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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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817. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 7. Februar 2013

 

 


Stenographisches Protokoll

817. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 7. Februar 2013

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 7. Februar 2013: 9.01 – 18.28 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die Einrichtung eines Sicherheitskontrollsystems, die Sicherung von Kernmaterial und Anlagen und über die Ausfuhrkontrolle zur Gewähr­leistung der friedlichen Verwendung der Atomenergie (Sicherheitskontrollgesetz 2013 – SKG 2013)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Außenwirtschaftsgesetz 2011 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz über Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Energiever­sorgung (Energielenkungsgesetz 2012 – EnLG 2012)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren der Ver­wal­tungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) und ein Bundesgesetz betref­fend den Übergang zur zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichts­bar­keits-Übergangsgesetz) erlassen und das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­ver­fahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Ver­wal­tungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz, das Zustellgesetz, das Finanzstrafgesetz, die Exekutionsordnung, das Bundesministeriengesetz 1986, das Amtshaftungsgesetz, das Organhaftpflichtgesetz und das Bundesgesetzblattgesetz geändert werden (Verwal­tungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte erlassen und das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

6. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (25. StVO-Novelle)

8. Punkt: Bundesgesetz über die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßen­verkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (IVS-Gesetz – IVS-G)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG und das Kraftfahrliniengesetz – KflG geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (31. KFG-Novelle) und das Führerscheingesetz (15. FSG-Novelle) geändert werden

12. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2011, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

13. Punkt: Dritter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird

15. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirt­schaft 2011 (Grüner Bericht 2012)

16. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2013 gemäß § 9 LWG 1992

17. Punkt: Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Gasölen für nicht auf See befindliche Binnenschiffe und Sportboote sowie für mobile Maschinen und Geräte

18. Punkt: Bericht gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umwelt­ver­träglichkeitsprüfung in Österreich (5. UVP-Bericht)

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 49

19. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Mag. Susanne Kurz, Monika Mühlwerth, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ (192/A-BR/2013)

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Edgar Mayer ...................................................... 10

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen ......... 37

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Benennung eines stellvertretenden Mitgliedes des Verwal­tungsrates der Europäischen Investitionsbank                       38


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 3

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitgliedes in den Aus­schuss der Regionen ......... 39

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Nominierung eines Mitgliedes des Gerichts der Europäischen Union ........................... 42

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Re­publik Brasilien über die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissen­schaft und Kultur durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................................... 44

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über das Protokoll Nr. 16 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................................... 46

Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Mag. Susanne Kurz, Monika Mühlwerth, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 192/A-BR/2013 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Aus­schuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme             49, 49

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Ordnungsruf ................................................................................................................. 137

Fragestunde (160.)

Wirtschaft, Familie und Jugend .................................................................................. 13

Mag. Bettina Rausch (1815/M-BR/2013); Ana Blatnik, Hermann Brückl, Marco Schreuder

Inge Posch-Gruska (1818/M-BR/2013); Georg Keuschnigg, Johann Ertl

Mag. Reinhard Pisec, BA (1821/M-BR/2013); Karl Petritz, Stefan Schennach, Efgani Dönmez, PMM

Dr. Angelika Winzig (1816/M-BR/2013); Adelheid Ebner, Cornelia Michalke

Johann Schweigkofler (1819/M-BR/2013); Martin Preineder, Hermann Brückl

Elisabeth Kerschbaum (1822/M-BR/2013); Mag. Josef Taucher, Kurt Strohmayer-Dangl, Gerd Krusche

Gottfried Kneifel (1817/M-BR/2013); Johanna Köberl, Hans-Jörg Jenewein

Mag. Gerald Klug (1820/M-BR/2013); Franz Wenger, Gerd Krusche, Elisabeth Kerschbaum

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 47


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 4

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 49

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 48

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Inneres betreffend Demonstrationen rund um den ersten Wiener Akademikerball (2938/J-BR/2013)                     132

Begründung: Hans-Jörg Jenewein ............................................................................ 132

Staatssekretär Sebastian Kurz ................................................................................. 137

Debatte:

Gerd Krusche ....................................................................................................  141, 148

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 143

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 144

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 147

Hans-Jörg Jenewein (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 148

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bun­desgesetz über die Einrichtung eines Sicherheitskontrollsystems, die Sicherung von Kernmaterial und Anlagen und über die Ausfuhrkontrolle zur Gewährleistung der friedlichen Verwendung der Atomenergie (Sicherheitskontrollgesetz 2013 – SKG 2013) (1937 d.B. und 2065 d.B. sowie 8888/BR d.B.)                   50

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 50

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Außenwirtschaftsgesetz 2011 geändert wird (2140/A und 2068 d.B. sowie 8889/BR d.B.)                          50

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 50

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 51

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ..... 52

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 53

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 54

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................... ..... 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 58

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 5

(Energielenkungsgesetz 2012 – EnLG 2012) (1962 d.B. und 2066 d.B. sowie 8883/BR d.B. und 8890/BR d.B.) ................................ 59

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ........................................................................ 59

Redner/Rednerinnen:

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 59

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 60

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ..... 63

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................... ..... 64

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................................... 65

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungs­gerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) und ein Bundesgesetz betref­fend den Übergang zur zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungs­gerichtsbarkeits-Übergangsgesetz) erlassen und das Verwaltungsgerichts­hof­gesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungs­verfah­rens­­gesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvoll­streckungs­gesetz 1991, das EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz, das Zustellgesetz, das Finanzstrafgesetz, die Exekutionsordnung, das Bundesministerien­ge­setz 1986, das Amtshaftungsgesetz, das Organhaftpflichtgesetz und das Bun­des­­gesetzblattgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausfüh­rungs­gesetz 2013) (2009 d.B. und 2112 d.B. sowie 8882/BR d.B. und 8891/BR d.B.)                     66

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 66

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 66

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 69

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 71

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 72

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 73

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 76

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte erlassen und das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (2110 d.B. und 2118 d.B. sowie 8884/BR d.B. und 8897/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 76

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 76

6. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011 (III-471-BR/2012 d.B. sowie 8898/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 76

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 76

Redner/Rednerinnen:

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 76

Josef Steinkogler .................................................................................................... ..... 78


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 6

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 78

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 80

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, den Bericht III-471-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 82

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (25. StVO-Novelle) (2109 d.B. und 2119 d.B. sowie 8899/BR d.B.) ................................................................................................................. 83

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 83

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 83

Michael Lampel ....................................................................................................... ..... 84

Christoph Kainz ...................................................................................................... ..... 86

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 87

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 89

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ........................................................... 92

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßen­verkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (IVS-Gesetz – IVS-G) (1799 d.B. und 2122 d.B. sowie 8900/BR d.B.) ................................. 92

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ...................................................................... 93

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (2108 d.B. und 2123 d.B. sowie 8885/BR d.B. und 8901/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 92

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ...................................................................... 93

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG, das Gele­genheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG und das Kraftfahrliniengesetz – KflG geändert werden (1986 d.B. und 2124 d.B. sowie 8886/BR d.B. und 8902/BR d.B.) ................................................................................................................. 92

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ...................................................................... 93

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (31. KFG-Novelle) und das Führerscheingesetz (15. FSG-Novelle) geändert werden (1985 d.B., 2089/A, 1683/A und 2125 d.B. sowie 8887/BR d.B. und 8903/BR d.B.) .........              93

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ...................................................................... 93


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 7

12. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2011, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-472-BR/2012 d.B. sowie 8904/BR d.B.) ....... 93

Berichterstatter: Ing. Maurice Androsch ...................................................................... 93

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 94

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 95

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 97

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ..... 98

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 99

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ... 100

Franz Wenger .......................................................................................................... ... 102

Anneliese Junker .................................................................................................... ... 103

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, den Bericht III-472-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 107

13. Punkt: Dritter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-468-BR/2012 d.B. sowie 8905/BR d.B.) ..... 108

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 108

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ... 108

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 109

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-468-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 111

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird (2151/A und 2127 d.B. sowie 8894/BR d.B.)                            111

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch .................................................................... 111

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 111

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 113

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 113

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 115

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied ............................................................... ... 116


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 118

15. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forst­wirtschaft 2011 (Grüner Bericht 2012) (III-473-BR/2012 d.B. sowie 8892/BR d.B.) .......................................... 118

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 118

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 118

Friedrich Reisinger ................................................................................................. ... 120

Robert Zehentner .................................................................................................... ... 122

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 124

Friedrich Hensler .................................................................................................... ... 125

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 127

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 129

Georg Keuschnigg ............................................................................................  131, 149

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 150

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-473-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 154

16. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2013 gemäß § 9 LWG 1992 (III-474-BR/2012 d.B. sowie 8893/BR d.B.) ............................ 154

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 154

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 155

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 157

Robert Zehentner .................................................................................................... ... 160

Walter Temmel ........................................................................................................ ... 161

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 162

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-474-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 164

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Gasölen für nicht auf See befindliche Binnenschiffe und Sportboote sowie für mobile Maschinen und Geräte (1993 d.B. und 2130 d.B. sowie 8895/BR d.B.) ..................... 164

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner......................................................................... 165

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 165

18. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Um­weltverträglichkeitsprüfung in Österreich (5. UVP-Bericht) (III-466-BR/2012 d.B. sowie 8896/BR d.B.) ....................................................................... 165

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner......................................................................... 165

Redner/Rednerinnen:

Kurt Strohmayer-Dangl .......................................................................................... ... 166

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ... 167

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 168


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 9

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 170

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-466-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 171

19. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Mag. Susanne Kurz, Monika Mühlwerth, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ (192/A-BR/2013)                         171

Annahme des Selbständigen Antrages 192/A-BR/2013 .............................................. 172

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Edgar Mayer, Mag. Susanne Kurz, Monika Mühlwerth, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ (192/A-BR/2013)

Anfragen der Bundesräte

Mag. Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Einführung eines österreichweiten Studenten-Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel (2937/J-BR/2013)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Demonstration rund um den ersten Wiener Akademikerball (2938/J-BR/2013)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Efgani Dönmez, PPM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erschwer­nisse im ausführenden Betriebsdienst bis hin zu Sicherheitsrisiken durch Elemente der derzeitigen ÖBB-Struktur (2716/AB-BR/2012 zu 2928/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Efgani Dönmez, PPM, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtan­rechnung von Vordienstzeiten in der ÖBB (2717/AB-BR/2012 zu 2929/J-BR/2012)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Qualität des (nieder‑)österreichi­schen Trinkwassers (2718/AB-BR/2013 zu 2934/J-BR/2012)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­desräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Seveso“-Betriebe in Österreich (2719/AB-BR/2013 zu 2933/J-BR/2012)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend: ORF-Journalist als KP-Agent mit österreichischen Steurgeldern bezahlt (2720/AB-BR/2013 zu 2935/J-BR/2012)


 


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 10

09.01.58 Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Edgar Mayer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 817. Sit­zung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 816. Sitzung des Bundesrates vom 20. Dezember 2012 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Monika Kemperle, Monika Mühlwerth, Josef Saller und Sonja Zwazl.

09.02.24Antrittsansprache des Präsidenten

 


09.02.27

Präsident Edgar Mayer: Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesratssaal, an den Bildschirmen und am Livestream im Internet! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Klubobmann Karlheinz Kopf, einen schönen guten Morgen! Herzlich willkommen! (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Vorarlberg hat im Jänner zum insgesamt 18. Mal den Vorsitz im Bundesrat über­nommen. Weil in unserem Land Zusammenarbeit und Zusammenhalt einen hohen Stellenwert besitzen, haben Landeshauptmann Markus Wallner und ich als Motto für diese Präsidentschaft und für den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz das Motto „Gemeinsam Verantwortung tragen“ gewählt. Gemeinsam mit euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich in den nächsten fünf Monaten etwas für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes voranbringen.

Als ich im Oktober 2004 im Bundesrat angelobt wurde, hätte ich mir nie träumen lassen, einmal Präsident der Länderkammer sein zu dürfen. Mein alemannischer Vor­gänger in diesem Amt, Minister a.D. Jürgen Weiss, ein guter Freund und politisches Vorbild für mich, hat diese Aufgabe insgesamt vier Mal mit großem Erfolg ausgeführt. So gut man vor dem Arlberg auch leben mag, so sagt mir meine biologische Uhr, dass ich das bei aller Vitalität nicht schaffen werde. (Heiterkeit.)

Viele Präsidentinnen und Präsidenten vor mir haben bei ihren Antrittsreden immer wieder von dringend verfassungsrechtlichen Reformen des Bundesrates gesprochen und diesbezügliche Forderungen aufgestellt. Was wir erreicht haben ist eine sehr gut gelungene Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates sowie unsere Gesetzes­initiative für Gemeindekooperationen und länderübergreifende Gemeindeverbände während der Präsidentschaft von Gottfried Kneifel.

Die viel diskutierte Reform und Aufwertung des Bundesrates hat aber durch die bei­spielgebende Initiative meines Amtsvorgängers Georg Keuschnigg einen neuen Drive, wenn man es Neudeutsch sagen will, erhalten. Präsident Keuschnigg hat es mit einer bundesrätlichen Pilgerfahrt durch die Länder geschafft, ein Reformpapier zu finali­sieren, das zuerst von allen Landtagspräsidenten und dann auch von den Landes­hauptleuten unterzeichnet wurde.

Lieber Präsident Georg Keuschnigg! Ich darf dir im Namen des Bundesrates zu deiner Präsidentschaft gratulieren und dir insbesondere für deinen richtungsweisenden Einsatz zur Aufwertung des Bundesrates Lob und Anerkennung aussprechen. Cha­peau! (Allgemeiner Beifall.)

„Chapeau“, wie man in Frankreich sagt. Du hast uns, insbesondere mir, auch viele Reisekilometer vorweggenommen oder, Alemannisch gesagt: gespart.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 11

Die Eckpunkte der Reformvereinbarung, die, wie gesagt, von den Landeshauptleuten unterzeichnet wurde, darf ich nochmals – damit dies auch seinen Eingang in ein Parlamentsprotokoll findet – in Erinnerung rufen: verstärktes Mitwirkungsrecht des Bun­desrates bei Bundesgesetzen, die die Interessen der Länder, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht berühren; allgemeines Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Verfassungsänderungen; sinnvolle Reduktion der Verhandlungsgegenstände des Bun­desrates; Einrichtung eines funktionierenden Vermittlungsverfahrens zwischen Na­tional­rat und Bundesrat, das eine Kompromissfindung erleichtert; frühzeitige Befassung des Bundesrates mit Gesetzesvorschlägen samt Stellungnahmerecht; Verwirklichung eines Teileinspruchsrechtes: bei der Bestellung von gemeinsamen Organen der Län­der und des Bundes ist dem Bundesrat die gleiche Stellung einzuräumen wie dem Nationalrat.

Der Bundesrat sollte auch die Möglichkeit haben, redaktionelle Fehler eines Gesetzes­beschlusses des Nationalrates zu korrigieren, ohne durch Erhebung eines Einspruches das Inkrafttreten des Gesetzes zu verzögern. – Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist überaus ambitioniert und bedarf daher weiterer Verhandlungen mit den zuständigen Gremien des Nationalrates.

Es ist mir ein aufrichtiges Anliegen, diesen Prozess weiterzuführen und nach Mög­lichkeit noch in dieser Legislaturperiode des Nationalrates in einen Gesetzestext einfließen zu lassen, der dann logischerweise auch über den Bundesrat eingebracht werden kann. Damit hätte sich die ständige Diskussion über eine Abschaffung des Bundesrates endlich erledigt. Dieses fortwährende Infragestellen verfassungsrechtlich eingerichteter Institutionen ist – das muss man auch einmal aussprechen – eine österreichische Unkultur, die es in keinem anderen Land in Europa gibt. Ständig fühlt sich jemand berufen, die Demokratie umzuschreiben und die Abschaffung zum Bei­spiel des Bundespräsidenten, des Bundesrates, der Landtage oder die Verkleine­rung des Nationalrates zu fordern. Wir sollten damit endlich Schluss machen. (Allge­meiner Beifall.)

Die Länder haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Zweite Republik neu gegründet. Die Länder sind über das bundesstaatliche Prinzip ein Eckpfeiler der Demokratie in Öster­reich. Und der Bundesrat, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll eine starke Stimme der Länder in Wien sein. Geben wir ihm mehr Rechte, werten wir ihn auf, damit die Stimmen der Länder hier im Hohen Haus künftig noch besser gehört werden! (Allgemeiner Beifall.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den nächsten Wochen und Monaten werden in Österreich vier Landtagswahlen stattfinden. Dadurch wird sich auch die Zusammensetzung des Bundesrates stark verändern. Zusammen mit Vizepräsidentin Susanne Kurz und Vizepräsident Harry Himmer und den Fraktionsobleuten werde ich mich dann bemühen, die neuen Kolleginnen und Kollegen in unsere Gemeinschaft einzubinden. Unsere neuen Bundesrätinnen und Bundesräte werden dann vor wichtigen Beratungen stehen, wie etwa der vieldiskutierten Steuer­autonomie der Länder. Zu der aktuell geführten Debatte um die Steuerautonomie ist mir als Föderalist – und die Vorarlberger gelten ja sozusagen als Hüter des Föde­ralismus – aber an einer echten Steuerhoheit gelegen. Da kann es nicht nur zur Verländerung der Grundsteuer kommen, sondern da müssen dann auch logischer­weise Massensteuern wie die Einkommen- oder Körperschaftsteuer dabei sein.

Weiters muss natürlich auch der Finanzausgleich unter den Ländern neu definiert werden, denn die wirtschaftlich schwächeren Länder werden dann massiv an Einnah­men verlieren. Vorarlberg als sogenanntes Nettozahlerland mit hoher Wirtschaftskraft und effizienter und sparsamer Verwaltung hat bereits klare Signale in diese Richtung gesendet.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 12

Ich möchte diesbezüglich noch einmal das Motto dieser Präsidentschaft in Erinnerung rufen: „Gemeinsam Verantwortung tragen“. Das gilt gerade auch beim Finanz­ausgleich, aber das gilt auch für die vielen Bürgerinnen und Bürger, die außerhalb eines politischen Mandates für unsere Gesellschaft tätig sind, wie etwa die vielen ehrenamtlich Tätigen. Die ehrenamtlich Tätigen werden auch ein Schwerpunkt des Vorarlberger Vorsitzes sein. Nicht nur in Vorarlberg, sondern auch hier in Wien soll in einem Hearing das Ehrenamt, das in Österreich so hoch entwickelt ist wie in keinem anderen europäischen Land, unter besonderer Würdigung des Feuerwehrwesens, auch des internationalen Feuerwehrwesens, beleuchtet werden.

In einer Enquete im April wird sich der Bundesrat mit den Herausforderungen der direkten Demokratie und mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Län­dern und Gemeinden auseinandersetzen. Dabei soll auch das neue Modell der Vor­arlberger Bürgerräte und die derzeit aktuelle Demokratiereform des Bundes mit in die Beratungen einbezogen werden. Internationale Referenten und hoch angesehene ProfessorInnen aus unserem Land werden dabei zu Wort kommen.

Als Vorsitzender des EU-Ausschusses des Bundesrates werde ich einen weiteren Schwerpunkt in der Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden der EU-Ausschüsse der Bundesländer setzen. Der Bundesrat definiert sich in EU-Agenden zu einem großen Teil auch über die Subsidiaritätsprüfungen im Rahmen der EU-Gesetzgebung. Der Lissabon-Vertrag hat den Nationalstaaten ja ein weit größeres Mitspracherecht eingeräumt als früher. Diese Möglichkeit wird vom Bundesrat intensiv, auch in einer inzwischen in Europa anerkannten Art und Weise, genutzt.

So hat der EU-Ausschuss im letzten Jahr allein drei begründete Stellungnahmen und elf sogenannte Mitteilungen zu EU-Verordnungen oder EU-Richtlinien nach Brüssel geschickt, um konstruktive Änderungsvorschläge oder berechtigte Kritik anzubringen.

An dieser Stelle darf ich den Kolleginnen und Kollegen des EU-Ausschusses, insbesondere auch meinem Stellvertreter, Bundesrat Professor Stefan Schennach, herzlich danken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich möchte die Erfolgsgeschichte EU-Ausschuss/Subsidiaritätsprüfungen kurz betref­fend das derzeit heiß diskutierte Thema EU-Konzessionsrichtlinie und damit verbunden die „Privatisierung“ – unter Anführungszeichen – der Wasserversorgung beleuchten. Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat, lange bevor in einem österreichischen Medium eine Diskussion darüber geführt wurde, die Brisanz dieser Thematik insge­samt gesehen und im Rahmen der achtwöchigen Prüfungsfrist erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Bereits am 1. Februar 2012 haben wir mit einer begründeten Stellungnahme darauf geantwortet und uns klar gegen die Privatisierungsbestrebungen bei der Wasser­versorgung ausgesprochen. Im Oktober 2012 hat der EU-Ausschuss des Bundesrates, bedingt auch durch eine nicht nachvollziehbare Antwort der EU-Kommission, erneut mit einer sogenannten Mitteilung seine Bedenken geäußert und verstärkt.

Im Dezember 2012 hat schlussendlich der Bundesrat in einer Plenardebatte mit einem Entschließungsantrag die österreichische Bundesregierung aufgefordert, sich auf europäischer Ebene weiterhin intensiv gegen eine Liberalisierung oder Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung auszusprechen. Das nenne ich eine sinnvolle und qualitätsvolle Behandlung eines wichtigen Themas zum Wohle der österreichi­schen Bevölkerung. Und da sage ich mit aller alemannischen Zurückhaltung: Danke, lieber Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Zugegeben: Die Diskussion zu diesem wichtigen Thema ist bereits überbordend. Des­halb abschließend zu diesem Thema eine einfache Botschaft aus Österreich: Liebe


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 13

Verantwortliche in der EU, Hände weg von der Daseinsvorsorge, Hände weg von der Wasserversorgung! (Neuerlicher allgemeiner Beifall.)

Gerade aus dem Blickwinkel derartiger Diskussionen werden wir im Rahmen eines Europatages am 5. April im Plenum des Bundesrates neben Vizekanzler Außen­minister Michael Spindelegger auch den Präsidenten des Ausschusses der Regionen Ramón Luis Valcrcel Siso – dem Namen nach nicht unbedingt ein Vorarlberger (Heiterkeit) – als unseren Gast begrüßen dürfen, um mit ihm aktuelle EU-Themen zu diskutieren. Ich freue mich mit der Präsidiale und den Fraktionen des Bundesrates darüber, dass uns diese Einladung gelungen ist.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren, John F. Kennedy hat einmal gesagt:

„All das, was wir uns vornehmen müssen, wird nicht in den ersten Tagen vollendet werden, ja vielleicht nicht einmal zu unseren Lebenszeiten; doch lasst uns beginnen.“

In diesem Sinne ersuche ich um gute Zusammenarbeit und um Unterstützung für eine gemeinsame gute Beratung für die verbleibenden fünf Monate Vorarlberger Präsi­dentschaft unter dem Motto „Gemeinsam Verantwortung tragen“. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall sowie Beifall von Bundesminister Dr. Mitterlehner.)

9.14

09.15.14Fragestunde

 


Präsident Edgar Mayer: Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Ich darf Herrn Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner herzlich begrüßen und danke ihm dafür, dass er meiner Rede so aufmerksam zugehört hat. Danke, Herr Minister! (Allgemeiner Beifall.)

Bevor ich jetzt – um 9.15 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

 


Präsident Edgar Mayer: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1815/M, an den Bun­desminister für Wirtschaft, Familie und Jugend.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mag. Rausch, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das System der österreichischen Familienbeihilfe ist ja, wenn man so will, in die Jahre gekommen. Es gibt einige Wünsche und Vorschläge, dieses zu verän­dern. Und so haben Sie vor Kurzem einen sehr umfassenden Vorschlag gemacht, wie man die Familienförderung in Österreich verbessern kann.

Meine Frage lautet daher:

1815/M-BR/2013

„Welche Vorteile bietet Ihr neues Fördermodell für Österreichs Familien?“

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 14

Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Herr Präsident, ich gratuliere zur Rede und wünsche gute und erfolgreiche Arbeit.

Damit zur Frage, die Sie gestellt haben: Wir haben ein Familienförderungssystem, das im Prinzip relativ unübersichtlich ist. Im Endeffekt haben wir derzeit sechs Elemente im System: vier Stufen altersbedingt, dann die Geschwisterstaffel, den Zuschlag für Kinder mit Beeinträchtigung, das Schulstartgeld, den Mehrkindzuschlag und den Kin­derabsetzbetrag.

Wer Kinder hat, braucht selber nur zu überprüfen, ob er weiß, was er an Familien­beihilfe bekommt. Die meisten, nehme ich an, werden das nicht wissen, und daher ist es unser Ziel, ein transparentes, besseres System zu haben. Wir haben ein Modell entwickelt, das wesentlich einfacher ist. Es schaut folgendermaßen aus: drei Elemente in drei Stufen mit 180 €, 200 € und 220 € – bis zehn Jahre, dann bis 19 Jahre und darüber hinaus. Und für Kinder mit Beeinträchtigung statt 138 € 150 € pro Monat.

Das ist eine bessere Information und übersichtliche Konstellation für alle Beteiligten, ermöglicht bessere Planbarkeit und bedeutet auch eine Erhöhung gegenüber dem bisherigen Modell. Jetzt werden Sie fragen: Können wir uns das leisten? – Wir können uns das leisten, weil sich die Beschäftigung besser entwickelt hat als prognostiziert und die Entschuldung des FLAF auf gutem Weg ist.

Natürlich müssen wir das auf diese Gegebenheiten ausrichten, daher wird das nicht von heute auf morgen erfolgen können, aber es könnte in den nächsten Jahren so weit sein, dass wir auch die Indexanpassung der Familienbeihilfe erreichen, was ja auch viele Familien wollen. Das werden wir auf der einen Seite mit dem Koalitionspartner und auf der anderen Seite mit dem Finanzministerium verhandeln.

Das würde für die Familien eine Erleichterung bedeuten; alle anderen Gruppen haben das abgesichert, Pensionisten, wer auch immer, nur Familien nicht. Dem entgegen­gestanden ist leider bis jetzt die Überschuldung des FLAF. Aber wir sind auf gutem Weg.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Was mich persönlich sehr freut, ist, dass in Ihrem Vorschlag auch vorgesehen ist, dass hinkünftig die Familienbeihilfe an Studierende beziehungsweise andere Volljährige in Ausbildung direkt ausbezahlt werden kann.

Meine Frage ist: Wie wird das konkret abgewickelt werden können?

Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Wir haben das schon in Begutachtung gehabt, die Direktauszahlung soll ab 1. September möglich sein. Das ist der erste Schritt in Richtung eines anderen Verantwort­lich­keitsgefühls. Gerade der Student hat damit die Mittel dann selbst zur Verfügung, braucht nicht mit den Eltern in Kontakt oder teilweise auch in Verhandlungen zu treten – das ist in verschiedenen Familien unterschiedlich geregelt.

Das ist ein Schritt in die Richtung, das System dort umzustellen, eventuell auch, was Stipendien anbelangt. Das ist aber noch ein weiter Weg, weil damit auch Unterhalts- und Steuerfragen tangiert werden. Und mit dem ersten Schritt, der ab 1. September erfolgt, gehen wir einen relativ einfachen Weg. Es genügt die Bestätigung der Eltern, dann die Meldung an das Finanzamt, und damit wird die Direktauszahlung erfolgen.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Blatnik.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 15

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister! Derzeit profitieren zwei Drittel aller Kinder nicht von den Steuerbegünstigungen für Familien, einerseits, weil ihre Eltern zu wenig verdienen, andererseits aber, weil sie nicht informiert werden. Sie haben schon gesagt, dass es eine bessere Information geben wird. Aber wie werden Sie bewirken, dass Kinder jener Eltern, die zu wenig verdienen, von dieser neuen Art und von diesem neuen Modell profitieren können?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Das ist eine Frage der steuerlichen Konstellation, die mit dem Finanzministerium zu verhandeln ist. Wenn die nächsten Reformschritte in diesem Bereich getätigt werden, wird auch dieses Thema erörtert werden.

Wir haben ja – Sie haben es angesprochen – verschiedene Informationsmöglichkeiten angeboten. Darüber hinaus könnte man auch den Betreuungszeitpunkt verändern. Das ist einer der offenen Punkte, wie auch die Frage, ob es andere Möglichkeiten gibt, die aber im Gesamtkomplex mit der Steuerreform zu absolvieren und zu verhandeln sind.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Verehrter Herr Bundesminister, Sie haben den Familienlastenausgleichsfonds angesprochen, der, wie wir wissen, mit zirka 3,7 bis 3,8 Milliarden € überschuldet ist, und gesagt, die Entschuldung sei auf einem guten Weg.

Mit welchen Maßnahmen soll diese Sanierung erreicht werden?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Die Sanierung des FLAF hat zwei Komponenten.

Die eine Komponente ist die Beschäftigungsentwicklung, die sehr positiv verläuft. Wir haben im letzten Jahr, trotz leicht steigender Arbeitslosigkeit, eine Rekordbe­schäfti­gung von über 3,5 Millionen Beschäftigten erzielen können.

Auf der anderen Seite haben wir vor zweieinhalb Jahren diese schmerzhaften Maß­nahmen, was Familienbeihilfen für Studenten anbelangt, eingeleitet und damit eine entsprechend dämpfende Wirkung erzielt. Ebenso haben wir die 13. Familienbeihilfe geändert, die, kurzfristig eingeführt, relativ hohe Kosten von über 200 Millionen € pro Jahr verursacht hat, jetzt aber adaptiert wurde und zu einer Art Schulstartgeld gewor­den ist.

Diese Maßnahmen auf der Ausgabenseite und die verbesserte Einnahmensituation werden dazu führen, dass der FLAF im Jahr 2018 entschuldet ist, wenn sich keine zusätzliche wirtschaftliche oder finanzielle Problematik ergibt. Auf der anderen Seite ist damit eben auch der Spielraum für weitere Maßnahmen vorhanden.

Wenn wir das Ganze allerdings etwas zuwartend betrachten und die Entschuldung erst im Jahr 2019 hätten, könnten wir schon etwas früher Maßnahmen tätigen. Das ist genau der Punkt, den ich vorher bei der Familienbeihilfe erwähnt habe.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Minister, das Familienbild hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Familien schauen oft nicht mehr so aus, wie wir es gewöhnt sind. Gerade in der Familienförderung ist das eine große Heraus­forderung, weil ja das Gesetz durchaus auch Familien definiert. Wir haben sehr viele Diskussionen über Patchwork-Familien, Regenbogenfamilien und dergleichen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 16

Meine Frage ist daher: Werden Sie als Familienminister persönlich dazu beitragen, dass Familien, die derzeit noch nicht im Gesetz anerkannt sind, wie zum Beispiel Regenbogenfamilien – also gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, wo Kinder zum Beispiel aus vorherigen Beziehungen mitgenommen worden sind –, auch anerkannt werden und solche Förderungsmaßnahmen bekommen können?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Was den Verantwortungsbereich in unserem Ressort betrifft, nehmen wir die Verän­derung der Gesellschaft auf und agieren auch dementsprechend. So haben wir beispielsweise das Top-Jugendticket angeboten, das genau die Lebenssituation der Jugendlichen widerspiegelt, weil viele eben nicht in der Konstellation „Vater, Mutter, Kinder“ leben, sondern in Patchwork-Familien oder anderen Konstellationen. Mit dieser Gegebenheit ist schon eine wesentliche Verbesserung eingetreten, die auch auf die Bundesländer ausgerollt wird.

Andere, vor allem rechtliche, Fragen betreffen das Justizministerium. Da gibt es einen laufenden Diskussionsprozess, der da und dort zu Veränderungen führen wird. Da ist aber unser Ressort nicht federführend.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nun zur 2.  Anfrage, 1818/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Posch-Gruska, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Minister!

Da ich aus einem Bundesland komme, in dem die Kinderbetreuung sehr, sehr gut ist, vor allem für die Über-Dreijährigen, möchte ich gerne wissen:

1818/M-BR/2013

„Durch welche konkreten Maßnahmen wollen Sie im Zuge des weiteren Ausbaus der Kinderbetreuung das Barcelona-Ziel von 33 Prozent bei den Unter-3-jährigen Kindern erreichen?“

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Wir haben ein Ausbauprogramm, das Sie ja im Wesentlichen kennen und auch ange­sprochen haben. Das bezieht sich auf drei Jahre. Es ist konkret richtig, dass wir bei den Über-Drei- bis Sechsjährigen die Quote des Barcelona-Ziels in ganz Österreich schon übererfüllen – das ist sehr erfreulich –, dass wir aber unterabgedeckt sind, was die Null- bis Dreijährigen ganz konkret anbelangt.

Wir haben jetzt eine laufende Artikel-15a-Vereinbarung, die vorsieht, dass wir uns bis zum Jahr 2014 auf 28 Prozent bewegen. Wir sind dabei relativ gut unterwegs und haben im Jahr 2011 schon wieder 6 000 neue Plätze schaffen können. Die Dynamik ist zunehmend. Daher rechne ich damit, dass wir im Jahr 2016 das Barcelona-Ziel in diesem Bereich endgültig erreichen können.

Sie wissen ja, das hängt auch mit Qualitätskriterien zusammen. Wenn wir besonders rasch ausbauen, dann fehlt uns im Bereich der Betreuungsqualität – was die Betreue­rinnen anbelangt, was die Gruppengrößen anbelangt, was die Ferienzeiten betrifft – der entsprechende Hintergrund und die Möglichkeit, entsprechend anzupassen. Des-


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 17

wegen ist das eben ein Prozess, der Schritt für Schritt erfolgt, in den letzten Jahren aber sehr dynamisch eingeleitet worden ist.

 


Präsident Edgar Mayer: Frau Kollegin, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Aus welchen Gründen gibt es immer noch keine bundeseinheitlichen Qualitätskriterien? Sie haben jetzt einige ange­sprochen, aber diese einheitlichen Qualitätskriterien für die Kinderbetreuung gibt es nach wie vor nicht. Welche Gründe gibt es dafür?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Das sind vor allem Kostenfragen, die eben den Hintergrund haben, dass wir in den letzten Jahren sehr rasch ausgebaut haben, was das Betreuungsangebot und auch Tagesmütter und Tagesväter insgesamt anbelangt. Wenn ich aber quantitativ ausbaue, fehlen mir auf der anderen Seite einerseits die Pädagoginnen, andererseits die Hilfs­kräfte. Dabei haben wir das Problem, dass wir in den Bundesländern unter­schiedliche Standards haben. Manche Bundesländer haben beispielsweise die Hilfs­kräfte im Nachhinein in entsprechenden Schulungen ausgebildet, manche im Vorhinein. Auch die Stundenanzahl differiert.

Manche Bundesländer, vor allem die etwas kleineren, haben, vor allem was den Betreuungsschlüssel und die Gruppengröße anbelangt, andere Konstellationen. Das zusammenzuführen erfordert vor allem eines, nämlich eine bestimmte Übergangszeit und vor allem Geld, denn: Betreuungsstandards sind nicht verhandelbar. Wenn es Empfehlungen von entsprechenden Experten gibt, kann ich nicht sagen, wir machen eine andere Gruppengröße, sondern die ist gegeben.

Auf diesem Weg werden wir uns schrittweise in die richtige Richtung bewegen. Aber ich nehme an, dass sich die nächste Vereinbarung, die wir mit den Ländern treffen werden, mit der Umsetzung der Qualitätsstandards befassen wird, weil wir dann auch entsprechend nachprüfbare Details brauchen und nicht nur eine Ankündigung der Länder.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Keuschnigg.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister, Sie konnten sich gestern mit den Bundesländern über das Kinder- und Jugendhilfegesetz einigen. Aus aktuellem Anlass darf ich Sie vielleicht bitten, einige Sätze zu den Ergebnissen zu sagen.

Meine eigentliche Frage aber ist, was Sie vom zweiten verpflichtenden Kindergarten­jahr halten.

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Vom zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr halte ich sehr viel, aber nur in Richtung derjenigen, die noch nicht abgedeckt sind. Das heißt, keine Verpflichtung für alle, weil wir ohnedies eine Abdeckung von 96 Prozent haben. Es gibt also etwa 3 500 Per­sonen, die nicht abgedeckt sind. Da geht es vor allem darum, dass man jene mit sprachlichen Defiziten feststellt und für diese dann eine Verpflichtung einführt, weil dadurch natürlich die Integration wesentlich erleichtert wird. Das kostet nicht sehr viel, in etwa 3 Millionen €. Im Unterschied dazu würde ein verpflichtendes Kindergartenjahr, das wir vom Bund zahlen würden, etwa 70 Millionen € kosten. Auf diesem Weg sind wir auch in Gesprächen und hoffen, das bei der nächsten Vereinbarung auch erledigen zu können.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 18

Was die andere Frage, betreffend das Kinder- und Jugendhilfegesetz, anbelangt, gibt es seit mehreren Tagen eine Einigung, die gestern über ein Bundesland in die Zeitungen gekommen ist – dagegen ist nichts einzuwenden.

Der Hintergrund ist der, dass über dieses Thema relativ lange verhandelt worden ist. Warum? – Weil dahinter auch ein finanzielles Problem gestanden ist.

Wir haben die Situation gehabt, dass einzelne Bundesländer, in denen bestimmte Fälle entstanden sind – Sie erinnern sich an Luca, Cain und andere –, das Problem gehabt haben, dass die entsprechende Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft auf sich alleine gestellt überfordert war und zur Familie möglicherweise – Nahebeziehung ist das falsche Wort, aber eine Fehleinschätzung in Richtung der Familie vorgenommen hat. Daher war die Idee des neuen Gesetzes ein Vier-Augen-Prinzip, wenn es um die Gefährdungsabklärung und um die entsprechende Hilfeplanung geht. Warum? – Weil eben zwei Experten eine andere Einschätzung treffen als ein Experte, der vielleicht überfordert ist. Es wird sich in der Praxis die Diskussion dann darum drehen, dass hier drinnen steht: „erforderlichenfalls“.

Ich finde das Wort „erforderlichenfalls“ sehr begründet, weil ich nicht in jedem Fall, in dem die Jugendwohlfahrt eingeschaltet wird, sofort zwei Leute hinschicken kann.

In manchen Fällen ist es für einen einzelnen Mitarbeiter relativ einfach festzustellen, dass das Kind vernachlässigt ist – beispielsweise wenn beide Eltern vormittags berufs­tätig sind. In diesen Fällen wird das Einschreiten ohne Vier-Augen-Prinzip möglich sein. Wenn ich aber feststelle, der eine Elternteil sagt etwas und der andere etwas anderes, das Kind möglicherweise noch etwas anderes, oder es handelt sich um eine Risikogruppe, weil jemand vorbestraft ist oder dergleichen, dann ist in dem Zusam­menhang eben erforderlich, nach Checklisten das Vier-Augen-Prinzip zur Geltung zu bringen. Das gilt auch für die Hilfsplanung.

Darüber hinaus war ja auch – gerade in diesem Fall in Vorarlberg – eine Ursache des Problems, dass es keine Datenübertragungspflicht und keinen Informationsaustausch mit anderen Bundesländern gegeben hat, wenn jemand übersiedelt. All das ist jetzt hinsichtlich der Dokumentation, aber auch was das Handeln anbelangt, besser gere­gelt, genauso wie die Ausbildung.

Daher sehe ich in der jetzt erzielten Einigung einen wesentlichen Fortschritt. Ich bin sehr froh, dass das jetzt gelungen ist. Im Hintergrund stand die finanzielle Frage, wer die entstehenden Mehrkosten trägt. Diese decken nun über zwei Jahre wir durch unser Ministerium ab, dann übernimmt der Bund. Außerdem haben alle drei Länder, die den Konsultationsmechanismus bemüht haben, diesen zurückgezogen.

Es bleibt die Frage: Warum hat das so lange gedauert? – Das hat Gründe gehabt, die auch damit zusammenhängen, dass manche mit diesem Thema gerne auch andere Personalprobleme erledigt gehabt hätten, und das war eben in den jeweiligen Ländern nicht so einfach zu bewerkstelligen. Das ist der wahre Hintergrund gewesen. Jetzt ist das Thema jedenfalls auf wirklich sehr gutem Weg, und wir haben eine qualitative Verbesserung für alle Kinder und Jugendlichen erreicht, die uns weiterhelfen wird.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! In der Sozialpsychologie spricht man von sozialer Isolation, wenn Kinder, ganz speziell Kleinkinder, längerfristig von den Eltern oder dem Familienverband ferngehalten werden. Solche Zustände können schlimmstenfalls zu Entwicklungsstörungen führen, oft auch zu einem späteren Suchtverhalten. Sogar Sigmund Freud hat schon darüber geschrieben.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 19

Dazu meine Frage: Befürchten Sie nicht, dass die ganztägige Trennung von Eltern und Kindern im Vorschulalter schädliche Auswirkungen für die Kinder nach sich ziehen kann? (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bunderätin Posch-Gruska: Das ist ja die Höhe!)

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Kollege, es ist schön, dass Sie sogar Sigmund Freud bemühen. Ich glaube, er wäre nicht sehr erfreut, wenn er das mithören würde.

Ich kann Ihnen sagen, Sie haben hier schon vergessen: Es geht nicht um ein Ent­weder-oder der Kinderbetreuung, sondern es geht vor allem darum, das ergänzend zur Betreuung durch die Eltern und zur Wahrnehmung der Elternrechte zu machen. Das heißt, wenn eine Ganztagsbetreuung stattfindet, dann ist selbstverständlich der Tag nicht damit erschöpft, dass er irgendwann um 16, 17 Uhr endet, sondern dann sind die Eltern – genauso wie in der Früh oder in der Nacht – für die Kinder da, wie auch am Wochenende, in den Ferien, an Feiertagen und so weiter. Hier ist also eine ergän­zende Aktivität vorhanden, die zu keinerlei Störungen führen wird, sondern ganz im Gegenteil zur sozialen Integration und zur besseren Entwicklung der Kinder beitragen wird.

Es gibt Studien, die besagen, dass, je früher jemand zusätzlich zu den Eltern in ein Team integriert wird, desto bessere Bildungschancen hat er. Das trifft vor allem die sozial schwachen Bildungsschichten und nicht die gut ausgebildeten. Einfach ausge­drückt: Die Frau Soundso, die Zeitungsherausgeberin ist, wird kein Problem haben, wenn sie arbeitet, sechs oder sieben Betreuer für ihre Kinder zu finden. Gleiches gilt für alle Gutgestellten. Auf der anderen Seite wird die alleinerziehende Billa-Verkäuferin ein Problem haben, wenn ihre Kinder nachmittags nicht betreut zu Hause sitzen und sie arbeitet. Daher ist genau die Kinderbetreuung der Schritt, die Entwicklung der Kinder zu unterstützen und nicht zu behindern. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1821/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Kollegen Mag. Pisec, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Voraussetzung für eine funktionierende Volkswirtschaft ist auch ein funktionierender Kreditmarkt. Gerade hier zeigt sich, dass KMU-Betriebe zunehmend Schwierigkeiten haben, an Kredite heranzukommen – einerseits weil die Banken selbst Schwierigkeiten haben, andererseits weil die Banken die Bonitätsanfor­derungen an KMU-Betriebe erhöhen. Der günstigste Kredit, sprich die niedrigsten Zinsen, helfen nicht, wenn man keinen Finanzierungskredit bekommt. Im praktischen Leben, im Inter-Business-Handel, helfen sich die Firmen nun durch erstreckte Lieferan­tenkredite. Das heißt, es kommt zu Zahlungsverzögerungen; das heißt, es kommt zu verlängerten Zahlungszielen.

Meine Frage an Sie:

1821/M-BR/2013

„Unter welchen Bedingungen können Sie sich die Wiedereinführung einer Pauschal­abschreibung für offene Forderungen vorstellen, um KMU-Betrieben zu helfen?“

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, die Pauschalabschreibung, auch von Forderungen, ist ein antiquiertes


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 20

System und seit dem Jahr 1993 nicht mehr zulässig. All das, was wir in Richtung Pauschalierung entwickeln – nicht wir, sondern das Finanzministerium –, geht in Rich­tung entsprechender Ausgabenpauschalierungen. Da gibt es für die Gastronomie entsprechende Regelungen, die sich bewährt haben, die möglicherweise auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden.

Ich sage „möglicherweise“, weil natürlich ein Konflikt bei allen Pauschalierungen immer mitspielt: Sie müssen einerseits den Betrieben möglichst erleichtern, ihre technischen, buchhalterischen Abwicklungen vorzunehmen, andererseits soll aber jeder Unterneh­mer über seine Entwicklung, über den Erfolg des Unternehmens in jedem Punkt genau Bescheid wissen. Das führt zu einem Interessenstreit, denn im Endeffekt ist es so: Je bequemer das System zu sein scheint, desto mehr Fehler macht der Unternehmer möglicherweise, und desto schlechter kann er sie damit erkennen.

Daher haben Pauschalierungen ihre Grenzen, und ich sehe das, was jetzt verhandelt wird – was aber Zuständigkeit des Finanzministeriums ist –, als die einzige Möglichkeit. Alles andere haben wir schon gehabt, und es hat sich nicht bewährt.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Wenn sich Steuerstundungen als so problematisch darstellen, wie Sie das hier präzisieren, dann nehme ich an, dass Sie generell für Steuersenkungen beziehungsweise Abgabensenkungen nicht zu haben sind. Gehe ich richtig in dieser Annahme?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Das, was Sie mir da jetzt – ich sage einmal sehr salopp gesprochen – irgendwie unterstellen wollen, ist in einer pauschalierten Form falsch. Ich bin selbstverständlich für Steuersenkungen, nur müssen wir uns Steuersenkungen auch leisten können. Das heißt, die Wirtschaftsentwicklung und das Budget müssen entsprechend sein, dann können wir auch Steuersenkungen durchführen. Allerdings wäre es gerade jetzt, wo unsere Konjunktur nach oben geht, kontraproduktiv, mit einer Steuersenkung die Schuldenbasis möglicherweise zu erhöhen. Daher muss man dieses Thema sehr differenziert sehen, und ich kann da nicht einfach mit Ja oder Nein antworten.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Petritz.

 


Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Es wird oft behauptet, dass große Unternehmen zu viele Förderungen der Öster­reichischen Forschungsförderungsgesellschaft beziehen.

Meine Frage ist: Wie hoch ist der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen an den Förderungen der FFG?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Laut Statistik Austria sind 85,5 Prozent der forschenden Unternehmen in Österreich KMU. Das ergibt die F&E-Erhebung 2009. Im Zeitraum 2004 bis 2012 haben rund 7 500 Unternehmen eine Förderung der FFG erhalten, davon 6 400 KMU. Das heißt also, 85 Prozent, wie angesprochen, aller Unternehmen, die Förderungen erhalten, kommen aus dem klein- und mittelbetrieblichen Bereich.

Wir haben auch, mit der Ausweitung der Auftragsforschung in Richtung einer Million, die Möglichkeiten für Klein- und Mittelbetriebe beträchtlich erweitert. Deswegen glaube


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 21

ich, dass es nicht sinnvoll ist, hier Großbetriebe und Kleinbetriebe auseinan­der­zuspielen, denn in vielen Fällen kooperieren die miteinander, und es ist eine Gesamt­entwicklung der Wirtschaft im positiven Sinne durch F & E feststellbar.

Wir haben eine Studie durch das Wifo durchführen lassen, bei der sich herausgestellt hat, dass Unternehmen, die eine überdurchschnittliche F&E-Quote haben, auch wesent­lich mehr an Beschäftigung, an Krisenresistenz und an zukunftsrelevanten Möglichkeiten aufweisen.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, in den letzten Tagen und Wochen ist es in Österreich zu einem kleinen Wunder gekom­men: Tausende Bürger und Bürgerinnen haben en masse Niemetz Schwedenbomben gekauft und damit ein Traditionsunternehmen vor dem Zusperren bewahrt.

Da aber infolge von Basel II und Basel III Klein- und Mittelbetriebe immer schwerer zu Krediten kommen, gibt es immer mehr das Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligungsmodell Crowdfunding.

Wird das von Ihrem Ministerium unterstützt werden, und haben Sie sich schon mit einem Jahresbedarf an Niemetz Schwedenbomben eingedeckt? (Heiterkeit bei der SPÖ.)

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, ich hoffe, man merkt es nicht, aber ich konsumiere gerne Schweden­bomben, kaufe aber keine Jahresvorräte ein.

Im Übrigen haben Sie das, was Sie jetzt bezüglich der Firma Niemetz geschildert haben und sehr charmant dargestellt haben, mit der Kreditsituation und mit Crowd­funding in Zusammenhang gebracht. Ich sage Ihnen, das Problem der Firma Niemetz hat meiner Meinung nach nichts mit Kreditfinanzierung und dem diesbezüglichen System zu tun, auch nicht mit Crowdfunding, sondern es sind andere Ursachen der Hintergrund. Es wird ja gerade ausverhandelt, wie die Zukunft des Unternehmens aussehen könnte. Da geht es eher um strategische Möglichkeiten und um Kosten­fragen.

Zur anderen Frage: Wir können uns gerne im Detail über Kreditfinanzierung unterhalten. Diese ist nämlich nicht rückgängig. Wir haben auch die Möglichkeiten des ERP-Bereichs und von AWS ausgeweitet. Wir haben im ERP-Bereich, was Kredit­zinsen-Möglichkeiten betrifft, jetzt 1 Prozent für sechs Jahre garantiert. Das ist relativ sehr günstig. Daher besteht von dieser Seite her nicht das wirkliche Problem.

Worauf Sie jetzt im Zusammenhang mit dem Waldviertler Unternehmer und mit Crowdfunding anspielen, klingt sympathisch. Es wird letztlich auch darüber diskutiert, diesbezüglich Bedingungen zu schaffen. Sie dürfen aber auf der anderen Seite nicht einen differenzierten Wettbewerb erzeugen. Auf der einen Seite haben Sie Banken, die Kredite – Sie haben ja Kredite angesprochen – vergeben, und diese werden vor immer weiter verschärfte Bedingungen gestellt, und das Reglement in administrativer Hinsicht wird für sie immer schwieriger, und auf der anderen Seite sagen Sie, es muss alles vereinfacht werden, sodass man sozusagen ganz einfach Kredite auf Basis von Publikumsbeteiligung durchführen kann. – Sie haben es nicht gesagt, sondern nur meine Meinung dazu eingeholt.

Was Herrn Staudinger anbelangt, so haben wir hier schon einmal darüber gesprochen: Wir haben ihm – auch ich habe ihn persönlich angerufen – mehrere Möglichkeiten angeboten. Es ist ihm nicht darum gegangen, eine Lösung für das Problem zu haben,


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sondern er ist der Meinung, dass bestimmte Auswirkungen – wie Griechenland, die Situation der Banken überhaupt – dazu berechtigen. Und daran habe ich schon meine Zweifel: Ich kann nicht aus irgendwelchen Missständen in der Welt ein Recht für mich persönlich ableiten – da wäre ich im „Wilden Waldviertel“, oder wo auch immer –, weil wir nun einmal ein bestimmtes Regelungssystem haben. Wenn man dort Fehler erkennt, dann muss dieses verbessert werden. Das tun wir, und deshalb wird auch Crowdfunding geprüft. Deutschland hat ja eine entsprechende Regelung, mit möglichen Verbesserungen.

Ich sage Ihnen nur: Alle, die jetzt E-Mails schreiben und sagen, wir sind dafür und wir haben auf dieser Basis Kredit gegeben, wären die Ersten, die dann kommen, wenn wirklich etwas passiert und sie um ihr Geld „umfallen“. Diese Probleme haben wir in der Vergangenheit schon in der Praxis gehabt. Vorher sagen alle: Wunderbar!, nachher heißt es: Wo war der Staat?

Es ist eben sehr schwierig, genau das den Betroffenen transparent zu machen. Ich glaube, dass auch Marketingfragen in diesem Zusammenhang eine große Rolle spielen, und nicht nur Problemlösungsfragen.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Bundesminister.

Als Vorsitzender sehe ich davon ab, mich hier für die Werbeeinschaltung stark­zumachen, aber das Bekenntnis zu den Schwedenbomben wird gerne angenommen, Herr Kollege Schennach.

Zusatzfrage? – Herr Kollege Dönmez, bitte.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Eine der tragenden Säulen der österreichischen Wirtschaft sind die KMUs. 80 Prozent von diesen können ihre Dienstleistungen nur anbieten, weil sie eben Kredite bekommen.

Jetzt hat es vor Kurzem – am Dienstag, glaube ich – im EU-Parlament einen Ent­schließungsantrag gegeben: 538 Abgeordnete haben sich dafür ausgesprochen, dass genau jenen, die viele Arbeitsplätze auch in den Regionen schaffen, der Zugang zu Krediten erleichtert wird.

Meine Frage ist: Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort ergreifen, oder gibt es über­haupt Maßnahmen, die Ihr Ressort ergreifen kann, um einen leichteren Zugang der KMUs zu Krediten zu ermöglichen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, es gibt sehr wohl Möglichkeiten. Ich habe diese teilweise schon angesprochen. Wir haben im ERP-Bereich von 560 auf 600 Millionen € ausgeweitet – das ist dasselbe Volumen, das wir als Konjunkturprogramm im Jahr 2009 gehabt haben –, es ist also genügend Geld vorhanden, und auch der Zinssatz ist dement­sprechend gut. Wir bemühen uns im Hinblick auf Basel III, vor allem auch in Kontakt mit dem Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Othmar Karas und anderen, die entsprechenden Erleichterungen, was Retail-Möglichkeiten für Klein- und Mittel­betriebe anbelangt, zu schaffen, und das wird meiner Meinung nach auch gelingen.

Darüber hinaus bemühen wir uns auch, betreffend die GesmbH eine Reform in Richtung weniger Stammkapital durchzubringen. Das ist für Klein- und Mittelbetriebe sehr relevant‚ weil die GesmbH gerade wegen Basel III an Attraktivität gewinnen wird. Mit all den Maßnahmen betreffend Kleinkredite haben wir eine beträchtliche Aus­weitung vorgenommen, und ich glaube, dass nicht zu wenig an Mitteln zur Verfügung steht, was Kredite betrifft.


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Was dem aber vor allem entgegengestanden ist, war die schlechte Stimmung be­ziehungsweise die Einschätzung, was die Zukunft anbelangt. Sehen Sie sich doch einmal unsere Zahlen betreffend Gründungen und die Entwicklung von Klein‑ und Mittelbetrieben an, die Sie im Mittelstandsbericht finden – der leider nicht mehr im Plenum diskutiert wird –: Daran sehen Sie, dass die diesbezügliche Entwicklung an sich gut ist.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1816/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Dr. Winzig, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Photovoltaik-Förderung erfreut sich besonderer Beliebtheit, und das artet dann so aus, dass bei den Einreichungen quasi ein sportlicher Wettbewerb entsteht.

Meine Frage lautet:

1816/M-BR/2013

„Welche Maßnahmen sind von Ihrem Ressort geplant, um den Prozess bei den Einreichungen für die Photovoltaik-Förderung zu verbessern?“

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Bundesrätin, ich habe mich genauso wie viele von Ihnen, die vielleicht selber eingereicht haben, darüber geärgert, dass die Einreichung, was Photovoltaik anbe­langt, genau um Mitternacht bei Jahreswechsel beginnen sollte beziehungsweise musste. Es hat entsprechende Gutachten der OeMAG gegeben – der Kollege sitzt hier im Saal.

Wir haben mittlerweile klargestellt, dass das Problem nicht unbedingt rechtlicher Natur ist. Daher arbeiten wir daran, das System zu entzerren. Das heißt, die Antragstellung muss nicht um Mitternacht erfolgen, sondern es wird ein längerer Zeitraum dafür zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus ist aber ein weiteres Problem entstanden: Wenn es so viele Antrag­steller gibt wie dieses Jahr, dann sind mit ziemlicher Sicherheit die Tarife zu hoch. Zweitens haben wir darüber hinaus auch Probleme mit dem Antragstellungsverhalten, da nämlich gewerbliche Anbieter das System teilweise mit hundertfachen Einreichun­gen für Auftragnehmer blockiert haben.

Dabei habe ich das Problem, dass wir einerseits durchaus Interesse daran haben, dass sich die Antragsteller der gewerblichen Unternehmen bedienen. Aber es kann nicht so laufen, dass die gewerblichen Unternehmer ein Geschäftsfeld nach dem Motto definieren: Ich habe vier Leute aufgenommen für diesen Zweck, daher brauche ich auch die Aufträge!, und dann sozusagen zu möglichen Kunden gehen, die unter­schreiben, um diesen Unternehmern die Aufträge zu ermöglichen. – Das hat vor allem zu diesen Großprojekten geführt.

Deswegen überlegen wir auch, da die Zufriedenheit auch der Multiplikator bei den Antragstellern ist, gewerbliche Antragsteller von dieser Konstellation auszuschließen. Das muss aber noch mit der Branche erörtert werden, denn die Branche hat diese Bedingungen mit uns so ausverhandelt und das First-come-first-served-Prinzip gewollt. Das stellt aber nun eben ein bestimmtes Problem dar. Wer nicht dabei ist, hat dann den Eindruck, dass er zu kurz gekommen ist. Es besteht allerdings kein Rechts­anspruch auf Förderungen. Unser Interesse ist ja nicht, jemanden zu fördern, sondern


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das Interesse im Zusammenhang mit Photovoltaik besteht darin, ein bestimmtes Volumen zu erreichen, und dieses Volumen erreichen wir, weil wir jetzt das Zehnfache von dem verbauen, was wir vor zwei Jahren verbaut haben.

Wie gesagt: Das Thema ist noch nicht abschließend erledigt, es werden aber zumin­dest die Administration und die Antragstellung beträchtlich erleichtert.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Wie viele Förderungs­werber können 2013 berücksichtigt werden?

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Das können wir noch nicht sagen, weil die OeMAG gerade die einzelnen Fälle aufar­beitet. Es gibt eine Sechs-Wochen-Frist – und dann wird feststehen, wie viele wirklich eine positive Erledigung bekommen. Ich rechne, dass von den rund 1 000 Einreichern in etwa die Hälfte eine positive Erledigung bekommen sollten.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Kollegin Ebner.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Neben dem Problem der Einreichung gibt es ein weiteres Problem, und zwar das Problem der Transparenz. Die Daten dürfen aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht werden, und dadurch gibt es natürlich auch Probleme.

Jetzt eine Frage: Ist die eventuelle Realisierung eines Login-Systems, bei welchem verschiedene Daten über ein Passwort beziehungsweise die Antragsnummer leichter zugänglich gemacht werden, angedacht, und – wenn ja – zu welchem Zeitpunkt würde ein solches System in Angriff genommen werden können?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Bundesrätin, dieser Vorschlag ist ein Vorschlag wie mehrere andere auch, die wir schon bei der Novellierung des Gesetzes diskutiert haben. Da jetzt Branchen­gespräche stattfinden, wird auch dieser Vorschlag mit einbezogen werden. Ich kann aber ein abschließendes Ergebnis oder eine abschließende Bewertung noch nicht vorlegen.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Kollegin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Das aktuelle System macht, wie wir bereits vernommen haben, sozusagen aus Förder­werbern – und Förderwerber sind ja nicht nur Privatpersonen, sondern auch die öffentliche Hand wie zum Beispiel Gemeinden – eindeutig „Lotterie-Spieler“.

Einerseits wird insbesondere der öffentlichen Hand ein Spekulationsverbot auferlegt, andererseits ist die Handhabung dieses aktuellen Systems, wenn sich die Gemeinden bei öffentlichen Bauten langfristig überlegen müssen, wie sie bauen wollen, für die Gemeinden eindeutig spekulativ und, wie gesagt, ein „Lotterie-Spiel“.

Meine Frage: Erachten Sie es unter diesem Blickwinkel nicht auch für notwendig, dass das aktuelle System auf völlig neue Beine gestellt und nicht nur verbessert werden soll?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Bundesrätin, ich verstehe, wenn etwa eine Gemeinde für ihre Bürger einreicht oder überhaupt ein Bürgerbeteiligungsmodell eingereicht wird, dass die individuelle Enttäuschung groß ist, wenn jemand nicht zum Zug kommt. Nur müssen Sie im


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Hinblick auf das System einfach bedenken, dass es beschränkte Kontingente gibt. Diese sind ja nicht so groß! Selbst der ORF hat geglaubt, die Förderung zahlt der Staat. Das zahlt aber der entsprechende Kunde im Bereich der Industrie oder im Bereich der Haushalte. Wir haben das Volumen im Bereich der Photovoltaik jetzt verzehnfacht.

Es gibt schon ein alternatives System: Die Einreicher erhalten das, was an Mög­lichkeiten zur Verfügung steht, und das wird entsprechend aufgeteilt. Das wird dann von der Tarifförderung her weniger sein. Die Branche wollte dieses System aber nicht haben, sondern sie hat eine Potenzialanalyse vorgenommen und eingeschätzt, welche Möglichkeiten es geben wird und was auch im Sinne von Kostenverträglichkeit machbar ist. – Dieses System fahren wir jetzt, und ich bin eigentlich nicht dafür zu haben, dass wir das System jedes Jahr in eine andere Richtung verändern, wobei ich konstatiere: Wir haben die Einreichung schon diskutiert, und wir werden auch andere Probleme minimieren.

Wenn andererseits Bürgerbeteiligungsmodelle eingereicht werden wie etwa in der Stadt Wels, wo vier Anlagen das Volumen eines ganzen Jahres dominieren, dann ist natürlich bei Tausenden anderen Antragstellern, die einzeln einreichen, die Ent­täuschung relativ groß. Im Hinblick darauf muss man vor allem mit der Branche überlegen: Geht es nur darum, dass man das Volumen hat? – Wenn man die Dächer in Wels alle sozusagen entsprechend abgedeckt hat, ist das Fördervolumen bezie­hungsweise das Ausbauvolumen erreicht. – Oder aber zielt man darauf ab, dass man feststellt, dass derjenige oder derjenige auch einen positiven Beitrag für die Umwelt leisten möchte? – Dann muss man die Größenordnung reduzieren.

Daher überlegen wir auch, diese Größenordnung zu reduzieren. Derzeit haben wir eine Verordnungsmöglichkeit, und wir haben das derzeit auf 500 MW reduziert und gehen dann eventuell noch weiter hinunter. Das muss man dann aber auch der Gemeinde erklären. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie meinen wohl kW!) – Ja, ich meinte kW. Entschuldigung!

Ich sehe ein Problem darin, dass derzeit jeder glaubt, dass er, wenn er einreicht, einen Rechtsanspruch auf Förderung hat. Dieses System ist aber nicht auf einen Rechts­anspruch, dass eine Förderung ausbezahlt wird, ausgerichtet, sondern das System soll ein bestimmtes Kontingent von erneuerbarer Energie in Richtung marktrelevanter Preise abdecken. Das heißt im Klartext: Wir werden dringend auch darauf schauen, dass die Tarife nach unten gehen, denn wenn so viele Leute einreichen, dann ist das auch eine Tariffrage.

Sie werden mir daher recht geben: Es ist weder die eine noch die andere Variante ganz optimal. Das liegt aber in der Natur der Technologie.

Beispiel Deutschland: Deutschland war immer das große Vorhaltebeispiel für uns. Dann hat man das dort umgesetzt, und mittlerweile hat man schwere Kostenprobleme, weil man dort die Tarife auf 20 Jahre garantiert hat und um das Vierfache höhere Ökostrom-Zuschläge bezahlt als wir.

Detto konnten Sie die Diskussion im verringerten Umfang letzte Woche auch bei uns mit verfolgen: Die Arbeiterkammer sagt: Die Zuschläge sind viel zu hoch! Sie und auch andere sagen: Die Gemeinde Soundso wurde nicht berücksichtigt. – Und genau in diesem Spannungsfeld wird die Wahrheit wohl in der Mitte liegen!

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 1819/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Schweigkofler, um Verlesung der Anfrage.

 



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Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Ich komme zum Thema Energieeffizienz und darf die Frage stellen:

1819/M-BR/2013

„Mit welchen Instrumenten sollen die Ziele des Energieeffizienzpaketes erreicht werden?“

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, uns liegt beim Energieeffizienzgesetz eine Richtlinie der EU vor. Diese Richtlinie sieht vor, dass wir, um zur Erreichung des 20-Prozent-EU-Zieles zu kommen, entsprechende Maßnahmen auf nationaler Ebene setzen müssen. Das betrifft mehrere Materien. Unter anderem betrifft es die Haushalte und die Betriebe.

Die Richtlinie bezieht den Verkehr nicht ein. Ich sage das jetzt, weil ich gerade von den Grünen einen diesbezüglichen Vorwurf gehört habe, allerdings nicht von Ihnen hier im Saal, aber generell: Der Verkehr ist von der Richtlinie ausgenommen, und das ist auch nicht meine Ressortzuständigkeit.

Im Endeffekt ist vorgesehen, dass wir, um dieses Ziel zu erreichen, Maßnahmen bei den Unternehmen und Lieferanten vorsehen. Dabei geht es darum, dass die Liefe­ranten eine 1,5-prozentige Reduktion des Verbrauchs in Absprache oder in Interaktion mit den Konsumenten sicherstellen. Das heißt im Klartext: Es geht darum, mit Energie verbrauchenden Unternehmen und Konsumenten Auditberatungen und dergleichen durchzuführen.

Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Sanierung bei Bundesgebäuden. Von der Drei-Prozent-Verpflichtung ist die BIG ausgenommen. Wir arbeiten gerade daran, darzustellen, dass die BIG auf diesem Weg schon relativ weit vorangeschritten ist und daher dort das Problem nur ein formales und kein inhaltliches ist.

Ein zweiter Teil ist das Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetz, in dem es darum geht, durch Reduktion von Luftschadstoffen und einen weiteren Ausbau der Fernwärme Abwärme-Potenziale energieeffizient zu nutzen. Diesbezüglich gibt es entsprechende Fördermittel.

Weiters gibt es eine entsprechende Information der Konsumenten und bessere Mög­lichkeiten, was den Anbieterwechsel anlangt, außerdem die Förderung von hoch effizienten KWK-Anlagen mittels Investitionszuschusses. Überdies gibt es Incentives für Energieeffizienz-Maßnahmen bei kleinen und mittleren Unternehmungen, um da die entsprechende Umstellung hinsichtlich Input und Output zu gewährleisten. Darüber hinaus gibt es noch ein paar andere Möglichkeiten, die bei Unternehmen ansetzen.

Letzten Endes sind wir damit bei einem Weg angelangt, der alternativlos ist. Der Vorschlag, wir sollten hier mit steuerlichen Maßnahmen agieren, ist zwar ein guter Vorschlag, aber er nützt in der konkreten Angelegenheit nichts, wenn es darum geht, die Richtlinie umzusetzen.

Was Sie momentan erleben, ist im Rahmen der Begutachtung ein Widerstreit der jeweiligen Interessen aus jeweils unterschiedlichen Motiven. Der Industrie und der Wirtschaft ist das Ganze zu weit gehend, anderen ist es zu wenig weit gehend, anderen zu administrativ, andere meinen, die Bundesgebäude sind ausgenommen und damit sei das nicht voll erfüllend.


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All das werden wir aber im Sinne der Betroffenen und vor allem der Energieeffizienz klären. Ich erinnere nur an Kyoto. Wenn wir uns nicht dazu durchringen, das jetzt zu machen, werden wir nachher viel größere Probleme haben.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Mit welchen Auswirkungen auf die Endkunden von Energieversorgungsunternehmen ist zu rechnen?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Es sollten keine Preissteigerungen, was die Endkunden anbelangt, dadurch argumen­tierbar und darstellbar sein. Es soll aber darstellbar sein, dass wir, was die Energie­effizienz anbelangt, mit diesen Maßnahmen etwa 76 Petajoule erreichen. Die Frage ist: Was sind 76 Petajoule in der Relation? – Wir haben energieeffizient 200 Petajoule in der Energiestrategie vorgesehen. Es wird also in etwa ein Drittel allein mit diesen Maßnahmen zu bewerkstelligen sein. Der Rest kommt dann aus dem Autobereich und aus anderen Maßnahmen aus dem Verkehrsbereich generell.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Preineder.

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Mein Heimatbundesland Niederösterreich hat es sich zum Ziel gesetzt, energieunabhängig zu werden, und auch meine Region, die Region Bucklige Welt, hat das als Ziel. Um hier neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien wirklich weiter­zukommen, ist es sicherlich wichtig, die vorhandene Energie effizient einzusetzen. Welche positiven Ergebnisse erwarten Sie von dem neuen Energieeffizienzgesetz?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich erwarte mir, dass wir insgesamt auf dem Weg in Richtung der 20-Prozent-Steigerung hinsichtlich Energieeffizienz einen guten Schritt weiterkommen. Ich habe das vorher schon mit Zahlen belegt.

Auf der anderen Seite ist natürlich auch beim Denken der Bevölkerung eine eigentlich jetzt schon vorhandene Einstellung noch weiter zu verstärken, und zwar dass man mit Energie anders umgeht, als das vorher der Fall gewesen ist, und insbesondere auch Überlegungen anstellt, was Verschwendung beziehungsweise übertriebenen Ver­brauch anlangt.

Was die Frage betrifft, ob wir damit die Energieautarkie erreichen, ob das möglich ist, so glaube ich, dass wir Autarkie erreichen können, was die Stromerzeugung anbelangt. Dort wird es kein so großes Problem darstellen, weil wir dadurch, dass wir viel Strom aus Wasser erzeugen, die Situation haben, dass wir jetzt schon bei 70 Prozent der Abdeckung liegen.

Was die Gesamtenergie anbelangt – die teilweise verwechselt wird mit der Strom­erzeugung –, so haben wir eben das 34-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020. Das werden wir übererreichen, gerade mit diesen Maßnahmen, und damit dann auf dem Weg sein, mehr zu erreichen. Eine vollkommene Autarkie kann ich mir nur sehr schwer vor­stellen – als Wunschziel ja, aber es gibt eben auch bestimmte Leistungen im Hoch­temperaturbereich, wie etwa Hochöfen, die man eben dann nicht mit erneuerbarer Energie wahrnehmen kann.

Ich glaube, der Sinn der Sache, der auch angesprochen ist, ist, die Autonomie und die Autarkie möglichst zu erhöhen, und auf diesem Weg sind wir an sich sehr gut unterwegs.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 28

Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Im Energieeffizienzpaket, das jetzt bis Ende Jänner in Begutachtung war, heißt es in einer Erläuterung unter anderem, dass dieses Ziel – gemeint ist, den Ener­gie­verbrauch niedrig zu halten – nicht nur durch die Maßnahmen in diesem Bun­desgesetz zu erreichen sein wird, vielmehr werde es entsprechende Effizienz­steige­rungsmaßnahmen auf Gebäudeebene im gesamten Bundesgebiet und somit auch auf Länder- und Gemeindeebene geben müssen.

Herr Bundesminister, können Sie konkretisieren, welche finanziellen Kostenfolgen das für Länder und Gemeinden haben wird?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, ich kann die Kosten jetzt nicht konkretisieren, kann aber vollinhaltlich bestätigen, was da in den Erläuterungen steht und was ich auch vorher schon dargestellt habe: Es wird nicht reichen, ein derartiges Gesetz zu machen, sondern man muss auf allen Ebenen agieren. Das heißt also, auch Länder und Gemeinden und wer immer Gebäude hat, die nicht energieeffizient sind, werden sich hier bemühen müssen, entsprechende Maßnahmen zu tätigen. Wir tun das ja auch mit der thermischen Sanierung, die wir jetzt wieder ausgeweitet haben, aber es ist sicherlich damit noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Es muss Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass das nicht eine Aufgabe von mir oder des Bundes oder von irgendwem ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Diskussion in diese Richtung ist ja auch bereits angelaufen.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, 1822/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Kerschbaum, um Verlesung der An­frage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich möchte gerne Folgendes wissen:

1822/M-BR/2013

„Wie weit ist die Realisierung der neuen Industrieemissionsrichtlinie (2010/75/EU), welche in den Mitgliedstaaten bis zum 7. Jänner umzusetzen ist, vorangeschritten?“

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Die Richtlinie ist bis zum 7. Jänner 2013 in nationales Recht umzusetzen. Das Problem dabei ist, dass es eine sehr komplexe Materie ist, daher haben alle Mitgliedsländer der EU Schwierigkeiten, dieser zeitlichen Fristsetzung auch zu entsprechen. Was uns anbelangt, so haben wir die entsprechenden rechtlichen Bestimmungen, insbesondere Emissionsschutzrecht für Kesselanlagen und auch gewerbliches Betriebsanlagenrecht, schon in der Begutachtung gehabt und rechnen damit, dass die parlamentarische Beschlussfassung in den nächsten Monaten beziehungsweise sogar Wochen erfolgt.

Damit werden wir daher, was unseren Bereich und unsere Verantwortlichkeit anbe­langt, auf EU-Ebene keine negativen Konsequenzen zu erwarten haben. Die Verbes­serung, die damit eingeleitet worden ist, haben Sie ja mitverfolgt, beziehungsweise sie ist im Begutachtungsentwurf ja entsprechend beschrieben.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 29

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ja, ich hätte eine Zusatzfrage zu den geplanten Verbesserungen: Sie haben mir vorige Woche netter­weise eine Anfragebeantwortung zum Thema Kwizda, Korneuburg und Seveso-Betriebe übermittelt. Sie haben selbst geschrieben, es liegt hier der Vollzug in der Verantwortung der Niederösterreichischen Landesregierung, Sie sind aber für die Gesetzgebung zuständig. Ich hoffe, Sie haben sich auch wirklich die Antworten durchgelesen. Mich hat es wirklich erschreckt, wie zahnlos hier das Gewerberecht ist, sowohl in Bezug auf Kontrolle in solchen Betrieben, aber auch in Bezug auf die Information der Öffentlichkeit.

Nur ein kleines Bonmot-scherl: Kindergärten, Schulen, Spitäler sind zu informieren, was sie in Unfallfällen zu tun haben, damit nichts passiert; es reicht aber, wenn die Firma Kwizda, in dem Fall, diese Information am Werkstor anschlägt. – Also: Welche Schule und welcher Kindergarten wird zum Werk der Firma Kwizda gehen, wenn sie nicht einmal wissen, dass das ein Seveso-Betrieb ist?

Sprich, mich würde interessieren: Werden Sie diese Anfragebeantwortung genau durchlesen und überlegen, ob in diesen Bereichen, Information und Kontrolle, nicht doch noch Verbesserungen notwendig wären?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Bundesrätin, Sie können davon ausgehen, dass ich mir Anfragen sehr genau anschaue, was die Beantwortung anbelangt. (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug.) – Na ja, das ist gar nicht so einfach; die Anzahl der Anfragen, die gestellt werden, ist relativ inflationär.

Auf der anderen Seite gehe ich davon aus, dass auch die entsprechenden Ver­pflichtungen, was die Vollziehung anbelangt, eingehalten werden. Ich bin aber gerne bereit, mir das noch einmal anzuschauen, ob das wirklich der Fall ist.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass man gerade in so einer Materie, wo das Thema schon sehr negativ besetzt ist, wie Seveso, auch aufpassen muss, dass man nicht emotionale Ängste bei den möglicherweise Betroffenen schürt, die an sich objektiverweise nicht angebracht sind.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Taucher.

 


Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, ich habe folgende Frage an Sie: Gibt es seitens des Ressorts einen Überblick bezüglich des Umsetzungsstandes in anderen EU-Mitgliedstaaten?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich habe ihn jetzt nicht zur Verfügung, aber wir nehmen das gerne auf und werden Ihnen das schriftlich darlegen.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Strohmayer-Dangl.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister, welche Maßnahmen setzen Sie, um die Belastungen für die Betriebe durch die neuen Vorschriften, die sich aus der Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie ergeben, möglichst gering zu halten und die österreichische Industrie 2013 zu unterstützen?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 30

Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich darf die Maßnahmen ansprechen, die ich vorher schon erwähnt habe: die Erhöhung der zinsgünstigen ERP-Kredite – das Volumen haben wir gesteigert –, die Senkung der Zinsen, und wir versuchen auch, was thermische Sanierung anbelangt – gerade Be­triebe können auch für diesen Zweck diese Möglichkeiten nutzen –, entsprechende Gegebenheiten zur Verfügung zu stellen. Und die steuerliche Situation wird insgesamt durch einige steuerliche Reduktionen, die wir im Rahmen der letzten Reform durch­geführt haben, erleichtert.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Krusche.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, anknüpfend an die Worte und die Frage des Vorredners: Die österreichische Industrie und der Industriestandort Österreich stehen ja im Spannungsfeld zwischen Umwelt­schutz, Auflagen und Immissionsschutz einerseits und Kostendruck andererseits. Einer dieser wichtigen Punkte ist ja auch der Zertifikathandel mit CO2-Zertifikaten, auch Emissionen betreffend, und hier kommt es doch teilweise zu massiven Problemen. Ich darf nur daran erinnern, dass zum Beispiel in einer Krisenregion, Erzberg, die Pelletierungsanlage nicht errichtet wurde, eben wegen der hohen Kosten.

Meine Frage dazu: Gibt es von Ihrer Seite Bestrebungen auf europäischer Ebene, hier zu Änderungen, zu Verbesserungen für die heimische Industrie beizutragen?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, Sie haben mit der Beschreibung des Spannungsfeldes durchaus recht. Im Endeffekt ist die Industrie auf der einen Seite natürlich interessiert, die Emissionen möglichst gering zu halten, nur, wenn auf der anderen Seite die diesbezüglichen Rahmenbedingungen nur bei uns so sind und in anderen Ländern nicht, insbesondere was den asiatischen und amerikanischen Bereich anbelangt, dann haben wir Kon­kurrenznachteile. Gerade was die Problematik auch jetzt mit Gas und mit der Entwicklung in Amerika anbelangt, so können Sie ja sehen, dass wegen der dortigen Funde jetzt billige Kohle zu uns kommt, was die Problematik im CO2-Bereich verschärft und nicht lösen hilft.

Was die Zertifikate und den Zertifikatshandel betrifft, so gibt es verschiedene Vor­schläge der EU, die wir auch diskutieren, wobei es darum geht, dass dieser Handel bis jetzt nach Angebot und Nachfrage nicht funktioniert hat. Die Idee der Europäischen Union ist, jetzt bestimmte Zertifikate aus dem Handel zu nehmen, um dadurch auch eine bessere Kostenentwicklung sicherzustellen und Nachfrage und Angebot ins Gleich­gewicht zu bringen. Das wird noch diskutiert. Wir sind hier in die Diskussion einbezogen, sehen das allerdings eher als problematische Möglichkeit und gehen da, um eben nicht die Belastung der Industrie weiter einseitig zu erhöhen, eher einen dämpfenden Weg, ohne jetzt die Umweltinteressen außer Acht zu lassen.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1817/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Kneifel, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Bun­desminister! Meine Frage lautet:

1817/M-BR/2013

„Welche Maßnahmen planen Sie 2013, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu forcieren?“

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 31

Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, wir haben relativ langfristig schon auf dieses Thema gesetzt und versucht, die Bewusstseinsentwicklung entsprechend zu aktivieren, was die Bedeutung von Familienfreundlichkeit bei den Unternehmen als Standortvorteil betrifft.

Man muss das so sehen, dass eben die demographische Entwicklung ergeben wird, dass wir aufgrund der Konstellation, dass in Zukunft junge Menschen nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen, oder besser gesagt nicht nachkommen, Probleme im Mitarbeiterbereich haben werden. Deshalb werden jene Betriebe erfolgreich sein, die da wirklich gute Angebote haben.

Deswegen haben wir das Audit Familie und Beruf angeboten, was von den Unter­nehmungen auch angenommen wird. Die Ergebnisse, wie man Familienfreundlichkeit organisiert und strukturiert, können von anderen auch eingesehen werden. Das heißt, es ist eine Art eigenständige Möglichkeit vorhanden, das auch zu entwickeln, man braucht nicht nur die Beratung. Das wird in Anspruch genommen. Und damit wir auch Klein- und Mittelbetriebe stärker erreichen, gibt es ein neues Modell, das heißt „Audit KOMPAKT“, mit weniger Dokumentationsnotwendigkeiten und ein paar Verein­fachungen. Das bieten wir den Klein- und Mittelbetrieben an.

Darüber hinaus gibt es aber natürlich auch noch eine Reihe von Angeboten im Bereich der Kinderbetreuung, Kooperationen zwischen Gemeinden, wo wir feststellen, das Angebot schafft auch Nachfrage. Es ist nicht mehr so, dass vor allem Mütter nur vormittags arbeiten wollen, sondern auch gerne am Nachmittag; und Ganztags­angebote, wo sie zur Verfügung gestellt werden, erfreuen sich zunehmender Beliebt­heit. Deswegen unser Interesse, auch da Möglichkeiten anzubieten.

Weil der Kollege mich dann wieder fragen wird, ob da nicht Schäden entstehen: Das erfolgt immer in einer positiven Ausrichtung als Angebot. Es muss niemand das Ange­bot in diesem Bereich dann auch wirklich wahrnehmen. Die meisten aber nehmen es wahr.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister, Sie haben bereits in Ihrer Beantwortung der Anfrage auf das neue Projekt „Audit KOMPAKT“ hingewiesen, das seit 1. Jänner 2013 auch läuft und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen interessant ist, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Welche Details gibt es hier, und welche Schwerpunkte sehen Sie in diesem Programm?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich sehe den Schwerpunkt und die Zielausrichtung, dass vor allem die Klein- und Mittel­betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern hier ein ganz konkretes Angebot haben, das Ihnen auch sozusagen die Umsetzung erleichtert. Dieses Angebot gibt es seit 1. Jänner, es wird in den Kammerzeitungen auch beworben und dargestellt, vor allem mit den Vorteilen – denn viele haben das Ganze immer so im Blick, als wäre das eben eine Art Sozialmaßnahme, die sich nicht rechnet. Wenn man das genau anschaut, was Krankenstände und auch andere betriebswirtschaftliche Details betrifft, dann stellt man fest, dass das eine sehr positive Maßnahme vor allem für Klein- und Mittelbetriebe ist. Und ich rechne damit, dass die vereinfachten Dokumentations- und Administra­tions­verpflichtungen auch wirklich einen Run auf das neue Instrument bewirken.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Kollegin Köberl.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 32

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister, seit März 2011 gibt es die Väterfrühkarenz, den sogenannten Papa-Monat im öffentlichen Dienst, und ab 2013 besteht sogar ein Rechtsanspruch. Er wird von über 300 Jung­vätern im öffentlichen Dienst bereits in Anspruch genommen, und Sie stehen ja laut eigener Aussage diesem Papa-Monat offen gegenüber.

Jetzt sind seit der Einführung allerdings bereits zwei Jahre vergangen. Wann werden Sie endlich die Väterbeteiligung nachhaltig stärken und den Papa-Monat auch in der Privatwirtschaft umsetzen?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Bundesrätin, das ist keine so einfache Angelegenheit, dass das mit meiner Willensentscheidung oder mit meiner Einstellung erledigt wäre, sondern das ist eine betriebswirtschaftliche und auch volkswirtschaftliche Frage, die mit den Sozialpartnern zu akkordieren ist. Das tun wir. Die Sozialpartner haben momentan relativ wenig Bereitschaft, hier eine neue – durchaus argumentierbare – Sozialleistung einzuführen, weil damit auch Organisationsfragen verbunden sind. Es geht nicht nur um die Finanzierungsfrage – das wäre aus dem FLAF meiner Meinung nach abdeckbar –, sondern es stellt für den Betrieb in der Konstellation, dass eben dann jemand eine bestimmte Zeit nicht zur Verfügung steht und dann wahrscheinlich, weil das ja auch mit Kinderbetreuung gekoppelt werden wird, der zweite Monat sozusagen dazukommt, wiederum eine betriebliche Erschwernis dar. Das müssen wir noch mit den Sozial­partnern akkordieren.

Unserer Meinung nach ist aufgrund der konjunkturellen Gegebenheit momentan der Spielraum eher sehr klein. Daher: Meine Priorität hat das Thema momentan nicht, sondern wir warten da eine bessere wirtschaftliche Gesamtsituation ab, und dann ist das möglicherweise lösbar. Ich verweise noch einmal auf die Sozialpartner, die hier ganz einfach auch eine Mitzuständigkeit haben.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Jenewein.

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Wir alle wissen, dass vor allem Mehrkinderfamilien beziehungsweise die Erhalter von Mehrkinderfamilien von den gestiegenen Preisen, egal, ob das jetzt die gestiegenen Energiepreise oder die Lebensmittelpreise betrifft, besonders betroffen sind.

Meine Frage an Sie vor allem als Wirtschafts-, aber auch als Familienminister: Können Sie der Idee nahetreten, dass man bei künftigen Verhandlungen auch mit der Finanz­ministerin verbesserte Abschreibmöglichkeiten für Mehrkinderfamilien schafft? Ich denke da im Speziellen zum Beispiel daran, für Familien-Pkws eine Abschreib­möglichkeit zu schaffen.

Da wir alle nicht wissen – Sie werden es wahrscheinlich auch nicht wissen –, ob und in welcher Form Sie in einer nächsten Bundesregierung vertreten sein werden und in welcher Form Sie als Minister vertreten sein werden: Können Sie sagen, ob in Ihrem Ministerium an solchen Projekten gearbeitet wird?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, es sind da keine Sorgen notwendig. Sie können sicher sein, dass wir das mit entsprechender Konsequenz weiter vorantreiben werden.

Das Problem bei dieser Thematik ist natürlich ein vielfältiges, weil Sie damit ja vor allem steuerliche Aspekte ansprechen. Es arbeitet die Frau Finanzministerin hier an einem Vorschlag, und den gibt es auch, was einen Freibetrag für Familien betrifft, weil


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 33

der Verfassungsgerichtshof ja zu Recht sagt, dass hier die entsprechenden Aufwands­entwicklungen auch steuerlich abgeltbar sein müssen. Das wird noch mit dem Koalitionspartner zu verhandeln sein. Ich rechne nicht damit – Sie haben es ange­sprochen –, dass das in den nächsten Wochen stattfindet, weil hier auch andere Gesichtspunkte und Motive mitspielen.

Ob es gelingen kann, gerade was Mehrkinderfamilien anbelangt, auch per se zusätz­liche steuerliche Aspekte einzubringen, was über den Freibetrag hinausgeht, wage ich zu bezweifeln, weil das natürlich dann eine bestimmte Komplexität bekommt, wenn man das überall, bei allen verschiedenen Materien, so mitdenken müsste. Das wird noch zu diskutieren und zu verhandeln sein. Ich sehe da auch bestimmte adminis­trative Schwierigkeiten.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, 1820/M.

Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Klug, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, der auch von uns sehr geschätzte neue Präsident des Bundesrates Edgar Mayer hat in seiner Ansprache schon deutlich auf die ablehnende Haltung des Bundesrates zum Thema Trinkwasser-Privatisierung hingewiesen.

Meine konkrete Frage, sehr geehrter Herr Minister, lautet daher – ich möchte Ihnen heute Gelegenheit geben, zu diesem Thema einmal so richtig Ihr Herz bei uns ausschütten zu können –:

1820/M-BR/2013

„Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort setzen, um national die Kontrolle über die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser sicherzustellen?“

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, wirklich danke für diese Frage. Ich schließe mich aber eher dem an, was der Herr Präsident in seinen Schlussbemerkungen gesagt hat: dass das Thema doch relativ überbordend diskutiert worden ist. Und in diesem Zusammenhang nehme ich auch an, dass der Bundesrat Einsicht in die entsprechenden Richtlinienvorschläge genommen hat. Es ist ja nicht darum gegangen, eine Privatisierung der Wasser­versorgung oder von sonstigen Systemen einzuleiten, sondern es ist darum gegangen: Wenn die Daseinsvorsorge, die unter anderem auch das Wasser berühren kann, von Privaten abgewickelt wird – wobei man sagen muss, es gibt das in verschiedenen Ländern, auch in Österreich, schon jetzt –, dann sind im Unterschied zu jetzt für derartige Aktivitäten, die für den Bürger das Wasser, die Wasserversorgung sichern sollen, bestimmte Standards einzuhalten. Es ist keine Rede – weder in der Richtlinie, die Sie sicher gelesen haben, noch sonst – von einer Privatisierung.

Daher finde ich, dass diese Diskussion relativ überbordend stattgefunden hat, weil eine solche Privatisierung auch gar nicht angestrebt worden ist. Auch in Bezugnahme auf die derzeitige Situation in Österreich möchte ich festhalten – denn Sie haben die Frage angesprochen, was man meiner Vorstellung nach verbessern kann –: Ich kenne keine Gemeinde in ganz Österreich, wo die Wasserversorgung nicht gewährleistet wäre. Daher besteht aus meiner Sicht eben auch kein aktueller Anlass, diesbezüglich etwas Gegenteiliges zu befinden.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 34

Im Übrigen ist das Wasserrecht keine private oder öffentliche Angelegenheit, sondern Angelegenheit von Grund und Boden, und Sie werden wissen, dass bestimmte Gewässer – wie etwa der Mondsee – private Gewässer sind und in besagtem Fall im Besitz, wie ich glaube, einer Dame; andere Gewässer detto. Daher: Hier jetzt eine Diskussion über „privat“ oder „öffentlich“ zu beginnen, dafür ist nicht nur der falsche Zeitpunkt, sondern es ist auch der total falsche Aufhänger.

Da wir aber wissen, dass in der Öffentlichkeit leider, bedauerlicherweise eine differen­zierte Diskussion zu diesem Thema nicht möglich ist – das bedauere ich wirklich sehr –, hat es im Plenum des Nationalrates eine Entscheidung und einen Entschließungs­antrag gegeben, gemäß dem man eine Zielbestimmung in die Verfassung aufnimmt, in der steht, dass eben die Kontrolle über die Wasserversorgung eine öffentliche Aufgabe ist. Das ist noch auszuverhandeln. Ich glaube, dass damit auch die Gemüter beruhigt werden können, obwohl meiner Meinung nach keine Gemeinde in ganz Österreich daran denkt, das jetzt zu verändern. Und die Materie ist an sich auch nicht Materie von uns – Materie des Bundesministeriums, das ich ressortmäßig verwalte oder für das ich zuständig bin –, sondern das ist Landes- und Gemeindeaufgabe.

Daher: Wir werden diese Zielbestimmung selbstverständlich unterstützen, um die Diskussion nicht mehr überbordend zu gestalten, aber auf der anderen Seite würde ich wirklich jeden bitten, und viele haben es ja schon getan, sich die Richtlinie einmal durchzulesen. Dann werden Sie merken, dass es so ist, dass das Einzige, das darin vorkommt und das Aufhänger für eine Diskussion sein kann, das Wort „Wasser“ ist.

Im Übrigen war es auch so, dass wir für den Themenbereich gar nicht zuständig sind. Ich bekenne mich vollinhaltlich zur Vorgangsweise, aber die koordinierende Stelle ist das Bundeskanzleramt. Von dort ist auch, das heißt fachtechnisch so, die Weisung gekommen, wir sollen in Brüssel am 10. Dezember dem zustimmen, was ja nicht ich persönlich getan habe, sondern der Gesandte war dort. Der Gesandte hat das dort vorgelesen, und damit hat die Angelegenheit keine besondere Aufregung verursacht, bis zu dem Zeitpunkt, da man das in Richtung – ich sage es noch einmal – über­bordende Diskussion hochgezogen hat.

Wenn es uns gelingt, andere – wirkliche – Probleme zu lösen, wird der Bürger dankbar sein, denn ich sage Ihnen schon eines: Bei all den Diskussionen hat so ziemlich jeder – selbst eine bestimmte Zeitung – bemerkt, dass das Thema in einer Weise emotionalisiert wird, die dem einfach nicht entspricht. Und selbst betreffend das Argument, in Brüssel oder in Zürich oder in London oder sonst irgendwo wäre die Wasserversorgung durch Privatisierung qualitativ schlechter – das mag sein, ich habe es nicht geprüft –, muss man sagen: Dem tritt diese Richtlinie ja sogar entgegen, weil man sagt: Derjenige, der von irgendeiner öffentlichen Hand beauftragt wird, die Wasserversorgung sicherzustellen, muss bestimmte Standards in der Bonität, in sonstiger Form als Firma anbieten können.

Also diese jetzt kritisierte Situation in England oder wo auch immer wird durch die zukünftige Vorgangsweise, Qualität in die Daseinsvorsorge hineinzubringen, verbes­sert. Die Richtlinie hat ja nicht zum Ziel, zu privatisieren – das wäre eine ganz andere Materie –, sondern die Richtlinie hat zum Ziel, Daseinsvorsorge, die von einem anderen Risikonehmer abgewickelt wird, mit bestimmten Qualitätsstandards auszu­statten.

Das war es, das ist es. Wer es emotional haben will, soll es emotional haben – ich nicht, ich stehe zu einer Sachlinie. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundes­rates Ertl.)

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesrat Mag. Klug, wird von Ihnen eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 35

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Wenger gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister, eine Zusatzfrage erübrigt sich ja nahezu, nachdem Sie jetzt so ausführlich geantwortet haben. Ich erlaube mir deshalb den Hinweis, dass der EU-Ausschuss des Bundesrates sich bereits im vorigen Jahr intensiv mit der Sache auseinandergesetzt hat, und zwar hat man so diskutiert, wie es sich gehört, nämlich die Konzessionsrichtlinie. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt sollte eine Frage kommen!)

Eine kleine Frage hätte ich doch (Heiterkeit bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Klug): Sind Ihnen, da es ja in vielen Gemeinden und auch in anderen Bereichen private Wasserversorger gibt, irgendwelche Probleme aus diesen Bereichen, speziell aus den öffentlichen Bereichen – sprich: den Gemeinden – bekannt?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, ich habe erstens einmal der Rede des Herrn Präsidenten genau zugehört (Bundesrat Mag. Klug: Wie alle!) und auch die Aktivität des Bundesrates durchaus vernommen. Ich finde es auch sehr positiv, dass hier zu einem Thema ent­sprechend Anmerkungen eingebracht werden.

Was die zweite Frage anlangt: Ich sehe keine Probleme bei der Wasserversorgung, was Eigentümerfragen anlangt, weil alle Eventualitäten in die Richtung, dass irgend­welche Investmentgruppen oder jemand Sonstiger einbezogen wird, eigentlich mit bestimmten Vorfällen, die dort und da in manchen Bundesländern passiert sind, ein Ende gefunden haben. Daran denkt niemand.

Wo es manchmal Probleme gibt, das ist die Qualität des Trinkwassers, worüber eben auch manchmal Diskussionen stattfinden. Diese haben aber eine andere Ursache – da sind wir teilweise wieder bei Firmen und anderen Fragen. Dort gehen wir mit der Gewerbeordnung und auch gemeinsam mit dem Umweltministerium vor und versuchen, diese Situation zu verbessern. Ansonsten sind mir keine Probleme bekannt.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Krusche.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, Sie haben richtigerweise gesagt, die Emotionalisierung der Debatte hat sich ja eigentlich auch irgendwo an den Worten „privat“ und „Privatisierung“ aufgehängt. Wir wissen aber, dass es in Österreich bereits private Wasserversorger gibt. Können Sie ungefähr sagen – größenordnungsmäßig prozentuell –, wie viel Prozent der österreichischen Wasserversorgung in privaten Händen ist?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundesrat, ich kann Ihnen das nicht definitiv sagen. Wir haben ursprünglich von 92 Gemeinden geredet, wobei sich aber dann herausgestellt hat, dass einige der­jenigen, die dort die entsprechende Versorgung sicherstellen oder auch die Abwas­serbeseitigung machen, wiederum teilweise im Eigentum der öffentlichen Körperschaft stehen, sodass das nicht ganz sauber trennbar ist. Ich gehe aber davon aus, dass auch Private – in dem Zusammenhang in der Größenordnung von etwa 30 bis 90 – das konkret durchführen.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Kollegin Kerschbaum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben es schon angesprochen: Der Vorteil, den Gemeinden gegenüber


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 36

einer Privatisierung in erster Linie haben, ist ja, dass sie sich vielleicht doch intensiver auch um den Schutz des Grundwassers kümmern – das ja dann irgendwann einmal zum Trinkwasser werden soll – als eine private Firma.

Ein zweites Problem, das meiner Meinung nach eben – das ist ja eine EU-Richtlinie – bei dieser Konzessionsrichtlinie auftritt, gibt es vielleicht weniger in Bezug auf Öster­reich, sondern in Bezug auf andere Länder wie Spanien oder Griechenland, wo es aus Kostengründen dann vielleicht wirklich so weit kommt, dass mehr oder weniger ein Zwang zur Privatisierung vorangetrieben wird.

Das war an und für sich, glaube ich, auch die Grundtendenz der Anmerkung des Bun­desrates beziehungsweise unseres Beschlusses: dass man auch im Hinblick darauf darauf achtet, dass die Wasserversorgung als Daseinsvorsorge und betreffend ihre Sicherheit vor allem auch nicht nur unbedingt in Österreich, sondern auch in anderen Ländern gesichert und vorwiegend in öffentlicher Hand bleiben soll.

Meine Frage – es geht um eine EU-Richtlinie –: Werden Sie dieser EU-Richtlinie jetzt zustimmen oder nicht?

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Bundesrätin, die Frage, die Sie stellen, ist prinzipiell eigentlich schon beantwortet. Ich bin nicht zuständig dafür, sondern das Bundeskanzleramt ist in der Frage Vergabe­recht für die Linie zuständig.

Was die Richtlinie anlangt, gibt es jetzt ein paar Verbesserungsvorschläge, die eher in Richtung des Subsidiaritätsprinzips und in Richtung Administration gehen. Daher kann ich jetzt noch nicht abschließend befinden, wie die Richtlinie dann wirklich ausschaut.

Betreffend das, was Sie angesprochen haben, gebe ich Ihnen prinzipiell recht. Es geht darum, nicht den Eindruck zu erwecken, es würde hier eine Privatisierung oder Sonsti­ges unter finanziellen Gesichtspunkten forciert. Nur ist das eine Ressourcen­bewirt­schaftungsfrage, wo auf EU-Ebene Einstimmigkeit erforderlich wäre, daher ist dieses Vorhaben vom Thema Konzessionsrichtlinie an sich nicht erfasst.

Dass privates Wasser auch jetzt schon abgefüllt und verkauft wird und selbst der Herr Strache gesagt hat, das könnte ein Geschäftsfeld werden, das ist der Fall. Vom Mineralwasser angefangen bis zu sonstigen Quellen ist jetzt laufend davon die Rede, und das wird über Jahrzehnte praktiziert. Ich finde das ja auch durchaus sinnvoll.

Auf der anderen Seite sollte man nicht außer Acht lassen, dass es da jetzt ja nicht um die Quellen geht. Meistens geht es um das Leitungssystem und die technischen Bauten (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!), die eben zur Abwicklung der Wasser­versorgung zur Verfügung stehen. Das war die Frage der Privatisierung, aber die Privatisierung der Quellen war nicht damit verbunden. Daher wird diesbezüglich leider nicht differenziert diskutiert, was in der Sache durchaus geboten wäre. (Bundesrat Mag. Klug: Versorgung, Versorgung!)

 


Präsident Edgar Mayer: Die Fragestunde ist beendet.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.30.08Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz (den Vorsitz übernehmend): Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2716/AB bis 2720/AB beziehungsweise


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 37

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bunderates unterliegt, sowie

jener Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG, Frau Landtags­präsidentin Dr. Gabriele Nußbaumer sowie Herrn Landesrat Dr. Wolfgang Waldner dem Rat der EU als stellvertretende Mitglieder des Ausschusses der Regionen vorzuschlagen beziehungsweise Frau MMag. Karin Rysavy als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank zu benennen und Herrn Dr. Viktor Kreuschitz als neuen österreichischen Richter des Gerichts der EU zu nominieren, sowie

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen mit Brasilien über die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur beziehungsweise über das Protokoll Nr. 16 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert wird (2104/A und 2019/NR der Beilagen)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Vorschläge für Nominierungen gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                    WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

Herrn Präsident des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG

Parlament

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

                                                                                                                     Wien, am 21. Dezember 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung im Rahmen der 170. Sitzung des Ministerrates am 18. Dezember 2012 beschlossen hat, Frau Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Nußbaumer dem Rat der


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 38

Europäischen Union gemäß Art. 23c Abs. 1 B-VG als stellvertretendes österreichisches Mitglied des Ausschusses der Regionen (AdR) vorzuschlagen.

Ihre Vorgängerin im AdR, Frau Dr. Bernadette Mennel, wurde am 14. November 2012 als Mitglied in die Vorarlberger Landesregierung gewählt und hat in Folge dem Generalsekretär des AdR mitgeteilt, dass dadurch auch ihre Funktion als Landtags­präsidentin und damit das ihrer Bestellung als stellvertretendes Mitglied beim AdR zugrunde liegende Mandat geendet habe. Die Vorarlberger Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 27. November 2012 beschlossen, der Bundesregierung an ihrer Stelle die am 14. November als Landtagspräsidentin gewählte Frau Dr. Gabriele Nußbaumer zum stellvertretenden Mitglied im AdR vorzuschlagen. Dies wurde dem Bundes­kanzleramt mit dem am 29. November 2012 eingelangten Schreiben gemäß Art. 23c Abs. 4 B-VG mitgeteilt.

Die Ernennung eines stellvertretenden Mitglieds des AdR erfolgt durch den Rat der EU mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 305 UAbs. 3 AEUV aufgrund der mitglied­staatlichen Nominierung.

Die vorliegende Nominierung von Frau Landtagspräsidentin Dr. Nußbaumer wird dem Generalsekretariat des Rates im Wege des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zur weiteren Durchführung des Verfahrens zugeleitet. Mit der Ernennung von Frau Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Nußbaumer kann im Laufe des kommenden Jänner gerechnet werden.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Beilagen“

„BUNDESKANZLERAMT-BUNDESKANZLER

GZ 351.000/0049-1/4/12

Pkt. 8 des Beschl.Prot. 170

170. Sitzung des Ministerrates am 18. Dezember 2012

8. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.828/0028-IV/5/12, betr. Nominierung von

Landtagspräsidentin Dr. Gabriele NUSSBAUMER als stellvertretendes Mitglied in Nachfolge von Dr. Bernadette MENNEL im Ausschuss der Regionen.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

                                                                                                                            Wien, 18. Dezember 2012

                                                                                                                                                Mag. LEITNER“

*****

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                    WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

Herrn Präsident des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG

Parlament

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 39

                                                                                                                     Wien, am 21. Dezember 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Entsprechend Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass der Ministerrat im Sinne der diesbezüglich gemäß Art. 23c Abs. 2 B-VG stattgefundenen Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien in seiner 170. Sitzung am 18. Dezember 2012 beschlossen hat - die Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vorausgesetzt - Frau MMag. Karin Rysavy als stellvertretendes Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank zu benennen.

Mit freundlichen Grüßen

Beilagen“

„BUNDESKANZLERAMT-BUNDESKANZLER

GZ 351.000/0049-1/4/12

Pkt. 7 des Beschl.Prot. 170

170. Sitzung des Ministerrates am 18. Dezember 2012

7. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.828/0023-IV/5/12, betr. Nominierung von

MMag. Karin RYSAVY als stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der Euro­pä­ischen Investitionsbank (EIB).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

                                                                                                                            Wien, 18. Dezember 2012

                                                                                                                                                Mag. LEITNER“

*****

                                                                                                                                  „WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

Herrn Präsident des Bundesrates

Georg KEUSCHNiGG

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                               Wien, am 14, Dezember 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass die Bun­desregierung im Rahmen der 168. Sitzung des Ministerrates am 4. Dezember 2012 (unter TOP 7) beschlossen hat, Herrn Landesrat Dr. Wolfgang WALDNER, Mitglied der Kärntner Landesregierung, als stellvertretendes österreichisches Mitglied des Aus­schus­ses der Regionen gemäß Art. 23c Abs. 1 B-VG dem Rat der Europäischen Union vorzuschlagen.

Sein Vorgänger, Herr Landesrat Mag. Achill RUMPOLD, hat mit E-Mail vom 6. Novem­ber 2012 den Generalsekretär des Ausschusses der Regionen über sein Ausscheiden aus der Kärntner Landesregierung informiert. Dies wurde dem Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 16. November 2012 durch Herrn Landeshauptmann Gerhard DÖRFLER mitgeteilt und um Nominierung von Herrn Landesrat Dr. Wolfgang WALDNER durch Bundesregierung gemäß Art. 23c Abs. 4 B-VG als Nachfolger von Herrn Mag. RUMPOLD ersucht.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 40

Die Ernennung eines ordentlichen oder eines stellvertretenden Mitglieds des Ausschusses der Regionen erfolgt durch den Rat der EU mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 305 UAbs. 3 AEUV auf Grundlage der jeweiligen mitgliedstaatlichen Nominierung.

Die vorliegende Nominierung wird im Wege des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten dem Ratssekretariat zur weiteren Durchführung des Verfahrens zugeleitet. Mit der Ernennung des Kandidaten kann in den kommenden Wochen gerechnet werden.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Beilagen“

„GZ 351.000/0047-I/4/12

BESCHLUSSPROTOKOLL Nr. 168

über die Sitzung des Ministerrates am 4. Dezember 2012

1. Der Ministerrat genehmigt das Beschlussprotokoll Nr. 167 und beschließt, die Tagesordnung um die Punkte 17 bis 20 zu erweitern.

2. Der Ministerrat nimmt von den ihm vorliegenden Mitteilungen und Resolutionen 1 bis 12 Kenntnis.

3. Personalangelegenheiten (siehe Beilage).

Alle Anträge werden angenommen.

4. Berichte von Ratssitzungen.

4.1 Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten, ZI. EU.3.18.48/0064-111.2/12, betr. Tagung des Rates Auswärtige Angelegenheiten (einschließlich Verteidigung) am 19. November 2012 und des Rates Allgemeine Angelegenheiten am 20. November 2012 in Brüssel.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

4.2 Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport, ZI. S91150/31 - PMVD/12, betr. Rat für Auswärtige Angelegenheiten im Format der Verteidigungs­minister bzw. 52. Sitzung des Lenkungsausschusses der Europäischen Verteidigungs­agentur am 19. November 2012 in Brüssel.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

5. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 651.558/0005-V/2/12, betr. Gesetzesbeschluss des Vorarlberger Landtages vom 5. Oktober 2012 betreffend ein Landesgesetz über eine Änderung des Bezügegesetzes 1998.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

6. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 604.279/0039-V/5/12, betr. § 76 Abs. 2a Z 6

Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/ 2011; Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G 92/12 und G 94/12.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

7. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.828/0024-IV/5/12, betr. Rücktritt des öster­reichischen Mitgliedes Mag. Achill RUMPOLD; Neunominierung von Landesrat Dr. Wolfgang WALDNER als österreichisches Mitglied des Ausschusses der Regionen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 41

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

8. Bericht der Bundesministerin für Justiz, ZI. EU15.007/0018-EU/12, betr. 31. Justiz­ministerkonferenz des Europarates vom 19. bis 21. September 2012 in Wien.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

9. Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten, ZI. GE.4.36.05/0012-IV.1/12, betr. Protokoll zwischen der Österreichischen Bundes­regierung und der Regierung von Georgien über die Umsetzung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Georgien über die Rücknahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt; Unterzeichnung und Inkraftsetzung. Der Ministerrat be­schließt im Sinne des Antrages.

10. Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten, ZI. UN.3.18.73/0053-111.6/12, betr. Entsendung einer österreichischen Delegation zur 31. Sitzung des Exekutivorgans des Übereinkommens über weiträumige grenzüber­schreitende Luftverunreinigung vom 11. bis 13. Dezember 2012 in Genf.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

11. Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten, ZI. UN.8.19.14/0038-1.2c/12, betr. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen; Entsendung einer österreichischen Delegation zur Sondersitzung der Vertragsstaaten am 19. Dezember 2012 in New York.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

12. Bericht des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, ZI. 462.503/0001-VII/B/8/12, betr. Verordnung der Bundesregierung über den Aufwandersatz von gesetzlichen Interessenvertretungen und kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigungen in Arbeitsrechtssachen (Aufwandersatzverordnung).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

13. Bericht der Bundesministerin für Justiz, ZI. Z7.052/0009-1/2/12, betr. Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unter­neh­mens­gesetzbuch, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Zah­lungsverzugsgesetz).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

14. Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport nomine der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, ZI. 210/805/0047-IV/ SCH1/12, betr. Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte erlassen und das Eisenbahnge­setz 1957 geändert wird.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

15. Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport nomine der Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, ZI. 161.000/0004-IV/ST5 /12, betr. Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (25. Straßenverkehrsordnungs-Novelle).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

16. Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport nomine der Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, ZI. 324.100/0005-IV/ST3 /12, betr. Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesstraßengesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 42

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

17. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 354.500/0008-1/4/12, betr. Unabhängiger Parteien-Transparenz-Senat; Antrag auf Ernennung der Mitglieder.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

18. Bericht des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz,

ZI. 434.001/0381-VI/S/6/12, betr. Arbeitsmarktlage im Monat November 2012. Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

19. Bericht der Bundesministerin für Inneres, ZI. LR1310/0009-lll/1/c/12, betr. Entwurf einer Verordnung der Bundesregierung, mit der die Anzahl der quotenpflichtigen Aufenthaltstitel und die Höchstzahlen der Beschäftigungsbewilligungen für befristet beschäftigte Fremde und Erntehelfer für das Jahr 2013 festgelegt werden (Nieder­lassungsverordnung 2013).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

20. Bericht der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, ZI. BMS1000/0037- MinBüro Dr. Schmied/12, betr. Bericht zu den weiteren Schritten der Bildungsreform: Stand das Ausbaues der schulischen Tagesbetreuung und nächste Offensivmaß­nahmen; tägliche Bewegungseinheit; Erarbeitung einer Entscheidungsgrundlage zum Umsetzung des Ethikunterrichts; Vorbereitung von Pilotversuchen "Umfassende Sprachförderung".

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.“

*****

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                    WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

Herrn

Edgar MAYER

Präsident des Bundesrates

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 3

1017 WIEN

                                                                                                                           Wien, am 18. Jänner 2013

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass der Ministerrat im Rahmen seiner 172. Sitzung am 15. Jänner 2013 beschlossen hat, Herrn Dr. Viktor KREUSCHITZ als neuen österreichischen Richter des Gerichts der Europäischen Union für den Zeitraum vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2016 zu nomi­nieren. Die Nominierung erfolgte an Stelle des bisherigen österreichischen Mitglieds des Gerichts der Europäischen Union, Herrn Dr. Josef AZIZI. Der Beschluss erfolgt entsprechend den gemäß Art. 23c Abs. 2 B-VG mit dem Nationalrat vorab durch­geführten Konsultationen. Zur rechtlichen Wirksamkeit der Nominierung bedarf es noch der Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates.

Mit freundlichen Grüßen

3 Beilagen“

„GZ 351.000/0002-I/4/13


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 43

BESCHLUSSPROTOKOLL Nr. 172

über die Sitzung des Ministerrates am 15. Jänner 2013

1. Der Ministerrat genehmigt das Beschlussprotokoll Nr. 171 und beschließt, die Tagesordnung um Punkt 13 zu erweitern.

2. Der Ministerrat nimmt von den ihm vorliegenden Mitteilungen und Resolutionen 1 bis 9 Kenntnis.

3. Personalangelegenheiten (siehe Beilage).

Alle Anträge werden angenommen.

4. Berichte von Ratssitzungen.

4.1 Gemeinsamer Bericht der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz, ZI. LR2230/0131-1/7/12, betr. Tagung des Rates der Justiz- und Innen­minister am 6. und 7. Dezember 2012 in Brüssel.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

5. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 610.011/0005-V/4/12, betr. Publizistikförderung I; Feststellung der Förderungswürdigkeit und Zuweisung von Grundbeträgen für das Finanzjahr 2013.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

6. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 351.430/0035-1/4/12, betr. Rechnungshof; Ver­fahrenskonzentration bei Umweltverträglichkeitsprüfungen auf Ebene des Bundes und der Länder; Forschungsstrategien der Bundesländer; Schulgemeindeverbände als Erhalter allgemein bildender Pflichtschulen; Bauvorhaben Strandbad Großegg am Millstätter See (Reihe Kärnten 2012/5).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

7. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 351.430/0036-1/4/12, betr. Rechnungshof; Verfah­renskonzentration bei Umweltverträglichkeitsprüfungen auf Ebene des Bundes und der Länder; Forschungsstrategien der Bundesländer; Finanzierungsinstrumente der Ge­biets­körperschaften in den Ländern Burgenland und Salzburg

Follow-up-Überprüfung; Schulgemeindeverbände als Erhalter allgemein bildender Pflichtschulen (Reihe Burgenland 2012/4).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

8. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 351.430/0028-1/4/12, betr. Rechnungshof; Verfah­renskonzentration bei UmweltVerträglichkeitsprüfungen auf Ebene des Bundes und der Länder; Forschungsstrategien der Bundesländer; Finanzierungsinstrumente der Gebietskörperschaften in den Ländern Burgenland und Salzburg

Follow-up-Überprüfung; Qualitätssicherheitsmaßnahmen in der Patientenbehandlung im Landeskrankenhaus Salzburg sowie in den Krankenhäusern Schwarzach und Hallein (Reihe Salzburg 2012/9).

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

9. Bericht des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, ZI. 40.101/0001-IV/9/13, betr. Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Ver­brechensopfergesetz geändert wird.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 44

10. Bericht des Bundesministers für Gesundheit, ZI. 71.100/0007-I/B/12/12, betr. Abschluss einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG betreffend Zielsteuerung-Gesundheit und einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheits­wesens, BGBl. I Nr. 105/2008, geändert wird.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

11. Bericht der Bundesministerin für Justiz, ZI. EU15.402/0052-EU/12, betr. die Reise vom 27. Oktober bis 3. November 2012 nach Brasilien, Uruguay und Argentinien.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

12. Bericht der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, ZI. 722/0035-111/12, betr. Inanspruchnahme des Zeitkontomodells; Bericht 2012.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

13. Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für euro­päische und internationale Angelegenheiten, ZI. 405.828/0002-VI/5/13, betr. Rücktritt des österreichischen Richters Dr. Josef AZIZI am Gericht der Europäischen Union mit 1. September 2013; Nominierung des Nachfolgers Dr. Viktor KREUSCHITZ.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.“

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG

Parlament,

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                   20. Dezember 2012

                                                                                                  GZ: BMeiA-BR.8.33.02/0001-I.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass auf Grund des Vorschlages der Bundesregierung vom 11. Dezember 2012 (Pkt. 11 des Beschl.Prot. Nr. 169) der Herr Bundespräsident am 13. Dezember 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föde­rativen Republik Brasilien über die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wis­senschaft und Kultur erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest­möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 45

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-BR.5.26.41/0007-V.1/2012

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur; Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Auf brasilianischer Seite besteht Interesse, Studierende an österreichische Univer­sitäten zu entsenden. Dies ist auch im österreichischen Interesse. Für die Heran­ziehung von Mitteln aus dem brasilianischen Stipendienprogramm ist allerdings als rechtliche Basis ein bilaterales Abkommen erforderlich. Von brasilianischer Seite wurde das Interesse an dem Abschluss eines Abkommens in den Bereichen Wissenschaft und Bildung bekundet. Dem entsprechend liegt auch von brasilianischer Seite ein Textvorschlag in den Bereichen Wissenschaft und Bildung vor, der in der Folge in der bearbeiteten Fassung vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung u.a. um einen allgemeinen Artikel zu Kultur erweitert wurde.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Ges. Dr. Hans Martin Windisch-Grätz                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Mag. Martina Maschke                   Bundesministerium für Unterricht, Kunst

Stellvertretende Delegationsleiterin                                                                                     und Kultur

Abteilungsleiter Dr. Christoph Ramoser              Bundesministerium für Wissenschaft und

Experte                                                                                                                                           Forschung

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird voraussichtlich keine finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur und dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur zu bevollmächtigen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 46

Wien, am 5. Dezember 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Edgar MAYER

Parlament,

Karl Renner Ring 1-3                                                                                                    07. Jänner 2013

1017 Wien                                                                              GZ: BMeiA-E1.8.33.02/0005-I.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 18. Dezember 2012 (Pkt. 15 des Beschl.Prot. Nr. 170) der Herr Bundespräsident am 20. Dezember 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über das Protokoll Nr. 16 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-E1.8.19.06/0013-I.7/2012

Protokoll Nr. 16 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfrei­heiten; Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

In den vergangenen 15 Jahren hat die Zahl der Beschwerden an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sehr stark zugenommen. Derzeit sind rund 144.000 Beschwerden anhängig.

Mit dem 14. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das am 1. Juni 2010 in Kraft getreten ist, wurden Maßnahmen getroffen, die – gemein­sam mit internen Reformschritten am EGMR - zu einer Erhöhung der Zahl der Ent­scheidungen des EGMR geführt haben. Dennoch wurden die bereits erreichten Verbesserungen von einigen Staaten als unzureichend angesehen. Aus diesem Grund wurde mit Konferenzen in Interlaken im Jahr 2010 und in Izmir im Jahr 2011 ein neuerlicher Reformprozess eingeleitet, der durch die Brighton-Erklärung, die im Rah­men der Konferenz von Brighton am 20. April 2012 angenommen wurde, einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Österreich hat sich in den EGMR-Reformdiskussionen seit jeher erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Recht des Einzelnen auf eine richterliche Entscheidung des EGMR und die Unabhängigkeit des EGMR nicht in Frage gestellt werden. Dies konnte


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 47

auch im Rahmen der Brighton-Erklärung sichergestellt werden. Diese sieht im Wesentlichen vor, dass Entwürfe für ein Zusatz- bzw. ein Fakultativprotokoll zur EMRK bis Ende 2013 ausgearbeitet werden sollen, streicht zugleich aber hervor, dass vorrangig die Bemühungen der Staaten verstärkt werden müssen, den mit der EMRK übernommenen Verpflichtungen bestmöglich nachzukommen und vor allem die Urteile des EGMR zügig umzusetzen.

Ein Zusatzprotokoll (Protokoll Nr. 15) wird die von der Brighton-Erklärung in Aussicht genommenen Änderungen der EMRK regeln (Beschluss der Bundesregierung über die Verhandlungsaufnahme, Pkt. 8 des Beschl.Prot. Nr. 158). Das gemäß Punkt 12d der Brighton Erklärung zu verhandelnde Fakultativprotokoll (Protokoll Nr. 16) soll hingegen den Vertragsstaaten der EMRK ermöglichen, den EGMR im Rahmen eines Gutachten­verfahrens mit der Interpretation der Konvention zu befassen. Die Idee des Gutachten­verfahrens stellt eine Ergänzung zu dem schon jetzt vom EGMR praktizierten Piloturteils-Verfahren nach Art. 61 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dar.

Das Protokoll Nr. 16 wird voraussichtlich für sein Inkrafttreten der Ratifikation bzw. der Annahme durch zehn Vertragsstaaten der EMRK bedürfen; es kann somit (für andere Staaten) auch ohne österreichische Ratifikation in Kraft treten. Österreich nimmt als Vertragspartei der EMRK an den Verhandlungen über dieses Protokoll teil; die österreichische Verhandlungsdelegation soll vom Ständigen Vertreter Österreichs beim Europarat in Straßburg, Botschafter Thomas Hajnoczi, geleitet werden. Die Teilnahme an den Verhandlungen präjudiziert die Entscheidung Österreichs über eine mögliche Ratifikation des Protokolls nicht.

Das geplante Protokoll Nr. 16 wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen. Der Verfas­sungsrang der EMRK wird dabei entsprechend zu berücksichtigen sein.

Sofern die Verhandlungen über das Fakultativprotokoll mit finanziellen Auswirkungen verbunden sind, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung ge­stellten Mitteln bedeckt.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Thomas Hajnoczi zur Leitung der Verhandlungen über das Protokoll Nr. 16 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu bevoll­mäch­tigen.

Wien, am 12. Dezember 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Darüber hinaus gebe ich bekannt, dass die Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend jeweils den Aufenthalt 


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 48

der Bundesministerin für Finanzen Dr. Maria Fekter vom 1. bis 10. Februar 2013 außerhalb des EU-Raumes bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berla­ko­vich mit ihrer Vertretung und

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer vom 5. bis 8. Februar 2013 in New York bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundes­ministers für Gesundheit Alois Stöger mit seiner Vertretung sowie

der Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner am 7. Februar 2013 außer­halb des EU-Raumes bei gleichzeitiger Beauftragung des Staatssekretärs Sebastian Kurz mit ihrer Vertretung eingelangt sind.

*****

Eingelangt sind die nachstehend genannten Berichte, die wie folgt zur Vorberatung in den Ausschüssen zugewiesen wurden:

die Jahresvorschau des BMG 2013 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2013 und des Programms des Rates, zugewiesen dem Gesundheitsausschuss,

der Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2013; Achtzehn­monatsprogramm des irischen, litauischen und griechischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union, zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten,

die EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2013, Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend, zugewiesen dem Wirtschaftsausschuss,

die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technolo­gie 2013 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates, zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie,

der Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2013 und zum Achtzehnmonatsprogramm des Rates für 2013/2014 gemäß Artikel 23f Abs. 2 B-VG und § 7 EU-Informationsgesetz, zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus,

der Jahresbericht 2013 gemäß Artikel 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für 2013 sowie des Achtzehnmonats­pro­gramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes, zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz,

die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Justiz auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2013 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes, zugewiesen dem Justizausschuss, sowie

der Nationale Bildungsbericht Österreich 2012, zugewiesen dem Ausschuss für Unter­richt, Kunst und Kultur.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 49

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesrätin­nen und Bundesräten Edgar Mayer, Mag. Susanne Kurz, Gottfried Kneifel, Mag. Ge­rald Klug, Monika Mühlwerth und Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Selbständige Antrag 192/A-BR/2013 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäfts­ord­nung des Bundesrates zum Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ eingebracht wurde.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Mayer, Mag. Kurz, Kneifel, Mag. Klug, Mühlwerth, Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen, den gegenständlichen Antrag 192/A-BR/2013 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorbera­tung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bundesräte Mayer, Mag. Kurz, Kneifel, Mag. Klug, Mühlwerth, Kerschbaum, Kollegin­nen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, den Antrag 192/A-BR/2013 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 192/A-BR/2013 ergänzen und als 19. und somit letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abge­schlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und den Selbständigen Antrag 192/A-BR/2013 der Bundesräte Mayer, Mag. Kurz, Kneifel, Mag. Klug, Mühl­werth, Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen zum Thema „Mehr direkte Demo­kratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 5 und 6 sowie 8 bis 12 jeweils unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 50

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Demonstrationen rund um den ersten Wiener Akademikerball an die Frau Bundesministerin für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.37.121. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Sicherheitskontrollsystems, die Sicherung von Kern­material und Anlagen und über die Ausfuhrkontrolle zur Gewährleistung der friedlichen Verwendung der Atomenergie (Sicherheitskontrollgesetz 2013 – SKG 2013) (1937 d.B. und 2065 d.B. sowie 8888/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Außenwirtschaftsgesetz 2011 geändert wird (2140/A und 2068 d.B. sowie 8889/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und kommen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Perhab. Bitte um die Berichte.

 


10.37.34

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Sicherheitskontroll­systems, die Sicherung von Kernmaterial und Anlagen und über die Ausfuhrkontrolle zur Gewährleistung der friedlichen Verwendung der Atomenergie, Sicherheitskon­trollgesetz 2013.

Meine Damen und Herren, der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 2: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Außenwirtschaftsgesetz 2011 geändert wird.

Der Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 51

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


10.38.42

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dem Sicherheitskontrollgesetz, also dem Gesetz „über die Einrichtung eines Sicher­heits­kontrollsystems, die Sicherung von Kernmaterial und Anlagen und über die Aus­fuhrkontrolle zur Gewährleistung der friedlichen Verwendung der Atomenergie“ nicht zustimmen, weil es unserer Meinung nach keine Gewährleistung einer friedlichen Verwendung der Atomenergie geben kann, weil es keine friedliche Verwendung der Atomenergie gibt. – Ich möchte Ihnen noch kurz erläutern, warum wir dieser Ansicht sind.

Sie haben in einer Anfragebeantwortung an die Kollegin Brunner erwähnt, die Ver­wendung von Kernmaterial in AKWs wäre eine friedliche Anwendung. Aber wenn man genau darüber nachdenkt, so glaube ich, ist auch Ihnen eines klar: Es ist von der Wiege bis zur Bahre von Frieden in dem Bereich nichts sichtbar. Wir wissen genau, wie das bei Uranabbau läuft, ob das jetzt in Tschechien ist, wo gestritten wird und Leute mehr oder weniger nicht unbedingt glücklich sind, wenn sie dann die Grund­wasservergiftung aufgrund von Uranförderungen haben, oder Südafrika. Wir wissen also, es gibt nicht sehr viel Friedliches in dem Bereich.

Allzu viel Friedliches gibt es auch nicht beim Betrieb von AKWs. Wir wissen, wenn irgendwann einmal doch etwas passieren sollte – auch wenn das Risiko sehr klein ist, ist es vorhanden –, dann ist es alles andere als friedlich. Und betreffend Endlagerung ist uns auch bekannt, dass es in Wirklichkeit kein System gibt, nirgendwo ausgetestet sein kann, wie man das Material über Hunderttausende Jahre sicher lagern kann.

Das sind noch ungeklärte Fragen, die uns allen bewusst sind. Wir Österreicher sagen ja, wir wollen die Nutzung der Kernenergie nicht, auch nicht in einer friedlichen Form, und meiner Meinung nach gibt es eben diese friedliche Form nicht.

Dann muss man sich auch anschauen, wie denn in den weiter entfernt, aber auch in den näher liegenden Staaten mit AKW-GegnerInnen umgegangen wird: Weißrussische AKW-GegnerInnen werden über Wochen eingesperrt, des Landes verwiesen. Es gibt in Indien Proteste, wo Hunderte Leute festgenommen werden – eine dieser Hunderten ist im Gefängnis gestorben. In Japan sind ebenfalls Menschen verhaftet worden, die gegen die Verbrennung von Fukushima-Schrott protestiert haben. Und selbst in Deutschland oder Frankreich kommt es immer wieder vor, dass Menschen einfach festgenommen werden, wenn sie ihren Protest gegen die friedliche oder unfriedliche Nutzung der Atomenergie kundtun.

Wir Grünen sind der Meinung, es gibt keine friedliche Nutzung der Kernenergie, also auch keine erlaubten Exporte österreichischer Firmen an Betreiber von AKWs für die Nutzung in diesen AKWs. Diesbezüglich hat die Kollegin Brunner eine Anfrage gestellt und wollte von Ihnen wissen, wie viele Exporte es da überhaupt gibt, um welche Summen es geht, um welche Firmen und um welches Material. – Das Einzige, was sie als Antwort bekommen hat, war die Anzahl der Exporte pro Jahr.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 52

Das ist nicht üppig; 2002 war es gar nichts, und 2012 sind 15 Exporte genehmigt wor­den. Aber wenn man sich anschaut, dass alles andere streng geheim ist, dann erinnert das weniger an Datenschutz, sondern eher an ein Militärgeheimnis – und insofern wieder einmal: keine friedliche Nutzung.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass laut § 16 des österreichischen Atomhaftungs-gesetzes auch Zulieferer, sprich Personen, die dem Betriebsunternehmer – also einem AKW-Betreiber – Sachen geliefert oder Dienstleistungen erbracht haben, belangt werden können, wenn etwas passiert – was wir ja alle ausschließen wollen, aber es könnte ja trotzdem sein. Das heißt, genau die Firmen, die da exportieren, könnten im Schadensfall – zumindest in Österreich – belangt werden.

Da stelle ich mir die Frage, ob sich die, die da exportieren, dessen bewusst sind, dass sie belangt werden könnten. Und die zweite Frage ist: Wenn wir jetzt ein nach unserer Meinung schon sehr gutes Atomhaftungsgesetz haben, wenn jetzt die Daten so streng geheim sind, wie kann man sie belangen, wenn wir nicht einmal wissen, wer sie sind?

Prinzipiell möchte ich schon betonen, Österreich hat 1978 zur Nutzung der Atomkraft Nein gesagt. Es gibt sehr viele Länder und sehr viele Menschen in diesen Ländern, die uns um diese Entscheidung beneiden. Auch wenn es einiges mit dem damaligen Bun-deskanzler Kreisky zu tun hatte, glaube ich dennoch, dass für viele Menschen, die damals dagegen gestimmt haben, in erster Linie die Tatsache, dass es keine friedliche Nutzung der Atomkraft gibt, ausschlaggebend war.

Wir haben jetzt europaweit, eigentlich fast weltweit einen Ruf – viele AKW-Gegner begrüßen es immer wieder, dass sich Österreich in dem Bereich engagiert –, den wir, meiner Meinung nach, nicht verlieren sollten. Diesen Anti-AKW-Konsens, den wir im Land haben, den würde ich Sie bitten, nicht aufzuweichen. Ich weiß schon, dass es auch jetzt prinzipiell die Möglichkeit gibt und es um eine Änderung ginge, die wir hier durchsetzen wollen. Aber es ist einfach so, diese Exporte in dem Bereich, den Sie hier angeführt haben, sprich Güter und Waren für Atomkraftwerke, sind in den letzten Jahren eindeutig gestiegen. Es sind nicht viele, aber sie sind eindeutig steigend.

Ich würde Sie bitten, dass Sie den Anti-Atomkonsens, den wir in Österreich haben, nicht weiter aufweichen, indem wir Atomstrom importieren und gleichzeitig Material für AKWs exportieren. Von einem welt- und europaweiten Ausstieg aus der Atomkraft – den wir uns alle wünschen, glaube ich – würden österreichische Firmen sicher weitaus mehr profitieren, als diese nicht näher definierten Firmen von den 15 nicht näher definierten Exporten, die Sie dann bewilligen müssen, die dann letztendlich dem Ausbau der Atomkraft zugutekommen.

Das ist der Grund, warum wir heute nicht zustimmen. Ich würde Sie bitten, das doch voranzutreiben, dass diese Exporte zumindest wieder reduziert werden und nicht weiter ansteigen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


10.45.26

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kerschbaum, Sie haben ja jetzt ein sehr breites Spektrum abgedeckt, von Indien bis zum Uranabbau.

Das Sicherheitskontrollgesetz dient zur Anpassung der österreichischen Rechtslage an die neuen völkerrechtlichen und europarechtlichen Erfordernisse und umfasst drei Bereiche, nämlich die Überwachung der friedlichen Nutzung von Kernmaterial, die


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Ausfuhrkontrolle und den Objektschutz. Dieses Gesetz verhindert ja, dass sich öster­reichische Unternehmen an Waffenprogrammen anderer Länder beteiligen.

Es hat natürlich nichts damit zu tun, dass österreichische Unternehmen beim Bau von Kernkraftwerken beteiligt sein können. Das würde auch keinen Sinn ergeben, weil solche Betriebe in der Regel international aufgestellt sind und es für sie keinen Unterschied macht, ob sie das von Österreich aus betreiben oder vom Ausland. Aber trotzdem wird der Anti-Atomkonsens Österreichs natürlich nicht in Frage gestellt.

Zur Änderung im Außenwirtschaftsgesetz: Hier geht es darum, dass die Übernahme von Betrieben, die im Bereich der Daseinsvorsorge und der Krisenvorsorge tätig sind, durch Angehörige von Drittstaaten genehmigungspflichtig, also geregelt ist. Beteili­gungen über 25 Prozent können eventuell auch unterbunden werden.

Dazu zählen die Bereiche Wasserversorgung, Energie, Infrastruktur und Gesundheit. Das Thema Wasser haben wir heute schon ausführlich abgehandelt. Mir fällt nur immer wieder auf, dass Wasser und Wahlkampf irgendwie einen kausalen Zusammenhang haben müssen, denn immer wenn Wahlen vor der Tür stehen, dann wird bei uns auch über das Wasser diskutiert.

Diese Novelle ist eine wichtige Novelle, die zwar einen Eingriff in die Marktwirtschaft darstellt, aber sie sichert die Unabhängigkeit der europäischen Staaten und vor allem Österreichs. (Beifall bei der ÖVP.)

10.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


10.47.36

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Weil Sie gerade gesagt haben, dass an der Herstellung von Atombomben oder bei Nuklearwaffenprogrammen keine österreichischen Firmen beteiligt wären, möchte ich diesen Tagesordnungspunkt schon auch zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass es vor drei Monaten vor allem international Schlag­zeilen gab – die hier in Österreich eigentlich gar nicht diskutiert worden sind, es waren eher Randnotizen, man wollte das schnell wieder aus den Medien verschwinden sehen –, die aus meiner Sicht diesen Anti-Atomkonsens, wie wir ihn sehen und wie wir ihn haben, tatsächlich in Frage stellen.

Es gibt bekanntlich einen Staat, der völlig ohne internationale Kontrolle an einem Nuklearwaffenprogramm arbeitet, angeblich zur friedlichen Nutzung – Frau Kollegin Kerschbaum hat schon gesagt, dass eine friedliche Nutzung der Atomenergie de facto nicht möglich ist –, und das ist der Iran. Und der Iran, der ja bekanntlich einen Präsidenten hat, der das Existenzrecht manch eines Staates in Frage stellt, den Holocaust leugnet, Frauen unterdrückt, religiöse und ethnische Minderheiten verfolgt – zum Beispiel die Bahai –, Lesben und Schwule staatlich töten lässt, dieser Staat mit einem Mullah-Regime arbeitet bekanntlich an einem Nuklearprogramm.

Wien scheint tatsächlich eine ganz zentrale Rolle in diesem Atomprogramm zu spielen, wie wir im November in Zeitungen wie „Financial Times“ oder „Jerusalem Post“ nachlesen konnten – man muss dann manchmal schon internationale Zeitungen lesen, um festzustellen, dass hier etwas los ist.

Ein Mitarbeiter von Mahmud Ahmadinedschad, dem iranischen Präsidenten, reiste öfter nach Wien und hat hier Millionen verschoben – es wäre also schon eine Frage, ob die österreichischen Banken nicht doch auch an Nuklearprogrammen beteiligt sind. Wir haben es der britischen Zeitung „The Daily Telegraph“ zu verdanken, dass Ende Oktober aufkam, dass dieser iranische Abteilungsleiter im Zentrum für Innovation und


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Technologie-Kooperation – so heißt diese Institution – zweimal nach Wien gereist sei, um hier Transaktionen in Millionenhöhe durchzuführen. Und in diesem Finanznetzwerk, bei diesen Kontenüberweisungen ging es eindeutig um den Erwerb von Materialien, Technologien und so weiter, die für das Nuklearprogramm Irans wichtig seien.

Es gibt Geldwäsche-Vorwürfe gegen Österreich. Auf Anfrage – in dem Fall waren es israelische Journalisten – hat das Innenministerium geantwortet, dass derzeit keine Ermittlungen laufen würden und die Ergebnisse des Verfassungsschutzes nicht öffent­lich wären.

Ich finde es schon erstaunlich, dass bei so einer Grundfrage und bei einem Atomkonsens, den es angeblich gibt, die Ergebnisse in diesem Fall nicht öffentlich sind, die österreichische Öffentlichkeit nichts darüber erfährt, ob in Wien ein Haupt­finanzplatz des iranischen Regimes ist, um am Nuklearprogramm zu arbeiten. Das widerspricht aus unserer Sicht in erheblichem Ausmaß diesem Anti-Atomkonsens.

Gleichzeitig können iranische Studenten/Studentinnen, die in Wien leben, kein Konto eröffnen, um die Miete zu überweisen oder, wenn sie einen Job haben, wo das Geld hinüberwiesen wird. Da gab es Medienberichte, die sind bekannt. Aufgrund ihrer iranischen Staatsbürgerschaft durften sie kein Konto eröffnen. Das iranische Regime darf das offensichtlich.

Da gibt es eine Schieflage, die ich unbedingt auch einmal loswerden wollte, da sie sehr wohl mit diesem Tagesordnungspunkt zu tun hat. (Beifall bei den Grünen.)

10.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


10.52.21

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es hat natürlich einen gewissen Charme, dass ich mich jetzt mit der anbrandenden Kritik der grünen Fraktion auseinandersetzen muss. Aber ich tue das gern. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Köberl: Alles hat seinen Preis!) – Hören Sie einmal zu, bevor Sie sich gleich so aktiv in eine Debatte ein­mischen. Sie können das ja nach ein paar Sätzen tun, aber die Chance auf ein paar Sätze als Diskussionsgrundlage sollte man schon zulassen. (Bundesrätin Michalke: Das stimmt!)

Keine Frage ist – nur um diese Frage geht es nicht in diesem Gesetz, das wir hier diskutieren –, dass die ganze Welt über das Atomprogramm des Ahmadinedschad im Iran schockiert ist.

Keine Frage ist, dass wir internationale Sanktionen gegen ein Regime ergreifen müs­sen, das höchst gefährlich agiert, das keine Menschenrechte achtet, das keine Frauen­rechte achtet, das keine gesellschaftliche Vielfalt zulässt und das aktiv an der De­sta­bilisierung anderer Staaten, an der Verfolgung Andersgläubiger und an der bewussten, auch bewaffneten Infiltration anderer Regionen beteiligt ist. – Keine Frage! Aber darum geht es jetzt nicht. Hier haben wir einen völkerrechtlichen Vertrag.

Es stimmt auch: Als Österreich der EU beigetreten ist, sind wir auch dem Euratom beigetreten, mit Zweidrittelmehrheit. Und das stammt noch aus einer Zeit, in der die Welt stark an Atom geglaubt hat und Europa auch in diesem Hype drinnen war. Österreich initiierte mit seiner Volksabstimmung damals die große Umkehrung einer internationalen Diskussion, somit ist Zwentendorf eine Trendsetter-Debatte gewesen und hat einen Trend in eine andere Richtung gesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 55

Natürlich gibt es auch heute noch eine ganz starke Atomlobby in Europa. Ich sage nur, bei den Gewinnen pro Atomkraft pro Tag ist das ja klar. Aber was wir brauchen in Europa, ist natürlich dieser Ausstieg. Die Regierung Merkel hat nach Fukushima ein klares Szenario vorgelegt. Jetzt hat der Präsidentenwechsel in Frankreich dazu ge­führt, dass es plötzlich auch in dem „leading land“ pro Atom eine Ausstiegsdebatte gibt. Präsident Hollande hat diese Debatte angestoßen.

Aber wir haben nach wie vor Atomkraftwerke. Und diese völkerrechtliche Vereinbarung und diese EU-rechtlichen Bestimmungen, die wir hier jetzt adaptieren, schaffen ja etwas, was in unserem Sinne ist, nämlich neue Instrumentarien der Sicherheits­kon­trolle: neue Inspektionsrechte für die Internationale Atomenergiebehörde, die Aus­weitung der Regelungen für die Marktbeobachtung.

Und, lieber Marco Schreuder, dass du sagen konntest, wie viele österreichische Fir­men Bauteile geliefert haben, ist etwas, was wir auch hier haben, nämlich eine Ausfuhrkontrolle und eine Ausfuhrgenehmigung. Das ist wichtig, das ist Transparenz in einer Gesellschaft.

Was wir aber brauchen in einer Gesellschaft, die sagt, wir haben einen Anti-Atom­konsens von ganz Rechts über Mittelrechts bis Links, ist eine öffentliche Debatte. Wir müssen auch mit den Firmen eine öffentliche Debatte führen. Wir müssen auch über Alternativen reden. Vielleicht ist es wesentlich wirksamer, nachhaltiger und einträg­licher, dieses Know-how im Bereich der erneuerbaren Energie, der eigentlichen dritten industriellen Revolution, die heute vor der Haustür steht, zu investieren.

Deshalb schaffen wir heute eine Adaptierung dieser EU-rechtlichen und völkerrecht­lichen Bestimmungen, um eben diese Ausfuhrkontrolle, die Sicherheitskontrolle, die Überwachung von Kernmaterial, und nicht nur von Anlagen mit Kernmaterial, sondern auch von relevanten Tätigkeiten, zu ermöglichen.

Ein Staat wie Deutschland, zum Beispiel, steht vor ganz anderen Problemen. Ich habe mir ein Deutsches Bundesgesetzblatt geholt. Allein die atomrechtliche Abfallverbrin­gungs­verordnung in Deutschland, das ist ja unglaublich, womit ein Land zu kämpfen hat, das Atomabfälle produziert: umschlossene Strahlenquellen fallen nicht darunter, abgebrannte Brennelemente sehr wohl. An dem, wie kompliziert das ist, können wir sehen, wie weise die österreichische Bevölkerung war, uns mit einem Nein vor dieser Geißel bewahrt zu haben.

Der zweite Teil ist auch ein ganz wichtiges Gesetz. Es ist das Außenwirtschaftsgesetz, das hier in der Debatte der Fragestunde ein bisschen zu kurz gekommen ist – Kollegin Winzig hat es angeschnitten, ich danke ihr dafür:

Es ist toll, wenn ausländische Unternehmen in Österreich investieren. Wir brauchen das. Es ist gut, wenn österreichische Unternehmen im Ausland investieren. So schaf­fen wir auch ein vernetztes und gemeinsames Wirtschaften. Problematisch wird es, wenn man in strategische Versorgung, in Infrastruktur, in die Daseins- und Krisen­vorsorge investiert.

Dieses Außenwirtschaftsgesetz, das wir heute beschließen, wird gar nicht so geliebt in Brüssel, sagen wir es einmal ganz ehrlich – der Herr Minister nickt schon. Die Deutschen haben das Gesetz, so wie wir es heute beschließen, nicht bekommen. Die Österreicher haben es gekriegt. Wahrscheinlich – jetzt schaue ich in Richtung der Beamtenschaft – dürften hier sehr, sehr geschickte VerhandlerInnen am Werk ge­we­sen sein. Das heißt, das ist eine ganz sensible Geschichte. Es ist derzeit in aller Munde, dass wir hier nämlich sehr wohl die Motivlage, die Bonität und die Daseins­vorsorge kontrollieren können.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 56

Wenn ich an die vorhergehende Debatte anschließen darf: Der Bundesrat hat sich ein Jahr lang ganz gewählt, geschickt und mit Sorgfalt – würde ich sagen – mit dieser Debatte der Daseinsvorsorge und der kommunalen Dienstleistungen auseinander­gesetzt. Und wir haben da sehr wohl etwas erkannt: Herr Minister Mitterlehner, als Familienminister kennen Sie das Kinderspiel – das können auch Erwachsene spielen – Mühle. Wenn man beim Mühle-Spiel mit einer Doppelmühle des Gegners konfrontiert ist, dann ist Feuer am Dach, denn dann verliert man das Spiel. Und so ein Mühle-Spiel hat die EU-Kommission da ansatzweise aufgebaut. Sie haben völlig recht, niemand kann uns zwingen, das Wasser zur privatisieren – uns –, aber der Geist, der dahintersteht, ist sehr wohl, dass mit Wasser das große Geschäft zu machen ist.

Es gibt vier große Konzerne in Europa, die Chef-Beraterkonzerne des zuständigen Kommissars wie Gelsenwasser zum Beispiel; da ist viel Geld drinnen. Und die Kommission hat einen schweren Fehler gemacht, sie hat nämlich schon den Gedan­kengang aufgezeigt, der dahintersteht. Dieses Schreiben der Kommission liegt uns ja mittlerweile im EU-Ausschuss vor. Wenn man Portugal – zur Krisenbewältigung – und Griechenland zwingt, das Wasser zu privatisieren, dann ist es aus mit dem Lächeln und dann ist es aus damit, nicht solidarisch zu sein.

Wenn die Kommission sich dann – hoffentlich gibt es jetzt keinen Ordnungsruf – erblödet, Griechenland ein Schreiben zukommen zu lassen, in dem drinsteht, die Kom­mission garantiere der griechischen Bevölkerung, dass die Versorgung mit Trinkwasser nach der Privatisierung genauso funktionieren wird wie vorher – das kann, mit Verlaub, eine Kommission nicht; und die Doppelmühle hängt mit Freihandelsabkommen, Wettbewerbsrichtlinie, Konzessionsrichtlinie zusammen –, dann sieht man schon, dass es nicht egal ist, wer in Brüssel regiert.

Die EU will nichts Böses, aber die Kommission zu verändern in der Grundausstattung ihrer Politik und in der Richtung  Es muss ja nicht alles neoliberal sein, das haben wir schon gesehen. 90 Städte und Kommunen in Europa – Herr Bundesminister, das wissen Sie vielleicht nicht – versuchen derzeit, eine falsche Politik zu korrigieren und ihr Trinkwasser zurückzukaufen. Allein die Stadt, aus der der zuständige Kommissar kommt, Grenoble, hat durch den Rückkauf des eigenen Wassers über 150 Millionen € Verlust erlitten. Deshalb ist es wichtig, dass wir wachsam sind und dass der Bundesrat da weiter Druck macht.

Im Übrigen: So schlimm ist das Gesetz nicht, das heute beschlossen wird, liebe Elisa­beth Kerschbaum. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner zu Wort. – Bitte.

 


11.03.01

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über diese beiden Materien habe ich sehr interessant gefunden, weil sie meiner Meinung nach durchaus auch richtige Aspekte beschreiben. Ich darf daher bezüglich der ersten Materie, was das Sicherheitskontrollgesetz anbelangt, einmal feststellen, dass da etwas geregelt wird, das durchaus im positiven Sinne eine Verbesserung des Istzu­standes ist – das hat auch Herr Kollege Schennach angesprochen –, denn es geht darum, dass betreffend Atomwaffen die Kontrollen, was Ausfuhr, aber auch was inner­staatliche Angelegenheiten anbelangt, verschärft werden. Daher wird der Istzustand bezüglich Atomwaffen verbessert, nämlich im Sinne einer besseren Kontrolle, und nicht im Sinne von Atomwaffen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 57

Sie wollen aber darüber hinaus, dass wir mit diesem Gesetz eine Materie erledigen, die an sich nicht angedacht ist und die auch aus mehreren Gründen problematisch ist. Ich verwehre mich auch dagegen, dass wir den Atomkonsens aufgeben. (Bundesrätin Kerschbaum: Aufweichen!) Das war bis jetzt so, und wenn ein Konsens über etwas besteht – was jetzt so ist –, kann ich den Konsens nicht aufgeben, wenn ich eine andere Materie, die etwas anderes regelt, präziser regle. Diese Logik kann ich nicht ganz nachvollziehen, wobei überhaupt die friedliche Nutzung von Atomenergie – das Thema Kernkraftwerke möchte ich gar nicht ansprechen, aber ich nenne etwa die Nuklearmedizin – durchaus gegeben ist.

In Linz – und woanders wahrscheinlich auch; ich habe es selbst schon besucht – gibt es ein Krankenhaus, in dem zur Krebsbehandlung Nuklearmedizin eingesetzt wird. Das heißt also, da ist durchaus eine friedliche Verwendung möglich, und daher würde ich nicht einfach kategorisch Nein sagen und dass alles nur auf den Bereich der Kraft­werke ausgerichtet sei. – Das ist der erste inhaltliche Aspekt.

Der zweite Aspekt: Wir haben jetzt auch ein Problem von den EU-Gegebenheiten her. Wir erzeugen kein spaltbares Material, wir bauen nicht Uran ab, gar nichts in dem Zusammenhang, daher kann es nur um Zweit- oder indirekte Komponenten gehen – in dieser Anfrage werden etwa Wasserpumpen und dergleichen mehr angesprochen. Wenn ich wirklich das Problem habe, dass ich das verbieten möchte, dann komme ich in einen Regelungstatbestand hinein, der sehr weitgehend ist, denn im Endeffekt muss ich dann bis zur Möbeleinrichtung alles, was mit einem Atomkraftwerk zusammen­hängt, verbieten. Das ist meiner Meinung nach eine sehr problematische Angelegen­heit, weil jedes Unternehmen mit einem Zweitbetrieb in dem Land, in dem die ent­sprechende Errichtung stattfindet, das natürlich genauso machen könnte.

Darüber hinaus glaube ich, dass die entsprechende Diskussion wertmäßig auch im Rahmen der jeweiligen Firmen abgewickelt wird. Denken Sie etwa an Siemens! Sie­mens hat von sich aus den Ausstieg aus entsprechenden Beteiligungen an Program­men und Bewerbungen bekannt gegeben und sich aus diesem Sektor zurückgezogen. Daher glaube ich auch, dass in diesem Fall dieselbe Vorgangsweise angemessen wäre; es soll nicht ein Thema hochgeschaukelt werden, das überhaupt kein Thema ist.

Hinsichtlich der Anfragebeantwortung: Es sind sowieso ganz wenige heimische Fir­men, die da überhaupt zuliefern, und das wird noch weniger werden. Aber die Materie, die wir jetzt in dieser Frage regeln, ist einfach eine andere, daher verstehe ich nicht, warum Sie da nicht zustimmen, auch im Nationalrat nicht zugestimmt haben, denn das ist eine Verbesserung des Status quo im Atomwaffenbereich und hat mit dem anderen prinzipiell nichts zu tun. Dass man das Gute oder sich Verbessernde verhindert beziehungsweise dem nicht zustimmt, weil man sich etwas anderes wünscht, kann ich logisch nicht nachvollziehen; das ist aber auch nicht meine Aufgabe.

Zum zweiten Tagesordnungspunkt – Kollege Schennach hat es schon angesprochen –: Das Außenwirtschaftsgesetz schließt wirklich genau an die Diskussion an, die wir vorher geführt haben, denn wir haben am Rande der Genehmigung – die EU hat keine Freude mit diesem Gesetz – im Außenwirtschaftsgesetz geregelt, dass der Staat dort, wo eine überbordende Kontrolle im Sinne einer Beteiligung von über 25 Prozent durch das Ausland gegeben ist, wenn es um Infrastruktur und Daseinsvorsorge geht, Ein­spruchsmöglichkeiten hat. Das haben wir geregelt, andere Länder haben das nicht gemacht. Das bezieht sich durchaus auch auf Objekte und Gegebenheiten wie Was­ser. Daraus – genau weil wir das tun – können Sie ableiten, dass wir kein Interesse daran haben, irgendeine Privatisierungsdebatte zu unterstützen oder gar zu veranlas-sen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 58

Auf der anderen Seite muss man sagen: Was da mit Griechenland, Spanien, Portu­gal – oder welchem Land auch immer – angesprochen worden ist, hat genau die von mir vorhin angesprochene Bedeutung: dass vor einiger Zeit manche geglaubt haben, die Wasserversorgung im Sinne der Leitungen könne jetzt durch Geschäfte, die eben dann schiefgegangen sind, abgesichert werden. Aber auch da ist die Qualität der Versorgung der Bürger in keinem Fall vom Rechtsträger abhängig, davon, ob dieser öffentlich oder privat ist. Und das – da wiederholt sich jetzt leider die Diskussion – sollte mit der Konzessionsrichtlinie nicht verhindert, sondern verbessert werden.

Aus meiner Sicht sind beide Gesetze – sowohl das Sicherheitskontrollgesetz als auch die Verbesserung beim Außenwirtschaftsgesetz; es geht da unter anderem auch um Veröffentlichungsrechte – konkrete Verbesserungen des Istzustandes, und ich hoffe, dass Sie dem auch Ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Brückl.)

11.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Sicherheitskontrollgesetz 2013.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einwand zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Außenwirtschafts­ge­setz 2011 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 59

11.10.36 3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung (Energielen­kungsgesetz 2012 – EnLG 2012) (1962 d.B. und 2066 d.B. sowie 8883/BR d.B. und 8890/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Bitte um den Bericht.

 


11.10.47

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung (Ener­gie­lenkungsgesetz 2012).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


11.11.27

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Das Energielenkungsgesetz ist schon im Jahr 1982 in Kraft getreten und somit in die Jahre gekommen. Es ist jetzt wichtig, dieses Energielenkungsgesetz auf die Bedürf­nisse unserer Zeit auszurichten, und somit ist es auch wichtig, dieses Gesetz auf die Sicherheit der Energieversorgung auszurichten. Im Besonderen wird dieses Gesetz, die Energieversorgungssicherheit mit dem heutigen Beschluss für den Bereich Gas dementsprechend ratifiziert. Wir haben in Österreich glücklicherweise die entsprechen­de geologische Lage, um die Gasspeicherung sehr effizient zu vollziehen und dem­entsprechend auch Sicherheit für mehrere Monate zu gewährleisten.

Es wird aber auch wichtig sein, die Stromversorgungssicherheit auch weiterhin aus­zubauen, denn wie wir wissen, wird es in der Energieversorgung, auch im Strom­bereich, in Zukunft immer wichtiger sein, da auch entsprechend schnell lieferfähig zu sein. Österreichs Firmen werden es davon abhängig machen, ob sie in Österreich bleiben oder nicht.

Im Bezirk Braunau konnten wir zum Beispiel vor Kurzem die 380-kV-Leitung ent­sprechend ausbauen, und ich danke dem Bürgermeister und den Bürgerinnen und Bürgern im Bezirk Braunau, die bereit waren zu akzeptieren, dass diese Leitung gebaut wird. Somit hat auch die AMAG ihren Standort in Ranshofen entsprechend erweitert und wird in Zukunft 220 Arbeitsplätze für den Bezirk Braunau sicherstellen oder sogar neu schaffen.

Es wird auch in Zukunft wichtig sein, die Energieleitungen weiter auszubauen, denn Wind- und Sonnenenergie werden in den Stromleitungen in Europa herumgeschickt.


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Es wird auch wichtig sein, Speicherkapazitäten zu nützen. Österreich hat die Mög­lichkeit, besonders im alpinen Raum, Speicherraum von Wasserkraftwerken zu gewähr­leisten.

Natürlich ist es uns von der ÖVP ein Anliegen, die Versorgungssicherheit im Ener­giebereich weiterhin so zu entwickeln, wie es unser Minister Mitterlehner auch in der Vergangenheit gemacht hat, daher stimmen wir diesem Gesetz natürlich gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.13.48

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zwei Sätze zum vorigen Thema, Herr Minister: Wenn Siemens aus dem Atomprogramm ausgestiegen ist, dann ist das auf Druck der Öffentlichkeit erfolgt, und der Druck war sehr groß und sehr intensiv. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitter­lehner.) Es war eine laute Streiterei – das ist pfui gack –, und deshalb hat Siemens dann irgendwann einmal gesagt, wir steigen aus.

Wenn Sie jetzt in einer Anfragebeantwortung sagen: Ich sage euch zwar, es gibt 15 Exporte im Jahr 2012, aber alles andere fällt unter den Datenschutz!, dann wissen wir es ja nicht einmal. Das heißt, im Prinzip haben wir das Problem auch mit dem Gesetz, beziehungsweise ich persönlich denke mir bei dieser Antwort: Nicht einmal wissen dürfen wir es?

Sie sagen, Sie verstehen das jetzt nicht. – Es gibt natürlich in jedem Gesetz immer wieder Verbesserungen, Verschlechterungen; wir stimmen zu, wir stimmen nicht zu. Manchmal stimmen wir zu und kritisieren – so wie jetzt –, und voriges Mal haben wir auch kritisiert und halt nicht zugestimmt. Ich denke mir, es ist spürbarer und merkbarer, wenn wir nicht zustimmen; es ist nachhaltiger. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dr. Mitterlehner.)

Deshalb: Vielleicht können Sie es sich bis zur nächsten Änderung merken, dass uns das sehr wichtig wäre, und dann darauf eingehen, ob es dringend ist, dass wir diese Exporte zulassen, oder nicht.

Jetzt zurück zum vorliegenden Tagesordnungspunkt, zum Energielenkungsgesetz: Wie schon erwähnt habe ich persönlich schon ein bisschen Bauchweh, wenn ich mir das durchlese und sehe, welche Maßnahmen da möglich sind und vor allem wie viel Macht Sie mit diesem Gesetz vorweg eigentlich in die Hand bekommen. Es ist natürlich eine Vertrauensfrage, und wir vertrauen Ihnen schon, aber es sind doch immerhin sehr massive Eingriffe, die möglich sind und wo Sie – anfangs zumindest – allein Ent­schei­dungen treffen können, wenn es soweit ist – nämlich so weit, dass wirklich massive Störungen unserer Energieversorgung in Österreich drohen und man deshalb organi­sieren muss, wer vorrangig wofür welche Energie bekommt.

Unser Ziel ist es, dass diese Störungen nicht auftreten; ich denke, das ist unser aller Ziel. Um diese Störungen hintanzuhalten – Sie haben es heute schon kurz erwähnt –, brauchen wir meiner Meinung nach eine nachhaltige Energieversorgung, und nach­haltig ist in Wirklichkeit nur erneuerbare Energie. Da kann die OMV im Weinviertel Löcher bohren, so viele sie will, sie kann vielleicht eine Zeitlang Gas herausholen – in welchen Mengen, zu welchen Kosten ist eine andere Frage –, letztendlich nachhaltig ist es nicht, das Gas wird nicht nachwachsen. Wir alle wissen: Früher oder später werden wir auf 100 Prozent erneuerbare Energie umsteigen müssen, und die Res­sour-


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cen an fossiler beziehungsweise auch nuklearer Energie – bei uns hoffentlich nur fossiler – müssen wir möglichst lange erhalten, sprich schauen, dass wir wenig davon brauchen. Meiner Meinung nach ist eine Energiewende deshalb unumgänglich.

Was mich an dieser Vorlage schon ein bisschen irritiert hat, ist, dass es bei der Lenkung und Versorgungssicherheit in erster Linie offensichtlich nur um fossile Energie geht. Die Versorgungssicherheit beziehungsweise in diesem Fall die Lenkungsmaß­nahmen beschränken sich auf fossile Energieträger, die erneuerbaren sind offenbar nicht so wichtig – ich weiß es nicht: Sind sie nicht so wichtig, oder ? (Bundesminister Dr. Mitterlehner: Sie können nicht dort sagen, die Sonne scheint ! – Ruf bei der ÖVP: Die Sonne scheint !) – Es gibt ja auch andere erneuerbare Energieträger als Sonne und Wind. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) – Einen Entschließungs­antrag, dass die Sonne scheint, brauchen wir nicht.

Es gibt erneuerbare Energieträger, die speicherbar sind, Herr Minister, und Sie haben vorhin selbst gesagt, in der Stromversorgung sind wir inzwischen bei 70 Prozent, wobei der Anteil meines Wissens schon einmal höher war, denn die Wasserkraft haben wir ja schon länger und der Ausbau der anderen erneuerbaren Energien ist jetzt nicht so schnell vorangegangen. Es ist also nicht so, dass wir nur dann von erneuerbaren Energien sprechen können, wenn die Sonne scheint; und dass man diesbezüglich Entschließungsanträge braucht. Ich würde mir manchmal schon wünschen, dass das Thema in diesem Gremium etwas ernster genommen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Kainz. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich persönlich habe Bauchweh bei der Zustimmung zu diesem massiv eingreifenden Gesetz, mit dem der Herr Minister wirklich sehr viel Macht in die Hand bekommt. Ich stimme dem zu, möchte aber schon Folgendes deponieren: Voraussetzung für die Zustimmung ist, dass wir uns einig sind, dass wir eigentlich nicht wollen, dass das Gesetz notwendig ist.

Ich gehe davon aus, dass keiner von euch will, dass wir in eine Situation kommen, in der die Energieversorgung in Österreich langfristig nicht sichergestellt ist, sodass der Minister sagen muss, dieser und jener bekommt Energie und dieser und jener be­kommt sie nicht. Sind wir uns da einig? – Danke. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Voraussetzung dafür, dass wir nicht in diese Situation kommen, ist, dass wir nach­haltige Energie produzieren und dass wir effizient arbeiten. Wenn ich mir anschaue, was mit der Effizienz in Österreich los ist, dann sehe ich Folgendes: Im Regierungs­programm steht, wir erhöhen die Sanierungsrate. Das ist zum Großteil nicht Bundes­sache, das gebe ich zu, aber in Niederösterreich – das ist bekannt – ist die Sanie­rungs­rate in den letzten Jahren, vor allem im letzten Jahr, gesunken.

Das kann vielleicht auch damit zusammenhängen, dass man Wohnbauförderungs­kredite, die man um 50 Prozent Abzinsung zurückgekauft hat – jeder Häuslbauer hätte sich gefreut, wenn er um 50 Prozent Abzinsung Wohnbaukredite hätte zurückkaufen können –, so angelegt hat, dass das Geld halt nicht in Massen angewachsen ist. Die Krux an der ganzen Geschichte ist letztendlich – egal, welches Land wie mit Wohn­bauförderungsgeldern umgeht –: Die Wohnbauförderungsgelder sind nicht zweck­gebunden, und die Länder sind auch nicht wirklich verpflichtet, dem Bundesminister, der das dann ja verkaufen sollte, die Energieeffizienz, darüber Bericht zu erstatten oder verantwortlich zu sein.

Man kann mit Wohnbauförderungsgeldern genauso gut Straßen bauen. Das machen wir in Niederösterreich auch.

Wie schaut es mit der erneuerbaren Energie aus? Über Photovoltaik haben wir heute schon einiges  (Bundesrat Kainz: Das beste Wohnbauförderungssystem österreich-


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weit!) Ja, eh. Deshalb geht die Sanierungsrate in Niederösterreich zurück, weil wir so ein tolles System haben.

Wie schaut es mit der erneuerbaren Energie aus? – In Niederösterreich haben wir Anfang März Wahlen. Was traurig ist und was mich wirklich äußerst verwundert, ist, dass interessanterweise all die Häuslbauer, die jetzt überlegen, eine Photovoltaik­anlage zu kaufen, keine Sicherheit haben und noch nicht wissen, ob es heuer eine Förderung für Kleinanlagen geben wird oder nicht. Weder aus Niederösterreich ist bekannt, ob es heuer wieder eine Förderung geben wird oder nicht, noch vom Klimafonds ist bekannt, ob es eine Förderung geben wird oder nicht. Manche werden es wahrscheinlich auch ohne Förderung bauen, keine Frage. Aber wenn ich nicht einmal im Februar noch weiß, ob es in diesem Jahr eine Förderung geben wird, dann frage ich: Wo ist da die Planungssicherheit? Die Leute überlegen sich das ja, das ist ja Geld. Das ist ja nicht nichts. Und für einen Privathaushalt sind 10 000 € für eine Photovoltaikanlage kein Lercherl. (Bundesrat Kainz: Aus der Verlässlichkeit der letzten Jahre!) Ja, aus der Verlässlichkeit der letzten Jahre wissen wir, dass wir vielleicht etwas bekommen.

Insofern ist es echt optimal, wenn die Leute, die sich jetzt überlegen, ob sie sich eine Photovoltaikanlage leisten können und wollen, noch nicht wissen, ob es eine För­derung geben wird.

Selbiges gilt für die Großanlagen. Wir haben es ja heute gehört. Ja, es ist einfach patschert, wenn mehr oder weniger 50 Prozent der Anlagen gefördert werden und die anderen nicht, weil halt einfach der Topf so klein ist. Wir haben den Topf erhöht, das stimmt, Herr Minister. Wir haben auch der letzten Ökostromgesetz-Novelle zugestimmt. Wenn ich davon ausgehe, dass Photovoltaikstrom dann produziert wird, wenn die Sonne scheint, sprich zur Mittagsspitze, dann ist es eine Tatsache, die man nicht leugnen kann, dass dies großteils Spitzenstrom ist. Und was ist? – Bei der Einspeisung wird aber mit einem Mittelwert gerechnet. Und die Differenz zu dem, was der Anlagen­betreiber bekommt, ist relativ groß im Vergleich zu dem, wenn man das Ganze auf das umstellen würde, was es wert ist, sprich, ich verkaufe den Photovoltaikstrom als Spitzenstrom, dann brauche ich viel weniger Ökostromzuschlag. Dann würden sich viel mehr Projekte ausgehen mit der gleichen Menge, die wir dann als Ökostromzuschlag auf der Rechnung lesen. (Bundesrat Perhab: Strompreis auf der europäischen Strombörse !)

Es geht um den Unterschied zwischen Spitzenstrom und Dauerlast. Ich hoffe, es ist dir schon klar, dass da Unterschiede sind, dass es Zeiten gibt, zu denen ich für eine Kilowattstunde Strom auch 12 € bekomme, und dass es Zeiten gibt, zu denen ich für eine Kilowattstunde Strom vielleicht noch zuzahlen muss. Das ist bekannt. Und der Photovoltaikstrom wird zu Zeiten produziert, zu denen ich relativ viel dafür bekomme. Selbiges gilt für die Windkraft, denn das geschieht im Winter, und da ist die Strom­produktion auch geringer. Deshalb bekommt man zu dieser Zeit auch mehr Geld. Wenn ich jetzt sage, ich nehme nicht den Mittelwert, sondern ich nehme den Wert, den es wert ist, und den Rest mache ich als Ökostromzuschlag, dann – und das ist bei der Diskussion damals über das Gesetz schon vorgerechnet worden – könnte ich, wenn ich das ehrlich rechnen würde, viel mehr Projekte damit finanzieren.

Was die Windkraft betrifft, möchte ich schon betonen, dass nicht jede Bürgerinitiative von uns ausgeht, obwohl jede Bürgerinitiative immer wieder uns zugeschrieben wird. Aber in diesem Fall handelt es sich um eine grüne Bürgerinitiative, und ich würde mir in diesem Fall schon klare Regelungen wünschen.

Tatsache ist, dass, was die Ökostromproduktion in Österreich betrifft, derzeit unheim­lich viele Projekte in der Schublade stecken bleiben, dass viele Leute wirklich gerne


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investieren würden, weil das Vertrauen in den Finanzmarkt momentan vielleicht nicht ganz so gegeben ist, aber zum Teil trotzdem Kapital da ist. Ich kenne eigentlich kein Projekt, das derzeit ein Problem mit der Finanzierung hätte, sondern ein Problem haben alle Projekte nur mit der Förderung.

Herr Minister, Sie haben zwar gesagt, Sie wollen das Ökostromgesetz nicht jedes Jahr ändern, aber es wird ohnehin jedes Jahr geändert. Vielleicht nehmen Sie sich für 2013 vor, endlich auch einmal mit zu berücksichtigen, dass man, was den Mittelwert beim Marktpreis, beim Ökostrompreis betrifft, in Wahrheit nur die EVUs fördert oder vielleicht auch nicht. Insgesamt ist dies auf jeden Fall ein bisschen eine Schummelei, und der hohe Ökostromzuschlag auf der Rechnung führt dazu, dass die Leute demgegenüber nicht besser eingestellt sind.

Wir brauchen aber, Sie haben es schon erwähnt, einen öffentlichen Verkehr. Wir brauchen Elektromobilität. Darüber haben wir gestern auch eine intensive Diskussion geführt. Elektromobilität wäre supereinfach umzusetzen, was die Steckdosen und das Laden betrifft, wenn es möglich wäre, dass auch andere Personen außer EVUs Strom verkaufen. Das wären also einfache Lösungen.

Und ich würde mir wünschen, dass Energieeffizienz und erneuerbare Energie insge­samt endlich einmal jenes öffentliche Interesse erwecken, auch gesetzlich, das zum Beispiel eine Gasförderung hat, das zum Beispiel ein Hochleistungsstraßenbau hat, damit das leichter umsetzbar ist. Das wären viele, viele kleine Schritte zu dem Ziel, das wir einfach haben.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir dieses Gesetz zwar heute beschließen, aber niemals anwenden müssen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

11.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schweigkofler. – Bitte.

 


11.25.19

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Das Energielenkungsgesetz aus dem Jahre 1982 ist durch sehr viele Novellierungen ein wenig unübersichtlich geworden und musste daher komplett erneuert werden. Mit dem Energielenkungsgesetz 2012 steht nun dieses neue Gesetz heute zur Abstimmung.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, am besten wäre es, wenn dieses Energielenkungs­gesetz, wenn es dann in Kraft getreten ist, nie gebraucht werden würde. Aber man weiß, die internationale Situation, ob das jetzt zwischen Russland und der Ukraine ist, führt oft dazu, dass es doch Probleme gibt. Und vor einigen Jahren hat dann ganz Europa in den Osten geschaut und sich gefragt, was dort geschieht. Und wir waren dann froh, dass in Österreich entsprechende Vorkehrungen getroffen waren, sodass dann die Betriebe, die Wirtschaft, aber vor allem auch die Haushalte mit entsprechen­der Energie versorgt werden konnten.

Solche Probleme sind sicherlich nur im internationalen Zusammenhang zu lösen. Daher wurden auch die Richtlinien der EU und somit die Vorkehrungen, die diese getroffen hat, in dieses neue Gesetz eingearbeitet. Und wir können also sagen, damit ist Österreich auf der sicheren Seite.

Ich möchte auch anmerken, dass hier ein besonderer Kundenkreis geschützt wird, und zwar sind das die Haushalte, die dann Vorrang haben, sollte es zu einer solchen Krise, die hoffentlich nie eintreten wird, kommen. Das ist ganz in unserem Sinne, denn der Herr Minister wird das ja dann in seinen Verordnungen entsprechend zu regeln haben.


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Aber jetzt darf ich zur Frage der Versorgungssicherheit kommen. Wir in Tirol werden mit Hilfe einer Gasleitung versorgt. Die Firma TIGAS, eine 88-prozentige Tochter der TIWAG, versorgt unser Land mit Gas. Es wäre natürlich im Sinne einer ordentlichen Versorgungssicherheit, dass wir eine zweite Gasleitung bekommen. Das wäre auch gar nicht so ein großes Problem, denn eine Gasleitung steht in Saalfelden und die andere geht bis Hochfilzen, das sind ungefähr 30 Kilometer, nur dieses Stück fehlt eben noch. Das heißt, wir werden vom bayerischen Raum her versorgt und von der anderen Seite eben nicht.

Es hat schon mehrere Anläufe gegeben, diese zweite Gasleitung zu bauen, aber es ist bis dato am politischen Willen, muss ich einmal sagen, in Tirol gescheitert. Jetzt möchte ich das einfach einmal hier vorbringen. Es sprechen auch standortpolitische Argumente dafür. In dieser Region gibt es auch einige größere Betriebe, ob das die RHI Veitsch-Radex in Hochfilzen ist, die ein energieintensiver Betrieb ist, oder das Stammwerk der EGGER Spanplattengruppe in St. Johann, das entsprechend Energie braucht. Und wir können natürlich auch sagen, aus wirtschaftspolitischer Sicht wäre es sinnvoll. Ich könnte mir vorstellen, dass dann halt auch der Gaspreis sinken würde.

Die E-Control reklamiert das und weist auch immer wieder darauf hin, dass Tirol einen höheren Gaspreis hat als die übrigen Bundesländer Österreichs. Ein Haushalt in Tirol muss ungefähr 100 bis 150 € mehr bezahlen als beispielsweise ein Haushalt in Salzburg. Ich möchte gar nicht darauf hinweisen, was die Haushalte im bayerischen Raum zahlen. Die bezahlen noch um einiges weniger, obwohl wir das Gas ja aus dem bayerischen Raum bekommen.

Es wäre also wirklich an der Zeit, dass auch Tirol mit zwei Gasleitungen versorgt wird, damit auch einmal ein Gasmarkt entstehen könnte. Diesen haben wir natürlich auch nicht, sondern es herrscht derzeit eine Monopolsituation.

Daher also auch meine Bitte, das endgültig einmal anzugehen und vielleicht auch von Bundesseite her einmal den Tirolern einen entsprechenden Stupser zu geben. An­sonsten muss ich sagen, mit dem Energielenkungsgesetz hat der Bund jetzt vor­gesorgt, und wir werden dem natürlich gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


11.29.24

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht zum Themenbereich Ökostrom noch einmal eine Neuauflage liefern, dies umso weniger als die Frau Kerschbaum gar nicht herinnen ist, und auch nicht über die Erdgasversorgung in Tirol sprechen, sondern noch einmal zum Energielenkungsgesetz kommen.

In Endeffekt es ist eine Materie, die, wie angesprochen, seit 1982 ja schon geregelt ist und jetzt neu und zusammenfassend, verbessernd einen Tatbestand der Krisen­vorsorge beleuchtet, der in der Praxis eigentlich nie zur Anwendung gekommen ist, denn ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Im Jahr 2009, als die Ukraine die Gasversorgung von Österreich unterbunden hat, haben wir einen Energielenkungs­beirat gehabt, und da war dann die Frage, welche Verordnungen wir tatsächlich erlas­sen müssen, weil wir null Versorgung gehabt haben.

 Wir haben versucht, mit freiwilligen Empfehlungen und anderen über die Runden zu kommen, was uns auch gelungen ist, weil kein Minister von dem Gebrauch machen möchte, wo es dann heißt: konkrete Einschränkungen für die Industrie, für die Wirt­schaft, aber auch für die Haushalte. Und deswegen ist die Versuchung, die da jetzt in


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den Raum gestellt worden ist, es könnte ein Machtinstrument sein, nicht wirklich gegeben, sondern jeder möchte das praxisrelevant und die Versorgung gewährleistend über die Runden bringen.

Zum Zweiten haben wir jetzt mit dieser Maßnahme die Bestimmungen sogar ver­schärft. Der Minister darf eine entsprechende Verordnung erlassen, muss diese aber dem Hauptausschuss des Parlaments auch zur Kenntnis bringen, und das Parlament hat die Möglichkeit, einen entsprechenden Einspruch zu erheben. Das heißt, der Minister muss das dann wieder zurücknehmen. Es ist dann zwar keine Gefahr in Verzug, er kann sofort agieren, muss sich dann aber auch sofort und umgehend der demokratischen Kontrolle stellen. Daher ist das eine Verbesserung der konkreten Situation, genauso wie wir auch Instrumente wie die E-Control hineingenommen haben. Da geht es um eine entsprechende Dokumentation, da geht es aber auch um die Anordnung von Übungen, Überprüfung, ob die Maßnahmen auch wirklich praxis­relevant sind, was wir eben im Jahr 1982 ohne E-Control noch nicht als Möglichkeit gehabt haben, genauso wie wir neue Energieträger wie Fernwärme jetzt auch mit diesem Gesetz entsprechend regeln.

Im Endeffekt können wir, das ist angesprochen worden, Fragen der erneuerbaren Energie damit nicht regeln, obwohl im Bereich der Biomasse auch entsprechende Vor­sorgenotwendigkeiten und Bevorratungsnotwendigkeiten in diesem Gesetz vorhanden sind. Also soweit wie möglich nehmen wir auch auf das Bezug.

Klar ist, und das ist ja auch erfreulich, dass mit der erneuerbaren Energie die gesamte Stromversorgung dezentraler wird. Und je mehr dezentrale Möglichkeiten Sie haben, umso weniger brauchen Sie zentrale Lenkungseinrichtungen. Das Gesetz ist eine Sicherheitsmaßnahme, die die bestehende Situation verbessert. Ich hoffe, dass Sie diesem auch zustimmen können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.


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Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Bevor wir zum 4. Punkt der Tagesordnung kommen, begrüße ich Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer ganz herzlich hier bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allge­meiner Beifall.)

11.34.00 4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwal­tungsgerichtsverfahrensgesetz) und ein Bundesgesetz betreffend den Übergang zur zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Über­gangs­gesetz) erlassen und das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfas­sungsgerichtshofgesetz 1953, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfah­rensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Ver­waltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetz, das Zustellgesetz, das Finanzstrafgesetz, die Exekutionsordnung, das Bundesministeriengesetz 1986, das Amtshaftungs­gesetz, das Organhaftpflichtgesetz und das Bundesgesetzblattgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013) (2009 d.B. und 2112 d.B. sowie 8882/BR d.B. und 8891/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Bitte um den Bericht.

 


11.34.14

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 30. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungs­ge­richte und ein Bundesgesetz betreffend den Übergang zur zweistufigen Verwal­tungs­gerichtsbarkeit erlassen und das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfas­sungsgerichtshofgesetz 1953, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrens­gesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungs­strafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das EU-Verwal­tungs­straf­vollstreckungsgesetz, das Zustellgesetz, das Finanzstrafgesetz, die Exekutions­ordnung, das Bundesministeriengesetz 1986, das Amtshaftungsgesetz, das Organhaft­pflichtgesetz und das Bundesgesetzblattgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Klubvorsitzender Mag. Klug. – Bitte.

 


11.35.50

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Berichterstatter Kollege Wenger hat in seinem Bericht bereits darauf aufmerksam gemacht. Erlauben Sie auch mir zu Beginn meiner Ausführungen eine Einschätzung: Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Eine leichte Aufgabe war das nicht.


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Verwaltungsrechtsexperten sagen uns, dass, wenn man versucht, den juristischen Aspekt einmal zur Gänze beiseite zu lassen und auf diese Materien politisch näher einzugehen, das bedeutet, dass man eine politische Debatte über viele, viele Stunden führen könnte. Davon hätten wir heute im Plenum nichts und die Zuseherinnen und Zuseher zu Hause auch nichts.

Ich möchte trotzdem zu Beginn ein paar Anmerkungen aus juristischem Blickwinkel einbringen, die da lauten: Auf Basis der verfassungsrechtlichen Vorgaben, auf Basis der organisationsrechtlichen Bestimmungen und auf Basis der verfahrensrechtlichen Bestimmungen für die Verwaltungsgerichtshöfe der Länder, für den Bundesverwal­tungs­gerichtshof, aber natürlich auch für den Verfassungsgerichtshof und für den Verwaltungsgerichtshof beschließen wir heute eine verwaltungsreformatorische Novelle, die sich sehen lassen kann. Ich möchte nicht zu überschwänglich mit meinem Lob sein, möchte aber einzelne Punkte besonders hervorheben, die meine eingangs gemachten etwas flapsigen Bemerkungen, dass das keine leichte Aufgabe war, untermauern sollen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Gesamtreform hatte am Beginn mehrere Ziele, und diese Ziele waren nicht leicht zu erreichen. Einerseits haben wir uns von Beginn an erwartet, dass der Zugang zum Recht für den Rechtssuchenden keinesfalls erschwert werden soll, zum anderen sollte das Verwaltungsverfahrensrecht nicht kom­plizierter werden, und der gesamte verwaltungsrechtliche Bereich sollte keinesfalls teurer werden, das verlangt nicht nur die Opposition, sondern das bringen auch wir immer vor. Dass diese drei Zielsetzungen erreicht werden sollten, hat es nicht gerade wesentlich leichter gemacht.

Dazu kommt, dass wir jetzt ein Verwaltungsverfahrensrecht sozusagen auf die politi­sche Reise schicken, das gerichtsähnlichen Charakter hat: erste Instanz eine Ver­waltungsbehörde, zweite Instanz ein Gerichtshof, erforderlichenfalls dann natürlich auch noch ein weiterer Gerichtshof.

Grundsätzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich für meine Fraktion beson­ders hervorheben, dass die Rechtsmittelfrist im Allgemeinen von zwei Wochen auf vier Wochen ausgedehnt wurde. Das bietet dem Rechtsschutzsuchenden die Möglichkeit, sich noch zwei weitere Wochen zu überlegen, ergreife ich jetzt ein Rechtsmittel oder ergreife ich keines. Gerade zu Beginn, wenn wir dieses Gesetz in Kraft setzen, wird man durchaus weitere zwei Wochen Zeit zu überlegen brauchen können, wenn man weiß, dass in der zweiten Instanz entweder nicht nur eine Sicherheitsbehörde zustän­dig ist oder auch nicht das Innenministerium, sondern ein Gericht. Das ist meines Erachtens eine beachtliche Ausdehnung der Rechtsmittelfrist.

Ein weiterer juristischer Aspekt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das Über­gangs­recht. Es war eine spezielle Herausforderung an sich, all jene Verfahren, die vor 1. Jänner 2014 begonnen haben, juristisch auch im Verwaltungsverfahrensbereich einzufangen, so dass der Rechtsschutzsuchende möglichst nichts von verfahrensrecht­lichen Veränderungen spürt, aber gleichzeitig das Gefühl hat, dass das ordentlich, anständig und gerecht abläuft. Das wird den einen oder anderen Juristen wahr­scheinlich auch noch in literarischer Hinsicht beschäftigen.

Spannend kann eine Novelle zum Verwaltungsrecht aber auch sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn in der ersten Instanz die Polizei in den Spezialmaterien zuständig ist, in der zweiten Instanz aber eben nicht mehr die Sicherheitsbehörde oder das Innenministerium, sondern schon ein Gericht. Politisch spannend wird es im Verwal­tungs­recht ja immer dann, wenn man von den allgemeinen verwaltungsverfahrens­recht­lichen Vorschriften in eine Spezialmaterie kommt. Wenn ich mich da im Bun-


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desratsplenarsaal umschaue, dann sehe ich auf der einen Seite die Grünen und denke jetzt zum Beispiel an die Spezialmaterie Umweltrecht.

Beim Umweltrecht werden die Grünen naturgemäß eine besonders bürgerfreundliche Bestimmung in einem Verwaltungsverfahrensrecht gerne politisch unterstützen, aber gleichzeitig gibt es im Verwaltungsverfahrensrecht auch andere Spezialmaterien. Ich denke da an das Fremdenrecht und schaue jetzt in die Richtung der Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, die diese verwaltungsverfahrensrechtlichen Materien gerne mit einem eher etwas restriktiveren Zugang geregelt haben wollen.

Vor diesem Hintergrund ist es wirklich eine politische Sonderleistung, die allgemeinen Materien und die Spezialmaterien mit verfahrensrechtlichen Grundsätzen so auszu­statten, dass wir heute bei uns im Bundesrat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen einstimmigen Beschluss aller Parteien zustande bringen. Ich möchte daher für die sozialdemokratische Fraktion Folgendes sagen: Mein Kompliment, mein Lob, unser gemeinsames Lob gilt insbesondere den Kolleginnen und Kollegen des im Bundes­kanzleramt angesiedelten Verfassungsdienstes, die äußerst hervorragende Arbeit geleistet haben. Das war wirklich keine einfach Hausaufgabe, Kompliment!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sollte kaum einen Tagesordnungspunkt geben, der im Bundesrat nicht auch noch mit dem linken oder von mir aus auch mit dem rechten Augen kurz hinsichtlich des föderalistischen Aspekts betrachtet wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang zwei Aspekte vorzubringen.

Erstens hat die Verbindungsstelle der Bundesländer zu dieser Rechtsmaterie einige Vorschläge gemacht, und all diese Vorschläge wurden auch aufgegriffen. Insofern kann man auch heute im Bundesrat beruhigt die Zustimmung zu dieser Reform geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim zweiten Aspekt geht es – weil wir den Föde­ralismus nie als Einbahnstraße betrachten wollen – um unsere Bundesländer. Wir bekommen in diesem Zusammenhang erstmalig Gesetzgebungskompetenz auf Lan­des­ebene. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meines Erachtens sollten wir unsere politische Arbeit hinsichtlich der Richterdienststellen auch darauf konzentrieren, dass wir versuchen, darauf zu schauen, dass es zwar unterschiedliche Landesregelungen geben wird, dass aber in der Sache eines einheitlichen Verwaltungsrechtes diese unterschiedlichen Regelungen möglichst nicht zu weit divergieren.

Warum soll es nicht möglich sein, dass ein Mitglied des Landesgerichtshofes Kärnten in vier oder fünf Jahren an den Landesverwaltungsgerichtshof Oberösterreich wech­selt? Wenn Dienstrecht oder gar Entlohnungsvorschriften weit auseinanderklafften, dann wäre das wohl ein Hemmnis, und man würde der Sache damit eher einen Bärendienst erweisen als ihr dienlich zu sein.

Klarerweise betreffen diese mahnenden Worte letztlich die Ausführungsgesetze in den Bundesländern. Ich glaube aber, dass sich auch unsere politische Arbeit im Bundesrat darauf konzentrieren sollte, dass wir heute eine tolle Verwaltungsreformnovelle in der Gerichtsbarkeit und in der Ausführungsgesetzgebung auf die Reise schicken und damit möglichst niemandem einen Bärendienst erweisen. Wir werden unsere politische Kraft in den Bundesländern darauf richten, dass diese an sich österreichweit zusammen­gehörende Materie über die Landesgesetzgebungen nicht zu weit auseinanderdriftet.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wir vonseiten der sozialdemokratischen Fraktion werden daher auch dieser Novelle sehr, sehr gerne unsere Zustimmung erteilen. Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt der Klub­vorsitzende der ÖVP, Herr  Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 69

11.45.12

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte der juristischen und dienstrechtlichen Bewertung dieses Gesetzes, die mein Vorredner vorgenommen hat, eigentlich nichts mehr hinzufügen. Man kann alles mehrmals unterstreichen. Ich glaube, es ist sehr gute Arbeit geleistet worden, und insgesamt kann man auch seitens der Länderkammer feststellen, dass die Landesver­waltungs­gerichte für die Bürgerinnen und Bürger mehr Rechtssicherheit, schnellere Verfahren und insgesamt mehr Bürgernähe bringen. Das, glaube ich, ist die Essenz, die politische Essenz dieser Reform. Das neue Verfahrensrecht, das in diesem Gesetz geregelt wird, orientiert sich bereits an den Erfahrungen der Unabhängigen Verwal­tungs­senate, die in den Ländern ja schon tätig waren und die wirklich dazu beitragen, ein effizientes und effektives Handeln der Verwaltungsgerichte ab 1. Jänner 2014 zu gewährleisten.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, wenn etwas Gutes zustande kommt, gehören immer mindestens zwei dazu. Mein Kollege hat bereits die Verdienste des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt gewürdigt. Es hat auch eine Arbeitsgruppe der Länder gegeben, in der jeweils vier Ländervertreter – meistens waren es die Leiter der Verfassungsdienste und die Landtagsdirektoren – mitgearbeitet haben. Unter der Leitung des oberösterreichischen Landtagsdirektors Dr. Wolfgang Steiner ist von wirklich allen Seiten positive Arbeit geleistet worden.

Man muss so etwas vor allem in Zeiten immer wieder sagen, in denen es heißt, zwischen Bund und Ländern herrsche Eiszeit, da geschehe nichts, da gehe nichts weiter. Es geht sehr wohl etwas weiter, und es hat wenige – wirklich wenige! – Legis­laturperioden gegeben – wir werden darüber heute noch kein endgültiges, ab­schließendes Urteil fällen können –, in denen zwischen Bund und Ländern so viel weitergebracht wurde.

Dieses Gesetz ist bisher unter seinem Wert verkauft worden, und es sollte uns auch wieder einmal zuversichtlich machen, dass die Zusammenarbeit der Bundesländer mit dem Bund intakt und in Ordnung ist und dass dadurch auch eine Entscheidungs­fähigkeit für bestimmte Projekte und Umsetzungsanliegen entsteht, die wir auch in diesem Hause immer wieder auf positive Weise realisieren können.

Im Mai haben wir das Bundesgesetz beschlossen. Danach erfolgte der Start für die Umsetzungsphase dieser Verwaltungsgerichtsbarkeit. In dieser Zeit ist diese positive Arbeit von beiden Seiten, die beteiligt waren – vonseiten des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt und vonseiten der Ländergruppe –, geleistet worden.

Wenn Bund und Länder auf Augenhöhe miteinander verhandeln, kommt etwas Ordent­liches dabei heraus, wenn man sich entsprechend dafür engagiert und diese Materien auch ernst nimmt. Dies ist, glaube ich, ein Musterbeispiel dafür, wie die Arbeit eigentlich funktionieren könnte. Das ist ja nicht das einzige Beispiel, das in den letzten Monaten, in den letzten eineinhalb Jahren durchgesetzt wurde. Denken wir an die positiven Wirkungen der Pflegefinanzierung, die damals realisiert wurde – von Bundes­seite war es Minister Hundstorfer, von Länderseite war es Landeshauptmann Dr. Pühringer, damals als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und Gesund­heitsreferent.

Denken wir an die Polizeireform – Sicherheitsdirektionen, Polizeidirektionen zusam­men­gelegt, ein Sicherheitskörper geschaffen –, wo Bund und Länder äußerst positiv zusammengewirkt haben! Denken wir an die Gesundheitsreform, die wir im Mai in diesem Hause formal entsprechend abschließen werden! Denken wir an die Ein­richtung des Bundesasylamtes, das im Einvernehmen mit den Bundesländern durch-


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 70

gesetzt wurde, an die Transparenzdatenbank, die Artikel-15a-Vereinbarung, die dies­bezüglich abgeschlossen wurde! Denken Sie nur an den Stabilitätspakt, in dem sich Bund und Länder geeinigt haben, entsprechende Ausgabengrenzen festzulegen und einvernehmlich durchzusetzen. Oder denken Sie an die jüngste Einigung, die zwischen Bund und Ländern erfolgt ist, das Spekulationsverbot für Körperschaften öffentlichen Rechts, wo ebenfalls zwischen den Ländern eine Einigung erzielt wurde.

Erst heute in der Fragestunde haben wir in einer Anfrage gehört, dass im Bereich der Kinderhilfe und Jugendwohlfahrt auch eine Einigung mit den Bundesländern erzielt wurde. Ich sehe eigentlich durchwegs positive Seiten der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, was für mich ein Beweis dafür ist, dass die Bundesländer keine Reformverweigerer oder Blockierer sind, sondern wenn man sich ernsthaft zusam­mensetzt, wenn man sich ernsthaft dafür engagiert, ein Problem zu lösen, dann kann das sehr gut gelingen.

Ich glaube, diesen Geist sollten wir uns erhalten, und wir sollten auch einen Blick zurück auf den Österreich-Konvent werfen, im Zuge dessen viele Ideen formuliert wurden, die in harter Arbeit scheibchenweise zwischen Bund und Ländern miteinander abgearbeitet wurden. Auch die Idee der Landesverwaltungsgerichte war ein wesentliches Thema beim Österreich-Konvent.

Wir wissen alle, dass diese Fülle von Vorschlägen des Österreich-Konvents nicht mit einem Gesetz realisiert werden kann. Jeder weiß, dass das in kleinen Scheiben und in kleinen Stücken umgesetzt werden muss und dass eine Staats- und Verwaltungs­reform nicht in einem großen Mammutgesetz durchgesetzt werden kann, sondern immer in kleinen Schritten und immer mit der Vision, für den Bürger etwas Besseres anzubieten – und das ist gelungen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, in den letzten Tagen ist noch ein neues Thema aufgetaucht, das den Bund und die Länder sehr stark betrifft, nämlich der Vorschlag, dass die Länder eine eigene Steuerautonomie haben sollen. Erlauben Sie mir auch dazu ein paar Sätze! Ich finde es gut, dass diese Debatte geführt wird. Die Länder haben keine Angst vor einer eigenen Steuerautonomie. Es heißt immer, die Länder geben das Geld aus, das sie selber nicht verdienen beziehungsweise das sie selber nicht verantworten müssen, sondern der Bund nimmt das Geld ein und die Länder geben es aus. Ich glaube, mit diesem Vorschlag kann man auch diese Aus­sagen entkräften und die Bundesländer damit auch zu einer gewissen Verantwortung führen, denn sie sind bereit, diese Eigenverantwortung zu übernehmen. Auch der Herr Bundespräsident hat sich dazu geäußert und gesagt, er hält das für eine interessante Idee, und er würde das nicht a priori ablehnen.

Ich sehe darin auch eine Chance zu einer Aufgabenreform, dass man fragt: Was soll der Staat machen? Was ist Angelegenheit des Staates? Wer macht was in diesem Staate und in dieser Republik? Was kostet das im konkreten Fall? Und: Wie kann das finanziert werden? Das soll auch immer eine Richtlinie sein. Wir kommen damit auch zu mehr Eigenverantwortung, wenn die Steuerautonomie auch bei der Ausgabenseite, sprich, bei den Ländern, angehängt wird. Ich glaube, dass wir diese Gedanken weiter­verfolgen sollten – alles natürlich unter dem Aspekt, dass die Gesamtabgabenquote in dieser Republik nicht größer werden darf, sondern dass jener die Finanzierungs­autonomie bekommt, der auch die Kompetenz in dieser Republik hat.

Ich denke, diese Debatte ist eine gute. Es gibt verschiedene Studien, Anregungen, Untersuchungen und Unterlagen dazu, die in Zukunft noch mehr verbreitet und der Öffentlichkeit dargelegt werden sollen. Wir sind auch in der Zusammenarbeit der


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 71

Länder und der Republik auf einem guten Weg. – Es geht etwas weiter! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


11.55.07

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Der Diskussionsprozess zur Verwaltungsgerichtsbarkeit zieht sich ja bereits über mehrere Jahrzehnte hin. Mit diesem Ausführungsgesetz kommt man dem Ziel – der Einrichtung von Verwaltungs­gerichtshöfen, der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit insgesamt – wirklich einen ganz, ganz großen Schritt näher, und das ist durchaus zu begrüßen.

Es war aber auch ganz sicher dringend notwendig, diesen Prozess einzuleiten, weil man diesen Bürokratiedschungel, der bestanden hat und der für viele, für die meisten Bürger undurchschaubar war, ganz einfach beseitigen musste. Viele Bürger können mit Begriffen wie „Unabhängiger Verwaltungssenat“ in Wirklichkeit ja fast gar nichts – oder wirklich gar nichts – anfangen. Daher ist das notwendig und dieser Schritt eben zu begrüßen.

Auch die Art und Weise, Herr Staatssekretär, wie die Gespräche geführt wurden, wie verhandelt wurde, das war keine Neiddebatte, das war keine Debatte darüber, wer die besten Anträge hat, sondern es waren über Parteigrenzen hinweg und auch in Zusam­menarbeit mit der Beamtenschaft durchaus sehr, sehr konstruktive Verhandlungen, in denen die Regierungsparteien auch die Anträge und die Vorschläge der Opposition entsprechend aufgenommen haben. – Auch das ist wirklich und tatsächlich zu be­grüßen.

Ich darf aber als Vertreter der Opposition auf einen Punkt hinweisen, den Herr Kollege Klug auch schon angesprochen hat, und zwar die Frist bei der Erhebung der Be­schwerde. Es war eine zweiwöchige Frist vorgesehen, die jetzt auf vier Wochen verlängert wurde. Das war für uns Freiheitliche eine sehr wichtige Frage, und darum war es wirklich bis zum Schluss im Nationalrat nicht klar, ob wir dem Gesetzentwurf zustimmen werden. Diese Änderung ist ganz einfach notwendig, weil sie bürger­freundlich ist, so wie der Kollege Klug das beschrieben hat, und weil es nur so praktikabel ist. Ich kann aus der eigenen beruflichen Erfahrung sagen – und das wird mir jeder, der damit zu tun hat, auch bestätigen –, dass zwei Wochen Frist für ein Rechtsmittel viel zu kurz sind.

Der Brief, das Schriftstück, der Bescheid wird zugestellt, wird hinterlegt, weil der Betrof­fene gerade nicht zu Hause ist. Er kommt nach drei Tagen, holt sich das Schriftstück. Dann muss er schauen, ob er einen Anwalt braucht, ob eine Rechts­schutzdeckung gegeben ist. Das Rechtsmittel muss ausgefertigt werden. – Zwei Wochen sind da sofort vorbei. Daher ist es richtig, bürgerfreundlich und praktikabel, die Frist von zwei Wochen auf vier Wochen zu verlängern.

Herr Staatssekretär, es sind im Zusammenhang mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit noch einige Fragen offen. Ich denke da an das Kommandantenverfahren im Bereich des Landesverteidigungsministeriums oder an den Instanzenzug bei den Universitäten oder bei den Rechtsberufen. Ich denke aber, wenn das Verhandlungsklima so bleibt, wie es bisher war, wird auch das zu einem Erfolg werden und zu einem guten Ergebnis führen. Ich darf Ihnen auch sagen, dass wir gerne zustimmen, weil dieses Projekt und diese Materie wirklich gelungen ist und weil es ein Kompromiss ist, der allerdings von


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allen Seiten, so denke ich, durchaus sehr gut akzeptiert werden kann. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

11.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.58.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Es gibt ja in der Politik gewisse Wörter, die so inflationär verwendet werden – manche sprechen ja auch von Phrasendrescherei, wenn es um die Politik geht –, dass, wenn man das Wort hört, eh schon niemand mehr daran glaubt, dass das, was man sagt, wirklich so ist. Eines dieser Wörter ist „Reform“. Das Problem ist, dass, wenn dann wirklich einmal eine Reform erfolgt, in der Öffentlichkeit oft übersehen wird, dass eine Reform erfolgt. Die Reform, die wir heute beschließen – es ist ja bereits das dritte Gesetz zu dieser Reform –, hat wirklich die Bezeichnung Reform verdient, und ich halte es für ganz wichtig, das jetzt, wo es im Fernsehen übertragen wird, deutlich zu machen.

Es geht um – ein furchtbares Wort, möglicherweise auch so eine Phrasendrescherei –eine Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform – schönes Wort –, die allerdings, und das muss man ganz deutlich sagen, einen wirklich großer Fortschritt für die Rechts­sicherheit und für die Möglichkeiten für Bürger und Bürgerinnen darstellt.

Ein Projekt wie diese Reform lebt ja vor allem von einer Sache, nämlich dass ein Richter oder eine Richterin, der oder die unabhängig ist, eben besser und objektiver entscheiden kann, ob eine Behördenentscheidung, wo auch immer, korrekt war oder nicht. Ein/e unabhängige/r Richter/Richterin kann das auf jeden Fall besser – und so waren wir ohnehin alle einer Meinung – als ein weisungsgebundener Beamter oder eine weisungsgebundene Beamtin. Und mit dieser Unabhängigkeit steht und fällt so eine Reform.

Das haben die Vorredner ja ohnehin schon alle gesagt, es wurden auch die Vier-Wochen-Fristen erwähnt – ich kann mich nur vielem anschließen, was heute gesagt worden ist. Es war in diesem Fall möglich, dass fünf Parteien – im Nationalrat, hier sind es vier, nein fünf, jetzt habe ich Sie (in Richtung des Bundesrates Posch) vergessen – an einer Reform zusammenarbeiten können, verhandeln können, und das zeigt ja auch, dass das in dieser Republik auch kurz vor Wahlkämpfen möglich ist, wenn die Parteien manchmal bedauerlicherweise mehr damit zu tun haben, die eigene Profilie­rung in den Vordergrund zu rücken statt gemeinsam im Interesse der Bürger und Bürgerinnen zu arbeiten. Das ist manchmal auch schwierig, manches geschieht auch in der letzten Minute. Das war ja auch in diesem Fall, als es im Nationalrat behandelt worden ist, so.

Ich möchte noch einmal zusammenfassen, worum es den Grünen bei dieser Verwal­tungsreform gegangen ist. Wie schon von Anfang an gesagt, war uns die Unabhängig­keit der Entscheidungen das Wichtigste. Wenn eine Behörde etwas entscheidet und jemand soll das kontrollieren, kann das nur unabhängig passieren.

Wichtig war uns der verbesserte Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger; die Möglichkeit, sich niederschwellig gegen Entscheidungen der Verwaltungen wehren zu können; und, das ist auch wichtig, eine Vereinfachung und stärkere Klarheit: An wen wende ich mich überhaupt im ganzen Instanzenzug, wenn ich mich wehre, was ist die nächste Instanz? Das war de facto bis jetzt unübersichtlich. Viele haben sich nicht ausgekannt, und es verfügen, das muss man auch einmal sagen, nicht acht Millionen


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 73

Österreicher und Österreicherinnen über juristische Fachkenntnis. Das ist so. (Vize­präsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Vieles wurde erreicht. Jetzt könnte man dieses klassische Bild vom halbvollen oder halbleeren Glas nehmen, wir sagen: halbvoll.  Nein, es ist ziemlich voll, das Glas. Ein bisschen Platz ist noch, um ein bisschen etwas nachzuschenken, muss man sagen.

Eines, was wir nicht erreicht haben  und das haben wir, das möchte ich hier in der Länderkammer schon auch sagen, leider den Ländern zu verdanken –, ist, dass wir gerne die Möglichkeit der Verfahrenshilfe auch beim Verwaltungsgerichtshof gehabt hätten. Da waren die Länder dagegen, aus welchen Gründen auch immer. Ich kann es nicht ganz nachvollziehen.

Sei es drum, es ist ein großer Fortschritt, es ist wirklich eine Reform. Und wenn wir das Wort „Reform“ in anderen Zusammenhängen seltener verwenden, dann glauben uns vielleicht auch die Bürgerinnen und Bürger am Ende einer Reform, dass diesmal wirklich eine passiert ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 


12.03.18

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Reorganisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde ja über viele Jahre, wenn ich richtig informiert bin: seit 1995, zwischen Bund und Ländern verhandelt. Und das Besondere an diesem Gesetz und an diesen Beschlüssen ist der Kompromiss, der Konsens, der auf breitester Ebene zugrunde liegt – ich möchte das ausdrücklich erwähnen, ein breitester Konsens im Nationalrat und auch ein breiter Konsens in den Bundesländern.

Als Bundesrat, als Länderkammer haben wir uns vor allem für die Auswirkungen auf die Bundesländer zu interessieren, und wir haben da enorm große Einschnitte festzustellen. Es werden mehr als 300 Unabhängige Verwaltungssenate aufgelöst und durch neun Landesverwaltungsgerichte ersetzt. Es sind ja Landesverwaltungsgerichte, die von den Ländern, von den Bundesländern organisiert werden, die auch die Richter bestellen und die Organisation abwickeln.

Und es ist – Kollege Klug hat es schon erwähnt – auch ein historisches Faktum, dass die Bundesländer erstmals damit Anteil an der Gerichtsbarkeit erhalten. Das ist auch ein historischer Schritt.

Ich möchte es, nachdem schon sehr viel ausgeführt worden ist, eher kurz halten und den Verhandlungsführern auf beiden Seiten – Bundesebene und Länderseite – sehr herzlich für diesen konstruktiven Geist, mit dem diese Verhandlungen geführt wurden, danken. Es ist ja die größte Verwaltungsreform seit dem Jahre 1925, und es haben sich die Jahre, die man in Gesprächen verbracht hat, bezahlt gemacht.

Wie überhaupt – und ich möchte an dieser Stelle die Ausführungen des Kollegen Kneifel betonen – in dieser Legislaturperiode sehr viel zwischen Bund und Ländern weitergegangen ist, was also in dieser Wertigkeit in der Öffentlichkeit vielfach nicht wahrgenommen wird.

Ich darf nur mit zwei Stichworten einmal auf die Sicherheitsverwaltungsreform hin­weisen. Aus 32 Behörden wurden neun oder, mit den Bundesstellen, zehn. In der Pflegegeldverwaltung wurden mehr als 300 Bezug auszahlende Stellen reduziert auf neun, pro Bundesland eine, und die Bundesstellen dazu. Und heute beschließen wir


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 74

hier dieses Großprojekt Verwaltungsgerichtsbarkeit, in den letzten Tagen gab es die Einigung beim Kinder- und Jugendhilfegesetz. Das sind sehr große Fortschritte, die man einfach würdigen und unterstreichen muss.

Zwei abschließende Bemerkungen: Einen kleinen Schönheitsfehler darf ich schon anmerken – letztlich aber auch im Kompromiss zustande gekommen –, nämlich dass die UVP-Verfahren weiter auf der Bundesebene abgehandelt werden. Das ist eigentlich ein nicht unbedingt logischer Bruch der Systematik. Das hätten die Landesver­wal­tungs­gerichte genauso gut machen können, es ist aber das Wesen eines Kom­promisses, dass man sich so geeinigt hat. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist gescheit!)

Die Länder haben sich allerdings auch bei vielen Verfahrensfragen wieder eingebracht. Es ist also in Summe ein ausgemitteltes Gesamtergebnis.

Die zweite Schlussbemerkung: Für mich, beim Nachlesen der Protokolle, waren die Anti-Länder-Reflexe etwas störend, die bei der Debatte im Nationalrat konkret vom Vertreter der Freiheitlichen Partei, oder auch des BZÖ, gemacht wurden. Sinngemäß: Was machen die Länder mit diesem guten Reformwerk? Werden sie das wohl gut machen? Das habe ich eigentlich als störend empfunden bei einem Gesetz, das durch eine gute Verhandlungskultur, durch Verhandlungen auf Augenhöhe, gekennzeichnet von gegenseitigem Respekt, zustande gekommen ist. Ich darf ersuchen, dies den Kollegen im Nationalrat, den Kollegen Scheibner und Stefan, auch so auszurichten! (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Mag. Klug: Weil sie in den Ländern nichts zu reden haben!)

12.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich dem Herrn Staatssekretär das Wort erteile, darf ich darauf aufmerksam machen, dass im Vorraum des Bundesratssitzungssaals Studenten und Studentinnen der Universität Innsbruck ihr Projekt „ideas4austria“ präsentieren, bei dem es darum geht, wie man sich kreativ und positiv in die Demokratie und in die Politik einbringen kann. Also jeder, der die eine oder andere Minute Zeit hat, sollte sich das anhören!

Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.

 


12.08.33

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Bundesrat! Wie geht man mit so viel Lob und Dank um? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Man gibt es zurück und weiter. Zum einen gebe ich es tatsächlich an die Kollegen vom Verfassungsdienst weiter. Ich habe das schon bei mehreren Gelegenheiten hier tun können, insofern bin ich schon geübt, Herrn Dr. Hesse zu loben, Herrn Mag. Lanner, Herrn Mag. Herbst, der hier sitzt, und natürlich auch Herrn Dr. Alexander Klingenbrunner bei uns im Kabinett und Herrn Dr. Patrick Segalla beim Vizekanzler. (Allgemeiner Beifall.)

Sie alle haben nämlich tatsächlich wieder oft in nächtelangen Arbeiten dieses Werk sozusagen zustande gebracht, das jetzt der dritte Teil ist, ein vierter kommt noch – folgt sogleich, wollte ich sagen, aber das gilt ja für den Streich und davon wollen wir nicht reden. Der vierte Teil ist der, wo wir dann die Materiengesetze anpassen müs­sen – ich habe das hier auch schon mehrfach sagen dürfen und bin wirklich dankbar, dass das so gelaufen ist.

Ich kann mich erinnern, als wir mit diesem Projekt begonnen haben, ist uns von vielen Seiten gesagt worden, das versuche man jetzt seit 25 Jahren; auch der jetzige Prä­sident des Verfassungsgerichtshofes hat mir erzählt, als er damals im Verfassungs­dienst war, war das schon ein Thema und ist eigentlich immer gescheitert. Viele haben


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 75

gesagt, ob das mit den Ländern funktionieren wird, ob es da nicht wieder von vielen Seiten Widerstand geben wird, vielleicht auch von der Gerichtsbarkeit, und so weiter.

Wir haben den Weg gewählt, es zu probieren, wir haben den Weg gewählt, in vielen Gesprächen zu versuchen, einander näher zu kommen. Ich wurde im November 2011 von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die damals Vorsitzende der LH-Konferenz war, nach Kaprun eingeladen. Wir haben dort sehr offen diskutiert, und ich muss das, was Kollege Kneifel gesagt hat, bestätigen, nicht nur dem Kollegen Steiner, auch dem Landesamtsdirektor von Oberösterreich ist wirklich zu danken (Bundesrat Kneifel: Pesendorfer!) – ja, Pesendorfer –, der sich extrem engagiert hat, auch damals bei der LH-Konferenz in Kaprun, damit wir zu einem Ergebnis kommen.

Es ist dort noch nicht zustande gekommen, weil es natürlich manchmal auch zelebriert werden muss, daher war damals der Wunsch, dass der Bundeskanzler alle Landes­hauptleute ins Bundeskanzleramt einlädt. Und wir haben damals, auch das haben Sie schon erwähnt, nicht nur die Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in die Wege geleitet, eine zweite große Reform, die wir durchgeführt haben. Sie sagten es auch, auch die Transparenzdatenbank und so weiter wurde dort auf den Weg gebracht.

Dass es mit diesem Grundsatzbeschluss noch nicht getan war, haben Sie selbst be­merkt. Wir haben dann ein Verfassungsgesetz beschlossen, wir haben zuletzt das Organisationsrecht beschlossen. Ich habe damals gesagt, mein Wunsch wäre, dass wir noch im Jänner oder Anfang Februar im Nationalrat den Beschluss des Verfah­rensrechts zustande bringen, und wir haben es geschafft.

Ich will nicht nur den Bundesstellen und den Ländern danken, sondern ich möchte mich ganz ausdrücklich bei den Verfassungssprechern, teilweise Justizsprechern der einzelnen Fraktionen bedanken. Natürlich sind das mühevolle, langwierige und zeitauf­wendige Diskussionen, die wir geführt haben. Aber ich habe meinen Kolleginnen und Kollegen immer gesagt, ich möchte, dass diese, von einigen auch als Jahrhundert­reform bezeichnete, Reform breit getragen wird. Ich habe es im Plenum des National­rates gesehen, ich hoffe und aufgrund der Redebeiträge nehme ich es an, dass wir auch hier einen einstimmigen Beschluss zustande bringen. Ich glaube, dass es wirklich wichtig ist bei so einer großen Veränderung der Struktur im Verfahren, in der Rechts­staatlichkeit, dass das möglichst breit getragen wird.

Dieses Reformvorhaben ist der Beweis dafür – ich sage es so –, dass Politik von Vernunft getragen sein kann, ohne Polemik, ohne Gehässigkeiten, wenn man ein gemeinsames Ziel hat und entsprechend lange Gespräche führt. Und  das kommt noch dazu und passt ein bisschen zu dem, was Marco Schreuder gesagt hat  es ist auch ein relativ emotionsloses Thema, es ist ein sehr sachliches Thema, daher ist es medial ein eher uninteressantes Thema. Dass wir auch nicht streiten, sondern es im Konsens gemacht haben, wird dazu führen, dass vielleicht noch ein paar Zuseher wegswitchen von der Übertragung, weil es kein Match ist, sondern der Beweis für das, was Georg Simmel gesagt hat, dieser berühmte Soziologe, nämlich dass der Kom­promiss eine der größten Erfindungen der Menschheit ist. Wir haben, glaube ich, einen sehr, sehr guten Kompromiss gefunden, und dafür danke ich Ihnen allen.  Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 76

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.14.255. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgast­rechte erlassen und das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (2110 d.B. und 2118 d.B. sowie 8884/BR d.B. und 8897/BR d.B.)

6. Punkt

Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011 (III-471-BR/2012 d.B. sowie 8898/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um die Berichte.

 


12.14.53

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte erlassen und das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zu TOP 6: Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011 liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 den Antrag, den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Zur Debatte über die vorliegenden Tagesordnungspunkte darf ich Frau Bundes­minis­terin Doris Bures sehr herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Füller. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.16.44

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unbestritten ist, dass mit diesem Gesetz ein Meilenstein in Richtung verbesserte Fahrgastrechte für die Kundinnen und Kunden der Bahn, aber auch die Kundinnen und Kunden aller Bahnen, die mittlerweile am Streckennetz der ÖBB unterwegs sind, gesetzt werden kann. Es ist auch eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass in Zukunft mehr Menschen auf die Bahn als öffentliches Verkehrsmittel umsteigen und dieses benützen. Darüber hinaus sind wir uns im Klaren, dass die Bahn als Verkehrsmittel der Zukunft gelten muss, um auch die Verkehrsproblematik der Zukunft überhaupt bewältigen zu können.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 77

Es kann zu Verspätungen kommen, aber das liegt nicht immer an den Bahnunter­nehmen. Ich denke da nicht nur an diverse Suizidfälle und Unfälle, die von Pkw oder Lkw auf Bahnübergängen verursacht werden, sondern auch an witterungsbedingte Ursachen wie Lawinen- oder Muren-Abgänge, die letztendlich nicht vorhergesehen werden können und nicht in der Verantwortung der Bahnunternehmen liegen.

Die Pünktlichkeitsquote, die die ÖBB mittlerweile erreichen – das möchte ich heute feststellen –, ist durchaus den motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdan­ken. Daher möchte ich die Gelegenheit nützen und mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Mittlerweile erreichen die Österreichischen Bundesbahnen eine Pünktlichkeitsquote von 97 Prozent.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, seit 2010 erhalten die Bahnkundinnen und Bahn­kunden im Fernverkehr bei einer Verspätung von einer Stunde 25 Prozent und ab zwei Stunden 50 Prozent des Fahrpreises retour. Darüber hinaus erhalten die Jahreskartenbesitzer im Nahverkehr eine Entschädigung von 10 Prozent, wenn die Züge auf ihrer Strecke nicht zumindest zu 90 Prozent pünktlich sind. Bereits 2011 konnten diese 97 Prozent aller Züge pünktlich an ihr Ziel gelangen, und diese Entwicklung, dieser Erfolg hält auch seitdem an.

In den Fällen, wo es dennoch zu Verspätungen gekommen ist, wurden an die Kun­dinnen und Kunden im Fernverkehr 365 000 € ausbezahlt, die Pendlerinnen und Pendler, zirka 1 300 an der Zahl, wurden mit insgesamt 29 200 € entschädigt.

Aber nicht nur die Pünktlichkeit, sondern auch ein schnelles Erreichen des Zielortes gehört zur Kundenzufriedenheit dazu. Da ist in den letzten Jahren vieles geschehen, es muss aber noch einiges dazukommen. Ich möchte jetzt die Gelegenheit nützen, um auch ein Beispiel aus meiner Region, der westlichen Obersteiermark, zu bringen.

Eindreiviertel bis zwei Stunden, von 5.02 Uhr bis 6.45 Uhr oder mit dem zweiten Zug von 5.43 Uhr bis 7.41 Uhr, auf einer Strecke von 119 Kilometern von Judenburg nach Graz und damit, wenn man pendeln muss, dreieinhalb bis vier Stunden am Tag als Pendlerin, als Pendler unterwegs zu sein, ist für die Kundenzufriedenheit noch nicht ausreichend und nicht zufriedenstellend.

Ich denke, gerade auch für Regionen, die von Abwanderung betroffen sind, sind solche Anfahrtszeiten zur Arbeit letztendlich auch nicht hilfreich, denn jeder, der Monate oder Jahre pendelt, wird sich vielleicht auch Gedanken über eine Verlegung seines Wohnortes Richtung Arbeitsplatz machen.

Daher bitte ich dich, Frau Bundesministerin – und da ist ja auch schon einiges ge­schehen, um Verbesserungen zu erreichen –, auch weiterhin dafür zu sorgen, dass es zu diesen Verbesserungen kommt, damit das Pendeln aus diesen von mir ange­sprochenen Regionen nicht zu großen zeitlichen, aber auch persönlichen Belastungen für die Menschen führt und auch das Angebot dementsprechend attraktiv gestaltet werden kann. Es geht darum, dass die von mir angesprochenen Regionen in ihren Aktivitäten und Bestrebungen unterstützt werden, sodass die Menschen, die aufs Pendeln angewiesen sind, auch weiterhin in ihren bisherigen Wohnorten leben können.

Alles in allem unterstützen wir als sozialdemokratische Bundesratsfraktion diese Novelle heute sehr, sehr gerne, und wir werden ihr die Zustimmung erteilen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.21

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Steinkogler. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 78

12.21.01

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Mit dieser Novelle des Eisenbahngesetzes 1957 erhalten die Bahnfahrer mehr Rechte. Das ist erfreulich, das ist gut so.

Bereits seit 2012 erhalten die Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer bei einer Verspätung von mindestens einer Stunde 25 Prozent des Fahrpreises zurück, ab zwei Stunden 50 Prozent. Durch die vorliegende Novelle wird der Fahrgastbeirat, eine langjährige For­derung der ÖVP, umgesetzt. Fahrgäste mit übertragbaren Jahreskarten erhalten auch Anspruch auf eine Fahrpreisentschädigung. Es gibt mehr Rechte für Bahnfah­rerinnen und Bahnfahrer und strengere Entschädigungsregelungen bei Unpünktlichkeit sowie eine Ausweitung der Entschädigungsansprüche für BahnbenutzerInnen. Das sind die Kernpunkte dieser Novelle.

Künftig wird besonders im Nahverkehr, also für die Pendlerinnen und Pendler, eine Entschädigung ausbezahlt, wenn die Pünktlichkeit unter 95 Prozent liegt, anstatt wie früher unter 90 Prozent. Wir können aber schon feststellen und objektiv sagen, dass sich die Kundenfreundlichkeit und die Kundenorientierung unserer Bahn in den letzten Jahren entsprechend verbessert haben, und ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Novelle werden wir noch mehr Konsumenten­schutz, noch mehr Dienstleistung für Bahnkundinnen und Bahnkunden ermöglichen, und deshalb stimmen wir dieser Gesetzesnovelle zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.23.08

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Werte Zuseher zu Hause! Über den ersten Punkt im Rahmen dieser Debatte wurde ja bereits ausführlich debattiert. Auch dieser Punkt findet grundsätzlich unsere Zustimmung, auch wenn man sagen könnte, teil­weise wird vielleicht noch etwas zu wenig getan, teilweise etwas überschießend. Ungeklärt ist auch noch der Punkt hinsichtlich der Übernahme der Kosten, die weder vom Fahrgast noch vom Verkehrsunternehmen getragen werden. Aber summa sum­ma­rum ist das eine weitere Verbesserung für die Fahrgäste und deshalb positiv zu beurteilen.

Auch der zweite Punkt in dieser Debatte, der Bericht der Schienen-Control GmbH für das Jahr 2011, weist nicht viele Auffälligkeiten im Vergleich zu den Vorjahren auf. Einzig und allein die Tatsache, dass die Zahl der Beschwerden um ein Drittel zuge­nommen hat, ist erwähnenswert. Spannender wird dann der für 2012 werden, wenn die Auswirkungen der neuen WESTbahn, die ja erst im Dezember des Jahres 2011 ihren Betrieb aufgenommen hat, in den Bericht einfließen werden.

Mir hat da etwas gefehlt auf der Seite 52 dieses Berichtes, wo die Privatbahnen mit eigener Infrastruktur aufgelistet werden, und mir wurde dann im Ausschuss gesagt, dass diese Liste nicht vollständig, sondern nur exemplarisch ist. Ich habe deswegen so genau hineingeschaut, weil mir eine Bahn, die mir besonders am Herzen liegt, gefehlt hat, nämlich die Erzbergbahn, die vom Verein Erzbergbahn betrieben wird. Ich möchte daher die Gelegenheit heute nützen, im Rahmen dieser Debatte zwar auf ein regionales, aber für die Region sehr, sehr wichtiges Thema etwas näher einzugehen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 79

Es gibt hier nämlich eine aktuelle Situation, die für den Weiterbestand dieser Bahn äußerst prekär ist, ich würde sagen, es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist bereits zwölf.

Es gibt die Bahnlinie von Trofaiach über Vordernberg Bahnhof bis Vordernberg Markt, die im Eigentum der Österreichischen Bundesbahnen steht, und in weiterer Folge dann – von Vordernberg Markt bis Eisenerz – steht diese Bahn im Eigentum des Vereins Erzbergbahn, der dort eine touristische Nutzung vorsieht.

Nun ist es so, dass der Abschnitt, der den ÖBB gehört, zum Verkauf steht, und ein kleines Zwischenstück, nämlich von Vordernberg Bahnhof bis Vordernberg Markt, ganz essenziell und notwendig für den Betrieb der Erzbergbahn als touristische Erlebnis­bahn ist, weil nämlich der Bahnhof und die ganze Infrastruktur mit den Werkstätten und den Remisen sich in Vordernberg Bahnhof befinden und durch die mit Jänner dieses Jahres erfolgte Kündigung der ÖBB mit viermonatiger Kündigungsfrist bis Ende Mai des Jahres ein Weiterbetrieb nicht mehr möglich sein wird.

Die Crux dabei ist, dass die ÖBB für diesen gesamten Streckenabschnitt von Trofaiach bis Vordernberg 820 000 € an Verkaufspreis diktieren, sage ich einmal, zwar gestundet auf Jahresraten, auf zehn Raten, zinslos, aber trotzdem ist das ein erkleckliches Sümmchen, das der Verein natürlich nicht in der Lage ist aufzubringen.

Worum geht es eigentlich? Warum ist das von so großer Bedeutung? – Es ist erstens die touristische Nutzung eines eisenbahnhistorischen Juwels in einer Krisenregion, die dadurch vor dem Aus steht. Es ist auch in Zukunft ein Verkehr über diese Kernstrecke im Raum Vordernberg bis Eisenerz nicht mehr möglich, weil die ÖBB, wenn sie keinen Käufer findet, diese Strecke rückbaut, und dann ist diese Schieneninfrastruktur für alle Zeiten verloren.

Seit längerer Zeit gibt es bereits intensive Bemühungen seitens des Vereins, aber vor allem auch seitens der gesamten Region, da eine Lösung zu finden, nur, die 820 000 € plus zirka 300 000 € bis 500 000 €, die notwendig sind, um die Strecke dann auch eisenbahnrechtlich betreiben zu können, sind nicht so einfach aufzubringen. Es gibt auch bereits einen Businessplan für den Weiterbetrieb der touristischen Nutzung, der positiv ist, und zwar unter Berücksichtigung sowohl der Erhaltung als auch des Betrie­bes dieser Bahn, aber, wie gesagt, die Finanzierung hängt in der Luft.

Es haben sich auch die Gemeinden, die alle in der Region davon betroffen sind, die übrigens alle Bürgermeister aus Ihrer Fraktion haben, Frau Bundesministerin, bereit erklärt, den finanziellen Beitrag für den Erhalt und den Betrieb zu leisten. Es hat auch der Herr Landeshauptmann Voves Bereitschaft bekundet, hier helfend einzugreifen, aber die Summe ist ziemlich gewaltig.

Es wäre ein fatales regionalpolitisches Signal und eine Bankrotterklärung sowohl in touristischer als auch in infrastruktureller Hinsicht, wenn diese Strecke rückgebaut werden würde oder anderweitig, beispielsweise als Leitungstrasse für eine Wasser­leitung, für eine Energieversorgung oder Ähnliches, genützt würde.

Und es ist durchaus auch im Auge zu behalten, dass es zur Strecke bis Trofaiach Konzepte gibt, wonach eine S-Bahn-Anbindung an die zukünftige S 8 im Raum Leoben wirtschaftlich machbar wäre. Und man kann sich mit einiger Fantasie vorstellen, dass auch beispielsweise für die Skiregion Präbichl eine Eisenbahnanbindung in Zukunft einmal durchaus denkbar und von Vorteil wäre. In der Schweiz gibt es Skiorte, die damit Werbung machen, dass sie mit der Eisenbahn erreicht werden können.

Meine Bitte ist daher an Sie, Frau Bundesminister – als Infrastrukturministerin und als Eigentümervertreterin der ÖBB –, alles zu tun und einzuwirken auf die ÖBB, dass sie sich zumindest verhandlungsbereit zeigen, was den Verkaufspreis betrifft. Wir verlan­gen nicht den symbolischen Euro, aber wir bitten um eine doch erkleckliche Preis-


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 80

reduktion, sodass es auch für das Land und für die beteiligten Ressorts – da gibt es auch bereits Zusagen von unserem Landesrat Kurzmann, dass er bereit ist, sich mit 20 Prozent an diesen Kosten zu beteiligen – zu einer Lösung kommt, die dieser Krisenregion hilft und die den Menschen in dieser Region eine Zukunftsperspektive gibt und verhindert, dass hier etwas zerstört wird, worüber es bereits Beiträge im Fern­sehen, beispielsweise in „Eisenbahn Romantik“ und so weiter, gegeben hat. Das wäre für die Zukunft unwiederbringlich verloren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.32.17

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass heute so viele Verkehrsthemen auf der Tagesordnung sind und wir den meisten Gesetzesvorlagen zustimmen können, unter anderem jetzt der Änderung des Bundesgesetzes über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte und der Änderung des Eisenbahngesetzes.

Es ist insofern erfreulich, als wir bereits vor ungefähr einem Jahr einen Antrag ge­schrieben haben, wo viele dieser Punkte angesprochen wurden. Gut Ding braucht manchmal Weile, aber es ist jetzt umgesetzt worden. Es gibt neue Regelungen insbesondere für die Pünktlichkeitsvorgaben. Es gibt Regelungen, die vom Fernverkehr auf den Nah- und Regionalverkehr ausgeweitet worden sind. Es wird jetzt einfacher für die JahreskartenbesitzerInnen, wenn es Rückforderungen gibt, diese auch zu bekommen. Es gibt künftig auch Entschädigungen für Wochen- und Monatskarten­besitzerInnen. Insgesamt kann ich nur sagen: Es ist ein großes Plus für die Pend­lerinnen und Pendler, und wir werden deshalb, wie gesagt, gerne zustimmen.

Eine Kleinigkeit hätte ich doch dazu anzumerken – es gibt ja immer etwas, was man noch nachlegen könnte –: Ein wichtiges Fahrgastrecht, das mir persönlich immer wie­der fehlt und das erfreulicherweise auch draußen in dieser Vorstellung „ideas4Austria“ auf der Tagesordnung steht, das ist überhaupt das Vorhandensein eines öffentlichen Verkehrs in einer bestimmten Region.

Der Regionalverkehr ist – Kollege Krusche hat es auch schon angesprochen – zum Teil Ländersache, das ist schon klar, aber trotzdem ist das Problem: Wenn ich keinen öffentlichen Verkehr in der Nähe habe, dann kann ich ihn auch nicht nutzen. Das wäre noch ein ganz wichtiges Fahrgastrecht. Da könnte man sich wirklich ein Vorbild an der Schweiz nehmen.

Frau Ministerin, ich weiß nicht, ob Sie die Ausstellung schon gesehen haben, das Projekt Nummer 2 kann ich Ihnen wirklich nahelegen und empfehlen. Dieses Fahr­gastrecht, das würde ich mir noch wünschen, ansonsten werden wir gerne zustim­men. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 


12.34.26

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr darüber, dass gerade verkehrspolitische Themen immer sehr konsensual diskutiert werden, dass heute auch alle politischen Parteien zu mehr Konsumentenschutz, mehr Fahr­gast­rechten in Österreich ihre Zustimmung geben.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 81

Erlauben Sie mir, eingangs doch auch zu erwähnen, dass ich es sehr positiv finde, dass gerade im Bundesrat, wo die Vertreterinnen und Vertreter der Regionen unseres Landes zusammenkommen, die Bedeutung der Eisenbahn so hervorgehoben wird, geht es doch darum, dass wir ein öffentliches Verkehrsmittel in Österreich mit hoher Qualität haben wollen, das auch unsere Zielsetzungen im Bereich des Umwelt­schut­zes, des Klimaschutzes unterstützt. Das ganz Entscheidende bei allen zusätz­lichen Wünschen, bei allen zusätzlichen Anbindungen im öffentlichen Verkehr ist aber das Bekenntnis, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen, das natürlich sehr verantwor­tungsvoll eingesetzt werden muss – jeder Euro muss zwei Mal umgedreht werden.

Wenn wir eine moderne Infrastruktur in unserem Land haben wollen, wenn wir ein gut ausgebautes Schienennetz haben wollen, wenn wir einen guten öffentlichen Verkehr haben wollen, dann erfordert das Investitionen. Wir müssen unser österreichisches Schienen­netz modernisieren. Wir haben erst kürzlich 175 Jahre Eisenbahn gefeiert, und wir haben teilweise noch Strecken, die an die 100 Jahre alt sind. Das zeigt zwar, dass die Bahn eine Infrastruktur ist, die eine lange Lebensdauer hat, aber heute ist es an der Zeit, dass wir investieren, dass wir unser Schienennetz ausbauen und moder­nisieren. Und ich lade Sie über alle Parteigrenzen hinweg ein, sich dazu zu bekennen. Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn wir eine moderne Bahn wollen, wenn wir eine moderne Infrastruktur wollen, dann müssen wir auch in diese Bereiche investieren.

Dass das gut investiertes Geld ist, nicht nur, weil wir dadurch eine moderne, umwelt­freundliche Infrastruktur haben, zeigt sich – und das ist sehr unverdächtig – in einer Studie der Industriellenvereinigung über den ökonomischen Fußabdruck des Systems Bahn, in der der wirtschaftliche Nutzen dieser Investitionen klar erkennbar ist. Die Studie geht sogar davon aus, dass wir in den letzten Krisenjahren, hätten wir nicht in die Bahn investiert, in die Rezession geschlittert wären, und das hätte im Bereich der Arbeitslosigkeit massive negative Auswirkungen gehabt. Diese Investitionen rechnen sich also, auch nach einer Studie der Industriellenvereinigung, es ist gut investiertes Geld und sorgt heute für Beschäftigung.

Es ist mir auch wichtig zu sagen, dass Bauen kein Selbstzweck ist. Die Bahn ist ein Mobilitätsunternehmen und keine Baufirma. Und daher sind Dinge wie die Stärkung der Fahrgastrechte etwas ganz Besonderes, weil das die Unternehmen Bahn – nämlich alle Unternehmen Bahn, nicht nur die ÖBB, wir haben 20 weitere Bahnen in Öster­reich – dazu anspornen soll, höhere Qualität und mehr Verlässlichkeit für die Fahrgäste zur Verfügung zu stellen.

Wir haben in Österreich zwei Bereiche, in denen wir in Europa, was Fahrgastrechte und Konsumentenschutz betrifft, wirklich ganz vorne sind. Das Erste ist, dass wir die Verbesserungen nicht nur für den Fernverkehr gemacht haben, so wie das eine Richtlinie vorgesehen hat, sondern wir haben gesagt, wir wollen Entschädigungs­zahlungen bei Unpünktlichkeit vor allem für jene Menschen, die auf das öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, und das sind die Pendlerinnen und Pendler. Wir haben in Österreich gesagt, wir wollen bei einer unpünktlichen Bahn auch Entschädi­gungs­zahlungen für die Pendlerinnen und Pendler und nicht nur für die Reisenden im Fernverkehr.

Wir werden heute die strengsten Regelungen beschließen. Bisher war es so, dass es eine Entschädigungszahlung gab, wenn die Pünktlichkeit der Bahn unter 90 Prozent gelegen ist. Wir heben das jetzt auf 95 Prozent an, um damit noch einmal deutlich zu machen, es geht uns darum, einen verlässlichen Verkehrsträger, eine verlässliche Bahn für die Österreicherinnen und Österreicher zur Verfügung zu stellen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 82

Der zweite Punkt ist der Schienen-Control-Bericht. Ich bedanke mich für die Erstellung dieses Berichts. Es ist ein ganz wesentliches Dokument. Es zeigt noch einmal auf, was alle Streckenführungen und Wünsche bezüglich zusätzliche Anbindungen betrifft, dass wir einen Gesamtverkehrsplan entwickelt haben, wo wir alle Verkehrsträger mit allen Prognosen, die wir in der Verkehrsentwicklung kennen, zusammengefasst haben, dass wir hier ein Konzept für die nächsten 20 Jahre, den Verkehr in Österreich betreffend, entwickelt haben, von der Luftfahrt über die Wasserstraße bis zur Eisenbahn.

Darüber hinaus ist bei diesem Bericht der Schienen-Control GmbH auch deutlich zum Ausdruck gekommen, dass wir eine der besten Bahnen Europas insgesamt haben, was die Pünktlichkeit betrifft, was die Qualität betrifft. Es geht nicht nur um Gleis­anlagen, die wir bauen, sondern es geht auch darum, dass es gemeinsam mit den Bundesländern Steiermark, Wien, Niederösterreich gelungen ist, für die nächsten Jahre 100 neue Zuggarnituren anzuschaffen und zu kaufen, damit auch moderne Züge für die PendlerInnen im Nahverkehr, wo sie eingesetzt werden, zur Verfügung zu stellen, worauf dieser Bericht der Schienen-Control GmbH auch eingeht.

Es freut mich, dass wir in dem Bericht auch Folgendes sehen: Es wurden noch nie so viele Bahnkilometer wie heute gefahren! Im Jahr 2012 waren es so viele Kilometer wie noch nie, und wir befördern mit der Bahn so viele Menschen wie noch nie in unserem Land. Das ist gut so, weil die Bahn ein sicheres Verkehrsmittel ist und weil es ein Verkehrsmittel ist, das eben auch darauf achtet, dass Österreich auch in Zukunft noch eine gesunde Umwelt hat.

Ich glaube, das sind Gründe genug, nicht nur heute die Fahrgastrechte zu stärken und den Bericht der Schienen-Control GmbH auch als Bestätigung dieses Kurses zu sehen, sondern es ist auch Grund genug, das System Bahn insgesamt und die Investitionen, die wir in diesem Bereich tätigen, zu unterstützen und zu begrüßen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates und den gegenständlichen Bericht erfolgen getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte erlassen und das Eisenbahnge­setz 1957 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit abgenommen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 83

12.42.29 7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (25. StVO-Novelle) (2109 d.B. und 2119 d.B. sowie 8899/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Ich bitte um den Bericht.

 


12.42.42

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Natio­nal­rates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenver­kehrsordnung 1960 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 5. Februar 2013 den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

12.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.43.46

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Auch diese mittlerweile 25. Novelle zur Straßenverkehrsordnung enthält durchaus einige positive Punkte, denen wir zustimmen, beispielsweise das Handyverbot für Fahrradfahrer, die Änderungen bezüglich Behindertenausweis oder Erleichterungen für Hebammen.

Ich möchte aber jetzt zwei Punkte herausgreifen, denen wir überhaupt nicht unsere Zustimmung erteilen können, sodass wir diese 25. Novelle ablehnen werden. Es sind dies die sogenannten Begegnungszonen und die Aufhebung der Radwegebenutzungs­pflicht.

Meine Damen und Herren, jahrelang, jahrzehntelang haben Kommunen, Gemeinden, Städte und auch Länder Unsummen in die Entflechtung des Verkehrs investiert. Sie haben Fahrradwege geschaffen, die teilweise begleitend zu Bundesstraßen sind. Im innerstädtischen Raum ist sehr viel passiert. Das alles waren Investitionen, die der Steigerung der Lebensqualität für die Verkehrsteilnehmer auf der einen Seite und vor allem natürlich auch der Steigerung der Verkehrssicherheit gedient haben.

Diese Trennung zwischen schwachen und starken Verkehrsteilnehmern hat also durchaus einen Sinn gemacht. Die Schwächsten sind ja noch immer die Fußgänger, und hier vor allem ältere Menschen und Kinder. Auch diese müssen sehr häufig vor den sozusagen Zweitschwächsten geschützt werden, nämlich vor den Radfahrern.

Nicht umsonst findet man immer mehr Fußgängerzonen, in denen ein Verbot herrscht, auf dem Fahrrad zu fahren, was heißt: Das Fahrrad muss geschoben werden. Das hat seine Ursache in diesen Beobachtungen. Ich glaube, jeder von uns hat schon erlebt, dass – ich sage das einmal unter Anführungszeichen – „wildgewordene“ Radfahrer


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 84

quer durch irgendwelche Fußgängerzonen rasen und dort alte Menschen und Kinder gefährden.

Jetzt will man das eigentlich wieder rückentwickeln und rückgängig machen. Diese Begegnungszonen haben ja vom Titel her schon fast etwas Sozialromantisches, das klingt nach Begegnung, nach Kommunikation. Aber ich habe Angst, dass diese Begegnungszonen, wenn sie in größerem Stil eingeführt werden sollten, in Wirklichkeit zu Konfliktzonen werden und eigentlich das Gegenteil erreichen, denn wir wissen alle, dass es hier zu Stresssituationen kommen wird, und zwar von allen Verkehrsteil­nehmern. Die Fußgänger haben Angst vor den Autos und den Radfahrern, die Rad­fahrer haben Angst vor den Autos, und jeder ist damit verunsichert. Ich glaube nicht, dass das ein Beitrag zur Begegnung und zur Konfliktbewältigung ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ähnlich verhält es sich mit der Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht. Ich bin bis heute nicht draufgekommen, wo der Vorteil liegen soll. Der Radfahrer wird sich dann unter Umständen freiwillig auf die Straße in die Konfliktsituation mit dem Autofahrer begeben, und der Autofahrer weiß nicht mehr: Ist jetzt dort möglicherweise ein Fahrrad unterwegs oder nicht?

Zur Beschilderung: Wenn man sagt, ein rundes und ein eckiges Schild macht den Unterschied, frage ich, welcher Autofahrer bei der Reizüberflutung gerade im inner­städtischen Bereich, in dem er ständig irgendwelche Verkehrszeichen vor Augen hat – Halteverbot aus, Parkverbot aus, Behindertenparkplatz, Ladezone und so weiter –, in diesem Schilderwald dann noch unterscheiden soll, ob hier ein rundes oder ein eckiges Schild einen Fahrradweg markiert. (Bundesrat Stadler: Da sind Sie überfordert!)

Ich halte das also, wie du sagst, für eine Überforderung der Verkehrsteilnehmer (Bundesrat Stadler: Ich meine dich!) und eine Inkaufnahme von gefährlichen Situ­ationen. Ohnehin sind ja die Fahrradfahrer bereits teilweise steigend und sehr stark am Unfallgeschehen beteiligt. Mit einer solchen Maßnahme, glaube ich, wird sich die Situation sicher nicht verbessern, sondern eher verschlechtern.

Ich kann nur hoffen bei diesem Gesetz, dieser Novelle, die offensichtlich auf Zuruf der Frau Stadträtin Vassilakou gemacht wurde, dass – mit Ausnahme von Wien natürlich – die Kommunen und Städte in Österreich so schlau sein werden, das nicht in Anspruch zu nehmen. Dann haben wir die Hoffnung, dass wir nicht in Zukunft mehr tote Rad­fahrer, zumindest in den Bundesländern, beklagen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.49.42

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren im Bundesrat! Der Radverkehr hat, wie wir alle ja wissen, in den letzten Jahren zweifelsohne massiv an Bedeutung und Stärke gewonnen. In rund 70 Prozent der österreichischen Haushalte sind Fahrräder verfügbar. Dieser Wert deckt sich auch mit der Aussage, dass rund drei Viertel der Bevölkerung zumindest gelegentlich ein Fahrrad benutzen.

In diesen Haushalten gibt es mehr Fahrräder als Personen, was darauf hindeutet, dass in vielen Haushalten für jeden Zweck – wie etwa Einkaufen, Sport oder den Weg in die Arbeit – ein eigenes Fahrrad bereitsteht. Dabei geht auch aus den statistischen Daten hervor, dass das Fahrrad zunehmend zu einem Verkehrsmittel für die alltäglichen Wege wird und nicht mehr nur als reines Sportgerät eingestuft wird. Und je ausge-


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 85

prägter die Erfahrungen mit dem Fahrrad als Verkehrsmittel sind, desto unproble­matischer werden die Bedingungen für das Radfahren wahrgenommen.

Auf der anderen Seite ist auch zu beachten, dass gerade jene Gruppe, welche das Fahrrad zukünftig häufiger nutzen könnte, im Hinblick auf die infrastrukturellen Bedin­gungen für das Radfahren relativ oft noch verunsichert ist. Es erfordert daher optimale infrastrukturelle Bedingungen sowie gesetzliche Rahmenbedingungen, um die Einsatz­bereiche des Fahrrads und die Sicherheit beim Fahrradfahren auch entsprechend zu erweitern. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine hervorragend ausgearbei­tete, sehr informative Studie – „Radverkehr in Zahlen“ –, die das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie 2010 herausgegeben hat, hinweisen.

Daher sind, um diesen Herausforderungen, die der erfreuliche Anstieg einer umwelt­freundlichen und gesunden Mobilität, praktisch das Fahrradfahren mit sich bringt, zu entsprechen, gesetzliche Maßnahmen wie eben auch diese Novelle erforderlich. Das Hauptziel des heute zu beschließenden Bundesgesetzes, der 25. Straßenverkehrsord­nungs-Novelle, ist die Schaffung von mehr Raum, mehr Sicherheit und klaren Regeln für den Radverkehr, wobei künftig die Gemeinden und Städte gesetzliche Möglich­keiten dafür erhalten, eigene Fahrradstraßen und Begegnungszonen zu schaffen.

Gerade die Begegnungszonen, die von meinem Vorredner sehr kritisiert wurden, entsprechen vielmehr den Wünschen des Städte- und Gemeindebundes. Auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Städtebundes, Vizebürgermeister Luger aus Linz, hat sich ja sehr positiv für diese Begegnungszonen ausgesprochen, nicht nur der Wiener Bürgermeister.

Künftig können also neue Verkehrsflächen – Fahrradstraßen, Begegnungszonen und nicht benutzungspflichtige Radwege – geschaffen werden. Was bei den Fahrrad­straßen auch besonders wichtig ist, ist, dass es dem Straßenerhalter, der die örtlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten am besten kennt, obliegt, wo und welche Fahrradstraßen tatsächlich geschaffen werden.

Bei der Einführung von Begegnungszonen liegt der Schwerpunkt auf der Gleichbe­rechtigung aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer im Mischverkehr. Das heißt, es geht in dieser Novelle nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer.

Bei den nicht benutzungspflichtigen Radwegen wird die Benutzungspflicht von Rad- beziehungsweise Geh- und Radwegen nicht grundsätzlich aufgehoben, sondern insofern modifiziert, als künftig die Möglichkeit besteht, einen nicht benutzungs­pflich­tigen Rad- beziehungsweise Geh- und Radweg aus Verkehrssicherheitsgründen festzulegen.

Das Positive, das Handy-Telefonier-Verbot, wurde ja auch von meinem Vorredner ange­sprochen. Es ist, glaube ich, aus Sicherheitsgründen sehr wichtig, dass das eingeführt wird und dass der Radfahrer, der ohne Freisprecheinrichtung telefoniert, künftig bei einer Anhaltung mit einer Geldstrafe von 50 € zu rechnen hat.

Was in dieser Verkehrsordnungs-Novelle auch sehr positiv ist, ist die Erleichterung für Menschen mit Behinderung. Künftig wird für Menschen mit Behinderung ein einheit­licher Zugang zum Parkausweis und zum Behindertenpass gewährt sein. Dieser Parkausweis wird künftig beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen beantragt und als Anlage zum Behindertenpass ausgestellt.

Zusätzlich bringt diese Novelle – das wurde vorher kurz erwähnt – auch eine Park-Erleichterung für Hebammen. Sie dürfen jetzt bei einer Fahrt zur Leistung von Geburtshilfe das Fahrzeug auch in einem Halte-/Parkverbot abstellen, natürlich nur


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 86

dann, wenn der Verkehr dadurch nicht behindert wird und das Fahrzeug entsprechend mit der Tafel „Hebamme im Dienst“ versehen ist.

Geschätzte Damen und Herren, kurz zusammengefasst: Das heute zu beschließende Gesetz, die 25. Straßenverkehrsordnungs-Novelle, ist ein weiterer wichtiger Beitrag für die Sicherheit der Mobilität aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Daher wird meine Partei dieser Novelle gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Kainz. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.55.41

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon meine Vorredner erwähnt haben, beschließen wir heute die 25. Novelle zur Straßenverkehrs­ordnung. Ein wesentlicher Teil dieses Pakets ist natürlich all das, was mit den Verän­derungen, ich würde es fast so ausdrücken: mit Verbesserungen dafür, das Rad zu benutzen, zusammenhängt.

Es sind aber auch zwei weitere Themenbereiche mit dabei, nämlich die notwendige und richtige Anpassung betreffend die Mitnahme des Traktorführerscheins, aber auch die Erleichterung der Parksituation bei Hebammen, auf die auch schon mein Vorredner eingegangen ist.

Ich möchte hier auch aus meiner Erfahrung beziehungsweise meiner Funktion als Bürgermeister der Weinbaugemeinde Pfaffstätten, wo wir in Niederösterreich ja auch alles versuchen, um die Attraktivierung der Fahrradbenutzung zu fördern, aus der Praxis ein paar Punkte einbringen.

Wir wissen, dass 50 Prozent aller Autofahrten unter fünf Kilometer und ein Viertel aller Autofahrten unter zweieinhalb Kilometer lang sind. Das heißt, wenn wir diese Situation sehr genau analysieren, so glaube ich, sind wir gut beraten, wenn wir alles daran­setzen, das Fahrrad und die Benützung des Fahrrades zu attraktivieren und auch zu erleichtern. Radfahren ist wichtig, nicht nur, weil es gesund ist, sondern weil dadurch natürlich auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann. Es spart CO2.

Gerade deshalb setzt das Bundesland Niederösterreich bewusst sehr viele Maßnah­men und Initiativen auch in diese Richtung. Ich denke da an die Förderpolitik des Bundeslandes Niederösterreich. Gerade was die Attraktivierung des Alltags-Radweg­verkehrs, aber auch des Rades im Bereich des Freizeitverkehrs betrifft, wurden in den letzten Jahren über 1 300 Kilometer an Top-Radrouten geschaffen.

Aber auch in den Gemeinden hat sich viel getan. Die Niederösterreicherinnen und Nie­derösterreicher besitzen rund 1,2 Millionen Fahrräder und legen insgesamt rund 300 Kilo­meter zurück. Wir haben uns im Bundesland Niederösterreich auch ein sehr klares Ziel gesetzt, nämlich die Verdoppelung des Radweganteils, das heißt bis 2020 auf 14 Prozent. Es wurden allein schon 5 Millionen in die Errichtung von Radwegen und auch in den Lückenschluss bei Ortsdurchfahrten investiert.

Wir haben auch in meiner Gemeinde – mit unserer Nachbargemeinde Traiskirchen – ein Projekt vor, das wir jetzt diskutieren werden, um letztendlich auch die Lücke zwi­schen Traiskirchen und Pfaffstätten zu schließen. Ich denke auch, dass wir mit „nextbike“, also Fahrräder für den Umstieg vom öffentlichen Verkehrsmittel – von der Bahn auf das Fahrrad – auszuborgen, ein sehr gelungenes Projekt initiiert haben.

Nun zur ganz konkreten Novelle, die uns heute vorliegt: Es wurde schon darauf einge­gangen, dass das Telefonieren auf dem Fahrrad zukünftig verboten ist. Okay, das wird


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 87

eine notwendige Maßnahme sein; ob das wirklich zur Attraktivierung beiträgt, sei dahingestellt. Aber ich glaube und bin davon überzeugt, dass hier auch Unfallzahlen reduziert werden können, und so ist es auch ein Schritt, den wir mit dieser Novelle setzen.

Die Fahrradstraßen wurden angesprochen, aber die Begegnungszonen möchte ich auch ansprechen. Ich glaube, dass wir in den Gemeinden zu Recht in den letzten Jahren auch sehr viele Schritte gesetzt haben, um das Miteinander zu ermöglichen. Wir haben einerseits freiwillig die Kilometerbeschränkung im Ortsgebiet von 50 km/h teilweise auf 30 km/h, in meiner Gemeinde auch auf 40 km/h, reduziert. Das ist eine Maßnahme, die auf große Akzeptanz bei den Bürgern stößt und teilweise auch von den Bürgern gefordert wird. Wir haben auch Wohnstraßen eingeführt, weil wir wissen, dass dort Kinder-/Fußgängerverkehr, Pkw-Verkehr und Fahrradverkehr gleichberech­tigt miteinander abzuwickeln sind.

Ich halte die Einführung einer Begegnungszone für einen weiteren Schritt in die richtige Richtung, weil wir in Siedlungsgebieten das Miteinander ermöglichen wollen. Die Be­geg­nungszone ist ein Schritt in diese Richtung, indem man die Geschwindigkeit reduziert und das Miteinander zwischen Fußgänger, Fahrrad und Pkw ermöglicht. Wo ich in einem Siedlungsgebiet wirklich ein erhöhtes Fußgängeraufkommen habe oder vielleicht auch mehr spielende Kinder den öffentlichen Raum benutzen wollen, dort kann ich punktuell ganz gezielt eine Wohnstraße widmen. Es erhöht die Akzeptanz, wenn wir jene Maßnahme verordnen, die uns für das betreffende Gebiet als richtig erscheint. Alles in allem ist das ein gutes, ein gelungenes Paket, das zweifellos unsere Zustimmung bekommen wird.

An dieser Stelle möchte ich, wenn ich schon hier am Rednerpult stehen darf, auch noch ein Thema aus Sicht eines Bürgermeisters ansprechen. Ich bin dankbar dafür, dass in der Verkehrsausschusssitzung des Nationalrates eine Ausschussfeststellung erfolgt ist, nämlich die, den Gemeinden wieder die Möglichkeit flexibler Radarmes­sun­gen einzuräumen. Das hatten wir schon, das hat sich auch bewährt. Natürlich geschieht das unter sehr klar strukturierten und vorgegebenen Rahmenbedingungen, klar definierten Vorgaben, das ist ganz klar, aber es muss möglich sein.

Es kann nicht Aufgabe der Bundesexekutive sein, die sich sehr bemüht, flächen­deckend in den Gemeinden jenem Wunsch nachzukommen, der von den Bürgern an uns herangetragen wird, nämlich dass wir das auch überwachen sollen. Deswegen sind wir gut beraten, sachlich und uns die nötige Zeit nehmend die Vorkommnisse beziehungsweise die Vorfälle, die Rahmenbedingungen und die Vorgaben genau zu definieren, sodass künftig eine flexible Radarmessung ermöglicht wird.

Mit dieser Ausschussfeststellung ist ein erster Schritt getan. Ich persönlich unterstütze das und, so denke ich, auch die Kolleginnen und Kollegen im Verkehrsausschuss des Bundesrates. Der vorliegenden Novelle werden wir von der ÖVP-Fraktion sehr gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


13.02.15

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Wenn man eine verkehrspolitische Diskussion führt, führt man zwangsläufig immer auch eine kulturelle. Wie man sich im Verkehr fortbewegt, ist immer auch eine Frage der Zeit und der Prioritäten, die die Menschen in dieser Zeit setzen, eine Frage dessen, was gerade „in“ und en vogue ist. Dass sich in den letzten Jahren kulturell etwas im Verkehr oder


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besser gesagt – ein viel schöneres Wort – in der Mobilität geändert hat, das sehen wir jeden Tag.

Die Wirtschaft ist ja manchmal schneller im Erkennen von Trends als die Politik. Es ist noch gar nicht so lange her, da ging es in der Autowerbung zumeist darum, welches Auto mehr PS hat und schneller fährt. Schauen Sie sich einmal die Autowerbung heutzutage an! In der Werbung heutzutage geht es darum, welches Auto praktisch ist und wenig verbraucht. Daran sieht man schon, es gibt eine große Veränderung. Und 50 Prozent – das muss man auch ganz klar feststellen, denn das wird immer ver­gessen –, mehr als 50 Prozent der Menschen in Österreich verfügen über kein Auto. Das heißt, Verkehr und Mobilität müssen immer als ein Miteinander von allen diskutiert werden, nämlich von Radfahrern und Radfahrerinnen, von Fußgängern und Fußgän­gerinnen – ganz wichtige Verkehrsteilnehmer, -teilnehmerinnen –, von Nutzern/Nut­zerinnen öffentlicher Verkehrsmittel und, ja, natürlich auch von Autofahrern und Auto­fahrerinnen.

Eigentlich sollte ja jeder, der Verkehrspolitik diskutiert, selber die Erfahrung machen – wir haben das vorhin schon unter uns in der Bank ein bisschen diskutiert – und einfach einmal alle Verkehrsmöglichkeiten ausprobieren. Ich kenne Wien mittlerweile aus allen Perspektiven, ich kenne es aus der Öffi-Perspektive, ich kenne es aus der Radfahr-Perspektive, ich bin ein leidenschaftlicher Radfahrer, ja, ich bin ein Grüner, ich bin ein leidenschaftlicher Fußgänger und – jetzt könnt ihr eine OTS machen, wenn ihr wollt – ich fahre manchmal Auto. – Huch! Ein Grüner, der manchmal Auto fährt! Ja, das gibt es auch. Es gibt mittlerweile Carsharing, es gibt car2go, manchmal brauche ich auch ein Mietauto. So ist das nun mal in einer modernen Welt, wenn man etwas trans­portieren muss oder so.

Wie wir dieses Miteinander organisieren, ist eben die große politische Herausfor­de­rung. In den Niederlanden oder in Dänemark wird dieses Miteinander im Straßenver­kehr vollkommen anders diskutiert als in Österreich. Und wie so oft, und das werfe ich der Freiheitlichen Partei mitunter schon vor, tun Sie genau dasselbe, was Sie bei MigrantInnen zum Beispiel auch machen, nämlich Menschen gegeneinander auf­wiegeln. Man will, dass die einen gegen die anderen sind. In dem Fall sind es die bösen Fahrradfahrer gegen die guten Autofahrer und Autofahrerinnen. Dass es bei allen, auch bei den Radfahrern und Radfahrerinnen, Rowdies gibt oder Menschen, die sich nicht an die Straßenverkehrsordnung halten, das stimmt. Dafür gibt es die Exekutive. Die Straßenverkehrsordnung ist das Gesetz, auf dessen Grundlage sich alle bewegen müssen. Und heute beschließen wir genau das, und das auch mit unserer Zustimmung.

Eines ist schon angedeutet worden, und das ist ja auch interessant, dass wir im Bun­desrat erfreut eine Kompetenz von den Ländern an den Bund abgeben und alle dafür sind. Es ist also eine erstaunliche und gute Sache, dass der Behinderten-Parkausweis mittlerweile zentral geregelt wird und es da jetzt keine unterschiedlichen Hand­habungen mit unterschiedlichen Folgen und Angehörigenmodellen und, und, und mehr gibt. Das finden wir gut.

Was die sogenannten Begegnungszonen betrifft, hätten wir uns natürlich noch ge­wünscht, keine Frage, dass das Schweizer Modell stärker in den Vordergrund gerückt worden wäre. In Österreich gibt es immer noch diesen einen Satz, nämlich dass die Radwegnutzungsfreigabe nur dann vorgenommen werden darf, wenn die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs aufrecht bleibt. In der Schweiz gibt es das nicht. Nichtsdestotrotz, man soll nicht i-Tüpferl-Reiten, werden wir dem Gesetz zustimmen, nur hätten wir uns eben eine ein bisschen andere Regelung gewünscht.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 89

Prinzipiell kann ich nur allen Politikern und Politikerinnen, die immer über die Fahr­radfahrer schimpfen, empfehlen: Setzt euch einmal auf das Rad! Radfahren macht glücklich, Radfahren ist gut für den Körper und verbrennt auch so manche Kalorie, die man vielleicht loswerden will. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

13.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


13.07.20

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich schwelge im Glück, das uns Herr Schreuder für den Fall, dass wir Radfahren, versprochen hat. Ich glaube, die Über­schrift ist: Wie gewinnen wir innerstädtischen Raum, wie gewinnen wir Raum in den Gemeinden wieder zurück? Der Individualverkehr ist nicht wegzuleugnen. Wir können nicht behaupten, es gibt ihn nicht, wir können ihn nicht vertreiben, aber wir können versuchen, gestalterisch einzugreifen, und das ist die Aufgabe der Politik. Daher ist diese Begegnungszone eine Fortentwicklung des Versuchs der Verkehrsberuhigung. Eine Fortentwicklung deshalb, weil man sagen muss, dass das Wohnstraßenmodell wegen des „durchgreifenden“ Erfolges schwer zu verlängern ist, nicht nur deshalb, weil nur Autofahrer mit Digitaltachometer feststellen können, ob sie im Schritttempo fahren oder nicht. Wohnstraßen haben sich, ob man das bedauert oder nicht, nicht wirklich durchgesetzt.

Eine Fußgängerzone – man müsste sie eigentlich Fußgänger-/Radfahrerzone nen­nen – ist ein probates Mittel, die Fortbewegung in der Innenstadt auf Fußgänger und Radfahrer zu beschränken, auch wenn sie logischerweise immer wieder dadurch durchlöchert wird, dass man die Zufahrt nicht nur für Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch für Geschäfte, für Betriebe gestatten muss, für die unabdingbar ist, dass angeliefert wird. Daher sind Fußgängerzonen zwar von der Bezeichnung her ganz gut, allerdings entsprechen sie in ihrer Umsetzung auch nicht rein ihrem Namen.

Nun kommt die Begegnungszone. Die Begegnungszone ist der ehrenwerte Versuch, die Interessen der Verkehrsteilnehmer unter einen Hut zu bringen. Es ist in einzelnen Gemeinden, in kleineren Gemeinden mit weniger Verkehrsfrequenz als in großen Städten eine sehr leicht durchzuführende Sache. Das kann man dort machen, dort sind die Bürgermeister natürlich alle dafür. Wie sich das in den Großstädten darstellen wird, wird man gut beobachten und auch entsprechend evaluieren müssen.

Was ich nicht glaube, ist, dass man Begegnungszonen dazu verwenden kann, Verkehrsströme zu lenken. Ein Kollege der SP-Fraktion hat heute den Vizebürger­meister Luger von Linz erwähnt, der zu Beginn der Begegnungszonen-Diskussion eine Liste vorgelegt hat, der ich sehr skeptisch gegenübergestanden bin, weil es nicht zweckmäßig ist, Ost-West- oder Nord-Süd-Verbindungen einer Stadt, und zwar die wenigen, die es noch gibt, mit Begegnungszonen einzuschränken, ja zuzumachen. Das kann nicht Sinn und Zweck der Übung sein.

Was es in den Städten geben muss, ist die Rückeroberung des innerstädtischen Raums. Da sollte es ein Bekenntnis dazu geben, dass man das versuchen soll. Man wird das gemeinsam machen. Wir haben ja in Linz bereits eine Quasi-Begeg­nungszone, ohne dass es de facto Begegnungszonen gibt, und zwar in der Kloster­straße/Landhausplatz. Dort kann man in Linz hinunterfahren. Ich habe die Worte des Kollegen Krusche im Ohr, weil ich auch ein bisschen die Skepsis gegenüber der Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer teile. Das hat man ja in dieser Begeg­nungszone in Linz gesehen: Da macht die Klosterstraße eine leichte Kurve. Und was war? – Dort, wo der gedachte Gehsteig ist, hat man drei Poller hingesetzt, damit die


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Kraftfahrzeuge dort nicht drüberfahren. Ich beobachte mit Interesse, wie das dort sein wird.

Ich gehe davon aus, dass die Begegnungszone etwas ist, was die Mündigkeit des Bürgers einfordert. Es hat niemand etwas davon, wenn man sagt, alle Fußgänger oder alle Autofahrer oder alle Radfahrer sind rücksichtslos. – Das ist nicht der Fall! Es gibt in allen genannten Mobilitätsteilnehmergruppen, Herr Kollege Schreuder, solche und solche. Das wissen wir, da kommen wir nicht umhin, das festzustellen. Es gibt welche, die die Verkehrsregeln offensiver auslegen, und andere, die sie defensiver auslegen. Jetzt überantworte ich dem Bürger dort die Verantwortung: Kamerad, du wirst deinen Teil dazu beitragen müssen, dass es unfallfrei wird. Du wirst als Fußgänger nach wie vor nicht dein Recht gegenüber dem heranfahrenden 38,5-Tonner geltend machen können, außer du nimmst Gesundheitsschäden in Kauf. Das kann es nicht sein.

Grundsätzlich: Die Zustimmung zu diesem – das sage ich vor allem im Hinblick auf den städtischen Bereich – Versuch, Individualverkehr nicht einzuschränken oder zu be­schrän­ken, sondern tauglich und friedlich für alle Teilnehmer zu machen, ist eindeutig. Eine Rückeroberung des innerstädtischen Raums und Verkehrsberuhigung in zentralen Stadt- oder Gemeindegebieten ist das, was wir erreichen müssen, und auch ein rücksichtsvolles Miteinander-Umgehen der Verkehrsteilnehmer. Und dazu wird mit den Begegnungszonen ein richtiger Schritt getan. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 


13.12.17

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Ausführungen zur Novelle, die heute hier vorliegt. Sie zeigt, dass ein Vorwurf, der der Politik oft gemacht wird, nicht stimmt, nämlich der, dass man auf neue Entwicklungen nicht rechtzeitig eingeht und dass die Gesetze den Veränderungen in der Gesellschaft immer hinterherhinken. Der heutige Beschluss, Veränderungen im Bereich des Zusammenlebens im öffent­lichen Raum, auf unseren Straßen und Plätzen vorzunehmen, zeigt, dass wir Verän­derungen in der Mobilität offenen Auges wahrnehmen.

Die Mobilität der Zukunft wird noch viel stärker intermodal sein. Es wird den Auto-Fetischisten, der nur mit dem Auto fährt und niemals irgendein anderes Verkehrsmittel benutzt, in Zukunft nicht mehr geben, denn man wird die Verkehrsmittel intelligent nutzen. Wenn man von Wien-Zentrum nach St. Pölten-Zentrum fahren will und mit dem Zug in 25 Minuten dort ist, wird es keinen Grund mehr geben, ins Auto zu steigen. Man wird also öffentliche Verkehrsmittel verknüpfen, also die Mobilität so gestalten, dass man am schnellsten, am kostengünstigsten und am umweltfreundlichsten von A nach B gelangt.

Deshalb bedanke ich mich für alle Debattenbeiträge, in denen es darum gegangen ist, dass sich das Verkehrsverhalten vieler Menschen verändert hat. Ich finde, das ist gut so. Wenn wir wissen, dass der Radverkehr allein in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent zugenommen hat, dann ist es richtig, dass wir uns damit befassen, wie wir den Gemeinden, Kommunen und Städten die Chance geben, auf diesen Fahrrad­boom – die Tendenz ist steigend – zu reagieren und den Verkehr in den Städten und Gemeinden besser zu organisieren. Und es ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, was wir mit diesem Gesetz tun.


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Wenn wir heute die Möglichkeit von Fahrradstraßen und von Begegnungszonen vorschlagen, dann schreibt der Bund nicht vor, dass deren Einführung überall zu erfolgen hat, sondern die politisch Verantwortlichen vor Ort, die die Situation am besten kennen, entscheiden in einem demokratischen Prozess, wo es Sinn macht, wo man damit für mehr Rücksichtnahme und ein friedlicheres Zusammenleben sorgen kann. Wir geben also den Städten und Gemeinden die Chance, Veränderungen im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger vorzunehmen.

Das gilt auch für die Frage der Radwegbenutzungspflicht. Wir heben sie nicht auf! Auch da geben wir den Gemeinden und den Städten die Chance, Veränderungen vorzunehmen, wenn es örtlich sinnvoll erscheint. Es stellt keinen Widerspruch dazu dar, dass Gemeinden in Radwege investiert haben, weil wir heute kein Gesetz be­schließen, das ganz Österreich vom Neusiedler See bis zum Bodensee über einen Kamm schert. Wir sagen vielmehr: Die, die die Situation und die Bedürfnisse der Bevölkerung vor Ort am besten kennen, sollen von uns die Möglichkeit bekommen, diese Instrumente, diese neuen gesetzlichen Regelungen – Radfahrstraßen, Begeg­nungs­zonen, Ausnahmemöglichkeiten von der Radwegbenutzungspflicht – auch zu nutzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, mir ist es wichtig, dass wir auf unseren Straßen nicht ein Recht haben, bei dem der Stärkere sich durchsetzt und der Schwächere auf der Strecke bleibt. Wir haben ja deshalb auch ein Rücksichtnah­megebot in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen, also nicht nur den Vertrauens­grundsatz, den wir ja alle als AutofahrerInnen oder FührerscheinbesitzerInnen gut kennen. Wir haben ein Rücksichtnahmegebot aufgenommen, weil es eben nicht um Autofahrer gegen Radfahrer oder Radfahrer gegen Fußgänger geht, sondern wir die Chance eröffnen wollen, all diesen unterschiedlichen Mobilitätsansprüchen auch tatsächlich gerecht zu werden. Es geht darum, ein Konfliktpotenzial nicht zu erhöhen, sondern es tatsächlich zu verringern.

Wir haben also einen Fahrradboom, und das ist gut so, denn Radfahren ist gut für die Gesundheit; Radfahren ist gut für die Umwelt; Radfahren ist gut für den Verkehr. Stellen Sie sich vor, wir hätten die alle in Autos! Wir schaffen dafür heute die Rahmen­bedingungen.

Auch ich bin für mehr Raum. Ich bin aber auch für mehr Sicherheit, und deshalb halte ich es für richtig, dass wir beschließen, dass Handy-Telefonieren auch beim Radfahren verboten ist und dass es genauso wie beim Autofahren auch mit einer Strafe zu belegen ist, wenn man mit dem Handy telefoniert, abgelenkt ist und damit möglicher­weise ein Verkehrssicherheitsrisiko darstellt.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es wurde von Ihnen zwar auch erwähnt, aber erlauben Sie mir trotzdem, es noch einmal zu sagen, weil es gerade auch aus dem Kreis der Abgeordneten gekommen ist.

Es gibt zwei Dinge, die wir noch ändern: Wir kennen alle das Schild „Arzt im Dienst“. Hebammen durften das nicht verwenden. Das ändern wir ab heute. Auch Hebammen werden in Zukunft wie Ärzte im Dienst eine Erleichterung bei der Parkplatzbenutzung eingeräumt bekommen. Das war eine Initiative gerade auch der Frauen, der Frauen im Nationalrat und der Frauen im Bundesrat. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Das Zweite, das auch bereits erwähnt wurde, ist die Erleichterung im Bereich der Behindertenausweise. Menschen mit Behinderungen, die es ohnedies schwer im Leben haben, sollen nicht noch zusätzliche Hürden auferlegt werden, und daher werden wir mit der Beschlussfassung heute auch Hürden für diese Menschen besei­tigen. Wir werden eine zuständige Behörde haben, und es werden nicht mehr zig Wege zurückzulegen sein. Was die ärztlichen Untersuchungen betrifft, werden


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unnötige Untersuchungen nicht mehr erforderlich sein, und der Kreis der Anspruchs­berechtigten wird vereinheitlicht. Auch das war eine Initiative der Behindertensprecher des Nationalrats und des Bundesrats. Beide Dinge habe ich in das Radpaket gerne aufgenommen und freue mich auf die breite Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bun­desrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter der Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

13.20.518. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (IVS-Gesetz – IVS-G) (1799 d.B. und 2122 d.B. sowie 8900/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (2108 d.B. und 2123 d.B. sowie 8885/BR d.B. und 8901/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG, das Gelegenheitsver­kehrs-Gesetz 1996 – GelverkG und das Kraftfahrliniengesetz – KflG geändert werden (1986 d.B. und 2124 d.B. sowie 8886/BR d.B. und 8902/BR d.B.)


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11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (31. KFG-Novelle) und das Führerscheingesetz (15. FSG-Novelle) geändert werden (1985 d.B., 2089/A, 1683/A und 2125 d.B. sowie 8887/BR d.B. und 8903/BR d.B.)

12. Punkt

Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2011, vorgelegt von der Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-472-BR/2012 d.B. sowie 8904/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 8 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 8 bis 12 ist Herr Bundesrat Ing. Androsch. Bitte um die Berichte.

13.21.34

 


Berichterstatter Ing. Maurice Androsch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf zu den nun vorliegenden Punkten die Berichte verlesen. Die Berichte liegen Ihnen in schriftlicher Form vor.

Zu Tagesordnungspunkt 8: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (IVS-Gesetz): Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 9: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird: Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 10: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995, das Gelegenheitsver­kehrs-Gesetz 1996 und das Kraftfahrliniengesetz geändert werden: Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 11: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (31. KFG-Novelle) und das Führer­scheingesetz (15. FSG-Novelle) geändert werden: Der Ausschuss für Verkehr, Inno­vation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 12: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2011, vorgelegt


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von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie: Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 den Antrag, den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2011, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.25.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es ein bisschen schade, dass wir jetzt fünf eigentlich sehr verschiedene Gesetzesvorlagen unter einem diskutieren, bei vier stimmen wir nämlich zu, bei einer nicht. Ich muss mich jetzt aus Effizienzgründen leider auf die Kritik beschränken, und das Lob, Frau Ministerin, das bekommen Sie vielleicht später in schriftlicher Form. (Bundesrat Mag. Klug: Man darf sie auch mündlich loben!)

Das einzige Gesetz unter diesen fünf, dem wir nicht zustimmen, ist die Novelle des Bundesstraßengesetzes, einfach aus dem Grund, weil die Sinnhaftigkeit und Wichtig­keit dieser Novelle uns leider verschlossen geblieben ist. Warum es jetzt so enorm wichtig ist, dass man Güterterminals direkt an die Autobahnabfahrt setzen darf und nicht ein paar Meter Landesstraße dazwischen sein müssen, das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich denke, im Bundesstraßengesetz gäbe es weitaus mehr Dinge, die man neu überlegen könnte, wie zum Beispiel die Sinnhaftigkeit von manchen Bun­desstraßen, die dort verordnet sind.

Wir haben im Weinviertel eine der ersten „Geister-Autobahnen“. Wenn man die neue S 1, die doch viele Hundert Millionen Euro gekostet hat, am Tag befährt, dann fühlt man sich allein und weiß gar nicht mehr, ob man GeisterfahrerIn ist oder nicht, denn außer einem selbst ist niemand auf der Straße. Ähnlich sehe ich das auch bei der S 33, die ist zwar brav verlängert worden bis nach St. Pölten, üppig befahren ist sie nicht. Ich denke, in diesen Bereichen wird die ASFINAG sicher ein Problem haben, die Investitionskosten, die sie da getätigt hat, irgendwie auch wieder mit der Maut hereinzubekommen.

Weiter geht es mit der A 5, wo die Verkehrszahlen ab Schrick bekannt sind. Diese sind sehr niedrig, und trotzdem muss man jetzt die A 5 weiterbauen bis zur Grenze, nur weil es vielleicht manche Landeshauptleute so wollen.

Das ist unsere große Kritik am Bundesstraßengesetz insgesamt: Es wird nicht verord­net, was unbedingt notwendig ist. Es wird nicht geschaut, was das für klimapolitische Auswirkungen hat, sondern es geht in erster Linie um Wünsche und Beschwerden von Landeshauptmenschen. (Bundesrätin Greiderer: Haben Sie das gegendert?) – Ja, ich habe das jetzt gegendert.

Sie haben vorhin so schön gesagt – eigentlich tut mir das ein bisschen leid –, bei der Schiene müssen wir jeden Euro zweimal umdrehen. Bei der Bundesstraßenplanung habe ich den Eindruck, dass dem nicht ganz so ist. Deshalb ist uns, wie gesagt, die Priorität der derzeitigen Novelle nicht wirklich ersichtlich geworden. Es gibt sehr viel, was wir an diesem Gesetz gerne geändert hätten, und deshalb werden wir dieser Änderung nicht zustimmen.

Ich möchte Ihnen aber auch in Bezug auf die Bundesstraßen – und weil jetzt schon Fasching ist – noch eine kleine Information zukommen lassen. (Bundesrat Stadler: Ist


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das jetzt ein Faschingsscherz?) Ich hatte eine lustige Kommunikation mit einem Beamten der niederösterreichischen Landesregierung. Ich habe vor drei Monaten gewagt, ihn nach den Verkehrszahlen auf der A 22 im Stadtgebiet Korneuburg zu fragen. Frau Ministerin, Sie haben mir auf diese Frage auch schon einmal so eine eigenartige Antwort gegeben, aber er hat es jetzt nach drei Monaten geschafft, mir eine Antwort zu schicken. Ich habe mir gedacht, die ASFINAG hat ja etwas mit Ihnen zu tun. Ist Ihnen bekannt, dass die niederösterreichische Landesregierung einen Link zur ASINAG-Dauerzählstelle als Gutachten verkauft? – Ich gebe Ihnen die Kommunikation dazu, weil es insgesamt sehr witzig ist, aber eigentlich eine traurige Tatsache ist.

Ich zitiere jetzt den Herrn Landesbeamten: Daraus lässt sich schließen, dass auch Frau Kerschbaum, die ja – weil ich einmal Ausschussvorsitzende war – fachlich ein­schlägig gebildet ist, nach eigener Aussage bisher schon einen gewissen Zeitaufwand beim Suchen der Verkehrszahlen gehabt hat, und deshalb ist es gerechtfertigt, dass man eine Stunde braucht, damit man ein Gutachten erstellt, in dem der Link zur Dauerverkehrszählstelle angegeben ist, und dazu die Zeile, in der angeblich die Verkehrszahlen vom Stadtgebiet Korneuburg zu finden sind.

Das ist mein Anliegen, das ich an Sie habe: Bitte klären Sie das ab! Ich habe nämlich schon bei sehr vielen Stellen nachgefragt. Bei Ihnen habe nachgefragt, und Sie haben mir damals gesagt, die ASFINAG habe da etwas. Die ASFINAG hat gesagt, sie habe nichts. Ich habe schon bei diversen Stellen beim Land angefragt, beim ersten Mal habe ich für diese Anfrage eine Rechnung bekommen.

Meines Wissens gibt es keine Dauerzählstelle und keine Zählstelle, und niemand kann mir sagen, wie viel täglichen Durchschnittsverkehr wir auf der A 22 in Korneuburg haben. Es gibt eine Zählstelle bei der Nordbrücke, da sind es 85 000 Autos. Es gibt eine Zählstelle in Spillern, da sind es 55 000 Autos. Wir wissen, es gibt in Korneuburg eine massive Zunahme. Wir wissen, dass da sehr viele Autos fahren. Wir haben aber keinen Zugang zu Informationen, und offensichtlich bekommen wir den auch nicht für 111 €. (Präsident Mayer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir haben keinen Zugang zu diesen Verkehrszahlen, und ich hätte diesen Zugang gerne, denn es gibt sehr viele Menschen in Korneuburg, die sich wünschen würden, dass es aufgrund der herrschenden Lärmbelastung durch die A 22 auch bei uns draußen irgendwann einmal ein Tempolimit auf der Autobahn gibt, damit die Menschen links und rechts davon besser schlafen können.

Ich darf Ihnen das übergeben, und vielleicht können Sie mir dann noch sagen, ob es irgendwo eine Verkehrszählstelle gibt oder irgendjemanden, der mir sagen kann, wie viele Autos auf dieser Autobahn fahren. Ich denke, Transparenz wäre auch in diesem Bereich wichtig. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Kerschbaum über­reicht Bundesministerin Bures ein Schriftstück.)

13.30


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


13.30.23

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Kollegin Kerschbaum schon betont hat, sind hier sehr viele Gesetzesänderungen zusam­mengefasst. Ich glaube, es sind wichtige Punkte, einerseits eine Verwaltungsverein­fachung und auf der anderen Seite sehr viele wichtige Punkte für die Verkehrssicher­heit, die uns ja allen am Herzen liegt.

Ich möchte gleich mit dem Punkt anfangen, bei dem ihr nicht mitgehen könnt, nämlich die Änderung im Bundesstraßengesetz, mit der die direkte Anbindung der Verkehrs-


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träger  Schiene – große Frachtbahnhöfe, Güterterminals –, Luft – Flughäfen – und Was­ser – Häfen – an Bundesstraßen ermöglicht wird. Was ist daran so schlimm? (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Es ist ohnehin jedem das seine, aber ich glaube, wenn man da direkte Anbindungen an ein hochrangiges Straßennetz hat, weg von den oft verstopften Zufahrten von Güterterminals, Flughäfen, dann ist das nichts Negatives. Diese Novellierung, diese Verlagerung des Verkehrs auf ein hochrangiges Straßennetz, ist sicher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung in punkto Verkehrssicherheit.

Wir haben im Ausschuss gehört – weil es gerade um Lärmschutz gegangen ist –, dass auf den Lärmschutz geachtet wird, wenn diese Zufahrten gemacht werden und dort in der Nähe vielleicht irgendwo ein Wohngebiet ist. Das ist wohl auch in unserem Sinn.

Weiters beinhalten diese Tagesordnungspunkte die Änderung des Kraftfahrgesetzes und des Führerscheingesetzes. Die Novellierungen der beiden Gesetze bringen eine Vereinfachung für Lenkerinnen und Lenker und haben einen hohen Praxisbezug. Da geht es unter anderem um einen Punkt, den Kollege Kainz beim vorherigen Tagesord­nungspunkt schon angesprochen hat – er war ein bisschen der Zeit voraus –, nämlich den Traktorführerschein. Damals, als wir das Mitführen des Führerscheins bei Fahrten von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen, Motorkarren und Zugmaschinen in einem Umkreis von zehn Kilometern beschlossen haben, hat das im Nachhinein für großen Aufruhr gesorgt, und wir sind alle bombardiert worden. Ich habe es nicht ganz verstan­den, das muss ich ganz ehrlich sagen, aber jetzt sind wir uns wieder einig. Diese Sache wird wieder aufgehoben.

Man hat auch gesehen, Kollege Franz Wenger, dass es schon im Ausschuss zu einer Diskussion gekommen ist, und ich hoffe für alle Betroffenen, dass es wirklich bei unserer Diskussion bleibt und dass es von der Exekutive genauso wie früher gehand­habt wird, dass sie jetzt nicht im Umkreis von zehn Kilometern die Landwirte strafen, wenn sie den Führerschein nicht mithaben.

Es steht dort auch ausdrücklich: im Zuge der landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Im Ausschuss sind einige Tätigkeiten angesprochen worden, die sicher problematisch sind. Wenn ein Landwirt zum Beispiel für den Maschinenring oder für Speditionen am Wochenende Autoanhänger überstellt, weil man mit dem Lkw nicht fahren darf, dann hat das natürlich mit landwirtschaftlicher Tätigkeit nichts mehr zu tun. Ich hoffe, dass ihnen das bewusst ist. Es dürfte, glaube ich, für die Kolleginnen und Kollegen in der Landwirtschaft keine große Umstellung sein, denn sie haben es früher genauso gehandhabt und wir haben das jetzt wiederhergestellt, was früher schon einmal gegolten hat.

Weiters gibt es Änderungen im Fahrschulbereich. Die behördliche Zustimmung bei Änderungen der Schulfahrzeuge wird geändert. Die Bestimmungen über die Wieder­holung der Lehrbefähigungsprüfung werden großzügiger gestaltet, und vor allem werden die Möglichkeiten für die Behörde im Rahmen der Fahrschulinspektionen ausgedehnt und verbessert. Darüber hinaus wird das System der Bewilligung von Übungsfahrten neu gestaltet. Dabei entfällt die bisher vorgesehene Bewilligung für den Begleiter, was mit einem Entfall – wie bereits angesprochen – von Verwaltungslasten in diesem Bereich verbunden ist.

Mit diesen Maßnahmen haben wir in Zukunft weniger Bürokratie und, wie ich hoffe, auch weniger Kosten. Wenn man bedenkt, dass der Führerschein für Führer­schein­werber jetzt schon 1 000 € oder mehr kostet, dann ist zu hoffen, dass sich mit diesen Maßnahmen vielleicht auch am Preis ein bisschen etwas ändert, oder dass das Ganze in nächster Zukunft zumindest nicht wieder teurer wird.


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Eine wichtige Sache beinhaltet die Novellierung von Güterbeförderungsgesetz, Gele­genheitsverkehrs-Gesetz, Kraftfahrliniengesetz: Bei dieser Gesetzesänderung geht es wieder um einen ganz wichtigen Punkt, nämlich um die Verkehrssicherheit. Wir wissen alle, wir lesen es, wir hören es leider zu oft, dass die Übermüdung von Lkw-Lenkern und -Lenkerinnen im Straßenverkehr ein sehr hohes Unfallrisiko bedeutet. Bei dieser Gesetzesänderung geht es jetzt um die wöchentliche Arbeitszeit dieser Berufsgruppe.

Früher hat es da ein gewisses Schlupfloch gegeben, für Scheinselbständige hat es da Ausnahmen gegeben. Mit dieser Novellierung werden jetzt Selbständige mit den Nichtselbständigen hinsichtlich der maximalen wöchentlichen Arbeitszeit gleichgestellt. Ich glaube, man kann auch nicht verstehen, was da für ein Unterschied sein soll, wenn jemand selbständig oder nicht selbständig ist. Gleiches Recht für alle sollte gelten. In Zukunft werden alle die maximalen wöchentlichen Arbeitszeiten einhalten müssen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verwaltungsvereinfachung und Verkehrssicher­heit sind unserer Fraktion immer ein Anliegen, zu dem wir uns bekennen. Diese Palette an Gesetzesnovellierungen, die hier zusammengefasst diskutiert werden, bedeutet einen weiteren Mosaikstein für sehr viel mehr Verkehrssicherheit und Verwaltungsver­einfachung. Daher wird unsere Fraktion gerne allen Punkten zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Wenger.)

13.37

 


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Dönmez. – Bitte.

 


13.37.49

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute hat der Unterausschuss des Oberösterreichischen Landtages zum Gesamtverkehrs­konzept getagt. Da wurde eine Bestandsanalyse präsentiert, die sich seit Jahren des Themas der Verkehrsproblematik im Großraum Linz angenommen hat, und auch die angedachten Lösungsvorschläge. Es ist jetzt schon ein riesengroßes Problem im Großraum Linz, denn tagtäglich pendeln 100 000 OberösterreicherInnen nach Linz hinein und am Abend wieder hinaus und nur 17 Prozent davon benützen die öffent­lichen Verkehrsmittel.

Wenn wir in dieser Art und Weise wie bisher weitermachen, dann droht uns ein Verkehrs­kollaps. Das haben die Grünen bisher immer gesagt, und das haben jetzt aber auch die Experten und Expertinnen in diesem Unterausschuss untermauert. Das heißt, wir müssen hier massiv entgegensteuern. Die Luftqualität im Großraum Linz ist jetzt schon nicht besonders gut. Dafür ist aber nicht die Schwerindustrie verantwortlich, die ja bekanntlich in Linz ansässig ist, sondern zum großen Teil ist der motorisierte Individualverkehr der Emittent, und das hat natürlich negative Auswirkungen auf die Luftqualität.

Eine weitere negative Auswirkung – nicht nur auf die Luftqualität, sondern insbe­son­dere auf die Lebensqualität insgesamt – wird auch das von Ihnen präferierte Projekt, der Linzer Westring haben. Wenn hier 646 Millionen € in die Hand genommen werden, damit man mitten durch die Stadt eine Autobahn baut, wobei man jetzt schon weiß, dass das massive Auswirkungen auf die Anrainer, auf die Luftqualität und auf die Lebensqualität haben wird, der Verkehr im innerstädtischen Bereich – das sind die Zahlen der ASFINAG – aber nur zu 8 Prozent entlastet wird, dann stellt sich für mich die Frage: Wo ist hier die Gewichtung?

Wir wissen, dass wir sozusagen im Bereich der Mobilität umdenken müssen, aber wir sind in unserem Denken und in unserem Handeln nach wie vor in den alten Strukturen. Da bauen wir eine Autobahn mitten durch die Stadt. Man verkauft es den Leuten damit,


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 98

dass sozusagen der Verkehr in der Stadt entlastet wird, dabei sind das nur 8 Prozent. Im Endeffekt geht es darum, dass man sozusagen den internationalen Verkehr von Ost nach West anbindet, dass man sozusagen schneller in Tschechien drüben ist, und das wird leider Gottes auf Kosten der Lebensqualität der Österreicherinnen und Öster­reicher, insbesondere der Linzerinnen und Linzer stattfinden.

Das halte ich für sehr bedenklich, insbesondere auch mit dem Wissen, dass – wie die Krankheitszahlen zeigen – besonders Kleinkinder und ältere Menschen schon jetzt ein massives Problem mit Atemwegserkrankungen haben, und das wird in Zukunft noch mehr zunehmen.

Und dann geschieht Folgendes: Jene, die es sich leisten können, sehr geehrte Frau Ministerin, werden irgendwo ins Grüne, aufs Land ziehen; die, die es sich nicht leisten können, bleiben in der Stadt, sind dem sozusagen ausgeliefert. Und es entwickelt sich dann genau die Dynamik, dass dann noch mehr Leute in den Zentralraum hineinpen­deln und sich dadurch die Luftqualität und die Lebensqualität für jene, die im groß­städtischen Bereich wohnhaft sind, insgesamt verschlechtern. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Ein ganz dummes Beispiel – da können Sie aber eh nichts dafür, Frau Ministerin –, wie man Verkehrsplanung nicht machen sollte: Wir haben in Linz die Donaulände, das Jahrmarktgelände in Urfahr – für alle, die Linz kennen: eine der schönsten Flächen in der Stadt, das ist gleich neben der Donau. Und was haben wir dort gemacht? – Diese schöne Fläche wurde zubetoniert, grün angestrichen, und wir parken die Autos genau dort, wo die teuerste und schönste Fläche ist, mitten in der Stadt.

Die Autofahrer müssen in die Stadt hinein – wenn sie überhaupt umsteigen auf den öffentlichen Verkehr. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, dass vor den groß­städtischen Ballungszentren diese Park-and-Ride-Anlagen installiert werden, und zwar in Absprache mit den Gemeinden. Es ist wichtig, dass die Leute umsteigen können, dass das attraktiv gestaltet wird, dass die Leute auf den öffentlichen Verkehr umstei­gen.

Diese 646 Millionen € wären meines Erachtens – und da bin ich sicher nicht alleine – viel besser investiert in den öffentlichen Verkehr, in ein Gesamtverkehrskonzept, um die Probleme, die jetzt schon da sind und in Zukunft noch mehr an Dynamik gewinnen werden, zu entschärfen. Es tut mir leid, aber diese 646 Millionen € sind versenktes Geld, wie in so vielen anderen Straßenbauprojekten, Semmeringtunnel und so weiter. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

13.43


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 


13.43.37

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich in meinem Beitrag auf den Tagesordnungspunkt 11 beziehen, auf die 31. Kraft­fahrgesetz-Novelle und auf die 15. Führerscheingesetz-Novelle.

In diesen Punkten und Novellen geht es vor allem um Verwaltungsvereinfachungen und Deregulierungen, die letztendlich dann dem Staat viele Einsparungen bringen, was ja sehr positiv ist, und eben auch in der Bürokratie eine Vereinfachung.

Zum einen beinhaltet die Novelle die Schaffung der Grundlage für eine § 57a-Begut­achtungsplakettendatenbank. In dieser Datenbank sollen auch die Gutachten für eine wiederkehrende Begutachtung von Kraftfahrzeugen abgelegt und gespeichert werden und auch für die Zulassungsstellen abrufbar sein. Das hat den Vorteil, dass bei einer Wiederanmeldung eines Kfz eine Vorlage in Papierversion entfällt.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 99

Weiters gibt es Änderungen im Fahrschulbereich. Es entfällt in Zukunft die behördliche Zustimmung oder Genehmigung, wenn man den Schulfahrzeugstand ändert. Bis jetzt war es bei einer Änderung im Stand der Schulfahrzeuge immer notwendig, das der Behörde anzuzeigen, dann hat ein Sachverständiger kommen und das genehmigen müssen. Das war also sehr bürokratisch, aufwendig, teuer. Das entfällt jetzt.

Was die Ausbildung und Prüfung von Fahrlehrern und Fahrschullehrern betrifft, ist es so, dass jetzt, wenn diese durchfallen, die Reprobationsfrist von zwei Monaten auf ein Monat zurückgesetzt worden ist.

In Zukunft ist nur mehr eine entgeltliche Ausbildung von Fahrlehrern und Fahr­schullehrern erlaubt und möglich. Bisher haben sich die Fahrschulen ihre Mitarbeiter selber ausbilden dürfen, und jetzt können die Mitarbeiter, wenn eine Prüfung einmal nicht klappt, nicht nur zweimal zur Prüfung antreten, sondern viermal.

Die Fahrschulinspektion wird, wie wir von meinem Vorredner Stadler schon gehört haben, großzügiger gestaltet. Es ist so, dass die Fahrschulinspektoren, denen die Kontrolle und Überprüfung der Fahrschulen obliegt, mehr Einblickrechte haben. Das halte ich für einen sehr wichtigen Schritt, weil es in Richtung einer fachlich fundierten und höherwertigen Ausbildung geht und vor allem die Wettbewerbsverzerrung verhin­dert oder eingedämmt wird.

Was die Bewilligungen von Übungsfahrten, Übungstafeln oder auch die vorgezogene Lenkberechtigung L17 betrifft, ist die Verwaltungsvereinfachung insofern gegeben, als jetzt nicht mehr der Begleiter und der Bewerber ein Verfahren oder eine Genehmigung brauchen, sondern nur mehr der zu Begleitende. Das war oft ein Riesenproblem, wenn die Eltern woanders gewohnt haben als der Jugendliche, dann gab es wieder die Debatte darüber, welche Wohnsitzbehörde zuständig ist. Das heißt, die Fahrschulen müssen jetzt in ihren Verwaltungsverfahren über das Führerscheinregister diese Anträge bearbeiten. Es fällt also der Gang zur Behörde weg. Das ist doch eine große Vereinfachung und praktisch eben für die Betreffenden.

Die Novelle enthält auch den Wegfall des Mitführens des Traktorführerscheins im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, also sozusagen die Sanierung des großen Hoppalas. Wenn also im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit Motorkarren, Traktoren, fahrenden Arbeitsmaschinen gefahren wird, muss im Umkreis von zehn Kilometern des dauernden Standortes des Fahrzeuges der Führerschein, die Lenkberechtigung nicht mitgenommen werden.

Ein weiterer, letzter Punkt in meinen Ausführungen ist, dass schärfere Maßnahmen bei festgestellten Manipulationen von digitalen Kontrollgeräten möglich sind. Gemeint sind diese Digitachos, wie sie genannt werden, die in Lkws drinnen sein müssen, um die Fahrgeschwindigkeit, Lenk- und Ruhezeiten festzustellen. Da gibt es doch einige findige Köpfe, die immer wieder manipulieren; und da hat das Gesetz jetzt Möglich­keiten geschaffen, da schärfer einzuschreiten und zum Beispiel auch eine Weiterfahrt zu verhindern.

Also ich finde, alles in allem sind das sehr sinnvolle Novellierungen. Wir werden diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.48


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster gelangt Herr Kollege Krusche zu Wort. – Bitte.

 


13.48.43

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Werte Zuseher! Es wurde ja zu diesen fünf Punkten schon sehr viel gesagt, und das ermöglicht mir, mich kurz zu halten.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 100

Wir werden all diesen fünf Gesetzesvorlagen die Zustimmung erteilen. Ich kann insbesondere die Argumentation vonseiten der Grünen nicht verstehen. Ich verstehe nicht, warum sie gegen diese direkte Anbindung von Terminals an das hochrangige Straßennetz sind. Gerade solche Anbindungen verhindern ja Umwegverkehr mit schweren Lkws über Landesstraßen und sonstiges und sind daher eigentlich auch aus umweltpolitischer Sicht durchaus positiv. Wir beurteilen Gesetzesvorlagen nach dem, was drinnen steht – und nicht nach dem, was nicht drinnen steht!

Im Übrigen würde ich doch bitten, dass man die Beschilderung auf der von Frau Kerschbaum – sie ist jetzt leider nicht da – erwähnten S 1 überprüft, und zwar drin­gendst, denn ich halte es für sehr gefährlich, wenn sie nicht weiß, ob sie Geister­fah­rerin ist, und das nächste Mal womöglich – blaue Schilder sind leicht zu verwechseln – glaubt, das ist eine Fahrradstraße.

Aber es gibt ja noch eine weitere originelle Situation in einem anderen Gesetz, eine Situation, die von meiner Vorrednerin als „Hoppala“ bezeichnet wurde, nämlich dieser viel diskutierte Traktorführerschein. Wir haben damals, als das ursprüngliche Gesetz beschlossen worden ist, im Nationalrat einen Antrag eingebracht, der genau das beinhaltet hat, sogar wortwörtlich, was wir heute beschließen. Aber das wurde damals im Zuge einer namentlichen Abstimmung von beiden Regierungsparteien abgelehnt.

Mittlerweile, nach einem Dreivierteljahr ist offensichtlich auch die Regierung draufge­kommen, dass hier ein Hoppala passiert ist. Der Bauernbund scheint hier etwas geschlafen zu haben. Ich hoffe nur, dass er bei eigentlich wesentlich wichtigeren Dingen – wenn ich jetzt an die Finanzverhandlungen in der EU denke – nicht auch so langsam reagieren wird wie in diesem Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

13.51


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Beer zu Wort. – Bitte.

 


13.51.11

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute eigentlich über intelligente Verkehrssysteme, das ist Tagesordnungspunkt 8, ein paar Worte verlieren, muss aber vorher noch auf den Redebeitrag der Frau Kollegin Kerschbaum eingehen. (Ruf bei der ÖVP: Sie ist schon wieder nicht da!) – Doch, sie ist da hinten.

Bei Güterterminals, die an die Bundesstraße angebunden werden, muss ich mich als Favoritner und Wiener sehr stark zu Wort melden, denn die ÖBB planen in Favoriten einen Güterterminal. Dieser Güterterminal ist im Normalfall nur über das unterge­ordnete Straßennetz zu erreichen, und jetzt haben wir hier aufgrund dieses neuen Gesetzes Möglichkeit, die Anbindung an ein höherwertiges Straßennetz, zum Beispiel an die S 1 zu verlangen.

Elisabeth, du sagst, die S 1 sei eine Geisterautobahn. Dabei ist nachweislich, dass die S 1 eine eklatante Entlastung der Südosttangente gebracht hat. Und nicht nur an der A 22 wohnen Menschen, die schlafen wollen, sondern auch an der Südosttangente. (Bundesrat Ertl: Auch an der S 1!) – Ja. Aber die S 1 ist ja sehr gut gedämmt. Das war ein langwieriges Projekt mit sehr vielen Lärmschutzmaßnahmen.

Um wieder zu den intelligenten Verkehrssystemen zu kommen: Was sind eigentlich intelligente Verkehrssysteme? – Viele von uns kennen diese intelligenten Verkehrs­systeme, nehmen sie aber nicht wahr, weil ganz einfach das erste intelligente Ver­kehrssystem das ABS war, das in die Autos eingebaut wurde. Man unterscheidet bei diesen intelligenten Verkehrssystemen zwischen solchen, die in Fahrzeuge eingebaut


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 101

sind, und solchen, die von außen in das Fahrzeug eingreifen, nämlich entweder durch direkte Steuerung des Fahrzeuges oder aber auch nur durch Informationen.

Das Zweite, das wir dann an IVS kennengelernt haben, war das ESP, auch das ist sehr vielen Menschen schon bekannt. Jetzt haben wir die neuen Generationen der Assis­tenzsysteme, und hier wird seit Kurzem auch ein Müdigkeitswarner angeboten, der das Gesichtsfeld des Fahrers scannt, und ihm dann signalisiert: Fahrer, du bist müde, mach eine Pause, trink einen Kaffee.

Es gibt radargestützte Abstandshalter, die schon in das Fahrzeugmanagement eingreifen, denn man stellt eine Entfernung zum vorderen fahrenden Fahrzeug ein, und dieser Abstand wird automatisch gehalten – egal, ob der Vordere die Geschwindigkeit erhöht oder verringert.

Wir haben Spurhalteassistenten auf optischer Basis. Dabei greift das Fahrzeug in die Lenkung ein, weil es optisch die Spur vermisst und sich orientiert, und wenn der Fahrer einen Sekundenschlaf hat, dann wird automatisch korrigiert. Es wird Komfortgewinn durch optisches Vermessen der Straße geben, weil dann die Dämpfereinstellung bei den Fahrzeugen verändert wird. Wir haben Fußgängerschutz durch automatisches Abbremsen der Fahrzeuge, wie es auch schon angeboten wird.

Es gibt schon das Anzeigen der Tempolimits. Wir haben Nachtsichtanlagen in den Premium-Klassen, wo bei Nebel oder in der Nacht auf die Windschutzscheibe projiziert wird, was sich am Straßenrand befindet, und ob es Hindernisse auf der Fahrbahn gibt.

Was wir alle wahrscheinlich am meisten benutzen, sind die Navigationssysteme. Sie sind ein wichtiger Bereich innerhalb dieser IVS-Systeme, und das Gesetz zielt eher in diese Richtung ab. Die Section Control gehört genauso dazu wie das Lkw-Mautsystem und auch Notrufsysteme, die eingebaut sind. Bei den öffentlichen Fahrzeugen gibt es die Anzeigen, wann die nächste Straßenbahn, der nächste Bus kommt. Auch das gehört zu den IVS-Systemen.

Ich möchte – weil das ein Punkt ist, den ich nicht sehr befürworte und den ich auch nicht haben möchte – aus einer Veröffentlichung des Kuratoriums für Verkehrs­sicher­heit zitieren:

„‘Intelligente Geschwindigkeitsadaption‘

Während sich die meisten ‚intelligenten‘ Applikationen heute auf die Autobahn konzen­trieren, gibt es für Ortsgebiete, wo über die Hälfte aller Unfälle passieren, kaum entsprechende Lösungsansätze.

Die Ausnahme bildet die ‚Intelligente Geschwindigkeitsadaption‘ (), die innerorts eine Unfallreduktion von bis zu 25 Prozent erzielen kann. Durch Ton- oder Lichtsignale wird der Fahrer über das lokal verordnete Tempolimit informiert“ – damit kann ich mich noch identifizieren – „und bei Überschreitungen – zum Beispiel durch einen erhöhten Widerstand des Gaspedals – gewarnt.“ – Dieser erhöhte Widerstand des Gaspedales, das gefällt mir hier nicht wirklich.

„Es handelt sich dabei um ein freiwilliges Fahrer-Assistenzsystem und keinen Ge­schwin­digkeitsbegrenzer. Im Notfall ist die Beschleunigung über das Tempolimit hinaus jederzeit möglich.

Die ersten Versuche fanden in Schweden, Holland und Großbritannien statt. Die Resultate waren nicht nur Sicherheitsgewinne, sondern die überraschend hohe Zustimmung bei den Testfahrern. ISA ist eine vergleichsweise kostengünstige Ergänzung zu den klassischen Methoden der Straßenraumgestaltung.“


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 102

Mir gefällt das deshalb nicht so besonders, weil schon einige Menschen davon träumen, Fahrzeuge von außen anzuhalten und, wenn ein Fahrzeug zum Beispiel gestohlen und dann über dieses System geortet wird, den Motor stillzulegen. Den Motor stilllegen, das haben wir in Europa noch nicht wirklich, oder? (Bundesrat Ertl: Also von außen anhalten funktioniert schon!) – Es funktioniert, aber es ist weder gesetzlich verankert noch möglich. Es ist technisch möglich, aber das machen wir ganz einfach nicht.

Wenn aber plötzlich diese Eingriffe von außen kommen? Ich meine, wenn es technisch möglich ist, dann kann es theoretisch auch ein Hacker machen, und das gefällt mir nicht wirklich!

Wir haben aber hier das Gesetz in eine andere Richtung zu beschließen. Dazu haben wir eben auch den Aktionsplan unseres Bundesministeriums. Da zielen die Maß­nahmen darauf ab, zum Beispiel auch Routenpläne zu erstellen. Das heißt, dass sich der einzelne Nutzer einen Routenplan zusammenstellen kann. Er kann sich auch unter Benützung verschiedener Verkehrsarten – wie zum Beispiel Bahn, Auto, Straßenbahn, Bus – eine Route zusammenstellen, mit der er sowohl hinsichtlich der Zeit als auch hinsichtlich der Kosten am besten fährt.

Da gibt es also Möglichkeiten, Straßenzustände an die Autofahrer weiterzumelden, Stauumfahrungen weiterzumelden, wie es teilweise schon passiert, nämlich in diesen Navigationssystemen, ein Parkplatzmanagement eben. Unser Kollege Efgani Dönmez hat ja angesprochen, dass für das Ganze zurzeit viel Geld verwendet wird. Es ist also schon in Erprobung, auch für Lkw-Fahrer anzuzeigen, wo sie die Möglichkeit haben, stehenzubleiben.

Genau dasselbe gilt dann aber auch für Pkw-Fahrer in der Stadt. Wo gibt es freie Parkplätze? Wie kommt am besten dorthin? Wie sind die Parkplätze vor der Stadt ausgelastet? So können wir auch Verkehrsflüsse steuern.

Es gibt auch ganz genaue Richtlinien für die IVS-Anbieter, um eben das Abstellen von Autos während der Fahrt zu verhindern. Das wird auch geregelt. Studien gehen davon aus, dass der Markt weltweit 48 Milliarden US-Dollar schwer ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Wenger. Ich erteile es ihm.

 


14.00.49

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzespaket ist ja bereits umfassend erläutert worden, auch mit Beispielen. Daher nur einige Ergänzungen aus meiner Sicht, im Speziellen zur Umsetzung der IVS-Richtlinie.

Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, dass die Leistungsfähigkeit des öster­reichischen Verkehrssystems ein wichtiger Standortfaktor und entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ist. Das ist aber auch entscheidend für die Mobilität unserer Bürgerinnen und Bürger. Die Anforderungen an unser Verkehrs­system haben nun einmal in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Im Güter­verkehr wie im Personenverkehr sind die Anforderungen stetig gestiegen. Es war also unbedingt erforderlich, die Effizienz des bestehenden Verkehrssystems zu erhöhen und entsprechende Strategien und Instrumente zur Lösung der Probleme zu ent­wickeln.

Im Ergebnis haben sich technologische Entwicklungen im Hinblick auf die Verkehrs­steuerung und Verkehrsinformatik bereits positiv ausgewirkt. Es ist schon darauf zu


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 103

verweisen, dass Österreich bereits im Jahr 2004 mit dem Rahmenplan für den Einsatz der Telematik im österreichischen Verkehrssystem einen ersten wichtigen und vor allem innovativen und richtungsweisenden Schritt gesetzt hat.

Es war notwendig, Österreichs Strategie den europäischen Rahmenbedingungen anzupassen. Mit dem IVS-Aktionsplan 2011 formulierte das Bundesministerium die Strategie zur Umsetzung eines intelligenten Verkehrssystems in Österreich.

Wie bereits ausgeführt, unterstützt ein intelligentes Verkehrssystem organisatorisch und technisch die Vernetzung aller Verkehrsträger. Ziel ist es, die Nutzer des Systems mit exakten Informationen und vor allem Entscheidungsgrundlagen in Echtzeit zu versorgen. IVS-Dienst bedeutet also die Bereitstellung einer IVS-Anwendung innerhalb eines genau definierten organisatorischen und operationellen Rahmens. Ziel ist natürlich die Erhöhung der Nutzersicherheit, der Effizienz, des Komforts, des Umwelt­schutzes, aber auch die Erleichterung oder Unterstützung von Abläufen im Verkehr oder bei Reisen.

Angesichts der von 2000 bis 2020 zu erwartenden Zunahme des Güterverkehrs um nahezu 50 Prozent und des Personenverkehrs um nahezu 35 Prozent besteht das Bestreben der Verkehrspolitik sicherlich darin, das Verkehrswesen umweltverträglicher, effizienter und sicherer zu gestalten. Der Bau neuer Infrastrukturen kann nicht die alleinige Lösung von Problemen dieser Größenordnung sein. IV-Systeme werden daher einen wesentlichen Beitrag zu künftigen Lösungen zu leisten haben.

Im Rahmen des IVS-Aktionsplans der EU wurden grundsätzlich sechs wesentliche Aktionsbereiche definiert: optimale Nutzung von Straßen-, Verkehrs- und Reisedaten, Kontinuität von IVS-Diensten für das Verkehrs- und Gütermanagement, Sicherheit und Gefahrenabwehr im Straßenverkehr, Verbindung von Fahrzeug und Verkehrs­infra­struktur, Datensicherheit, Datenschutz und Haftungsfragen sowie die europäische Zusammenarbeit und Koordinierung im Bereich intelligenter Verkehrssysteme.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich ist bei der Umsetzung der gegen­ständlichen IVS-Richtlinie auf einem sehr guten Weg, daher geben wir auch die Zu­stimmung zu dieser Gesetzesvorlage. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.05


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste ist Frau Kollegin Junker zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


14.05.40

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Was wir heute beschließen werden, sind, wie wir schon gehört haben, drei Gesetze, die für mehr Umweltverträglichkeit und mehr Sicherheit sorgen, aber auch zur Verkürzung der Transportwege führen können.

Diese Verbesserungen werden zum einen, wie schon mehrfach ausgeführt, durch die Einführung der intelligenten Verkehrssysteme bewirkt. Zum Zweiten haben wir aber auch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz geändert wird. Das dritte Gesetz ist ein Sammelgesetz, nämlich das Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförde­rungsgesetz 1995, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 und das Kraftfahrlinienge­setz geändert werden. In diesem Sammelgesetz ist, wie vom Kollegen Stadler schon ausgeführt worden ist, enthalten, dass die selbständigen Frächter mit den unselb­ständigen Kraftfahrern gleichgesetzt werden, denn Müdigkeit tritt bei allen auf. Es ist dadurch Verkehrssicherheit geboten.

Es ist natürlich in diesem Zusammenhang auch ein kalkulatorisches Problem vorhan­den. Denn wenn ich Arbeitszeiten einhalten muss, muss ich anders kalkulieren, als wenn ich einen selbständigen Fahrer habe, für den die Gesetze alle ausgehebelt


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 104

werden. In dem Fall fährt er zwar billiger, aber für die Verkehrssicherheit ist es sicher nicht von Vorteil.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die einheitliche Regelung des Marktzugangs. Es ist weder zeitgemäß noch ökonomisch sinnvoll oder wirtschaftsfreundlich, wenn in einem Land andere Regelungen für die Güterbeförderung gelten als im Nachbarland.

Infrastruktur ist Standortpolitik und für die Unternehmerinnen und Unternehmer von besonderer Wichtigkeit. Die Verkehrsleistung in Europa wird vor allem im Güterverkehr wachsen. Österreich muss die große Chance nutzen, sich als Logistikdrehscheibe zu positionieren. Das ist wichtig für den Standort, denn das bedeutet Arbeitsplätze, Wachs­tum und Wertschöpfung für unser Land. Die Voraussetzungen dafür sind eine wirtschaftsfreundliche Verkehrsinfrastruktur, die die Schaffung einer gemeinsamen Verkehrspolitik erfordert, und die Beseitigung aller bürokratischen Hindernisse, die mit der Staatszugehörigkeit eines Dienstleisters zusammenhängen. Mit diesem Güter­beförde­rungsgesetz legen wir einen Grundstein für die Beseitigung dieses bürokrati­schen Hindernisses.

Ich möchte jetzt nur noch eines zu den intelligenten Verkehrssystemen sagen: Wir haben vor kurzer Zeit die Unterinntaltrasse in Tirol eröffnet. Da hat man schon das Gefühl gehabt, dass die ÖBB private Anbieter auf der Schiene verhindern wollen. Denn es gibt die intelligenten Verkehrssysteme, aber auf der Unterinntaltrasse funktionieren sie noch nicht.

Ich glaube, um attraktiv zu sein, braucht es auch die privaten Anbieter auf der Schiene. Denn die Rail Cargo, das wissen wir, wird zurückgefahren. Es gibt viele Unternehmer, die ihr Holz, ihren Stahl auf der Schiene transportiert hätten und jetzt wieder auf die Straße zurückgedrängt werden. Ganz schlimm ist es sicher im Zillertal bei Binderholz, der viele Kubikmeter Holz liefert und jetzt wieder auf die Straße zurückkehren muss. Oder auch die Holzbauunternehmer vom Seefelder Plateau, aus Scharnitz, können ihr Holz nicht mehr auf der Schiene transportieren.

Es gibt also einiges, das wir gemeinsam lösen sollen und müssen, aber vor allem sollen auch private Anbieter ihren Platz auf der Schiene haben. Ich glaube, das ist für die Unternehmerinnen und Unternehmer wichtig, aber auch für unser Land Öster­reich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.09


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste ist Frau Bundesminister Bures zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.10.16

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bei der Fülle der Gesetzesinitiativen und Novellen, die wir ohnedies bei diesem Tagesordnungspunkt beschließen, noch einmal eine Erweiterung, was die Eisenbahn betrifft. Erlauben Sie mir, ganz kurz etwas dazu zu sagen.

Frau Bundesrätin! Wir haben im Güterverkehr die völlige Liberalisierung. Das heißt, auf den Schienennetzen verkehren im Güterverkehr alle Bahnunternehmen. Es sind in der Regel, um es Ihnen offen zu sagen, natürlich keine privaten – es ist die Deutsche Bahn, es ist die französische Bahn, es sind andere Staatsbahnen. Aber wir haben im Bereich des Güterverkehrs die völlige Liberalisierung.

Wir haben dort den höchsten Güterbeförderungsanteil auf der Schiene in ganz Europa – in ganz Europa und nicht nur innerhalb der EU, weil wir auch mehr Güter auf der Schiene befördern als die Schweizer.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 105

Wir haben die höchsten Förderungen mit Anschlussbahnen. Das heißt, die Koopera­tionen und die Zusammenarbeit zwischen den Bahnunternehmen und der lokalen und regionalen Wirtschaft sind ausgezeichnet.

Tatsache ist, dass wir uns immer darum bemühen, mehr Kostenwahrheit zwischen Straße und Schiene herzustellen. Unternehmen stehen unter wirtschaftlichem Druck, und wenn der Transport auf der Straße um vieles günstiger ist als auf der Schiene, dann ist das oft ein Kostenfaktor. Aber Österreich hat sich immer dazu bekannt, dass wir zusätzliche Kosten auch in die Maut einrechnen können, dass es auch mehr Kostenwahrheit, was das Verursacherprinzip – Luftverschmutzung, Lärmentwicklung –betrifft, gibt. Dazu habe ich aber auch immer Diskussionen mit der Wirtschaft.

Im Unterinntal haben wir die Querfinanzierung eingeführt. Wir können nicht nur Schiene sagen und dann, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für das, was wir in Österreich wollen – keine Lkw-Lawinen auf den Straßen, sondern den Güter­verkehr auf der Schiene –, zu schaffen, nicht auch mit der gleichen Leidenschaft auftreten. (Beifall bei der SPÖ.) So viel zur Frage des Güterverkehrs, der ja nicht bei der Palette an Gesetzesinitiativen auf der Tagesordnung steht.

Nun auch meinerseits in aller Kürze zu den Regelungen: Was die Regelungen zu intelligenten Verkehrssystemen betrifft, haben Bundesrat Beer und Bundesrat Wenger auch darauf hingewiesen, dass wir in Zukunft mit Technologien große Heraus­forderungen lösen können werden. Wir werden zwar nicht jedes Problem mit Tech­nologien lösen können, aber im Bereich der Verkehrstechnologien und dieser Umset­zung der EU-Rahmenrichtlinie können wir schon sehr viel erreichen. Experten sagen, dass zum Beispiel durch den Einsatz intelligenter Verkehrstechnologien in der Ver­kehrsüberwachung 30 Prozent der Todesfälle im hochrangigen Straßennetz verhindert werden können.

Das heißt, intelligente Verkehrstechnologien können dazu beitragen, dass wir mehr Verkehrssicherheit und weniger Tote, Verletze und Unfälle auf den Straßen haben. Technologien können somit wirklich Menschenleben retten. Technologien wie Ver­kehrs­beeinflussungsanlagen können auch dazu führen, dass wir die Mobilität umwel­tfreundlicher organisieren.

Wenn es die Zielsetzung ist, in Österreich effizienten, sicheren und umweltfreundlichen Verkehr zu organisieren, dann brauchen wir einen öffentlichen Verkehr, der natürlich oberste Priorität hat, aber als Zweites auch Verkehrstechnologien, die dazu einen wesentlichen Beitrag leisten können, wie Sie das ja bereits ausgeführt haben.

Zweite Novelle, Bundesstraßengesetz. Ich teile die Einschätzung, dass es beim Bundesstraßengesetz darum geht, dass wir Umwegverkehre hintanzuhalten ver­suchen, dass wir Terminals direkt an das hochrangige Straßennetz anschließen und den Verkehr nicht auf Landesstraßen haben. Bundesrat Krusche hat das auch erwähnt. Das führt nicht nur dazu, dass wir den Verkehr gleich im hochrangigen Straßennetz haben. Das führt auch dazu, dass  kürzere Strecken zurückgelegt werden. Kürzere Strecken heißt weniger Schadstoffausstoß. Daher bedauere ich es wirklich sehr, dass man offensichtlich, wenn bei einem Gesetz „Straße“ oben steht, nicht zustimmen kann, selbst wenn der Inhalt einer ist, der sich ganz intensiv mit der Frage der Luftverschmutzung befasst. Aber das sei Ihnen natürlich unbenommen.

Mir ist beim Bundesstraßengesetz auch noch wichtig, zu sagen, dass ich in den knapp über vier Jahren meiner Tätigkeit als Verkehrsministerin und mit den Gesetzesnovel­len, die ich dem Nationalrat und natürlich auch Ihnen vorgelegt habe, gezeigt habe, dass es mir nicht darum geht, Straßen zu bauen, Asphalt und Beton in die Landschaft zu legen, sondern dass wir sehr verantwortungsbewusst gesagt haben: Wo brauchen wir ein hochrangiges Straßennetz? Das ist nicht auf Zuruf von jemandem geschehen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 106

Dem liegen Verkehrsprognosen, Verkehrszählungen, die Frage nach der Belastung der Bevölkerung, die Frage nach Ortsteilumfahrungen et cetera zu Grunde.

Das heißt, wir haben eine Evaluierung des Straßennetzes vorgenommen, wir haben eine Prioritätenliste erstellt, wir haben Re-Dimensionierungen gemacht. Ich habe gesagt: Nicht jede Ortsumfahrung muss eine Autobahn sein. Wenn es darum geht, Menschen durch Ortsumfahrungen vor dem Verkehr zu schützen, dann sollten wir das auch tun, aber es muss nicht alles eine Autobahn sein.

Mir ist etwas gelungen, das vorher 30 Jahre lang nicht geschehen ist. Wir haben die Liste im Bundesstraßengesetz, in dem jeder Straßenneubau dezidiert angeführt ist, nicht wieder erweitert, sondern erstmals etwas gestrichen. Wir haben Straßenprojekte herausgenommen, weil wir gesagt haben, wir brauchen das Geld, um in Verkehrs­sicherheit, zweite Tunnelröhren, in den Erhalt des Bestandsnetzes zu investieren. Daher sind wir damit sehr bewusst umgegangen.

Zu Ihrer ganz konkreten Frage, was monatliche Verkehrszahlen von einzelnen Auto­bahnabschnitten betrifft, auch ein offenes Wort: Ich habe nichts zu verheimlichen, und es gibt auch nichts zu verheimlichen. Es gibt Streckenabschnitte, auf denen Verkehrs­zählungen durchgeführt werden. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich die nicht alle kenne. Aber ich habe ganz tolle MitarbeiterInnen, die natürlich in der Lage waren, mir, während wir diskutiert haben, die Daten der Dauerzählstelle in Korneuburg herauszusuchen.

Es gibt in Korneuburg Ost eine Dauerzählstelle, wo der durchschnittliche tägliche Verkehr erfasst wird. Das wird jeden Monat veröffentlicht. Wenn eine Landesregierung auf einen Link verweist, wo man das sieht, halte ich das noch nicht für einen besonderen Vorwurf, um das ganz offen zu sagen. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Unter diesem Link werden jeden Monat die Verkehrszahlen aller Dauerzählstellen, die es in Österreich gibt, transparent und öffentlich zugänglich gemacht. Das nächste Mal ersparen Sie sich die 111 €. Ich weiß nicht, warum Ihnen die in Rechnung gestellt wurden. Fragen Sie entweder mich oder schauen Sie auf die Homepage der ASFINAG! In Korneuburg Ost beträgt der durchschnittliche tägliche Verkehr, der Gesamtwert beider Richtungsfahrbahnen 52 000 Fahrzeuge. Das ist die Zahl, und die ist auch unter diesem Link zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir gerade im Bereich von Investitionen und Ausbau der Straßen eine Vorgangsweise gewählt haben, die eine breite Akzeptanz hat. Straßenbauten finden nicht immer hundertprozentige Zustim­mung, das hat man auch zur Kenntnis zu nehmen, damit hat man sich auseinander­zusetzen. Aber wir haben eine breite Zustimmung zum Ausbau des hochrangigen Straßennetzes, vor allem wenn es um Verkehrssicherheitsmaßnahmen geht.

Dritter Punkt, Güterbeförderungsgesetz, Gelegenheitsverkehrs-Gesetz, Kraftfahrlinien­ge­setz. Bundesrat Stadler hat, glaube ich, darauf hingewiesen, dass es das ganz Entscheidende bei diesem Punkt ist, dass wir in Zukunft keine Unterscheidung zwischen selbständigen und unselbständigen Lenkern machen, was die Arbeitszeit der Kraftfahrer betrifft. Ein Hauptunfallgrund ist Übermüdung bei Lkw-Fahrern. Es macht ja keinen Unterschied, in welchem Arbeitsverhältnis er steht, und daher werden wir das gleichsetzen.

Vierter Punkt, KFG-Novelle und Führerscheingesetz-Novelle. Frau Bundesrätin Greiderer hat sehr genau und detailliert darauf hingewiesen, dass es in vielen Bereichen um wirkliche Verwaltungsvereinfachungen geht, die damit durchgeführt werden. Ich bedanke mich für die Zustimmung.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 107

Abschließend zum Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr, weil er auch ein Tagesordnungspunkt ist. Natürlich ist der Bericht bei der Fülle an Themen nicht ganz im Fokus der Diskussion gestanden. Aber das ist eine ganz wertvolle Arbeit, die die Bundesanstalt für Verkehr im Bereich von Unfalluntersuchungen et cetera leistet. Sie kennen ja die Palette der Aufgabenstellungen. Ich bedanke mich bei jenen für ihre Tätigkeit und für den Bericht, den sie gelegt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.19


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates bezie­hungs­weise den gegenständlichen Bericht erfolgen getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Gesetz über die Einführung intelligenter Verkehrs­systeme.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jän­ner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungs­ge­setz 1995 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jän­ner 2013 betreffend eine 31. Kraftfahrgesetz-Novelle und eine 15. Führerscheingesetz-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Somit kommen wir zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2011, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Tech­nologie.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 108

14.22.19 13. Punkt

Dritter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bun­des­ministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-468-BR/2012 d.B. sowie 8905/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


14.22.41

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Dritten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technolo­gie.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 den Antrag, den Dritten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Tech­nologie, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Her Bundesrat Stadler. Ich erteile es ihm.

 


14.23.33

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorgelegt wurde uns der Dritte Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, und ich möchte mich eingangs bei allen bedanken, die an der Erstellung dieses Berichts beteiligt waren.

Der Bericht umfasst im Speziellen folgende Gliederung: die Rechtsgrundlage, die Auf­gabenbereiche, die Besetzung und die Arbeitsweise des Biopatent Monitoring Komi­tees, die Biotechnologie und ihre Bedeutung in Österreich, auf die ich ein bisschen eingehen werde, der Auftrag des Gesetzgebers, das Rechtspanorama und vor allem auch die Aktivitäten in diesem Bereich in der EU.

Die moderne Biotechnologie ist ein integraler Bestandteil der Wirtschaft geworden und gilt als eine der Schlüsseltechnologien schlechthin. Bei uns in Österreich handelt sich es um eine noch junge, aber erfolgreiche Branche. Wie jung die Branche ist, zeigt das Durchschnittsalter der Unternehmen von sieben Jahren. Geprägt ist die Branche durch Klein- und Mittelbetriebe. Fast die Hälfte der Betriebe hat weniger als zehn Be­schäftigte, und über 44 Prozent der Betriebe beschäftigen durchschnittlich zwischen zehn und 50 Mitarbeiter. Besonders erfreulich und hoch ist der Frauenanteil bei den Biotechnikbetrieben, er beträgt über 56 Prozent.

Was kann man aus dem vorliegenden Bericht noch herauslesen? – Im Durchschnitt hat jedes Biotechnologieunternehmen in Österreich 1,9 Erfindungen zum Patent ange­meldet. Unser kleines, aber schönes Österreich liegt damit über dem europäischen Durchschnitt und hatte von 2007 bis 2009 an allen weltweit erteilten Biotechnologie­patenten einen Anteil von fast 1 Prozent.

Der Bericht stellt erfreulicherweise fest, dass der technologische Vorteil für Österreich dadurch signifikant gesteigert worden ist. Das ist, denke ich, ein erfreuliches Detail des umfassenden Berichtes für die noch junge Branche.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 109

Zusammenfassend kann man sagen – und ich möchte mich nochmals bedanken für den Bericht –, dass die Arbeit, die vom Biopatent Monitoring Komitee geleistet wird, wichtig ist. Ihre Arbeit ist ein wichtiger Faktor zur Chancengleichheit bei der Durch­setzung von Patenten, damit es zu keiner Benachteiligung vor allem von Klein- und Mittelbetrieben kommt.

Zum Schluss noch, weil dies im Ausschuss zu einer kurzen Diskussion geführt hat – ansonsten werden alle, so glaube ich, den Bericht positiv zur Kenntnis nehmen –, einige Worte zur Besetzung dieses Komitees. Dort sind Vertreter der Sozialpartner, Vertreter der Industriellenvereinigung, des Vereins für Konsumenteninformation, der Bioethikkommission, des Umweltbundesamts, natürlich die VertreterInnen der zuständigen und mit berührten Bundesministerien und ein Vertreter des ÖKOBÜRO.

Allerdings haben – und darum ging es in der Diskussion – der Verein für Konsumen­teninformation sowie besonders das ÖKOBÜRO unter Hinweis auf mangelnde Ressourcen nicht an den Sitzungen und Beratungen des Komitees teilgenommen. Es wurde dann die Frage gestellt, warum man statt dem ÖKOBÜRO nicht andere ein­geladen hat. Aber wir haben gehört, es gibt nicht viele, aber konstruktive Sitzungen, und der Zeitaufwand wäre nicht so groß. Ich denke, man kann dafür nicht diejenigen verantwortlich machen, die die Arbeit machen, sondern es ist jeder eingeladen, sich hier konstruktiv und positiv zu beteiligen. Und wenn jemand die Zeit nicht hat, dann ist er eben nicht dabei. – Ich danke noch einmal für den Bericht. (Beifall bei der SPÖ.)

14.27


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm.

 


14.27.55

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stadler hat die Eckdaten des Berichts bereits vorgetragen; ich kann mich dem voll anschließen, auch was den Umfang und den Inhalt dieses Berichts betrifft. Ich denke, der Bericht würde auch von der Thematik her durchaus einmal einen größeren parlamentarischen Rah­men verdienen. Eine Parlamentarische Enquete ist aus meiner Sicht durchaus vor­stellbar, weil es sich um Themen und Inhalte handelt, die durchaus Substanz haben. Man denke nur an die technische Seite dieses Berichts, obwohl von diesen ange­meldeten Patenten nur eines unter diesen Klonierungsverfahren darunter ist, das in der Bevölkerung oder auch in der Biotechnologie selbst zu großen ethischen Diskussionen führen würde. Aber ich denke, dass das auch ein Thema der Zukunft sein könnte und wahrscheinlich sein wird.

Wir in der Steiermark versuchen seit ungefähr fünf Jahren im Großraum Graz eine Art Cluster Biotechnologie zu schaffen, mussten aber leider im Vorjahr einen kleinen Rückschlag hinnehmen, weil uns die Firma Roche wieder Richtung Schweiz zu ihrem Stammsitz verlassen und das gesamte Forschungslabor in Graz wieder in die Schweiz rückübersiedelt hat. Wir sind aber guten Mutes, dass wir doch mit einigen zusätzlichen größeren Firmen, vor allem auch aus der Pharmaindustrie, den Forschungsstandard auch auf diesem Gebiet hochhalten können, wenngleich es auch – Kollege Stadler hat es schon gesagt – eine junge Branche ist. Summa summarum sind wir bei 7 300 Mit­arbeitern in 113 Unternehmen, die in etwa einen Umsatz von 3 Milliarden € in Öster­reich erzeugen.

Ich denke, es ist eine Zukunftsbranche. Leider habe ich auch folgende Erfahrung gemacht: Ich habe eine junge österreichische Wissenschaftlerin kennengelernt, die bei mir um eine Vermittlung interveniert hat – sie war bei einem holländischen For­schungsprojekt –, und ich habe trotz zahlreicher Versuche ein Jahr lang in Österreich


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 110

diese Dame nirgendwo „unterbringen“ – unter Anführungszeichen – können. Sie hat das Land wieder verlassen und ist in Amerika gelandet.

Vielleicht ist das ein Beispiel dafür, dass wir uns in Zukunft noch mehr anstrengen müssen, um junge talentierte Forscherinnen und Forscher im Land zu halten. Ich denke, dieser Bericht zeigt diese Daten auch auf.

Ich freue mich auf den Bericht des nächsten Jahres, dieses Komitee muss ja bis 30. Juni jeden Jahres dem Parlament berichten. Ich hoffe, dass wir in Zukunft doch die eine oder andere Diskussion darüber haben werden. Meine Fraktion nimmt diesen Bericht gerne an. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.30


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


14.30.54

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden natürlich dem Bericht auch zustimmen, ich habe mir im Ausschuss nur erlaubt, ein paar Nachfragen zu stellen. Die Diskussion war nicht uninteressant, nämlich darüber, woran es liegt, dass eben NGOs – es wurden vorher andere gefragt, jetzt ist es das ÖKOBÜRO – es nicht schaffen oder nicht für wert befinden, an den Komitee-Sitzungen teilzunehmen; genauso der Verein für Konsumenteninformation, und auch beim Umweltbundesamt gibt es ein bisschen Probleme.

Der Grund ist einfach der, dass Sitzungen auch vorzubereiten sind und es nicht so ist, dass es dort gar keine Arbeit gibt. Wenn man sich dort einbringt, dann muss man nicht nur zu den Sitzungen gehen, sondern sollte sich auch vorher und nachher informieren. Insofern ist es schon ein gewisser Aufwand, den eine NGO offensichtlich aus ver­schiedensten Gründen nicht auf sich nehmen will, sei es einerseits, weil vielleicht die Sinnhaftigkeit oder die Vermarktbarkeit der Teilnahme an solchen Sitzungen fehlt, sei es, weil eben die Aufgabenstellung nicht übermäßig dynamisch ist. Im Prinzip geht es darum, die Erteilung und Spruchpraxis des österreichischen Patentamtes zu über­prüfen. Wie auch im Bericht steht, ist der Anteil der Patente, die in Österreich ange­meldet werden, nicht so üppig und auch nicht so aufregend, dass man sagen kann, das bringt großartig viel für die NGOs.

Frau Ministerin, wir werden, wie gesagt, diesem Bericht zustimmen, aber ich würde Sie bitten, dass Sie vielleicht auch mit überlegen, wie man es schaffen könnte, das ein bisschen spannender zu gestalten, im Komitee vielleicht auch ein bisschen mehr über den Tellerrand zu blicken. Es wird wahrscheinlich nur die Einbindung dieser Stellen geben wie ÖKOBÜRO oder einer NGO und VKI, was für mich schon wichtig ist, denn wenn die Industriellenvereinigung vertreten ist, finde ich, ist es schon wichtig, dass auch die NGOs vertreten sind. Es wäre wichtig, zu überlegen, wie man ein bisschen mehr Anreiz schaffen kann, dass diese wieder mitmachen, sonst ist das eine Spirale nach unten, und das wäre traurig und schade.

Es ist heute schon von Zukunftstechnologie gesprochen worden, die kann man kritisch sehen oder nicht, aber prinzipiell wird sich in dem Bereich auch in Zukunft viel tun. Da wäre es wichtig, dass es auch ein Komitee gibt, das ein bisschen ausgeglichener ist, wo nicht nur die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer et cetera und natürlich Sozialpartner, aber auch Parteien drinnen sitzen, sondern eben auch NGOs und Organisationen, die für Konsumentinnen und Konsumenten da sind und denen diese vertrauen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Stadler.)

14.33



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 111

Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.34.1 14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird (2151/A und 2127 d.B. sowie 8894/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. Ich bitte um den Bericht.

 


14.34.32

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Unterricht, Kunst und Kultur zum gegenständlichen Beschluss. Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Ich stelle hiermit den Antrag des Ausschusses, gegen den vorliegenden Bericht keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Kollegin Rausch.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Mag. Pisec. – Bitte.

 


14.35.14

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dieser Gesetzes­vorlage handelt es sich um zwei interessante, ich möchte fast sagen, traditionelle Wiener Institutionen. Auf der einen Seite geht es um das 21er Haus – es hat einmal 20er Haus geheißen, es wächst offensichtlich mit den Jahrhunderten mit –, im Arsenal beheimatet. Es wurde zu Präsentationszwecken gebaut und ist auch als Museum gewidmet. Das ist auch richtig so, daher ist gegen die Widmung in diesem Gesetz, das nun geändert werden soll, nichts einzuwenden.

Auf der anderen Seite, jetzt wird es schon interessanter, handelt es sich um das Hof­kammerarchiv, eine alte Wiener Institution. Ich darf erinnern, es ist das älteste Wiener Archiv seit dem 16. Jahrhundert, dort ist Archivgut seit dem 16. Jahrhundert gelagert, höchst wertvolle Dokumente, Akten, Urkunden, Bücher, Karten und so weiter und so fort; praktisch die Schätze der österreichischen Geschichte der Habsburger-Monarchie.

Nur kurz zur Erklärung: Das Hofkammerarchiv entspricht dem heutigen Finanz­ministerium, es ist praktisch das Gedächtnis der Republik, was die Finanzen betrifft. Seit 2007 ist dieses Hofkammerarchiv leider geschlossen, man steht vor verschlos­senen Türen. Es verstaubt und gibt doch einen gewissen Einblick in das Verhältnis der österreichischen Bundesregierung zur Geschichte, zur Kulturanthropologie Öster­reichs.

Warum ist das so? – Das Archivgut wurde 2007 umgesiedelt in das Österreichische Staatsarchiv nach Erdberg. Das ist deswegen schade, weil ein Archiv den Sinn hat, der Forschung zu dienen, der Wissenschaft zu dienen und die Archivalien für die Allge-


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 112

meinheit nutzbar zu machen. International ist Österreich diesbezüglich sehr geschätzt, es kommen zahlreiche internationale Wissenschaftler nach Österreich, um hier Forschung an Primärquellen zu betreiben und sich zu vertiefen. Diese Institution, das neue Staatsarchiv in Erdberg, erfreut sich auch hoher Frequenz. Es ist ein Miss­verständnis, wenn man glaubt, ein Archiv wäre nur ein totes Gebäude und nur ein Museum lebt. In diesem Fall ist es eigentlich umgekehrt, Archive beleben und erfreuen sich hoher Frequenz.

Was ist 2007 bei dieser Umsiedlung passiert? Bei dieser Umsiedlung – das muss man auch einmal erwähnen, denn Umsiedlungen sind immer mit Risiken behaftet – sind 40 000 Bestände verloren gegangen, darunter auch die österreichische Neutralitäts­urkunde von 1955, die wurde nämlich irrtümlich skartiert.

Warum man dieses Archiv aufgelöst hat, ist nicht ganz schlüssig. Des Weiteren ist dieses Archiv in Erdberg eigentlich nicht als Archiv geeignet, vor allem nicht als Ort der Präsentation. Es wurde Anfang der achtziger Jahre gebaut, es war damals ein Mega-Skandal in Wien, wobei ich jetzt nicht näher darauf eingehen möchte. Es ist keine Institution, wo etwas präsentiert wird. Das ist schade, denn Archive haben zahlreiche Unikate. Gerade das Österreichische Staatsarchiv besitzt absolute Schätze, und diese verstauben in kilometerlangen Regalen oder sogar auf Stiegen und Treppen, weil einfach kein Platz vorhanden ist.

Wenn ich mir also die Nutzung dieses sehr berühmten Hofkammerarchivs, das leider seit vier Jahren geschlossen ist, vorstelle, dann würde mir einiges anderes einfallen als ein modernes Literaturmuseum. Ich verstehe unter moderner Literatur eigentlich Lesen. Ich weiß nicht, was da ausgestellt werden soll, denn ein Museum heißt ja nichts anderes als die Präsentation von Sammlungen.

Daher würde ich vorschlagen, eine andere Nutzung des Hofkammerarchivs zu über­legen, und zwar für die museale Präsentation der wertvollen Unikate, die jetzt in Erdberg eigentlich nicht ersichtlich sind und irgendwo lagern, weil kein Platz vorhanden ist. Weiters würde ich vorschlagen, dieses wunderbare Arbeitszimmer Franz Grill­parzers, das heute noch eines der wenigen original erhaltenen ist, inklusive des gesamten Mobiliars – heute leider nicht zugänglich, weil gesperrt –, zu nützen und seine Epoche des 19. Jahrhunderts darzustellen, also ein sogenanntes Haus der Geschichte. Wenn man vor diesem prachtvollen Palais steht oder hineingeht, atmet man richtig Geschichte ein. So etwas hat nicht jedes Land, und darauf sollte man stolz sein.

Gegen ein modernes Literaturmuseum wäre an und für sich nichts einzuwenden, aber bitte nicht im Zentrum hinter der Oper im Jahrhunderte alten Gebäude. Hier gibt es sicher andere Nutzungsmöglichkeiten, ich denke zum Beispiel an die leerstehenden Gasometer, die verstauben. Dort gibt es auch bereits das Wiener Stadt- und Landes­archiv, dort kann ohne weiteres ein Literaturmuseum eingerichtet werden.

Ich lese hier im Antrag: „Das unter Denkmalschutz stehende Hofkammerarchiv bietet hinsichtlich Standort () beste Voraussetzungen für ein modernes () Literatur­museum.“

Nein, bietet es nicht! Es muss nicht hinter der Oper ein modernes Literaturmuseum sein; abgesehen davon ist Literatur zum Lesen da und nicht dazu, es irgendwie darzustellen. Ich wüsste nicht, wie das stattfinden sollte. Die Architektur eines denk­malgeschützten Gebäudes ist auch nicht gerade ein Synonym für Modernität. Hier könnte man sicherlich anderes einbringen, aber ein modernes Literaturmuseum sollte woanders stehen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 113

Also bitte, sehr geehrte Frau Ministerin, vielleicht fällt Ihnen doch etwas anderes ein, eine andere Widmung, die vielleicht der Tradition der österreichischen Geschichte mehr dient als ein modernes Literaturmuseum in einem uralten Gebäude. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile es ihr.

 


14.41.10

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das Bundesmuseen-Gesetz regelt die Einrichtung jener wissenschaftlichen Anstalten öffentlichen Rechts des Bundes, denen unbewegliche und bewegliche Denkmale im Besitz des Bundes zur Erfüllung ihres kulturpolitischen und wissenschaftlichen Auf­trages anvertraut sind. Diesen taxativ aufgezählten Bundesmuseen sind die in der Anlage A dieses Gesetzes verzeichneten Immobilien beziehungsweise Teile von Immobilien samt Zubehör zum Gebrauch überlassen.

Kulturpolitische Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Bundesmuseen machen nun formale Änderungen dieses Kataloges erforderlich. So wird in den Räumlichkeiten des Hofkammerarchivs durch die Österreichische Nationalbibliothek ein Literaturmuseum eingerichtet und dazu das betreffende Gebäude in der die Österreichische National­bibliothek betreffenden Zeile in der Anlage A des Bundesmuseen-Gesetzes ergänzt.

Die zweite Änderung betrifft das Belvedere. Dort wurde mit der Wiedereröffnung des 21er Hauses nach den getätigten Investitionen des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur ein Ort der österreichischen Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts im internationalen Kontext geschaffen. Die formale Änderung in diesem Zusammenhang betrifft den in Anlage A bezeichneten Standort des 21er Hauses. Das entsprechende Grundstück wurde in Einlagezahl 4159 der Anlage A einbezogen und Einlagezahl 4158 daher gelöscht.

Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zu den oben genannten formalen Bereinigungen zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.43


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile es ihm.

 


14.43.58

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Novelle zum Bundesmuseen-Gesetz 2002. Worum geht es konkret? – Ich möchte meiner Vorred­nerin, Frau Kollegin Grimling, sehr herzlich danken, sie hat die Materie bis ins Detail erläutert. Lassen Sie es mich kurz fassen: Es geht zum einen darum, wie wir gehört haben, dass Teile des ehemaligen Hofkammerarchivs der Österreichischen National­bibliothek zur Nutzung für ein geplantes Literaturmuseum übertragen werden, und zweitens um eine formale Bereinigung im Zusammenhang mit dem Betrieb des wie­dereröffneten 21er Hauses und der Österreichischen Galerie im Belvedere.

Wie wir wissen – von meinem Vorredner beziehungsweise meiner Vorrednerin wurde es bereits erwähnt –, plant die Österreichische Nationalbibliothek die Errichtung eines neuen Literaturmuseums im ehemaligen Hofkammerarchiv in der Johannesgasse im 1. Bezirk. Ich möchte an dieser Stelle der Direktorin der Nationalbibliothek, Frau Dr. Jo-


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hanna Rachinger, für ihre Bemühungen und Vorarbeiten dazu den Dank unserer Frak­tion aussprechen.

Literatur aus Österreich ist ohne Zweifel ein wesentlicher Faktor für die Bestimmung der österreichischen Identität. Für die Bildende Kunst, für die Musik gibt es in unserem Land ja weltbekannte Ausstellungs-, Aufführungs- beziehungsweise Veranstaltungs­räum­lichkeiten, für den Bereich Literatur fehlen vergleichbare Einrichtungen. Zwar gibt es eine Reihe von interessanten und viel beachteten Gedenkstätten und literarischen Schauräumen, die jedoch auf Persönlichkeiten einer Autorin, eines Autors oder lokale literarische Milieus begrenzt sind.

Ich darf in diesem Zusammenhang als Vertreter des steirischen Salzkammergutes natürlich das Literaturmuseum in Altaussee erwähnen, das derzeit von Barbara Frisch­muth betreut wird. Der Schwerpunkt der Sammlungen liegt dort auf Literaten, die eben mit Altaussee in Verbindung stehen: Hugo von Hofmannsthal, Friedrich Torberg oder Jakob Wassermann.

Ein Museum, das die Literatur des Landes repräsentativ darstellt, existiert aber bisher nicht. Das Österreichische Literaturarchiv und die Handschriftensammlung der Öster-reichischen Nationalbibliothek verfügen ohne Zweifel über bedeutende literarische Schätze, die in dem neuen Museum präsentiert und einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden können. Die Österreichische Nationalbibliothek, vielleicht wissen das nicht so viele, betreibt ja bereits drei Museen mit Erfolg – das Papyrus­museum, das einzige Globenmuseum der Welt und das Esperantomuseum – und verfügt damit auch über das entsprechende Know-how für die Betreibung eines Museums.

Das unter Denkmalschutz stehende Hofkammerarchiv – wir haben ja gehört, dass es mehrere Jahre lang nicht zugänglich war – steht zum Teil leer. Hinsichtlich Standort, Architektur, Platzangebot und Raumaufteilung – da bin ich mit Herrn Kollegen Pisec unterschiedlicher Meinung – bietet es sehr gute Voraussetzungen für ein modernes, innovatives Museum in einem historischen Bestand, Herr Kollege, wobei sich das Raumangebot und die Raumaufteilung für die Nutzung von zwei Etagen für Dauer­ausstellungen und einer Etage für eine Wechselausstellungsfläche, wie es heißt, geradezu anbieten.

Wie soll österreichische Literatur vermittelt werden? – Im neuen Literaturmuseum soll Literatur aus Österreich einschlägig und nachhaltig einem breiten Publikum vermittelt werden. Dabei sollen literarische Zusammenhänge und Prozesse sichtbar und an­schaulich gemacht werden, wozu heute eine zeitgemäße Vermittlung über zum Beispiel neue Medien, Touchscreens bis hin zu interaktiven Leseterminals, Hör­sta­tionen, Filmdisplays oder Audioguides zum technischen Stand jedes Museums gehört.

Ausstellung, Vermittlung, Forschung und internationale wissenschaftliche Symposien stehen also im Vordergrund. Nicht angestrebt – das möchte ich betonen, das gefällt mir auch – wird die reine Funktion als Sammlungsstätte.

Das bereits angesprochene Grillparzer-Zimmer wird in das neue Museum quasi als Originalschauplatz eines der bedeutendsten österreichischen Literaten integriert werden. Damit ist der Erhalt dieses aus literaturgeschichtlicher, aber auch aus ge­schichtlicher Epoche interessanten Raumes im Original garantiert, in dem Herr Grillparzer von 1832 bis 1856 als Direktor des Hofkammerarchives amtierte. Die Originaleinrichtung samt Stehpult, an dem Grillparzer einen Teil seiner Dramen schrieb, ist zur Gänze erhalten und wird einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 115

Neben Schülerinnen, Studierenden und fachlich interessiertem heimischem Publikum soll das Ausstellungsprogramm auch interessierte Touristen ansprechen, wofür – und da ist sie ein attraktiver Standort, Herr Kollege – die Innenstadt natürlich auch eine gute Voraussetzung bietet.

Deshalb stimmt unsere Fraktion dieser Novelle zum Bundesmuseen-Gesetz 2002 gerne zu. Wir freuen uns auf die Eröffnung des neuen Österreichischen Literatur­museums – wir haben gehört, wahrscheinlich 2014 oder spätestens 2015 – im Herzen von Wien. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.50


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


14.50.03

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich war letzten Sommer übrigens im Literaturmuseum in Altaussee. Das ist tatsächlich ein schöner Ort – nicht nur das Museum, muss man fairerweise sagen, es ist auch in eine schöne Landschaft eingebettet. Aber man sieht schon: Bei der Literatur ist es eine der größten Herausforderungen, wie man sie museal darstellt. Das Schöne an Literatur ist: Sie ist die Kunstform, die man zum Beispiel nach Hause mit ins Bett nehmen kann. Das ist ja das Besondere an der Literatur, deswegen ist die Frage, wie man das darstellen kann, berechtigt.

Herr Kollege Pisec, man kann ja Kritik anbringen, und ich bin auch für konstruktive Kritik, aber ich habe eines nicht verstanden: Sie sind gegen ein modernes Literatur­haus, weil es in der Innenstadt und hinter der Oper ist? Und Sie wollen eine andere Nutzung des Hofkammerarchivs, sagen aber nicht welche. (Bundesrat Mag. Pisec: Habe ich eindeutig gesagt! Sie müssen zuhören! Ausstellung der in Erdberg gelagerten und verstaubten Artefakte! Habe ich eindeutig gesagt!)

Die Nationalbibliothek wird das Literaturmuseum betreuen. Ich freue mich, offen­sicht­lich im Gegensatz zu Ihnen, dass das alte Hofkammerarchiv jetzt wieder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und dass wieder Programme entwickelt werden. Lassen Sie die Leute dort einfach mal arbeiten! Vielleicht leisten die eh eine tolle Arbeit. Man kann ja auch manchmal kritisieren, wenn man dann weiß, was die für eine Arbeit leisten.

Ich war schon in mehreren Literaturmuseen, das letzte Mal in einem großen Literatur­museum. Das war in Reykjavik, dort ging es um die nordischen Sagen, die spielen dort bekanntlich eine große Rolle. Das ist ein ganz interessantes Literaturmuseum. Da ging es um den Missbrauch der altnordischen Sagen vonseiten nationalistischer Kreise, vor allem deutscher nationalistischer Kreise, im 19. und 20. Jahrhundert. Man kann mit Literatur – egal, ob es sich um alte oder um neue Literatur handelt – unglaublich inter­essante gesellschaftliche Phänomene darstellen.

Also Literatur nimmt man zu sich mit nach Hause ins Bett, aber man kann daraus auch gesamtgesellschaftliche Konzepte entwickeln, wo eine Darstellung gut ist. Lassen wir die Leute dort arbeiten! Ich freue mich, offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen, dass diese Räume wieder zugänglich werden.

Ich freue mich auch über das 21er Haus. Das ist ebenfalls ein architektonisch hoch­interessantes Gebäude, eines meiner Lieblingsgebäude in Wien, architektonisch gesehen. Und das 21er Haus ist ja auch eine Herausforderung, nämlich in der ge­samten Region. Wir sind hier in der Länderkammer und ich bin ein Wiener Bundesrat: Daran sieht man auch, wie interessant Kulturprojekte im Zusammenspiel von Land, in dem Fall Wien, und Bund sind, denn dieser Ort hat ja vieles zu bieten.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 116

Das Heeresgeschichtliche Museum hat sicher noch Schwierigkeiten, wo man sich auch noch etwas überlegen kann. Es ist die ganze Kulturmeile hinunter bis zum Belvedere, natürlich mit dem Problem des Gürtels, der da sozusagen noch eine Schneise bildet und diese beiden Kulturmeilen noch nicht miteinander verbindet. Zusammen mit dem Hauptbahnhof wird dort ein völlig neues Viertel entstehen. Dort werden viele Menschen hinziehen. Dieses Gelände rund um den Südbahnhof wird nicht wiederzuerkennen sein. Wie das zu einer Kulturmeile und zu einem attraktiven Ort in der Stadt wird, damit werden wir uns noch lange beschäftigen müssen. Da bin ich mir sicher. Aber da wird das 21er Haus sicher auch in einem ganz anderen Umfeld eingebettet sein, das städtebaulich und kulturpolitisch hochinteressant ist.

Wir Grüne werden heute auf jeden Fall zustimmen.

Ich möchte zum Abschluss noch eine kleine Anmerkung machen, auch wenn das jetzt nicht auf der Tagesordnung steht: Wahrscheinlich weil Wahlkampf ist, hat sich die Frau Finanzministerin gedacht, bevor sie mit der zuständigen Kulturministerin spricht, eröff­net sie jetzt einfach einmal ein Museum, und hat gesagt, dass das ehemalige Stadt­palais von Prinz Eugen, das ja de facto noch immer das Finanzministerium ist, für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und dort ein neues Barockmuseum ent­stehen soll.

Prinzipiell ist die Öffnung des Stadtpalais von Prinz Eugen eine gute Sache. Ich habe viele, auch internationale Gäste immer wieder in Wien gehabt, die sich das anschauen wollten. Dort findet sich der mit Abstand prachtvollste Stiegenaufgang barocker Zeit in Österreich, wenn nicht weltweit. Dieses Palais ist wirklich schön. Ich freue mich, wenn es eröffnet werden wird, würde mir aber schon wünschen, dass in der Bundes­regierung nicht Wahlkampf gemacht wird nach dem Motto: Ich mache ein Museum auf und die nicht, sondern dass es in ein kulturpolitisches Programm eingebettet wird, dass es in die Museumslandschaft mit hineingelegt wird und dass auch die Kulturpolitik noch ein Wort mitzureden hat, denn was ich nicht gut finde, ist, wenn Kulturpolitik von einer Finanzministerin gemacht wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.55


Präsident Edgar Mayer: Zu Beginn des Tagesordnungspunktes 14 habe ich es in der Hektik verabsäumt, Frau Bundesministerin Dr. Claudia Schmied hier bei uns zu be­grüßen, was ich hiemit erstens mit besonderer Herzlichkeit nachholen möchte (allgemeiner Beifall) und der ich zweitens mit diesem Auftrittsapplaus das Wort erteile. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


14.55.54

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Frau Bundes­rätin Grimling hat schon im Detail erläutert, worum es heute geht. Ich freue mich, dass es auf Basis eines Initiativantrages zu einer Abstimmung über die Novelle des Bundesmuseen-Gesetzes gekommen ist. Ich möchte mich auch noch einmal sehr herzlich bei den Abgeordneten Frau Ablinger und Frau Fuhrmann bedanken, die das möglich gemacht haben und dass damit nun diese zügige Behandlung der Materie erfolgen kann.

Ich freue mich auch sehr, dass es zum ersten Teil der Novelle betreffend das 21er Haus offensichtlich ganz breite Zustimmung gibt, dass es da keine Einwände gibt. Und ich möchte auch noch einmal das unterstreichen, was Herr Bundesrat Schreuder gesagt hat, nämlich die Rolle des 21er Hauses nicht nur als Haus an und für sich und als Haus für zeitgenössische Kunst – das wären ja schon zwei Begründungen, die ausreichend wären –, sondern ich glaube, das 21er Haus macht uns auch bewusst, wie wichtig Kunst- und Kulturprojekte in der Stadtentwicklung sind. Über Kunst und


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 117

Kultur können mitunter auch problematische Viertel – wir sind ja dort dann in der Nähe eines großen Bahnhofgeländes – attraktiv gestaltet werden. Das ist für mich auch so ein wichtiger Faktor, entschieden dafür einzutreten, dass Kunst und Kultur – und ich sage das jetzt sehr bewusst hier im Bundesrat – in Zukunft auch eine zentrale Rolle in der Europäischen Union und da konkret in der Regionalförderung spielen sollen.

Ich möchte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, einfach noch einmal aufrichtig bitten, sich in Ihren Bundesländern dafür einzusetzen, dass Kunst und Kultur auch in den operationalen Programmplanungsdokumenten zum Europäischen Regio­nal­fonds verankert werden. Wenn das gelingt, dann erschließen wir zusätzliche Finan­zierungsmittel. Dann können nämlich Bundesmittel, Landesmittel schlichtweg durch EU-Strukturfondsmittel verdoppelt werden und wir damit die kulturelle Entwicklung Österreichs weiter stärken.

Da wir ja immer auch von knappen Budgets sprechen, denke ich, ist das eine wichtige Möglichkeit, um hier unseren Handlungsradius auf der einen Seite zu erweitern, aber es ist auch wesentlich, dass Kunst und Kultur nicht nur eine Rolle bei Festspiel­eröffnungen oder am Beginn von Gesprächen von Wirtschaftsdelegationen spielen, sondern dass wir das wirklich täglich leben und dass wir uns bewusst zu Kunst und Kultur und zur öffentlichen Finanzierung von Kunst und Kultur bekennen.

Aber auch den zweiten Teil, das Literaturmuseum, sehe ich sehr positiv. Ich sehe es zum einen als Museum, ich sehe es aber zum anderen vor allem auch als Ort der Bildung. Wir können an diesem Ort, wo wir Literatur präsentieren, wo wir Autoren, Autorinnen vorstellen, auch ein Zentrum für Lesekompetenz einrichten und auf diese Art und Weise auch Kunst, Kultur und Bildung auf ideale Weise kombinieren.

Es wird auf der Basis der heutigen Gesetzesnovelle dann auch möglich sein, ein umfas­sendes Generalsanierungsprojekt zu starten – Generalsanierung der Räumlich­keiten, der Infrastruktur, aber auch die Adaptierung für den musealen Gebrauch. Es wird sich dabei das Wirtschaftsministerium engagieren, die Burghauptmannschaft wird investieren, und auch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur wird im Rahmen der § 5-Mittel aus der Museumsförderung Investitionen tätigen können, sodass wir, wie es Herr Bundesrat Köberl bereits betont hat, idealerweise im Herbst 2014 die Eröffnung feiern können.

Meiner Überzeugung nach ist es wichtig, dass die österreichische Literatur auch einen Ort hat, an dem sie regelmäßig und fix präsentiert wird, denn die österreichische Literatur ist einfach Teil unserer Identität und unseres Heimatbewusstseins, und es ist wichtig, dass sie hier im wahrsten Sinn des Wortes eine Heimat hat.

Dass die Ausstellung von Literatur gut gelingen kann, zeigt uns, glaube ich, auch die aktuelle Ausstellung „Peter Handke“ im Theatermuseum, in der man Einblick in das Kunstschaffen des Autors, aber auch in die Form der dramaturgischen Behandlung seiner Theaterstücke gewinnt.

Ein Wort noch zu Prinz Eugen und zum Belvedere. Lieber Herr Bundesrat, ich muss Ihnen sagen, ich bin sehr froh darüber, dass wir eine kunstsinnige Finanzministerin haben. Es ist nämlich entscheidend, auch die Frau Finanzministerin bei Kunst- und Kulturprojekten mit an Bord zu haben, gerade wenn es um Budgetfragen geht. Das Museum „Prinz Eugen“ wird ja vom Belvedere mitbetreut, es passt ideal in das Gesamtkonzept der Präsentation des Prinzen Eugen im Rahmen des Belvedere, und die Finanzierung wird auch über das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur abgewickelt, was ich – das muss ich an der Stelle auch sagen – seitens der Frau Finanzministerin als überaus fair empfinde. Und wenn es mehr Geld für Kunst und Kultur gibt, werde ich niemals nein sagen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.02



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 118

Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.02.2815. Punkt

Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft 2011 (Grüner Bericht 2012) (III-473-BR/2012 d.B. sowie 8892/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Ich bitte um den Bericht.

 


15.02.38

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Geschätzte Frau Minister! Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft 2011, den sogenannten Grünen Bericht – die Darstellung der Einkommenssituation der Land­wirtschaft in Österreich. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Ich komme gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 den Antrag, den Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft 2011 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Ich begrüße Herrn Minister Berlakovich ganz herzlich hier bei uns im Bundesrat. Herr Minister, herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


15.03.30

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Meine sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Perhab, ich bin mir jetzt nicht sicher: Bist du auch Landwirt oder hast du nur sonst acht andere Jobs? (Bundesrat Perhab: Ja, ja, ich bin Landwirt auch!)

Der vorliegende Grüne Bericht 2012 spiegelt die wirtschaftliche Situation der öster­reichischen Land- und Forstwirtschaft 2011 in einer Unmenge an Datenmaterial und Informationen wider. Die gute Nachricht, die wir diesem Bericht entnehmen können, ist ein Einkommensplus von durchschnittlich bis zu 30 Prozent.

Ich möchte den österreichischen Landwirten für dieses erfreuliche Ergebnis meine Hochachtung aussprechen, denn ihrem Fleiß und ihrer Beharrlichkeit ist es zuzu­schreiben, dass die schlechten Bilanzen der letzten Jahre, vor allem des Jahres 2009, etwas ausgeglichen werden konnten, und dies trotz der beinharten Strategie der europäischen und heimischen Agrarpolitik des „Wachsens oder Weichens“ und der systematischen Benachteiligung von Kleinbetrieben durch das großteils flächenbe­zogene Förderungssystem.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 119

Die Regierung betont gerne nur die positiven Ergebnisse des Grünen Berichts, doch es gibt auch 2011 nicht nur Gewinner in der Land- und Forstwirtschaft, und ich möchte hier einige signifikante Fakten aus dem Bericht anführen.

Betrachtet man die Einkünfte der Betriebe nach Größenklassen, zeigt sich schnell, warum kleinstrukturierte Betriebe einem existenzgefährdenden Überlebenskampf aus­geliefert sind: Die Nettojahreseinkommen liegen in der Landwirtschaft zwischen 8 184 € in den kleineren und 61 970 € in den größeren Betrieben. Die durchschnittliche monatliche Bruttopension der Landwirte betrug 722 €, das ist gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 32 € pro Monat. Ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass das Pensionseinkommen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern deutlich unter den Ein­künften der Mindestsicherungsbezieher beziehungsweise der Asylanten liegt und daher völlig inakzeptabel ist.

Leider hilft die gute Einkommensentwicklung des Jahres 2011 jenen Bauern und Bäue­rinnen nichts mehr, die ihre Höfe bereits schließen mussten. Seit dem EU-Beitritt Österreichs hat sich die Betriebsanzahl um 27,5 Prozent verringert. Allein 2011 haben 701 Bergbauernbetriebe und 1 281 Betriebe mit Milchquoten für immer zugesperrt.

Besonders betonen möchte ich auch die starke Rückläufigkeit der Zahl niederöster­reichi­scher Betriebe: seit 1999 minus 24 Prozent. Das massive Bauernsterben der kleinen Betriebe wird von der Regierung als natürliche Auslese beziehungsweise als notwendiger Verdrängungswettbewerb bezeichnet und als gegeben hingenommen. Tatsächlich ist die Ursache der erhöhten Zahl an Betriebsschließungen auf den mas­siven Strukturwandel zurückzuführen, der durch den EU-Beitritt verursacht wurde. (Rufe bei der ÖVP: So ein Blödsinn! Das ist doch Schwachsinn!) Dem damit verbundenen Konkurrenz- und Einkommensdruck konnten viele der Kleinbetriebe einfach nicht mehr standhalten.

Auch die immens steigenden bürokratischen Auflagen mit den Mehrfachanträgen und Erfassungsarbeiten setzen vor allem die Kleinlandwirtschaft unter Druck. Gleichzeitig wird die Bauernschaft durch die finanzielle Abhängigkeit und das damit verbundene öffentliche Kontrollsystem immer mehr fremdbestimmt. (Bundesrat Perhab: Sag einmal, das kann es doch nicht sein!)

Ich möchte noch einmal auf die Einkommenssituation 2011 zurückkommen. Für die höheren Einkünfte waren folgende Entwicklungen ausschlaggebend: Zum einen stiegen die Ernteerträge gegenüber 2010 aufgrund der günstigen Wettersituation um 15 Prozent. Zum anderen waren vor allem die höheren Erzeugerpreise für die positive Bilanz des letzten Jahres verantwortlich. So stiegen die Erzeugerpreise für tierische Produkte gegenüber dem Vorjahr um 10,1 Prozent, am Rindersektor konnte je nach Klasse ein Preisanstieg zwischen 11,7 Prozent und 19,5 Prozent erzielt werden. Für 100 kg Kuhmilch wurden 34,45 € ausbezahlt, das bedeutet ein Plus von 11,5 Prozent gegenüber 2010. Auch bei den pflanzlichen Produkten ist ein Preisanstieg von 17,4 Prozent gegenüber 2010 zu verzeichnen.

Wenn man sich ernsthaft mit den Zahlen aus dem Grünen Bericht beschäftigt, kommt man zu folgendem Fazit: Für die positive Entwicklung der Einkommen und der Produk­tion sind nicht nachhaltige agrarpolitische Konzepte verantwortlich, wie uns von Regie­rungsseite gerne glaubhaft gemacht wird, sondern höhere Ernteerträge aufgrund der günstigen Wettersituation und eine Erzeugerpreissteigerung aufgrund umfangreicher Preissteigerungen.

Nicht unerwähnt lassen kann man auch die vom Rechnungshof massiv kritisierte Kofinanzierung durch Bund und Länder zur Förderung des ländlichen Raumes, die im Zeitraum ab 2007 um 741 Millionen € oder 22,8 Prozent höher war als von Brüssel gefordert. Dazu kommen laut Schätzung des Rechnungshofes noch einmal zirka


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 120

100 Mil­lionen €, die von den Gemeinden in den 85 ausgewiesenen LEADER-Regionen finanziert worden sind.

Die vernichtende Kritik des Rechnungshofes bezieht sich unter anderem auf die fehlende Effizienz beim Einsatz der Mittel, wie zum Beispiel, für positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Der AMA wirft der Bericht des Rechnungshofes völliges Versagen der Kontrolle vor und spricht von Interessenkonflikten und von In-sich-Geschäften.

Das LEADER-Programm dient dem Zweck, nationale Eigenheiten zu erhalten und lokale Möglichkeiten zu fördern. Offensichtlich wurden diese Ziele im Umfeld des Landwirtschaftsministeriums und der AMA kurzerhand für die Förderung von Freun­derl­wirtschaft und politiknahen Großgrundbesitzern umstrukturiert. (Bundesrätin Kerschbaum: Na geh! – Bundesrat Tiefnig: Was heißt da „Freunderlwirtschaft“? Das gibt es doch nicht!)

Um die bäuerlichen Einkommen nachhaltig abzusichern, fordern wir ein gerechteres Fördersystem in Österreich. Das bedeutet erstens eine Grundförderung für kleinstruk­turierte Betriebe bei zweitens gleichzeitiger Einführung einer Förderobergrenze für Großbauern und Konzerne von 50 000 € und drittens eine Auszahlung der Förderung ausschließlich an aktive Bauern.

Solange diese notwendigen Maßnahmen nicht umgesetzt werden, werden wir dem Grünen Bericht keine Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

15.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte.

 


15.12.53

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen die Gelegen­heit wahrnehmen und mich vor allem bei jenen über 2 200 Bäuerinnen und Bauern, welche freiwillig Aufzeichnungen führen und diese Daten dann für den Grünen Bericht zur Verfügung stellen, herzlich bedanken, und darf auch jenen gratulieren, die diese Daten dann in den Grünen Bericht einarbeiten und diesen Bericht wirklich sehr übersichtlich und vor allem auch leicht verständlich aufbereiten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf.) Anscheinend gibt es Dinge, die kannst du gar nicht so leicht verständlich machen, dass sie jeder versteht. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich muss da schon auch gleich etwas dazu sagen. Es ist schon richtig, dass rund 2 500 Betriebe jährlich aufgegeben werden. Man muss aber auch schauen, in welcher Größenstruktur diese Betriebe sind. Das sind meistens Betriebe bis zu fünf Hektar (Bundesrat Ertl: Bis zu 20 Hektar!), und wir dürfen auch nicht vergessen, dass täglich 30 bis 40 Hektar an landwirtschaftlicher Fläche verbaut werden. Das heißt, diese Fläche muss auch irgendwo herkommen. Alleine dadurch entsteht das schon.

Es ist natürlich so, dass Betriebe mit fünf Hektar schwer lebensfähig sind. (Bundesrat Ertl: Ja, aber die Förderungen kürzt ihr!) Jetzt könnten wir hergehen und hier Aus­gleichs­zahlungen schaffen. Rund 95 000 Betriebe bekommen weniger als 10 000 € Ausgleichsförderungen. Wenn Sie diesen 95 000 Betrieben so viel an Ausgleichszah­lungen geben wollen, dass sie lebensfähig sind, dann brauchen wir zusätzlich eine Milliarde. (Bundesrat Füller: Das ist doch überhaupt nicht wahr!) Dafür können wir uns gerne einsetzen, da bin ich sofort dabei. Wenn wir das Geld aufbringen, jederzeit, bitte!

Es geht aber in der heutigen Debatte gar nicht so sehr um die redaktionelle Auf­arbeitung dieses Berichts, sondern ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dieser


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 121

Bericht eine wirklich gute Leistungsbilanz für die Land- und Forstwirtschaft ist und dass wir uns mit dieser Leistungsbilanz nicht zu verstecken brauchen. Die Bäuerinnen und Bauern können die österreichische Bevölkerung ausreichend und gut ernähren, das heißt, mit qualitativ höchstwertigen Lebensmitteln. Sie leisten damit auch einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Lebensqualität in unserem Land.

Im Berichtsjahr ist auch der Produktionswert der Land- und Forstwirtschaft um 13,4 Pro­zent auf insgesamt knapp 9 Milliarden € gestiegen. Zudem kaufen die Land­wirte Betriebsmittel und Investitionsgüter in der Höhe von durchschnittlich rund 23 000 € pro Betrieb. Das heißt, sie leisten auch einen wesentlichen Beitrag für die Wirtschaft in unserem Land und damit auch für die Beschäftigten in unserem Land.

So sind rund 150 000 Menschen direkt und rund 380 000 Personen im vor- und nach­gelagerten Bereich der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt – das sind die Genos­senschaften, die Gewerbebetriebe, die Landmaschinenindustrie und dergleichen. (Bundesrat Ertl: Ja, die Raiffeisenkassen!)

Im Berichtsjahr gab es auch wieder eine sehr positive Einkommenssteigerung, nämlich von rund 30 Prozent im Durchschnitt, natürlich mit leichten Unterschieden in den einzelnen Sparten. Damit konnten, wie es der Herr Kollege Ertl richtig gesagt hat, die schweren Jahre davor, vor allem das Jahr 2009, wieder einigermaßen ausgeglichen werden.

Wir wissen aber auch, dass das Jahr 2012 wahrscheinlich wieder Einkommensrück­gänge bringen wird, weil die Erträge aufgrund der Wetterlage zurückgegangen sind. Es ist leider so, dass die Erträge je nach Wetter schwanken, und je nach Erträgen schwanken auch die Preise. Österreich ist längst keine Insel mehr, wir bewegen uns am globalen Markt, am Weltmarkt und müssen uns dort zurechtfinden.

Es braucht daher, glaube ich, auch immer wieder Jahre der Erholung, in denen der Preis und die Erträge gut sind, um die Verluste der Vorjahre auszugleichen, aber auch, um Rücklagen zu bilden und längst fällige Investitionen nachzuholen.

Es braucht auch – das ist ganz, ganz wichtig – eine funktionsfähige Hagelversicherung, so wie wir sie in Österreich haben, um größere Unwetterschäden abzufedern. Es braucht aber vor allem – und das ist, glaube ich, schon auch eine Aufgabe der Agrarpolitik – verlässliche und planbare staatliche Ausgleichszahlungen, denn nur dadurch ist eine qualitativ hochwertige Produktion unter besonderer Berücksichtigung der in Österreich überdurchschnittlich hohen Umwelt- und Tierschutzauflagen zu Weltmarktpreisen erst möglich.

Ich bin daher schon sehr verwundert, dass es gerade in einer Zeit, in der wir über die Neuausrichtung der zukünftigen EU-Planungsperiode diskutieren, immer wieder zu Zwischenrufen von verschiedener Seite kommt, in denen es heißt, wir könnten mit diesen Geldern auch anderes finanzieren als die Agrarwirtschaft.

Natürlich kann man das machen, nur muss man wissen, dass es dann keine bäuer­lichen Strukturen, so wie wir sie heute kennen, mehr gibt. Dann gibt es keine bäuer­lichen Strukturen, die die wesentliche Grundlage für den Tourismus, nämlich eine gepflegte Kulturlandschaft, schaffen. Es gibt dann keine gepflegte Almwirtschaft mehr, es gibt dann keine Beschäftigung von rund 400 000 Menschen im Agrarbereich mehr, und vor allem – und das ist, glaube ich, das Wichtigste – haben wir dann keine eigenständige und damit krisenunabhängige Versorgung mit Lebensmitteln mehr – Lebensmittel, die noch dazu preislich günstig sind, tier- und umweltgerecht produziert werden und hochqualitativ sind.

Geschätzte Damen und Herren! Die Gelder für die Ausgleichszahlungen und für die ländliche Entwicklung waren in der Vergangenheit gut investiertes Geld und sind auch


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 122

in der Zukunft gut investiertes Geld. Ich glaube, wir sind alle gut beraten, hier sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene dafür Sorge zu tragen, dass diese Gelder, die wir in Brüssel abholen können, auch wirklich abgeholt werden können, indem wir die benötigte Kofinanzierung zur Verfügung stellen. Diese Kofinanzierungsmittel auch in Zukunft sicherzustellen, ist übrigens auch eine Forderung der §-7-Kommission.

Weiters empfiehlt diese Kommission – und das sehe ich auch so – , dass es vor allem, was die landwirtschaftlichen Kontrollen betrifft, Verwaltungsvereinfachungen geben muss. Ich denke da vor allem an die Almkontrollen, wo es große Probleme gegeben hat. Aber ich glaube, auch da sind wir auf einem guten Weg, eine Lösung zu finden. Ich glaube, man darf von den Landwirten nur das verlangen, was auch technisch machbar ist. Eine Almfläche nach Weideflächen zu bewerten, das geht nicht, ohne dass man ein bisschen schätzt, was dort drinnen ist. Die Latschenflächen, die Felsen­flächen waren auf der Grundlage von Schätzungen herauszunehmen – und wenn fünf Leute schätzen, kommt zwangsläufig jeweils etwas anderes heraus. Da ist einfach die Grundlage eine falsche gewesen. Da muss eine Bereinigung her, und man ist auch dabei, eine solche zu machen.

Eine weitere Forderung dieser §-7-Kommission ist es auch, die Wertigkeit von Lebensmitteln zu steigern. Sie alle wissen, Unmengen an Lebensmitteln landen derzeit im Müll. Hier braucht es eine Fülle an Maßnahmen, um diesbezüglich wirklich ein Umdenken einzuleiten. Im Zuge dessen sollte man, glaube ich, auch verstärkt darauf hinweisen, wie wichtig es ist, heimische Lebensmittel, also solche mit österreichischer Herkunft, zu kaufen – dazu braucht es auch noch viel deutlichere und klarere Herkunftsbezeichnungen –, denn: Regionale Lebensmittel stärken die heimische Wirtschaft, sie schonen die Umwelt durch kürzere Transportwege, und – das Allerwichtigste überhaupt – sie schmecken auch sehr gut.

In diesem Sinne bin ich davon überzeugt – und das beweist auch der Grüne Bericht –, dass die österreichische Agrarpolitik und die österreichischen Bäuerinnen und Bauern auf einem guten und richtigen Weg sind. Und ich danke auch dir, Herr Bundesminister, für deinen unermüdlichen und erfolgreichen Einsatz dafür. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Zehentner. – Bitte.

 


15.21.59

Bundesrat Robert Zehentner (SPÖ, Salzburg): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Sehr verehrte Damen und Herren zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Es steht wieder einmal – alle Jahre wieder – der Grüne Bericht zur Diskussion. Der Grüne Bericht beinhaltet eine Menge Fakten und Daten, die vor allem für jene, die in der Agrarpolitik tätig sind, eine sehr wertvolle Grundlage darstellen. Mein Dank gilt hier der §-7-Kommission und vor allem den 2 300 Bauern und Bäuerinnen, die dazu die Daten liefern. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

So eine statistische Grundlage, wie sie der Grüne Bericht darstellt, sollte man nicht als Einzelwerk betrachten, sondern – und das ist natürlich in der Landwirtschaft nicht anders als sonst wo: man kann eine Einkommensentwicklung oder eine andere Entwicklung, etwa bei der Betriebsvergrößerung, nicht von einem Jahr auf das andere beurteilen – man muss das über einen längeren Zeitraum betrachten.

Wenn man sich die Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft von 2001 bis 2011 ansieht, so haben wir insgesamt ein Plus von 35 Prozent. 3,5 Prozent jährlicher


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 123

Einkom­menszuwachs über einen Zeitraum von zehn Jahren, das ist nicht über­wältigend, aber durchaus mit jenem von vielen anderen Arbeitern oder Angestellten oder im Gewerbebereich Tätigen vergleichbar.

Dem steht gegenüber, dass auch die Aufwendungen in der Landwirtschaft in diesem Zeitraum um 37 Prozent gestiegen sind; das muss auch erwähnt werden. In diesem Zusam­menhang ist, da wir Bauern ja den Großteil unserer Verkäufe über Genos­senschaften abwickeln und den Großteil unserer Einkäufe ebenfalls über Genossen­schaften abwickeln, schon die Frage erlaubt, warum unsere Genossenschaften alleweil um ein kleines bisschen mehr haben müssen. Diese Frage müssen wir auch disku­tieren, um ein rundes Bild zu haben.

Das Zweite, was ich mir angeschaut habe, ist die Betriebsvergrößerung in Österreich. Da ist es sicherlich so, dass seit dem EU-Beitritt (Zwischenruf des Bundesrates Pirolt) – ja, ja, sowieso –, also seit 1995, in Österreich etwas verstärkt der Weg in das unheilvolle „Wachsen oder Weichen“ gegangen worden ist. Wenn man sich die Zahlen anschaut, so muss man differenzieren: Es sind die Ackerbaubetriebe in diesem Zeitraum um 6 Hektar größer geworden, und die Grünlandbetriebe sind um 2 Hektar größer geworden. Man muss aber noch mehr differenzieren: Es haben sich jene Betriebe, die mehr als 100 Hektar Acker besitzen und bearbeiten, in diesem Zeitraum verdoppelt. Also da sieht man eine Auseinanderentwicklung, die zweifelsohne vom sogenannten bäuerlichen Familienbetrieb weggeht.

Wenn man sich jetzt diese Entwicklung anschaut, dann muss man sich auch die Ein­kommensentwicklung ansehen, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Und da kann man auch mit Durchschnittswerten sehr viel verschleiern. Man muss also speziell auf die einzelnen Gruppen hinschauen. Wenn man sich die Statistik anschaut und die Bergbauern, das Bundesmittel, die Biobetriebe vergleicht, wenn man sich Bauern in Gunstlagen anschaut, dann hat man dort eine Entwicklung, die durchaus argumen­tierbar ist. Dass nicht alles gleich sein kann, das versteht ein jeder. Aber wenn man sich eine Gruppe herausnimmt, und das sind die großen Getreidebauern, so kommt man dort – da kann man das Betriebseinkommen, man kann auch das Arbeitsein­kommen pro Arbeitskraft hernehmen – immer wieder zur selben Problematik: dass eine relativ kleine Gruppe ein gewaltiges Einkommen hat und dieses große Einkommen auch noch zu über 53 Prozent von der öffentlichen Hand kommt.

Da drängt sich natürlich die Frage auf, ob die Gelder, die der Steuerzahler für uns Bauern sozusagen zur Verfügung stellt oder uns gibt, um gewisse Leistungen, die nicht über den Markt erbracht werden, abzugelten oder auch um eine gewisse Basis­förderung zu gewähren, richtig verteilt sind. Ich kenne schon die Forderungen des Bauernbundes: Mehr Geld, mehr Geld! – Das ist für eine bäuerliche Organisation naheliegend und argumentierbar. Es wäre aber zumindest ebenso wichtig, dass man sich über die Frage unterhält: Wie wird das verteilt? Wird es so verteilt, dass der bäuerliche Familienbetrieb eine Überlebenschance hat, oder geht es bei uns auch in sehr große Größenordnungen hinein? Und da beweist dieser Grüne Bericht, wie viele vor ihm, dass man in die falsche Richtung geht (Bundesrat Ertl: Der Bauernchef traut sich nicht einmal mehr unter die Bauern aussi!) – dass man in die falsche Richtung geht und dass man immer schneller in die falsche Richtung geht.

Wenn ich das jetzt kurz zusammenfasse, kann man sagen: Der Grüne Bericht 2012 ist ein guter Bericht, er ist ein sehr aufschlussreicher Bericht. Es war ein sehr gutes Einkommensjahr für viele. Die Einkommensunterschiede innerhalb der Landwirtschaft werden immer schneller immer größer. Die Bergbauernbetriebe können mit der Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft schon lange nicht mehr mithalten. Die Biolandwirtschaft hat Wachstumspotenzial; das müssen wir in Zukunft mehr ins Auge


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 124

fassen. Und die bäuerlichen Familienbetriebe werden immer weniger. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


15.28.55

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon von meinen Vorrednern gesagt, daher werde ich mich auf einige wenige Bereiche konzentrieren.

Insbesondere das, was Kollege Zehentner gesagt hat, was die Verteilungsgerechtigkeit betrifft, kann ich wirklich nur herausstreichen. Ich gönne den Bäuerinnen und Bauern jeden Cent, den sie von der öffentlichen Hand an Förderung bekommen, denn ich weiß, wie hart und schwierig es ist, unter Rahmenbedingungen zu arbeiten, die nicht ganz einfach sind, wo die ganze Familie mit anpacken muss, wo man nicht auf Urlaub fahren kann, wo man sich zweimal überlegen muss, ob man sich ins Bett legen kann, wenn man krank ist. Diesen Menschen, diesen Bäuerinnen und Bauern gönne ich jeden Cent doppelt und dreifach.

Kritisch betrachte ich es, wenn auch Großbetriebe derartige Förderungen erhalten, wie zum Beispiel Pfanner und so weiter – da gibt es ja viele andere Betriebe, die gleichfalls Förderungen erhalten. Wenn der Kuchen begrenzt ist, muss man sich eben an­schauen, wer welche Teile davon bekommt. Aber jene, die Sie angesprochen haben, haben es wirklich verdient. Darum kann ich das auch nur unterstreichen.

Geschätzter Kollege, du hast auch die Biolandwirte und -landwirtinnen angesprochen. Wir haben zwar im internationalen Vergleich eine relativ niedrige Anzahl von Betriebs­schließungen, und das ist auch ein Erfolg des österreichischen Ansatzes, die hori­zontalen Maßnahmen im ländlichen Raum zu unterstützen, aber was ich nicht so ganz nachvollziehen kann, ist die verbreitete Beweihräucherung als Bioweltmeister und Umweltmusterland. Das täuscht nämlich darüber hinweg, dass wir in Österreich noch ein deutlich höheres Potenzial haben, wo wir in die biologische Produktion einsteigen könnten. Laut einer Erhebung von Bio Austria wären bis zu 50 Prozent der heimischen Betriebe willens, auf Bio umzusteigen, wenn es entsprechende Förderanreize dafür gäbe.

Die österreichische Landwirtschaft kann nicht über eine landwirtschaftliche Massen­produktion auf dem Markt bestehen. Wir haben gar nicht die Fläche dazu – wie sie zum Beispiel in Ostdeutschland oder in den Niederlanden oder in anderen größeren Län­dern vorhanden ist –, sondern wir können nur über die Qualität punkten, über die Qualität unserer Produkte. Es ist meines Erachtens aber auch ökonomisch und ökologisch sinnvoll, den Biobereich insgesamt weiter auszubauen.

Hierfür fordern wir Grüne einen Bioaktionsplan, der zum Ziel hat, dass wir bis 2020 die Bioquote der Bäuerinnen und Bauern um mindestens 50 Prozent erhöhen können. Das hätte auch den Effekt, dass wir im Bereich der Veredelung weitere Potenziale und auch Arbeitsplätze schaffen könnten.

Was den Bereich des Tierschutzes betrifft – das ist leider von meinen Vorrednern kaum angesprochen worden –, so findet sich dazu im Grünen Bericht relativ wenig. Eine Strategie des Landwirtschaftsministeriums, besonders tierfreundliche Produktion zu fördern und innovativen Ansätzen in diesem Bereich zu Marktchancen zu verhelfen, ist nicht besonders zu erkennen. Hier würden wir uns ein bisschen mehr Engagement wünschen.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 125

Sehr geehrter Herr Minister! Österreich hat relativ hohe Tierschutzstandards, das ist uns vollkommen bewusst. Aber ich glaube, wenn wir von Qualität sprechen, dann erwarten sich auch die KonsumentInnen, dass es im Zusammenhang mit dem Tier­schutz zu weiteren Verbesserungen kommt.

Wir brauchen EU-weit mehr Fördermittel in der ländlichen Entwicklung, um die Fortsetzung des Strukturwandels in Richtung industrielle Landwirtschaft aufzuhalten. In diesem Zusammenhang ist es sowohl aus sozialen als auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig, Obergrenzen für Agrarförderungen einzuführen.

Nach deutschem Vorbild sollte Österreich auch einen Eiweißplan entwickeln und Fort­schritte in der Fruchtfolge erreichen.

Abschließend möchte ich sagen, dass der Grüne Bericht sehr umfassend ist. Der Beamtenschaft einen herzlichen Dank!

Und wenn ich Sie außerhalb dieses Tagesordnungspunktes noch Folgendes fragen dürfte, sehr geehrter Herr Minister: Wir wissen, dass jetzt auf EU-Ebene die Verhand­lungen anstehen, bei denen es ums Geld geht, und Sie haben sozusagen die Vetokeule in den Raum gestellt. Wenn Sie diesbezüglich vielleicht hier im Plenum noch ein paar Worte, Sätze dazu finden könnten, was in diesem Zusammenhang sozusagen der letzte Stand ist? – Ich glaube, das würde auch die Zuseherinnen zu Hause inter­essieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

15.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

 


15.33.53

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren an den Fernsehgeräten! Hoher Bundesrat! Der Grüne Bericht – eine Diskussion, die zweifels­ohne jedes Jahr wieder unter einem gewissen Gesichtspunkt präsentiert wird. Es ist eine Darstellung der Einkommenssituation in der Landwirtschaft. Und erlauben Sie mir, dass ich es als einer, der zeit seines Lebens aktiv in der Landwirtschaft tätig ist und der sich, glaube ich, jeden Grünen Bericht ganz genau durchgelesen hat, so formuliere: Man kann mit Fug und Recht sagen, ja, dieser Bericht über das Jahr 2011 ist ein guter Bericht.

Der Produktionswert nahm 2011 um 11,4 Prozent zu – wirklich positiv. Gleichzeitig nahmen die Einkünfte je Betrieb, wir haben es schon gehört, um nahezu 33 Prozent zu. Die Erträge erhöhten sich um 15 Prozent. – Hoher Bundesrat, man sieht, die Grundvoraussetzungen in diesem Jahr 2011 waren für die Bauern sehr positiv.

Aber ich sage hier ganz wertfrei: Ja, wir haben es gebraucht. Wir haben es notwendig gebraucht! Wenn man sich die letzten Jahre anschaut, so muss man auf der einen Seite sagen, dass 2009 wirklich ein sehr schwieriges Jahr für die Bauern war. Auf der anderen Seite haben wir natürlich diese Herausforderung zu bewältigen – Sie haben es ja gehört –: Die Produktionsmittelpreise sind gestiegen, wenn ich etwa an Treibstoff denke oder an Dünger, Pflanzenschutzmittel, Lohnkosten und vieles mehr.

Unter all diesen Gesichtspunkten kann man die Landwirtschaft sehen: Auf der einen Seite dieser positive Bericht, auf der anderen Seite dieser Aufholbedarf, den wir zwei­fels­ohne haben. Es war unheimlich wichtig, dass wir es im Berichtsjahr so bekommen haben.

Erlauben Sie mir jetzt aber noch, dass ich ein paar Worte zu einigen Kollegen sage, besonders jedoch zu dir, Kollege Ertl:


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Kollege Ertl, du hast dieses Argument der Abwanderung in der Landwirtschaft verwen­det. – Ja, es stimmt, es gibt immer eine Abwanderung, etliche bäuerliche Betriebe hören auf, das ist ein Faktum. Aber in welche Richtung der Grundkonsens geht, das möchte ich auch einmal erwähnen, denn gerade von der FPÖ wurde immer wieder behauptet, wenn die österreichischen Bauern zur EU kommen, wird es ein rapides Bauernsterben geben.

Dieses Argument habt ihr von der FPÖ präsentiert, habt ihr immer gebracht. – Das Gegenteil aber ist der Fall, meine Damen und Herren. Ja, es gibt zwar auch eine Abwanderung, aber gleichzeitig war Ihr Argument eines, das populistisch war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Agrarpolitik ist keine Politik, bei der man polemisiert, sondern hier sprechen Daten und Fakten. Das ist ganz einfach für unseren Berufsstand wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Kollegen Zehentner möchte ich auch etwas sagen. Du hast gesagt – ich habe es mir aufgeschrieben –, die Verteilung in der Landwirtschaft ist nicht gerecht. (Bundesrat Mag. Klug – auf Bundesrat Zehentner weisend –: Jetzt wird es , denn er kennt sich aus! Bis jetzt waren wir sehr schaumgebremst, aber er kennt sich aus!) – Das nehme ich auch für mich in Anspruch, dass ich mich auskenne.

Nein, zu dieser Verteilung möchte ich Folgendes sagen: Ich glaube, es bringt relativ wenig, wenn man hier von Großbauern, kleinen Bauern, Körndlbauern, Hörndlbauern oder Berglandbauern oder Flachlandbauern spricht. (Bundesrat Todt: Na, aber die Unterschiede gibt es schon, oder? Die Unterschiede gibt es!) Die Grundvoraussetzung soll und muss es sein, dass wir den Tisch der Österreicherinnen und Österreicher decken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, fahren Sie mit offenen Augen durch unser Heimatland Österreich! Schauen Sie sich in einer wunderbaren Region die wunderbare Lebensqualität an, die wir haben! Das verdanken wir dem Fleiß unserer Bäuerinnen und Bauern, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und ich möchte mich dafür bedanken. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Jetzt noch ein paar Worte zu einem wichtigen Thema, das in den nächsten Tagen auf uns zukommt, und zwar – Sie wissen es alle – zum Finanzrahmen für die nächsten Jahre.

Es stehen unmittelbar wichtige Verhandlungen bevor. Das heißt, wir müssen dort etwas tun – ich sage das hier bewusst –, und es zeigt auch, dass die Zahlungen der Europäischen Union für die Bauern in unserem Heimatland Österreich wichtig sind. Wir haben schon gehört, es sind weit über 50 Prozent.

Wir müssen in diesem Zusammenhang auch vehement für das Budget eintreten. Beim mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union heißt es, zielführend und zweck­mäßig konsequent zusammenzuarbeiten, denn nur durch Zusammenarbeit können wir dieses Ziel erreichen.

Ich möchte auch hier etwas klar und deutlich sagen: Hier kann es kein politisches Denken geben. Wollen wir eine flächendeckende Landwirtschaft, brauchen wir die Unterstützung der EU, brauchen wir eine Gemeinsame Agrarpolitik, und diese bedarf eines gemeinsamen Auftretens im Interesse der Bauern in unserem Heimatland Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich glaube, dieser Grüne Bericht ist einmal mehr, und ich möchte das auch aus meiner innigen Überzeugung als Bauer sagen, ein hervorragender Bericht: ein Bericht, der mehr denn je darauf hinweist, in welche Richtung die Bauern im abgelaufenen Jahr gegangen sind, aber


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gleichzeitig auch die Zielvorstellungen für diese politische Entwicklung schlechthin darstellt.

Geschätzter Herr Bundesminister, ich möchte mich auch bei dir recht herzlich bedan­ken. Es ist dies ganz einfach ein Dank voll Respekt und Hochachtung, denn ich als einer, der auch ein bisschen in der Agrarpolitik verankert ist, weiß, dass es nicht immer einfach ist, auf der einen Seite die Interessen der Bauern zu vertreten, auf der anderen Seite aber auch den Konsens mit den Konsumenten, mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen. Und das ist dir bisher immer gelungen. Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Todt und Posch.)

Wir müssen den Konsumenten, den Menschen und den Bürgern Zuversicht geben, und dafür setzen sich die Bauern ein, das garantieren sie. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber ganz besonders meinen Berufskollegen, für die Zukunft alles erdenklich Gute. Wir werden gerne dem Bericht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Posch.)

15.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.41.35

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Lieber Kollege Hensler, bei allem Pathos: Ich verstehe das ja! Man kann mit unglaublich viel Pathos an gewisse Themen herangehen. (Bundesrat Hensler: Da kenne ich mich aus!) – Da kennen Sie sich aus, da kenne aber auch ich mich aus. Und mit Pathos versucht man manchmal, irgendwo eine Decke drüberzuziehen.

Was der Kollege Zehentner gesagt hat, ist das, was so unangenehm ist: dass es nämlich diese großen Unterschiede im Einkommen im bäuerlichen Bereich gibt und dass die Förderungen manchmal die einkommensstarken Bauern bevorzugen und die kleinen dann zu wenig zum Überleben haben. (Bundesrat Hensler: Da sind wir schon wieder ...!) Nur mit Pathos kann man diese Tatsache nicht überdecken, Kollege Hensler! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Aber ich kann Sie verstehen, dass Sie „angezuckert“ wurden durch die Rede des Herrn Ertl, der irgendwie vor einem offenen Grab stand und glaubte, hier salbungsvolle Worte sprechen zu müssen wie: Sie haben für immer zugesperrt. – Das ist ja nicht richtig! Diese Analyse ist grundsätzlich falsch. Das ist ungefähr so – wo ist denn der Kollege Perhab? – wie bei den Hoteliers. Ich kann die Kinder einfach nicht dazu zwingen, zum Beispiel in eine Betriebsfolge einzusteigen.

Seien wir froh – seien wir froh!, das sage ich jetzt zu den Frauen –, dass es so viele Bäuerinnen gibt, die in die Betriebsführung von Betrieben eintreten, denn sonst sähe es noch viel schlimmer aus, wenn die Männer in Pension gehen. Nicht umsonst sind im Alter zwischen 55 und 60 die Frauen fast zu 50 Prozent Betriebsführerinnen von Bauernhöfen. Gäbe es sie nicht – die Landwirtschaft wird weiblich –, dann sähe das Zusperren noch schlimmer aus. Ich kann dagegen nicht antreten.

Es gibt auch etwas anderes – dem Herrn Hensler sitzt ja ein bisschen der Schalk im Nacken, der wird mir das jetzt auch sagen –: Es werden natürlich auch Grundstücke verkauft (Bundesrat Hensler: Ja!) für Siedlungsgebiete und so weiter. Sie bleiben zwar beim Bauernbund, haben aber keinen Bauernhof mehr. Das ist natürlich auch eine Tatsache, das ist auch in Ordnung! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht ja nicht um den Bauernbund. Sie haben recht, darum geht es nicht.


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Aber, Frau Präsidentin, in diesem Grünen Bericht gibt es auch ein Kapitel, in dem geht es um die EU und die Landwirtschaftsentwicklung, und dazu möchte ich hier doch auch ein paar Worte sagen.

Herr Bundesminister Berlakovich, ich muss Ihnen sagen, ich war wirklich entsetzt von Ihrer gestrigen Aussage. Wer mit einem Veto droht, der stellt sich selbst ins Eck. (Bundesrat Mag. Klug: Genau!) Wenn ein Cameron sagt: Ich steige aus der EU aus!, ist er somit kein wirklicher ernsthafter Diskussionspartner mehr. (Zwischenruf des Bundesrates Pirolt.) Und wenn Sie sagen, wir drohen mit der Vetokeule, dann heißt das im Grunde, Sie nehmen an den Verhandlungen nicht mehr teil.

In der EU geht es um das Ringen und Kämpfen um Kompromisse im Sinne einer Vertiefung der Europäischen Union, im Sinne eines Zusammenwachsens. Herr Bun­desminister, ich hoffe, dass Sie das in Ihrem Redebeitrag auch relativieren, denn eines muss man sagen – und das ist das Unlautere an der Diskussion, zum Beispiel in Richtung der FPÖ gesprochen.

Was will man? – Man will im Agrarbereich genau dieselben Mittel behalten, alle Rabatte einstreifen und weniger nach Brüssel zahlen. Wie geht das? Das ist die sogenannte – wenn wir schon im agrarischen Bereich sind – Eier legende Wolfsmilch­sau. Das geht nicht! (Rufe: Wollmilchsau!) – Also Wollmilchsau. Das geht einfach nicht, und deshalb muss man sich dazu bekennen.

Schauen wir doch die erste Phase an! Die Landwirtschaft war im EU-Budget bis 2013 deutlich überbewertet. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Dieser Ansatz der Verteilung europäischer Mittel für die Landwirtschaft aus einer historisch gewachsenen großflächigen Landwirtschaft war zu groß. Selbst der Kommissionsvorschlag sieht noch immer 37 Prozent des gesamten EU-Budgets für die Landwirtschaft vor. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Bundesrates Pirolt.) – Nein!

Entschuldigung, wir haben in Europa auch andere Fragestellungen! Natürlich ist das bäuerliche Handwerk wichtig, keine Frage – der Fleiß, das tägliche Tischlein-deck-Dich, die nachfolgenden Betriebe, die daran hängen –, aber man kann doch nicht einfach nur aus einer Perspektive sagen, wir müssen für den bäuerlichen Bereich alles so bekommen, wie wir es bisher hatten (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke), wir wollen gleich viel Geld wie bisher!

Wir haben auch andere riesige Herausforderungen in Europa zu erfüllen: Das ist zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit, das ist die Wissenschaft, das ist die Forschung, das sind Bildungsmaßnahmen. Wir können nicht anfangen zu sagen, ein Bereich – die Landwirtschaft – ist sakrosankt (Zwischenrufe bei der ÖVP), das wird irgendwo in den Herrgottswinkel gestellt, um bei einem bäuerlichen Begriff zu bleiben, und alles andere soll sich dann um den Rest streiten. Das geht nicht. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Hensler: ... polemisieren!)

Lieber Kollege Hensler! Wir haben in ganz Europa auch in der Landwirtschaft abnehmende Zahlen bei der Beschäftigung und wir haben abnehmende Zahlen bei den Betrieben. Wir haben eine Kumulation bei einzelnen Betrieben, das weißt du, und deshalb müssen wir einfach reagieren. Wir haben 14 bis 16 Millionen junge Leute auf der Straße!

Wir haben unsere eigenen Fehler gemacht – das muss ich auch in Richtung unseres Ministers sagen. Stichwort ländliche Entwicklung: Ihr fragt euch immer: Wo sind unsere Frauen? (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Unsere Mädchen marschieren weg vom Land!, das sagt ihr doch die ganze Zeit. – Ihr habt bei der ländlichen Entwicklung keine entsprechenden Angebote für die Frauen geschaffen. Nur der Goldhauben-


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Verein und anderes ist zu wenig für junge Frauen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Michalke: ... Sozialisten ... in den letzten 30 Jahren!)

Junge Frauen wollen Ausbildung am Land und wollen adäquate Jobs und nicht nur eine Vereinsstruktur à la Feuerwehr oder was auch immer! Und deshalb gehören mehr Förderungen der ländlichen Gebiete in eine Gesamtentwicklung des ländlichen Rau­mes, damit das ein attraktiver Platz ist, und nicht nur im Bereich der Landwirtschaft. Insgesamt ... (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Bitte? Ich verstehe Sie schlecht. (Bundesrat Preineder: ... kürzen!)

Nein es geht nicht darum, es geht um Prioritäten! Es geht darum, dass ich nicht betreffend einzelne Bereiche sagen kann, über das diskutieren wir nicht, und wie sich die anderen den Rest ... (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) – Das heißt aber ein Veto: dass man sagt, es muss gleich viel Geld wie bisher sein. Das heißt es und nichts anderes, und das darf es in einem europäischen Denken nicht geben.

Wir brauchen dieses europäischen Budget, denn es bringt einen europäischen Mehrwert! Ihr habt ja nicht die Gartenzwergperspektive der FPÖ. Ihr wisst ja, dass man das nicht wie im Sparverein sieht: Das habe ich und das bekomme ich zurück! – So kann man das doch nicht abrechnen – aber das tun die ja die ganze Zeit –, sondern es gibt hier einen europäischen Mehrwert vor dem Hintergrund von Jugendarbeits­losigkeit, Schuldenkrise, demografischem Wandel, Energiewandel und Klimawandel.

All diese Dinge fordern dieses EU-Budget heraus. Das darf man nicht mit so einer Ansage beginnen, sondern das heißt, harte Auseinandersetzungen über Prioritäten.

Wahrscheinlich ist der Rahmen zu lang gesetzt – das glaube ich auch (Zwischenruf des Bundesrates Hensler): dass der Rahmen zu lang gesetzt ist und dass es deswegen schwierig ist (Bundesrätin Diesner-Wais: Das sind aber lauter Dinge, die ...!), und die Kohäsionsförderung kann man gleichfalls etwas schlanker machen, das sage ich auch dazu –, aber wir müssen uns auch den tatsächlichen neuen Heraus­forderungen in Europa stellen.

Das heißt, Europa braucht ein Budget und keine Sparvereinsmeister, und es braucht einen europäischen Mehrwehrt. Und da steht auch das Landwirtschaftsbudget zur Diskussion. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.51.34

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem mir Kollege Preineder heute den Jungbauerkalender übergeben hat, habe ich mir natürlich gedacht – dementsprechend werde ich mich auch verhalten –, ich werde heute bei meiner Rede nichts über den Bauernbund sagen, ich werde nichts über die Raiffeisen sagen, ich werden nichts über die AMA und nichts über den Fleischkonsum sagen. (Bundesrat Kainz: Aber Positives können Sie schon sagen!) Die üblichen Themen haken wir einmal ab. (Bundesrat Kainz: Positives können Sie schon sagen!)

Ich meine, was mir beim Anschauen des Jungbauernkalenders schon aufgefallen ist, war Folgendes: Ich habe ja im Verkehrsausschuss schon die ganze Zeit interessiert überlegt, woran es denn liegt, dass die Bauern jetzt den Führerschein nicht mitnehmen können, weil der Plastikführerschein ja eigentlich nicht mehr so leicht dreckig wird. Aber wenn man sich den Jungbauernkalender anschaut, dann erkennt man: Es liegt daran, dass einfach die Einsteckmöglichkeit fehlt. (Heiterkeit.) Ich kann das jetzt nach­vollziehen; du hast mir mit der Übergabe dieses Geschenks eine Erklärung geliefert.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 130

Ich danke dir! – Aber ich möchte trotzdem auch noch ein paar Worte zum Grünen Bericht sagen.

Vielen Dank! Der Grüne Bericht ist prinzipiell vom Inhalt her, von der Aufmachung her, von den Daten, die drinnen sind, her sehr umfassend, sehr interessant. Ich habe ihn zugegebenermaßen nicht ganz durchgelesen, aber ich glaube, auch die Experten, die hier herinnen sitzen, haben nicht alles geschafft. Nichtsdestotrotz ist das Datenmaterial sicher umfassend, interessant und wichtig.

Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der im Grünen Bericht nicht so intensiv dar­gestellt wird – und das habe ich geschafft durchzulesen, weil es nicht so viel war –, das ist das Thema Wasser/Grundwasser, denn auch dafür ist ja der Herr Landwirt­schaftsminister zuständig, auch wenn man es bei ihm nicht immer so merkt.

Unter anderem gibt es da den Bericht über die jährlichen Grundwasseruntersuchungen und über die bis zu 126 Einzelparameter, die dabei untersucht werden, und dass im Prinzip ja eh nicht allzu viel gefunden wird – Nitrat ist klarerweise immer ein Problem, und auch bei den Pflanzenschutzmitteln gibt es immer ein paar, die man findet.

Meine Frage dazu, Herr Minister, lautet: Ich weiß nicht, ob das vielleicht schon umge­stellt ist, aber inzwischen gibt es ja dieses Pestizid-Screening, das wir in Korneuburg mittlerweile schon kennen, wo man verlässlich sagen kann: Gibt es da drinnen überhaupt Pestizide oder nicht? Wird dieses Pestizid-Screening bei diesen Grundwas­seruntersuchungen schon angewendet?, lautet die Frage, beziehungsweise – wenn es nicht gemacht wird – lautet die Empfehlung, vielleicht darauf umzusteigen, weil es meiner Meinung nach einfach ein sehr verlässliches Mittel ist, um die Frage zu beantworten: Ist etwas drinnen oder ist nichts drinnen?

Das große Problem bei Grundwasserverunreinigungen – und ich kenne das inzwischen nicht nur aus Korneuburg, ich kenne es inzwischen auch schon aus anderen Gemein­den – ist ja, dass man das, was man finden will, vorher wissen muss, denn sonst kann man es nicht finden. Denn wenn man nur auf 126 Parameter untersucht und es gibt insgesamt 1 800 – egal –, dann können die richtigen dabei sein oder nicht – sprich: umso wichtiger ist es, dass man nach den richtigen Stoffen sucht, und mit dem Scree­ning ist das eben einfacher.

Und ein wichtiger Punkt – nachdem ich zu diesem Thema ja auch vom Herrn Wirt­schaftsminister eine Anfragebeantwortung auf die Frage bekommen habe, wie denn das unter anderem auch mit den Grundwasserschutzvorkehrungen bei Wirtschafts­betrieben ist, insbesondere bei SEVESO-II-Betrieben, mit denen Sie vielleicht jetzt auch irgendwie hin und wieder ein bisschen etwas zu tun haben – war folgender: Die Antwort war für mich wirklich enttäuschend, weil es geheißen hat, es gibt im Prinzip keine Untersuchungen und es gibt keine Extra-Kontrollen, was das Grundwasser betrifft.

Insofern wäre es meiner Meinung nach auch wichtig und interessant, dass man das vor­beugend im Blick behält – ich meine, auf der einen Seite hast du die Landwirtschaft, wo du möglicherweise bei intensiver Landwirtschaft mehr Pestizide ins Grundwasser bekommst, als du brauchst, auf der anderen Seiten gibt es eben auch Stoffe, die von Wirtschaftsbetrieben ins Grundwasser kommen – und ob es da nicht sinnvoll wäre, sich auch einmal mit dem Herrn Wirtschaftsminister zusammenzusetzen und darüber zu reden, wie man diese Überwachung sinnvoll gestalten kann.

Wie gesagt, nicht nur in Korneuburg ist einer Firma etwas „ausgekommen“, es gab auch in der Nähe von Wiener Neustadt einen Betrieb, dem ein bisschen zu viel ins Grundwasser gekommen ist, und diese Dinge passieren immer wieder. Und entdeckt werden sie interessanterweise nicht bei den Grundwasseruntersuchungen, die von


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Ihrem Ministerium in Auftrag gegeben werden, sondern immer wieder zufällig, weil irgendjemand dann eben doch das Wasser untersuchen lässt, weil ihm etwas komisch vorkommt.

Ich wäre wirklich froh darüber, wenn wir sagen könnten, wir schauen auf unser Grund­wasser und auch auf unser Trinkwasser dementsprechend und versuchen, die Kontrolle diesbezüglich besser in den Griff zu bekommen, als das derzeit der Fall ist. Und da würde ich Sie bitten, mit dem Herrn Wirtschaftsminister wirklich ernsthaft zusammenzuarbeiten, um da zu besseren Lösungen zu kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster ist Herr Bundesrat Keuschnigg zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.56.35

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz spontan die Ausfüh­rungen des Kollegen Schennach zum Anlass einer durchaus emotionaleren Debatte auch über die Land- und Forstwirtschaft nehmen.

Ich möchte sagen, ich kenne dich ja schon seit einiger Zeit vor allem als durchaus sachlichen Europapolitiker, auch mit einer großen politischen Bandbreite, aber diese Rede hier war leider deines Niveaus nicht wirklich würdig, Stefan. (Ruf bei der SPÖ: Nein, nein, nein! – Bundesrat Stadler: Wieso?) Das darf ich so sagen, denn immer die alten Reizworte ohne Weiterentwicklung, ohne argumentative Vertiefung und Verbes­serung zu bringen – ich darf ohnehin ganz kurz auf einige einzeln eingehen – ist keine Entwicklung des politischen Dialogs.

Du hast von den Unterschieden in den Einkommen gesprochen. – Ich darf ganz offen Folgendes sagen: Wenn man die österreichische Landwirtschaft im internationalen Vergleich anschaut, dann gibt es diese Debatte nicht, denn wir haben in Summe die kleinststrukturierte Landwirtschaft. Jetzt gibt es auch in Österreich einige Große, aber in der Berufsgruppe ist diese Politik akzeptiert. Warum? – Weil das eine leistungsorien­tierte Ausrichtung aller Direktzahlungen ist und weil sie auch ergebnisorientiert ist. Wir wollen die Umweltleistungen, die das Umweltprogramm bietet, als Gesellschaft haben.

Und was die Bauern untereinander anlangt: Die SPÖ versucht schon seit Jahrzehnten immer wieder auf die gleiche Art und Weise, da einen Zwist hineinzubringen, es gelingt ihr aber schon seit ewigen Zeiten nicht, weil die Bauern diese Leistungsorientierung akzeptieren, und als Gesellschaft brauchen wir die Umweltorientierung. Wir wollen nicht, dass die großen, die flächenstarken Betriebe aus den Umweltprogrammen aussteigen, weil wir dann die Umweltziele nicht erreichen.

Gerade jetzt – Herr Bundesminister, ich gratuliere dazu – sind die österreichischen Umweltprogramme in Richtung Greening-Maßnahmen in der Europäischen Union vollkommen anerkannt worden. Die Vorleistung, die die österreichische Agrarpolitik erbracht hat, wird als Ergebnis in der Europäischen Union anerkannt – erstens.

Zweitens, Vetodrohung – da kann ich noch viel kürzer sein –: Sollen wir uns als Läm­mer vorführen lassen? Sollen wir kampflos antreten in Brüssel, wo alle schauen, wie sie ihre Vorteile wahren? – Also bitte! Jeder, der verhandelt, weiß, dass man bis zum Schluss noch irgendein Argument im Hosensack haben muss, und am Ende wird man sich das Ergebnis anschauen und entscheiden, ob man abschließen kann oder nicht. Also bitte, ein bisschen Taktik wird man in der europäischen Politik doch noch haben dürfen! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)


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Die Frage Überproportionierung, 37 Prozent nur für die Landwirtschaft: Bitte, ich würde in einer halbwegs niveauvollen Diskussion schon erwarten, dass man dazusagt, dass das der einzige vergemeinschaftete Teil ist, dass die Landwirtschaft, wenn man sämt­liche Budgets betrachtet, letztlich um 1 Prozent der europäischen Budgets bekommt. Das ist nicht mehr! Wenn man die nationalen Budgets und die europäischen Budgets zusammenzieht und das ausmultipliziert, ist es am Ende immer noch 1 Prozent.

Und was ich ...

15.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Herr Kollege, es tut mir leid! Es ist 16 Uhr, ich muss dich jetzt unterbrechen.

(Beifall bei der ÖVP für den das Rednerpult verlassenden Bundesrat Keuschnigg.)

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

16.00.09Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Inneres betreffend Demonstrationen rund um den ersten Wiener Akademikerball (2938/J-BR/2013)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dring­liche Anfrage an die Frau Bundesministerin für Inneres, die heute im Ausland weilt und deshalb von Staatssekretär Kurz vertreten wird, den ich hiermit herzlich bei uns im Bundesrat begrüße. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Jenewein als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

 


16.00.58

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Herr Staatssekretär! Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär Kurz, dass Sie hier heute die Vertretung der Frau Innenministerin übernehmen.

Man könnte fast sagen: alle Jahre wieder! Alle Jahre wieder müssen wir uns leider – leider, leider stimmt es – damit auseinandersetzen, dass es in unserem Land Situa­tionen gibt, von denen wir eigentlich der Meinung waren, dass sie in dieser Republik längst überwunden sind.

Alle Jahre wieder müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass Menschen durch die Straßen gejagt werden, weil sie eine politische Gesinnung haben, die vielleicht manchen anderen in diesem Land nicht gefällt. Und eigentlich bin ich der Meinung – und ich denke, da werden mir sogar die meisten hier, auch jene von der politisch linken Seite zustimmen –, dass das nicht unbedingt die Art ist, wie man in einer Demokratie, in einer pluralistischen Gesellschaft mit anderen politischen Meinungen umgeht. (Bundesrat Stadler: Das wird einen Grund haben!)

Um hier einmal ein bisschen die negative Energie herauszunehmen: Ich behaupte hier heute nicht, dass sämtliche Teilnehmer bei der Demonstration gegen den Akademiker­ball letzte Woche am Freitag gewalttätig waren. Das möchte ich einmal festhalten, das behaupte ich nicht.

Es gab am Heldenplatz eine Standkundgebung, die absolut ruhig und friedlich über die Bühne gegangen ist; da ist auch überhaupt nichts dagegen zu sagen. Ich habe auch


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 133

persönlich überhaupt kein Problem damit, wenn jemand gegen mich oder gegen meine politische Ausrichtung, gegen meine politische Gesinnung demonstriert. Das stört mich nicht weiter.

Was mich allerdings schon eher stört – das ist eigentlich auch der Grund, warum wir uns hier versammeln und warum wir heute eine Dringliche Anfrage an Frau Bun­desministerin Mikl-Leitner gerichtet haben –, ist die Tatsache, dass es ja bereits im Vorfeld dieser Veranstaltung eindeutige Hinweise gegeben hat, dass das vielleicht nicht alles so friedlich ablaufen wird, wie es eigentlich wünschenswert wäre in unserem Land.

Es gab dazu einige Besprechungen, nämlich mit den Veranstaltern, mit dem Ball­komitee, mit politischen Vertretern im BMI, in denen uns versichert wurde, dass alles dazu getan werde, um diese Ballveranstaltung vom letzten Freitag ordnungsgemäß ablaufen zu lassen.

Das ist vonseiten des BMI auch erfolgt, das muss man auch dazusagen, und es ist ja eigentlich schade, dass jetzt Herr Staatssekretär Kurz hier sitzen muss. Er muss sich das nämlich heute anhören, ich kann es ihm nur leider nicht ersparen. In Wirklichkeit müsste der Wiener Polizeipräsident Pürstl hier sitzen, weil er nämlich dafür verant­wortlich ist, dass die Situation letzten Freitag in Wien eskaliert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Am 29. Jänner 2013 gab es – das wollen wir hier einmal ganz kurz klarlegen – eine Besprechung im BMI, bei der der Ablauf und die Zufahrt zum Ball geregelt wurden, und es gab am 1. Februar 2013, und zwar um 13.07 Uhr, eine E-Mail aus dem BMI an den Veranstalter – man höre und staune, und jetzt würde ich Sie ersuchen, gut zuzu­hören –, in der drinnen steht: Ebenfalls vorbereitet ist die Möglichkeit, zu Fuß von der U3-Station Herrengasse in den gesicherten Bereich zu gelangen. – Okay, das nehmen wir einmal zur Kenntnis.

Am Tag nach der Veranstaltung, wo Leute bespuckt, wo Leute beworfen, wo Leute genötigt, wo Leute gedemütigt wurden, lässt uns dann der Wiener Polizeipräsident ausrichten, es sei ja kein Wunder, dass das passiert ist, denn das sei ja so, als würde man im Austria-Fan-Sektor mit dem Rapid-Schal sitzen, und wenn die Ballbesucher dann einfach durch die Reihen der Demonstranten gehen, brauche man sich, ehrlich gesagt, ja nicht zu wundern, wenn etwas passiert.

Das war, bitte schön, die offizielle Mitteilung, die uns aus dem BMI zugegangen ist. Da stelle ich mir dann schon die Frage: Wie ist es möglich, dass ein Polizeipräsident – und wir wissen, wie Polizeipräsidenten in diesem Land bestellt werden, das sind politische Vorgänge; wir wissen auch, welcher politischen Partei der Herr Polizeipräsident zugehörig ist – die Opfer – und die gab es in diesem Fall – hier auch noch öffentlich verhöhnt?

Ich habe Ihnen da ein nettes Bild mitgebracht. (Der Redner hält ein Foto in die Höhe, auf dem ein junger Mann abgebildet ist, der eine elegant gekleidete Frau bespuckt.) Das sind keine Statistiken, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind Men­schen aus Fleisch und Blut. So ist es zugegangen! Ich stelle es Ihnen da her, Sie können es sich anschauen. (Der Redner stellt das Foto vor sich auf das Rednerpult.)

So ist es zugegangen, letzte Woche, und ich sage Ihnen ganz offen: Wenn wir in einer Situation sind in dieser Republik, in der es möglich ist, dass anständige, rechtschaffene Bürger, denen man nichts vorwerfen kann, auf der Straße verhöhnt werden, bespuckt werden und dass Polizeibeamte danebenstehen und keinen Einsatzbefehl bekommen, weil ein Polizeipräsident der Meinung ist, man sollte den Veranstaltern durchaus ein­mal zeigen, dass man vielleicht doch nicht so hundertprozentig hinter der Veran­staltung steht, dann hört sich wirklich alles auf. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das ist vollkommen inakzeptabel! So etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf es in dieser Stadt nicht geben!

Und der Herr Pürstl lehnt sich sogar noch weiter aus dem Fenster, in einem Interview mit dem „Kurier“ vom 3. Februar 2013 sagt er dann:

Wie haben uns „zwei Ziele gesetzt. Das eine war, dass die Demonstrationen friedlich verlaufen. Zweites Ziel war es, die Routen zur Hofburg freizuhalten. Beide Ziele wur­den in vollem Umfang erreicht.“

Und ich sage Ihnen hier heute: Der Herr Pürstl lügt. Ich hoffe, ich kriege einen Ord­nungsruf. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, sicher!) Der Herr Pürstl lügt, weil der Herr Pürstl hier nicht die Wahrheit sagt. Der Herr Pürstl sagt hier nicht die Wahrheit. Wir können beides beweisen, und zwar nicht einfach, nicht zweifach, sondern mehrfach. Ich habe hier in der Dringlichen Anfrage faksimiliert abgedruckt eine Taxirechnung, auf die der Taxifahrer selbst draufgeschrieben hat, dass er nicht mehr zufahren konnte.

Es ist im Übrigen nicht die einzige Taxirechnung, die wir haben, denn es war ja so, dass man im Vorfeld schon wusste, was da geschehen würde. Wir haben viele Aussagen von Taxifahrern, sie alle werden bei den rechtlichen Auseinandersetzungen ihre Aussage tätigen. Wir haben die Aussagen der Taxifahrer, die nicht mehr zufahren konnten. Es gibt den Taxifunk, der ebenfalls gesichert wurde, wo durchgesagt wurde, die Hofburg sei nicht mehr anzufahren.

Wenn der Herr Pürstl heute sagt, die Zufahrt war genehmigt, und die Leute vorsätzlich von seinen Beamten aus den Taxis hat holen lassen, dann sage ich Ihnen ganz einfach: Das ist ein klassischer Amtsmissbrauch, den der Herr Pürstl da begangen hat. Diesen Amtsmissbrauch werden wir auch rechtlich noch genauer unter die Lupe nehmen, das kann ich Ihnen sagen, denn eines ist auch klar: Es gibt eindeutige ge­setzliche Bestimmungen. Wir haben es hier im Strafgesetzbuch, § 285, und wir machen das auf, für die Fernsehzuschauer, die das vielleicht nicht wissen; der § 285 im österreichischen Strafgesetzbuch sagt eindeutig:

„Wer eine nicht verbotene Versammlung dadurch verhindert oder erheblich stört, daß er () eine zur Teilnahme berechtigte Person am Zutritt hindert oder ihr den Zutritt erschwert oder ihr die Teilnahme an der Versammlung durch schwere Belästigungen unmöglich macht (),“ – schwere Belästigung sehen wir da vor uns – „ist mit Frei­heitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“

Und jetzt wird es spannend, denn wir haben auch die eidesstattlichen Aussagen von Polizeibeamten – die Namen und die Dienstnummern sind uns bekannt; diese werden zum gegebenen Zeitpunkt auch vor Gericht aussagen –, dass hier eindeutig kein Einsatzbefehl gegeben wurde.

Das heißt, man hat vorsätzlich in Kauf genommen, dass Menschen in Wien öffentlich bedroht werden. Wer so etwas zulässt, Herr Pürstl – Herr Staatssekretär, Sie sitzen leider da, aber ich sage es Ihnen, damit Sie es ihm ausrichten, ich weiß ja nicht, ob er zuhört –, der ist als Polizeipräsident in dieser Bundeshauptstadt untragbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Pürstl wird sich dieser Auseinandersetzung nicht nur intern auf seiner Dienststelle stellen müssen, der Herr Pürstl wird sich dieser Auseinandersetzung auch vor Gericht stellen müssen.

Wir haben in Vorbereitung dieses Balls selbstverständlich auch Fotografen gehabt, wir haben auch Kamerateams gehabt. Wir haben über sechs Stunden Video-, HD-Auf­nahmen. Wir haben über 8 000 Fotografien, die wir selbstverständlich der Staatsan-


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waltschaft und den Gerichten zur Verfügung stellen werden. Und wir werden uns das ganz genau anschauen – und zwar nicht einmal, nicht zweimal, sondern überall dort, wo Sitzblockaden von der Polizei nicht aufgelöst wurden –, weil es die Aussagen der Polizisten gibt: Wir haben keinen Einsatzbefehl, wir sind führungslos.

Jeder einzelne Fall wird von uns genau dokumentiert und mittels Sachverhalts­dar­stellung an die Staatsanwaltschaft übergeben. So etwas werden wir uns sicherlich nicht mehr gefallen lassen. Ich habe es satt, dass Menschen in dieser Stadt Freiwild werden, nur weil Herr Häupl in Wien mit Frau Vassilakou der Meinung ist, man müsse auf den Polizeipräsidenten einwirken, um hier deeskalierend zu wirken (Beifall bei der FPÖ), wenn das die Deeskalation ist, dass so etwas in Wien geschieht.

Ich kann nur jedem raten: Schauen Sie es sich an! Die Videos sind für alle Menschen abrufbar. Sie brauchen nur auf YouTube den Suchbegriff „Akademikerball 2013“ einzugeben, da finden Sie das alles und können sich dann selbst ein Bild machen. Stundenweise können Sie sich ansehen, wie hier Menschen die Zugänge blockieren, sprich: der § 285 des Strafgesetzbuches eindeutig nicht geahndet wurde. Auf der anderen Seite können wir mittels der Fotos, die wir haben, auch teilweise die Personen, die dafür verantwortlich waren, zumindest kenntlich machen.

Was die Staatsanwaltschaft damit machen wird, das werden wir dann zu gegebenem Zeitpunkt schon noch sehen. (Bundesrat Mag. Klug: War es ein Ball oder eine Versammlung?) – Ein Ball ist eine Versammlung, Herr Kollege, lesen Sie sich das Versammlungsrecht durch! Sie sind ja Jurist, das brauche ich Ihnen doch nicht zu erklären. Melden Sie sich zu Wort, und hören Sie auf, dazwischenzurufen, hören Sie lieber zu!

Der Herr Polizeipräsident Pürstl hat im Vorfeld dieser Veranstaltung mitgeteilt, es gäbe überhaupt kein Gefährdungspotenzial, und er sagt es ja dann sogar, und zwar am 3. Februar 2013 im „Kurier“: „Die Aktivisten mögen zwar oft nicht nett ausschauen, aber sie sind im Grunde friedlich.“

Eigenartigerweise sagt sein Polizeisprecher, nämlich der Sprecher der Landespolizei­direktion Wien, Herr Roman Hahslinger: „Es wurden Hunderte Anhaltungen von gewaltbereiten Demonstranten durchgeführt.“

Na was jetzt? Waren sie jetzt im Grunde friedlich, oder waren da gewaltbereite Demonstranten dabei? Vielleicht sollte man hier auch einmal ein bisschen die Kom­munikation schärfen; die Kommunikation zu schärfen wäre insofern spannend, als sich das jeder von Ihnen anschauen könnte.

Ich habe da einen Screenshot: Die Tageszeitung „Heute“ – wer sie nicht kennt: eine Gratiszeitung – hat zu diesem Behufe einen Ball-Ticker eingerichtet, wo man alle paar Minuten geschrieben hat, was gerade geschieht, wo blockiert wird, wo man durchkann oder auch nicht. Und die schreiben dann um 19.36 Uhr: „Unfassbares Zitat eines Beamten“ – hören Sie gut zu! –: „Wir sind derzeit führungslos und haben keinen Plan.“

Das sagen nicht wir, das sagt nicht die FPÖ. Das schreibt die Tageszeitung „Heute“: „Wir sind derzeit führungslos und haben keinen Plan.“

Ist das wirklich die Art und Weise, wie ein Polizeipräsident mit so einer Veranstaltung umgeht? Bei jedem Fußballspiel, wo es Fangruppen gibt, die durchaus problematisch sein können, wird genau getrennt. Da passiert nichts, da lesen Sie nachher nichts in der Zeitung. In diesem Fall lesen Sie sehr wohl jedes Jahr in der Zeitung, wie Men­schen durch die Stadt gejagt werden, wie Frauen bespuckt werden.

Ihre Ministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, hat vor ein paar Tagen eine Diskussion über das Po-Grapschen in diesem Land aufgebracht, die von


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der Bundesrepublik Deutschland herübergeschwappt ist. Wir haben letzte Woche am Sonntag in ORF 2 darüber debattiert, wie demütigend es nicht ist, wenn Frauen gegen ihren Willen auf ihr Hinterteil gegriffen wird. (Bundesrat Schennach: Ist es auch, oder?) 72 Stunden vorher wurde auf einer Wiener Straße unter Verantwortung eines SPÖ-Polizeipräsidenten genau diese Aufnahme gemacht (der Redner weist auf das vor ihm stehende Foto), da hört man kein Wort von der Frau Ministerin. Da ist es egal. Da wollen wir nichts wissen.

Schauen Sie sich das Foto nur an, und erklären Sie mir dann, dass diese Frau nicht gedemütigt wurde! Das ist eine Demütigung, die müssen Sie erst einmal hinnehmen. Ich würde erwarten, dass sich der Herr Polizeipräsident öffentlich entschuldigt. Man kann ja über alles reden, um Himmels willen – nur so etwas mit einer Präpotenz und mit einer Vehemenz zu sagen: Es war kein Gefährdungspotenzial erkennbar!

Am 15. Dezember letzten Jahres gab es im 19. Bezirk eine Aktionskonferenz. Thema waren die Formen des zivilen Ungehorsams, und zweites Thema war das Blockade­training. Es ist in Österreich laut der derzeitigen Gesetzeslage nicht möglich, eine Veranstaltung, einen Ball in größerem Rahmen zu behindern, ohne die Gesetze zu verletzen; das muss jeder wissen. Und wie soll ich denn Gesetze verletzen, wenn nicht mit Gewaltmitteln. Genau diese Gewaltmittel sind in diesem Fall selbstverständlich eingesetzt worden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich weiß ja nicht, warum Sie sich mit denen so solidarisieren, Herr Kollege Schennach. Sind das die Nachfolgeorganisationen von Ihrem Schutzbund? Ich habe ja keine Ahnung, vielleicht ist es das. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich  (Bundesrätin Posch-Gruska: Jetzt reicht es! Irgendwann ist Schluss!) Ja, offenbar ist es das, sonst würden Sie sich hier nicht mit diesen Leuten solidarisieren.

Eines ist wesentlich, und das sollte eigentlich am Schluss dieser Debatte klar sein (Bundesrat Todt: Das ist eine Sauerei!): Es gibt sehr viele Menschen, die auf das Gewaltmonopol des Staates vertrauen. Es gibt sehr viele Menschen, die darauf ver­trauen, dass das Gewaltmonopol beim Staat gut aufgehoben ist – und ich gehöre ebenfalls dazu. Aber Sie brauchen sich auch nicht zu wundern – und wir sollten sehr vorsichtig sein –, dass es durchaus Situationen in diesem Land geben kann, in denen manche Gruppen der Meinung sind: Wenn ich nicht mehr vom Staat geschützt werde, muss ich mich eben anders schützen.

Ich gebe Ihnen das mit auf den Weg. Denken Sie darüber nach! Ich wünsche mir das nicht. Ich glaube, das wünschen wir uns alle nicht, nur diese Gefahr besteht durchaus (Unruhe bei der SPÖ) – und das ist keine Drohung, es sei denn, Sie empfinden es als Drohung.

Ich darf Ihnen abschließend ein Zitat von Ignazio Silone vorlesen, das wird einer Ihrer bekannten Schriftsteller sein, ein italienischer Schriftsteller, der in den 1970er Jahren gesagt hat: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus‘. Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus‘.“

Genau das haben wir letzte Woche erlebt, diesen Antifaschismus haben wir letzte Woche erlebt. (Beifall bei der FPÖ.) Und dieser Antifaschismus ist heute bereit, mit Steinen zu werfen (Bundesrätin Grimling: Jetzt reicht es!), dieser Antifaschismus jagt Menschen durch die Straßen, und es würde Ihnen gut anstehen, sich von diesen Dingen zu distanzieren. Wenn Sie diese Dinge gutheißen, meine sehr geehrten Damen und Herren – schauen Sie sich die Gesichter gut an –, brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass Sie mit den Linksfaschisten, die am vergangenen Freitag Menschen durch die Straßen gejagt haben, in einem Atemzug genannt werden. Und Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn genau diese Gewalt, die von Ihnen hier ausgegangen ist, von Ihren politischen Vorfeldorganisationen hier ausgegangen ist, von Ihren Aktions-


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trägern hier ausgegangen ist, im Endeffekt auf Sie auch politisch zurückfällt. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.17

16.17.10 *****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Herr Bundesrat Jenewein, ich erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf aufgrund der Tatsache, dass Sie den Polizeipräsidenten von Wien der Lüge bezichtigt haben.

*****

Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Staatssekretär im Bundes­ministerium für Inneres Kurz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.17.28

Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Sebastian Kurz: Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Ich darf heute in Vertretung der Frau Bundes­ministerin da sein und zur Dringlichen Anfrage Stellung nehmen.

Einleitend darf ich kurz festhalten, dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Öster­reich ein hohes und schützenswertes Gut sind. Die Polizei ist in Österreich unter anderem auch größte Menschenrechtsorganisation und im Handeln daher angehalten, dieses schützenswerte Gut auch sicherzustellen.

Beim angesprochenen Fall ging es einerseits darum, den Ballbesuchern den Zu- und Abgang zum Ball sicherzustellen, und andererseits galt es natürlich, den Kritikern des Balls ihr Recht auf freie Meinungsäußerung zu gewährleisten.

Für die Sicherstellung dieses Interessenausgleichs möchte ich mich an der Stelle auch ganz herzlich bei allen Polizistinnen und Polizisten für ihren Einsatz beim Akademiker­ball bedanken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die einzelnen Fragen darf ich nun nach dem vorliegenden Informationsstand wie folgt beantworten:

Zur Frage 1:

Es waren 1 731 Bedienstete im Einsatz.

Zur Frage 2:

Die Kosten belaufen sich voraussichtlich auf gesamt zirka 501 000 €.

Zur Frage 3:

Im Behördenauftrag wurde das Ziel vorgegeben, die Zufahrt für Ballgäste und andere zugangsberechtigte Personen in das Platzverbot zu gewährleisten. Es gab daher mehrere Alternativrouten für die Zufahrt von Pkw und Taxis, geplant mit den Veran­staltern und Taxiinnungen abgesprochen. Blockaden in diesem Bereich wurden durch konsequentes exekutives Einschreiten verhindert beziehungsweise rasch beendet. Es gab eine permanente Kommunikation mit der Taxiinnung, und die Taxis wurden in die freien Zufahrtsrouten eingewiesen. Auch waren die Zufahrt mittels U-Bahn und die dafür gesicherte Station Herrengasse vereinbart. Die in Vorgesprächen vereinbarten und vom Veranstalter zugesagten Präventionsmaßnahmen konnten nicht umgesetzt werden. Es stand zu jedem Zeitpunkt eine freie und gesicherte Zufahrtsroute zur Verfügung.


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Zur Frage 4:

An den vorgesehenen Zufahrtsrouten wurden Blockaden sofort unterbunden.

Zur Frage 5: siehe Frage 4.

Zur Frage 6: ja.

Zur Frage 7: siehe Frage 6.

Zur Frage 8:

Es waren 130 Personen.

Zur Frage 9:

Dies erfolgte, denn es wurde aufgrund der Erfahrungen der Vorjahre ein großflächiges Platzverbot rund um die Hofburg verordnet, unter anderem auch zur Sicherung einer Hauptzufahrtsroute.

Zur Frage 10:

Eine einzige Taxizentrale hat kurzfristig die Fehlinformation kommuniziert, die Polizei hätte alle Zufahrten in die Innenstadt gesperrt und daher Fahrten in den ersten Bezirk verweigert.

Zur Frage 11:

Bei jeder zukünftigen Veranstaltung, die zu großen Gegenprotesten führt, die eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen und für Eigentum im großen Ausmaß befürchten lassen, wird wie bisher ein Platzverbot verhängt werden und weiterhin polizeilich umgesetzt werden.

Jeder Einsatz wird evaluiert, und die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in die zukünftigen Einsätze mit ein.

Zur Frage 12:

Ein Fußballspiel ist mit dem Wiener Akademikerball und den daraus resultierenden Demonstrationen nicht vergleichbar.

Zur Frage 13:

Auch bei der Anreise von Personen aus dem benachbarten Ausland wurden im kon­kreten Anlassfall Kontrollen durchgeführt.

Zur Frage 14:

87 Anzeigen strafrechtlich, 95 Anzeigen bei Verwaltungsübertretungen.

Zu den Fragen 14 und 15: ja.

Frage 16 entfällt daher.

Zur Frage 17:

Zur Prüfung des Vorliegens der engen rechtlichen Voraussetzungen des § 54 SPG stand die Vornahme der Bildaufzeichnung unter Entscheidungsvorbehalt der Einsatz­leitung.

Zur Frage 18:

Es gab keine Anfrage, bei der die Genehmigung nicht erteilt wurde.


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Zur Frage 19:

Bei sämtlichen strafrechtlich zu verfolgenden Handlungen wurde im Sinne des Offizial­prinzips konsequent eingeschritten. Insgesamt wurden 242 Identitätsfeststellungen durchgeführt. Zu den Anzeigen siehe Frage 14.

Zur Frage 20: nein.

Zu den Fragen 21 und 22:

Demonstranten, die aus dem Ausland eingereist sind, wurden kontrolliert. Es wurden dabei keine Gegenstände und sonstige Indizien gefunden.

Zur Frage 23:

Die zentrale Aufgabe der österreichischen Staatsschutzbehörden ist die Beobachtung von extremistischen Phänomenen. Linksextremistische Gruppierungen wie der soge­nannte Schwarze Block sind daher auch Beobachtungsgegenstand.

Zur Frage 24:

Im Vorfeld von relevanten Ereignissen – somit auch vor dem Wiener Akademikerball – ist der Informationsaustausch mit ausländischen Sicherheitsbehörden über Umfang und Ausmaß möglicher Gefährdungs- und Störungspotenziale ein Standardvorgang. Es wurde mit sämtlichen Polizeien und Sicherheitsdiensten der Nachbarländer der erforderliche Informationsaustausch betrieben.

Zu den Fragen 25 und 26:

Die Erkenntnisse spiegeln sich im Behördenauftrag wider.

Zur Frage 28:

Von der Durchsetzung des Vermummungsverbotes wurde abgesehen. Gemäß § 9 Versammlungsgesetz dürfen an einer Versammlung „keine Personen teilnehmen, () die ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verber­gen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhin­dern“.

Von der Durchsetzung der Verbote nach Abs. 1 kann „abgesehen werden, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit nicht zu besorgen ist.“

Bei den Blockadeaktionen im Bereich der Albertina, der Löwelstraße und der Maria-Theresien-Straße fehlte ein manifestativer Charakter, weshalb das Vermummungs­verbot im Sinne des Versammlungsgesetzes nicht zur Anwendung kommen konnte.

Zur Frage 29:

Allfällige Unklarheiten einzelner Beamter über die an sich klare Aufgabenlage können von der Einsatzleitung nicht bestätigt werden.

Zur Frage 30:

Entsprechende Erhebungen werden von Amts wegen geführt, und das vorhandene Bildmaterial wird ausgewertet.

Zur Frage 31:

Aufgrund des kundgemachten Platzverbotes, der errichteten Sperren und Schleusen für die Zufahrt zum Veranstaltungsort war für jedermann ersichtlich, wo eine Zufahrt in den gesicherten Bereich möglich gewesen wäre.


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Zur Frage 32:

Es wurden keine polizeitaktischen Informationen von der Einsatzleitung an Demons­tranten­organisationen weitergegeben.

Zur Frage 33:

Es waren acht.

Zur Frage 34, welche es waren:

Demo Äußeres Burgtor: Es war eine Einzelperson; Demo Stephansplatz: eine Einzel­person; Standdemo Morzinplatz: wurde kurzfristig abgesagt; Demo Albertina: eine Einzelperson; Standdemo Uni: eine Einzelperson; Standdemo Schillerplatz: eine Einzelperson; Demo Europaplatz: eine Einzelperson; Standdemo Heldenplatz: eine politische Partei.

Frage 35 ist damit beantwortet.

Zur Frage 36: zwei Spontankundgebungen.

Zu den Fragen 37, 39 und 40:

Die angezeigten Demonstrationen verliefen ohne Zwischenfälle, weshalb eine Auflö­sung rechtlich nicht geboten war. Aufgelöst und geräumt wurde je eine Spon­tankund­gebung im Bereich Wipplingerstraße/Rockhgasse sowie im Bereich Göttweihergasse.

Zur Frage 38:

Wipplingerstraße um 20.28 Uhr und Göttweihergasse um 19.32 Uhr.

Zur Frage 41: nein.

Zur Frage 42: ja.

Zur Frage 43:

Die angezeigten Versammlungen verliefen friedlich; siehe Beantwortung Frage 37.

Zur Frage 44:

Für den Schutz von Versammlungen können aufgrund des Art. 11 EMRK niemals Kosten vorgeschrieben werden.

Zur Frage 45:

Ich bitte um Verständnis, dass Meinungen und Einschätzungen nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts sind.

Zur Frage 46:

Es lagen nach derzeitigem Informationsstand keine Aufforderungen zu Gewaltaufrufen vor. Postings werden aber umfassend gesichert und sind Gegenstand laufender Ermitt­lungen.

Zur Frage 47:

Nachdem zu Beginn des Demo-Zuges vom Christian-Borda-Platz einige pyrotech­nische Gegenstände gezündet worden waren, wurde die Versammlungsleitung aufge­fordert, diese zu beenden. Dieser Aufforderung wurde Folge geleistet. Der gesetz­mäßige Zustand wurde daher herbeigeführt.

Zu den Fragen 48 und 49:

Ich bitte um Verständnis, dass Rechtsauskünfte im Übrigen auch nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts sind.


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Zur Frage 50:

Es lagen keine inhaltlichen Divergenzen vor.

Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei SPÖ und Grünen.)

16.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


16.28.06

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen für die sachliche Auskunfts­erteilung sehr herzlich danken. Es ist mir schon klar, dass Sie hier sozusagen wie die Jungfrau zum berühmten Kind kommen und etwas zu verlesen haben, das für Sie vorbereitet wurde.

Ich habe die Botschaft sehr wohl gehört, allein mir fehlt der rechte Glaube (ironische Heiterkeit und Rufe bei der SPÖ: Der rechte!), nämlich – wie in Ihren Aussagen zu den Fragen 3, 4 und 6 behauptet – dass es keine Blockaden gegeben hat, dass die Zufahrt jederzeit möglich und der Zugang ungehindert war. Es gibt ja – wie Kollege Jenewein bereits gesagt hat – genügend Beweismaterial und Dokumentation, dass dem nicht so war, aber das wird ja noch Gegenstand weiterer Untersuchungen auf gerichtlicher Ebene sein.

Es gibt ja auch die Aussage der ehemaligen ÖH-Vorsitzenden Wulz, die um 19.41 Uhr getwittert und gejubelt hat: „Alle Blockaden bei der Albertina halten, Taxler gerade mitgehört: Es ist alles zu, Burschis kommen nur noch zu Fuß durch“. (Bundesrat Stadler: Ihr seid wirklich arm!) Und es gibt auch genügend Zeugenaussagen, die belegen, dass die Ballbesucher von der Polizei aufgefordert wurden, die Taxis zu ver­las­sen und sich zu Fuß durchzuschlagen. Nicht umsonst gibt es auch horrende Rechnungen, weil die Irrfahrten mit den Taxis notwendig waren, weil kein Durchkom­men war.

Ich möchte Folgendes klarstellen: Es geht uns nicht um die Arbeit, die die einzelnen Polizeibeamten vor Ort gemacht haben, denn sie sind auch Opfer, genauso wie die Ballbesucher. Sie waren gezwungen, sich bewerfen zu lassen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich habe hier Anschauungsmaterial, wie Polizisten mit Farbbeuteln beworfen worden sind. (Der Redner zeigt Fotos und stellt sie vor sich auf das Rednerpult.) Hier sieht man die Eingangstür einer Polizeistation, die mit Wurfgeschossen eingedroschen wurde. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Die Polizisten sind genauso Opfer, da sie keinen Befehl erhalten haben, einzu­schreiten. Es gibt genügend Zeugenaussagen, und ich habe selbst mit Teilnehmern gesprochen, zu denen einzelne Polizisten gesagt haben: Ich hätte zehn Gründe, einzuschreiten, aber ich habe leider keinen Befehl. – Und das bringt uns zum Kern dieser ganzen Problematik. Die Hauptfrage, die sich uns für die Zukunft stellt, ist: Was wird das Innenministerium unternehmen angesichts einer solchen Entwicklung, bei der eine politische Partei – derzeit immerhin die drittstärkste im österreichischen Parla­ment – mit Billigung einer wesentlichen Säule der Republik, nämlich der Exekutive in Person des Wiener Polizeipräsidenten Pürstl, das Versammlungsrecht und das Veranstaltungsrecht nicht mehr ungehindert in Anspruch nehmen kann?


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 142

Es gibt auch noch andere Körperschaften öffentlichen Rechts, aber keine wie die Österreichische Hochschülerschaft, zu einem Gutteil aus Zwangsbeiträgen finanziert, die mit diesen Zwangsbeiträgen Busse und Anreisen – so eindeutig nachgewiesen aus Salzburg, wahrscheinlich auch aus Graz – bezahlt, damit Menschen zum Demons­trieren gegen eine politische Partei fahren können – und das mit öffentlichen Geldern. Das kann es nicht sein, denn die Hochschülerschaft ist vergleichbar mit einer Ein­richtung wie der Wirtschaftskammer, wie der Arbeiterkammer – undenkbar, dass solche Einrichtungen solche Vorgänge unterstützen würden! (Beifall bei der FPÖ.)

Allein die Österreichische Hochschülerschaft scheint hier einen Freibrief zu haben, mit dem Geld der Studenten zu tun, was ihren Führern politisch in den Kram passt. (Bundesrat Mag. Klug: Vorsitzender! Auf der ÖH heißt es Vorsitzender!) – Ich war es selber einmal. (Bundesrat Mag. Klug: Ich wollte es nur korrigieren, sprachlich!)

Was ist die Konsequenz aus dem Ganzen? Das – das hat auch bereits Herr Jenewein gesagt – wollen wir eigentlich alle nicht. Ich will nicht, dass irgendeine andere politische Partei, die auf dem Boden der Demokratie steht, die sich zu unserer Republik und ihren Grundsätzen bekennt, von den Organen dieser Republik nicht mehr geschützt wird (Beifall bei der FPÖ), und – es ist bereits angesprochen worden – ich will nicht, dass weder wir, noch irgendeine andere Partei gezwungen wird, diesen Schutz selbst in die Hand zu nehmen. Wir haben das bereits  (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Stadler: Gefährlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jawohl, das wird gefährlich, da hast du völlig recht, Herr Kollege! Es ist brandgefährlich (Bundesrat Stadler: Deine Aussagen sind brandgefährlich! – Bundesrat Schennach: Bürgerwehr in Graz! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), diesen Schutz nicht zu gewährleisten, denn damit ist Tür und Tor geöffnet.

Neben dem, was hier strafgesetzlich, vom Strafgesetzbuch her relevant ist, gibt es auch das Versammlungsgesetz, das in keiner Weise eingehalten wurde. In § 13 Abs. 2 dieses Gesetzes heißt es:

„Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Ver­sammlung vom Abgeordneten der Behörde () zu verfügen, wenn sich in der Ver­sammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.“

Auch das ist nicht erfolgt. Hier ist den geltenden Gesetzen nicht Genüge getan worden, und das liegt nicht an der Frau Innenminister. Das liegt in unseren Augen einzig und allein an dem Verantwortlichen, für den die Unschuldsvermutung gilt, der jetzt zu Recht mehrere Klagen erhalten wird: am Wiener Polizeipräsidenten Pürstl. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Ich muss eines schon ganz klar sagen: Wenn der Polizeipräsident einer Weltstadt nicht in der Lage ist oder nicht willens ist, eine Ballveranstaltung (Bundesrat Mag. Klug: War es jetzt ein Ball oder eine Veranstaltung?), die von der drittstärksten Parlamentspartei veranstaltet wird, zu schützen, ihre Besucher zu schützen, dann ist er rücktritts- oder ablösereif. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Wir haben die Situation, dass er wissen musste, dass es zu Störaktionen kommen wird – es waren im Internet genügend Aufrufe zu lesen –, und ich gehe davon aus, dass die Polizei und das Innenministerium im Vorfeld – Sie haben es auch gesagt – in Kontakt mit ausländischen Polizeibehörden, mit den deutschen, gestanden sind und sehr wohl informiert waren.

Es wurden offensichtlich auch keine Lehren aus der letztjährigen Veranstaltung gezogen. Wir hatten das ja alles schon einmal, und das war im heurigen Jahr sozusagen dasselbe, teilweise noch ärger als im vergangenen Jahr. Wenn er nicht in


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der Lage ist, daraus die Lehren zu ziehen, dann ist er entweder unfähig – was eigentlich noch das Harmlosere wäre – oder er ist unwillig – und das, meine Damen und Herren, eine solche Absicht wäre oder ist demokratiepolitisch als hochgefährlich und brisant einzustufen. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Schennach hat beim Beispiel des Po-Grapschens zu Recht gesagt: Das ist Po-Grapschen, das ist erniedrigend. Aber angespuckt zu werden, ins Gesicht gespuckt zu werden, das ist noch weit erniedrigender. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie oder Ihre Fraktion es gutheißen, wenn Frauen, Freunde, Bekannte, Töchter von Vertretern einer politischen Partei, die auf einen friedlichen Ball gehen wollen, dermaßen ernied­rigt werden. Wir haben es gesehen. Und deshalb bin ich sehr gespannt, wie vonseiten des Innenministeriums auf das Versagen des Wiener Polizeipräsidenten Pürstl reagiert wird. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das Foto! – Bundesrat Krusche: Kannst dir noch anschauen! – Bundesrat Krusche nimmt die am Beginn seiner Rede auf das Rednerpult gestellten Fotos mit zu seinem Sitzplatz.)

16.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.39.15

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Staats­sekretär! Herr Präsident! Ich denke, es ist ganz gut, wenn wir in diesem Augenblick jetzt einmal ein bisschen innehalten und die Luft aus einer sehr emotionalen Diskussion herauslassen. Herr Kollege Jenewein hat ohnehin richtig begonnen: „Alle Jahre wieder!“ Ich habe mir angesichts der Zeitungsberichte gedacht: Und jährlich grüßt das Murmeltier.

Wir hatten über viele Jahrzehnte jedes Jahr sogenannte Opernball-Demonstrationen. Ich weiß nicht, ob das heute noch stattfindet. Ich glaube, dass der Opernball grund­sätzlich zu wenig Reibungsfläche – vor allem ideologische Reibungsfläche – bietet, um gegen ihn noch weiter zu demonstrieren. Viele von den seinerzeitigen Demonstranten sind ja auch schon im gesicherten Hafen gelandet.

Jetzt hat man sich ein neues Objekt gesucht, das ist der Wiener Akademikerball, voriges Jahr hat er, glaube ich, noch anders geheißen, nämlich Ball des Wiener Korporationsrings. Heuer heißt er Akademikerball. Dieser ist nun Objekt von Demons­trationen geworden.

Staatssekretär Kurz hat eines richtig gesagt: Es gibt ein hohes Gut, das ist das Recht zu demonstrieren, das ist das Recht, seinen Unmut oder eine andere Meinung kund­zutun. Wichtig wird es sein, einmal zu definieren, ob es eine Grenze dieses Rechtes gibt oder wo es missbraucht wird.

Missbraucht wird es meiner Ansicht nach sicherlich dort, wo ein paar fast bin ich geneigt zu sagen Kleinkriminelle aus anderen Bundesgebieten hier herüberkommen und eine eigentlich, glaube ich, friedliche politische Kundgebung einer politischen Richtung dazu missbrauchen, dass sie durchgehend strafrechtliche Taten begehen: Sachbeschädigung, Körperverletzung, Beleidigung und sonstige Dinge, derer es ja, wie der Herr Staatssekretär uns geantwortet hat, gar nicht so wenige gegeben hat.

Dies ist ein Missbrauch. Diese Leute sind ungebetene Gäste, diese Leute haben hier nichts zu suchen. Jeder Gast ist uns willkommen, aber wenn er als Gastgeschenk schwarze Masken und Sachbeschädigung mitbringt, dann ist er nicht gebeten, zu kommen. Diese Leute sind auch von solchen Veranstaltungen fernzuhalten. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 144

Die Vorwürfe, die erhoben worden sind, KollegInnen von der FPÖ, sind schon relativ heftige und massive Vorwürfe. Da wird es auch einiges an Nachweis und Beweis bedürfen, wenn Sie diese Vorwürfe aufrechthalten. Ich sage auch dazu, ich glaube, nicht alles, was in der Zeitung steht, muss immer stimmen. Das, was aus „Heute“ zitiert worden ist, muss nicht unbedingt so sein.

Die Beantwortung durch den Staatssekretär hat meiner Meinung nach aus einigen dieser Vorwürfe durchaus die Luft und den Überdruck ein wenig herausgenommen.

Ich sehe es aus der Perspektive eines Linzers, also aus einer anderen. Wir oder die Leute, mit denen ich immer wieder zusammensitze und auch diese Dinge diskutiere, haben eigentlich ein bisschen Unverständnis dafür, weil wir der Meinung sind, dass Demokratie ungleich Gewalt ist.

In einer Demokratie muss es jedem möglich sein, seine Meinung zu äußern, kund­zutun, im Rahmen der Gesetze und im Rahmen der Meinungsfreiheit, in diesen Gren­zen, ohne dass er deswegen von irgendjemandem, von einer Ordnungsmacht oder von irgendjemand anderem verfolgt wird. Das ist ein Grundprinzip einer reifen Demokratie, und ich glaube, unsere ist jetzt mittlerweile alt genug, dass sie das aushalten muss, wenn einer A und der andere B sagt.

Das ist unser Ziel. Dort müssen wir hinkommen. Als Bundesräte müssen wir da auch eine gewisse Vorbildfunktion haben und das dem einen oder anderen in unserem Gefolge vielleicht einmal mitgeben und ihm sagen, dass es in Ordnung ist, wenn man sich gegen jemanden äußert, dass es auch noch in Ordnung ist, dass man, wenn man unbedingt der Meinung ist, das auf der Straße tun zu müssen, das auch macht. Aber es gibt eine Grenze. Dort, wo jemandes Integrität, seine körperliche, seine physische Integrität verletzt wird, ist jedenfalls die Grenze bei einer Unmutskundgebung erreicht.

Ich persönlich würde mir wünschen, dass diese Diskussion, die wir hier heute führen, das letzte Mal geführt wird, dass wir nächstes Jahr, wenn es denn auch sein muss, friedliche Demonstranten, ob 300 oder 3 000, ganz egal, an irgendeinem ordentlichen zugewiesenen Platz, wo sie ihre Meinung kundtun können, sehen und hören können und dass – das ist das ganz Entscheidende – andere eine Faschingsfeier – etwas anderes ist ein Ball eigentlich nicht, sage ich immer, Bälle finden nun einmal im Fasching statt –, einen Ball in ihrer selbstgewählten Gesellschaft feiern können, denn das sollte auch im Rahmen der Freiheit der Person gewährleistet sein.

Das ist an die Adresse aller und ein Wunsch an Vertreter aller Richtungen, an welchen Enden immer sie sitzen. Der Friede und das Miteinander in einer Demokratie sind ein sehr, sehr hohes Gut, und das sollten alle miteinander bedenken, wenn wir das nächste Mal hoffentlich nicht mehr über Ausschreitungen diskutieren müssen! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.45.04

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zu Beginn meiner Rede will ich gerne allen 1 700 Polizistinnen und Polizisten für diesen vorbildlichen Einsatz, der am 1. Februar rund um die Hofburg geleistet wurde, danken. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Dönmez: Und den Steuer­zahlern, die das bezahlt haben!) Mein Dank gilt selbstverständlich auch den Steuerzah­lerInnen, die das bezahlt haben. Danke für den Zwischenruf. 500 000 € waren es in etwa, hat Herr Staatssekretär Kurz geantwortet.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 145

Ich möchte aber auch dem Wiener Polizeipräsidenten für die sehr umsichtige Planung dieses Einsatzes danken. Dafür, 3 000 Demonstranten und 800 Ballbesucher aus­einan­derzuhalten, braucht man schon auch ein gewisses Gefühl.

2012 gab es bereits eine Dringliche Anfrage von Ihrer Seite, Sie erinnern sich noch daran. 2013 gibt es jetzt wieder eine Dringliche Anfrage. Ich möchte daran erinnern, worum es denn bei diesen Dingen gegangen ist.

In den letzten Jahren gab es immer Demonstrationen gegen diesen sogenannten WKR-Ball. (Bundesrat Jenewein hält ein Foto in die Höhe.) Der Protest, den die Leute dort ausdrücken, richtet sich gegen die Zusammenkunft hochrangiger Vertreter rechter und rechtsextremer europäischer Kreise. Diese treffen sich nämlich dort, um ihren Meinungsaustausch auf einer sogenannten gemeinschaftlichen Ballveranstaltung – „Faschingsveranstaltung“ haben Sie es genannt – durchzuführen.

Das heißt, es gibt Menschen, die dagegen protestieren, dass sich Menschen treffen, die den Holocaust verherrlichen. (Bundesrat Jenewein: Dafür gebührt ein Ord­nungsruf!) – Ich bin nirgends angerannt, lieber Freund. – Denn die Leute sind es, die das machen.

Ich habe gehört, Sie verhöhnen ja hier die Opfer. Sie haben hier in Ihrer Rede die Opfer des 12. Februar verhöhnt. Verhöhnt haben Sie das, das haben Sie gemacht! (Bundesrätin Michalke: Ordnungsruf!)

Wenn Menschen dagegen protestieren, dann beginnen Sie sich zu wehren und stellen Dringliche Anfragen. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Das wird der Herr Präsident dann schon durchführen, wenn er dieser Meinung ist.

Dieser sogenannte WKR-Ball kann nicht mehr durchgeführt werden, weil die Veran­staltungsabteilung der Hofburg meint, dass das nicht mehr geht. Also hat die FPÖ es übernommen, diesen sogenannten Akademikerball durchzuführen. Sie hat ihn also umbenannt.

Jetzt vielleicht noch einen Punkt aus dem vorigen Jahr, wenn man über Gewalt­bereitschaft und die Dinge, die Sie gezeigt haben, spricht. (Bundesrat Jenewein hält wieder ein Foto in die Höhe.) Ja, die zeigen Sie noch einmal.

Sie haben sicher die Bilder gesehen, nachdem unser ehemaliger Fraktionsführer Bun­desrat Albrecht Konecny im vorigen Jahr bei dieser Demonstration von rechten Skinheads niedergeschlagen worden war. (Bundesrat Jenewein: Können Sie das beweisen? Das ist absurd!) Ich darf Ihnen berichten, was Ihre Leute, diese Burschen­schafter dann auf ihren Homepages, Internetforen gepostet haben.

Die alte rote Sau haben wir jetzt erwischt. (Bundesrat Jenewein: Wer sagt das?) – Es ist im Internet gestanden. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Vom Grundsatz her sage ich jetzt klar und deutlich: Die Gewaltbereitschaft ist von Ihrer Seite gegeben – und dagegen wurde protestiert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Noch ein paar Punkte zu einigen Dingen. Der Wiener Akademikerball ist eine Veran­staltung im Sinne des Wiener Veranstaltungsgesetzes. Dies betrifft nicht unbedingt das sogenannte Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Das heißt, der § 285, den Sie zitiert haben, schützt die Teilnehmer an Versammlungen. Dieser sogenannte Akademikerball ist aber eine Faschingsveranstaltung, wie wir gehört haben (Bundesrat Jenewein: Alles klar!), eine Faschingsveranstaltung. Da gibt es natürlich schon Unterschiede.

Vom Grundsatz her, um es auch ganz deutlich zu sagen, wurde die Zufahrt von der Polizei gewährleistet. Der Herr Staatssekretär hat auf viele Ihrer Fragen ausführlich geantwortet. Und ich werde den Eindruck hier nicht los, dass es der FPÖ bei der


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Veranstaltung nicht um Kooperation, sondern um Konfrontation gegangen ist. Denn Sie haben ja das alles vorbereitet, Sie haben das ja klar und deutlich hier gesagt, dass Sie vorbereitet waren und gesagt haben, wenn es die Angriffe gibt, dann werden Sie dieses und jenes tun. Das war eine von Ihnen vorbereitete Aktion, und das will ich Ihnen auch sagen. Und Sie nützen hier den Bundesrat dazu, um genau diese Dinge weiterzuführen.

Ich frage Sie: Warum hat sich die FPÖ zum Beispiel nicht an Vereinbarungen gehalten, wie zum Beispiel Bustransfers dorthin organisiert, die Menschen früher zur Veran­staltung gebracht, mit Taxiunternehmen Vereinbarungen getroffen, dass die Ballbe­sucher ungehindert hinkommen, und vieles andere mehr? Ich frage mich, warum von vielen nicht die U3-Station in der Herrengasse genützt worden ist, sondern der Weg zu Fuß eingeschlagen wurde. (Bundesrat Jenewein: Sie haben nicht zugehört!)  Ich habe sehr genau zugehört.

Sie haben sich nicht an Vereinbarungen gehalten, die mit allen Veranstaltern vom Grund­satz her vorher getroffen werden. Es gibt ja Tausende Veranstaltungen in dieser Stadt, und diese funktionieren immer. Die Polizei schützt diese Veranstaltungen, dabei ist alles in Ordnung. Nur bei Ihrer Veranstaltung wird gesagt, dass die Polizei schuld daran ist, dass die Menschen dort nicht hinkommen konnten. Das verstehe ich überhaupt nicht. (Bundesrat Jenewein: Sie sind schuld!)  Danke schön. (Zwischenruf der Bundesrätin Posch-Gruska.)

Bei diesem Ball war die Zahl der Besucher geringer als bei früheren Bällen, und das ist natürlich das Tragische dabei. Es waren halt nur mehr 800 Leute oder 1 000 Leute. Früher waren es 3 000 Leute, und jetzt waren nur mehr 800 Leute dort. Daher muss man Medienaufmerksamkeit auf andere Weise hervorrufen, damit über den Ball entsprechend berichtet wird.

Was Sie wollen und wie ich es verstanden habe  (Bundesrat Jenewein: Nein!) Natürlich, ich denke mir, was Sie wollen. Sie wollten in Wirklichkeit die Sperre der Wiener Innenstadt. Das heißt, Sie wollten eine großflächige Absperrung durchführen. Was bedeutet das, wenn Sie diese großflächige Absperrung durchführen? – Das bedeutet, dass zum Beispiel 2 000 Besucher nicht in die Oper können, dass zum Beispiel alle Lokale in der Innenstadt nicht mehr besucht werden können, und vieles andere mehr. Das ist das, was Sie wollen: möglichst großflächiges Absperren, um allein herrschen zu können.

Ich sage Ihnen nur, Demonstrationen sind ein Grundrecht, und in der Demokratie sind die Grundrechte einzuhalten und zu gewährleisten. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Noch einmal ganz klar: Auch die FPÖ kann es den Menschen nicht verbieten, gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. (Beifall bei der SPÖ.)

16.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst darum bitten, dass alle Redner sich darum bemühen, ihre Emotionen im Griff zu behalten, damit wir gemeinsam die Würde des Hauses aufrechterhalten.

Des Weiteren werde ich mir das Stenographische Protokoll kommen lassen, weil ich eben überprüfen möchte, was es an Zwischenrufen gegeben hat, und auch, ob hier tatsächlich alle Ballbesucher pauschal als Sympathisanten von Kriegsverbrechen bezeichnet worden sind. Das werden wir anhand des Stenographischen Protokolls überprüfen. Davon mache ich es dann abhängig, etwaige Ordnungsrufe zu verhängen.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 147

16.56.16

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Vielen Dank für Ihre Anfragebeantwortung. Ich muss zugeben, ich habe bei einer Stelle ein bisschen schmunzeln müssen und möchte jetzt einem altverdienten Politiker doch noch den Namen zurückgeben. Also der Christian-Borda-Platz ist natürlich der Christian-Broda-Platz. Wenn man noch so jung ist, dann kann man sich vielleicht auch nicht daran erinnern. Aber das war natürlich ein ganz verdienter Justizminister der Zweiten Republik, dem man vielleicht auch seinen korrek­ten Namen wiedergeben sollte. Aber ich gebe zu, dieser Platz ist erst, glaube ich, vor zwei Jahren umbenannt worden, und es ist vielleicht auch nicht so ganz tief in die Gehirnwindungen eingedrungen, dass der Platz da beim Westbahnhof jetzt Christian-Broda-Platz heißt.

Zur Sache: Ich bin ein bisschen irritiert gewesen, muss ich ganz ehrlich sagen, über die offensichtlich abgesprochenen Redebeiträge der zwei FPÖ-Bundesräte Krusche und Jenewein, die nämlich wahrscheinlich nicht zufällig einerseits sagen, wie sehr sie sich auf dem Boden der Demokratie und der Republik befinden, und gleichzeitig drohen, mit einer eigenen Privatexekutive oder dergleichen, die dann wahrscheinlich bewaffnet ist, Selbstjustiz zu üben. Für mich ist das nämlich ein eklatanter Widerspruch. Wenn jemand mit Lynchjustiz oder Selbstjustiz droht, dann finde ich nicht, dass derjenige sagen kann, wir befinden uns auf dem Boden der Republik und der Demokratie, denn das ist nicht Bestandteil eines Rechtsstaates. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Und das eigentliche Problem ist schon, und deswegen stimme ich auch nicht ganz mit dem überein, was wir heute von der ÖVP gehört haben, dass das jetzt eine reine Faschingsveranstaltung sei. Wir wissen alle, dass der Ball, der früher WKR-Ball hieß, ein Treffen vieler europäischer rechtsextremer Parteien, rechtsextremer Politiker und Politikerinnen, rechtsextremer Kreise und von Burschenschaften war und ist. Der Unter­schied ist, dass ihn früher der Korporationsring organisiert hat. Im vorigen Jahr – an das muss man sich nämlich noch erinnern, das ist ganz wichtig – hat die Hofburg selbst gesagt, das war das letzte Mal, dass ihr den Ball hier veranstaltet, wir wollen diesen Ball nicht mehr hier in der Hofburg. Und dann hat die FPÖ gesagt – jetzt kann man sogar sagen, kluger Schachzug, strategisch gesehen, nicht politisch –, jetzt machen wir den. Somit war man in der Hofburg natürlich auch irgendwo in der Bredouille. Und jetzt findet sozusagen der Nachfolgeball des WKR-Balls, veranstaltet von der FPÖ, in der Hofburg statt.

Das war natürlich auch eine gewisse Provokation. Also man könnte ja sogar anneh­men – ich formuliere es ohnehin vorsichtig –, die FPÖ hat gehofft, dass es – und hier distanziere ich mich auch ausdrücklich – zu Gewalt kam, denn sonst hätte man ja nicht Kameras losgeschickt, wie uns Herr Bundesrat Jenewein bestätigt hat (Rufe bei der SPÖ: Fotographen!), nämlich zuhauf Kameras losgeschickt, um ja jeden Übergriff festzuhalten, um die Fotos dann überall, wo es geht, zu posten, und dann zu schauen, dass man medial ganz groß herauskommt.

Warum die FPÖ das will, ist ja vollkommen sonnenklar. Von der FPÖ haben wir doch in den letzten Monaten überhaupt nichts mehr gehört. (Bundesrat Mag. Klug: Genau! Ruf bei der ÖVP: Die Grünen haben aber auch !) Die Wahrheit ist doch, dass bei den großen politischen Fragen, die die Bürger und Bürgerinnen tatsächlich interessieren, nämlich wie dem Klimawandel entgegengewirkt wird, wie die Europa-Krise bewältigt wird, wie wir die Zukunftsfragen lösen, wie wir mit der Jugendarbeitslosigkeit umgehen, von der FPÖ kein einziges Rezept kommt.

Die einzige Möglichkeit für die FPÖ ist, mit solchen Aktionen und Provokationen medial vorzukommen. Das ist der ganze Hintergrund  mehr ist es nicht. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)


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Was ich auch für ein Problem halte, ist diese Opferumkehr, also austeilen: en masse, Netzwerke aus ganz Europa einladen, die Menschen – und da braucht man nicht einmal in die Vergangenheit zu schauen – anderer Religionen verunglimpfen und erniedrigen, vielleicht nicht durch anspucken, vielleicht nicht durch körperliche Gewalt, aber durch strukturelle Gewalt, durch Vorschläge, wie man diese Menschen im politischen Recht erniedrigen will, Menschen anderer Religionen, Asylwerber, Asylwer­berinnen, und dann zu sagen, wir sind die Opfer – man kann sich ja noch daran erinnern, voriges Jahr sprach Klubobmann Strache schon von den „neuen Juden“; ich halte das für unerträglich, auszuteilen und sich dann als Opfer darzustellen –, das geht nicht, sorry! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Jetzt seid ihr in den Medien  ich gratuliere! Und da habt ihr euch überlegt, ihr macht diesmal nicht die Auseinandersetzung mit den Demonstranten oder mit den „bösen“ Grünen oder wer auch immer gerade der Böse ist, sondern mit der Polizei. Ihr versucht halt, mit allen Mitteln medial vorzukommen. Stronach hat euch gezeigt, dass man Populismus auch anders machen kann und läuft euch den Rang ab. Ihr seid verzweifelt, weil die Wahl vor der Tür steht und ihr absolut keine Antworten habt, und jetzt versucht ihr es mit dieser Methode. Das wird da draußen aber kaum jemanden interessieren. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Jenewein zu Wort gemeldet. Sie kennen die entsprechenden Bestim­mungen der Geschäftsordnung, Herr Bundesrat. – Bitte.

 


17.03.06

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Es sind zwei tatsächliche Berichtigun­gen.

Die erste: Herr Kollege Schreuder hat gemeint, ich habe vom Rednerpult aus gedroht, man überlege, eigene Schutztruppen – sinngemäß hat er das gesagt – für den Versammlungsschutz aufzustellen.

Ich berichtige tatsächlich: Das habe ich nicht getan. Ich habe hier nicht gedroht, ganz im Gegenteil, ich habe festgestellt, dass niemand von uns das möchte.

Weiters hat Herr Kollege Todt in seinem Redebeitrag von einer Ansammlung von Holocaust-Leugnern gesprochen.

Ich berichtige tatsächlich: Die pauschale Verurteilung, dass in der Hofburg eine An­sammlung von Holocaust-Leugnern gefeiert hätte, weise ich auf das Schärfste zurück. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Mag. Klug: Das sind keine tatsächlichen Berich­tigungen!)

17.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


17.03.58

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): In aller Kürze möchte ich nur auf meine Vorredner replizieren – beziehungsweise nicht replizieren, sondern nur einige Bemerkungen machen.

Ich danke Ihnen, Herr Mag. Fürlinger, für Ihre sachlichen und durchaus richtigen und positiven Worte. Zu Ihnen, Herr Todt, muss ich sagen: Sie haben genau das, was vielen von uns fehlt, und da kann man Sie beneiden, nämlich keine Ahnung. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 149

Aber was mich eigentlich an Ihrem völlig an der Sache vorbeigehenden Redebeitrag am meisten erschüttert hat, ist, dass Sie sozusagen designierter nächster Präsident dieser Kammer sind – und bei diesem Gedanken wird mir angst und bange. Vielleicht kann Ihre Wiener Fraktion das noch überdenken. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Mag. Kurz: Fürchtet euch nicht!)

Und, Herr Schreuder, zu behaupten, dass wir gehofft hätten, dass es zu Gewalt kommt, und zu glauben, dass wir dann mit unseren Frauen, mit unseren Töchtern dort hingehen, das grenzt – ich sage es jetzt vorsichtig, ich weiß nicht, ob ich dann einen Ordnungsruf bekomme – schon sehr an große Dummheit. So etwas zu glauben und uns zu unterstellen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben kein anderes Bestreben, als friedlich zu dieser Veranstaltung zu gehen, und wir haben nicht die Polizei beschuldigt – das haben Sie auch falsch gesagt –, sondern wir haben den Verantwortlichen der Polizei beschuldigt, hier versagt zu haben. (Beifall bei der FPÖ.) Das haben wir leider befürchtet, und deshalb haben wir die entsprechen­den Dokumentationen vorgenommen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

17.06.49Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir nehmen die Verhandlung über Punkt 15 der Tagesordnung, Grüner Bericht 2012, wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Berlakovich. Warten wir kurz, bis er wieder den Saal betritt. Die Sitzung ist nicht unterbrochen. – Da der Herr Minister noch nicht im Saal ist, gelangt Herr Bundesrat Keuschnigg zu Wort, der sich eigentlich von der Red­nerliste hätte streichen lassen. – Bitte.

 


17.07.42

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Eigentlich sind die Emotionen schon wieder heruntergekocht. Ich darf also jetzt zu dem vorigen Teil, der emotionaler geworden ist, noch sagen, dass es für das politische Klima nicht gut ist, dass man in Europa Bauern gegen Jugend ausspielt. Wir wollen auch nicht Bauern gegen Eisen­bahner ausspielen. Da geht es um Budgetgrößen. Was aber wirklich von einer gewis­sen Brisanz ist, ist, dass die demographisch-geographische Entwicklung in Österreich so ist, dass es aus großen Teilen der Republik eine Wanderungsbewegung in die Ballungs­gebiete gibt, die wir nicht wollen, weil wir dadurch sowohl in den Ballungs­räumen als auch in den ländlichen Regionen Probleme schaffen.

Ein Drittel der politischen Bezirke Österreichs hat eine Abwanderung der erwerbs­tätigen Bevölkerung von 10 und mehr Prozent in den nächsten 25 Jahren. Und da haben wir eine Land- und Forstwirtschaftspolitik, die ihre Aufgabe erfüllt, nämlich die Flächensicherung in den Regionen. Das ist eine funktionierende Politik, und die müssen wir mit aller Kraft und so gut es geht in die Zukunft bringen, weil es nicht nur für die Landwirtschaft und für die bäuerlichen Familien von Bedeutung ist, sondern einfach als Stabilisator in den Regionen ein funktionierendes Instrument ist. Ich glaube, das ist von großer Bedeutung, und das wollte ich abschließend noch sagen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 150

17.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte, Herr Minister.

 


17.09.39

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Grünen Bericht 2012: Es ist dies der 53. Bericht, der erstellt wird, und mit Sicherheit ist der Grüne Bericht das umfassendste Nachschlagewerk und die umfassendste Datensammlung, die es im Agrarbereich gibt. Der Dank gilt den Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums für die ausgezeichnete Arbeit, aber auch – das ist schon von einigen Rednern erwähnt worden  den vielen buchführenden Betrieben, die das freiwillig tun und die die Daten liefern, schon seit Jahrzehnten. Das ist eine solide Grundlage für politische Entscheidungen, für Entscheidungsträger hier im Parlament und auch für uns in der Agrarpolitik.

Der Bericht über das Einkommen des Jahres 2012 ist erfreulich, und zwar sind die bäuerlichen Einkommen um über 30 Prozent gestiegen. Das klingt sagenhaft, ist natürlich auch positiv, aber man muss die Gesamtschau der Jahre sehen. Land­wirtschaft bedeutet zu wirtschaften und dabei nach wie vor den Einflüssen der Natur ausgesetzt zu sein. Im Jahr 2011 war alles optimal, wie es sich ein Bauer nur wünschen kann. Es waren die Wetterbedingungen optimal, die Preisbedingungen waren sehr gut, die Betriebskosten waren optimal, also es hat alles zusammengepasst, und daher dieses große Plus. Die Jahre davor hat es aber ein Minus gegeben, sodass dieses Plus bedeutet hat, dass wir uns jetzt irgendwo auf dem Niveau des Jahres 2008 befinden, dass sich die starken Schwankungen ausgeglichen haben und – das, was die Einkommenssituation der letzten Jahre zeigt – dass es eine extreme Volatilität gibt, also ein Auf und Ab der Preise.

Landwirtschaft ist keine Industrieproduktion, wo ein Fließband rennt und man Stückzahlen unabhängig vom Wetter produzieren kann, sondern man ist ihm aus­gesetzt – in Zukunft durch den Klimawandel noch stärker. Durch Trockenheit, durch Dürren wird das Klima unkalkulierbar, in Österreich, aber auch in der restlichen Welt, und daher müssen wir uns da gut aufstellen.

Man sieht, dass es im Jahr darauf, nämlich im Jahr 2012, schon wieder ganz anders ausgeschaut hat. In weiten Teilen Österreichs, in Niederösterreich beispielsweise, gab es eine katastrophale Trockenheit, schwere Frostschäden, schwere Ernteeinbußen, während es in anderen österreichischen Regionen wiederum gute Erträge gab. Damit haben die Bauern zu leben gelernt, aber deshalb ist es umso wichtiger, dass es ein Sicherheitsnetz für die Bauern und Bäuerinnen gibt. Dieses Sicherheitsnetz stellen die Zahlungen dar, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik erfolgen und die auch von Österreich – Bund und Ländern – kofinanziert sind.

Die Direktzahlungen an die Bauern und die Programme der ländlichen Entwicklung sind ein Sicherheitsnetz, denn wenn wirklich einmal das Einkommen absackt, weil es eine Missernte gibt, fangen die die bäuerlichen Betriebe auf. Daher kämpfen wir auch darum, dass dieses Sicherheitsnetz erhalten bleibt. Gerade aktuell: Zur Stunde treffen sich in Brüssel die Staats- und Regierungschefs, um das EU-Budget zu verhandeln.

Herr Bundesrat Schennach, Sie haben Ihrem Kollegen Hensler Pathos unterstellt. (Bundesrat Schennach: Nicht unterstellt, ich habe ihn bewundert!) Sie haben aber auch einen ordentlichen Sinn für Theatralik, der ist auch nicht von schlechten Eltern. (Bundesrat Schennach: Aber ich habe es bewundert beim Herrn Kollegen Hensler!) – Ich habe das registriert, dass Sie das bewundern, aber ich halte die Diskussion um diesen mehrjährigen Finanzrahmen für sehr eigentümlich, muss ich sagen, und bis zu einem gewissen Grad für scheinheilig, denn man sagt: Um Gottes willen, da kommt jetzt jemand und droht mit der Veto-Keule! Ich sage Ihnen: Eigentlich ist es die natürlichste Sache der Welt, dass man in Verhandlungen geht, weiß, was man will, und dass man dann, wenn das Ergebnis nicht dem entspricht, was man sich vorstellt, sagt:


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 151

Wir stimmen nicht zu! Das ist das Wesen von Verhandlungen, und das sollen wir Österreicher auch machen.

Österreich ist seit seinem EU-Beitritt ein verlässlicher Zahler, ein stabiler politischer Partner. Wir zahlen pünktlich unsere Rechnungen, und wenn wir dann Interessen haben, die wir gemeinsam in der Bundesregierung, mit dem Bundeskanzler, mit dem Vizekanzler, mit der Finanzministerin und mit Kollegen, festgelegt haben, dann ziehen wir dort an einem Strang. Und wenn das Ergebnis ein katastrophales ist, dann kann doch Österreich nicht zustimmen!

Wir hoffen ja, dass etwas Vernünftiges herauskommt. Dafür kämpfen wir ja! Aber es geht doch niemand ein Auto kaufen und sagt: Na ja, wenn das Lenkrad nicht dabei ist und vielleicht ein Rad fehlt, dann kaufe ich das Auto auf jeden Fall. Da würde ja auch jeder sagen: Nein, das nehme ich nicht.

Darum geht es ja bei den Verhandlungen. Ich habe das gemeinsame Europa immer so verstanden, dass wir uns dort einbringen und nicht zu allem Ja und Amen sagen – aber nicht weil ich gegen das gemeinsame Europa bin, sondern weil wir unsere österreichi­schen Interessen dort einbringen.

Beispiel Gentechnikfreiheit: Da war die Mehrheit anfangs völlig gegen uns, als wir gesagt haben: Wir wollen in der Landwirtschaft frei von Gentechnik sein. Mittlerweile sind es 21 Länder, die sagen: Ja, was Österreich sagt, ein Selbstbestimmungsrecht in der Frage der Gentechnik, hat Sinn. Es fehlt noch die Mehrheit. Die großen Staaten sind noch nicht dafür, aber wir bleiben am Thema dran – nicht weil wir die Grundfesten unseres gemeinsamen Europas untergraben wollen, sondern weil ich der Meinung bin, dass die Menschen in Österreich das ablehnen und viele andere in Europa auch. Daher gestalten wir das gemeinsame Europa so, wie wir uns das vorstellen. Das werden wir auch in Zukunft tun. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Michalke.)

Ich möchte jetzt noch auch auf ein paar Dinge eingehen, die hier erwähnt wurden. Es wurde der Rechnungshofbericht zitiert und behauptet, es fließe so viel Geld in die Landwirtschaft, was nicht gerechtfertigt ist.

Der Rechnungshof hält nur fest, was wir in der österreichischen Bundesregierung politisch vereinbart haben, nämlich dass wir das Geld zu 50 Prozent kofinanzieren und dass wir damit einen Effekt erzielen. Da ist nicht irgendeine Mauschelei passiert oder, wie da zitiert wurde, eine Freunderlwirtschaft. Das stimmt ja überhaupt nicht. Wir haben das zum Wohle der Bauern kofinanziert, die ländliche Entwicklung, wo man 50 Prozent der Mittel gegenüberstellt, und das können wir auch in die Finanzver­hand­lungen einbringen.

Wir haben das Umweltprogramm genutzt. Wir sind Bio-Weltmeister, und da geht es nicht um Übertreibung, da geht es um Fakten. Was wir im Fußball nicht zusam­menbringen – noch nicht –, haben wir in der Landwirtschaft zusammengebracht: Wir sind Bio-Weltmeister. Kein Staat in der Europäischen Union und auch außerhalb hat so viel Bio-Landwirtschaft. Aber das ist sehr wohl auch durch die Zahlungen erfolgt. Lassen Sie sich nicht täuschen: die Biobauern sind flächenmäßig viel größer als die konventionellen Bauern. Nur damit wir da auch von Fakten reden.

Und bitte keinen Krieg Groß gegen Klein! Das ist ein alter Hut. Man darf diese Agrar­zahlungen nicht als Sozialzahlungen hinstellen. Die Sozialpolitik ist eine Sache, aber das, was diese Agrarzahlungen sind und was sie sein müssen, sind Leistungs­zahlungen. Der Bauer darf nicht zu einem Almosenempfänger degradiert werden: Nur weil du ein Bauer bist, kriegst du Geld beziehungsweise Sozialleistungen von der Europäischen Union. Das ist falsch! (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 152

Wir sagen, wir stellen ein Leistungsprogramm auf das Umweltprogramm. Es muss niemand ein Biobauer werden, aber wir geben dem einen höheren Anreiz. Ein Bio­bauer, der mehr für die Umwelt tut, bekommt auch mehr, aber wenn ein Bauer sagt, er will sich nicht daran beteiligen, dann muss er es nicht. Der Effekt war, dass wir eben so einen hohen Standard in Europa erreicht haben, weil wir die Biobauern besser unter­stützt haben. Ich bin auch dafür, Herr Bundesrat, weil Sie das erwähnt haben, Bio auszubauen.

Wir haben einen Einstiegsstopp gemacht, der da kritisiert wurde, und zwar gemeinsam mit den Biobauern, weil ich nicht drei Jahre vor Ende des Programms sagen kann: Werde Biobauer, aber ich kann dir nur drei Jahre lang die Zahlungen zusichern, und nachher ist es ungewiss! Aus Verantwortung für die Bauern haben wir das gemacht. Wir wollen das jedoch in der nächsten Periode ausbauen  aber nicht um der Strategie willen, dass jetzt alle Biobauern werden müssen, sondern nur, wenn es die Konsu­mentinnen und Konsumenten verlangen. Es nützt mir nämlich nichts, wenn ich viele Biolebensmittel habe, und niemand kauft sie. Wir müssen uns nach den Konsumen­tenwünschen richten. Wie es der Herr Bundesrat gesagt hat: Wir wollen den Tisch der Menschen in Österreich mit österreichischen Qualitätslebensmitteln decken, die sich die Menschen auch leisten können, das ist wichtig, aber es soll eine Wahlfreiheit für die Österreicherinnen und Österreicher geben: Bio-Lebensmittel, konventionelle Lebens­mittel, österreichische Lebensmittel mit einer Topqualität.

Das ist die erste Aufgabe der Bauern und Bäuerinnen, und die werden sie in Zukunft auch erfüllen. Das wollen wir. Sie müssen aber auch – und das ist mein und unser Anliegen – eine ökologische Verantwortung wahrnehmen. Die Bauern in Österreich haben von ihren Großeltern und Eltern die Betriebe übernommen und wollen sie ihren Kindern und Enkeln – sofern sie hoffentlich Nachfolger haben – auch weitergeben; nachhaltiges Wirtschaften. Daher müssen sie eine ökologische Komponente haben. Deshalb sagen wir, dass ein Umweltprogramm und ein Bergbauernprogramm wichtig sind. Eine Änderung des Kofinanzierungssatzes bedeutet, dass Österreich weniger dazuzahlen muss und dass die Bauern weniger Geld bekommen – und das wäre fatal. Es geht mir bei diesen Finanzverhandlungen – und das habe ich auch dem Herrn Bundeskanzler gesagt; wir ziehen ja da an einem Strang – darum, dass wir nicht verharren, sondern dass wir das ausbauen wollen.

Österreich wird in ganz Europa für einen vorbildlichen Weg einer ökologisch orien­tierten nachhaltigen Landwirtschaft gelobt. Wir wollen da nicht stillstehen. Wir wollen das ausbauen, und das kann aber nicht gehen, wenn 30 Prozent der Mittel gekürzt werden. Und Van Rompuy hat die Mittel für die Landwirtschaft gekürzt. Im Übrigen, Herr Schennach und Herr Zehentner, ist das der einzige Bereich, der beim EU-Budget gekürzt wurde. Alle anderen Bereiche bekommen mehr Geld. Bitte schauen Sie sich die Fakten an! Rubrik 1, Infrastruktur: plus 50 Prozent Mittel. Rubrik 2, Landwirtschaft: minus 15 Prozent. Landwirtschaft in Österreich: minus 30 Prozent. Rubrik 3, Unions­bürgerschaft: plus 34 Prozent Mittel. Rubrik Verwaltung: plus 11 Prozent Mittel.

Alle Bereiche bekommen exorbitant mehr Geld, nur der Agrarbereich verliert. Und wir sagen nicht: Noch einmal mehr Geld!, sondern wir sagen lediglich: Keine weiteren Kürzungen mehr! Die Landwirtschaft ist ja sehr wohl immer bereit gewesen, den Staatshaushalt mitzutragen und einen Beitrag zu leisten, aber wenn das Budget um 30 Prozent gekürzt wird, dann ist klar, dass wir keine bäuerliche Landwirtschaft mehr haben.

Ich bin da ganz bei Ihnen: Wir sind in Europa derzeit am Scheideweg. Wenn das mit den Budgetverhandlungen nicht klappt und die Mittel für die Landwirtschaft massiv gekürzt werden, dann geht es eindeutig in Richtung Agrarindustrie, weil dann die bäuerlichen Betriebe nicht mehr überleben können. Wir setzen in Österreich jedoch


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nach wie vor auf bäuerliche Familienbetriebe, Herr Bundesrat, aber Sie wissen ganz genau, ein bäuerlicher Familienbetrieb hat vor 50 Jahren anders ausgeschaut als heute. Die Anforderungen sind andere, er musste sich umstellen, aber er fußt noch immer auf bäuerlichen Familien und nicht auf irgendwelchen namenlosen Aktien­gesellschaften, die hire and fire machen und nach dem Motto arbeiten: Milchbauer, wenn dir der Preis nicht passt, verschwind!

Auch der genossenschaftliche Bereich, der nach wie vor in Bauernhand ist und eine Verantwortung dort hat, muss schauen, dass die Bauern dort auch zukünftig ein Auskommen haben, im Milchbereich und in anderen Bereichen.

Ich darf erinnern, bei den Budgetverhandlungen war es Ihr Generalsekretär Kräuter, der gesagt hat, ein Drittel der Zahlungen kürzen, 600 Millionen. Also da müssen wir schon gemeinsam schauen, dass wir das aufstellen. Das ist dann nicht gekommen, weil ich mich dagegen gewehrt habe, denn sonst hätten wir jetzt schon den ökolo­gischen Weg untergraben.

Tierschutzfreundliche Sachen: Wir wollen das, Herr Bundesrat Dönmez, Sie haben das angesprochen. Wir haben in Österreich die Käfighaltung im Jahr 2009 abgeschafft, drei Jahre bevor die EU das gefordert hat. Effekt: Zehn Staaten haben sich nicht daran gehalten. Zehn Staaten produzieren nach wie vor Käfigeier. Also es ist sehr wohl ein Problem der Europäischen Union zu sagen: Wie kann ich mein Gesetz durchsetzen, wenn sich ein paar Mitgliedsstaaten nicht daran halten – und wir das schön brav getan haben? Das heißt: Ja zum Tierschutz. Die Bauern sind ja die Ersten, die wissen, dass das Vieh keine Leistung bringt, wenn sie es schlecht behandeln. Aber das muss im europäischen Einklang sein, weil wir sonst am Markt verlieren, und dann zahlen unsere Bauern drauf  und das lasse ich nicht zu, das können wir nicht machen.

Eiweiß-Strategie: Die Europäische Kommission sagt jetzt bei der Reform der Agrar­politik, diese soll in Europa ökologischer werden, so wie es Österreich macht. Daher unterstützen wir sie. Was wir nicht unterstützen, sind die bürokratischen Kriterien. Wir wollen zum Beispiel nicht Flächen stilllegen. Es hat doch keinen Sinn, dass wir auf 93 Prozent der Flächen die Produktion steigern, weil die Weltbevölkerung wächst, und dafür 7 Prozent der Fläche stilllegen. Ökologische Vorrangflächen, Naturschutzflächen ja, völlig klar, aber wir sagen, bevor man stilllegt – und das ist auch der österreichische Vorschlag –: europäische Eiweiß-Strategie. Wir importieren riesige Mengen von Ei­weiß­futtermitteln, Soja aus Südamerika, Nordamerika, und jetzt bauen wir eine europäische Sojaproduktion und Eiweißfuttermittelproduktion auf. Und das soll aner­kannt werden als eine Form des Greening, als Kriterium für Direktzahlungen. Das ist der österreichische Vorschlag.

Wir haben auch ein konkretes Projekt ausgearbeitet, Donau Soja, wo die Länder entlang der Donau mittun sollen. Wir haben in Berlin bei der Grünen Woche zuletzt sieben Staaten des Balkans dafür gewonnen, auch die Schweiz tut mit, der süd­deutsche Raum sowieso, dass wir eine Sojaproduktion in Europa entlang der Donau hochziehen und in Europa von der Eiweißfuttermittelversorgung Unabhängigkeit gewin­nen. Daran arbeiten wir.

Jetzt noch einmal abschließend zu dem mehrjährigen Finanzrahmen: Es wurde gesagt, die Landwirtschaft sei sakrosankt. Das stimmt nicht. Der Vorwurf ist unfair, weil die Landwirtschaft auch bei diesen Sparpaketen immer einen Beitrag dazu geleistet hat, so wie alle anderen Bürger auch. Dazu stehe ich auch. Und wir wollen uns weiter­entwickeln. Nur halte ich es nicht für klug, dass derart massiv beim Agrarsektor gekürzt wird. Die EU bleibt ihren eigenen Werten nicht treu. Die EU hat sich eine Strategie bis 2020 gestellt: nachhaltiges Wachstum. Und dass sie den Sektor, der in Europa auch nachhaltig wachsen muss  mehr Menschen auf der Welt, höhere Qualitätslebens-


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mittel, Ernährungssicherheit , so stark kürzt, halte ich für einen schweren Fehler der Europäischen Union. Ich bekenne mich aber zum gemeinsamen Europa. Daher hoffen wir, dass das bei diesen Finanzverhandlungen korrigiert wird.

Natürlich ist es ein Riesengezerre, aber wir haben in der österreichischen Bundes­regierung vereinbart, dass der Bundeskanzler zwei Dinge prioritär vertritt: erstens die ländliche Entwicklung und zweitens den Österreich-Rabatt. Natürlich ist das Geld der ländlichen Entwicklung Geld für die Bauern, aber wir haben das immer so definiert, dass es Geld für den gesamten ländlichen Raum ist. Das haben wir immer so ver­standen, dass Landwirtschaft, Tourismus, Gewerbe, Handel zusammenarbeiten, dass wir im ländlichen Raum Arbeitsplätze schaffen.

Herr Bundesrat Schennach, jetzt muss ich Sie noch einmal ansprechen. Sie haben eigentlich das Bildungssystem kritisiert, denn Sie können nicht der Agrarpolitik vorwerfen, dass sie zu wenig Chancen für die Frauen im Bildungsbereich eröffnet. Da muss das Bildungssystem reformiert werden, um den Frauen eine Perspektive zu geben. Gerade im Agrarbereich werden 40 Prozent der Betriebe von Frauen geführt. Wir sind sehr dankbar, dass sie das tun, und in Wahrheit stehen die Bäuerinnen unter einer gewaltigen Mehrbelastung, weil sie oft Familie zu betreuen haben, alte Menschen zu pflegen haben. Mein Bemühen, unser Bemühen ist es, die Bäuerinnen auch von diesem enormen Arbeitsdruck und dem psychischen Druck, dem sie ausgesetzt sind, zu entlasten.

Daher arbeiten wir dort gemeinsam und kämpfen darum, dass wir eine ordentliche finanzielle Ausstattung bekommen – wir unterstützen ja den Bundeskanzler bei dieser schwierigen Aufgabe – und dass wir den ökologischen Weg, den die Bauern ja akzep­tieren, aber den auch die Gesellschaft in Österreich akzeptiert, weiter gehen können. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Posch.)

17.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.24.51 16. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2013 gemäß § 9 LWG 1992 (III-474-BR/2012 d.B. sowie 8893/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


17.25.09

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Herr Minister! Herr Präsident! Der Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2013 gemäß § 9 LWG 1992 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die Maßnah-


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men für Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2013 gemäß § 9 LWG 1992 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.25.44

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich hoffe, der Ratspräsident Van Rompuy hat nicht gehört, wie viel an Einkommen die österreichischen Bauern zugelegt haben, denn sonst wäre die Verhandlungsposition noch um ein Stück schlechter.

Der Agrarbericht hat 330 Seiten, und darum kann man verstehen, warum sich so viele Kollegen im Bundesrat damit auseinandersetzen. Und wenn er allgemein als gut befun­den wird, dann verstehe ich auch, dass der Maßnahmenkatalog für 2013 im Prinzip nur mehr 20 Seiten haben muss, denn im Agrarbericht 2012 wird ja eigentlich gesagt, wie gut die Landwirtschaft in Österreich aufgestellt ist.

Da halte ich es jetzt durchaus mit dem Kollegen Ertl, der da ein differenzierteres Bild dieses Agrarberichtes zeigt, und auch einige andere Kollegen argumentieren ähnlich und sehen durchaus auch Konfliktpotenzial, sage ich einmal, für diese Landwirtschaft in Österreich – denn seit 2001 hat die landwirtschaftliche Nutzfläche in Österreich immerhin um 200 000 Hektar abgenommen. Das ist so viel wie das ganze Burgenland an Agrarfläche überhaupt aufzuweisen hat, bezogen auf Vorarlberg beinahe 2,5-mal so viel. Diese Fläche geht ab.

Aber von wem wurde sie eigentlich aufgegeben? – Das sind die Kleinstbetriebe, immerhin 38 Prozent aller österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe, die unter zehn Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche liegen und die durchwegs zum Teil Umsätze zwischen 2 000 € und 10 000 € erwirtschaften. Das sind die kleinen Rindviehalter, die über die RGVE natürlich ein bisschen an Förderung kriegen. Aber am Ende hören sie nicht deswegen auf, weil sie in der Produktion nichts verdienen, sondern weil sie sich einfach diesen Firlefanz an AMA-Kontrollen, an Auflagen, an Produktionsrichtlinien nicht mehr antun wollen: in der Früh um 5 Uhr aufstehen, damit man um 7 Uhr als Nebenerwerbsbauer irgendwo in einer Firma stehen kann, und dann am Abend dasselbe Spiel noch einmal.

Wir gefährden den Rasenmäher der Nation, das ist der Bauer, der Kleinstbauer, der die Flächenlagen, die sehr aufgelehnt sind, auch noch bewirtschaftet.

Ich glaube, da müssen wir insgesamt ein Umdenken bewirken, und da hat der Kollege Zehentner durchaus recht: Die Großen kriegen ihr Geld verhältnismäßig leicht, während die Kleinen einerseits in der Arbeit ersticken und andererseits einfach die Rendite daraus nicht mehr funktioniert. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn ich da einfach nur anschaue, dass Jungbauern bei dem Produktions­ausstoß, den sie erwirtschaften, einen Qualifikationsnachweis erbringen müssen, um ein paar Euro an Förderungen zu kriegen, dann ist das einfach nicht mehr sinnvoll. Und in vielen Wirtschaftsbereichen kommt man zu Fördermöglichkeiten, ohne dass man sich bis auf die Unterhose ausziehen muss, um diese in Anspruch zu nehmen. (Bundesrätin Diesner-Wais:  Qualifizierung ist nicht schlecht!)

Eine Qualifizierung ist nicht schlecht. Nur jemand, der heute bis zur Matura, bis zur Hochschulausbildung alles gemacht oder einen Meisterberuf hat, der muss dann doch nicht nachgelagert auch noch einmal die Buchhaltung für die Landwirtschaft auf sich


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nehmen! Ich glaube, da schießen wir schon mit Kanonen auf Spatzen. Das ist nicht notwendig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es geht doch jetzt vor allem darum, dass uns diese Produktionsbetriebe, diese Lebensstätten der Menschen, der jungen Bauern erhalten bleiben. Es geht da gar nicht so sehr um die Produktion. Wir wissen ja, dass die, gemessen an der Gesamtproduk­tion, ohnehin nicht relevant ist, aber es geht doch darum, dass dieser Mensch, der es sich noch antut, diese Arbeit zu machen, dort bleibt. Für jeden, der dort draußen bleibt, brauchen wir nicht unbedingt in einer Stadt extra eine sozial geförderte Wohnung zu bauen, damit er sich das überhaupt leisten kann.

Das Gleiche gilt auch in Bezug auf die Einheitswerte. Jetzt haben wir diese kleinen Betriebe, die nichts erwirtschaften, und dann kommt die SPÖ auch noch daher, ist dabei und hält die Hand auf, wenn es darum geht, diese Einheitswerte auch noch zu erhöhen. Das heißt, wir erhöhen diesen Produzenten noch die Grundkosten. Wir brauchen diese Betriebe nur dadurch zu entlasten, dass sie weniger Bürokratie haben, weniger Grundkosten, also Kosten, die sie nicht beeinflussen können, dann werden sie auch bleiben, dann werden sie auch bereit sein, den Betrieb weiter zu erhalten  denn es ist ja schön, wir haben ja eine hohe Lebensqualität. Ich selber bin ja auch so einer.

Die Mutterkuhprämie spielt wieder genau in diesen Bereich hinein. Herr Bundes­minister, ich weiß, Frankreich will sie auch beibehalten. Ich weiß, dass sie auch mit einer nationalen Regelung beibehaltbar ist. Ich glaube nicht, dass wir da viel mehr Geld für die Bauern brauchen, aber wenn wir diesen Produzenten diese paar Euro noch wegnehmen, dann sind sie als Rasenmäher für uns weg. Ich frage mich: Wie wird die Tourismuswirtschaft, wie wird die Freizeitwirtschaft in 20 Jahren ihre Fotos machen, und wen wird sie noch auf diese Fläche hinstellen, damit man sie anpreisen kann und Österreich generell als wunderschönes Land überhaupt anbieten kann?

Wenn man sich die Produktionsauflagen für die Kleinen anschaut  ich rede jetzt nicht von den Großen, die können sich über die Wirtschaftlichkeit einiges selbst holen , dann haben die ein Reinheitsgebot wie beim Bierbrauen. Das sieht doch kein Mensch mehr ein! Und kaum ist dieses gut produzierte Lebensmittel bei der Lebensmittel­industrie, kann man es mit chemischen Zusatzstoffen so verändern und aufpeppen, dass es beinahe als Restmüll oder Sondermüll zu entsorgen ist. Das versteht doch kein Mensch mehr.

Wir müssen auch da eingreifen! Der Katalog der Lebensmittelzusätze ist so dick wie „Krieg und Frieden“ von Tolstoi. (Heiterkeit.) Aber auch da erlegen wir den Bauern Richtlinien auf, die vielleicht überzeichnet sein mögen. (Bundesrätin Diesner-Wais: Mich würde interessieren, bis zu welcher Größe das gehen mag!) – Ich spreche von diesen Umsatzbetrieben, die man ja sogar über Aufzeichnungspflichten und so weiter erfassen will. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.) Was weiß ich, 20 000 € Umsatz oder was immer, oder zehn Hektar Fläche. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Das sind 38 Prozent, bis zu zehn Hektar. Das heißt, 60 Prozent der Betriebe haben mehr als zehn Hektar Nutzfläche. Wenn ich zehn Hektar Nutz­fläche in Gunstlage habe, bin ich ein Betrieb mit 500 Schweinen oder so ähnlich. Das sind ja durchaus Größenordnungen, mit denen man schon arbeiten kann.

Den Bauern interessiert relativ wenig, was in diesem Maßnahmenkatalog steht. Für ihn ist entscheidend, was bei ihm ankommt, und vor allem, wie es ankommt. Und da, glaube ich, ist schon ein bisschen Hausverstand bei den Maßnahmen geboten, um diese einfacher, schneller und mit weniger Geldaufwand durchzuführen  denn die AMA-Kontrolle an sich kostet ja sehr viel Geld, wir könnten sie, und das ist ja auch gefallen, über Pauschalsätze entlasten.


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Wenn man sich nur diesen Wust an Almflächenkontrollen anschaut: Das ist peinlich. Wir haben versucht, mit einem Vermessungsbüro Flächen auszumessen. Dann wollten wir auch eine Unterschrift dafür haben, aber man kriegt keine. Man kann nicht garantieren, dass das, was man ausmisst, stimmt.

Die österreichische Kleinlandwirtschaft  die große wird sich schon durchschlagen, davon bin ich überzeugt, und sie hat auch eine verhältnismäßig gute Vertretung –, viele bäuerliche Kleinfamilien, kleine produzierende Bauern haben ein Recht darauf, ihre Höfe weiterhin bewirtschaften zu können. Dazu brauchen sie vielleicht nicht unbedingt viel mehr Fördergeld, aber dazu brauchen sie einfach ein bisschen mehr freie Hand, und diese sollten wir ihnen gewähren!  Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.34.43

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf kurz auf den Kollegen Pirolt eingehen, weil er immer wieder  und das sind wir gewohnt von den Freiheitlichen, von der sozialistischen Reichshälfte  ver­sucht zu differenzieren, einen Spalt zwischen große und kleine Betriebe zu treiben. (Bundesrat Pirolt: Nicht „immer wieder“! Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Es gibt eine Landwirtschaft, und das ist eine einheitliche Landwirtschaft, ist eine produzierende Landwirtschaft. (Bundesrat Pirolt: Das hast’ jetzt nicht verstanden!) Du hast es aber ohnehin gesagt: An sich willst du, dass ein Betrieb, ob er klein, groß ist, im Voll- oder im Nebenerwerb, im Zuerwerb geführt wird, etwas produziert, und das sollte ihm ermöglicht werden, das sollte ihm so einfach, wie es geht, ermöglicht werden. (Bundesrat Pirolt: Verhältnismäßigkeit!) Wenn ich richtig informiert bin, über­legt man in der nächsten Förderperiode auch für kleinere Betriebe – sprich: kleiner als zehn Hektar – eine unbürokratischere Maßnahme zu setzen, damit sie einfach zu ihrem Fördergeld kommen.

Ich stehe allerdings auch dafür, dass bei Betrieben, die Investitionsförderung erhalten, Jungunternehmerförderung erhalten, letztlich auch der Betriebsführer eine Qualifi­kation – sprich: Facharbeiterprüfung – nachweisen soll, weil eine Landwirtschaft nicht etwas ist, was man ohne Vorkenntnis führen kann, sondern auch da ist Qualifikation, Information und Bildung gefragt.

Geschätzte Damen und Herren, wir haben beim vorigen Tagesordnungspunkt den Grünen Bericht diskutiert, sprich: die Bilanz des Jahres 2011. Es geht jetzt, bei diesem Tagesordnungspunkt, darum, darüber zu diskutieren, wie man mit dieser Bilanz um­geht, welche Maßnahmen man umsetzt.

Ich bin froh, dass wir diese am Beginn eines Jahres diskutieren können. Warum müs­sen wir eigentlich Maßnahmen für die Landwirtschaft diskutieren?  Weil die Landwirt­schaft nicht ein Wirtschaftsbereich im herkömmlichen Sinn ist, sondern weil die öster­reichi­sche Landwirtschaft eine vielfältige Aufgabenstellung hat, eine Aufgabenstellung für die Gesellschaft, weil Nahrungsmittel für unsere Bürger mit einer hohen Sicherheit, in hoher Qualität produziert werden, und weil die Landwirtschaft natürlich auch für Umwelt und Landschaft eine große Verantwortung trägt.

Das Jahr 2013 ist sicherlich davon geprägt, dass wir die neue Förderperiode auch durchaus entsprechend diskutieren und dass das bestehende System möglicherweise im letzten oder auf jeden Fall im vorletzten Jahr umgesetzt wird.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 158

Uns und den Bauern in Österreich ist wichtig, dass die Direktzahlungen fortgeführt werden, weil es da um die Existenzsicherung vieler landwirtschaftlicher Betriebe geht. Aber es geht nicht nur um die Existenzsicherung der landwirtschaftlichen Betriebe, es geht auch um die Möglichkeit für österreichische Konsumenten, preisgünstige Lebens­mittel zu erwerben, Lebensmittel in hoher Qualität aus der heimischen Produktion zu erhalten. Und deswegen sollte die Aufrechterhaltung dieser Direktzahlungen dem Kon­su­menten in Österreich genauso wichtig sein wie der Landwirtschaft.

Neben der Basisförderung, neben der Betriebsprämie ist für die österreichische Landwirtschaft aber auch die zweite Säule, die ländliche Entwicklung, ein wesentlicher Bereich. Warum?  Weil die ländliche Entwicklung eigentlich die Zukunft der Landwirt­schaft anspricht. 50 Prozent der Mittel kommen aus der Europäischen Union, aber 50 Prozent müssen wir in Österreich selbst finanzieren, und das heißt, das muss auch uns in unserem Heimatland etwas bedeuten und es muss auch uns wichtig sein. Ich darf darum bitten, dass auf Bundesebene die Kofinanzierungsmittel sichergestellt werden.

In Niederösterreich gibt es bereits die Zusage, wie in der Vergangenheit auch in Zukunft den Landesteil entsprechend sicherzustellen.

Was wollen wir mit diesen Geldern für die ländlichen Entwicklung?  Wir wollen zum einen die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, weil nur eine produzierende Landwirt­schaft eine Landwirtschaft mit Zukunft ist. Daher ist es notwendig, Betriebe, die sich immer weiterentwickeln, Herr Kollege Zehentner, auch entsprechend zu rationalisieren, zu modernisieren, und da bedarf es einer entsprechenden Investitionsförderung.

Wir müssen in der Landwirtschaft aber auch innovativ tätig sein, sprich: Produktent­wicklung, Produktgestaltung, wir müssen auch neue Produkte ins Auge fassen und uns bei der Vermarktung stärker positionieren. Ich darf dir, Herr Minister, danken und hoffen, dass die Schiene GENUSS REGION ÖSTERREICH auch in der nächsten Periode weitergeführt wird.

Wir wollen unsere Jungübernehmer fördern und fordern, und dazu bedarf es einer Jungüber­nehmerförderung. Wir können stolz sein, in Österreich die jüngste Landwirt­schaft Europas zu haben, und das ist auch ein positives Signal für die Zukunft.

Wir wollen mit dieser ländlichen Entwicklung natürlich auch eine starke Umwelt­orientierung beibehalten und ausbauen. Und das ÖPUL-Programm, das in Europa viel beachtet wird, ist Teil dieser ländlichen Entwicklung. Natürlich brauchen wir als touris­tisches Land auch die Landschaftspflege – sprich: die Bergbauernförderung –, und da gilt es, sich entsprechend einzusetzen. Da geht es nicht um groß oder klein, da geht es um Leistungen für die Gesellschaft, die jeder Bauer erbringt und dementsprechend auch abgegolten erhalten soll.

Es bleibt zu hoffen, dass der Herr Bundeskanzler Faymann in den laufenden Verhand­lungen seinen Auftrag und seine Aufgabe als Bundeskanzler, als Regierungschef auch entsprechend ernst nimmt, dass er die Mittel, die wir brauchen, um diese Maßnahmen umzusetzen, auch nach Hause bringt – nicht in einem höheren Umfang, wie der Herr Bundesminister gesagt hat, sondern in dem Ausmaß, wie es bisher gegeben war. (Bundesrat Mag. Klug: Haben Sie den Eindruck, dass er das bisher nicht gemacht hat?) Ich hoffe es und ich wünsche es, und ich gehe davon aus, dass er seine Aufgabe als Regierungschef wahrnimmt. Das habe ich auch so gesagt, Herr Kollege.

Ich danke auch Kollegin Köstinger, dass es möglich war, zumindest einen Teilschritt in Richtung Verbesserung bei den Maßnahmen, die gefordert werden – sprich: Stilllegung bei Greening-Maßnahmen –, zu setzen, das heißt, dass hier unsere ÖPUL-Maßnah-


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men eingerechnet werden können, dass Eiweißprogramme eingerechnet werden können, da wir produzieren und nicht Flächen stilllegen wollen.

Eine wesentliche Zukunftsfrage der Landwirtschaft neben der ländlichen Entwicklung ist natürlich auch jene der Risikoabdeckung, der Risikovorsorge in der Landwirtschaft. Wir sind mit Ertragsschwankungen behaftet, die Einkommensschwankungen im Grü­nen Bericht zeigen das. Und deshalb ist es gut und richtig, wenn Missernten versicher­bar sind, wenn es hier öffentliche Zuschüsse gibt, wenn auch mein Heimatland Niederösterreich hier mitfinanziert, um zum Beispiel im Rinderbereich eine höhere Risikoabdeckung zu erreichen. Und hier darf ich unserem Landesrat Pernkopf recht herzlich danken.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass es auch nicht versicherbare Risken gibt, wie wir es im vergangenen Jahr im Weinbau erlebt haben, wo auch das Land Niederösterreich entsprechend eingetreten ist, da es notwendig ist, rasch zu helfen, wenn es Katastro­phen gibt.

Es gibt auch ein Risiko innerhalb der bäuerlichen Familie, etwa wenn ein Betriebs­führer krank wird, wenn die Bäuerin krank wird. Und da ist mit der Betriebshilfe, mit den DorfhelferInnen ein positives Beispiel zu nennen, das entsprechend erfolgreich umge­setzt wird.

Risikoschwankungen gibt es natürlich auch im Bereich der Preisgestaltung. Volatile Preise gibt es, und denen sollten wir entgegenwirken. Deshalb sollte keine Spekulation auf Lebensmittel möglich sein, die nicht der Preisstabilität dient. Und es sollte in Zukunft wieder überlegt werden, stärker die Lagerhaltung durch den öffentlichen Bereich voranzutreiben.

Geschätzte Damen und Herren! Die Maßnahmen, die in diesem Maßnahmenkatalog für das kommende Jahr vorgestellt und vorgeschlagen sind, sollen dazu dienen, eine flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft in Österreich sicherzustellen. Ich hoffe, dass in den laufenden Verhandlungen auch die finanziellen Mittel sichergestellt werden und dass dann, Herr Bundesminister, bei der Umsetzung der Agrarreform 2014 bis 2020 Spielregeln, Maßnahmen erarbeitet werden, die den österreichischen Bäuerinnen und Bauern die Zukunft sichern und auch den Konsumenten dienen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischen­zeitlich ist mir das vorläufige Stenographische Protokoll zugekommen. Herr Bundesrat Todt hat ausgeführt:

Dort treffen sich nämlich Leute, „um ihren Meinungsaustausch auf einer sogenannten gemeinschaftlichen Ballveranstaltung – ,Faschingsveranstaltung‘ haben Sie es ge­nannt – durchzuführen. Das heißt, es gibt Menschen, die dagegen protestieren, dass sich Menschen treffen, die den Holocaust verherrlichen.“

Das ist zwar ein harter Vorwurf, hat sich aber in dieser Formulierung nicht pauschal gegen alle Ballgäste gerichtet, weshalb ich von einem Ordnungsruf absehe – und auch in allen anderen Fällen von Zwischenrufen als Beitrag für den Frieden von Ordnungs­rufen absehe.

*****

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zehentner. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 160

17.45.06

Bundesrat Robert Zehentner (SPÖ, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Sehr verehrte Damen und Herren zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Es steht nun der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 2013 zur Diskussion.

Erstens einmal, Herr Minister, möchte ich mich bei dir bedanken, dass wir heute den Bericht diskutieren und nicht, wie es in der Vergangenheit war, im September oder Oktober, denn da hat ein Vorhabensbericht nicht mehr wirklich viel Sinn. (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.) Aber es war so.

Dass dieser Bericht keine großartigen Veränderungen ausweist, ist aufgrund der Tatsache, dass EU-weit ab 2014 eine neue Förderperiode beginnt, durchaus verständ­lich. Es gibt aber einen gar nicht so kleinen nationalen Spielraum, den wir durchaus auch für Maßnahmen im Jahr 2013 nützen könnten. (Bundesrat Ertl: Die Verhand­lungen sind erst heute, oder?)

Es ist heute schon ein paar Mal der Begriff „flächendeckende Landwirtschaft“ gefallen. Diese wollen wir ja alle, das ist doch gar keine Frage. Man muss aber immer dazu sagen: flächendeckende Landwirtschaft mit wie vielen Bauern? Denn es lässt sich gerade im Ackerbau in Österreich mit wesentlich weniger Bauern auch noch eine flächendeckende Landwirtschaft umsetzen. Im Grünland wird es ein bisschen schwie­riger, und bei den Bergbauern ist es sehr schwierig, mit weniger Bauern eine flächen­deckende Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Es geht also nicht nur um den Ober­begriff „flächendeckende Landwirtschaft“, sondern man muss immer auch dazusagen, will man das mit möglichst vielen Bauern oder mit möglichst wenig Bauern, denn das ist ein riesiges Spannungsfeld.

Einen Punkt muss ich auch noch in die Diskussion einbringen. Es wird immer gesagt, in Österreich gibt es so eine klein strukturierte Landwirtschaft. Wir sind da im euro­päischen Vergleich genau im Mittelfeld. In etwa die Hälfte der europäischen Mitglieder hat eine kleiner strukturierte Landwirtschaft als wir und die andere Hälfte eine größer strukturierte. Wir sind also nicht nur die Kleinen.

Wenn im Vorhabensbericht festgestellt wird, dass sich die Einkommensschere der Bergbauern und Nicht-Bergbauern weiter geöffnet hat, dann erwarte ich mir eigentlich schon auch einen Vorschlag – wenn er auch erst 2014 oder ein Jahr später umgesetzt werden kann –, wie man diesem Umstand entgegenwirkt.

Im vorliegenden Bericht wird auch die Notwendigkeit von Investitionen im bäuerlichen Bereich unterstrichen. Das ist ja zweifelsohne notwendig, aber man sollte auch daran erinnern, dass wir Bauern seit März 2012 leider mit einem Förderungsstopp leben müs­sen.

Und das Dritte in diesem Vorhabensbericht, das ich im Besonderen hinterfragen möchte: Es steht im Vorhabensbericht drinnen, dass es auch einen Bereich gibt, wo die Imkerei gefördert wird. Dass wir aber die leidige Situation haben, dass ein relativ kleiner Teil der Bauern immer noch ein Maisbeizmittel verwendet, das hochgiftig und hochproblematisch für die Bienenhalter ist, davon steht im Vorhabensbericht nichts. Nun ist die EU dabei, wie wir vor zwei, drei Tagen über die Medien gehört haben, dieses Maisbeizmittel zu verbieten. Da muss ich schon sagen, das Bioland Österreich, der Ökovorreiter und Nachhaltigkeitspionier in der EU, schafft es aus eigener Kraft nicht, zum Schutz unserer Bienen und auch zum Schutz des Honigs, eines wichtigen Lebensmittels, hier zu einem Verbot zu kommen. Da bleibt man in der Diskussion stecken. Alle hier wollen ein Verbot, aber es wird letztendlich nicht umgesetzt. Und


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 161

das, glaube ich, ist schon eine Situation, wo nationales Handeln notwendig ist und auch möglich wäre. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Kersch­baum.)

Nachdem jetzt für die Bundesregierung die sogenannte Rapid-Viertelstunde ange­laufen ist, habe ich mir auch das Regierungsprogramm ein bisschen angeschaut, was man da 2008 hineingeschrieben hat. Und da ist mir ein sehr interessanter Satz aufgefallen:

Die Bundesregierung wird sich bei künftigen Verhandlungen klar positionieren, dass auf EU-Ebene der Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft und die Qualität der Produkte als Kriterien für Direktzahlungen im Besonderen Berücksichtigung finden.

Meine Frage an Sie, Herr Minister: Was ist diesbezüglich geschehen? Im Verhand­lungspapier sehe ich nicht wirklich etwas davon, und im Vorhabensbericht sehe ich auch nichts. – In diesem Sinne danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Kerschbaum.)

17.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Temmel. – Bitte.

 


17.50.54

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Folgendes als Replik auf die Ausführungen des Kollegen Schennach, der zu den bäuerlichen Vertretern im Zusammenhang mit der Förderung der Frauen in der Landwirtschaft gesagt hat, das müsse mehr sein als nur die Goldhauben-Vertretung: Also ich kann dazu berichten, dass bereits 40 Prozent der Betriebe von Bäuerinnen bestens geführt werden und der überwiegende Teil der Frauen die gute Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Haushalt auf den Bauernhöfen sowie die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit schätzt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Blatnik: Das hat er aber gesagt!)

Im Rahmen des ländlichen Entwicklungsprogrammes 2007 bis 2013 wird erfolgreich das Bildungsprojekt Zukunftsorientierte Agrarwirtschaftliche Motivation mit dem Ziel umgesetzt, die unternehmerische Kompetenz zu stärken und für die Mitarbeit in politischen Einrichtungen und Institutionen zu werben.

Soziale Errungenschaften, Anspruch auf Pension, Karenz- und Pflegegeld und Kinder­betreuung machen den Beruf der Bäuerin attraktiver.

Österreichs Bäuerinnen und Bauern stellen die Versorgung der Bevölkerung mit hoch­wertigen Lebensmitteln sicher. Das ist nach wie vor die zentrale Aufgabe der öster­reichi­schen Landwirtschaft.

Ich glaube, dass man es nicht oft genug sagen kann – obwohl es einige Vorredner bereits erwähnt haben –: Die österreichische Landwirtschaft produziert nicht nur ge­sunde Lebensmittel, sondern sie sorgt auch für die Herstellung von Energie durch nachwachsende Rohstoffe, den Schutz der Umwelt, den Erhalt sauberen Trinkwas­sers, die Schaffung und Erhaltung einer abwechslungsreichen Landschaft, was beson­ders für uns als Tourismusland ökonomisch sehr wichtig ist. Sie sorgt für gesunde Wälder, den Erhalt des lebendigen ländlichen Raumes, sie sorgt für soziale und kulturelle Leistungen, die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und Dienstleis­tungen im ländlichen Raum.

Selbstverständlich müssen diese positiven Leistungen, die für die gesamte Gesell­schaft erbracht werden, abgegolten werden.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 162

Erfreulich ist, dass sich die österreichische Bundesregierung auf europäischer Ebene dazu bekennt, eine nachhaltige multifunktionale und flächendeckende Landwirtschaft auch in Zukunft durch Förderungen und Leistungsabgeltungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union sicherzustellen.

Vor allem in der zweiten Säule, der ländlichen Entwicklung, ist es Österreich gelungen, die vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen.

Neben den vier Schwerpunkten Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt und Landschaft, Lebensqualität und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft ist mir als Obmann der LEADER-Gruppe Südburgenland natürlich auch das LEADER-Programm wichtig. Kollege Ertl, Ihrer Behauptung, dass da nichts Wesentliches umgesetzt würde, muss ich entgegensetzen: Die Ziele der ländlichen Entwicklung werden hier bestens umgesetzt! (Bundesrat Ertl: Das sagt der Rechnungshof! Den Rechnungshofbericht muss man durchlesen!) Dabei ist besonders wichtig, dass Entscheidungsträger aus den Regionen professionelle Strukturen nutzen, und so sinnvolle Projekte, die aus der Region entwickelt werden, auch umgesetzt werden.

Obwohl dieser Schwerpunkt nur 5 Prozent der finanziellen Mittel der zweiten Säule beträgt, werden in der laufenden Periode von 2007 bis 2013 allein für das Südburgen­land 8,5 Millionen € Fördergelder ausbezahlt. Diese Mittel werden großteils für Klein- und Mittelbetriebe, für Tourismus, Dorferneuerung, erneuerbare Energie, Naturschutz und Mobilität verwendet und stärken so den gesamten ländlichen Raum.

Ich gratuliere auch dem Vorsitzland Vorarlberg. Es wurde das Motto gewählt: Gemein­sam Verantwortung tragen. – Wie bereits erwähnt, hat die österreichische Bundes­regie­rung durch die gemeinsame Vorgangsweise in der Landwirtschaftspolitik gegen­über der Europäischen Union und mit der neuen Einheitswertregelung bewiesen, dass ihr die Entwicklung des ländlichen Raumes ein wichtiges Anliegen ist. Durch diese Entscheidungen wird die Arbeit aller Bäuerinnen und Bauern und aller Menschen, die Verantwortung für ländliche Gebiete tragen, gewürdigt und geschätzt.

Stellvertretend für alle Verantwortlichen danke ich unserem Bundesminister und selbst­verständlich auch allen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren unermüd­lichen Einsatz. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

17.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte, Herr Minister.

 


17.55.55

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das eine ist das EU-Budget, das von 2014 bis 2020 die finanziellen Rahmenbedingungen darstellt. Darum geht es eben heute in der Nacht und morgen bei den Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs, und es ist eine Einigung möglich, wiewohl wir wissen, dass das eine Riesenherausforderung ist, weil halt jeder Staat seine Interessen einbringt. Aber letztendlich muss das gemeinsame Europa auch handlungsfähig sein und ein Budget zustande bringen, das eine Perspektive bietet. Das ist die Grundvoraussetzung.

In der Folge soll es dann zum Beschluss der Gemeinsamen Agrarpolitik kommen. Wir bereiten das jetzt schon ein paar Jahre intensiv vor. Sehr viel Detailarbeit muss hier geleistet werden.

Wir haben vorhin bereits darüber geredet: Wenn es zu wenig Geld gibt, wird es eine bäuerliche Landwirtschaft in Zukunft nicht mehr geben. Aber gehen wir davon aus,


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 163

dass es gelingt, entsprechende Finanzmittel zu sichern. Dann geht es sehr wohl auch um die Ausgestaltung der Details der Agrarpolitik. Wir unterstützen eine Ökologisierung eindeutig, wir unterstützen aber auch eine Perspektive in der zweiten Säule. Es müs­sen die Direktzahlungen für die Betriebe, die alle europäischen Bauern bekommen, eine ökologische Komponente haben. Aber es geht eben um die Details, und da lehnen wir zusätzliche Bürokratie ab, und was wir machen wollen, ist, dass wir natürlich Kleinbetriebe unterstützen, dass die eine Perspektive bekommen, dass die von Bürokratie entlastet werden und eine Chance bekommen.

Natürlich haben die Bergbauern eine Bedeutung, das ist ja keine Frage, aber wir müs­sen auf alle Bauern schauen, auf die Bergbauern und auf die Bauern in allen öster­reichischen Regionen. Die Vielfalt der österreichischen Landwirtschaft macht es aus, die Buntheit, und mit speziellen Programmen versuchen wir, das abzudecken. Der Mehraufwand, den Bergbauern zweifellos haben, wird ja aktuell über das Bergbauern­programm abgegolten, wo zusätzliche Erschwernisse zusätzlich abgegolten werden. Das will ich auch in Zukunft weiterführen, nur dazu braucht es Geld.

Es gibt schon viele, die verteilen und sagen, diese oder jene sollen etwas bekommen, aber: Ohne Geld ka Musi! Solang wir das Geld nicht haben, können wir nichts verteilen – daher einmal Finanzmittel sichern und dann die Details ausgestalten!

Was aber wichtig ist neben dem Sicherheitsnetz der Direktzahlungen und eines Berg­bauernprogrammes, ist, dass wir den Betrieben Chancen eröffnen. Natürlich will jeder Bauer vom Produktpreis leben, aber Faktum ist auch, wenn es hier auch geheißen hat, die Konsumenten sind ja auch bereit, für Lebensmittel entsprechend zu zahlen, dass es dann in der Praxis oft nicht so ist, dass dann oft doch sehr wohl der Preis ent­scheidet.

Daher geht es darum, dass wir hier Chancen öffnen, und wir können à la longue nur erfolgreich sein – und das ist meine Politik –, wenn wir Österreich als ein Top-Lebens­mittelland darstellen, über die Genussregionen, über Lebensmittel, die regionaler Herkunft sind, die einen Geschmack haben, die Sicherheit bieten, wo die Österreiche­rin­nen und Österreicher sagen, ja, das ist Österreich, das schmeckt uns, und das kaufen wir auch, dafür sind wir bereit, auch mehr zu bezahlen.

Der Preiskampf bringt es ja mit sich, dass die kleineren Bauern auf der Strecke bleiben. Das ist doch die Wahrheit. Es muss sich jeder nur selber beim Einkauf bei der Nase nehmen und gar nicht auf andere zeigen. Kaufen Sie immer wieder bäuerliche Produkte, dass die Bauern auch leben können? (Bundesrätin Mag. Kurz: Sicher! Das ist doch selbstverständlich!) Wenn Sie es tun, ist es gut. Genau diese Allianz suche ich, dass die Bauern ihre Partner haben in den Konsumenten und dass die keine Gegner sind, weil der Konsument jeden Tag, wenn er ins Supermarktregal greift, entscheidet, ob es eine bäuerliche Landwirtschaft gibt oder eine industrielle. Und die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten halten uns ja die Treue, und das wollen wir auch bedienen.

Marktchancen eröffnen heißt, dass wir Projekte aus der ländlichen Entwicklung fördern, und ich will Ihnen ein Beispiel geben, dass wir dieses Geld gut veranlagen: Heumilch-Initiative. Mir hat ein Bergbauer erzählt, er muss sich so plagen und oben irgendwo auf der Alm Milch produzieren und verkauft sie dann im Tal und bekommt nichts dafür. Daher haben wir gemeinsam mit den Bauern die Heumilch-Initiative entwickelt, dass der, der oben auf der Alm hochwertige Milch erzeugt, auch einen Mehrwert bekommt. Mittlerweile gibt es eine Erfolgsbilanz: 8 000 Bauern sind dabei, und sie bekommen mehr Geld für ihre Milch – insgesamt 16 Millionen € mehr an Wertschöpfung –, als wenn sie die Milch normal verkaufen würden.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 164

Die Initiative ist so erfolgreich, dass wir sie ausbauen wollen. Das ist ein Projekt, das wir aus Mitteln der ländlichen Entwicklung fördern. Deswegen kämpfe ich mit Leiden­schaft für diese Gelder, weil wir dort Marktchancen eröffnen, nicht Bauern nur Prämien geben, sondern sagen, auf dem Markt erfolgreich zu sein, dort ein höheres Einkommen zu erzielen und auch Konsumentenwünsche abzudecken, das ist unsere Politik, die wir gehen.

Was ich will und wozu auch viele Bauern bereit sind, ist eine Landwirtschaft, die pro­duziert. Steigende Weltbevölkerung: Wir brauchen mehr Lebensmittel. Aber gleich­zeitig geht es darum, dass die Bauern auch eine ökologischen Verantwortung haben, dass sie auf Boden, Luft und Wasser schauen und auch die Landschaft erhalten. Das ist ein Ringen.

Weil Sie das angesprochen haben: Auf der europäischen Ebene hat es Vorschläge gegeben, die den Nebenerwerb aus den Förderprogrammen hinausgedrängt hätten. Die haben gesagt: Entscheidend ist das landwirtschaftliche Einkommen, und wer daneben ein Einkommen hat, soll vielleicht rausfallen. Wir haben dafür gekämpft, weil wir auch einem Nebenerwerbsbauern eine Perspektive geben wollen.

Abschließend: Ich habe zwei Initiativen auf der europäischen Ebene gestartet. Das erste ist ein europäisches Lebensmittelmodell. Wir brauchen eine neue Werthaltung zum Thema Lebensmittel und nicht einen mörderischen Konkurrenzkampf, unter dem letztendlich die Qualität leidet, bei dem die Bauern auf der Strecke bleiben und auch die Konsumenten, weil sie eine mindere Qualität bekommen. Das europäische Lebensmittelmodell wurde in Brüssel eingebracht, es wird von 16 Mitgliedstaaten unterstützt.

Die zweite Initiative ist: Lebensmittel sind kostbar. Es werden riesige Mengen an Lebensmitteln weggeworfen, wir wollen diese Verschwendung stoppen. Ich habe die Sozialpartner ins Boot bekommen, Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer, ÖGB und Arbeiterkammer. Wir wollen gemeinsam als ein österreichisches Anliegen die Menschen aufklären und informieren, damit wir die Lebensmittelverschwendung stoppen, und damit auch dem Schöpfungsgedanken nachkommen. Das ist ein wich­tiger Aspekt.

Wir werden das sehr stark mit Leben erfüllen. Ich hoffe, Sie unterstützen uns dabei. Ich lade Sie dazu ein, dass wir gemeinsam diesen Weg gehen, denn da können wir Österreich nachhaltig verändern und etwas Positives leisten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.02.3017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Gasölen für nicht auf See befindliche Binnen­schiffe und Sportboote sowie für mobile Maschinen und Geräte (1993 d.B. und 2130 d.B. sowie 8895/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 165

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Ich bitte Frau Bundesrätin Lugsteiner um den Bericht.

 


18.02.58

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Ich bringe den Bericht des Umweltaus­schus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2013 betreffend ein Bun­desgesetz über das Inverkehrbringen von Gasölen für nicht auf See befindliche Binnenschiffe und Sportboote sowie für mobile Maschinen und Geräte.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

18.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke der Vorsitzenden für die Bericht­erstattung.

Wortmeldungen liegen mir dazu keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Damit ist die Debatte geschlossen, und wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

18.04.1318. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträg­lichkeitsprüfung in Österreich (5. UVP-Bericht) (III-466-BR/2012 d.B. sowie 8896/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter wäre wieder Herr Bundesrat Konrad. Ich nehme an, Frau Vorsitzende Lugsteiner wird uns auch diesen Bericht bringen. – Bitte, Frau Vorsitzende.

 


18.04.27

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Herr Präsident! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 2013 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltver­träglichkeitsprüfung in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 166

18.05.23

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt den 5. UVP-Bericht des Bundesministeriums für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Diskussion vorliegen. Der Bericht umfasst insgesamt 112 Seiten, ist sehr übersichtlich von der Einleitung bis hin zu den Anhängen gegliedert und sehr aufschlussreich und verständlich formuliert.

Ziel dieses Berichtes ist es insbesondere, einen Überblick über die bisherigen Erfah­rungen mit der Vollziehung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 im Berichtszeitraum von März 2009 bis 2012 zu geben. Es wird die Tätigkeit der mit der UVP befassten Organe gezeigt. Weiters wird über die Aktivitäten in der EU und im internationalen Bereich berichtet.

Ich möchte eingangs kurz auf die Aufgaben und Grundlagen der UVP eingehen. Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 sieht eine äußerst wichtige Prüfung und Bewertung möglicher Auswirkungen eines Projektes auf die Umwelt in all ihren Facetten unter Beteiligung der Öffentlichkeit vor der Verwirklichung beziehungsweise Umsetzung des jeweilig betroffenen Projektes vor. Geprüft werden hier unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf fast alle Bereiche wie auf uns Menschen, auf Tiere, Pflanzen sowie auf unsere und deren Lebensräume, aber auch auf Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft.

Als Bürgermeister – und es sind ja auch einige Bürgermeister hier in diesem Hohen Haus vertreten – sind wir in Umweltverträglichkeitsprüfungen sehr oft direkt vertreten und davon betroffen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass dieses UVP-Gesetz immer wieder novelliert und den tatsächlichen Anforderungen angepasst wurde und auch in Zukunft angepasst werden wird. All diese Novellierungen sind im vorliegenden Bericht detailliert angeführt.

Die letzte Novelle beinhaltet wichtige Schritte wie zum Beispiel Verfahrens­verein­fachungen durch eine freiwillige Umweltverträglichkeitsprüfung statt der Einzelfall­prüfung, den Entfall der Parteistellung von mitwirkenden Behörden im Feststellungs­verfahren, die Vereinfachung bei Einreichunterlagen von Projektwerbern sowie viele, viele Sonder- beziehungsweise Neuregelungen und Ergänzungen. Ich möchte hier speziell auf die Windkraftproblematik hinweisen.

Betreffend den Vollzug gibt der Bericht einen eindrucksvollen Überblick über durch­geführte UVP-Feststellungsverfahren und die Entwicklung der UVP-Genehmigungs­verfahren. Erstmals wird auch über das Verfahrensmonitoring berichtet.

Insgesamt wurden seit 2000 beim Umweltbundesamt 943 Feststellungsbescheide erfasst, wobei in 83 Prozent der Feststellungsbescheide festgestellt wurde, dass keine UVP-Pflicht besteht. Die Verteilung der einzelnen Fälle ist in verschiedenen, gut über­schaubaren Diagrammen und Grafiken im Bericht dargestellt. Auch die Verfahrens­dauer der verschiedensten Verfahren ist eindrucksvoll dargestellt, wobei ich hier sicher keine Einzelwerte darstellen werde, da diese bei Interesse nachlesbar sind.

Ein weiterer interessanter Teil des Berichtes sind die angeführten Fallbeispiele. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass seit dem Jahre 2004 Umweltorganisationen die Ein­haltung von Umweltschutzvorschriften als Partei im Verfahren geltend machen können. Ich möchte hier nur erwähnen, dass die Vorab-Anerkennung sehr wichtig ist und dass derzeit insgesamt 36 Umweltorganisationen für diese Tätigkeiten anerkannt sind.

Eine wichtige Einrichtung ist der Umweltsenat, der als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde eingerichtet ist, aus insgesamt 42 Mitgliedern besteht und in 18 Kam-


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 167

mern entscheidet. Auch die Tätigkeit des Umweltsenates ist in all seinen Aufgaben­gebieten ausführlich beschrieben.

Für mich als Bürgermeister einer grenznahen Gemeinde ist das grenzüberschreitende UVP-Verfahren sehr wichtig, da ja die möglichen Auswirkungen eines Projektes an der Ländergrenze nicht Halt machen. Aktuell möchte ich da auf bevorstehende oder in Planung befindliche allfällige AKW-Ausbauten oder Atommüllendlagerstätten in unserer Nachbarrepublik Tschechien hinweisen.

Auch die im Berichtszeitraum durchgeführten Verfahren sind im Bericht angeführt. Ein weiterer interessanter Teil des Berichtes sind die angeführten Verfahren, deren Dauer und der Verfahrensstand zum Zeitpunkt März 2012, wobei hier eine Palette quer über unsere Republik darstellbar ist. Ich bin absichtlich auf keine detailliert im Bericht angeführten Verfahren eingegangen, da mir keine Bewertung der Wichtigkeit zusteht, möchte mich aber abschließend bei dir, sehr geehrter Herr Minister, der du als Minister politisch dafür verantwortlich bist, und vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern deines Bundesministeriums, die für den Inhalt des Berichtes verantwortlich sind, sehr herzlich für die umfassenden, verständlichen, vor allem aber übersichtlichen und objektiven Inhalte bedanken.

Wir nehmen diesen 5. UVP-Bericht gerne zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Taucher. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.10.46

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Lebensminister! Ich durfte für meine Fraktion den Bericht über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung in den letzten Tagen durcharbeiten, und ich muss feststellen, dass er sehr, sehr ausführlich ist. Die Statistik ist sehr übersichtlich. Mein Vorredner hat ja die Statistik schon ausführlich erläutert; ich möchte nur auf zwei Punkte, die mir besonders wichtig erscheinen, eingehen.

Der erste ist, dass die Verfahrensdauer in den letzten Jahren verkürzt werden konnte. Es ist, glaube ich, wichtig für Projektwerber, dass wir in unserem Land Projekte voran­bringen und dass bürokratische Abläufe nicht zu lange dauern. Das ist also positiv hervorzuheben.

Der zweite – das möchte ich als Verfechter von Bürgerbeteiligungsverfahren, von Öffentlichkeitsbeteiligung und als aufrechter Demokrat gerne hervorheben – ist natürlich, dass hier die Aarhus-Konvention berücksichtigt wird und dass es seit 2004 möglich ist, Parteienstellung zu bekommen als Umweltverein, der gemeinnützig ist und seit drei Jahren eine Tätigkeit hauptsächlich im Umweltbereich nachweisen kann, so­dass diese Vereine sich eintragen lassen können und als Partei in Verfahren auch gehört werden, Einsicht haben und natürlich ihre Bedenken oder Sorgen einbringen können.

Das ist, glaube ich, ein ganz wesentlicher Punkt, denn jeder von uns hat schon Straßenbauprojekte, Eisenbahnprojekte und so weiter erlebt. Wir beleuchten das oft aus unterschiedlichen Sichtweisen. Wir glauben, es ist wichtig, dass etwas getan wird für die Wirtschaft – für Transport, für Verkehr, für die Energiewirtschaft, wie beispiels­weise bei den Windkraftanlagen –, und sehen bestimmte Sachlagen oder Fakten überhaupt nicht, wie etwa den Vogelzug bei den Windkraftwerken oder beim neuen Bahnhof Stadlau die Nistplätze der Fledermäuse und der Neuntöter, das ist eine ganz gefährdete Vogelart, die nur mehr dort einen Nistplatz hat.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 168

Das würden wir als Politiker oder als Projektwerber vielleicht gar nicht so betrachten. Dadurch, dass Umweltorganisationen hier Parteienstellung haben und beteiligt werden, werden auch diese Dinge betrachtet, werden Fledermäuse umgesiedelt, werden Natur­schutzkriterien mit berücksichtigt, und damit wird ein Projekt natürlich auch besser. Ich glaube, es wird besser einerseits für die Umwelt, für die Tiere, für die Artenvielfalt. Aber andererseits auch für die Menschen wird es besser, denn schlussendlich ist es ja diese Umwelt, in der wir leben, in der wir täglich atmen, in der wir essen, uns bewegen, uns fortbewegen, unser Leben leben. Deswegen ist dieser Punkt mit der Aarhus-Kon­vention und der Öffentlichkeitsbeteiligung sehr, sehr hervorzuheben.

Ich bedanke mich abschließend auch für diesen wirklich umfassenden und inter­essanten Bericht. Meine Fraktion wird diesen Bericht zustimmend, positiv zur Kenntnis nehmen. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.14.22

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz darauf eingehen, dass Sie meine Wasserfrage vorhin gar nicht beantwortet haben – als Landwirtschaftsminister, vielleicht geht es als Umweltminister noch ganz kurz –, ob da an eine Umstellung auf Screenings gedacht ist.

Aber nun zum UVP-Bericht: Natürlich werden wir dem UVP-Bericht gerne zustimmen. Der Bericht ist umfangreich, die Daten sind interessant, keine Frage. Ich möchte nur auf eine Kleinigkeit hinweisen, vielleicht kann man das beim nächsten Bericht berück­sichtigen: Die Zeitangaben sind bei den Tabellen nicht dabei, man muss dann immer nachrechnen, sind das jetzt Tage, Monate oder Wochen. – Man kann es natürlich verstehen, aber es wäre vielleicht schön, beim nächsten Bericht daran zu denken.

Was mir auch gut gefällt, ist, dass man in dem Bericht offen und ehrlich die diversen EU-Beschwerdeverfahren anspricht, die wir in diesem Zusammenhang leider immer wieder mit unserer UVP-Gesetzgebung haben. Es gibt aber natürlich auch andere Länder, die diese Probleme haben.

Ein Punkt, der mir auch sehr interessant erscheint, ist vorhin schon vom Kollegen Strohmayer-Dangl kurz angesprochen worden, wobei ich jetzt nicht genau weiß, was die Windkraftproblematik ist. Es fällt nur auf, dass bei den Energieprojekten inzwischen überwiegend, also offensichtlich fast nur mehr bei Windkraft-Projekten UVP-Prüfungen abzulegen sind. Ich weiß von diversen Windkraftbetreibern, dass das jetzt nicht das große Problem ist und diese an und für sich schon willig sind, sich auch prüfen zu lassen, die Projekte prüfen zu lassen.

Was mir nur auffällt, ist: Zum Beispiel über diese Gasbohrungsprojekte im Weinviertel findet man nichts. Die gibt es ja in der UVP offensichtlich auch nicht. Da ist die Verhältnismäßigkeit meiner Meinung nach ein bisschen in der Schieflage. Gerade wenn es um Umweltverträglichkeit geht, würde ich mir denken, dass Gasbohrprojekte vielleicht doch ein bisschen mehr Einfluss auf die Umwelt haben als das, was man an Windparks prinzipiell so in Niederösterreich und in anderen Bundesländern untersucht.

Aber unser Schwerpunkt bei den UVP-Verfahren sind immer wieder die Infra­strukturprojekte, Straßenprojekte et cetera. Meine Erfahrung, oder unsere Erfahrung damit ist: Direkt im UVP-Verfahren kann man zwar gut kommunizieren, aber in Wirk­lichkeit nichts mehr ändern. Bei dem, was nicht schon vorher irgendwie eingebracht ist,


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 169

damit es der Projektwerber berücksichtigt, kommt man meistens nicht weit. Bestenfalls kann man eine behördliche Auflage erreichen.

Das Problem mit den behördlichen Auflagen in diesen Verfahren ist, dass dann irgend­wie keiner mehr dafür zuständig ist, sie zu kontrollieren. Ich würde mir also wünschen, dass es zu den UVP-Verfahren im Nachhinein auch irgendwie ein Monitoring für diese behördlichen Auflagen gäbe, ob diese wirklich umgesetzt werden. Ich weiß von diversen Straßenprojekten, dass es leider nicht so ist. Man kann hintennach parla­mentarische Anfragen stellen, ob das umgesetzt ist, aber das macht man einmal, nicht hundertmal. Wenn es nicht passiert, dann passiert es nicht. Das ist schade, weil ja Projekte durch diese Dinge möglicherweise doch umweltfreundlicher werden können.

Ein weiteres Problem, das Bürgerinitiativen und NGOs bei Umweltverträglich­keits­prüfungsverfahren immer wieder haben, ist das finanzielle Problem. Es gibt das „Mistelbacher Protokoll“, und es gibt an und für sich Runden, in denen man zusam­mengesessen ist und gesagt hat, dass man das einmal angehen muss. Die Geschichte ist: Um im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren einigermaßen auf gleicher Ebene argumentieren zu können, braucht man Gutachten. Die sind ziemlich teuer. Wenn man Glück hat, findet man einen Gutachter, wenn man Pech hat, nicht. Gerade bei der ASFINAG ist es oft so, dass sie sich das Geschäft mit der anderen Seite nicht verderben wollen.

Aber es scheitert oft wirklich schon an der Finanzierung. Das ist ja nicht so einfach. Wenn ich Zeit investiere, um ein Projekt zu verbessern oder zumindest zu verändern, wenn nicht zu verhindern, dann möchte ich nicht auch noch viel Geld investieren. Ich denke, da wäre es wirklich wichtig, dass es Unterstützung gäbe und dass man vielleicht auch einmal darüber nachdenkt, wie weit eine Zusammenarbeit des Ministeriums mit den NGOs und den Bürgerinitiativen möglich ist.

Meine Erfahrung, auch aus diesen Projekten, ist, dass das Umweltministerium zwar immer sehr handfeste, kritische Stellungnahmen abgibt, aber diese gehen genauso unter und werden genauso übergangen wie andere von Bürgerinitiativen und NGOs. Da wäre ein bisschen mehr Zusammenarbeit sicher wünschenswert, auch in Bezug darauf, dass Gutachten eben Geld kosten. Wenn man seine Stellungnahmen und seine Bedenken wirklich gut untermauern will, dann braucht man leider auch finanzielle Mittel, um das rüberzubringen.

Einen Punkt möchte ich noch anmerken, weil er wirklich sehr interessant ist. Das ist diese nachträgliche Umweltverträglichkeitsprüfung für den Flughafen Wien. Dass da ein Vertragsverletzungsverfahren auf europäischer Ebene eingeleitet worden ist, haben wir einer Bürgerinitiative zu verdanken.

Ich weiß nicht, was mit den diversen Umweltanwaltschaften in den Ländern los ist, warum da nie reagiert wurde. Im Prinzip wäre es doch logisch und klar gewesen, dass da eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu machen gewesen wäre. Sie nachträglich zu machen, ist zwar gut und schön und nett, aber im Prinzip sollte man Projekte schon vorher betrachten, bevor sie umgesetzt werden, weil man dann noch etwas ändern kann. Das wäre ja das Ziel, dass Projekte, wenn sie vielleicht nicht ganz umwelt­verträglich sind oder sicher nicht umweltverträglich sind, zumindest durch ein Umwelt­verträglichkeitsprüfungsverfahren verbessert werden können. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte, Herr Minister.

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 170

18.20.01

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Anerkennung für diesen Bericht. Ich leite die gerne weiter an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Umweltministeriums, die sich sehr umfangreich mit der Thematik befassen und im UVP-Bericht transparent dargestellt haben, wie die Verfahren ablaufen. So soll es auch sein. Dieser 5. Bericht weist gegen­über dem Vorgängerbericht insofern eine Neuerung auf, als ein Verfahrensmonitoring enthalten ist. Man sieht also, wie die Verfahren abgelaufen sind. 329 durchgeführte Verfahren werden dargestellt.

Beim UVP-Gesetz, beim Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz prallen die Interessen diametral aufeinander, nämlich zum einen die wirtschaftlichen Interessen, Straßen zu errichten, Energieprojekte umzusetzen, Tunnel zu errichten, Eisenbahnstrecken und auf der anderen Seite der Schutz der Umwelt, Naturschutz, Landschaftsschutz. Die Gratwanderung, die wir immer unternommen haben – das war mein Anspruch, den wir versucht haben zu erfüllen –, war, dass wir wirtschaftliche Interessen und Umwelt­interessen unter einen Hut bringen, Ökonomie und Ökologie versöhnen wollten. Wir müssen in eine neue Dimension des Umweltschutzes und der Wirtschaftspolitik gehen, nicht gegeneinander kämpfen und den Konflikt suchen, sondern gemeinsam ver­suchen, Lösungen zu erzielen. Das ist bei den bisherigen Novellen zum UVP-Gesetz auch gelungen, nämlich einerseits wirtschaftliche Interessen zu unterstützen und andererseits, aber ja, sehr wohl auch Bürgerrechte zu stärken. Ich bekenne mich dazu.

Bei manchen Verfahren, die elendslang dauern, wo Gutachten um Gutachten erstellt werden, muss man schon auch die Diskussion mit der Bevölkerung führen, wenn dann der Bürger plötzlich kritisch sagt: Das ist ein Wahnsinn, was das für Bürokratie bedeutet, und da geht nichts weiter. Das ist keine parteipolitische Frage, sondern eine Frage der Verfahrensdauer, denn im Endeffekt hat niemand etwas davon, wenn Ver­fahren elendslang dauern, enorme Gutachtenkosten verursachen und nicht entschie­den wird. Ich meine, dass der Bürger und auch ein Projektwerber das Recht haben, dass nach einem qualitätsvollen Verfahren auch entschieden wird. Irgendwann einmal muss gesagt werden: Ja, es wird gebaut!, oder: Nein, es wird abgelehnt! Es war das Ziel dieser UVP-Verfahren, Bürokratie zu entlasten, Kosten zu sparen und die Verfahren auch zu verkürzen, denn es hat niemand etwas davon, wenn es elendslang dauert.

Daher bin ich stolz darauf, dass wir seit dem 4. UVP-Bericht – jetzt liegt der 5. vor – eine merkliche Verkürzung der Verfahrensdauer erreicht haben. Sie haben das erwähnt, Herr Bundesrat, und auch andere Redner. Dazu bekenne ich mich in der gemeinsamen Anstrengung, Bürokratie zu reduzieren. Was wir gemacht haben, war zum Beispiel, dass Gutachten, die nicht veraltet sind, im Verfahren wiederverwendet werden können und nicht neuerlich gemacht werden müssen. Das kostet sehr viel Geld und bringt niemandem etwas, weil es die Qualität nicht steigert. Das soll auch den Verfahrensleiter in den Stand bringen, dass er sagt: Ich habe genug Informationen, und jetzt entscheide ich. Die Menschen wollen Entscheidungen haben, damit etwas weitergeht.

Bei den Anlagenvorhaben, also zum Beispiel allen Projekten der Energiewirtschaft ohne Bundesstraßen, ist es gelungen, eine Verkürzung von bisher 15 Monaten, so lange hat im Durchschnitt das Verfahren gedauert, auf 11 Monate durchzubringen. Bei den Trassenvorhaben, Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken, hat ein Verfahren früher im Durchschnitt 12 Monate gedauert, jetzt 9 Monate. Sie sehen also, es wird merklich kürzer.


BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 171

Für Sie, als Länderkammer, muss man schon auch dazusagen: Die UVP-Verfahren erster Instanz werden auf Landesebene abgewickelt, und dort sehen wir Unterschiede zwischen den Bundesländern. Es gibt Bundesländer, in denen alle Beteiligten, auch die NGOs, die Bürger, an einen Tisch geholt und die Verfahren dadurch beschleunigt werden, weil man das ordentlich ausdiskutiert hat, und in manchen Bundesländern funktioniert das nicht so. Daher ist mein Appell, dass man im Sinn der Sache alle an einen Tisch holt und versucht, Verfahren zu verkürzen.

Das gilt gerade auch, was die erneuerbaren Energien anbelangt. Der Herr Bundesrat hat Windkraftprojekte angesprochen. Ja, wenn wir unser Energiesystem umbauen, weg von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren, haben wir natürlich tagtäglich Anrainerbeschwerden, Bürgerproteste, wenn ein Windkraftwerk, eine Biomasse-Nahwärmeanlage errichtet wird. Diese Diskussionen werden wir haben. Das bedeutet nicht, dass überall, auf jedes Juche ein Windrad hingestellt werden soll, aber dass wir sehr wohl auch erneuerbare Energie bis hin zur Energiewende, Energieautar­kie umsetzen können und müssen. Und daher bekenne ich mich dazu, dass wir Verfahren haben, die effizient sind, die bürgerorientiert sind, die auch transparent sind, die aber irgendwann eben auch zu einer Entscheidung führen.

Wichtig ist auch der Umweltsenat, den ich hervorheben will. Das ist ein Gremium, das sich hohes Ansehen erarbeitet hat. Wenn ein Projekt in der ersten Instanz abgelehnt wird, dann geht es zum Umweltsenat, ein unabhängiges, weisungsfreies Gremium, das sehr hohe Kompetenz hat.

Daher nochmals herzlichen Dank!

Abschließend möchte ich erwähnen, dass wir das UVP-Gesetz auch anpassen. Sie haben das Schiefergasvorkommen erwähnt. Um konkret den Menschen im Weinviertel die Ängste zu nehmen, haben wir die Schiefergasbohrungen, sofern sie gemacht werden sollten, in der letzten Novelle UVP-pflichtig gemacht, damit die Menschen nicht Sorge haben müssen, dass Gebiete, die sie sanft entwickeln wollen – Weinwirtschaft, sanfter Tourismus – plötzlich gefährdet sind, weil alle paar hundert Meter ein Bohrturm steht. Es ist also der Anspruch gegeben, einerseits Umwelt zu schützen, eindeutig, aber gleichzeitig auch wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.26.0119. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Mag. Susanne Kurz, Monika Mühlwerth, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ (192/A-BR/2013)

 



BundesratStenographisches Protokoll817. Sitzung / Seite 172

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesord­nung.

Diesbezüglich liegen mir keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 192/A betreffend Abhaltung einer Enquete zum Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag 192/A verweisen, darf aber dazu erwähnen, dass die Enquete am 9. April, von 10 bis 16 Uhr, stattfinden wird.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.27.26Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 2937/J-BR/2013 und 2938/J-BR/2013, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin wird der 14. März 2013, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 12. März 2013, ab 14 Uhr, vorge­sehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.28.13Schluss der Sitzung: 18.28 Uhr

 

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