der Abgeordneten, die sich jetzt besonders aufregen, dieser Debatte heute über weite Strecken gar nicht gefolgt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.32

22.32.1931. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (816 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten (877 d.B.)

32. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (842 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen in der Fassung des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung (879 d.B.)

33. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 533/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend wirksame gesetzliche und andere Maßnahmen gegen Stalking (878 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 31 bis 33 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Miedl. Seine Wunschredezeit beträgt 3 Minu­ten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


22.33.23

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Höhepunkt jagt den anderen: Es geht in diesem Tagesord­nungspunkt um einen Vertrag zwischen Österreich und Deutschland, im Wesentlichen um ein Übereinkommen die Sicherheit betreffend.

Dieser Antrag ist im Ausschuss ausreichend debattiert worden. Der Ausschuss hat die Annahme empfohlen, ich tue das auch und bitte um eine solche. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.33


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Auch sie hat 3 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


22.33.53

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Diese gegenseitige Geringschätzung erschüttert mich zutiefst! Und Kollege Miedl setzt das jetzt auch noch fort: Schämen Sie sich dafür, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neudeck.)


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Ich möchte ganz kurz zum Thema Stalking Bezug nehmen. Ein Anti-Stalking-Gesetz ist in Vorbereitung. Das begrüßen wir sehr. Leider hat dieser heutige Vier-Parteien-Antrag heute eine lange beziehungsweise eine fast zu lange Geschichte. (Präsidentin MagPrammer übernimmt den Vorsitz.)

Die SPÖ-Frauen in Wien haben einen Vier-Parteien-Antrag im Wiener Landtag durch­gesetzt. Fast gleich lautend haben wir dann einen Antrag eingebracht, mit welchem ich am Internationalen Frauentag ein gemeinsames frauenpolitisches Zeichen setzen zu können gehofft hätte. Das ist jedoch nicht erfolgt, die Regierungsparteien sind abge­sprungen, und nur Rot-Grün hat dann diesen Antrag eingebracht. (Abg. Dr. Fekter: Kein Mensch ist „abgesprungen“!)

Wir haben uns aber in der letzten Sitzung des Justizausschusses – und das begrüße ich – gemeinsam auf einen Vier-Parteien-Antrag verständigen können. Ich denke, dass es jetzt wichtig ist, dass wir darauf achten, dass die Frau Bundesministerin ihr Verspre­chen hält, dass es Ende Mai Ergebnisse der Arbeitsgruppe geben wird – ich konnte das in mehreren Aussendungen lesen – und dass wir im Herbst zu einem Gesetz kom­men. (Beifall bei der SPÖ.)

22.35



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110. Sitzung / Seite 261

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Dr. Böhmdorfer. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


22.35.15

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Ich habe mich schon im Justizausschuss zu dieser Materie etwas kritisch und zurückhaltend geäußert und möchte das begründen. – Wenn Sie lachen, Frau Kollegin, erkläre ich Ihnen das genauer! (Abg. Heinisch-Hosek: Ich habe nicht wegen Ihnen gelacht, wirklich nicht!) Gut, dann habe ich nicht gewusst, dass Sie zum Lachen ins Plenum gekommen sind und nicht zum Zuhören! Das habe ich nicht gewusst! (Abg. Heinisch-Hosek: Muss ich jetzt weinen, wenn Sie reden?)

Ich werde es trotzdem noch einmal zum Verständnis erklären, warum ich in dieser Frage eine eher kritische Haltung habe. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Für mich heraußen ist nicht erkennbar, warum Sie lachen, nur dass Sie lachen, entschuldigen Sie! Und darauf darf ich wohl reagieren! Okay?

Das Anti-Stalking-Begehren, das Sie hier darlegen, bezieht sich darauf, dass Sie Ände­rungen im Sicherheitspolizeigesetz, in der Exekutionsordnung und im Strafgesetzbuch wollen. – Das ist in sich nicht wirklich harmonisch, weil Sie keine Änderungen im Zivil­recht wollen. Das ist der eine Punkt.

In den Beispielen, die Sie anführen, geht es meistens schon um Strafbarkeit. Und wenn Sie die Belästigungen, die Sie als Beispiele angeführt haben, dem Strafgesetz­buch unterstellen, dann müssen Sie bedenken, dass Sie im strafgesetzlichen Bereich nur massive Tatbestände verwirklichen können.

Ich kann nur hoffen, dass eine Prüfung dieser Materie – und das meine ich ganz ernst – eher zu dem Ergebnis kommt, dass wir im verwaltungsstrafrechtlichen Bereich Maßnahmen zu setzen haben. Dafür ist aber nicht die Justizministerin zuständig, son­dern voraussichtlich der Innenminister, und auch die Landesgesetze, wo man ja schon tätig geworden ist. Aber hier ist das keine wirklich runde Sache. Deswegen meine ich: Das Begehren ist verständlich, der Weg, den Sie aufzeigen, ist aber nicht praktikabel. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mag. Weinzinger. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.37.21

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Herr Nationalratspräsident Khol, eine Vorbemerkung zu Ihren Schluss­bemerkungen nach der Rede des Abgeordneten Broukal. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Zur Sache bitte!) Ich werde mich jetzt hüten, das als Höhepunkt einer seriösen, unpar­teiischen Vorsitzführung zu bezeichnen, sonst glaubt der Abgeordnete Molterer noch tatsächlich, dass es das war.

Ich glaube, es müsste ein Präsident, der sich selbst ernst nimmt, auch einmal darüber nachdenken, sich selbst einen Ordnungsruf – zumindest im stillen Kämmerlein – zu geben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Klubobmann Scheibner, ein Präsident, der in seiner Vorsitzführung so streng ist, dass nicht einmal das Wort „Arroganz“ ohne Ordnungsruf durchgeht, sollte sich selbst engere Spielregeln vorlegen. Das hat nichts damit zu tun, was Sie hier an Zwischen­rufen oder Wortmeldungen abgeben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Im Austeilen seid ihr nicht so wehleidig!)

Nachdem Klubobmann Scheibner es gar nicht erwarten kann, dass ich ihn ausführlich über ein Anti-Stalking-Gesetz informiere, komme ich nun zur Sache. – Das Interesse am Anti-Stalking-Gesetz, das er hat, ist – wie ich hoffe – anhaltender als jetzt in diesen zwei Minuten, in denen er versucht, ein für ihn – oder für seinen Sitznachbarn – unan­genehmes Thema wegzubekommen.

Faktum ist, und da hatte ich eigentlich gedacht ... (Ruf bei der ÖVP: Es ist schlimm, wenn Sie denken!) Wie war das: Der Schelm redet ... (Ruf bei der ÖVP: So wie der Schelm denkt, redet er!) Ich schätze einmal, dass für so etwas, wenn es am Redner­pult gesagt wird, von Präsident Khol ein Ordnungsruf gegeben wird. Ich bin da groß­zügiger: Sie dürfen das gerne von sich und von anderen behaupten. (Abg. Neudeck: Sie sind nicht großzügig, denn Sie können gar keinen Ordnungsruf geben!) Ich habe das leider jetzt akustisch nicht ganz verstanden, aber wenn Sie möchten, dass ich zum Thema rede, müssen Sie mir einmal die Chance dazu geben! (Präsidentin Mag. Pram­mer gibt das Glockenzeichen.)

Wir hatten einen Vier-Parteien-Einigung mit langer Vorgeschichte – wie meine Vorred­nerin Heinisch-Hosek angeführt hat – zum Anti-Stalking-Gesetz. Der Grundgedanke ist simpel: Gewalt, vorrangig gegen Frauen – wieder einmal in dieser Materie –, darf in keiner Form geduldet werden und muss vom Gesetzgeber, von der Exekutive, in jeder Form entschieden geahndet werden, und diejenigen, die Gewalt ausüben, müssen zur Verantwortung gezogen werden.

Ein wenig beunruhigt bin ich durch die Äußerungen meines Vorredners, der jetzt plötz­lich wieder so tut, als wäre das gar nicht so ausgemacht. – An sich haben wir einen sehr präzisen, klaren Text vorgelegt, der festhält, in welchen Bereichen es überall Nachbesserungen braucht, um einen wirklichen Schutz vor Stalking, vor Verfolgung, zu bieten. So, wie Sie geklungen haben, dürfte das aber offenbar in Ihrer Fraktion – zu welcher immer Sie gerade gehören! – wieder heftig in Frage gestellt werden.

Ich hoffe, Sie besinnen sich noch eines anderen! Ich hoffe, dass es sehr rasch, spätes­tens bis zum Herbst, zu einem solchen Gesetz kommt, das wir dann hoffentlich ein­stimmig beschließen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dipl.-Ing. Hütl. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 



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110. Sitzung / Seite 262

22.40.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde zur Ab­wechslung jetzt wieder einmal auf das Thema eingehen. (Zwischenruf der Abg. Sbur­ny.)

Ich komme jetzt zum Vertrag zwischen Österreich und Deutschland, und ich werde auf den strafrechtlichen Bereich eingehen: Darin wird die Beweissicherung bei Gefahr im Verzug durch körperliche Untersuchung geregelt. – Der Vertrag sieht diesbezüglich Rechtsbeihilfe durch den jeweiligen Abgleich von DNA-Profilen und Identifizierungs­mustern vor.

Noch ein Wort zu den DNA-Untersuchungen: Österreich ist vor kurzem als erstes Land der Interpol-DNA-Datenbank beigetreten, das heißt, österreichische Kriminalfälle wer­den bei Interpol eingespeist. Österreichs Polizei ist ja führend in der DNA-Analyse, die österreichische DNA-Datenbank zählt zu den größten und erfolgreichsten der Welt. Mit mehr als 100 000 DNA-Spuren unterhält unsere Polizei die viertgrößte DNA-Datenbank der Welt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte gleich enden, und zwar mit einer Schlagzeile der morgigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“, in welcher steht: „DNA-Test als Geschichtenerzähler“. – Ich würde sagen: Der DNA-Test ist weit mehr als ein Geschichtenerzähler, denn er trägt zur besseren und effizienteren Bekämpfung der Kriminalität bei. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stadlbauer. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.42.18

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich beginne gleich mit einer Bitte an Sie, Frau Präsidentin: Ich ersuche Sie, dass Sie Einsicht ins Protokoll betreffend die Rede meiner Vorvorrednerin nehmen! Wir haben einen Zwischenruf von ÖVP-Seite gehört, wonach es geheißen hat: „Es ist schlimm, wenn Sie denken!“ (Zwi­schenruf des Abg. Wittauer.) Das ist ein derart frauenfeindlicher und menschenfeind­licher Sager, für den sich jener, wer immer das gesagt hat, wirklich entschuldigen muss! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.) Es geht ein­fach nicht an, dass das in diesem Hohen Haus so gesagt wird! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte zum Anti-Stalking-Gesetz Stellung nehmen. Für die, die nicht wissen, was das ist: Das ist das Recht, in Ruhe gelassen zu werden.

Bei dieser Gesetzmaterie, von der zu 80 Prozent Frauen betroffen sind – 80 Prozent der Stalking-Opfer sind Frauen! –, ist es seit langem wieder einmal gelungen, eine Frauenplattform, eine Zusammenarbeit zwischen den Frauen in den Fraktionen zu­stande zu bringen und hier gemeinsam einen Antrag einzubringen. Ich möchte das ausdrücklich betonen und freue mich sehr, dass das gelungen ist! Allerdings ist es wirklich bezeichnend, dass sich die Männer ausgerechnet jetzt wieder bemüßigt fühlen, uns die Welt zu erklären, so wie etwa Herr Böhmdorfer, der meint, dass das alles so unrund und unharmonisch sei.

Herr Abgeordneter Böhmdorfer, ich vertraue in diesem Fall schon der Arbeitsgruppe im Justizministerium, die daran arbeitet. Ich denke, dass da sehr viel Experten und Exper­tinnen am Werk sind, die, im Gegensatz zu Ihnen, die Problematik erkannt haben – Sie


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brauchen gar nicht so komisch zu winken, es reicht, wenn Sie aufpassen! – und die hoffentlich ein gutes, positives Gesetz erarbeiten werden!

Vier Punkte sind mir noch wichtig zu betonen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Erstens: Es ist ein Problem, das Frauen betrifft.

Zweitens: Die Initiatorinnen sind die SPÖ-Frauen gewesen.

Der Antrag, der jetzt vorliegt, ist ein Kompromiss.

Und es ist ganz wichtig, dass im Gesetz dann steht, dass die Verantwortung eindeutig beim Stalker liegt – und nicht, dass da eine Täter-Opfer-Umkehr stattfindet, das heißt, dass das Opfer zum Täter beziehungsweise zur Täterin gemacht wird, wie es ja in der Justiz in letzter Zeit leider so oft geschieht, wenn wir uns etwa diesen in Traiskirchen ansehen.

In diesem Sinne: Danke schön für den gemeinsamen Beschluss! (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Dem Wunsch der Frau Abgeordneten Stadlbau­er kann ich nicht mehr nachkommen, das wird sich zeitlich nicht mehr machen lassen. Wir werden aber im Protokoll nachsehen, und ich werde diese Frage auch in der nächsten Präsidialsitzung ansprechen.

Ich wollte nur fragen, ob ich richtig gehört habe, dass Herr Abgeordneter Wittauer auf diese Feststellung von Frau Stadlbauer gemeint hat: Das ist richtig! Oder: Das ist die Wahrheit! – Wenn Sie das gesagt haben – und Sie bestätigen mir das, Herr Wittauer! –dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Praßl. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.45.33

Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu später Stunde noch ein paar Worte zum Vertrag mit Deutschland über grenzüberschreitende Maßnahmen: Bereits im September 2000 wurden diesbezüglich Vorgespräche aufgenommen.

Die Maßnahmen dafür sind eine gemeinsame Verpflichtung zur gegenseitigen Unter­stützung im Bereich von Großereignissen, schweren Unglücksfällen und Katastrophen.

Auch erwähnenswert ist die Regelung der Übermittlung dieser DNA-Analysen, Identifi­zierungsmuster und auch anderer erkennungsdienlicher Materialien.

Mit diesem Beschluss, meine Damen und Herren, beugen wir der Kriminalität vor, und wir helfen beiden Ländern. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Pendl. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.46.39

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich eingangs namens meiner Fraktion bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Frau Ministerin, sehr herz­lich für die erstklassige Vorbereitung zu diesen Justizkapiteln bedanken! Herzlichen


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Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bitte, mich mit einem Satz – und ich bin sicher: in aller Interesse und in aller Namen hier – auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Parlamentsdirektion bedanken zu dürfen. Ich glaube, sie haben es nicht immer leicht an zwei solch langen Plenartagen, Herr Präsident, und ich glaube, unser gemeinsamer Dank ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicher! (Allgemeiner Beifall.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Einen einzigen Satz zu diesem Vertrag zwischen Deutschland und Österreich: Frau Ministerin, ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt!

Aber lassen Sie mich – auch zu vorgeschrittener Stunde – noch einmal den dringenden Appell an Sie, Frau Ministerin, und an Ihre Regierungskollegen hier richten: Wir brau­chen auch eine Zusammenarbeit nicht nur bei den Ermittlungsbehörden – die tüchtig sind, die erstklassige Ergebnisse erreichen –, sondern sozusagen auch im Nachlauf, was den Strafvollzug betrifft. Ich sage es hier zum wiederholten Male: Die österrei­chische Justizwache steht mit dem Rücken zur Wand. Sie kennen das, ich glaube, da sind wir uns alle einig! Wir brauchen da dringend Abhilfe, und ich ersuche Sie wirklich: Schauen wir, dass wir auf europäischer Ebene gemeinsam auch etwas zusammen­bringen!

In diesem Sinne wünsche ich allen einen sicheren Nachhauseweg und eine gute Nacht! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

22.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesminis­terin Mag. Miklautsch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


22.48.38

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! In Anbetracht der vorgeschritte­nen Zeit werde auch ich mich sehr kurz fassen und möchte nur ganz kurz auf Beiträge zum Stalking reagieren.

Mir ist es ganz wichtig, an dieser Stelle auch auszuführen und festzuhalten, dass auch ich als Justizministerin sehr froh darüber bin, dass es im Hohen Haus gelungen ist, eine Vier-Parteien-Einigung herbeizuführen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir in der Arbeitsgruppe, die im Bundesministerium für Justiz schon seit geraumer Zeit eingerich­tet ist, sehr gut darauf vorbereitet sind und die notwendigen legistischen Maßnahmen treffen, die notwendig sind, um wirklich aktiv ein Maßnahmenpaket zu schnüren, mit welchem wir auch tatsächlich gegen Stalking vorgehen können.

An Herrn Abgeordneten Pendl: Herzlichen Dank für das Lob an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Ich reiche das gerne weiter und werde das natürlich auch unterstützen. Ich teile auch Ihre Ansicht, dass es notwendig ist, in der Europäischen Union, aber auch mit den anderen Ländern gerade im Bereich des Strafvollzuges zusammenzu­arbeiten. Da ist es mir auch besonders wichtig, dass wir unser Modell des Strafvoll­zuges im Heimatstaat, das auch auf europäischer Ebene angedacht ist, gemeinsam weiter forcieren werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 



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22.50.00

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich denke, wir sollten sehr differenziert mit Kommentaren umgehen. Ich erinnere mich daran, dass Herr Präsident Fischer zur Kollegin Riener bei ihrem ersten Debattenbeitrag gesagt hat, er gibt ihr eine Eins.

Auch eine Benotung ist ein Beitrag, der vielleicht eines eigenen Kommentars bedurft hätte.

Thema Anti-Stalking. Ich möchte hier doch einige Kollegen ein bisschen aufklären, auch zu vorgeschrittener Stunde. „Wenn Liebe zum Terror wird“ – unter dieser Maß­gabe hat es eine große Befragungsaktion gegeben. Dabei sind Frauen mit Erfahrungen von Mobbing, die einer spezifischen Bedrängung und Terror ausgesetzt waren, in der Beantwortung von Fragebögen an die Öffentlichkeit getreten und haben gezeigt, was Frauen in unserer Gesellschaft offenbar an spezifischen Formen von Verfolgung, Ver­ängstigung und des Verletzens der Intim- und Privatsphäre erleiden müssen.

Natürlich ist Stalking ein Zeichen von Ohnmacht, ein Zeichen von Versagen von Män­nern. Das ist leider laut Statistik so. Ich freue mich darüber, dass es zum Beispiel im Wiener Gemeinderat einen Vier-Parteien-Antrag für bessere Maßnahmen gegeben hat, um dieses Phänomen zu bewältigen, um Frauen vor diesem Terror – und das ist eine spezifische Form von Terror – zu schützen.

Ich glaube, der Entschließungsantrag sieht einige Möglichkeiten vor, die wir noch aus­arbeiten müssen. In dieser Hinsicht und unter dieser Maßgabe bin ich sehr froh, dass alle Fraktion diese spezifische Form der Verfolgung verurteilen – und wir wahrschein­lich noch sehr auf der Hut sein müssen, welche Formen diese Verfolgung annehmen kann.

Wir sind gewappnet. Ich bin sehr froh darüber, dass es diese Vier-Parteien-Entschlie­ßung gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Parnigoni. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.52.06

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Da­men und Herren! Wir haben gestern das Europol-Übereinkommen, den Vertrag dazu, mit dem Hintergedanken beschlossen, internationale Kriminalität effektiver bekämpfen zu können.

Heute geht es bei diesem Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland vor allem darum, dass dort, wo die Binnengrenze nicht mehr kontrolliert wird, wo es keinen Grenzübergang mehr gibt, der kontrolliert wird, eine engere Kooperation von Justiz und Polizei, also der Sicherheitsbehörden möglich gemacht wird. Das ist Inhalt dieses Ver­trages, der so weit geht, dass auch die so genannte Nacheile möglich wird, das heißt, dass Kriminelle grenzüberschreitend verfolgt werden können.

Ich halte das für ein wichtiges Übereinkommen. Die Sozialdemokraten werden dazu ihre Zustimmung geben.

Die Rede des Kollegen Miedl war alles andere als ein Höhepunkt. Meine Damen und Herren von der ÖVP, dem BZÖ und den Blauen: Hochmut kommt vor dem Fall! Das schreiben Sie sich hinter die Ohren! (Beifall bei der SPÖ.)

22.53



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110. Sitzung / Seite 266

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Franz. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.53.00

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Angesichts der späten Stunde möchte ich mich kurz fassen. Auch ich freue mich über dieses Gesetz gegen Stalking, weil vor allem Frauen davon betroffen sind.

Ich möchte Ihnen noch einen angenehmen Sitzungsausklang wünschen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gab­riela Moser.)

22.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Wunschredezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.53.49

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist auch uns ein Gesetz gegen Stalking ein sehr großes Anliegen. Wir sind uns dieser Problematik sehr wohl bewusst. Dass das nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, hat ja die Enquete zum Interna­tionalen Frauentag, die wir hier in diesem Hause veranstaltet haben, gezeigt. Gemein­sam mit der Wiener Stadträtin Sonja Wehsely hatten wir hier eine sehr interessante Veranstaltung.

Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie wissen sehr genau, warum der Vier-Parteien-Antrag erst jetzt zustande gekommen ist: Nicht weil wir nicht wollten, sondern das war ganz einfach aus legistischen Gründen. Es ist wichtig, dass das Gesetz in den richtigen Bereichen verankert wird, damit es dann auch hält.

Ich bin froh darüber – die Frau Justizministerin hat gerade gesagt, dass sie dieses Thema ernst nimmt –, dass Arbeitsgruppen hiezu tagen, damit das auch wirklich ein gutes Gesetz wird, mit dem effektiv dem Psychoterror gegen Frauen entgegengewirkt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter beziehungsweise die Berichterstatterin ein Schluss­wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefah­renabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten in 816 der Beilagen die Genehmi­gung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Vertrag mit der Republik Kroatien über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Straf­sachen in der Fassung des Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über


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die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung in 842 der Bei­lagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 878 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 111.)

22.56.4834. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 588/A der Abge­ordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Herbert Scheibner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) geändert wird (881 d.B.) (Dritte Lesung)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zum 34. Punkt der Tagesordnung.

Da der vorliegende Gesetzentwurf bereits in zweiter Lesung angenommen wurde, kommen wir sogleich zur dritten Lesung.

Ich lasse nun abstimmen über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 881 der Beilagen.

Das Bundesgesetz betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates kann nach Artikel 30 Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes nur bei Anwesenheit von min­destens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgege­benen Stimmen geändert werden.

Somit stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfas­sungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf in dritter Le­sung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Somit ist der vorliegende Gesetzentwurf auch in dritter Lesung einstimmig angenom­men.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweitdrittelmehrheit fest.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.58.00Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 609/A bis 634/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3025/J bis 3055/J eingelangt.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.58 Uhr ein, das ist im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.58.49Schluss der Sitzung: 22.58 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien