Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

883. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 12. Juli 2018

 

 


Stenographisches Protokoll

883. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 12. Juli 2018

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Juli 2018: 9.03 – 21.20 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonenge­setz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsge­setz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Aus­schreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsver­fahrensgesetz 1984, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Überbrückungshilfen­gesetz, das Poststrukturgesetz, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Heeresgebührengesetz 2001, das Zivildienst­gesetz 1986, das UmsetzungsG-RL 2014/54/EU und das Bundeshaushaltsgesetz 2013 geändert werden und das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2018)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Einrichtungsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbür­gerschaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldegesetz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivildienstgesetz 1986 und das Sicherheitspoli­zeigesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Verarbeitung von Flug­gastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und be­stimmten anderen Straftaten (PNR-Gesetz – PNR-G) erlassen wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 2

7. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusam­menarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminali­tät

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Be­amten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungsgesetz und das Betriebspensionsgesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische As­sistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sani­tätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Patientenverfügungs-Gesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen, das Tierärztege­setz, das Gentechnikgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundesbehinder­tengesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsge­fangenenentschädigungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (Er­wachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK)

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache der Präsidentin Inge Posch-Gruska ........................................... 10

Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR, den 10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammenge­setz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenz­berufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitä­tergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Patientenverfügungs-Gesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychothe­rapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behand­lungen und Operationen, das Tierärztegesetz, das Gentechnikgesetz, das Ge­sundheitstelematikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsge­setz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundesbehindertengesetz, das Bundes­pflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsgefangenenentschädi­gungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (Erwachsenen­schutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit,


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 3

Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK) (191 d.B. und 231 d.B. sowie 10001/BR d.B. und 10017/BR d.B.), von der Tagesordnung abzusetzen – Ablehnung  31, 31

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Ausschuss für Kinderrechte zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 11. Oktober 2018 zu setzen – Ableh­nung               31, 194

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag der BundesrätIn­nen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Integra­tionsklassen an Sonderschulen“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 11. Ok­tober 2018 zu setzen – Ablehnung ........................................................  31, 194

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 49

Edgar Mayer .................................................................................................................. 49

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 50

Wortmeldung der Bundesrätin Monika Mühlwerth zur Geschäftsbehandlung              96

Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung gemäß § 54 Abs. 4 GO-BR – Ablehnung           105, 106

Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung gemäß § 54 Abs. 4 GO-BR – Ablehnung           105, 107

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 192

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 193

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 10

Aktuelle Stunde (63.)

Thema: „Wissenschaftsstandort Österreich im Jahr der Leistungsvereinba­rungs-Verhandlungen und der Ratspräsidentschaft“ ............................................................................................ 12

RednerInnen:

Mag. Doris Schulz ........................................................................................................ 13

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 15

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ...................................................................................... 17

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ...................................................................  20, 29

Karl Bader ..................................................................................................................... 23

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 25

Gerd Krusche ............................................................................................................... 26

David Stögmüller .......................................................................................................... 27

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ....................................................................... ..... 30

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG geändert wird (296/A und 248 d.B. sowie 10010/BR d.B.)                             31

Berichterstatterin: Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ........................................ 32

RednerInnen:

David Stögmüller .......................................................................................................... 32

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 33

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 35

Rosa Ecker, MBA ......................................................................................................... 35

Klara Neurauter ............................................................................................................ 36

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .......................................................................... 37

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 38

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemei­ne Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A sowie 9997/BR d.B. und 10024/BR d.B.) ........................................................... 38

Berichterstatterin: Marianne Hackl ................................................................................ 38

RednerInnen:

Reinhard Todt ............................................................................................................... 38

Mag. Christian Buchmann ........................................................................................... 42

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 45

Gerd Krusche ............................................................................................................... 50

Reinhard Todt (tatsächliche Berichtigungen) ........................................................  53, 76

Korinna Schumann ...................................................................................................... 53

Sonja Zwazl ............................................................................................................  56, 96

David Stögmüller .......................................................................................................... 59

Josef Ofner ................................................................................................................... 61

Hubert Koller, MA ......................................................................................................... 64

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ......................................................... 67

Karl Bader ..................................................................................................................... 70

Dr. Gerhard Leitner ...................................................................................................... 72

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................... 76

Eva Prischl .................................................................................................................... 79

Robert Seeber ............................................................................................................... 80

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ......................................................... 82

Stefan Zaggl .................................................................................................................. 84

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ......................................................................... 86

Jürgen Schabhüttl ........................................................................................................ 89

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 93

Mag. Michael Lindner ................................................................................................... 98

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 101

Günther Novak ........................................................................................................... 102

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 105

Antrag der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A sowie 9997/BR d.B. und 10024/BR d.B.), Einspruch zu erheben – Ablehnung ..............  40, 106


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 5

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsanspruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Fest­legung des Verbrauches von Zeitguthaben“ – Ablehnung ..............................................................................................................  67, 107

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechte Erreichbarkeit einer 6. Urlaubswoche“ – Ableh-
nung .......................................................................................................................  92, 107

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 107

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonen­gesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundeslehrer-Lehr­verpflichtungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbe­handlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundespensions­amtübertragungs-Gesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Perso­nalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Bundes-Be­dienstetenschutzgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Poststrukturgesetz, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Militärberufsförderungsge­setz 2004, das Heeresgebührengesetz 2001, das Zivildienstgesetz 1986, das Um­setzungsG-RL 2014/54/EU und das Bundeshaushaltsgesetz 2013 geändert werden und das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2018) (196 d.B. und 228 d.B. sowie 9994/BR d.B. und 10011/BR d.B.)                                         107

Berichterstatter: Mag. Dr. Michael Raml .................................................................... 108

RednerInnen:

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 108

Peter Oberlehner ........................................................................................................ 110

Korinna Schumann .................................................................................................... 113

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 118

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpoli­zeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Ein­richtungsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005,
das
Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldege­setz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivildienstgesetz 1986 und das Si­cherheitspolizeigesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018) (189 d.B. und 207 d.B. sowie 9998/BR d.B. und 10020/BR d.B.) ............................................................................................................. 118

Berichterstatter: Andreas Arthur Spanring ............................................................... 118

RednerInnen:

Martin Weber ............................................................................................................... 118

Armin Forstner, MPA ................................................................................................. 120

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................................  122, 140

Georg Schuster .......................................................................................................... 124


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 6

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ....................................................  125, 132

Stefan Schennach ...................................................................................................... 128

Christoph Steiner ....................................................................................................... 130

Jürgen Schabhüttl (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 132

Edgar Mayer ................................................................................................................ 134

Reinhard Todt ............................................................................................................. 138

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 139

Karl Bader ................................................................................................................... 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 141

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten anderen Straftaten (PNR-Gesetz – PNR-G) erlassen wird (186 d.B. und 208 d.B. sowie 10021/BR d.B.) .................................................................................... 141

Berichterstatter: Christoph Längle ............................................................................. 141

RednerInnen:

Jürgen Schabhüttl ...................................................................................................... 142

Silvester Gfrerer ......................................................................................................... 143

Gottfried Sperl ........................................................................................................ ... 144

Michael Bernard ......................................................................................................... 145

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................. 147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 148

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (194 d.B. und 209 d.B. sowie 9999/BR d.B. und 10022/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 148

Berichterstatter: Christoph Längle ............................................................................. 148

RednerInnen:

Martin Weber ............................................................................................................... 149

Armin Forstner, MPA ................................................................................................. 150

Jürgen Schabhüttl ...................................................................................................... 151

Gottfried Sperl ............................................................................................................ 153

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................. 154

Josef Ofner ................................................................................................................. 155

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................. 156

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 157

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend Protokoll zwi­schen der Republik Österreich und Ungarn zur Änderung des Vertrages zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenar­beit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität (150 d.B. und 210 d.B. sowie 10023/BR d.B.) .......................................... 158

Berichterstatter: Gottfried Sperl ................................................................................. 158

RednerInnen:

Christoph Längle ........................................................................................................ 158

Marianne Hackl ........................................................................................................... 159

Martin Weber ............................................................................................................... 160


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ......................................................... 161

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (216/A und 229 d.B. sowie 10000/BR d.B. und 10015/BR d.B.) ............................................................................................................................. 161

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA .......................................................................... 161

RednerInnen:

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................... 162

Gregor Hammerl ......................................................................................................... 163

Günther Novak ........................................................................................................... 164

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................... 166

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsge­setz und das Betriebspensionsgesetz geändert werden (164 d.B. und 230 d.B. sowie 10016/BR d.B.) .................................................................................... 166

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA .......................................................................... 166

RednerInnen:

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 166

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 167

Dr. Gerhard Leitner .................................................................................................... 168

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 168

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebam­mengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische As­sistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Apothekenge­setz, das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Patientenverfü­gungs-Gesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psycholo­gengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durchführung von äs­thetischen Behandlungen und Operationen, das Tierärztegesetz, das Gentech­nikgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundesbehindertengesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsgefange­nenentschädigungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (Er­wachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK) (191 d.B. und 231 d.B. sowie 10001/BR d.B. und 10017/BR d.B.) .............................. 168

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA .......................................................................... 169


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 8

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 169

Andrea Wagner ........................................................................................................... 171

David Stögmüller ........................................................................................................ 173

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 175

Stefan Schennach ...................................................................................................... 176

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 178

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ..............................................  180, 182

Ingo Appé .................................................................................................................... 181

Jürgen Schabhüttl ...................................................................................................... 183

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 183

Dr. Gerhard Leitner .................................................................................................... 185

Mag. Michael Lindner ................................................................................................. 187

Michael Wanner .......................................................................................................... 189

Andrea Kahofer .......................................................................................................... 190

Sonja Zwazl (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 191

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 191

Antrag der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebam­mengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische As­sistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversi­cherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Patientenverfügungs-Ge­setz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychologenge­setz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästheti­schen Behandlungen und Operationen, das Tierärztegesetz, das Gentechnikge­setz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfer­tigungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundesbehindertengesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsgefangenenent­schädigungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (Erwach­senenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK) (191 d.B. und 231 d.B. sowie 10001/BR d.B. und 10017/BR d.B.), Einspruch zu erheben – Ab­lehnung  169, 192

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in allen Regionen Ös­terreichs“ – Ablehnung               170, 194

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ...................................................... 193

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 193

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend die rechtsstaatlich höchst bedenkliche


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 9

Freilassung von drei Terrorverdächtigen aus der Untersuchungshaft in Graz (3555/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne-
res betreffend Werbeschaltungen des Bundesministerium für Inneres auf 4chan.org (3556/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Bundeskanzler Kurz’ Dekadenz bei der Ge­schenkeverteilung (3557/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Grenzkontrollen Bayern – Oberösterreich (3558/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Grenzkontrollen Bayern – Salzburg (3559/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend der internationalen Beeinträchtigung österreichischer Sicherheitsbehörden durch die Fraternisierung der FPÖ mit Putins Partei „Einiges Russland“ (3560/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend allfälliger Nebenbeschäftigung des Datenschutzbeauftragten im Bundesmi­nisterium für Inneres (3561/J-BR/2018)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 10

09.03.28Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Inge Posch-Gruska, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vizepräsident Ewald Lindinger.

*****


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Ich eröffne die 883. Sitzung des Bundesrates.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates San­dra Kern.

Ich darf recht herzlich Bundesminister Dr. Heinz Faßmann in unserer Mitte begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

09.03.58Antrittsansprache der Präsidentin


9.03.59

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und auf der Zuschauergalerie! Ich bin überzeugte Bundesrätin – ich durfte das schon bei der Übernahme dieser Tä­tigkeit hier im Bundesrat sagen –, es ist mir daher eine wirklich große Ehre, seit 1. Juli 2018 die Präsidentschaft des österreichischen Bundesrates übernommen zu haben, der Zukunftskammer, der Länderkammer und der Europakammer unseres Landes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In unserem Bundesrat wird die Präsident­schaft halbjährlich von Bundesland zu Bundesland in alphabetischer Reihenfolge über­geben. Es freut mich, dass die Präsidentschaft des Bundesrates vom Bundesland Wien an das Bundesland Burgenland übergeben wurde – das freut mich nicht nur des­halb, weil ich überzeugte Wienerin bin, sondern auch deswegen, weil diese beiden Bundesländer, Wien und Burgenland, sehr viel gemeinsam haben. Ich denke dabei da­ran, wie viele Burgenländer einen Arbeitsplatz in Wien finden, an unser gemeinsames Meer, den Neusiedler See, aber auch an den guten Wein, den wir gemeinsam trinken, und nicht zu vergessen das gute Bier.

Es ist mir vor allem eine Ehre, die Präsidentschaft für mein Land Burgenland zu über­nehmen. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, dass das Burgenland ein Bundesland ist, das energieautark ist, ein Bundesland, das bei den Tourismuszahlen sehr gut dasteht, weil der Tourismus bei uns stetig wächst.

Besonders stolz bin ich aber auch darauf, was das Burgenland in Sachen Bildung ge­schafft hat. Das Burgenland war nämlich noch vor einigen Jahrzehnten ein Land, in dem Schulen sehr rar waren. 1968 wurde im Burgenland ein Kinderdorf gegründet, da­mit Kinder aus den entlegenen Dörfern die Möglichkeit hatten, in eine höhere Schule zu gehen, weil es im Burgenland fast keine Gymnasien gab.

Das ist deshalb so wichtig, weil wir Bildung sehr dringend brauchen. Bildung ist eines der wichtigsten Dinge, die wir den Menschen mitgeben können. Bildung ist die Grund­lage für Demokratie. Bildung ist aber auch die Grundlage für Mitbestimmung, denn nur dann, wenn man weiß, welche Möglichkeiten man hat, kann man sich entscheiden. Da­her ist Bildung meiner Meinung nach eines der wichtigsten Dinge. Ich konnte in meiner Zeit als Landesvorsitzende der Kinderfreunde Burgenland wirklich auch miterleben, wie notwendig und wichtig Bildung für unser Land ist.

An dieser Stelle darf ich euch auf das kleine Geschenk hinweisen, das ich euch als Gruß aus dem Burgenland mitgebracht und auf die Plätze gelegt habe, und zwar ist


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das das kleine Buch von Jakob Perschy, „Das Gespenst mit dem Strohhut“, das vier Erzählungen über unser schönes Burgenland in einer humorvollen Art und Weise ent­hält. Ich hoffe, Sie haben Freude damit.

Der Bundesrat ist die Länderkammer, er nimmt die Interessen der Länder wahr und ist Teil unserer österreichischen Gesetzgebung. Er sichert damit die Basis für ein gemein­sames Miteinander. Der Bundesrat ist aber nicht nur Länderkammer, sondern auch Zukunftskammer, denn trotz des halbjährlichen Wechsels der Präsidentschaft, der ei­gentlich sehr schnell vor sich geht, denn ein halbes Jahr geht relativ schnell vorbei, ist es so, dass wir als Bundesrat das Privileg haben, abseits der tagespolitischen Hektik sachlich und inhaltlich wirklich auch Perspektiven weiterzugeben, diese gemeinsam zu diskutieren und für unser Land Fundamente zu schaffen.

So nimmt der österreichische Bundesrat seit Präsident Kneifel eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung ein. Präsident Lindner beleuchtete die digitale Zivilcourage und Hass im Netz. Du, lieber Präsident außer Dienst und jetzige Kollege Mayer, hast einen Fokus auf Digitalisierung und Demokratie gelegt. Und mein Wiener Amtsvorgänger, Reinhard Todt, du hast es ganz hervorragend geschafft, das Thema Digitalisierung in den Kon­text des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu stellen. Du hast somit einen wichtigen Beitrag sowie auch Lösungsansätze dazu geleistet, wie wir unsere digitale Welt auch sozial gerecht gestalten können.

Der Bundesrat ist Länderkammer, der Bundesrat ist Zukunftskammer und damit ist der Bundesrat auch Europakammer. Seit 1. Juli 2018 hat Österreich den EU-Ratsvorsitz inne. Am Montag durfte ich in diesem Rahmen gemeinsam mit Nationalratspräsident Sobotka die Cosac-Konferenz einleiten, bei der die Vorsitzenden der EU-Ausschüsse verschiedener Parlamente und Kammern zusammentreffen, die ich bei diesem Anlass hier in Österreich begrüßen konnte.

An dieser Stelle möchte ich mich bei dir, lieber Edgar Mayer, und vor allem auch bei dir, lieber Stefan Schennach, noch einmal sehr herzlich für euer außerordentliches En­gagement, was den EU-Ausschuss betrifft, bedanken. Wir können als Österreich wirk­lich stolz darauf sein, dass wir einen so aktiven EU-Ausschuss haben. Daher ist der ös­terreichische Bundesrat auch eine der aktivsten Kammern in ganz Europa, wenn es um die Subsidiaritätskontrolle geht. – Herzlichen Dank für euer Engagement! (Allgemeiner Beifall.)

Außerordentlich wichtig für uns im Bundesrat ist auch der Kinderrechteausschuss. In der gesamten Europäischen Union sind wir eine der ersten Kammern, die einen Aus­schuss für Kinderrechte eingerichtet haben, obwohl die Europäische Kinderrechtskon­vention eine wirklich sehr gute Grundlage dafür bietet, dass es in ganz Europa Kin­derrechteausschüsse geben könnte. Der österreichische Bundesrat nimmt daher auch in Sachen Kinderrechte eine Vorreiterrolle ein. Als engagierte Kinderfreundin, als Vor­sitzende des Kinderrechteausschusses und als jetzige Präsidentin des Bundesrates macht mich das wirklich sehr stolz.

Als Zukunftskammer müssen wir uns besonders eingehend mit Kinderrechten und Kin­dermitbestimmung beschäftigen. Ich habe mir daher die Kinderrechte in Österreich zum Thema meiner Präsidentschaft im Bundesrat gemacht. Unter dem Motto: Mitbe­stimmung in Österreich – das kann doch jedes Kind!, werde ich in Kooperation mit der Demokratiewerkstatt die aktuelle Lage der Kindermitbestimmung auf kommunaler Ebene untersuchen. Aus dieser Studie soll eine Publikation mit einem Atlas, aber auch mit Best-Practice-Beispielen entstehen, die wir allen Bürgermeisterinnen und Bürger­meistern zur Verfügung stellen und in den Gemeindeämtern auch öffentlich auflegen werden.

Dieses Projekt stellt wirklich das absolute Herzstück meiner Präsidentschaft dar, und es ist mir dabei besonders wichtig, im Rahmen dessen auch mit den Gemeinden eng


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zusammenzuarbeiten. Ich glaube, dass wir als Länderkammer zusammen mit unseren Gemeinden sehr viel für unser Land leisten können. Und ich glaube, dass insbeson­dere das Thema Kinderrechte und Mitbestimmung von Kindern eine gute Möglichkeit bietet, als Bundesrat mit den Gemeinden als Partner zusammenzuarbeiten.

Mitbestimmung ist für mich aber auch ein Grundsatz, der mir bei meinem zweiten Projekt zur Kinder- und Jugendwohlfahrt besonders am Herzen liegt, und zwar möchte ich Kinder und Jugendliche aktiv partizipieren lassen. So werde ich in einem ersten Schritt mit Expertinnen und Experten die Herausforderungen der Kinder- und Jugend­wohlfahrt in Österreich, von der Kompetenzfrage bis zur Problematik der 18-plus-Ju­gendlichen, erörtern. In einem zweiten Schritt möchte ich durch Onlinepartizipations­methoden Kinder und Jugendliche in den Prozess zur Lösungsfindung einbinden. Und in einem dritten Schritt werde ich der Öffentlichkeit, den Landeshauptleuten und den Landesregierungen, euch im Bundesrat, dem Nationalrat und der Bundesregierung Strategien und Lösungsansätze präsentieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen, der österreichische Bundesrat nimmt als Länderkammer und als Zukunftskammer neben seiner wesentlichen Rolle in der österreichischen Gesetzgebung auch eine wichtige Position in der Gestaltung von nachhaltigen politischen Strategien für unser Land ein. Leider – auch das habe ich bei meiner Übernahme der Präsidentschaft schon gesagt – wird dem Bundesrat aber nicht immer die Wertschätzung, die er verdient, entgegengebracht. Das zeigt sich einerseits in der mangelnden medialen Präsenz des Bundesrates, andererseits aber auch in der unterschiedlichen Einbindung der Bundesrätinnen und Bundesräte in den einzelnen Bundesländern.

Es ist mir daher wichtig, als Präsidentin des österreichischen Bundesrates unsere wert­volle Arbeit, die wir hier für die österreichische Bevölkerung leisten, auch näher an die Österreicherinnen und Österreicher zu bringen. Um das zu erreichen, muss es unser gemeinsames Ziel sein, den Bundesrat als gesetzgebendes Gremium weiter zu stärken und in der öffentlichen, aber auch in der internen Wahrnehmung präsenter zu machen. Dazu will ich beitragen, indem ich in meiner Präsidentschaft Taten setzen und, wie schon gesagt, auch direkt mit den Gemeinden in Kontakt treten werde.

Der Bundesrat ist Länderkammer, Zukunftskammer und Europakammer zugleich, ge­ben wir daher gemeinsam dem Bundesrat jene Aufmerksamkeit, die er verdient! (Allge­meiner Beifall.)

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, freue ich mich auf eine gute Zusam­menarbeit und auf ein tolles, effektives zweites Halbjahr 2018. – Danke schön. (Allge­meiner Beifall.)

9.14

09.14.29Aktuelle Stunde


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Wissenschaftsstandort Österreich im Jahr der Leistungsvereinbarungs-Verhandlungen und der Ratspräsidentschaft“

mit Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faß­mann, den ich noch einmal herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner beziehungsweise eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen oder deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt; sodann folgt die Stellungnahme des


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Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum eine Rednerin beziehungsweise ein Redner der Fraktionen sowie anschlie­ßend eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit mit einer 5-minü­tigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bun­desministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Doris Schulz. – Bitte.


9.15.48

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Frau Präsidentin, dir persönlich herz­liche Gratulation dazu, dass du jetzt unsere Präsidentin und Vorsitzende bist. Wir freu­en uns auf eine engagierte und gute Zusammenarbeit. Das Thema Kinderrechte passt ja sehr gut zu dem Thema, dem wir die heutige Aktuelle Stunde gewidmet haben, denn Kinderrechte leben heißt Selbstbestimmung für die jungen Menschen zu schaffen und zu gewährleisten, und diese jungen Menschen werden dann hoffentlich an unseren Universitäten in Österreich auch unsere Zukunft gestalten.

„Wissenschaftsstandort Österreich im Jahr der Leistungsvereinbarungs-Verhandlungen und der Ratspräsidentschaft“ – dieser Titel der Aktuellen Stunde klingt etwas sperrig. Kürzer gefasst könnte man sagen: Es ist ein Blick und vor allem ein wichtiger Schritt in die Zukunft unserer Universitäten.

Was hat Ihr Smartphone mit der Johannes Kepler Universität in Linz zu tun? – Mehr als Sie denken, denn es steckt garantiert Wissen darin, das von den Informatikerinnen und Informatikern dieser Universität entwickelt wurde. Der EU-weiten Datenanalyse unserer Volkswirtinnen und Volkswirte verdanken wir indes viele Erkenntnisse darüber, wie wir im Alter leben werden. Und Sie können sicher sein, dass die Juristinnen und Juristen der JKU, wie die Johannes Kepler Universität in Linz in Kurzform heißt, an vorderster Front stehen, wenn es um arbeitsrechtliche Herausforderungen bei der Digitalisierung der Arbeitswelt geht. Jede der österreichischen Universitäten könnte ähnliche Beispiele vorlegen.

In hoch entwickelten Volkswirtschaften ist Wissen der wichtigste Produktionsfaktor, der Wettbewerbsfähigkeit verbessert und zur Lösung gesellschaftlicher Probleme aktiv bei­trägt. Mangels Bodenschätzen in Österreich ist unsere Zukunft in den Köpfen der Men­schen zu suchen, unter dem Motto: Land der rauchenden Köpfe! Immerhin gehört Ös­terreich zu den reichsten Ländern dieser Welt, und das haben wir unter anderem der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung sowie Innovationen und der entsprechen­den Infrastruktur zu verdanken.

Ungleichheit, Klimawandel, Ressourcenmangel, Migration, Krankheiten: Die Universitä­ten finden Antworten, um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Forschung sowie künst­lerische und kulturelle Produktionen an den österreichischen Universitäten liefern nicht nur Wissen und Antrieb für marktfähige Innovationen, Universitäten finden auch Lösun­gen für die großen Probleme unserer Zeit.

Konkret auf den Wissenschaftsstandort Österreich bezogen bedeutet das: Universitä­ten bringen viel mehr Steuergeld, als sie kosten. Ein in die Universität investierter Euro rechnet sich schon nach drei bis fünf Jahren. Österreich ist in der Europäischen Union Spitzenreiter bei der Kooperation zwischen Unternehmen und Universitäten. 57 Pro­zent der Großunternehmen kooperieren mit heimischen Hochschulen; im EU-Durch­schnitt sind es etwa 33 Prozent. Außerdem stellen Österreichs Universitäten an den Standorten 110 000 Arbeitsplätze zur Verfügung. Ihre Forschungsergebnisse sorgen für zusätzliche hochwertige Jobs und sogar für die Entstehung gänzlich neuer Bran­chen.

Und was steckt dahinter? Warum ist das jetzt aktuell? – Es geht um die Regelung der Universitätsfinanzierung Neu. Mit 1. August 2018 tritt die Verordnung in Kraft, die die


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Grundlage für die Leistungsvereinbarungen der Universitäten bildet. Das heißt, ab Sep­tember tritt jede Universität zu inhaltlichen und finanziellen Zielen in Verhandlungen mit dem Ministerium beziehungsweise mit unserem Minister Dr. Faßmann.

Vieles wird möglich, das zuvor nicht möglich war: Es gibt erstens eine deutliche Bud­getsteigerung für die Universitäten, ein Plus von 1,35 Milliarden Euro, und zweitens wird ordnungspolitisch die Beliebigkeit in Bezug darauf, wie viele Studierende an Ös­terreichs Universitäten betreut werden können, beendet. Das sind die zwei Kernpunkte.

In Summe bedeutet das 11 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren für unsere Universitäten in Österreich. Dieser Betrag setzt sich aus 840 Millionen Euro für die Fortführung begonnener Vorhaben sowie zusätzlichen 510 Millionen Euro, um insbe­sondere die Betreuungsrelationen zu verbessern, und aus weiteren Positionen zusam­men. Es gibt also mehr Budget und alle Universitäten profitieren.

Allein für Personalressourcen werden 510 Millionen Euro investiert. Rund 500 Profes­suren sowie Assistenzpersonal und Ausstattungsoverhead können dadurch zusätzlich finanziert werden.

Neu ist, dass nun viel stärker auf die individuellen Rahmenbedingungen an den Univer­sitäten eingegangen wird. Qualitätsaspekte wie Studierendenzahl, Studiendauer und Betreuungsverhältnis stehen im Vordergrund. Die Anzahl der prüfungsaktiven Studien und das Forschungspersonal rücken ins Zentrum.

Digitalisierung und soziale Dimension sind die zwei neuen Schwerpunkte der kommen­den Leistungsvereinbarungen.

Geregelter Zugang für bundesweit besonders stark nachgefragte Studien wird auch ein wesentlicher Aspekt sein. Dazu gehören deutlich bessere Betreuungsrelationen zwi­schen Massenfächern und betreuungsintensiven Fächern, auch das ist ein wesentli­cher Schlüssel.

Die Universitätsfinanzierung wird transparenter und effizienter und ist als Struktur auf drei Säulen aufgebaut. Die Bereiche Forschung, Lehre und Infrastruktur beziehungs­weise strategische Entwicklung werden getrennt betrachtet und zusätzlich werden die Studienrichtungen in Fächergruppen eingeteilt. Diese unterscheiden sich durch den Bedarf an Ausstattung und Betreuung, etwa haben die Buchwissenschaften, wie mein Studium der Geisteswissenschaften, einen anderen Bedarf als die technikorientierten Mint-Fächer, wie zum Beispiel jene der Johannes Kepler Universität in Linz, oder auch bestimmte künstlerische Fächer.

Ein wesentlicher Aspekt ist auch mehr Wettbewerb, denn für die Universitäten soll es stärkere Anreize geben, zusätzliche Mittel zu erhalten. In der Forschung sind die einge­worbenen Drittmittel oder die Anzahl der angebotenen strukturierten Doktoratspro­gramme entscheidend. Je mehr Absolventinnen und Absolventen das Studium ab­schließen beziehungsweise je zügiger die Studierenden sind, desto mehr Mittel können Universitäten für die Lehre akquirieren.

Nun zurück nach Oberösterreich und Linz, zur Johannes Kepler Universität als aktuel­lem Beispiel: Die JKU besteht seit 1966, betreibt vier Fakultäten und 20 000 Studie­rende gehen hier ein und aus. Es gibt 130 Professoren, 127 Institute, und das Jahres­budget von 150 Millionen Euro wird zu drei Vierteln vom Bund und zu einem Viertel vom Land getragen.

Der Standort Oberösterreich braucht aufgrund seiner Stärke im industriellen Sektor dringend Absolventen von Mint-Fächern. Deshalb ist das oberste Ziel der JKU eine
25-prozentige Steigerung der Zahl der Mint-Studenten bis 2021, und um das zu errei­chen, muss die JKU budgetär gut ausgestattet sein. Zurzeit laufen die Budgetverhand­lungen mit dem Ministerium. In konkrete Zahlen gegossen heißt das, die JKU Linz


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braucht 60 Millionen Euro mehr Mittel für die Periode 2019 bis 2021, um den Fach­kräftemangel in dem Industriebundesland Österreichs nicht noch schlimmer werden zu lassen. Der Herr Minister ist darüber schon informiert.

Ein weiteres Positivbeispiel dafür, was Lehrende bewirken – auch das ist einer der As­pekte der Universitätsfinanzierung Neu –, ist: Durch den Bekanntheitsgrad von Profes­sor Sepp Hochreiter, der ein Experte für künstliche Intelligenz und Bioinformatik ist, konnte die Anzahl der Studienanfänger in Informatik innerhalb von zwei Jahren um 35 Prozent gesteigert werden. Solche Koryphäen der Wissenschaft können aber nur durch entsprechend attraktive Forschungsprojekte gehalten werden. Daher gibt es auch weitere Projekte, die das Land Oberösterreich mit Unterstützung des Bundes trägt.

Vielleicht noch ein letzter aktueller Aspekt: 2014 wurde an der JKU Linz die Medizini­sche Fakultät errichtet, in der jährlich 350 Medizinerinnen und Mediziner ausgebildet werden. Die Ausbildung ist für die Arbeitswelt wichtig und Antwort auf den prognosti­zierten Ärztemangel in ganz Österreich.

Die Universitätsfinanzierung Neu – 11 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre – bietet viele Möglichkeiten – viel Erfolg bei den Verhandlungen! –, damit die Zukunft un­seres Landes zu unserem Wohle gestaltet wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Todt.)

9.26


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.


9.26.26

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Zu­nächst sei auch mir gestattet, dir, liebe Präsidentin, sehr herzlich zu gratulieren, näm­lich zur Präsidentschaft ganz allgemein und auch zu deiner heutigen sehr eindrucksvol­len Antrittsrede. Alles Gute jedenfalls auch von mir! (Allgemeiner Beifall.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): Wir haben, wie ich meine, heute ei­ne spannende Aktuelle Stunde zum Thema Wissenschaftsstandort Österreich. Im inter­nationalen Vergleich zeigt sich eindeutig, dass besonders jene Länder und Regionen wirtschaftlich profitieren und im globalen Wettbewerb bestehen können, die einen An­ziehungspunkt für Wissenschaft und Forschung darstellen.

Wichtige Grundvoraussetzung dafür sind natürlich erstklassige Universitäten und Hoch­schulen, aus denen bestausgebildete Jungakademikerinnen und -akademiker sowie Jung­wissenschaftler hervorgehen können. Daher werde ich mich an dieser Stelle besonders diesem Bereich widmen.

Zunächst zum Positiven – meine Vorrednerin hat es auch schon angesprochen –: Auf Betreiben und Drängen der SPÖ wurde immerhin für die kommende Leistungsverein­barungsperiode 2019 bis 2021 eine Erhöhung des Universitätsbudgets um 1,35 Millio­nen Euro (Rufe bei der ÖVP: Milliarden!) beschlossen – so weit, so gut. Berücksichtigt man den Inflationsausgleich von rund 840 Millionen Euro, so bleibt immerhin ein reales Plus von 510 Millionen Euro pro Jahr.

Dieses Budgetplus hätte eine wichtige Absicherung dargestellt, um Studienplätze aus­zubauen und damit auch Betreuungsverhältnisse mittels Erhöhung der Anzahl an Pro­fessuren weiter zu verbessern, doch dann wurde im Februar die Novelle zum Univer­sitätsgesetz beschlossen. Dazu gibt es nicht nur seitens der Sozialdemokratie einige


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Kritik, beispielsweise auch der Betriebsrat der WU hat sich hierzu in etlichen Punkten kritisch geäußert.

Einer unserer Kritikpunkte war und ist noch immer die neu eingeführte Studienplatzbe­schränkung. Im Gesetz steht – ich zitiere –: „effiziente, kapazitätsorientierte Zugangs­regelungen“. Das klingt auf den ersten Blick recht sympathisch, aber schauen wir uns die Auswirkungen aufgrund dieser Zugangsbeschränkungen in Zahlen einmal genauer an.

Wir haben ein Minus von 1 000 Plätzen in der Psychologie, minus 1 200 Plätze in den Erziehungswissenschaften, minus 4 300 Plätze in den Rechtswissenschaften, immer­hin ein Plus von 300 Plätzen in der Informatik zu verzeichnen. Das ist angesichts der Bedeutung der Digitalisierung, über die wir gestern schon ausführlich gesprochen ha­ben, auch nicht unbedingt richtungsweisend. Insgesamt ist das also ein Minus von über 6 000 Studienplätzen pro Jahr per Gesetz, und fast 19 000 per Gesetz über die ge­samte Leistungsvereinbarungsperiode bis zum Jahr 2021.

Naturgemäß wird das immense Verdrängungseffekte hin zu Studienfeldern im FH-Be­reich, bei den pädagogischen Hochschulen und bei privaten Bildungseinrichtungen zur Folge haben. Dieses Delta wird aber unmöglich zur Gänze von diesen aufgefangen werden können, so ehrlich müssen wir sein.

Die Folge ist naturgemäß ein steigender Zustrom zu bis dato unbeschränkten Studien­richtungen, und das wird wiederum die Möglichkeit der Zugangsbeschränkungen durch Verordnung nach § 71 schlagend werden lassen. Das heißt, Universitäten werden, um über genügend finanzielle Mittel für die verbleibenden Studienplätze zu verfügen, auch hier kapazitätsorientierte Zugangsregelungen einführen müssen.

Was bedeutet das in der Realität? Wir kommen so über die gesamte Leistungsverein­barungsperiode auf geschätzte 20 000 Studienplätze weniger, die zur Verfügung ste­hen. Das sind in Summe etwa ein Fünftel aller Studienanfängerinnen und -anfänger.

Es gibt außerdem keine Maßnahmen zur Unterstützung sozial schwacher Studieren­der. Der § 13 UG ist dahin gehend alles andere als konkret, wenn es relativ lapidar heißt, dass Maßnahmen in den Leistungsvereinbarungen zu entwickeln sind – was auch immer man sich unter dieser Formulierung vorstellen darf.

Es gibt keine gesetzlich verpflichtenden Maßnahmen zur Unterstützung beispielsweise von First Academics, von Mentoringprogrammen oder der Vereinbarkeit von Studium und Beruf, ganz im Gegenteil. Ich darf an diverse Wahlslogans der ÖVP, auch bei uns in Niederösterreich, erinnern, in denen es geheißen hat: „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein“ oder „Leistung muss sich wieder lohnen!“. (Ruf bei der ÖVP: Rich­tig! – Bundesrat Mayer: Das ist der beste Slogan!) Dieses Zitat ist auch nach der Land­tagswahl immer wieder sehr intensiv bemüht worden.

Insofern ist es für mich aber schon sehr zynisch, dass ausgerechnet berufstätige Stu­dierende nun Studiengebühren zu zahlen haben. Das heißt, Studierende, die neben dem Studium arbeiten, um sich eben dieses Studium finanzieren zu können, um sich in Wahrheit ein ordentliches Leben neben dem Studium finanzieren zu können, werden für diese Doppelbelastung auch noch entsprechend bestraft.

Zuletzt hätten die Regierungsparteien noch die Chance gehabt, diese de facto verfas­sungswidrige Bestimmung bis zum Ablauf der Frist des VfGH in diesem Bereich zu re­parieren – das ist nicht passiert. Somit werden im Herbst zumindest 25 000 Studieren­de zur Kassa gebeten. Aus unserer Sicht ist das eine absolute Katastrophe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wagen wir doch einmal einen kurzen internationalen Blick: Österreich liegt im OECD-Schnitt bei den Studienanfängerinnen und -anfängern eines Jahrgangs mit rund 43 Pro-


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zent lediglich auf dem 27. Platz und EU-weit an 18. Stelle. In Wahrheit gibt es also, wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt sind, nicht zu viele Studierende, sondern schlicht und einfach zu schlechte Studienbedingungen, und die Bundesregierung ist in der Ver­antwortung, diese zu verbessern. (Bundesrätin Schulz: Das machen wir!) Ich hoffe, wir werden von Ihnen, Herr Minister, noch genau hören, ob und inwiefern Sie da Maß­nahmen setzen werden. Ich werde jedenfalls gut zuhören. (Zwischenruf des Bundesra­tes Mayer.)

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist jedenfalls ein klares Bekennt­nis der Bundesregierung zu einer ausreichenden Hochschulfinanzierung ganz ent­scheidend. Es braucht eine Verbesserung der Betreuungsverhältnisse, und zwar nicht durch eine sukzessive Reduktion von Studienplätzen, sondern durch mehr Professu­ren. Es muss besser und leichter möglich sein, Studium und Beruf zu vereinbaren, oh­ne finanziell dafür bestraft zu werden. Es braucht außerdem mehr Maßnahmen zur so­zialen Durchmischung im Studienbereich und ein ganzheitliches Konzept für die Wei­terentwicklung des gesamten tertiären Sektors. Dazu gehört für uns auch ganz be­sonders der Ausbau an Studienplätzen im Mint-Bereich, also in den Bereichen Mathe­matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, denn wir wissen, die Nachfrage an qualifizierten Arbeitskräften in diesem Bereich ist ganz besonders hoch und muss gestillt werden.

Unserer Meinung nach ist im Sinne einer Bildungs- und Chancengerechtigkeit der glei­che und daher gebührenfreie Hochschulzugang für alle ganz wesentlich. Bildung ist ein Menschenrecht, ich glaube, darüber sind wir uns einig, daher kann und soll das auch für den tertiären Bildungsbereich gelten.

Abschließend kann ich sagen, Österreich kann es sich nicht leisten, auf Talente, auf un­ser größtes Kapital, nämlich das Wissen, zu verzichten. Daher bin ich schon sehr ge­spannt auf Ihre Ausführungen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

9.34


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte.


9.34.29

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Um sich der Konzeption des Wissenschaftsstandortes Österreich anzunähern, ist es notwendig, ei­ne Begriffsdefinition vorzunehmen und sich mit den Wissenschaftsfeldern, den Wis­sensorten und den Wissensformen im Wandel auseinanderzusetzen und diese für den Wissenschaftsstandort zu bestimmen.

Wissensfelder sind die Naturwissenschaften, die Geisteswissenschaften und die So­zialwissenschaften. Die Wissensorte – ich komme aus Wien – sind die Universität Wien, die Alma Mater Rudolphina, und auch außeruniversitäre Forschung. Ich konzentriere mich in meinen Ausführungen auf die innerbetriebliche Forschung in den Unterneh­men. Wissensformen im Wandel, das ist vor allem der Digital Turn, das Zeitalter der Di­gitalität, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Zu den Wissensfeldern: Wann wurden die Naturwissenschaften begründet? Francis Bacon, ein großer Universalgelehrter aus dem 16. Jahrhundert hat gemeint, Erkennt­nisse werden nur aus Beobachtungen, aus dem Experiment, aus der empirischen For­schung gewonnen. Er war der Wegbereiter der Naturwissenschaften.

Die Geisteswissenschaften hatten ihren Ursprung in Wilhelm Dilthey, dem deutschen Philosophen aus dem 19. Jahrhundert, der die Geisteswissenschaften begründete. Die Methoden der Geisteswissenschaft: die Heuristik, das Auffinden des Quellenmaterials,


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die Hermeneutik, die Deutung und Textanalyse, um zu Interpretationen und zu Schlüs­sen zu kommen und Ursachen- und Wirkungsforschung, um Ergebnisse und Erkennt­nisse erzielen zu können.

Die Wissensorte sind zweifelsohne die Universitäten, die öffentlichen Universitäten, die in Österreich an vorderster Stelle stehen. Thun-Hohenstein hat Mitte des 19. Jahrhun­derts die Forschung an die Universitäten gebracht und seine Thun-Hohenstein’sche Universitätsreform ist beispielgebend bis heute: die Lehr- und die Lernfreiheit, die In­tegration, die Forschung an den Universitäten und die Unterteilung in Lehre und Wis­senschaft.

Im Staatsgrundgesetz von 1867 heißt es: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Das steht bis heute in unserer Verfassung und ist gültiges Paradigma für die Wissen­schaft in Österreich.

Im 19. Jahrhundert gab es vier Fakultäten: die Medizin, die Jurisprudenz, die Theologie und die Philosophie. Die Philosophie teilte sich dann in die Geistes-, Natur- und So­zialwissenschaften auf. Heute hat die Universität Wien 15 Fakultäten und feierte vor drei Jahren ihr 650-jähriges Bestehen.

Was ist Wissenschaft? – Max Weber, der große Soziologe, definiert Wissenschaft ei­gentlich am besten. 1917 schrieb er den aufsehenerregenden Artikel „Wissenschaft als Beruf“. Berufung zum Wissenschafter muss gegeben sein, wenn Kreativität, Speziali­sierung und eine Arbeitsmethodik vorhanden sind, wobei als Grundvoraussetzung im­mer – und das vergisst die SPÖ immer – Leidenschaft dahinter sein muss. Es geht nicht immer ums Geld, es geht um Leidenschaft. Das ist eine ganz wichtige Voraus­setzung dafür, dass erkenntnistheoretische Ergebnisse gelingen mögen. Erkenntnis­theorie hat immer auch mit Neuem zu tun.

Max Weber sagt auch, die Universität ist der zentrale Ort der Wissenschaft. – Seit dem 19. Jahrhundert hat das in Österreich besondere Gültigkeit.

Gehen wir ins 20. und 21. Jahrhundert: Der große amerikanische Wissenschaftstheore­tiker Thomas Khun ist leider schon verstorben und hat damit den Digital Turn nicht mit­erlebt, aber wenn man seinen Paradigmenwechsel auf das Zeitalter der Digitalität über­trägt, so ist die Wissensform dem größten Wandel ausgesetzt, dem Umstieg – um ei­nen Bogen über die tausendjährige Geschichte zu spannen – von den Handschriften über das Buch, vom Buch über das Zeitalter der Digitalität auf den Personal Computer.

Christoph Meinel, ein deutscher Wissenschafter für Informatik, hat vor Kurzem in sei­nem Buch „Instrument – Experiment“ geschrieben: Mit der Wende zum 21. Jahrhundert erlebte die experimentelle Forschung unter Verwendung wissenschaftlicher Instrumen­te einen wahren Hype. Das Instrument und das Labor sind die Mittel, um über das Experiment praxisbezogene Theorien zu explorieren, also zu erforschen. – Zitatende.

Der Digital Turn, die Informatik als Schnittstelle, ist auch für die Geisteswissenschaften nicht zu vergessen, hier gibt es eine Symbiose zwischen allen Wissenschaften, näm­lich Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften. Eine In­terdisziplinarität – fächerübergreifend – ist besonders wichtig.

Dieser Digital Turn wirft aber noch immer aktuelle Fragen auf, auf die ich kurz einge­hen möchte: Beim digitalen Archiv und bei der digitalen Bibliothek, beim Onlinezugriff auf den Volltext hat Österreich noch Nachholbedarf. Dies ist auch beim Scannen von Büchern der Fall, womit ich aber nicht das Scannen eines Zettelkastens, der dann online gestellt wird, meine, sondern das Scannen des Volltexts, damit das ganze Buch online gelesen werden kann. Da sind zum Beispiel Kanada und die USA Vorbild, denn wenn man dort in einem Buch online umblättert, hört man sogar das Rascheln des Blattes mit. Das wird online besonders eindrucksvoll dargestellt, damit es auch wirklich beim Wissenschafter und Forscher selbst ankommt.


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Die Digitalisierung von Quellen und Literatur ist ein wichtiges Thema für die Forschung, die natürlich mit der Digitalität, mit dieser Zugriffsmöglichkeit einen Quantensprung ge­macht hat.

Ein Problem für junge Wissenschafter – und das muss man auch sehen – ist, dass die Verlage, die Buchverlage Liquiditätsschwierigkeiten haben. Das heißt, junge Forscher haben Schwierigkeiten, einen Verlag zu finden, der ihre wissenschaftlichen Arbeiten publiziert. Hier springen zwar deutsche Verlage ein, jedoch mit Eigenbeteiligung, weil es kein Geschäft ist und weil, wenn man nicht populärwissenschaftlich schreibt und publiziert, dieses Buch auch nicht verlegt wird, weil man nicht eine Auflage von Tau­senden produzieren kann. Wenn man heute bei Amazon schaut – das kann jeder nach­vollziehen –, wird man feststellen, dass Bücher, Standardwerke, die vor zehn, 20 Jah­ren noch reihenweise zum Verkauf im Einzelhandel angeboten worden sind, nicht mehr aufgelegt werden, nicht mehr auffindbar sind. Daher haben die Bibliotheken und die Archive meiner Meinung nach in Zukunft eine wesentlich zentralere Bedeutung als heute und ist es noch wichtiger, dass diese Bestände wirklich gepflegt und für eine Online­bibliothek gescannt werden. Ich ersuche darum, dass dies im Rahmen der öffentlichen Bibliotheken in Österreich vorangetrieben wird und die entsprechenden Budgetmittel dafür zur Verfügung gestellt werden.

Weg von den Universitäten hin zur außeruniversitären Forschung: Wenn man sich die Patenterteilungen des Österreichischen Patentamtes von 2017 ansieht, stellt man fest, unter den Top Ten sind neun Unternehmen. Das heißt, Forschung und Entwicklung, die Erfindung von neuen Technologien findet heutzutage zentral im Rahmen der ange­wandten Forschung im Betrieb selbst statt. Die Technische Universität Wien ist immer dabei. Wenn man die Jahre zurückgeht, 2015/2016, sieht man, es sind immer diesel­ben Unternehmen, zwar in einer anderen Reihenfolge, aber es ist ein ziemlich stati­scher Weg. Das heißt, die innerbetriebliche Forschung, die Innovation, der Innovator, der unternehmerische Innovator hat offensichtlich eine wichtige Stellung in Österreich, und das ist auch eine gute Entwicklung.

Da darf ich auf Joseph Schumpeter zurückkommen, der bis heute aktuell ist und den Forschungsstand auch diesbezüglich mitbestimmt. 1912 schrieb er in seinem Werk „Theo­rie der wirtschaftlichen Entwicklung“: Der innovative Unternehmer, der permanente In­novator will auch im internationalen Umfeld bestehen und mithalten. – Das heißt also, er muss forschen, er muss erfinden. Das sieht man heute an Apple und an all den technologischen Entwicklungen, wie rasant, wie rapide sie voranschreiten und wie sehr notwendig permanente Erfindungen und Patente sind.

Erfindungen sind Eigentumsrechte; das englische Wort intellectual properties sagt das besser aus. Plagiate sind kein Kavaliersdelikt, es ist ein Eigentumsdiebstahl, und da sollte man China jedenfalls in die Schranken weisen.

Ich möchte zum Schluss drei österreichische Erfinder und Forscher aus den Bereichen Naturwissenschaften sowie Sozial- und Geisteswissenschaften erwähnen. Das ist ers­tens der großartige Forscher Carl Auer von Welsbach. Sein Porträt fand sich auf der 20-Schilling-Note. Er hat mit Seltenen Erden experimentiert und so viel experimentiert, dass er es mit seinem Leben bezahlen musste, weil radioaktive Strahlen offensichtlich seine Gesundheit schädigten. Seine unternehmerische Kraft wirkt bis heute: Die Trei­bacher Industrie und Osram haben Tausende Mitarbeiter, Osram hat es vor wenigen Jahren sogar an die Börse in Deutschland geschafft – ein Erfolg Auer von Welsbachs, der ihm persönlich als Erfinder und Unternehmer und damit Innovator zuzuschreiben ist.

Der für mich zweite größte Forscher, meines Erachtens der absolut größte Thinktank, den Österreich je hervorgebracht hat, ist Ludwig von Mises und sein Kreis. In der Wirt­schaftskammer Wien erinnert heute eine Erinnerungstafel an diese große Forschungs-


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gruppe, deren Anbringung ich mir erlaubt habe in der Wirtschaftskammer zu beantra­gen, was dankenswerterweise auch umgesetzt wurde.

An dritter Stelle der Aktualität ein Forscher aus den Geisteswissenschaften, um zu zei­gen, dass auch Geisteswissenschaften Publizitätskraft haben: der Vielschreiber und in­ternational hoch angesehene Fakultätsvorstand im Institut Osteuropäische Geschichte Oliver Jens Schmitt, der vor Kurzem eine Monographie über Albanien verfasst hat, die sogar die albanische Regierung zu Repliken veranlasst hat. Er hat über Skanderbeg geschrieben und hat diesem Skanderbeg praktisch das Kleid ausgezogen. Seine Mo­nographien und wissenschaftlichen Aufsätze sind wie gesagt ein Beispiel dafür, dass die Geisteswissenschaften sehr wohl Potenzial haben und international auch als Grund­lagenforschung apostrophiert werden können.

Zum Schluss darf ich sagen, der Wissenschaftsstandort Österreich als Erfolgsmodell bedarf ständiger Aufmerksamkeit und muss selbst zum permanenten Innovator im Schum­peter’schen Sinne werden. Zugleich ist ein funktionierender Wirtschaftsstandort auch identitätsstiftend – für Österreich als kleines Land ganz wichtig. Alle Voraussetzungen für einen Erfolg sind vorhanden. Alles Gute, Herr Minister! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.45


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Für eine erste Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


9.45.18

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Vorrednerinnen und Vorredner! Herzlichen Dank für Ihre Statements. Frau Mag. Schulz, danke für Ihre elegante Weiterleitung der Wünsche der Johannes Kepler Universität. Ich glaube, Sie sind eine gute Vertreterin Ihres Bundeslandes, und die Botschaft, die Sie hier gesendet haben, ist auch angekommen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, danke auch für Ihre Einleitungsrede. Ich teile vollkom­men Ihren Stolz auf die Entwicklung der österreichischen Bildungslandschaft. Wir ha­ben flächig verteilte Volksschulen, die für eine solide Grundlage der Qualifikationsent­wicklung unserer Kinder sorgen. Wir haben hervorragend aufgestellte berufsbildende mittlere und höhere Schulen, die nicht nur für eine theoretische Ausbildung sorgen, sondern auch für eine praktische Ausbildung. Wir haben ein gut entwickeltes duales System der gewerblichen Ausbildung, welches für eine vergleichsweise niedrige Ju­gendarbeitslosigkeit in Österreich sorgt und gerade für Jugendliche mit Migrationshin­tergrund das Hineinwachsen in die Mehrheitsgesellschaft erlaubt und fördert. Wir ha­ben unsere Gymnasien, die – das sage ich offen – vergleichsweise billig sind und für ausgezeichnet ausgebildete Absolventen und Absolventinnen sorgen. Wir haben unse­re Fachhochschulen, denen es auch hervorragend gelungen ist, eine neue Form der akademischen Ausbildung zu entwickeln. Und wir haben unsere Universitäten, die so­wohl in der Grundlagenforschung als auch in der Lehre ihr Bestes geben und auch in der Vergangenheit für eine erhebliche soziale Mobilität gesorgt haben.

Ich finde kein Argument, um in den Chor jener einzustimmen, die manchmal den Abriss unseres Bildungssystems und eine Neuerrichtung fordern. Ich bin für das Renovieren dort, wo es notwendig ist, aber nicht für das, was eben aufgrund eines manchmal vor­herrschenden politischen Populismus so leicht über die Lippen geht: Alles ist schlecht, es gehört abgerissen und neu errichtet! Das, glaube ich, trifft nicht auf das österreichi­sche Bildungssystem zu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Herr Mag. Pisec, Sie haben die Entwicklung insbesondere des Forschungsstandortes Österreich hervorgestrichen und auf Patente und Entwicklungen als Lokomotiven einer sozialen und auch ökonomischen Entwicklung hingewiesen, und Sie haben meiner An­sicht nach vollkommen zu Recht darauf hingewiesen. Wir haben immerhin seit 2005 un­sere Forschungs- und Entwicklungsausgaben – Forschungsquote heißt das technisch –, die Forschungsausgaben der öffentlichen und privaten Hand als Anteil am Bruttoin­landsprodukt von 2,4 auf 3,2 Prozent gesteigert. Wir geben jährlich 12,3 Milliarden Eu­ro für Forschung und Entwicklung aus – wir, das heißt zu einem Drittel die öffentliche Hand und zu zwei Dritteln die Unternehmen in Österreich.

Wir liegen im internationalen Vergleich hinsichtlich dieser entscheidenden Forschungs- und Entwicklungsquote hinter Schweden auf Platz zwei in Europa und weltweit auf dem siebenten Platz. Wir sind viel besser, meine Damen und Herren, als unser Selbst­bild es erscheinen lässt. Wir sind in den vergangenen Jahrzehnten zu einem For­schungsland geworden, aber keiner glaubt uns das – und die Forscher und Forsche­rinnen manchmal auch nicht. Das Klagen bleibt des Forschers Gruß, und die Opposi­tion stimmt in diese Klagen natürlich gerne ein: Die Regierung macht alles falsch, sie gibt zu wenig Geld aus, sie trocknet die Grundlagenforschung aus und insgesamt sind wir knapp vor dem Ende. Ich verstehe diese Argumentation im politischen Kontext, denn man muss auffallen und man muss um Aufmerksamkeit werben, aber wenn ich das real betrachte, gerade auch anhand dieser einigen wenigen Statistiken, die ich Ih­nen dargestellt habe, dann kann ich nur sagen, das ist für den Forschungsstandort Ös­terreich so nicht zutreffend. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Mag. Gruber, Sie haben zu Recht das Jahr 2018 als ein besonderes Jahr für Ös­terreichs Universitäten hervorgehoben. Nach jahrelangen Vorarbeiten ist es gelungen, mit der Hilfe von manchen Abgeordneten, nicht von allen, die Universitätsfinanzierung Neu zu beschließen. Wir haben damit eine noch nie da gewesene Steigerung des Uni­versitätsbudgets verzeichnen können und auch eine grundlegende Veränderung der universitären Finanzierungssystematik erreicht. Das haben meine VorrednerInnen auch betont. Insgesamt stehen den Universitäten für die kommende dreijährige Leis­tungsvereinbarungsperiode 11 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist das höchste Bud­get aller Zeiten. Das ist eine gute Neuigkeit. Ich weiß schon: good news is bad news, ich muss dennoch dieses Faktum wiederholen. Wir müssen das immer wieder betonen und wir können auch stolz sein auf diesen entscheidenden Schritt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der legistische Schlussstein zur Umsetzung dieses Paradigmenwechsels erfolgt nun mit der Universitätsfinanzierungsverordnung. Damit wird der budgetäre Rahmen für die einzelnen Universitäten weitgehend festgelegt. Wir haben noch so ein kleines Delta für Verhandlungen, Frau Kollegin, aber bringen Sie die Botschaft nicht zu optimistisch nach Linz, denn das Wesen einer indikatorenbasierten Finanzierung ist, dass sie eben auf Indikatoren basiert und nicht auf einem Verhandlungsprozess.

Wir verlangen von den Universitäten auch, dass sie strategische Schwerpunkte bilden. Wir wollen auch Anstrengungen sehen, dass sie das Studium, das Studieren erleich­tern. Wir legen großen Wert darauf – Frau Gruber, kein Dissens meinerseits –, dass das Studieren erleichtert wird, dass die Mint-Fächer ausgebaut werden, dass die so­ziale Dimension bei der Rekrutierung der Erstinskribenten und der Studierenden er­halten bleibt. Mir liegen die aktiven Studierenden sehr wohl sehr am Herzen, auch wenn mir das manchmal nicht abgenommen wird.

Frau Gruber, was auch noch zu betonen ist, ist eine wichtige - - (Rufe bei der SPÖ: Hahn! Hahn! – Bundesrätin Grimling: Hahn war es!) – Frau Hahn. I am very sorry. Ich habe mich an das formelle Programm gehalten. Aber ich habe in Ihre Richtung ge­blickt, und Sie haben genau gewusst, Frau Mag. Hahn, dass ich Sie anspreche. (Allge-


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meine Heiterkeit.) – Darf ich Sie noch auf etwas anderes aufmerksam machen, was im Bereich der Universitäten doch sehr wichtig ist und was auch gelungen ist? – Nämlich das Aufbrechen von bestimmten Standesgrenzen innerhalb der Universität.

Ich, wir kennen die Universitäten noch sehr gut mit ordentlichen Professoren – ich bin ein ordentlicher Professor; das hat aber nichts mit meinem Ordnungssinn zu tun, son­dern mit der Art und Weise der Berufung –, mit außerordentlichen Professoren und As­sistenten, und dazwischen gab es unüberwindbare Hürden, zwischen diesen einzelnen Gruppen an der Universität. Es gibt in Zukunft weiterhin berufene ordentliche Profes­soren, aber es gibt nun auch assoziierte Professoren und Assistenzen und es gibt, was ganz wichtig ist, Übergänge im System. Jemand, der als Assistent beginnt und über entsprechende Qualifikationen verfügt, auch entsprechende Qualifikationschecks über­steht, wird zum Professor, zum ordentlichen Professor. Sensationell – das ist auch eine Frage von sozialer Mobilität, das hat es bisher noch nicht gegeben; und das unbe­achtet von der Politik. Lassen wir es unbeachtet von der Politik, denn sonst werden vielleicht bestimmte Emotionen wachgerufen! Aber es ist hier ein wirklicher Paradig­menwechsel innerhalb der Personalstruktur eingetreten.

Darf ich vielleicht noch meinen letzten Punkt ansprechen? Die Frau Präsidentin hat mir 10 Minuten zugestanden, und ich weiß nicht - -


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eine halbe Minute haben Sie noch.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann (fortsetzend): Eine halbe Minute habe ich noch? (Bundesrat Mayer: Wir sind großzü­gig!) – Ihr seid großzügig. Ich wollte nämlich noch zu meinem eigentlichen Thema zu sprechen kommen, nämlich zur Ratspräsidentschaft.

Sie haben ja schon gesagt, seit Juli sind wir Ratspräsidenten und -präsidentinnen, und das ist schon etwas. Wenn alles so bleibt, wie es ist, wird Österreich im Jahr 2032 noch einmal Ratspräsident werden. Ich werde dann 77 sein. (Bundesrat Mayer: Ich auch! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich hoffe, dass ich noch etwas von der nächsten Ratspräsidentschaft mitbekomme, wo auch immer ich dann sein werde. Ich persönlich werde zwei Ratsformationen zu leiten haben. Der eine Rat betrifft den Bildungsaspekt und der andere den Forschungsaspekt.

Beim Bildungsaspekt ist das Erasmusprogramm ein ganz zentraler Kern. Das Eras­musprogramm soll inklusiver, intensiver und internationaler werden. Mehr Schüler und Schülerinnen, mehr Studenten, mehr Lehrlinge – ganz besonders wichtig – sollen er­fasst werden. Sie sollen klarerweise eine Zeit lang an anderen Universitäten, Schulen, Ausbildungsstätten verbringen und dabei Sprachen und andere Kulturen kennenlernen und vielleicht auch persönlich ein Stückchen selbstständiger werden. Das ist ja auch eine ganz wesentliche Aufgabe von Mobilität. Insgesamt soll das derzeit noch unver­handelte Erasmusbudget von 14 Milliarden Euro auf 30 Milliarden steigen. Das ist eine ganz signifikante, von der Kommission vorgeschlagene Aufstockung. Ich halte das auch für ein ganz wichtiges und richtiges Signal an unsere Jugend, dass sie hier an Mobilitätsprozessen teilnehmen kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das zweite wichtige Dossier, welches ich zu betreuen habe, betrifft das Forschungs­rahmenprogramm Horizon Europe. Ich habe das einmal schon in einer Bundesratssit­zung angedeutet. Sie waren die Ersten, denen ich den neuen Titel verraten habe. Da­nach habe ich erfahren, dass ich das nicht hätte tun dürfen. (Bundesrat Mayer: Oh ja, das passt schon!) – Passt schon. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Zukunfts­kammer!) Dieses Rahmenprogramm soll eine Steigerung um 30 Prozent erfahren. Es sind derzeit rund 100 Milliarden Euro für Grundlagen- und angewandte Forschung im Budget vorgesehen. Das Programm soll exzellente Grundlagenforschung fördern, aber es sollen damit auch Antworten auf die großen Fragen der Gesellschaft und Zeit ge-


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funden werden: zum Beispiel durch Forschung zum Klimawandel, zur Energiegewin­nung, zu neuen Krebstherapien und zur Bekämpfung von Demenz. Das alles sind Fra­gestellungen, die im Rahmenprogramm fixiert sind und wo man die Wissenschaft und Forschung aufruft, Antworten zu finden. Das ist eine sehr wichtige Angelegenheit.

Ich erwähne diese beiden Dossiers, nicht nur um Ihnen Bericht zu erstatten, sondern auch um eines anzudeuten: Zukünftig wird die Musik im Bereich von Bildung und For­schung auf einer europäischen Ebene spielen, zunehmend mehr, als es heute der Fall ist. Ich finde das nicht schlecht, denn wir brauchen für Europa neben einem Sicher­heitsdiskurs und einem berechtigten Schutz der Außengrenzen auch ein optimistisches Narrativ, insbesondere für unsere jungen Menschen. So ein optimistisches Narrativ kann die grenzüberschreitende Mobilität, kann das grenzüberschreitende Studieren sein.

Wenn es mehr Geld für Erasmus gibt, dann ist das möglicherweise mindestens so gut investiert wie in jede PR-Kampagne, weil am Ende des Erasmusprogramms auch überzeugte Europäer herauskommen. Mehr Geld für die internationale Forschung hebt auch die Qualität der nationalen Forschung, wenn wir uns rechtzeitig darauf einstellen und die JKU sich den Entwurf des nächsten Forschungsprogramms ansieht und über­legt: Wo könnten wir da in Europa mitforschen?

Sie bemerken, meine Damen und Herren, diesbezüglich steckt ein gewisser Opti­mismus in mir. Ich bin sonst nicht sehr mit Temperament ausgestattet, aber in diesem Bereich entwickle ich durchaus Temperament, weil ich glaube, dass das eine ganz wichtige Angelegenheit ist.

Darf ich vielleicht mit einem Satz schließen, Frau Präsidentin: Wir brauchen insgesamt einen wachen Blick für das Bildungssystem, wir brauchen die Bereitschaft zur Verbes­serung, wo es notwendig ist, ich brauche die Kooperation mit Ihnen als Gesetzgeber, und das wird insgesamt gelingen, wenn ich Sie überzeuge, aber darum werde ich mich stets bemühen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.59


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön, Herr Minister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte.


10.00.20

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Beginn meines Redebeitrags zur Aktuellen Stunde mit dem Thema „Wissenschaftsstandort Österreich im Jahr der Leistungsvereinbarungs-Verhandlungen und der Ratspräsidentschaft“, weil ja auch die Bildung insgesamt von diesem Thema umfasst ist, danke sagen.

Vorigen Freitag war schließlich in allen österreichischen Schulen Schulschluss, und da­her möchte ich an dieser Stelle allen Pädagoginnen und Pädagogen an den Schulen und anderen Einrichtungen, die wir im Bildungsbereich haben, allen Verantwortungs­trägern, die für gelingende Schule in Österreich, für gelingende Bildung in unserem Staat und für gelingende Studien und Forschung verantwortlich sind, auch ganz herz­lich danken. Sie leisten Großartiges für die nächsten Generationen und für unsere Zu­kunft insgesamt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Vorweg möchte ich auch ein herzliches Danke an dich, lieber Herr Bundesminister, richten, auch für dein Bekenntnis dazu, dass wir in unserer Republik im Grunde ein sehr gutes Bildungssystem haben, dass wir nur dort oder da natürlich an entsprechen-


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den Stellschrauben zu drehen haben. Dazu bekennen wir uns und daran wollen wir auch entsprechend weiterarbeiten.

Im Regierungsprogramm steht im Kapitel Wissenschaft einleitend, dass „Wissenschaft und Forschung [...] Voraussetzungen echter Persönlichkeitsentfaltung in einer Gesell­schaft und Basis für eine positive Zukunft unseres Heimatlandes“ sind.

Dabei geht es auch um entsprechende Rahmenbedingungen, die dafür geschaffen werden sollen. Welche meine ich damit? – Das ist die internationale Ausrichtung unter Berücksichtigung nationaler Strukturen auf der einen Seite, das ist die richtige Justierung des Hochschul- und Forschungssystems im Hinblick auf Differenzierung und auf Abstimmung des Studienangebotes und es ist schließlich die adäquate Finan­zierung mit dem Ziel einer echten Studienplatzfinanzierung verbunden mit einem ge­rechten Zugang. Das ist das Thema: dass wir diesen auch für alle anbieten wollen: ei­nen gerechten Zugang für alle gesellschaftlichen Schichten. Es muss nicht unbedingt immer ein Gratiszugang sein, ein gerechter Zugang muss es sein, darauf hat auch der Herr Bundesminister hingewiesen.

Die Bundesregierung hat sich da einiges vorgenommen, und ich möchte auch noch einmal, weil das wirklich ein Meilenstein in der Universitätsfinanzierung in unserer Re­publik ist, die Erhöhung des Budgets für die nächsten drei Jahre – 1,34 Milliarden Euro, 450 Millionen Euro pro Jahr im Schnitt – betonen. Das ist schon etwas, und das ist auch zielgerichtet eingesetzt, vor allem für alle öffentlichen Universitäten, die davon profitieren werden, besonders aber für jene, in denen die Betreuungsquote noch ver­bessert werden muss. Das ist ein Bekenntnis, das wir abgegeben haben, und das soll jetzt auch umgesetzt werden.

Das Zweite ist die Beteiligung an Forschungsprogrammen, das hat der Herr Bundes­minister im Wesentlichen schon ausgeführt, und ich glaube, dass wir da auf einem sehr, sehr guten Weg sind. Wir können auf eine Zeit mit Erasmus+ zurückblicken, das bisher schon 100 000 junge Menschen durchlaufen haben, und viel von dem, was sie an Erfahrungen gemacht haben, haben sie mit in unser Land und auch in den Wirt­schaftsstandort gebracht. Jetzt soll durch die Verdopplung des Budgets der Wert die­ses Programms auch entsprechend dokumentiert werden. Horizon Europe ist das Pro­gramm, das jetzt zu verhandeln ist, und dafür wünsche ich jetzt schon viel, viel Erfolg.

Als stolzer Niederösterreicher möchte ich aber auch kurz unsere großen universitären Einrichtungen in Niederösterreich ansprechen, wobei das besondere Flaggschiff sicher das Institute of Science and Technology in Klosterneuburg ist, das aktuell schon 49 Pro­fessoren mit rund 600 Mitarbeitern beschäftigt und für das im Rahmen einer 15a-Ver­einbarung zwischen Bund und Land 1,5 Milliarden Euro für die Jahre bis 2026 fest­gelegt wurden. Ziel sollen dann schließlich insgesamt 90 Forschungsgruppen mit rund 1 000 MitarbeiterInnen sein, also ich denke, dies ist ein Institut, das heute schon welt­weit Anerkennung gefunden hat und auch weiter finden wird.

Das Zweite, was mir am Herzen liegt, ist eine Besonderheit im universitären Bereich – in Niederösterreich, aber auch in Österreich generell und sogar darüber hinaus –, und zwar die Donau-Universität Krems als die Universität für Weiterbildung und als einzige öffentliche Universität im deutschsprachigen Raum, die sich für lebensbegleitendes Lernen eingesetzt hat. Mit rund 9 000 Studierenden ist das heute schon ein Riesen­campus, der auch mit Fachhochschulen und so weiter zusammenarbeitet und For­schung betreibt, die für unsere Zukunft und für den Wirtschaftsstandort und Wissen­schaftsstandort Österreich große Bedeutung haben wird.

Ich wünsche dir, lieber Herr Bundesminister, für dein Engagement für unsere Univer­sitäten und für den Wissenschaftsstandort Österreich weiterhin viel Kraft und Erfolg


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und vor allem viel Erfolg auch für die Vorhaben, die im Rahmen der Ratspräsident­schaft zu verhandeln und hoffentlich auch zu finalisieren sind. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.05


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber. – Bitte sehr.


10.06.01

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Auch von mir herzliche Gratulation, liebe Inge, zu deiner Präsidentschaft! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen zu Hause oder im Büro an den Bildschirmen! Ja, wir wollen den Wissenschaftsstandort Öster­reich fördern, ja, wir wollen gute WissenschaftlerInnen in Österreich, weil wir das für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit brauchen, ja, wir brauchen im Zeitalter der Digitalisierung gut ausgebildete, hoch spezialisierte Fachkräfte, und ja, der Grundstein für wissenschaftliche Karrieren wird schon sehr früh gelegt, die Vorbereitung beginnt schon sehr, sehr früh.

Wir haben in Österreich Tausende kleine WissenschaftlerInnen, die nur darauf warten, dass sie erkannt werden und ihr Talent gefördert wird. Unser Glück dabei ist, dass diese Neugier, der Forschungsdrang dieser Kinder naturgegeben ist. Er ist vorhanden, und ihn zu erhalten ist aus meiner Sicht eines der wesentlichen Ziele unserer Bildungs­einrichtungen von Beginn an.

Herr Minister, Sie waren vor wenigen Wochen im Haus der Industrie und haben Bil­dungseinrichtungen ausgezeichnet, die sich im Bereich der Mint-Förderung betätigen. Mint – vielleicht noch einmal zur Erinnerung – benennt die Bereiche Mathematik, Infor­matik, Naturwissenschaft und Technik, und es waren bei dieser Gütesiegelvergabe die­ses Mal auch erstmals elementarpädagogische Einrichtungen, Elementarbildungsein­richtungen darunter – auch einige der Wiener Kinderfreunde, was mich besonders freut.

In diesen Einrichtungen wird ein spezieller Schwerpunkt auf diese natürlich kindgerecht pädagogisch aufbereiteten Angebote und Inhalte gesetzt. Man hat nämlich erkannt, dass das notwendig ist, speziell auch für Mädchen, um dieses Interesse, diese Lei­denschaft – ich möchte das auch! – zu wecken und diese Talente möglichst früh zu för­dern. Leider passiert es immer noch oft, dass Mädchen die Begeisterung für diese The­men aberzogen wird; diese soll jedoch weiterhin gefördert werden.

Die Umsetzung dieser Mint-Programme passiert immer in Kooperation mit Forschungs­einrichtungen oder Forschungsvermittlungseinrichtungen und auch Unternehmen, und diese Kooperationen – das ist meine Erfahrung – in den konkreten Einrichtungen ver­läuft immer sehr konstruktiv und sehr förderlich.

In dieser Aktuellen Stunde geht es aber auch um Leistungsvereinbarungen, und auch in der Elementarbildung, in der Elementarpädagogik stehen die Verhandlungen für das nächste Jahr – hoffentlich für die nächsten Jahre – an. Jetzt sollen aber genau in die­sem Bereich, in dem der Grundstein auch für ForscherInnenkarrieren gelegt wird, die Mittel gekürzt werden, und zwar gibt es um nicht weniger als 30 Millionen Euro weni­ger, als es bisher für diesen Bereich gab. Meiner Erfahrung nach betrifft das dann auch die Zusatzangebote, wie eben diese Mint-Förderung, als Erste, weil man sich das dann angesichts der angespannten budgetären Verhältnissen nicht mehr leisten kann.

Diese Mittel sind aber wesentlich, wenn einem die Bildung von Kindern wichtig ist, und wir sind im europäischen Vergleich tatsächlich, auch was die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich anbelangt, in der Elementarbildung nicht gerade Spitzenreiter. Es ist auch aus anderen Gründen nicht sehr klug, in der Elementarbildung zu sparen, denn –


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wir haben das in der aktuellen Kindertagesheimstatistik gesehen – wir haben bei den unter Dreijährigen noch immer einen hohen Bedarf am Ausbau des Angebotes, es ist noch immer Thema, dass nur jeder zweite Kindergartenplatz mit einer Vollzeitbeschäf­tigung vereinbar ist, was angesichts der Debatte um die Ausweitung der Arbeitszeit sehr brisant ist, es gibt immer noch manche Bundesländer, in denen 42 Schließtage im Jahr für die Eltern zu bewältigen sind, und es steht das Thema an, dass das Ganz­tagsschulangebot, das sich 60 Prozent der Eltern wünschen würden, nicht mehr weiter ausgebaut wird.

Insofern, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen: Bitte sparen wir nicht bei der Bildung der Kinder, bitte sparen wir nicht bei den entspre­chenden Mitteln für Gemeinden und Städte, denn wenn uns die Talente in diesen Bil­dungseinrichtungen verloren gehen, dann fehlen uns diese auch längerfristig an den Universitäten, in der Wissenschaft und schlussendlich auch in den Unternehmen. – Dan­ke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

10.11


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Gerd Krusche. – Bitte.


10.11.26

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wertes Publikum zu Hause! Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich eingangs (in Richtung Bundesminister Faßmann) für Ihre fachlichen, sachlichen und durchaus pointierten Ausführungen zu diesem Thema bedanken, und wenn Sie Frau Mag. Schulz als Botschafterin der Johannes Kepler Universität Linz verstanden haben, so habe ich nichts dagegen, wenn Sie mich als Botschafter der Montanuniversität Leo­ben sehen, da ich aus Leoben komme und auch einige Zeit an dieser Universität ver­bracht habe.

Es wurde von Kollegen Pisec schon gesagt, dass Geld nicht alles und Kreativität ganz wichtig ist, allerdings glaube ich doch, ausreichend Geld und ein sorgenfreies Leben in diesem Bereich befördern die Kreativität natürlich auch ganz erheblich.

Das bringt mich zu den Leistungsvereinbarungen. Dieses Wort wurde heute schon öf­ter erwähnt, und da wir im Fernsehen sind, lassen Sie mich auch die Frage stellen: Was steckt jetzt eigentlich wirklich hinter diesen Leistungsvereinbarungen, die mit 22 Uni­versitäten für einen Zeitraum von drei Jahren abgeschlossen werden und die im kom­menden Halbjahr, bis Ende des heurigen Jahres, für die Jahre 2019 bis 2021 zu ver­einbaren sind? – Ich habe mir die Leistungsvereinbarung der Montanuniversität für die letzten drei Jahre angeschaut, und das ist – das ist doch eigentlich beachtlich und res­pektabel – ein richtiger Vertrag zwischen der Universität und dem Ministerium.

Da gibt es ein Kapitel, das die zu erbringenden Leistungen der Universität definiert, be­ginnend mit den strategischen Zielen über die Kapitel Forschung, Entwicklung, Lehre bis zu Sonstiges, und es sind keine Blabla-Sätze und Schlagworte oder Überschriften, die in solchen Leistungsvereinbarungen stehen, sondern das ist gelebte Realität, unter­mauert mit Fakten.

So haben wir betreffend die Strategie natürlich den Forschungsschwerpunkt entlang der Wertschöpfungskette, des Wertschöpfungskreislaufes von der Rohstoffgewinnung und ‑verarbeitung über Metallurgie, Hochleistungswerkstoffe bis zum Produktenginee­ring, der Umwelttechnik und Recycling. Dieses Leitbild, diese Leitstrategie wird auch in Ausstellungen öffentlich kommuniziert, die in Leoben stattfinden und für das Publikum, für alle zugänglich sind. Es stehen in diesen Leistungsvereinbarungen sehr konkrete Vorhaben mit Meilensteinen zu ihrer Umsetzung, mit Zielen, die mit Indikatoren, also


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mit Messgrößen, hinterlegt sind, und mit Zielwerten. Das heißt, es ist möglich, diese Leistungsvereinbarungen laufend zu monitoren und auch zu adaptieren, wenn sich die Rahmenbedingungen geändert haben und sich dadurch zwangsläufig auch Ziele ver­ändern.

Auf der anderen Seite steht die Verpflichtung des Bundes zu finanzieren. Das belief sich in der vergangenen Leistungsperiode, also für diese drei Jahre, für die Montanuni­versität auf 139,2 Millionen Euro plus ein Strukturbudget.

Wir stehen jetzt vor folgender aktuellen Situation: Es soll mit 1. August die entspre­chende Verordnung, da die Finanzmittel klar sind, in Kraft treten, und dann werden die Leistungsvereinbarungen mit den einzelnen Universitäten geschlossen.

Ich freue mich auch, dass darin gewisse außerordentliche Vorhaben für Infrastruktur­projekte wie, wie ich mit Freude hören durfte, das neue Studien- beziehungsweise Hör­saalzentrum in Leoben, die außerhalb dieses Budgetrahmens finanziert werden, ange­führt werden, die angeblich gesichert sind – dafür möchte ich mich bedanken.

Abschließend noch ein Wort zu Erasmus: Es freut mich ganz besonders, dass die Internationalisierung unserer Jugend einen hohen Stellenwert hat und gefördert wird. Ich sehe es in meinem eigenen Unternehmen, wie wichtig es ist, junge Kräfte zu fin­den, die Auslandserfahrung schon mitbringen, die ihren Horizont erweitern konnten und die bereit sind, auch in ihrem beruflichen Leben ins Ausland zu gehen und dort tä­tig zu werden. Manchmal habe ich nämlich den Eindruck, dass das immer schwieriger wird und die Stubenhockermentalität überhandnimmt. Deshalb ist gerade das Eras­mus-Programm besonders wichtig, um dieser Tendenz entgegenzuwirken.

Ich danke und wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrer Tätigkeit als Minister und viel Glück – das gehört auch dazu. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.17


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat David Stögmüller. – Bitte schön.


10.17.21

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ja, uns freut es ganz besonders, wenn der grüne Entschließungsantrag – damals aus dem Nationalrat – jetzt auch endlich bei den Universitäten und Fachhochschulen ankommt. Er ist damals von der SPÖ, von den Grünen und von der FPÖ beschlossen worden; die ÖVP hat damals nicht zugestimmt. Das soll dem Wahlkampf geschuldet sein – Haupt­sache, er kommt bei den Universitäten an, das ist das Wichtigste.

Es ist auch wirklich erfreulich, wenn auf grünen Nachdruck neue Stellen für Professo­rInnen geschaffen werden und mehr Geld in die Unis und FHs sowie in die Einrichtung von akademischen Start-ups investiert wird. Das ist, denke ich, sehr erfreulich und soll­te uns alle motivieren, hier auch weitere Schritte für die Universitäten zu setzen.

Dieser Erfolg wird jedoch davon überschattet, dass nach wie vor eine längerfristige Ab­sicherung für den tertiären Sektor fehlt. Das Versprechen ist eigentlich ganz einfach er­klärt: 2 Prozent des BIP werden seit Ewigkeiten und immer wieder versprochen, aber die längerfristige Finanzierung des tertiären Bildungsbereichs über diesen Entschlie­ßungsantrag hinaus ist noch nicht abgesichert. Wir bilden hierbei das beschämende Schlusslicht, denn das Resultat einer chronischen Unterfinanzierung des Hochschul­sektors sind schlechte Studienbedingungen und Betreuungsverhältnisse. Daraus resul­tieren wiederum viele Langzeitstudierende und weniger Abschlüsse, ergo eine niedri­gere AkademikerInnenquote.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 28

Lassen Sie mich ein bisschen Licht in das Ganze bringen: Wie stehen wir im interna­tionalen Vergleich da? – Damit kommen wir genau zu einem wunden Punkt, nämlich der AkademikerInnenquote: Zurzeit liegt Österreich einsam am Ende der Liste. Unglaub­liche 15,8 Prozent der 25- bis 64-Jährigen verfügen über einen richtigen Hochschulab­schluss – ich meine jetzt nicht jene, die eine berufsbildende höhere Schule absolviert haben, sondern diejenigen, die einen Bachelor haben, einen Doktor, Magister, Master und so weiter. Mit einer kleinen Recherche lässt sich auch relativ schnell herausfinden, dass der OECD-Schnitt bei 29 Prozent liegt – Österreich: 15,8 Prozent, OECD: 29 Pro­zent!

Ich frage mich da ernsthaft: Wo sind die entsprechenden Maßnahmen, Herr Faßmann, gerade auch, was die geringe soziale Durchlässigkeit an den Hochschulen angeht? – Ein andauerndes und bekanntes Problem sind auch die Arbeitsverhältnisse von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Wissenschaftsbereich.

Auch wenn man die Anzahl der StudienanfängerInnen in Österreich betrachtet, zeich­net sich ein ähnlich düsteres Bild. Da liegen wir unterhalb des OECD-Schnitts: Dieser liegt bei 61 Prozent; in Österreich sind es 57 Prozent eines Jahrganges. – Als Vertreter der jüngeren Generation hoffe ich da inständig auf eine Kehrtwende!

Und wenn schon über die Leistungsvereinbarungsverhandlungen gesprochen wird, dann soll nicht nur lang und breit darüber geredet werden, sondern dieses Tool auch wirklich als Steuerungsmittel eingesetzt werden. Es geht darum, ganz klare gesellschaftliche und bildungspolitische Ziele zu definieren, die in den Vereinbarungen fixiert werden, und dann dementsprechende Maßnahmen zur Umsetzung in Angriff zu nehmen.

Ganz massiv fehlt es an finanziellen Mitteln, zum Beispiel für die Förderung der inter­nationalen Sichtbarkeit unserer Universitäten, für die Grundlagenforschung – das ist be­reits angesprochen worden – oder für Gender- und Diversitymaßnahmen sowie für die wissenschaftliche Infrastruktur.

Nicht weniger wichtig ist, dass es eine umfassende, den Prozess begleitende Evaluie­rung braucht. Es muss auch überprüft werden, ob die Ziele, die bei den Leistungsver­einbarungen beschlossen wurden, auch wirklich umgesetzt werden.

Von grüner Seite fordern wir auch eine längerfristige finanzielle Absicherung des Hoch­schulzugangs. Wir brauchen in Österreich eine bedarfsorientierte Hochschulfinanzie­rung anstelle einer kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung. Herr Minister, es hilft niemandem, wenn wir uns in einer Symbolpolitik verlieren, durch die im Endeffekt unsere Studentinnen und Studenten auf der Strecke bleiben!

Ich möchte die Wichtigkeit dieses Themas noch einmal unterstreichen, indem ich auf die gesellschaftlichen Auswirkungen einer hohen AkademikerInnenquote eingehe. Ich denke, da sind wir uns einig: Je besser unsere Gesellschaft ausgebildet ist, desto ge­sünder ist sie, desto gefestigter sind unsere Demokratie und der Rechtsstaat – und da­von profitieren wir alle. Dieser Mechanismus ist klar, diesen Mechanismus können wir seit Jahren beobachten und in genau diesen Mechanismus greift der bildungsfeindliche Block dieser Regierung auch ein, indem er unseren motivierten Studenten mit Studien­gebühren noch eine zusätzliche finanzielle Belastung aufs Auge drücken will.

Ich zähle also eins und eins zusammen: Auf eine im EU-Vergleich beschämend nied­rige AkademikerInnenquote und niedrige Zahl an StudienanfängerInnen reagiert die Regierung mit sozialer Selektion, denn man hört bereits, dass diese, nämlich dass eine höhere Ausbildung nur durch dementsprechende finanzielle Ressourcen erlangt wer­den kann, ehebaldigst kommen soll. Herr Minister, Sie werden damit eine der größ­ten Errungenschaften zerstören, nämlich den freien Hochschulzugang! (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer und Bader.)


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Ich denke, es wäre etwas ganz anderes notwendig: Sichern wir die Hochschulfinanzie­rung, ermöglichen wir gezielte Studienwahl statt Zugangsbeschränkungen, erhöhen wir die soziale Durchlässigkeit an den Universitäten, verbessern wir die Studienbedingun­gen, fördern wir den wissenschaftlichen Nachwuchs und schaffen wir ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Grundlagenforschung! Das wäre notwendig in Österreich. Dan­ke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

10.22


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister noch einmal zu Wort gemeldet. Ich darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten möglichst nicht zu überschreiten. – Bitte.


10.22.49

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Wobei (erheitert) mir das nicht ganz so leicht fallen wird. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl. Zwischenrufe bei Bundesräten der ÖVP.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska (erheitert): Den Bundesräten und Bundesrätinnen auch nicht.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann (fortsetzend): Alles klar. – Ich möchte kurz auf den Redebeitrag von Herrn Bader ein­gehen: Herr Bader, Sie haben zu Recht hervorgestrichen, dass in Niederösterreich ei­ne erfolgreiche Transformation gelungen ist! Niederösterreich war nach dem Zweiten Weltkrieg ein Agrarland, kein reiches Agrarland, eher ein ärmeres Agrarland, und die Transformation in Richtung Wissens- und Bildungsgesellschaft ist ausgesprochen gut gelungen. – Hat man da die längerfristige Perspektive vor Augen, so muss man diesem Bundesland Respekt zollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Mag. Gruber, wir sprechen heute nicht über den Kindergarten, aber ich möchte eines betonen und Ihnen zustimmen: Das Interesse für die Mint-Fächer, die Neugierde dafür wird sehr früh geschaffen. Bei meinen Besuchen in Kindergärten war es für mich immer faszinierend, zu sehen, wie man mit relativ geringen Mitteln so etwas wie Inter­esse wecken kann.

Zur Frage der Kürzung von 30 Millionen: Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass Kindergartenangelegenheiten Kompetenz der Länder sind und der Bund da immer nur Zusätze und Anregungen schaffen kann. (Die Bundesrätinnen Gruber-Pruner und Grim­ling: „Nur“?!) Ich weiß, das ist eine unbefriedigende Antwort, auch für mich, aber wir haben dieses politische Pingpongspiel hinsichtlich Infrastruktur zwischen Bund und Land, und ich will bei diesem Spiel die Länder nicht außer Acht lassen.

Herr Krusche, einen herzlichen Gruß an die Montanuniversität Leoben! Es ist wirklich beachtlich, dass eine kleine Universität mit einer ganz klaren Profilausrichtung so et­was wie eine internationale Dimension erlangt hat. Die Universität ist beachtlich! Ich glaube, nicht alle Österreicherinnen und Österreicher wissen, wie international diese Universität eigentlich ausgerichtet ist. Also: Gruß nach Leoben, und man kann nur sa­gen: Machen Sie so weiter!

Herr Stögmüller, ich weiß jetzt gar nicht, wie ich anfangen soll. (Bundesrätin Mühl­werth: Das geht uns auch so! – Ruf bei der FPÖ: 5 Minuten!) Ich muss ganz offen sagen, das war eine Suada von Vorhaltungen, von Halbwahrheiten. Sie haben zum Bei­spiel die Akademikerquote von 16 Prozent erwähnt: Bei der Volkszählung im Jah­re 1981 lag die Akademikerquote bei circa 4 Prozent. Es ist gelungen, eine Vervierfa­chung der Akademikerquote zu erreichen. (Bundesrat Stögmüller: Trotzdem sind wir das Schlusslicht!) – Bitte? (Bundesrat Stögmüller: Sind wir Schlusslicht oder nicht?) –


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Na ja, das hängt immer von der Zählweise ab. Sie haben sich elegant herausgehantelt, indem Sie gesagt haben, Sie zählen jetzt nur die richtigen Hochschulabschlüsse. (Bundesrat Stögmüller: Wir reden ja auch von Hochschule!)  Sie wissen, dass die Europäische Union anders zählt. Die Europäische Union zählt die Abschlüsse der Sekundarstufe II im Bereich der berufsbildenden höheren Schulen mit und kommt dann zu einer Quote, die über den Zielwerten der Europäischen Union liegt. Mir ist schon klar, man soll Statistik nur verwenden, wenn man sie selbst gefälscht hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Stögmüller, man muss einfach die beiden Dinge gemeinsam betrachten. Wir ha­ben in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Erhöhung der Akademikerquote er­reicht, und wir haben insgesamt auch ein sehr hohes Bildungsniveau, wenn man EU-Standards heranzieht; und wenn wir mehr AkademikerInnen – in Ihrer Diktion: richtige AkademikerInnen – produzieren können, dann werde ich mich mit Sicherheit nicht da­gegen verwehren.

Was ich aber wirklich zurückweisen möchte, ist, dass diese Bundesregierung eine bil­dungsfeindliche Politik betreibt, da das absolut unsachlich ist. (Bundesrat Stögmüller: Das habe ich nicht gesagt!) Angesichts der budgetären Entwicklung können Sie es nicht daran festmachen, und Sie können es auch nicht an einem Bildungs- und Wis­senschaftsminister festmachen, der sich mit ehrlichem und großem Einsatz für diese Aufgaben einsetzt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich werde nicht als Zerstörer des freien Hochschulzuganges in die österreichische Ge­schichte eingehen, wie Sie mir jetzt schon mein Schicksal prophezeit haben. Herr Stög­müller, wir sollten uns einmal in einem Seminar über Hochschulbildung, über Bildungs­statistik treffen, und da werden wir vielleicht auf einen grünen Zweig kommen – auf ei­nen grünen Zweig, nicht auf einen türkisen. Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Raml: Aber erst nach einem allgemeinen Benimmkurs! – Bundesrä­tin Mühlwerth: Ja, genau!)

10.28


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön, Herr Minister. Das war eine Punkt­landung mit den 5 Minuten. – Danke sehr.

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich der Bekanntgabe der Aufenthalte von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Uni­on beziehungsweise der Vertretungsmeldungen von Mitgliedern der Bundesregierung verweise ich gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die bereits gestern im Sit­zungssaal verteilten Mitteilungen der 882. und der 883. Sitzung des Bundesrates.

*****

(Schriftliche Mitteilungen siehe 882. Sitzung des Bundesrates vom 11. Juli 2018, S. 8 ff.)

*****


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüs­sen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heu­tigen Tagesordnung sind.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 31

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

10.29.12Antrag gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Bundesrat Stögmüller hat gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung beantragt, den Tagesordnungspunkt 10 betreffend Erwachsenen­schutz-Anpassungsgesetz von der Tagesordnung abzusetzen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich lasse daher über den Antrag von Bundesrat Stögmüller, den Tagesordnungs­punkt 10 betreffend Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz von der Tagesordnung ab­zusetzen, abstimmen. Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen erforderlich.

Ich ersuche daher, jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Abset­zung des Tagesordnungspunktes 10 ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt. (Bundesrat Krusche: War jetzt die SPÖ dagegen oder dafür? – Abg. Mühlwerth: Drei waren dafür!)

10.30.01Fristsetzungsanträge


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Ausschuss für Kinderrechte zur Be­richterstattung über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ eine Frist bis 11. Okto­ber 2018 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

*****

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung einge­bracht hat, wonach dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Berichter­stattung über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Integrationsklassen an Sonderschulen“ eine Frist bis 11. Oktober 2018 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

10.31.141. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG geändert wird (296/A und 248 d.B. sowie 10010/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelan­gen zum 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtscheller. Ich bitte um den


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Bericht.


10.31.28

Berichterstatterin Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.) Frau Präsidentin! – Oh, Sie verlassen uns? Ich wollte gerade noch die erste Gelegen­heit nutzen, Ihnen herzlich zur Präsidentschaft zu gratulieren und Ihnen alles Gute zu wünschen. (Bundesrätin Posch-Gruska: Danke schön!)

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Be­schluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.


10.32.37

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Es geht bei dieser Novellierung des Universitätsgesetzes nicht nur um faire Arbeitsbedingungen für junge Menschen – was ein Grund dafür ist –, sondern es geht auch um die Zukunft der medizinischen Versorgung in Österreich.

Grund für die Novellierung ist, dass die Österreichische Hochschülerschaft, die ÖH, zurzeit die Medizinische Universität klagt, weil Studierende der Zahnmedizin und Medi­ziner, die gerade im klinisch-praktischen Jahr sind, in ihrem 72 Wochen dauernden Prak­tikum keinen Cent verdienen. Es gibt jetzt eine Gesetzesänderung, um die Universitä­ten nicht haftbar zu machen.

Grundsätzlich ist es natürlich gut, dass die Universitäten nicht für die Arbeit eines priva­ten Betriebes aufkommen müssen. Ich glaube, das ist unbestreitbar, das ist klar, dass das ein guter Weg ist. Es kann aber nicht sein, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass junge Menschen, die arbeiten und ein Praktikum absolvieren müssen, für ihre Leistungen nichts bezahlt bekommen. Das ist eigentlich unglaublich, wenn man sich das Ganze durchdenkt, gerade auch deshalb, weil man immer wieder von den Re­gierungsparteien hört: Wer etwas leistet, hat sich auch Geld verdient, wer arbeitet, der soll für seine Arbeit etwas bekommen. – Das gilt hier wohl nicht.

Es ist daher auch mit weitreichenden Auswirkungen zu rechnen, denn im Gesundheits­bereich wird es in den nächsten Jahren, wenn er nicht bereits besteht, einen Ärzteman­gel geben. Erst vor Kurzem gab es eine Statistik von der GKK Oberösterreich, wonach 26 Ärztestellen allein in Oberösterreich unbesetzt sind – oder 16, da bin ich mir jetzt nicht ganz sicher. Wie gesagt: Es ist bereits angekommen und ist gerade jetzt auch ein massives Problem.

Gerade im ländlichen Bereich liegt bereits jetzt eine extreme Belastung auf den Haus­ärztinnen und Hausärzten. Allein im Bezirk Braunau, dem Bezirk, aus dem ich bin, sind knapp 20 Prozent der Hausärzte über 65 Jahre alt – schon über 20 Prozent! Das ist re­lativ viel, das heißt, wir brauchen in Zukunft dringend Hausärzte. Wir müssen dafür sor­gen, dass dieser Beruf wieder attraktiv wird, dass dieser Beruf von den jungen Ärztin­nen und Ärzte wieder angenommen wird und diese sagen: Jawohl, das will ich werden! Ich bin mit voller Überzeugung dabei, mich für meine Mitbürger in meiner Gemeinde ein­zusetzen!


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 33

In der letzten Ausbildungsnovelle wurde zumindest eine sechsmonatige Ausbildung in der hausärztlichen Lehrpraxis verpflichtend eingeführt. Das finden wir schon einmal sehr gut, das war wirklich ein wichtiger Schritt, um diesen Beruf den jungen Ärzten auch wirklich näherzubringen. Die Ausbildung wird aber in den meisten Bundesländern noch immer nicht finanziert. Das ist ein großes Problem, gerade im ländlichen Raum, denn man muss sich ja nebenbei auch noch eine Wohnung besorgen und so weiter und so fort. Dies hat auch massive Auswirkung auf die Zukunft der ländlichen Daseins­vorsorge, denn die Nachbarländer haben auf dieses Problem schon reagiert, und das sieht man auch in der Statistik, die Sie, Herr Minister, hoffentlich kennen. Jeder zehnte österreichische Medizinstudent verlässt Österreich, um im Ausland zu arbeiten – jeder zehnte! Allein in Deutschland praktizieren mehr als 2 300 Österreicherinnen und Öster­reicher als Ärzte – und da rede ich noch gar nicht davon, dass die Deutschen oder die Studierenden aus anderen EU-Ländern nicht in Österreich bleiben, sondern wieder zu­rück in ihre Heimatländer gehen oder woandershin –, und ein Großteil davon sind Jung­mediziner in Ausbildung. Die Migration nach Deutschland wird in Zukunft zunehmen – das zeigen auch die deutschen Statistiken –, denn die deutschen Kollegen haben er­kannt, dass man bei der Attraktivität der Ausbildung beginnen muss.

Mit diesem Gesetz hilft diese Regierung leider nicht mit, den drohenden Ärztemangel in Österreich irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Es ist viel zu kurz gefasst, da müsste schon ein Maßnahmenpaket auf Schiene gebracht werden. Wir würden uns erwarten, dass Sie sich für die jungen Menschen, die sich als Mediziner ausbilden lassen, einset­zen. Ich glaube, es wäre an der Zeit, einen Schritt auf die Jugend zuzugehen und ih­nen Perspektiven zu bieten.

Mit diesem Gesetz, Herr Minister, schaffen Sie genau das Gegenteil! Sie schaffen da­mit für die Arbeitgeber die Möglichkeit, Studierende voll in den Arbeitsablauf einzubin­den, ohne sie jedoch adäquat zu bezahlen; im Endeffekt werden sie meistens ohne Be­zahlung heimgeschickt. Das geht leider in eine andere Richtung als eigentlich notwen­dig, daher haben wir uns entschlossen, diesem Gesetz heute nicht zuzustimmen. – Dan­ke. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic.)

10.37


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.


10.37.12

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für Ihren ehrlichen, großen und authentischen Einsatz für uns! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ.)

Ich weiß – weil Kollege Stögmüller die Ärzteausbildung, die medizinische Ausbildung angesprochen hat –, Sie haben in Salzburg eine Kooperation mit der PMU auf den Weg gebracht. Da geschieht wirklich etwas. – Vielen, vielen Dank.

Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, von wo auch immer Sie uns zuhören oder zusehen! Bei der gegenständlichen Gesetzesnovelle geht es darum, dass insbesondere im medizinischen Bereich einige rechtliche Klarstellungen getroffen werden sollen, im Sinne einer qualitätsvollen Verbesserung von Forschung und Lehre. Zudem erfolgt eine Klarstellung, wonach sozialversicherungsrechtliche Überweisungs­beträge beamteter DienstnehmerInnen von Universitäten zu bedecken sind. Auf diesen Punkt möchte ich jetzt etwas näher eingehen.

Es geht konkret um eine Klarstellung im Zusammenhang mit § 125 Universitätsgesetz. Das beschließen wir heute, und das ist aus zwei Gründen notwendig.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 34

Erstens: An den österreichischen Universitäten arbeiten immer noch Beamtinnen und Beamte, und das wird auch noch länger der Fall sein. Wenn diese Damen und Herren aus dem Beamtensozialversicherungssystem ausscheiden, wird ein sogenannter Über­weisungsbetrag als Bestandteil eines sozialversicherungsrechtlichen Kompensations­mechanismus – etwas kompliziert – fällig.

Zweitens: Im Frühjahr 2016 haben wir hier im Hohen Haus eine ASVG-Novelle be­schlossen, und dadurch haben sich die Überweisungsbeträge generell verdreifacht, von damals 7 Prozent auf jetzt 22,8 Prozent. Das hat natürlich in den letzten Jahren im Universitätswesen zu Diskussionen geführt, es wurde auch der Verfassungsgerichtshof damit beschäftigt.

Die heutige Gesetzesänderung dient dazu, die seit Jahrzehnten übliche Verwaltungs­praxis abzusichern und eben wieder Rechtssicherheit zu schaffen.

Das heute vorliegende Universitätsgesetz ist im Wesentlichen aus dem Jahr 2002. Es wurde nach einem längeren Prozess beschlossen, auf Basis des UOG 1975. Es war ein längerer Prozess notwendig. Mit dem heute geltenden Universitätsgesetz haben wir den Universitäten die volle Rechtsfähigkeit verliehen, und das funktioniert an sich seit 16 Jahren recht gut. Im Personalbereich ist damals das Angestelltenrecht an die Stelle des Bundesdienstrechtes getreten, und die autonomen Universitäten wurden zu Dienst­gebern aller Beschäftigten. Die an den Universitäten tätigen Beamten blieben natürlich weiterhin Beamte. Sie wurden den Universitäten im Zuge einer Zuweisungskonstruk­tion zur dauernden Dienstleistung überlassen und werden natürlich vom Bund besol­det; aus Gründen der Budgetwahrheit und Budgetklarheit sind diese Aufwendungen natürlich vom Bund zu ersetzen. Die Universitäten bekommen dafür im Rahmen der Universitätsfinanzierung im Globalbudget die notwendigen Mittel zuzüglich eines Pen­sionsbeitrages zugeteilt. So wurde 2004 bereits ein Betrag von 4 Millionen Euro einge­stellt, der valorisiert wurde, um sicherzustellen, dass diese historische Abfolge auch wirklich fortgesetzt werden kann.

Wechselt nun ein Universitätsbeamter den Arbeitgeber und scheidet aus dem pen­sionsversicherungsfreien Beamtendienstverhältnis aus, so setzt nach § 311 ASVG ein Überweisungsbetrag ein, der dann fällig wird. Diese Regelung gilt natürlich für alle, da­zu gibt es eine jahrelange gemeinsame Verwaltungspraxis von Ministerium und Univer­sität. Der historische Sachverhalt zwischen Universität und Ministerium steht außer Streit, es geht halt wie immer ums Geld.

Wir haben in den Ausschussberatungen intensiv darüber geredet, Kollege Schennach – den ich jetzt nicht sehen kann – hat auch einige Fragen gestellt. Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt: Sollten einzelne Universitäten einen sehr hohen Ausfall haben, sollten sehr viele Überweisungsbeträge anstehen, sollten sie also besonders belastet sein, dann könne ihnen im Rahmen der Leistungsvereinbarung dieser Ausfall individuell ab­gegolten werden; die Mittel dafür sind im Budget vorhanden. Ebenfalls auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, dass der Herr Minister das den Universitäten auch kommuniziert hat.

Mit der nun zur Beschlussfassung vorliegenden Änderung soll klargestellt werden, dass die bisherige Vollzugspraxis aufrechtbleibt, das heißt, dass die Überweisungsbeträge weiterhin von den Universitäten zu leisten sind und der Bund den Universitäten dafür die notwendigen Mittel über das Globalbudget zur Verfügung stellt. Damit herrscht wie­der Rechtssicherheit. Ich freue mich, dass wir im Ausschuss einen einstimmigen Be­schluss zustande gebracht haben, und ich danke allen, die daran mitgearbeitet haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

10.42


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.



BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 35

10.43.02

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe auf der Liste als Pro­rednerin; das mag jetzt vielleicht manche überraschen, ist aber so. Um es gleich vor­wegzunehmen: Meine Fraktion wird dem Antrag des Wissenschaftsausschusses auf Änderung des Universitätsgesetzes zustimmen.

Wir wissen alle, wie wichtig eine qualitativ hochwertige und auch praktische Ausbildung vor allem im Gesundheitsbereich ist. Kollege Stögmüller hat auch schon angespro­chen, dass wir dem Ärztemangel entsprechend begegnen, ihm entgegenwirken müs­sen. In diesem Sinne ist es zum Beispiel durchaus begrüßens- und unterstützenswert, dass nun niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ihre Praxen als sogenannte Lehrordina­tionen führen können. Dass die Klarstellung erfolgt ist, dass sie bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Rahmen von Forschung und Lehre handeln und daher nicht den Regelungen des Krankenanstaltengesetzes unterliegen, ist ebenso zu goutieren.

Bei genauerer Betrachtung dieses Gesetzes – darauf muss ich schon hinweisen – fin­det sich aber schon der eine oder andere kleine Schönheitsfehler, der, wie ich denke, auch entsprechend aufgezeigt werden soll. Es haben beispielsweise sowohl die Uni­versitätenkonferenz als auch die Ärztekammer gemeint, sie seien in den Prozess die­ser Gesetzesänderung nicht eingebunden worden. Das scheint mir in den letzten Wo­chen und Monaten leider gängige Praxis der Bundesregierung geworden zu sein: auf der einen Seite das demokratiepolitisch immens bedeutsame Begutachtungsprozedere zu übergehen und auf der anderen Seite die jeweils am meisten betroffenen Gruppen nicht mit an den Verhandlungstisch zu holen. – Ich kann Sie nur sehr eindringlich da­rum bitten, zu einer konsensualen Politik und zu einer Politik, die auch einen konstruk­tiven Diskurs eingeht, zurückzukehren.

Der zweite Schönheitsfehler nach Meinung meiner Fraktion besteht, wie gesagt – die Vorrednerin hat es schon angesprochen –, darin, dass die Universitäten künftig die Pensionsbeiträge für beamtete Universitätsangestellte übernehmen sollen. Wir haben das im Wissenschaftsausschuss behandelt und diskutiert, und es ist uns zugesichert worden, dass die notwendigen Mittel entsprechend zur Verfügung stehen werden. Wir haben allerdings die Befürchtung, dass die zugesagten Mittel auch wieder verringert werden können.

Wie auch immer – wir werden das jedenfalls ganz genau anschauen und verfolgen, ge­nau nachrechnen und, sollte es notwendig werden, auch entsprechende Fehlentwick­lungen aufzeigen. Alles in allem werden wir der Gesetzesänderung aber unsere Zu­stimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.45


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.


10.45.58

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause! Wir haben es schon gehört, wir diskutieren jetzt die Änderungen im Universi­tätsgesetz, und dazu sind drei wesentliche Aspekte anzuführen:

Erstens: die Möglichkeit der Lehrordinationen, die geschaffen wird, um die universitäre Ausbildung durch andere Einrichtungen und durch Hausärzte zu unterstützen, denn die allgemeinmedizinische Ausbildung der Studierenden findet immer mehr auch im nie­dergelassenen Bereich statt. Damit wird meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Schritt dahin gehend gesetzt – wir haben es heute auch schon gehört –, die Primärver­sorgung und die Nachwuchsförderung im medizinischen Bereich abzusichern.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 36

Ich bin davon überzeugt, dass dadurch auch der Beruf der Hausärzte aufgewertet wer­den kann, denn die Studierenden können sich im Alltagsleben ein Bild von der Arbeit als Allgemeinmediziner machen, sie können sich dafür begeistern. Sie können sich mit den Arbeitsabläufen in den Ordinationen vertraut machen und erhalten so im Laufe ih­rer Ausbildung einen umfassenden Einblick in die unterschiedlichen Aspekte genau dieser Tätigkeit. Es wird so sein, dass die Universitäten und die Ärzte davon lernen und voneinander profitieren.

Der zweite Aspekt betrifft die Klarstellung für den Bereich der Zahnmedizinisch-Klini­schen Praktika. Ein solches Praktikum ist Teil des Studiums und begründet eben de­zidiert kein Arbeitsverhältnis, weil die Verantwortung für die Patientinnen und Patienten dem Träger der Lehreinrichtung obliegt; er übernimmt dafür auch die Haftung.

Der dritte Aspekt betrifft die von Kollegin Eder-Gitschthaler schon angesprochene Pra­xis der Pensionsbeiträge in Form von Überweisungsbeträgen. Wir haben das im Aus­schuss wirklich gut erklärt bekommen, und ich denke, wir können uns auch wirklich da­rauf verlassen, dass diese Überweisungsbeträge, die in die Globalbudgets eingerech­net wurden und valorisiert werden, auch tatsächlich so geleistet werden. Es ist eben nicht so, dass die Universitäten diese Überweisungsbeträge aus ihren ureigenen Mit­teln bezahlen, sondern sie bekommen das Geld eben im Globalbudget eingestellt und leisten daraus dann die Überweisungen.

Sollten höhere Beträge anfallen, weil mehr Bedienstete übernommen werden, so gibt es die Zusage, dass im Rahmen der Leistungsvereinbarung – wir haben heute schon die Erklärung dazu bekommen, was das genau ist – aufgebessert und nachgebessert werden wird.

Zusätzlich werden die Rahmenbedingungen betreffend das Studienangebot an den FHs evaluiert, vor allem die Akkreditierungsverfahren bei den FH-Studiengängen, und das Verfahren beim Audit für die hochschulischen Qualitätsmanagementzertifikate soll­te überarbeitet werden.

Wie es mein Kollege Pisec heute schon auf den Punkt gebracht hat, brauchen die Uni­versitäten unsere besondere Aufmerksamkeit. Ich denke, dass mit diesen Änderungen im Universitätsgesetz diesem Ansinnen positiv Rechnung getragen wird; wir sehen das wirklich sehr positiv. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.49


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.


10.49.31

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zur vorlie­genden Änderung des Universitätsgesetzes sprechen und auch gleich sagen, ich bin sehr froh, dass, wie wir schon gehört haben, alle Fraktionen diesem Gesetz zustimmen werden.

Ich möchte nicht wiederholen, was meine Kolleginnen und Kollegen schon gesagt ha­ben, sondern ich möchte nur noch einen Punkt vorbringen, der noch nicht erwähnt wor­den ist, nämlich dass dieser Initiativantrag auch die vorklinischen Institute beinhaltet, die Befundleistungen erbringen. Mit dieser Gesetzesänderung wird nämlich festgelegt, dass diese Befundleistungen im Interesse von Lehre und Forschung sind und diese Institute somit keine Krankenanstalten zu sein brauchen, um diese Befundungen durchführen zu können.

Nächster Punkt, der mir auch am Herzen liegt: Der Begriff Lehrordination wird neu eingeführt. Wir alle wissen, dass das Fehlen von Hausärzten in den nächsten Jahren


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für uns alle in allen Bundesländern ein Problem sein wird. Vor allem die älteren Men­schen, die ich über den Seniorenbund gut kenne und auch betreuen darf, sind in gro­ßer Sorge, dass die Anzahl der Hausärzte abnehmen wird. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass die Begeisterung für diesen Beruf geweckt wird, wenn die Studierenden be­reits während des Studiums mit dem Beruf des Allgemeinmediziners vertraut gemacht werden. Es ist ja eine umfassende ärztliche Tätigkeit, die eigentlich jeden Menschen mit Freude erfüllen könnte.

Die Regelungen hinsichtlich des Praktikums für die Zahnmedizin kann man auch als sehr positiv ansehen.

Die Überweisungsbeträge wurden von meiner Kollegin Andrea Eder-Gitschthaler schon ausführlich dargestellt.

Zum Schluss möchte ich Ihnen, Herr Minister, für Ihren großen Einsatz, für den ich sehr dankbar bin und den wir alle hier sehr schätzen, danken und mir erlauben, auch noch ein persönliches Anliegen anzusprechen. Es sind heute schon einige Botschaf­terinnen und Botschafter in eigener Sache hier am Rednerpult gestanden, und so möchte auch ich jetzt für die international anerkannten und erfolgreichen Fachhoch­schulen in Tirol – das MCI, die Fachhochschule Kufstein und die Fachhochschule Ge­sundheit – eine Lanze brechen. Diese machen sich Sorgen hinsichtlich der Fortsetzung des Entwicklungs- und Finanzierungsplans seitens des Wissenschaftsministeriums. Es gibt diesbezüglich Schwierigkeiten zwischen dem Wissenschaftsministerium und dem Finanzministerium, und ich möchte Sie, Herr Minister, bitten, dass Sie persönlich Au­genmerk auf diese Sache legen, damit alles so gut weitergeht wie bisher. – Danke viel­mals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Heinz Faßmann. – Bitte.


10.52.42

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates, herzlichen Dank für die bisherigen Redebeiträge! Ich bin kein Freund großer, redundanter Diskus­sionen, ich kann mir daher angesichts der hervorragenden Erklärungen, was Überwei­sungsbeträge sind, was Lehrordinationen sind, warum es diese Klarstellungen im UG gibt, eine weitere Erläuterung ersparen.

Ich bringe zunächst zur Kenntnis – und nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis –, dass der Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplan in Bearbeitung ist, wie Sie voll­kommen zu Recht angedeutet haben. Wir führen derzeit Verhandlungen mit dem Fi­nanzministerium, aber ich bin ganz sicher, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.

Ich möchte vielleicht etwas aufgreifen, was Sie, Herr Stögmüller, und andere Red­nerinnen auch zu Recht angedeutet haben, nämlich die Frage der medizinischen Ver­sorgung insbesondere des ländlichen Raums in Österreich. Das ist schon ein Thema, keine Frage, denn es erfolgt eine Abwanderung aus den ländlichen Räumen in die Zentralräume, Frau Kollegin Neurauter. Wir haben vorhin über Bildung gesprochen. Je höher die Bildungspartizipation ist, je mehr junge Menschen in die Städte gehen, desto wahrscheinlicher wird es auch, dass sie in den Städten bleiben und nicht mehr in den ländlichen Raum zurückkehren. Wir haben eben eine demografisch-qualifikatorisch se­lektive Wanderungsbewegung aus dem ländlichen Raum in die Städte. In den ländli­chen Räumen bleiben ältere Menschen zurück, auch mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass keine Familienangehörigen mehr dort sind, die sie pflegen und betreuen werden. Uns ist daher die Frage der medizinischen Versorgung der ländlichen Räume und da­her auch die Frage, wie man Mediziner am Ende des Studiums halten kann, ein wich-


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tiges Anliegen. Ihnen vielleicht den ländlichen Raum schmackhaft zu machen, ist so ein wichtiger Punkt; die Lehrordinationen könnten dazu beitragen.

Wir befinden uns derzeit auch in den Leistungsvereinbarungsverhandlungen mit den Universitäten, und wir sind bestrebt, Lehrpläne zu verändern, mehr Allgemeinmedizin in die Lehrpläne hineinzubringen. Wir wollen einen Fokus auf die Allgemeinmedizin haben. Wir haben auch die Löhne der Mediziner um 20 bis 30 Prozent angehoben, sodass die Abwanderungsbewegung nach Deutschland geringer werden wird. Und es laufen auch Gespräche mit dem Gesundheitsministerium, denn die Frage der Bedin­gungen für niedergelassene Ärzte, welche Verträge wer bekommt, ist eine Frage, die nicht allein das Bildungsministerium, sondern auch das Gesundheitsministerium ent­scheidet.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Frage der medizinischen Versorgung der ländlichen Räume ist ein Thema der Zukunft. Dem müssen wir uns stellen, und wir müssen auch rechtzeitig Maßnahmen setzen, um letztlich die Attraktivität der ländlichen Räume zu erhalten. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.56

10.56.06


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.56.282. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz geändert werden (303/A sowie 9997/BR d.B. und 10024/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zu Punkt 2 der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. – Ich bitte um den Bericht.


10.56.50

Berichterstatterin Marianne Hackl: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­zeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz ge­ändert werden.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reinhard Todt. Ich erteile es ihm.


10.57.49

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und liebe Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie!


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Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Fernsehgeräten! 8 Stunden Ar­beit, 8 Stunden Freizeit, 8 Stunden Schlaf – diese Forderung wurde bei den ersten Ers­te-Mai-Demonstrationen aufgestellt und auch erkämpft. Seitdem gibt es eine Entwick­lung der Arbeitszeit, und vielleicht kann ich Ihnen einen kleinen Überblick über diese Entwicklung geben.

1945 wurde die 48-Stunden-Woche eingeführt, 1947 ein Kollektivvertragsgesetz, wo­nach sich Abschlüsse am 8-Stunden-Tag und an der 48-Stunden-Woche orientieren, 1948 ein Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz, wonach die Normalarbeitszeit für Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr 44 Stunden pro Woche beträgt; das ist der 8-Stun­den-Tag. 1956 wird der Urlaubsanspruch von 12 auf 18 Werktage verlängert. 1959 wird die Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden gekürzt. 1969: schriftliche Festlegung der Einfüh­rung der 40-Stunden-Woche, Generalkollektivvertrag und Beschluss eines Arbeitszeit­gesetzes, wodurch sich die Arbeitszeit verringert; 1970 erfolgte eine Arbeitszeitverkür­zung auf 43 Stunden.

1972: Arbeitszeitverkürzung auf 42 Stunden. 1975: Arbeitszeitverkürzung auf 40 Stun­den. 1977: Der Urlaub wird auf 24 Werktage verlängert. 1983: Das Bundesgesetz über eine etappenweise Urlaubsverlängerung tritt in Kraft. Ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1986 beginnt, beträgt das Urlaubsausmaß fünf Wochen, nach 25 Dienstjahren sechs Wochen. Ab 1985: weitere Verkürzung der Arbeitszeit von 38,5 auf 38 Stunden pro Woche durch Kollektivvertragsregelungen. 1988: Für 1 085 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt bereits eine Wochenarbeitszeit von weniger als 40 Stunden.

Sie haben jetzt einen Überblick über die Entwicklung der Arbeitszeit bekommen. (Bun­desrat Rösch: Wie ist es weitergegangen?) Das ist ja nicht stehen geblieben (Bun­desrat Rösch: Genau!), denn es gibt ja heute schon Kollektivvereinbarungen, gemäß denen die Wochenarbeitszeit verändert werden kann und je nach den Bedürfnissen der Unternehmen gestaltet werden kann. Nur: Diese Gestaltung setzt voraus, dass es kol­lektivvertragliche Vereinbarungen gibt, also eine Verhandlung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, beziehungsweise eine Betriebsvereinbarung, das heißt ebenfalls eine Verhandlung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Ich möchte Ihnen noch eine persönliche Geschichte erzählen: Ich habe 1963 eine Leh­re als Maschinenschlosser begonnen, habe in einem Betrieb gearbeitet, der heute Weltmarktführer bei Autokränen ist, und habe dort auch meine Lehre abgeschlossen. Ich habe in dieser Zeit – der Betrieb war nicht sehr groß – erfahren, wie es ist, wenn im Unternehmen mit Willkür gestaltet wird.

Die Willkür hat so ausgesehen, dass ich als Lehrling die Jause geholt habe, dass ich als Lehrling zusammengekehrt habe und vieles, vieles andere mehr. Gelernt habe ich meinen Beruf grundsätzlich einmal in der Berufsschule. Ich weiß, dass sich diesbezüg­lich vieles verändert hat, und ich weiß auch, dass es da viele Verdienste auch vonsei­ten der Arbeitgeber gibt (Bundesrätin Zwazl: Danke!), aber zum damaligen Zeitpunkt habe ich selbst erfahren, was es heißt, in einem Betrieb zu arbeiten, in dem es keine Arbeitnehmervertretung gegeben hat.

Wir haben uns zusammengeschlossen und haben dafür eine geschaffen: Ein Betriebs­rat wurde erkämpft – gegen den Widerstand des Unternehmers.

Der wesentliche Punkt bei dem heute vorliegenden Gesetzesbeschluss ist der, dass darüber mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht verhandelt worden ist (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt ja gar nicht!), obwohl das ganz wichtig wäre, dass es kei­ne Begutachtung gegeben hat und vieles andere mehr. (Bundesrat Rösch: Jahrelan­ges Gerede!) – Ja, jahrelanges Gerede. – Es gibt sehr viele betriebliche Vereinbarun­gen, durch die die Arbeitszeit flexibel gestaltet wird. Arbeitnehmer haben das immer auch als notwendig erkannt und als wichtig erkannt, und ich glaube nicht, dass es Ar-


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beitnehmer gegeben hat, die sich verweigert haben, wenn Aufträge fertiggestellt wer­den mussten. (Bundesrätin Zwazl: Aber Gesetz ist das nicht!)

Ich glaube nicht, dass es Arbeitnehmer gegeben hat, die sich in Verhandlungen gewei­gert haben, auf Flexibilität einzugehen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Seeber: Die Arbeitnehmer nicht, aber die Gewerkschaft!)

Ich habe mich im letzten halben Jahr als Bundesratspräsident sehr stark mit der Digi­talisierung beschäftigt, und ich weiß auch, dass sich die Arbeitsverhältnisse gerade in diesem Bereich auch verändern, aber es braucht beide, um diesen Fortschritt, den technologischen und auch den digitalen Fortschritt, auch gemeinsam zu verarbeiten beziehungsweise auch gemeinsam zu gestalten. Es geht dabei also um das Gemein­same, und das ist nicht durchgeführt worden, nämlich darüber zu reden: Wie machen wir denn das? Das haben Sie nicht gemacht, sondern Sie haben überfallsartig einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem es darum geht, die Arbeitnehmer ganz extrem zu be­nachteiligen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Sie alle wissen ganz genau, dass die Sozialpartnerschaft in Österreich ein Erfolgsmo­dell ist, dass sie das Erfolgsmodell überhaupt ist, dass sie das Erfolgsmodell ist, das in dieser Republik zu Wohlstand für alle geführt hat, dass sie das Erfolgsmodell ist, das dazu dient, den sozialen Frieden zu erhalten und den sozialen Zusammenhalt zu ge­stalten.

Es geht auch um den sozialen Zusammenhalt und es geht nicht ums Auseinanderdi­vidieren. (Ruf bei der FPÖ: Was macht ihr?) Es geht darum, dass die Menschen ge­meinsam miteinander leben, weil sie auch gemeinsam miteinander arbeiten. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Herr Abgeordneter Beppo Muchitsch und ich haben Ihnen einen offenen Brief geschrie­ben. (Ruf bei der FPÖ: Ungelesen!) – Herr Pisec, Sie brauchen ihn nicht zu lesen. (Bundesrat Samt – auf den neben ihm sitzenden Bundesrat Pisec weisend –: Er hat ja gar nichts gesagt!) Ich erzähle Ihnen jetzt, was in diesem offenen Brief steht, und ich kann Ihnen diesen auch gerne vorlesen. Ich teile Ihnen jetzt die wichtigsten Teile da­von mit. (Bundesrat Pisec: Herr Kollege, ich hab ja gar nichts gesagt! – Ruf bei der FPÖ: Weiter hinten war es!)

Wir haben Ihnen einen offenen Brief geschrieben, in dem wir noch einmal auf die Punkte aufmerksam gemacht haben, in dem wir noch einmal gesagt haben, worum es bei dieser ganzen Frage in Wirklichkeit geht. Sie haben dieses Gesetz in einer Ge­schwindigkeit durchgezogen, dass man nicht einmal mehr zum Schnaufen gekommen ist, und Herr Abgeordneter Muchitsch bietet hier Folgendes an – das hat er auch im Nationalrat sehr klar und sehr deutlich gesagt –: Er bietet an, dass das Gesetz, nach einer ordentlichen Begutachtung – und zwar noch im Sommer, damit es im September im Nationalrat beschlossen werden kann –, im Sozialausschuss noch einmal verhan­delt wird. (Ruf bei der FPÖ: Na großzügig!)

Sehr geehrte Bundesrätinnen und sehr geehrte Bundesräte! Sie haben hier die Mög­lichkeit, zu erwirken, dass der Bundesrat dieses Gesetz noch einmal an den National­rat zurückschickt. Nützen wir diese Möglichkeit! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Nützen wir diese Möglichkeit und diese Chance für den Bundesrat, damit dieses Ge­setz auch so verhandelt wird, wie es verhandelt werden muss, nämlich mit ordentlichen Stellungnahmen, mit einer ordentlichen Diskussion im Sozialausschuss! Das ist, glau­be ich, einer der wichtigsten Punkte, und ich ersuche Sie, genau diese Frage noch ein­mal zu überdenken.

Ich bringe den Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates ein, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begrün-


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dung Einspruch zu erheben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung von mir in seinen Kernpunkten wie folgt erläutert wird:

Ich habe Ihnen schon gesagt, dass vor über 100 Jahren der 12-Stunden-Tag abge­schafft wurde. Der 12-Stunden-Tag macht krank, der 12-Stunden-Tag ist gesamtge­sellschaftlich ein Rückschritt in frühindustrielle Zeiten. (Bundesrat Köck: Wieso habt ihr es dann für die ÖBB gemacht?) – Ich habe Ihnen schon gesagt, dass es Verträge gibt, wo es mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern vereinbart ist (Bundesrat Köck: Und dort macht es nicht krank?), um Flexibilität herzustellen. – Ich weiß nicht: Hören Sie ei­gentlich zu? Warum wollen Sie eine gesetzliche Regelung unbedingt durchsetzen? (Bundesrat Raml: Weil es unsere Aufgabe ist!)

Warum gibt es nicht Verhandlungen? Ich biete gerade Verhandlungen an – Sie haben die Möglichkeit, dieses Verhandlungsangebot anzunehmen. Sie haben die Möglichkeit, diese Verhandlungen anzuführen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Bundesrat, könnten Sie dann bitte allmählich zum Schluss kommen?


Bundesrat Reinhard Todt (fortsetzend): Ich kann zum Schluss kommen, ich bin gleich fertig.

Wenn Sie den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche einführen, dann bedeutet das Lohnraub, Freizeitraub, Gesundheitsraub. (Bundesrat Köck: Das habt ihr alles bei den ÖBB gemacht!)

Und was bedeutet die Regelung ganz konkret? – Ich erzähle es Ihnen noch ganz kurz – wir haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung, und ich überziehe jetzt ein bisschen –: Aufstehen um 4.30 Uhr; Toilette, Frühstück (Bundesrat Krusche: Ich will nicht wissen, wo du aufs Klo gehst!); 5 Uhr bis 6 Uhr: Fahrt zur Arbeitsstelle (Ruf bei der FPÖ: Redezeit, Herr Präsident!); 6 Uhr bis 18.45 Uhr: Arbeitszeit – dazwischen ei­ne Viertelstunde Jausenzeit, eine halbe Stunde Pause –; 18.45 Uhr bis 19.45 Uhr: Fahrt nach Hause; 19.45 Uhr bis 20.45 Uhr: Toilette, Abendessen, 20.45 Uhr bis 21.30 Uhr: eine Dreiviertelstunde für Familie/Kinder; 21.30 Uhr bis 4.30 Uhr: 7 Stunden Schlaf; 4.30 Uhr: Aufstehen. – Das ist der 12-Stunden-Tag (Bundesrat Rösch: Diens­tag, Mittwoch: fertig! – Heiterkeit bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ), und vieles, vieles andere mehr.

Sie können das ja gerne nachlesen. Der Antragt ist abgegeben, und ich fordere Sie daher noch einmal auf: Machen Sie von Ihrem Recht Gebrauch! Schicken wir dieses Gesetz in den Nationalrat zurück! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dzie­dzic und Stögmüller.)

11.11


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsord­nung, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsord­nung in seinen Kernpunkten erläutert wurde, ist genügend unterstützt und steht dem­nach in Verhandlung.

Begrüßen darf ich zur Verhandlung dieses Tagesordnungspunktes jetzt auch Frau Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich ertei­le es ihm.



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11.12.56

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! (BundesrätInnen der SPÖ halten runde, rot umrandete Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 beziehungsweise 60 in die Hö­he, BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ türkis-blau gerahmte Tafeln mit der Aufschrift „Freiwilligkeit garantiert!“, „Es bleibt dabei!“, „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Woche“. – Die von Bundesrat Köck hochgehaltene Tafel trägt die Aufschrift: „Keine Gewalt gegen Politiker!“) Liebe aktionsfreudige Kolleginnen und Kollegen Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie heute hier im Hohen Haus anwesend sind oder über das Fernsehen oder via Livestream unsere Debatte verfolgen! Ich glau­be, wir können die Turnübung beenden, es geht um ein sehr ernstes Thema. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) Es geht um den Arbeits- und Wirtschafts­standort Österreich, und es geht darum, wie wir als verantwortliche Politikerinnen und Politiker den Gegebenheiten einer modernen Arbeitswelt gerecht werden wollen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Darf ich nur ganz kurz unterbrechen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank! Wir haben jetzt die Taferln gesehen und ausreichend gesehen, und ich würde darum bitten, sie jetzt langsam wieder herunter­zugeben, damit wir die Diskussion weiterführen können und dieser auch konzentriert lauschen können. (Die meisten Tafeln werden nach wie vor hochgehalten.)

Wir hatten ja während der Ausführungen des Erstredners auch keine Taferln, und ich würde Sie bitten – da wir alle sie jetzt gesehen haben und sie auch von den Fernseh­kameras festgehalten wurden –, dass Sie die Taferln nunmehr wieder heruntergeben und wir uns wieder der Diskussion widmen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)


Bundesrat Mag. Christian Buchmann (fortsetzend): Danke vielmals, Herr Präsident! – Ich darf auch Frau Bundesministerin Schramböck, die soeben bei uns eingetroffen ist, herzlich hier willkommen heißen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war gerade dabei zu erläutern, dass die einzige Konstante in unserem Leben der gesellschaftliche Wandel ist – und diesem ge­sellschaftlichen Wandel folgt die Regierung mit ihrer Regierungsvorlage, folgt der ös­terreichische Nationalrat mehrheitlich mit seiner Beschlussfassung zu dieser Vorlage und werden auch wir hier im Bundesrat in der Debatte und der anschließenden Abstim­mung folgen.

Manche von Ihnen wissen, dass ich in den vergangenen Jahren sehr viel bei unserer Wirtschaft unterwegs war und auch aktuell unterwegs bin, dass ich mit den Verant­wortlichen und den Mitarbeitern in den großen Betrieben, unseren industriellen Leitbe­trieben das Gespräch suche, dass ich mit den vielen klein- und mittelständischen Un­ternehmern in Kontakt bin, die Familienbetriebe bei diesem Thema ganz besonders ad­ressieren und ansprechen möchte und dass wir bei diesen Gesprächen sehr, sehr viele Themen behandeln.

Eines haben wir erst in der jüngsten Sitzung besprochen, in der es um die interna­tionalen Handelsverflechtungen gegangen ist. Es geht aber auch um Innovation, um Fra­gen des Wirtschaftsstandortes und um den Bürokratieabbau, und es geht insbesonde­re auch – und damit sind wir beim heutigen Thema der Flexibilität der Arbeitszeiten – darum, wie wir in Zukunft arbeiten und leben wollen und insbesondere – und das ist, glaube ich, ganz besonders wichtig – wie wir Arbeit, Familie und Freizeit und soziales Engagement miteinander verbinden wollen. Wenn wir uns das ernsthaft ansehen und diese Verbindung ernsthaft herstellen wollen, dann kommt bei diesen Diskussionen in den Betrieben auch immer zum Durchbruch, dass natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Verantwortungsträger in den Unternehmungen die Selbstbe-


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stimmung ansprechen. Dann kommt natürlich durch, dass Flexibilität eingefordert wird, und dann kommt auch durch, dass die Rechtssicherheit ein ganz wesentliches Thema ist.

Zur Frage, wie die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Men­schen in unserem Land über das Thema der Flexibilisierung, der Rechtssicherheit und der Selbstbestimmung denken, darf ich Ihnen eine aktuelle Umfrage des Market-Insti­tuts zitieren, die nämlich ergeben hat, dass 78 Prozent der heimischen Arbeitnehmer angeben, dass sie bereit sind, flexibel zu arbeiten, phasenweise länger zu arbeiten. Sie schätzen flexible Arbeitszeiten als eindeutig positiv ein. 86 Prozent der Arbeitnehmer in Österreich sind davon überzeugt, dass flexible Arbeitszeiten ihren Job sichern.

Die Regierung und wir hier im Hohen Haus, glaube ich, haben ein hehres Anliegen, nämlich den Wirtschaftsstandort Österreich weiterzuentwickeln und unsere Betriebe dahin gehend zu unterstützen, dass die Arbeitsplätze in den Unternehmungen sichere und gute Arbeitsplätze sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Gesinnungsgemeinschaft, die Öster­reichische Volkspartei, hat sich beim Thema Wirtschaftsstandort und Flexibilität der Ar­beit, auch flexible Arbeitszeiten immer klar artikuliert. Wir haben das nicht nur im Wahl­programm getan, sondern auch im Regierungsprogramm zwischen der Österreichi­schen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei. Wir haben uns gemeinsam dazu be­kannt, dass wir Strukturen in unserem Lande verändern müssen und verändern wollen. Und wenn es darum geht, Strukturen zu verändern, dann verstehe ich, dass dies auch vielen Menschen nahegeht, denn Veränderung bedeutet auch immer Wandel, und Wandel ist nicht immer angenehm, Wandel ist aber notwendig. Es muss sich manches ändern, damit vieles, was wir in unserem schönen Österreich liebgewonnen haben, so bleibt, wie es heute ist.

Weil Kollege Todt einige Punkte angesprochen hat: Mir sind bei der Flexibilität der Ar­beitszeit drei Punkte ganz besonders wichtig, die ich auch jetzt noch einmal anspre­chen möchte, weil da teilweise Mythen verbreitet werden, Darstellungen, die aus mei­ner Sicht so nicht richtig sind.

Erstens: Die Normalarbeitszeit von 8 Stunden sowie die 40-Stunden-Woche bleiben die Regel. Das ist einmal ein ganz wesentlicher Punkt: 8-Stunden-Tag und 40-Stun­den-Woche bleiben die Regel. Wir haben mit dieser neuen Regelung das bestehende System nur flexibler gemacht, damit es auch die Anforderungen einer modernen Ar­beitswelt erfüllt. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass man in Ausnahmefällen, wie bei Auftragsspitzen oder in der Hochsaison, länger arbeiten darf und kann.

Ich halte also noch einmal fest: Entscheidend ist, dass es keinen generellen 12-Stun­den-Tag und keine generelle 60-Stunden-Woche gibt, wie es auch aktuell schon kei­nen generellen 10-Stunden-Tag und keine generelle 50-Stunden-Woche gibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zweitens: Besonders wichtig – und das betone ich ausdrücklich – ist uns das Thema der Freiwilligkeit. Ich weiß, dass das für manche schwierig nachzuvollziehen ist, aber Freiwilligkeit heißt auch, dem Individuum, sprich: den Menschen, ein Stück Freiheit zu­rückzugeben.

Ich bitte Sie, das auch in Ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Diese Freiwilligkeit wird schon heute in den vielen Tausenden Familienbetrieben in unserem Lande ganz be­sonders gelebt. Wann immer Sie in diesen Betrieben zu Gast sind und dort mit den Fa­milien, den Firmeninhabern, aber auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spre­chen, spüren Sie, dass diese Freiwilligkeit ein ganz besonderes Thema ist. Es funktio­niert bestens, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das wollen wir in Zukunft ausbauen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Drittens: Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Wahlfreiheit. Wenn eine 11. oder 12. Stunde anfällt, kann diese entweder in Geld oder als Zeitausgleich abgegolten werden. Die Entscheidung über die Form der Abgeltung liegt bei der Arbeitnehmerin oder beim Ar­beitnehmer. Das heißt, es gibt eine Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer, und diese Wahl­freiheit ist uns auch ganz besonders wichtig. (Ruf bei der SPÖ: Bla, bla, bla!) Ihr treten wir mit dieser Novelle näher.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der soziale Friede ist ein hohes Gut. Ich bin selbst ein Kind der Sozialpartnerschaft, für mich ist das ein ganz besonderes Gut. Ich habe diesbezüglich erst vorgestern mit dem Regionalsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes in Graz telefoniert, weil es mir immer ein Anliegen war, dass Ar­beitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam am Wirtschaftsstandort Österreich arbeiten und gemeinsam diesen weiterentwickeln. Ich sage Ihnen aber schon auch, dass ich es mit großem Bedauern gesehen habe, dass die Sozialpartnerschaft im vergangenen Jahr nicht imstande war, die beiden großen Themenstellungen, die wir uns vorgenom­men haben, zu lösen. Auf der einen Seite gab es die Frage des Mindestlohns, diese hat die Dienstgeberseite gelöst. (Bundesrat Schabhüttl: Da gehören immer zwei da­zu! – Bundesrätin Grimling: Wer hat es verhindert?) Beim Thema der Arbeitszeitflexi­bilisierung andererseits konnte die Gewerkschaft in letzter Konsequenz nicht über ihren Schatten springen und den flexibilisierten Maßnahmen, die, wie ich höre, vereinbart wa­ren, nahetreten.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, höre ich wohl die Schalmeien­töne, wir sollen diese Vorlage wieder an den Nationalrat zurückschicken, um eine neu­erliche Diskussion zu ermöglichen, aber die Diskussionen sind geführt, die Argumente sind ausgetauscht, und ich glaube, es liegt an uns, heute hier im Bundesrat eine Ent­scheidung zu treffen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich für meine Person und für meine Fraktion darf sagen, wir werden selbstverständlich keinen Einspruch gegen die Vorlage erheben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen gesagt, ich bin ein Kind der Sozialpart­nerschaft, und der soziale Friede ist ein hohes Gut. Daher, liebe Kolleginnen und Kol­legen, lehne ich es zutiefst ab – das möchte ich in aller Schärfe und Deutlichkeit sa­gen –, dass Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, sei es des Nationalrates oder des Bundesrates, in der Ausübung ihres freien Mandates, vor ihren Wohnungs- oder Firmentüren Pflastersteine finden, dass dort Grablichter entzündet werden (Zwischen­rufe der BundesrätInnen Grimling und Novak) und dass dort mit Hetzschriften agiert wird. Das ist einer Demokratie wie der österreichischen unwürdig. Ich würde mir da ei­ne ganz eindeutige Absage Ihrerseits wünschen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zweitens: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mit dem Kollegen ÖGB-Sekretär in Graz telefoniert, weil mir sein ÖGB-Vorsitzender über die Medien ausrichten ließ, er werde mich noch impfen. Erstens ist mein Impfpass voll, zweitens lasse ich mich von niemandem bedrohen, von keinem ÖGB-Vorsitzenden, keinem Arbeitgebervertreter und auch keinem Parteiobmann. (Bundesrat Novak: Ihre Vorgangsweise ist unwürdig!) Lieber Kollege Novak, die Vorgangsweise, frei gewählte Mandatare in ihrem Amt ent­sprechend unter Druck setzen zu wollen, ist unwürdig. (Bundesrat Weber: Von uns war das keiner!) Das lehne ich auch ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Drittens: Das, was vor einer guten Woche geschehen ist – wenige Meter von hier ent­fernt wurde bei einer Demonstration zum Sturz der Bundesregierung aufgerufen – (Ru­fe bei der SPÖ: Na geh! Nein!), ist eine Grenzüberschreitung, die dankenswerterweise auch sozialdemokratische Gewerkschafter anders sehen als diejenigen, die es gesagt haben. Eine solche Grenzüberschreitung ist unzulässig, da würde ich mir auch eine Entschuldigung Ihrerseits erwarten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten sehr gute Beratungen im Aus­schuss. Ich bin den Expertinnen und Experten sehr dankbar dafür, was sie uns berich­tet haben. Ich habe in dieser Ausschusssitzung die Frage gestellt, ob Österreich mit der Veränderung durch diese flexibleren Arbeitszeiten europäischer Spitzenreiter wird. Die Expertinnen und Experten in den Ausschussberatungen haben klar zum Ausdruck gebracht, dass wir damit im guten Mittelfeld sind. Die Sorge, dass wir irgendwelche Grenzen massiv überschreiten würden und gegenüber allen anderen Ländern quasi Schranken durchbrechen würden, ist also unbegründet. Ich glaube, da muss man die Kirche im Dorf lassen und die Wahrheit sagen.

Damit zum Abschluss: Diese Regelung schafft die notwendige Flexibilität, sie ist not­wendig – ob sie hinreichend ist, wird auch der gesellschaftliche Wandel zeigen (Zwi­schenruf des Bundesrates Schabhüttl–, damit sich Beruf, Familie und Freizeit besser vereinbaren lassen. Wir modernisieren damit die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wir schaffen damit Freiheit für die Menschen in unseren Betrieben, wir schaffen damit Wahlfreiheit, und wir öffnen damit den Menschen in Österreich ein Stück Zukunft. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob das, was wir heute tun, richtig ist, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich einmal die österreichische Bundeshymne anzusehen. Darin gibt es drei Strophen, in der dritten Strophe ist davon die Rede, dass man mutig in die neuen Zeiten schreiten soll. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir tun das mit dieser Be­schlussfassung. – Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.27


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf Frau Bundesministerin Dr. Mar­garete Schramböck recht herzlich willkommen heißen. – Grüß Gott! (Allgemeiner Bei­fall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr. (BundesrätInnen der FPÖ – in Richtung Bundesrätin Dziedzic, die auf dem Weg zum Rednerpult eine Stofftasche in Händen hält, die sie dann daneben ablegt –: Was nimmt sie denn da mit? Ist da ein Pflasterstein drinnen? Die hat sich eine Jause mitgenom­men!)


11.27.32

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! 200 Tage war die Regierungskoalition der Freiheitlichen und der Österreichischen Volkspartei im Amt, als der 12-Stunden-Tag in der letzten Sitzung vor dem Sommer im Bundesrat, der zweiten Kammer des Parlaments, beschlossen wurde. Trotz Warnungen zahlreicher Experten, der Gewerkschaft (Bundesrat Koller: Speed kills!), trotz lauter Proteste in Betrieben und auf der Straße und obwohl der freiheitliche Koalitionspartner bis vor Kurzem noch gegen eine Arbeitszeitverlängerung aufgetreten ist (Ruf bei der FPÖ: Es gibt ja a koane!), wurde diese beschlossen. Die Auswirkungen waren verheerend. – So könnte es einmal in einem Geschichtsbuch stehen. – Wahrlich, eine tolle Bilanz! (Bundesrat Steiner: Das ist dann auch ein Märchenbuch!)

Ich möchte heute auf jene Auswirkungen eingehen, die wir noch verhindern hätten kön­nen, denn Sie wissen: Wenn wir das Gesetz heute so beschließen, werden die Men­schen diesen Beschluss bereits im September spüren, da Sie zusätzlich dazu das In­krafttreten dieses Gesetzes überfallsartig um ein halbes Jahr vorgezogen haben – dies ziemlich sicher, um Proteste zu unterbinden. Vielleicht aber dachten Sie auch, dass sich immer mehr aus Ihren eigenen Reihen – das ist ja schon passiert – zu Wort mel­den und einräumen werden, worum es bei dieser Gesetzesänderung tatsächlich geht, nämlich um die Ausschaltung der Betriebsräte, die Beschränkung der Überstundenzu­schläge, mehr Zugriff auf die Angestellten samt Angriff auf Familien und um die Verein­barkeitsfrage.


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Dann tun Sie hier so, als wären es lediglich ein paar Oppositionelle, die sich dagegen wehren und sich aufregen. Es mag schon sein, dass es vielen Menschen noch nicht bewusst ist, welche Auswirkungen dieses Gesetz, diese Aufweichungen und Änderun­gen auf sie haben werden, aber eines wissen wir: Viele Menschen haben jetzt schon Angst davor, und Sie werden, wie ich, Mails, Briefe von besorgten Bürgern (Rufe bei der FPÖ: Drohbriefe! Nur von Gewerkschaftsvertretern! Keine Bürger!), von Müttern, von den Gewerkschaftsvertretern bekommen haben.

Ich möchte nur ganz kurz eines vorlesen, das mir eine zweifache Mutter geschickt hat:

„Ich appelliere an Sie, sagen Sie Nein zu diesem Gesetz, das im Nationalrat im Eilver­fahren und ohne die Einbindung der Sozialpartner zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen durchgewinkt wurde. Die Verweigerung des Dialogs mit allen Sozialpartnern ist nicht der österreichische Weg.“ – (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat keine Mutter geschrie­ben!) – „Als Mandatarin sind Sie den österreichischen WählerInnen und deren Interes­sen verpflichtet,“ – (Bundesrat Mayer: Typischer Hausfrauenbrief!) – „von denen im­merhin 3,7 Millionen Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen sind, und nicht den Interessen einiger betuchter Wahlkampfsponsoren.“ – (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist die typi­sche Wortwahl einer Hausfrau und Mutter!) – „Als Frau verstehen Sie sicher, dass man nicht einerseits die Arbeitszeit hinaufsetzen und die Geldmittel für den Ausbau der Kin­derbetreuung senken kann, ohne die Familien hinsichtlich der Kinderbetreuung vor un­lösbare Probleme zu stellen. In tiefer Besorgnis - -“

Ich kann es an Sie weiterleiten. Sie müssen schon aushalten, dass es diesen Protest gibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Na des is kein authentischer Brief!) Der Kampf der Ar­beitnehmer und Arbeitnehmerinnen – und das wissen Sie – war nicht nur ein langer, sondern ist nach wie vor ein zäher. Die 40-Stunden-Woche gibt es seit über 40 Jahren. Die ArbeitnehmerInnenrechte sollten zwar eine Selbstverständlichkeit sein, sind es aber nicht, weil sie permanent von denjenigen bedroht sind, die lediglich in ihrem Ge­winnmaximierungsdogma verhaftet (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) und nicht an einem Ausgleich interessiert sind.

Ihre Aufgabe als Volksvertreter wäre es, die Menschen vor den Auswirkungen des Wirt­schaftssystems, der Entwicklung der Arbeitsmärkte, der permanenten Beschleunigung, in der wir uns befinden, zu schützen. Sie wollen ja auch sonst die Heimat schützen, ihre Frauen schützen. Ich frage mich: Wieso schützen Sie nicht die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die für dieses Land arbeiten? Wieso eigentlich nicht? (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wir schützen sie doch vor Ihnen!)

Sie, Frau Ministerin, auch wenn Sie meine Rede ignorieren und in Ihr Handy schauen, erbringen ja auch volle Leistung. Sie haben als Sozialministerin in diesem Land der­artige Verschlechterungen sozialer Natur forciert – bewusst selbst forciert – und in den 200 Tagen dieser Regierung bereits Ihre politische Glaubwürdigkeit vollkommen verlo­ren.

Sie haben letztens zitiert, dass die Freiheit ein hohes Gut sei, und gemeint, dass dies Karl Marx gesagt hätte. Da haben Sie falsch recherchiert. Es war nämlich Otto von Bis­marck. Falls Sie den nicht kennen: Er war deutscher Reichskanzler und in seinen An­sichten sicher ganz woanders als Karl Marx. Sie wollen jedenfalls nicht sehen, welche Auswirkungen Ihre Politik auf die Menschen im Alltag haben wird.

Die Wahrheit ist ja bekanntlich auch sonst eine Tochter der Zeit, und es wirkt tat­sächlich schon wie Fake News, wenn man Aussagen des aktuellen Vizekanzlers Stra­che liest, der sich noch vor Kurzem massiv gegen eine Arbeitszeitverlängerung, massiv gegen einen 12-Stunden-Tag ausgesprochen hat. (Widerspruch bei BundesrätInnen der FPÖ. – Ruf: Das stimmt doch nicht!) Auch Minister Hofer, der sich damals noch im


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Bundespräsidentenwahlkampf um die Gunst der Wähler und Wählerinnen bemühte, meinte, dass der 12-Stunden-Tag ein No-Go für ihn sei, aber Sie sind in diesen 200 Ta­gen Regierungsbeteiligung – und da spreche ich vor allem die Freiheitliche Partei an – für ein bissel Rauchen und ein bissel mehr Ausländer-raus-Politik mehr als 20 Mal um­gefallen. Dieses von Ihnen falsch verwendete Zitat ist für mich schon symptomatisch für die Debatte rund um diesen 12-Stunden-Tag.

Es streitet ja niemand ab, dass es bereits jetzt in verschiedenen Berufen und Betrieben 12-Stunden-Tage gibt. Die gibt es. Die entscheidende Frage ist aber: Unter welchen Bedingungen gibt es die? Fast alle Regelungen zu 12-Stunden-Diensten, die es derzeit gibt, sehen verpflichtende verlängerte Ruhezeiten in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den geleisteten Diensten vor. Viele Betriebsvereinbarungen sehen außerdem vor, dass jeweils die 11. und 12. Stunde mit einem Zuschlag zu bezahlen sind, und sie legen auch den Rahmen fest, innerhalb dessen diese Konsumation von Mehr- und Überstun­den von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wählbar ist, genauso wie es fixierte Frei­zeitphasen gibt.

Was bewirken Sie also mit diesem Beschluss, von dem Sie sagen, da ändert sich nicht so viel? – In Zukunft kann sich niemand mehr darauf berufen, dass der Arbeitstag laut Gesetz nur 8 Stunden lang sei. Strittig ist allenfalls, was wirklich als Überstunde zählt, und da schafft das neue Gesetz – das wissen Sie – mehr Rechtsunsicherheit, als jetzt gegeben ist.

Ja, es stimmt auch, dass auch die Überstundenzuschläge weiterhin im Gesetz stehen, nur die Definition ist eine gänzlich andere. In der Praxis werden nur mehr jene Stunden als Überstunden gelten, die vom Arbeitgeber konkret angeordnet worden sind, und die angebliche Verankerung der Freiwilligkeit, die auf Ihren Schildern steht, wird nicht nur von den Kritikern und Kritikerinnen nicht ernst genommen, sondern nimmt sich tat­sächlich selbst nicht ernst. Sie nutzen jedenfalls schamlos aus, dass viele Menschen sagen, dass sie eh schon mehr arbeiten, dass sie prekär arbeiten, dass sie flexibel arbeiten. Tatsächlich ist es so, dass Vollzeitbeschäftigte in Österreich heute schon mehr Stunden pro Woche als im EU-Durchschnitt arbeiten. Länger zu arbeiten ist des­halb für viele normal.

Sie nehmen das aber nicht als Anlass, Abhilfe zu schaffen, nein, Sie verschärfen das Problem. Allein aus frauenpolitischer Sicht gibt es mehrere Argumente gegen die
60-Stunden-Woche: Für die meisten Frauen geht die Arbeit nach der Lohnarbeit weiter. Frauen arbeiten in Österreich 27 Stunden pro Woche unbezahlt. (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein, nein!), Männer nur 11. Auch bei den Überstunden sind Frauen die Leidtra­genden. Der Anteil unbezahlter Überstunden liegt bei ihnen mit 27 Prozent deutlich hö­her als jener bei Männern mit 18 Prozent. Eine 12-Stunden-Regelung verschärft auf je­den Fall die Geschlechterungerechtigkeit, denn die Arbeitgeber werden jene Mitarbei­ter einstellen, die keine Kinder von der Schule oder vom Kindergarten abholen müs­sen. Aber auch da scheinen Sie eine Lösung parat zu haben: Sie kürzen einfach die Gelder für die Kindergärten. Nicht nur, dass Sie diese Gelder um ein Viertel kürzen, sondern Sie lügen den Leuten ins Gesicht, dass es sich dann besser ausgehen wird. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Hallo, hallo!)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Liebe Ewa, darf ich dich ganz kurz un­terbrechen? Du kannst dann gleich weiterreden. Dürfte ich dich bitten, den Ausdruck „ins Gesicht lügen“ zurückzunehmen? Ansonsten würde ich dir einen Ordnungsruf er­teilen.


Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (fortsetzend): Meiner Wahrnehmung nach ver­breiten Sie hier die Unwahrheit, wenn Sie den Menschen erzählen, dass sie mehr


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Freizeit haben werden. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: Das ist nicht zurückgenommen!)

Das ist nämlich insofern total durchschaubar, weil Sie ja selber immer wieder sagen, dass Sie für einen Umbau der Gesellschaft sind. Sie orientieren sich dabei nicht an der Zukunft, sondern an der Vergangenheit, und Sie machen kein Hehl daraus, dass die Emanzipation in Ihren Augen eigentlich eine Fehlentwicklung ist. (Bundesrat Spanring: Du hast gerade gesagt, dass die Frauen die Kinder vom Kindergarten abholen!) Sie vertreten ein Weltbild, in dem Männer alleine verdienen und Frauen zu Hause die Kin­der großziehen. Und ja, diese Arbeitszeitverlängerung passt in dieses Weltbild. Sie schafft den Rahmen für dieses Weltbild.

Ich kann Ihnen deshalb versprechen – auch wenn Sie sich lustig machen, dass wir Grüne hier nur noch zu zweit sitzen (Ruf bei der FPÖ: Ja, zu zweit, das ist eine komi­sche Mehrheit! – Heiterkeit bei der FPÖ) –: Wenn es darum geht, dass die Gesellschaft in Ihrem Sinne umgebaut werden soll, dann sind wir in der Mehrheit und nicht dieje­nigen, die von Großunternehmen dafür bezahlt worden sind.

Dein Chef ist nicht dein Haberer, heißt es, und Sie wissen wie ich, dass die Schutzbe­stimmungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht aus Jux und Tollerei ent­standen sind. Das betrifft auch jene, die Sie im Oktober gewählt haben und die sich im­mer mehr von Ihnen verraten fühlen.

Nach 200 Tagen dieser Regierung ist nämlich eines klar: Es braucht in diesem Land dringend einen Aufstand der Anständigen, einen Aufstand der AlleinerzieherInnen, ei­nen Aufstand der AlleinverdienerInnen und jener, die Sie allein und im Stich lassen. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ. – Bundesrätin Schulz: Sie machen Aufstand!) Diesen Menschen nehmen Sie nämlich das Recht auf Familie, das Recht auf Freiheit und das bisschen Recht, sich gegenüber dem Arbeitgeber behaup­ten zu können. (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein! – Bundesrat Samt: Hetzerin! Unglaub­lich! Unerhört, was Sie hier verbreiten! Unerhört! – Ruf bei der FPÖ: Die Redezeit ist erschöpft!)

Damit Sie im Sommer - -


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Bitte zum Ende kommen!


Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (fortsetzend): Ich komme zum Ende. – Damit Sie im Sommer ein wenig über die Auswirkungen Ihrer Politik auf die breite Bevölkerung nachdenken können, und weil Sie hier versuchen, den Protest zu kriminalisieren, habe ich Ihnen tatsächlich ein Geschenk mitgebracht. (Ruf bei der ÖVP: Brauchen wir nicht! – Bundesrat Samt: Einen Pflasterstein? – Die Rednerin holt aus der mit zum Rednerpult gebrachten Stofftasche zwei Pflastersteine mit der roten Aufschrift „12“ hervor und hält diese in die Höhe. – Ruf bei der FPÖ: Na bitte! – Bundesrätin Mühl­werth: Wunderschön! – Bundesrat Steiner: Schämen Sie sich!)

Sie könnten im Sommer, wenn Sie am Pool liegen, diese Steine ein wenig heben, damit Sie merken, dass die Last nicht bei den Unternehmen und nicht bei den Konzer­nen liegt, sondern bei der Bevölkerung und dass Sie diese Last mit diesem Beschluss jetzt noch verstärken. (Ruf bei der FPÖ: Bei der Bevölkerung, die Sie nicht wählt! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich hoffe sehr, dass dieser Beschluss dazu beiträgt, dass es parteiunabhängig einen lauten Protest gibt, auch nach dem Sommer.

Sie brauchen nicht zu glauben, dass die Menschen vergessen werden, was Sie hier für ihren Alltag, für ihre Familie, für ihre Freizeit entgegensetzen und diese in der freien Gestaltung verunmöglichen. (Bundesrat Köck hält ein Blatt mit einer Abbildung, auf der ein Pflasterstein und ein Grablicht zu sehen sind, und der Aufschrift „Keine Gewalt ge­gen Politiker!!“ in die Höhe.) Ich wünsche Ihnen wirklich sehr, dass Sie selbst einmal


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davon betroffen sein werden, sich gegen einen Arbeitgeber nicht zur Wehr setzen zu können. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Noch einmal: Die Schutzbestimmungen gibt es nicht umsonst. (Bundesrat Krusche: Die Redezeit ist erschöpft!) Sie hebeln diese Schutzbestimmungen heute aus; seien Sie sich zumindest dessen bewusst! – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmül­ler sowie bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Dziedzic verlässt das Rednerpult und legt die von ihr zuvor präsentierten Pflastersteine vor Bun­desministerin Hartinger-Klein auf die Regierungsbank. – Bundesrat Steiner: Was ma­chen Sie denn da?)

11.42


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Also die Pflastersteine werden wir bitte - - (Bundesrat Steiner: Ja wo sind wir denn überhaupt?) Dürfte ich ersuchen, die Steine dort wegzugeben? (Ruf bei der FPÖ: Wie kommen die denn überhaupt herein? – Ein Parlamentsbediensteter entfernt die Pflastersteine von der Regierungsbank.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. (Bundesrat Steiner: ... beim Hereinkommen überhaupt durchgelassen? Das ist ja ein Wahnsinn!) Ich erteile es ihm und würde wirklich bitten, dass wir jetzt wieder zur sachlichen Diskussion zurückkom­men.

Ewa, es war an der Grenze, muss ich dir schon sagen. (Bundesrat Spanring: Das war weit darüber! Das ist ein Skandal!) Ich bitte euch wirklich, dass wir zu dieser sachlichen Diskussion, die eigentlich ganz gut begonnen hat, wieder zurückkommen – ich bitte da­rum!

Gerd Krusche hat das Wort. (Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Am Wort ist Herr Bundesrat Gerd Krusche (Bundesrat Krusche – bereits am Redner­pult stehend –: Ich bedanke mich dafür!), und ich bitte - - (Bundesrätin Mühlwerth: Zur Geschäftsordnung!)

*****

Zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet hat sich Frau Fraktionsobfrau Mühlwerth. – Bitte.


11.44.59

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte etwas anmerken, Herr Präsident!

Das war nicht an der Grenze, was die Kollegin Dziedzic gemacht hat, das ist über der Grenze gewesen, und ich bitte, das auch zu sagen!

Es ist auch nicht einzusehen, dass diese Pflastersteine, die sie der Frau Ministerin hin­gelegt hat, von den Parlamentsbediensteten zu entfernen sind. Das hätte die Frau Kol­legin selber machen müssen.

So geht es nicht! Das ist eine wirkliche Missachtung des Parlaments und auch der Mi­nister. Ich bitte, in Zukunft auch entsprechend zu handeln. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

11.45


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet hat sich der Herr Fraktionsobmann der ÖVP. – Bitte.


11.45.07

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich kann das im Namen meiner Fraktion unterstreichen. Ich weise das auch zu-


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rück, so wie man mit uns umgeht. Eine Provokation von A bis Z, auch eine Provokation der Ministerinnen, das hat in diesem Haus nichts zu suchen! Derartige Umgangsfor­men sind wir nicht gewohnt.

Herr Präsident! Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass du einen Ord­nungsruf in Aussicht gestellt beziehungsweise angedroht hast. Frau Kollegin Dziedzic hat „lügen“ nicht zurückgenommen, sie hat es nachher in „Unwahrheit“ umgebaut. Ich bitte, hier so vorzugehen, wie man auch uns gegenüber vorgeht.

Wir bekommen für (Bundesrätin Mühlwerth: Für nichts einen Ordnungsruf!) mehr oder weniger überhaupt keine Äußerungen Ordnungsrufe. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.) Wir möchten nicht, dass hier mit verschiedenem Maß gemessen wird und dass sich die Grünen in diesem Hohen Haus alles erlauben können. Das kommt für meine Fraktion nicht infrage! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

11.46


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Nimmst du es zurück?


11.46.25

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich nehme das Wort Lüge hiermit offiziell zurück. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

11.46

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Am Wort ist Herr Bundesrat Gerd Kru­sche. – Bitte.


11.46.32

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Ich bedanke mich da­für, dass die freiwillige Redezeitbeschränkung heute offensichtlich etwas aufgeweicht ist.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bedauere es, dass Sie als neue Ministerin einen sol­chen Eindruck vom in der Vergangenheit als sehr sachbezogen bekannten Bundesrat bekommen, der Sie hier mit Aktionen, die weit unter jedem Anstand und unter jeder Gürtellinie sind, konfrontiert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Dasselbe bitte ich die Zuseher und Zuseherinnen zu Hause vor den Bildschirmen zur Kenntnis zu nehmen: dass dies nicht der Stil ist, den wir hier normalerweise pflegen!

Aber kommen wir zu dem Thema zurück, um das es eigentlich im Wesentlichen – im Kern will ich nicht sagen – geht. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP.) In Hinkunft wird es also zu folgenden Situationen kommen, die ja auch nicht ganz neu sind und eigentlich in ähnlicher Form schon in der Vergangenheit gegeben waren: Ein Unternehmen hat ein Problem mit der Fertigstellung zu einem pönalisierten Termin, oder es muss eine An­gebotsfrist einhalten und kommt mit dem Papierkram zeitlich kaum zu Rande. Dann wird der Chef die Mitarbeiter fragen, ob sie zur Bewältigung dieses Aufwandes einen, zwei, drei, vielleicht vier Tage einmal zwölf Stunden arbeiten können.

Dann wird von den Mitarbeitern einer vielleicht sagen: Es tut mir leid, aber das geht lei­der nicht, ich habe eine Feuerwehrübung, ich habe eine Schulung, ich habe eine Voll­versammlung meines Vereins. Dann wird der Chef einen anderen fragen. – Ein ande­rer Mitarbeiter wird sagen: Ja, mache ich sehr gerne, dafür habe ich am nächsten Frei­tag frei. Wieder ein anderer Mitarbeiter wird sagen: Mache ich auch sehr gerne, ich brauche das Geld für die Überstunden ohnehin, weil ich gerade mein Badezimmer re­noviere.


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Solche Situationen wird es hinkünftig in Vielzahl geben. Sie werden vor allem rasch, unbürokratisch, ohne dass man sich am Rande der Illegalität bewegt und zum Vorteil beider Seiten, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ablaufen. – So weit, so gut.

Aber eine ehemals staatstragende, mittlerweile eher unbedeutende Partei und ihre Vorfeldorganisationen haben ein Problem damit. Eine hätte ich fast vergessen, aber die hat sich ja jetzt lautstark zu Wort gemeldet, sich bemerkbar gemacht und noch ein­mal aufgebäumt: Das ist eine ehemals eher unbedeutende und mittlerweile gänzlich unbedeutende Partei! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Warum tun die das? – Vordergründig einmal, weil sie offensichtlich im Hier und Heute unserer Arbeitswelt und unserer Wirtschaft, wie es Kollege Buchmann schon ausge­führt hat, nicht angekommen sind, weil sie das Bild einer Arbeitswelt von vor über hun­dert Jahren im Kopf haben und nicht ablegen können. Diese Damen und Herren haben offensichtlich noch nie etwas gehört von, wie es heute auf Neudeutsch so schön heißt, HR, Human Resources. In dem Wort Resources steckt auch der Begriff Kapital drin, und jedes konkurrenzfähige Unternehmen heutzutage beschäftigt sich mittlerweile in­tensiv mit diesem Thema. Es investiert, es lässt sich selber schulen und hat es in sei­nen Unternehmensleitbildern, in seinen Zielen und Visionen festgeschrieben.

Die Unternehmen wissen ganz genau um die Bedeutung gut ausgebildeter, geschulter und vor allem motivierter Mitarbeiter für ihr Unternehmen. Sie machen dafür sogar fir­meninterne, anonymisierte Befragungen, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu messen. Sie investieren in Schulungen.

Sie wären schon verdammt dumm und bereits längst nicht mehr am Markt, wenn sie dieses Kapital, diese Human Resources, leichtfertig aufs Spiel setzen würden und wenn sie damit die eigene Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gefährden oder vernichten würden. Das ist es ja, das wäre es ja, wenn ein Mitarbeiter, der nicht kann oder will, aus welchen Gründen auch immer, zu etwas gezwungen oder dann entlas­sen wird. Das ist ein völliger Schwachsinn. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wieso aber werden diese Fakten (Ruf bei der ÖVP: Das ist alles freiwillig!), die ich Ih­nen hier aufgezählt habe, von dieser ehemals staatstragenden, mittlerweile eher un­bedeutenden Partei und ihren Vorfeldorganisationen einfach negiert? (Bundesrat We­ber: Danke für die Sachlichkeit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist ja das Entlarvende: Es geht in Wirklichkeit gar nicht um die Interessen der Arbeitnehmer, es geht lediglich, meine Damen und Herren, um die Machterhaltung, die Erhaltung der ei­genen Macht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Freundschaft!)

Sie (in Richtung SPÖ) wollen sich ganz einfach nicht damit abfinden, dass Sie als ehe­mals staatstragend jetzt eher unbedeutend sind. (Bundesrat Weber: Das haben wir schon gehört! Das ist jetzt nichts mehr Neues!) Sie versuchen, dies mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, indem Sie Unwahrheiten verbreiten (Zwischenrufe bei der SPÖ) und tiefst in die klassenkämpferische Mottenkiste greifen, so nach dem Bild: hier der böse Unternehmer, und auf der anderen Seite (Bundesrat Schennach: Brandstifter!) der arme, versklavte, ausgebeutete Arbeitnehmer. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dass das nicht greift, habe ich ja bereits ausgeführt.

Sie tun so, als ob in Zukunft die Billa-Verkäuferin zwölf Stunden hinter ihrer Kasse sit­zen müsste, und das das ganze Jahr lang. Ich habe gerade diese Unternehmen auch im Handel, über die oft geschimpft wird, selber erlebt, als wir in Leoben eine Diskus­sion über die Sonntagsöffnungszeiten des Spar-Geschäfts am Bahnhof hatten. Die Kommunisten bei uns im Gemeinderat – wir haben in der Steiermark noch solche Re­likte – haben versucht, das zu verhindern. Es ist Gott sei Dank nicht gelungen.

Als ich dann einmal am Sonntag dort war, weil ich etwas gebraucht habe, sitzt dort die Tochter der kommunistischen Gemeinderätin an der Kasse. Da habe ich zu ihr gesagt:


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Um Gottes willen, wie arm sind Sie! Sie werden hier ausgebeutet und müssen am Sonntag arbeiten. Sie hat mich ganz entgeistert angeschaut und hat gesagt: Nein, da passt alles! Sie bekommt alles bezahlt, alle Zuschläge, alle Überstunden. – So ist näm­lich die Realität, die Sie nicht wahrhaben wollen (Zwischenruf des Bundesrates We­ber), indem Sie eine Gesundheitsgefährdung an die Wand malen, die überhaupt nicht gegeben ist, die es theoretisch ja auch jetzt schon geben müsste: bei den ÖBB, bei den Ärzten.

Denn worum handelt es sich da in Wirklichkeit? (Bundesrat Weber: Äpfel mit Birnen vergleichen!) – Wenn beispielsweise vor einem Wochenende jemand auf einer Bau­stelle ist, und dann bricht dort irgendetwas, es geht eine Maschine kaputt, und er muss halt dortbleiben, oder er bleibt freiwillig gerne dort, um diese Arbeit fertig zu machen, damit er nicht am nächsten Tag noch einmal hinfahren muss, dann hat er ja ohnehin auch seine Wartezeiten, seine Ruhezeiten dazwischen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das kann es künftig kurzfristig und vor allem legal geben; gerade bei kleineren Unter­nehmen, die Einzelvereinbarungen mit ihren Mitarbeitern und keinen Betriebsrat ha­ben. Das ist ein sehr, sehr großer Teil. Diese müssten theoretisch für jede solche An­ordnung oder Bitte um zwölf Stunden ein arbeitsmedizinisches Gutachten beibringen! Das ist ja in der Praxis unmöglich. Mit diesem Gesetz wird der Zustand, den es ja in Wirklichkeit ohnehin schon gegeben hat, wo aber dann bei den Zeitkontierungen ge­trickst worden ist, damit das halbwegs legal ist, legalisiert! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie betreiben diese Kampagne in einer – das haben wir heute wirklich drastisch vor Augen geführt bekommen – an Verhetzung grenzenden Weise, mit einer so gezielten Desinformation. (Der Redner hält ein Blatt mit Abbildungen, die unter anderem den Na­tionalratsabgeordneten Muchitsch und einen Pflasterstein zeigen, in die Höhe.) Diese Pflastersteine brauchen wir gar nicht mehr näher zu erläutern, die haben wir jetzt wirk­lich im Maßstab eins zu eins, im Originalgewicht gesehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jeder weiß, worum es dabei gegangen ist: dass vor die Privatwohnungen von Abge­ordneten von FPÖ und ÖVP Grablichter und Pflastersteine gelegt wurden. Das sind Ungeheuerlichkeiten!

Meine Damen und Herren! Gerade deshalb ist es so wichtig, dass dieses Gesetz rasch in Kraft tritt, damit nämlich die Arbeitnehmer, die hier so massiv verunsichert werden, ab 1. September schnell draufkommen: Das ist ja alles gar nicht wahr gewesen, was ihnen da erzählt worden ist! Denn sonst würden diese Hetzkampagne und diese Ver­ängstigungspropaganda noch ewig weitergehen.

Abschließend nur noch ein Beispiel: Den Vogel haben ja – das muss ich bedauerlicher­weise sagen – leider meine steirischen Kollegen abgeschossen, in der Landtagssit­zung am 3. Juli des heurigen Jahres. (In Richtung SPÖ:) Ein Begehren der Kommunis­tischen Partei, gleichlautend mit dem, das Sie heute hier eingebracht haben, haben Sie abgelehnt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bei der namentlichen Abstimmung sind der Bun­desgeschäftsführer Max Lercher und die Gewerkschaftsfunktionärin Helga Ahrer gar nicht im Saal gewesen, und die anderen haben in Koalitionstreue zugestimmt. Aber Sie bringen hier diesen Antrag ein, den Sie dort selber abgelehnt haben – das ist der Gipfel an Pharisäertum! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch die Sprache in diesem Antrag zeigt es ja. Hier ist immer von Raub die Rede: Lohn­raub, Freizeitraub. Auch wenn Bundesrat Todt in seinem Redebeitrag eher weichge­spült war, aber an dem, was da drinsteht, sieht man ja schon: Die Unternehmer sind die Räuber.

Wenn Sie versuchen, in der „Kleinen Zeitung“ nachzulegen und uns, Bundesräte aus der Steiermark, zu überzeugen, dass wir hier heute dagegenstimmen, so ist das lach­haft! Das kommt manchen auch selber so vor. Mich hat der ehemalige Bundesratsprä-


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sident Mario Lindner am Montag angerufen, um mir mitzuteilen und mich zu fragen, ob er mir noch Unterlagen schicken darf und ob ich nicht vielleicht heute doch gegen die­ses Gesetz stimmen könnte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er hat sich ohnehin selber nicht ganz ernst genommen, aber er war offensichtlich von der Gewerkschaft dazu ver­gattert und hat das mir gegenüber auch zugegeben, so ungefähr in dem Sinne, dass er das abhaken muss: Krusche angerufen, Pflicht erfüllt.

Meine Damen und Herren, bei uns werden Sie hier niemanden finden, der sich so aufs Glatteis führen lässt! Wir werden selbstverständlich dieser guten und für die Wirtschaft wichtigen Flexibilisierungsregelung (Zwischenrufe der Bundesräte Schabhüttl und We­ber) unsere Zustimmung erteilen, auch wir drei Steirer, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

12.00


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reinhard Todt. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.00.39

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Herr Krusche, ich finde, es ist nicht in Ord­nung, um es milde zu sagen, dass Sie hier ein Schild verwenden, das Abgeordneten Muchitsch neben einem Pflasterstein zeigt. Sie verbinden hier einen Abgeordneten mit einem Pflasterstein (Ruf bei der FPÖ: Ja, ist ja die Wahrheit! – Bundesrat Samt: Was macht denn die ...?), Sie verbinden das. (Bundesrat Schuster: Zitiert! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Das ist nicht die Wahrheit! Das ist, und das wissen Sie ganz genau, nicht die Wahrheit. (Zwischenruf des Bundesrates Seeber.) Ich ersuche Sie, das zu unterlassen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Ich hätte gerne, dass Sie sich aufregen bei der Kollegin Dziedzic, ...! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Moralapostel!)

12.01


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.


12.01.32

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Werte Frau­en Bundesministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Fangen wir mit etwas an, worauf wir uns alle einigen können: Das Ar­beitszeitgesetz ist genauso wie das Arbeitsruhegesetz ein wesentlicher Baustein beim Schutz der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer. Dieses Schutzgesetz wird nun zum Schaden der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verändert. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Wir stehen nun mitten in einer der größten Veränderungen der Arbeitswelt in der Ge­schichte der Arbeit. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt nicht!) – Doch! Die Digitalisierung mit all ihren Entwicklungen und Auswirkungen (Bundesrat Rösch: Ja, wo denn?) ist in vollem Gange und wirkt sich auf alle Arbeitsplätze aus. (Bundesrat Rösch: Welche Punkte genau? – Ruf bei der SPÖ: Gut zuhören! – Bundesrat Rösch: Ja wenn sie es nicht sagt!) Sie wird die Arbeitswelt grundlegend verändern, und die Verteilung von Arbeit wird neu definiert werden. Es müssen jetzt dringend Schritte zur Gestaltung der Verän­derung im Interesse der Menschen und im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer gesetzt werden.

Die Arbeit hat sich in den letzten Jahren für die Menschen enorm verändert, sie ist we­sentlich rascher geworden, es ist ein ganz großer Druck da, das Arbeitstempo hat sich unglaublich erhöht, und die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen immer mehr. Reine Erholungszeiten gibt es nur mehr selten. Die Menschen beantwor­ten Mails in ihrer Freizeit, in ihrem Urlaub, und um Kosten zu sparen, wird in Betrieben


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mit immer weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gearbeitet. (Bundesrat Rösch: Produktivitätssteigerung!)

250 Millionen Überstunden werden in Österreich von den Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmern geleistet, 50 Millionen davon unbezahlt. In dieser Situation beschließt die Regierung (Ruf bei der ÖVP: Das Parlament, nicht die Regierung!) eine Ausweitung der Arbeitszeit auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden in der Woche (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt nicht!), in der Gastronomie werden Ruhezeiten verkürzt. Das ist die Antwort der Bundesregierung auf die Veränderungen in der Arbeitswelt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist falsch!)

Das Arbeitsruhegesetz ist anscheinend nur ein Klotz am Bein der Wirtschaft: keine
für so ein wesentliches Gesetz notwendige ausreichende Begutachtung (Rufe: Karl Marx! ... Marx, praktisch Murks!); schnelle, marginale Änderungen, die in der Praxis nicht wirklich etwas verbessern; die Sozialpartnerschaft, das Erfolgsmodell für Öster­reich, wird außer Kraft gesetzt, und demokratisch gewählte Betriebsrätinnen und Be­triebsräte werden in ihren Mitspracherechten eingeschränkt. (Ruf bei der ÖVP: Das tut euch ...!) In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde das Inkrafttreten des Gesetzes auf 1.9. vorverlegt (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir heimlich beschlossen ...!), das ist eine unglaubliche Vorgangsweise! (Beifall bei der SPÖ.)

Die sozialdemokratische Fraktion hat deshalb die Zivilgesellschaft aufgerufen, Stel­lungnahmen zu dieser Gesetzesänderung abzugeben, weil es sonst nicht möglich war. (Einen durch ein rot-weiß-rotes Band zusammengehaltenen Stapel A-4-Blätter in die Höhe haltend:) 200 Stellungnahmen (Bundesrat Steiner: Von euren Mitgliedern! – Zwi­schenruf des Bundesrates Köck) von Organisationen genauso wie von Einzelpersonen sind eingetroffen, unter anderem auch von der Bischofskonferenz. (Bundesrat Steiner: Von euren 200 übrig gebliebenen Mitgliedern! – Heiterkeit bei der FPÖ. – Ho-Ho-Rufe bei der SPÖ.) – Nein, nein, auch von der Bischofskonferenz, die sich strikt gegen die Arbeitszeiterweiterung ausspricht. (Ruf bei der ÖVP: Es haben ja nicht einmal alle Funktionäre zurückgeschrieben!)

Das Gesetz stellt einfach einen Raubzug an den Geldbörsln, an der Gesundheit und der Freizeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Die Arbeitszeit wird nicht wirklich flexibler, sondern sie wird einfach nur länger. Es fin­det kein Dialog statt (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), und alle Flexibilität, de­rer man sich jetzt so rühmt, geht nur zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer.

Ein wichtiger Punkt ist die Frage der Vereinbarkeit. Die Frauen tragen in Österreich die Hauptlast der Betreuungs- und Pflegearbeit. Jede zweite Frau in Österreich arbeitet bereits Teilzeit, mit all den Auswirkungen der Teilzeitarbeit auf das Einkommen und auf die zu erwartende Pensionsleistung, und oftmals ist das nicht freiwillig. (Hallo-Ruf bei der ÖVP.) Es fehlt mit Ausnahme von Wien in vielen Regionen an einer Betreuungs­struktur, die eine Vollzeitbeschäftigung überhaupt ermöglichen würde. (Bundesrat Stei­ner: Und warum fehlt es? – Bundesrat Weber: ... Mittel gekürzt!) Außerhalb von Wien sind nur 2 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen 12 Stunden geöffnet. Inmitten dieser Problematik steht nun dieses Gesetz, und die Frauenministerin, die Familien­ministerin sagt, der weitere Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen sei eh nicht so wichtig; es stehen jetzt um 30 Millionen Euro weniger für diesen Ausbau zur Verfügung.

Kennen Sie die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen in Ihrer Region? (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Ja, natürlich! Ja! Ja!) Ermöglichen diese Vollzeitbeschäfti­gung? (Ja-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) – Dann muss die Tagesheimstatistik lügen, wenn Sie alle sagen, dass in allen Regionen Vollzeitarbeit für Eltern möglich ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich wage das zu bezweifeln, denn die Statistik schaut ganz anders aus. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


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Der Ausbau der Ganztagsschulen (Bundesrat Schuster: Zwangstagsschulen!) wird bis zum Jahr 2032 ausgedehnt. Wie können Eltern angesichts dieses neuen Arbeitszeitge­setzes zukünftig Beruf und Familie vereinbaren? Wie macht man das als Alleinerziehe­rin? 12 Stunden arbeiten, 2 Stunden hin- und herpendeln, um 7 Uhr aus dem Haus, um 21 Uhr zurück: Wie macht man das mit kleinen Kindern, wie macht man das mit älteren Angehörigen? Das gilt nämlich auch für die älteren Angehörigen, da in Österreich 80 Pro­zent der älteren Menschen zu Hause gepflegt werden. (Bundesrat Spanring: Das ist jetzt nicht anders!) Mit diesem Gesetz verfestigt man die Teilzeitarbeit von Frauen, und es besteht die Gefahr, dass sie aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden. Wir wollen kei­ne Altersarmut von Frauen! (Bundesrat Spanring: ... aber verursacht! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Betreuungsarbeit braucht grundsätzlich Planbarkeit, Struktur und Rahmenbedingun­gen, das weiß jeder und jede, der oder die einmal Kinder aufgezogen hat. Kinder kann man nicht flexibel irgendwo hinstellen, sondern sie brauchen Rahmenbedingungen (Zwischenruf der Bundesrätin Ecker) und sie brauchen eine klare Struktur, die ihren Tag strukturiert. (Bundesrat Schuster: Auf die warten wir in Wien schon seit Langem!) Denken wir bitte an die Kinder: Was ist das für ein Zeichen für unsere Kinder, wenn man sie 14 Stunden lang in Betreuungseinrichtungen lässt? Ist das gewollt? Ist das der Sinn der Sache? – Das wird durch dieses Gesetz möglich, und das wollen wir auf kei­nen Fall. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das findet ja jetzt schon statt!)

Die Gesundheit ist durch dieses Gesetz bedroht. Durch überlange Arbeitszeiten steigt das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall genauso wie die Unfallgefahr. (Bundesrat Schuster: Was Sie da jetzt alles reininterpretieren ...!) Wir denken an die Menschen, die in Kälte und in Hitze arbeiten (Bundesrat Köck: ... alles zugelassen ...!), die schwe­re Lasten heben. Zukünftig ist es möglich, in einem Callcenter 12 Stunden lang Be­schwerden entgegenzunehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Schuster.) – Ist das die Arbeitswelt, die wir wollen?

Lehrlinge über 18 Jahre dürfen ab nun auch 12 Stunden arbeiten. (Bundesrätin Mühl­werth: Ja, die dürfen auch mit 18 wählen! – Zwischenruf der Bundesrätin Ecker. – Bun­desrat Längle: Mit 18 ist man volljährig!) Ist das der Sinn der Lehrausbildung?

Aufgeweicht wird auch der besondere Schutz der Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Aus­nahmen gelten nun für jeden einzelnen Mitarbeiter, das heißt, in einem Betrieb kann bei entsprechender Anzahl an MitarbeiterInnen das ganze Jahr über sonn- und feier­tags geöffnet werden – für Eltern mit Betreuungspflichten eine unglaubliche Belastung! (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Erholungszeiten und Privatleben haben für die Menschen viele Facetten. Es ist nicht nur die so wichtige gemeinsame Zeit mit den Kindern, mit der Familie; ArbeitnehmerIn­nen wollen und müssen sich erholen, sich weiterqualifizieren, Hobbys nachgehen oder – vor allem – sich in der Freiwilligenarbeit engagieren. Österreich ist dafür wirklich be­rühmt und hat eine wunderbare Freiwilligenstruktur – mit einer Ausdehnung der Ar­beitszeit wird das aber immer mehr verunmöglicht.

In der Gastronomie sollen die Ruhezeiten generell verkürzt werden. Gerade in diesem Bereich, in dem die Arbeit körperlich so anstrengend ist, ist eine derartige Verkürzung und ein Ausweiten der Arbeitszeit auf 12 Stunden eine extreme Belastung (Zwischen­ruf des Bundesrates Schuster); und wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch pendeln müssen, dann ist das wirklich unzumutbar.

Vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen sind leitende Angestellte und nun auch Perso­nen, die maßgeblich selbstständige Entscheidungsbefugnis haben. Das ist völlig un­ausgegoren. Wir wissen gar nicht, wie da die Personengruppe sein wird: IT-Spezialis­ten, WissenschaftlerInnen, Leute in den Gesundheits- und Sozialberufen – sie sind zu­künftig ungeschützt.


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Dieses Gesetz – und das zu betonen ist, glaube ich, ganz wichtig – ist eine unglaublich große Herausforderung für die Länder. In den Ländern ist eine flächendeckende Betreu­ungsstruktur, um einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu können, nicht gegeben – mit Ausnahme von Wien. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Die Finanzierung der Kinderausbildungseinrichtungen wird gekürzt. Die Umsetzung bis zum 1.9.2018 bedeutet für die Länder: kein organisatorischer Vorlauf, es sind bereits alle Kindergartenplätze vergeben; der Zeitraum für den Ausbau der Ganztagsschule wurde bis 2032 verlängert. Es fehlt in vielen Regionen – und das zu betonen ist eben­falls wichtig – auch an der Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs, die es den Men­schen ermöglicht, zeitflexibel zu ihren Arbeitsstätten und wieder zurück zu kommen.

Eine weitere Gruppe, die noch zu erwähnen ist, sind die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sind unglaublich leistungsfähig, sie haben ein unglaubliches Potenzial, und sie sind mit großem Wissen und großer Erfahrung ausgestattet; aber wir wissen aus den wissenschaftlichen Studien, dass sie Regenerations- und Erholungs­zeiten brauchen. Wie wird der Arbeitsmarkt nun für die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aussehen, die eine stark von Arbeitslosigkeit bedrohte Gruppe sind? Wie wird es für sie zukünftig werden? Wie werden sie am Arbeitsmarkt mithalten können?

Die Bitte an alle Bundesrätinnen und Bundesräte ist, diesem Gesetz heute nicht zuzu­stimmen, denn man muss sich dessen bewusst sein, dass jede Zustimmung dazu bei­trägt, dass die Lebenssituation und die Arbeitssituation der Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer erschwert werden. (Bundesrätin Schulz: Das ist falsch!) Die Menschen in Österreich brauchen gute Arbeit und ein gutes Leben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

12.12


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile dieses. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundes­rätin Zwazl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Stefan, es braucht dir nicht schon im Vorfeld schlecht werden! – Bundesrat Schennach: Habe ich nicht gesagt!)


12.12.48

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das, was sich hier abspielt, hat mit der tatsächlichen Wirtschaft gar nichts zu tun. Es wäre bedauerlich, wenn wir in der Wirt­schaft ein solches Klima hätten und so miteinander umgehen würden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus einem Bundesland, in dem man den Begriff Sozialpartnerschaft nicht nur kennt, sondern diese auch lebt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Ja, warte ein bisschen! Du kannst Herrn Präsidenten Wieser fragen, wir machen das gemeinsam, und wir, die Sozialpartner, haben voriges Jahr in Niederösterreich schon eine Vereinbarung betreffend flexible Arbeitszeiten ge­macht. Wir haben uns damit auf Bundesebene ganz einfach nicht durchgesetzt, aber auf beiden Seiten; ihr seid genauso wenig ausgenommen wie meine Seite. Wir bilden die reale Arbeitswelt ab, und bei uns gibt es ein gutes Miteinander. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl. – Bundesrat Todt: Dem habe ich ja nicht widersprochen!) Uns geht es ja nur darum, dass wir die Spitzen abdecken können, dass wir nicht lügen müssen, wenn wir einmal länger arbeiten müssen, weil wir einen Auftrag haben. Bei uns redet keiner dem täglichen 12-Stunden-Tag das Wort. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bei uns zahlt auch jeder. Ich habe sehr viele Anrufe von Unternehmerinnen und Unter­nehmern bekommen, die fragen: Entschuldigung, in welches Eck werden wir da ge­stellt?! Wir haben ein gutes Miteinander. Wenn Überstunden gemacht werden müssen,


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dann werden sie auch bezahlt. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Glaubt ihr denn eigentlich, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so eine erfolgreiche, großarti­ge Arbeit leisten, wenn sie demotiviert sind? – Na hallo, da könnten wir im Wettbewerb absolut nicht bestehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Bitte nicht bös sein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist ganz einfach derzeit nicht möglich, länger zu arbeiten; wir bekommen dann Stra­fen. Es wird immer davon gesprochen, was alles passieren könnte – das kommt mir so vor wie ein Brainstorming –, aber man verliert die Realität aus den Augen. Es soll sich jeder entspannen, nur ist das heute auch keine Entspannung! Eines muss ich als Ver­treterin der Wirtschaft und auch als Unternehmerin aber sagen: Ihr müsst schon die Realität im Auge haben. 98 Prozent der Betriebe haben weniger als 50 Mitarbeiter, 77,5 Prozent haben nur neun Mitarbeiter (Zwischenruf bei der SPÖ) und nur 0,76 Pro­zent haben über 250 Mitarbeiter. Das heißt, wir arbeiten in der Wirtschaft miteinander in gegenseitiger Wertschätzung und auf Augenhöhe, das ist für uns eine Selbstver­ständlichkeit. (Zwischenruf der Bundesrätin Dziedzic.) Und wir sind nicht auf Gewinn­maximierung ausgerichtet (Zwischenruf bei der SPÖ), wir könnten keine Gewinne ma­chen, wenn wir nicht tüchtige, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten – ganz einfach! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn, Koller und Schennach.)

Weil wir ja jetzt immer darüber reden, was mit den Betriebsräten ist: Nicht einmal 30 Prozent aller Betriebe, das wisst ihr ganz genau, haben Betriebsräte, und trotzdem funktioniert das alles, trotzdem geht es bei uns so gut zu. (Bundesrat Köck: Weil es so wenige gibt! – Bundesrat Schabhüttl: Sie müssen die Arbeitnehmer fragen!) Und weil uns in der Wirtschaft das Miteinander so wichtig ist, setzen wir Maßstäbe und laden auch zum Dialog ein. (Bundesrat Schennach: Wo war der Dialog zu diesem Ge­setz?) – Warte ein bisschen, Stefan! Zuhören, entspannt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wir haben voriges Jahr mit dem Sozialpartner eine Vereinbarung erreicht, also wir reden.

Ich habe voriges Monat Lehrlinge eingeladen; ich habe ganz einfach an den Berufs­schulen gesagt: Wir machen wieder ein Lehrlingswirtschaftsparlament, wir laden euch/Sie für zwei Tage ein! An einem Tag erklären wir, wie es im Wirtschaftsparlament zugeht, wie Anträge gemacht werden, und am zweiten Tag halten wir das Plenum ab, denn wir reden nicht über die Jugend, wir lassen die Jugend reden und hören ihr zu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schennach: ... 12-Stunden-Tag?) – Ja, genau! Da gibt es auch Filmaufnahmen, ihr könnt euch das gerne anschauen – ich bin stolz auf diese Ini­tiative –, und da könnt ihr auch sehen, welche tollen jungen Leute wir haben, was für eine Bodenhaftung sie haben und wie sie die Wirtschaft sehen. (Bundesrat Weber: Das wissen wir eh! Nichts Neues! – Ruf bei der FPÖ: Keine Ahnung von Wirtschaft!)

Die Lehrlinge haben darüber gesprochen, wie es mit ihrem Berufsbild ausschaut, wie die Situation in den Internaten ist (Bundesrat Schennach – zwei Sticker, auf denen die durchgestrichene Zahl 12 zu sehen ist, in die Höhe haltend –: ... die Verhandlungen dazu?) – schau, wenn dir etwas nicht passt, brauchst du nicht immer zu unterbrechen; lass mich jetzt ausreden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ) – und wie es mit der Arbeitszeit­flexibilisierung ausschaut. Die jungen Leute sind gestanden und haben diskutiert, so wie wir, aber mit einer anderen Kultur, möchte ich sagen. Sie haben den anderen zu­gehört und sind auf das, was die anderen gesagt haben, auch eingegangen. Sie haben über die Arbeitszeitflexibilisierung diskutiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es waren auch von der Gewerkschaft junge Leute dort, weil ich niemanden ausschließe. Da war eine Floristin, die gesagt hat: Ich sehe das gar nicht ein, dass ich heimgehen muss, wenn wir viel zu tun haben; das ist mein Beruf, das möchte ich machen, ich mache das auch. – Man kann sich da von unseren jungen Leuten wirklich ein Scherzl abschneiden.


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Wenn ich zum Beispiel schaue, wie es bei uns in den Betrieben ist: Die Waldviertler Fliesenleger arbeiten sehr viel in Wien, da sagt mir der Meister, er kann gar nichts ma­chen, der Fliesenleger sagt: Meister, du kannst mich gernhaben, ich habe jetzt noch 2 Quadratmeter fertigzumachen, und die mache ich, morgen fahre ich nicht noch ein­mal herunter! (Bundesrätin Mühlwerth: Genau so ist es!) Was macht man da? Er durf­te bisher gar nicht offiziell sagen, dass der Fliesenleger das gemacht hat. Das ist es! (Ruf bei der SPÖ: Mit einer Vereinbarung kann man alles machen! – Bundesrätin Dzie­dzic: ... einer Vereinbarung!)

Oder zum Beispiel in meinem Betrieb – und das sind so einfache Dinge, das ist die Realität –: Es kommt jemand zu mir in die Firma und sagt, er habe eine tolle Idee, er brauche etwas für einen Geburtstag und wir müssen das jetzt machen. Was mache ich? – Ich gehe in die Werkstatt und frage: Meine Herrschaften, ist es möglich, bringen wir das zusammen, das in der Zeit zu machen? Da komme ich oft mit der Normalar­beitszeit ganz einfach nicht aus.

Faktum ist: 8 Stunden am Tag, 40 Stunden in der Woche, Gleitzeit ist auch so geregelt, und jede Überstunde, die gemacht wird, wird abgegolten, entweder in Freizeit oder in Zuschlägen. Dazu steht die Wirtschaft, ihr könnt da keinen Keil hineintreiben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Und etwas ist mir ganz einfach wichtig, denn auch ich habe Kinder, ich bin nicht hinter grünen Gardinen groß geworden, ich habe meine Firma aufgebaut: Ich war am Anfang eine Känguru-Mutter. Ich weiß, dass es als Unternehmerin äußerst schwierig ist. Was machst du mit einem ein paar Monate alten Kind? Du musst es mitschleppen. Meine Kinder sind jetzt groß, ihr alle könnt sie fragen; sie sind mit der Mutter ganz zufrieden.

In Niederösterreich haben wir aber auch darauf geschaut, dass sich die Realität in den Kindergartenöffnungszeiten widerspiegelt. Wir in Niederösterreich haben die Lösung: Wenn drei Elternteile zum Bürgermeister gehen und sagen (Bundesrätin Posch-Grus­ka: Drei Elternteile! Was soll denn das wieder?): Herr Bürgermeister, ich komme mit der Öffnungszeit nicht zurecht, dann muss es geändert werden. Inge, du brauchst nicht den Kopf zu schütteln. Das ist gelebt, ich kann dir das zeigen, das ist ganz einfach so. (Bundesrat Schennach: Das ist wegen der drei Elternteile! Ist das eine Patchworkfa­milie?) Nein, drei Elternpaare – ist ja wurscht jetzt. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Drei Elternteile; ich meine, ihr seid ja wirklich äußerst kompliziert.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wäre es nicht ganz einfach möglich, dass wir jetzt wirklich im Interesse der Wirtschaft, im Interesse der Kultur, die wir ja jahrelang gepflegt haben, im Interesse der Sozialpartner handeln? – Wir sind nicht so! Wir wissen ganz genau, dass wir gemeinsam in einem Boot sitzen. Wir brauchen gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und die haben unseren Respekt. (Bundesrat Weber: Warum verhandelt ihr das Gesetz dann nicht mit den Sozialpartnern? – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Und das ist genau das, was sich die Mitarbeiter auch wün­schen.

Hört ihr zu? – Kommt einmal zu uns ins Lehrlingswirtschaftsparlament und lernt Dis­kussionskultur! Da werdet ihr sehen, wie man gegensätzliche Meinungen aushält und wie man die anderen verstehen lernt. Das ist einfach wichtig! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Weber: Warum habt ihr das bei dem Gesetz dann nicht so ge­macht?)

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Könnten wir nicht ganz einfach die Un­ternehmenskultur, die wir in unseren Betrieben haben, die wir in Niederösterreich als Sozialpartnerschaft haben, anschauen und auch hier leben? Nur das bringt uns weiter!

Uns ist immer alles wichtig, auch was ihr schreibt. Reinhard, ich habe mir den Brief von Herrn Muchitsch ganz genau angeschaut; ich habe ihn von meinen Juristen anschauen


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lassen, und ich gebe dir das, was ich bekommen habe, denn wir haben in dem Punkt keine Geheimnisse. Ich habe sie schreiben lassen, was tatsächlich der Fall ist, wie es gelebt wird und wie das zu sehen ist. Ich bin an einem guten Miteinander, an einem Dialog interessiert, einer Wertschätzung unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ge­genüber (Bundesrat Weber: Das hat man bei der Gesetzwerdung nicht gemerkt!), aber genauso einer Wertschätzung unseren Unternehmerinnen und Unternehmern gegen­über. Angesichts der vielen kleinen Betriebe, die wir haben, kann ich euch sagen: Fle­xible Arbeitszeiten kenne ich seit 40 Jahren. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

12.22


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmül­ler. Ich erteile ihm dieses.


12.23.09

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­te Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser aufgeheizten Stimmung jetzt eine Rede zu halten, ist nicht leicht. (Bundesrat Rösch: Da redet jetzt der Spe­zialist!)

Vorletzten Samstag habe ich so wie weitere hunderttausend Menschen auf der Straße gegen dieses Gesetz demonstriert, das sage ich ganz offen. Das ist ein Recht, das wir in Österreich haben, nämlich gegen Gesetze zu demonstrieren. Und ich sage auch, und das sage ich ganz ehrlich, dass ich nicht dafür bin und es auch nicht gutgeheißen habe, dass man zum Sturz einer demokratisch gewählten Regierung aufruft. Das finde ich nicht in Ordnung. Wenn, dann wählen wir sie in Österreich ab, aber wir stürzen sie nicht. Das ist auch ganz wichtig und meine persönliche Meinung dazu. (Beifall bei Bun­desrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

Ich möchte Ihnen abseits aller Emotionen sagen, warum ich das gemacht habe, warum ich demonstriert habe und warum ich gerade als junger Mensch denke, dass dieses Gesetz ein Rückschritt ist. Bevor wieder das Argument kommt: Ach, dieser junge Bur­sche da vorne, was weiß der denn überhaupt, was arbeiten ist, was soll der schon wissen oder warum soll der überhaupt mitreden? , möchte ich sagen: Ich war selbst mehrmals auf Saison in Tirol und auch in der Schweiz, und ich weiß selbst, was Durchrechnungszeiträume in der Praxis draußen bedeuten. Ich habe mehr als acht Jahre lang hauptberuflich im Rettungsdienst gearbeitet, und das bedeutet Normarbeits­zeiten von 48 Stunden. Das war schon vereinbart, das heißt, 12 Stunden pro Tag, vier Mal die Woche. Wenn sich keine Freiwilligen gefunden haben, dann ist das halt locker auch einmal fünf Mal die Woche so gewesen, und das waren dann 60 Stunden.

Sie sehen, ich habe das sehr wohl erlebt. Ich habe die 60-Stunden-Woche, wie man die dann auch nennen will, sehr wohl gehabt. Eigentlich wären mit dem Betriebsrat ei­ne Ruhezeit von 4 Stunden am Tag und Dienstschluss um 19 Uhr vereinbart gewesen. Wie sich jeder vorstellen kann, kann man sich Notfälle nicht aussuchen, sie gesche­hen, und dann muss man halt einmal eine Stunde dranhängen, oder die 4-Stunden-Ru­hezeit wurde einfach nicht eingehalten.

Jetzt kann man sagen, da hätte der Betriebsrat einschreiten sollen. – Ja, klar! Eine lus­tige Anekdote dazu: Mein Betriebsrat war August Wöginger, der momentan mit seiner Sozialpolitik nicht gerade die positivsten Schlagzeilen macht. (Widerspruch bei der ÖVP.) Entschuldigung! Von meiner Seite aus gesehen keine positiven Schlagzeilen macht, oder keine positive Sozialpolitik, auch von meiner Seite aus bewertet.

Was ich zeigen möchte, ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer flexibel sind und gerne auch einmal mehr machen, als rechtlich vorgesehen ist. Die betriebliche Praxis zeigt, dass die Menschen aus Rücksicht auf die KollegInnen, aus Angst, beruf-


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lich nicht Schritt halten zu können oder sogar den Arbeitsplatz zu verlieren, schon jetzt – unter Anführungszeichen – „freiwillig“ viel in Kauf nehmen.

Der Knackpunkt ist also: Es ist eben nicht für die ArbeitnehmerInnen flexibel einteilbar, sondern für die Arbeitgeber. Angesichts der Übergehung des Betriebsrates bleiben nicht viele Möglichkeiten für die ArbeitnehmerInnen, sich dagegen irgendwie zu wehren oder etwas dagegen zu tun. Das wird in Zukunft das große Problem sein. In Zukunft können dann ArbeitgeberInnen einfach den 12-Stunden-Tag anordnen, ohne Zustim­mung oder Absprache mit dem Betriebsrat und de facto auch ohne Zustimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Es wird jetzt mit diesem Initiativantrag, der ohne Begutachtung – das wurde heute schon mehrmals angesprochen – und wirklich in einer Drüberfahrmentalität außerhalb der so­zialpartnerschaftlichen Konsensbemühungen heute im Bundesrat beschlossen wird, legal sein, bis zu 13 Wochen am Stück 60 Stunden lang zu arbeiten. Glauben Sie mir, Frau Ministerin, ich bin wirklich nicht per se gegen die Arbeitszeitflexibilisierung – wirk­lich nicht. Ganz im Gegenteil: Ich denke, dass es wirklich sinnvoll wäre, die Arbeitszeit zu flexibilisieren, denn das ist einfach, wie Sie oft sagen, Teil der Realität der Jungen. Wenn aber wirklich eine Flexibilisierung kommen soll, dann für die Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer, und nicht für die ArbeitgeberInnen. Das ist genau der Punkt, denn bei einer ordentlichen Umsetzung könnte das tatsächlich den ArbeitnehmerInnen ein Mehr an Freiheit in der Gestaltung der Freizeit bringen, hätten wir das Gesetz nur wirk­lich gescheit und ordentlich ausgearbeitet. Das auf jeden Fall! Doch dafür hätte man die ArbeitnehmerInnen und auch deren VertreterInnen im Parlament in den Gesetzwer­dungsprozess einbinden sollen und nicht nur die Industriellenvereinigung und die Wirt­schaftskammer. Das wäre notwendig gewesen, das wäre ein ganz wichtiger Schritt auch im Sinne der Sozialpartnerschaft gewesen.

Das Gesetz wird Auswirkungen auf Familien haben; das haben wir heute schon gehört. In Zukunft müssen Familien schauen, wie sie gemeinsam den Alltag meistern können, denn diese Regierung macht es den Familien wirklich nicht gerade leicht – auch nicht jenen in den Ländern. Sie brauchen sich nur das Barcelona-Ziel anzuschauen. Schau­en Sie sich die faktischen Zahlen und das Barcelona-Ziel an! Wir sind, was die Kinder­betreuung angeht, noch weit weg von dem Punkt, den wir eigentlich erreichen wollen. In Österreich liegt der Schnitt bei 27,9 Prozent Kinderbetreuung. Der sollte seit Jahren bei 33 Prozent liegen, und wir entfernen uns eher weiter davon, als wir darauf zusteu­ern. Und wer ist das Schlusslicht? – Na no na ned – Überraschung! –: Das schwarz-blaue Musterland Oberösterreich mit einer Betreuungsquote von noch immer 17,4 Pro­zent! Der Österreichschnitt beträgt 27,9 Prozent. Oberösterreich ist also wirklich weit abgeschlagen. Es bräuchte einen Entwicklungsprozess, aber wir gehen genau den konträren Weg. Das schwarz-blaue Musterland Oberösterreich ist auch bei den Öff­nungszeiten das Schlusslicht. Nur jeder vierte Kindergarten hat länger geöffnet als 9 Stunden – jeder vierte Kindergarten!

Und jetzt möchte ich nur wissen, wie das überhaupt irgendwie machbar sein soll, wenn dann vom Arbeitgeber angeordnet werden wird, dass man freiwillig 12 Stunden arbei­ten soll. De facto wird es ein Riesenproblem, dem wir uns stellen müssen, wenn Eltern mehr arbeiten sollen, aber nicht wissen, wo sie ihre Kinder unterbringen können. Der 12-Stunden-Tag wird eine Zerreißprobe für berufstätige Eltern, das ist ein Faktum. – Ich will jetzt aber auch nicht direkt den Teufel an die Wand malen. Es wird nicht alle be­treffen, aber es wird trotzdem ein sehr großes Problem.

Was die Ausweitung der Arbeitszeit für die Pflege von Eltern oder Großeltern, für die Pflege von behinderten Menschen, für die Hausarbeit oder, und das ist mir persönlich wichtig, auch für das Ehrenamt bedeutet, wird sich in den nächsten Jahren noch mas­siv zeigen. Es wird immer enger! Gerade das Ehrenamt leidet jetzt schon unter dem


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massiven Druck, dem die Menschen in der Arbeit ausgesetzt sind. Es ist jetzt schon ein Riesenproblem, überhaupt noch Ehrenamtliche zu finden, und es wird nicht leichter werden, die freiwillige Feuerwehr, den Rettungsdienst und so weiter aufrechtzuerhal­ten. Es ist jetzt schon ein riesengroßes Problem, freiwillige MitarbeiterInnen hiefür zu finden. Das wird Folgekosten verursachen, mit denen wir genauso rechnen werden müssen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

Viele von Ihnen sind in Landtagsklubs, in den Gemeinderäten oder Bürgermeister und wissen daher: Das wird in den Gemeinden ein großes Problem sein. Fragen Sie die Feuerwehren, wie es ist, Freiwillige für untertags zu finden! Wenn da noch mehr Druck aufgebaut wird, wird das ein riesengroßes Problem sein.

Ohne jetzt gleich den Weltuntergang heraufbeschwören zu wollen, möchte ich sagen, dass man diese Regierungsvorlage nicht nur zugunsten der Industrie hätte gestalten dürfen, sondern sehr wohl auch zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und das vermisse ich einfach. Das hat man leider nicht gemacht. Bedenken Sie immer, und das ist für mich persönlich ganz wichtig, es geht bei diesem Gesetz nicht um den 28-jährigen Jusstudenten, der gerade mit der Uni fertig geworden ist, der gern einmal 12 Stunden, 13 Stunden hackelt. Das ist überhaupt kein Problem als junger Mensch. Da gehe ich gerne arbeiten, da bin ich motiviert, da will ich Karriere machen. Das ist absolut gerechtfertigt. Mir geht es aber um die Personen, die von mir aus am Hochofen arbeiten, im Supermarkt, die dann an vier Sonntagen freiwillig arbeiten dürfen; zufällig werden die dann alle just im Dezember sein. Das wird ein großes Problem sein! Oder sie arbeiten bei KTM am Fließband. Die haben keinen Universitätsabschluss und sind nicht in einer privilegierten Situation, wie wir alle hier es sind.

Diese ArbeitnehmerInnen, diese MitarbeiterInnen an der Supermarktkassa oder bei KTM am Fließband werden genau beobachtet. Da wird mit einer Uhr gestoppt und mit­gezählt, ob sie das Soll erfüllt haben oder nicht. Da wird dann ganz freiwillig, ohne Druck auszuüben, mitgezählt, wie viele Motorräder man gebaut hat. Wenn man damit nicht zurande kommt, muss man danach halt noch ganz freiwillig und flexibel ein paar Stunden länger arbeiten. Das ist genau das große Problem, das ich sehe. Man hat sich der Industrie hingegeben und nicht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ge­handelt.

Nein, Frau Ministerin: Durch dieses Gesetz wird Menschen Privat- und Familienleben genommen, die Gesundheit wird gefährdet, das Ehrenamt wird in Gefahr gebracht, und das ist ein großes Problem. Das müssen Sie und die Abgeordneten der Regierungs­parteien und der NEOS verantworten. Für uns Grüne ist das so nicht hinnehmbar, und wir werden das auch nicht so hinnehmen. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Dzie­dzic sowie bei der SPÖ.)

12.32


Vizepräsident Ewald Lindinger: Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. Zu Wort ge­meldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.


12.32.45

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frauen Bundesministerinnen! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Galerie, aber auch an den Bildschirmen zu Hause! Wenn wir heute im Plenum diese Gesetzes­änderung hinsichtlich der sogenannten Arbeitszeitflexibilisierung behandeln und disku­tieren, so sollten wir das aus der Perspektive und in dem Wissen tun, dass es im Ar­beits- und Wirtschaftsprozess eine ständige Weiterentwicklung gibt, dass damit auch eine Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes Österreich, eine Stärkung der Wettbe­werbsfähigkeit unserer Unternehmen einhergeht und dass es gleich wichtig ist, einer­seits eine gesetzliche Absicherung zu schaffen, andererseits aber auch für die Arbeit-


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nehmer eine Freiwilligkeitsgarantie und eine Möglichkeit zu schaffen, ihren Berufsalltag in Abstimmung mit dem Arbeitgeber flexibler gestalten zu können.

Das sollten wir vor dem Hintergrund tun, dass jedem bewusst ist, dass die erfolgrei­chen Unternehmen in Österreich für die positive Wirtschaftsentwicklung in unserem Land verantwortlich zeichnen und ein Unternehmen nur dann erfolgreich sein kann, wenn motivierte Arbeitgeber und motivierte Arbeitnehmer in entsprechendem Zusam­menwirken eine positive Entwicklung gewährleisten. Daher wären alle Arbeitgeber schlecht beraten, wenn sie, so wie es die SPÖ-Seite immer sagt, ausbeuten würden. Sie skizzieren damit immer ein Bild, das nicht der Realität entspricht. Nur im positiven Zusammenwirken können Unternehmen erfolgreich sein. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Liebe Sozialisten, bei all Ihrer Liebe zur Inszenierung – und bei Ihnen besteht ja mitt­lerweile alles aus Inszenierung – ist das, was Sie zu dieser Thematik veranstalten, nicht nur ein unwürdiges Schauspiel, sondern mittlerweile wirklich erbärmlich und pein­lich, denn es geht nur mehr um Panikmache und Verunsicherung. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie reden immer von der Gewerkschaft, aber Sie sind es, die die Gewerkschaft als Teil der Sozialpartnerschaft für Ihre Zwecke instrumentalisieren und missbrauchen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

Einige Ihrer Gewerkschafter sind natürlich willfährige Erfüllungsgehilfen, die nicht ein­mal davor zurückschrecken, so wie wir es heute schon gehört haben, mit Pflasterstei­nen und Grabkerzen auszurücken, nein, sie inszenieren sich wirklich als Berufsrabau­ken, teilweise mit Ihrer Unterstützung und den bekannten Silberstein-Methoden und Pi­nocchio-Techniken. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit verlieren Sie aber, und das ist Ihnen wahrscheinlich gar nicht bewusst, den letz­ten Funken an Glaubwürdigkeit. (Bundesrat Schabhüttl: Das sagt ausgerechnet ein Kärntner Freiheitlicher!) Wenn man selbst vor wenigen Monaten noch hergegangen ist – na hören Sie zu und passen Sie auf! –, eine Arbeitszeitflexibilisierung gefordert hat – Plan A! –, das für unumgänglich gehalten hat, weil man natürlich erkennt, dass starre Arbeitszeitsysteme überholt sind, dann aber das beleidigte Oppositionsentlein spielt und sämtliche Vorhaben torpediert, die Österreich zukunftsfit machen, weil man nicht mehr in der Regierung sitzt, dann ist das einfach unglaubwürdig und eigentlich ein politisches Armutszeugnis. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Diese Bundesregierung zeigt auch mit dieser Gesetzesänderung, dass es wichtig ist, Lösungen zu schaffen, die den wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen angepasst sind. Die Schwerpunkte sind ausreichend behandelt worden, aber jetzt muss ich Sie wirklich einmal fragen: Erklären Sie mir einmal, was schlecht daran ist, wenn die Ar­beitnehmer künftig nach diesem Modell einen Mehrwert erhalten, weil sie die Wahl­möglichkeit haben, ob sie ihre Mehrleistungen in Geld oder Freizeit refundiert bekom­men wollen, und gleichzeitig aber auch eine Freiwilligkeitsgarantie beinhaltet ist!

Erklären Sie mir, was schlecht an diesem Modell ist, das den sozialen Anforderungen gerecht wird, denn es ist halt einmal so, dass Arbeitnehmer sich größere Freizeitblöcke gönnen möchten, dass sie vielleicht auch mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen möch­ten! Entgegen Ihrem verzerrten Realitätsbild hat der durchschnittliche österreichische Arbeitnehmer nicht die Möglichkeiten eines Herrn Kern, der für seine Tätigkeit von der SPÖ 6 100 Euro zu seinem Gehalt von 8 700 Euro fordert und sich das einfach zahlen lässt, weil er sich holt, was er glaubt, das ihm zusteht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn der durchschnittliche österreichische Arbeitnehmer sein Haus abzuzahlen hat oder sich Eigentum schaffen will, so ist er gewillt, dafür zu arbeiten, und muss das auch; er erbringt mehr Dienstleistungen, um sich das zu verdienen und sich mehr leis­ten zu können. Dafür wird hiermit die gesetzliche Grundlage geschaffen, denn das ist


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ein Grundprinzip dieser Regierung: Leistung muss sich wieder lohnen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Daher geht Ihre Propaganda völlig ins Leere und ist reine Angstmache. Ich habe heute gerade gehört, dass Ihr Nationalrat, Herr Knes, in Kärnten sagt, dass wir im Lavanttal 60 bis 70 Arbeitsplätze verlieren werden, und da hat ihn jetzt sogar der Mondi-Chef einmal endgültig korrigieren müssen, indem er gesagt hat: Das ist nur Angst- und Pa­nikmache, und so geht man mit Menschen nicht um. Das ist aber Ihre Vorgangs­weise!

Ich möchte Ihnen jetzt noch einmal verdeutlichen, welches infame und durchschaubare Spiel Sie zu diesem Thema treiben: Man demonstriert mit selbstgemalten, großartigen Plakaten in Wien. Es beteiligen sich die jungen Gewerkschafter, vor allem auch die jun­gen Sozialisten mit einem (die Fotokopie der Abbildung eines Transparents mit der Aufschrift „Gehts 12 Stunden scheißen!“ in die Höhe haltend), wie Sie sehen können, wirklich eindrucksvollen Wortschatz. Das Statement werde ich hier nicht wiederholen, um nicht einen Ordnungsruf in Kauf nehmen zu müssen, aber der Wortschatz ist wohl der Ausfluss der roten Bildungspolitik der letzten zehn Jahre gepaart mit roter Partei­akademierhetorik. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Während in Wien demonstriert wird, produziert man im rot geführten Kärnten eine völlig andere Realität, denn in Kärnten gibt es ein Kärntner Dienstrechtsgesetz und ein Kärntner Gemeindemitarbeiterinnengesetz (die beiden Gesetzestexte in die Höhe hal­tend), die ganz klar eine tägliche Arbeitszeit von nein, nicht 8 Stunden, nein, nicht 10 Stunden, auch nicht 12 Stunden, sondern von 13 Stunden vorsehen, und das nicht freiwillig, sondern auf Anordnung. (Uh-Rufe, Oho-Rufe und Beifall bei der FPÖ.)

Aufgrund dieses Umstands hat auch der Landtagsklub der FPÖ (Ruf bei der SPÖ: Da gibt es ein Dienstrecht!) – passen Sie bitte auf! (Bundesrätin Grimling: Das sind öf­fentlich Bedienstete!) – in der letzten Sitzung des Kärntner Landtages am 6. Juli einen Dringlichkeitsantrag eingebracht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben gefordert, dass wir diese Tagesarbeitszeit genauso, wie wir es hier vorha­ben, auf 12 Stunden reduzieren sollten und auch die Freiwilligkeit hinsichtlich Über­stunden verankern sollten. Und was ist passiert? Was glauben Sie, wer das abgelehnt hat, weil sie gesagt haben, dass sie sowieso irgendwann eine Dienstrechtsreform ma­chen? – Genau, es war wieder einmal die SPÖ! (Oh-Rufe bei FPÖ und ÖVP.) Diese SPÖ hat das abgelehnt (Zwischenrufe bei der SPÖ), und zwar genau mit jenen Ge­werkschaftern, die dort im Landtag sitzen und gleichzeitig in Wien demonstrieren. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.)

Ein weiteres Beispiel aus Kärnten sind die Straßenmeistereien. Bei diesen hat man ein Pilotprojekt einer Vier-Tage-Woche – bitte aufpassen! – mit längeren täglichen Arbeits­zeiten eingeführt. – Richtig, das war auch dasselbe Kärnten, in dem die SPÖ regiert.

Von den ÖBB brauche ich erst gar nicht zu reden, mit dem von eurem obersten Chef so gepriesenen Reformprozess (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl) – da hat er wahrscheinlich übersehen, dass es den 12-Stunden-Arbeitstag schon lange gibt, wie auch in vielen anderen Bereichen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, wir sehen ganz klar, was da passiert, denn es geht nur um eines: Die SPÖ besitzt eigentlich keine Glaubwürdigkeit mehr und verfolgt deswe­gen eine Taktik des Suderns und der Panikmache. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Grund dafür ist, dass Sie und Ihr Chef, Herr Kern, halt einfach Sand im Opposi­tionsgetriebe haben. Dadurch kommt es ständig zu Verreibern – so wie es früher auch unter eurer Regierung war –, weswegen Sie die Notwendigkeit sehen, mit solchen Ge­schichten von Ihrer Unfähigkeit abzulenken. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Daher möchte ich abschließend sagen, dass ich dankbar dafür bin, dass diese Bun­desregierung aus ÖVP und FPÖ die bestehenden Anfordernisse erkennt, rasch han­delt und Österreich mit sozialem und wirtschaftlichem Weitblick regiert und damit auch zukunftsfit macht. Es ist mir daher auch eine freudige Aufgabe, mich in den nächsten Jahren entsprechend einbringen zu dürfen. (Bundesrat Koller: Nicht solche Drohungen!)

Diese österreichische Bundesregierung hat nämlich einen neuen Zugang, denn sie übt sich nicht in Selbstinszenierung und leeren Worthülsen (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ) – so wie gerade eben (Bundesrätin Grimling: Das hat er gerade bewie­sen!) –, sondern geht die Reformprozesse zum Wohle der Bevölkerung konsequent an. Sie leitet sie ein, arbeitet sie ab und handelt dabei wie gesagt zum Wohle Öster­reichs. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.42


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort ist Herr Bundesrat Hubert Koller gemeldet. Ich erteile dieses.


12.43.05

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lie­be Frauen Ministerinnen! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauer! Sie kennen mich: Ich bin eher der Diplomat, ich bin niemand, der voller Emo­tionen he­rausplärrt, aber ab und zu bin ich auch gereizt. Verzeihen Sie daher, wenn ich vielleicht irgendetwas überbordend mache – es kommt von Herzen. (Allgemeine Hei­terkeit.)

Zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern ist eine kleine Märchenstunde entstan­den. Verzeihen Sie uns, wenn wir die ganzen 100 Prozent der Auswirkungen dieses Gesetzes aufzeigen und nicht immer gerade das, was die Unternehmer sehr schätzen, Frau Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrä­tin Zwazl: Präsidentin! Das Vize weg!) – Frau Präsidentin der Wirtschaftskammer! – Ich korrigiere, mache also eine tatsächliche Berichtigung.

Natürlich lockt das Emotionen hervor. Das passiert vor allem dann, wenn man – auf Deutsch gesagt – nicht miteinander redet. Dieses Gesetz ist meines Erachtens wirklich durchgepeitscht worden. Man hat nicht genug miteinander gesprochen, sonst wäre die Aufregung nun nicht so groß. Man muss das bitte auch ernst nehmen, wenn 100 000 Menschen in Wien auf die Straße gehen und das artikulieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Bezahlt vom ÖGB!)

Herr Kollege Krusche ist nicht da. (Bundesrat Krusche – hinter dem Redner auf dem Platz des Schriftführers sitzend –: Da bin ich!) – Da ist er (sich in Richtung Bundesrat Krusche umdrehend), als Schriftführer bedeutend aufgestiegen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Lieber Herr Kollege Krusche, meiner Erinnerung nach hatten wir bei der Na­tionalratswahl 2017 rund 45 000 Stimmen mehr als die FPÖ. Wir sind also nicht die be­deutungsloseste, kleinste Partei, sondern eine ordentliche Partei, die mitdiskutieren und mitreden möchte. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Krusche: Aber eure Handlungen sind bedeutungslos!) – Das kann sein, aber warten Sie den Tag ab – es werden ande­re Jahrzehnte kommen, in denen jemand anderer regiert! Eines hat Kern ja schon ge­sagt: Wir werden dieses Gesetz zurücknehmen. Das wird dann die erste Aufgabe sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde heute schon vieles gesagt und ich möchte nicht alles wiederholen. Vor hun­dert Jahren war das Motto: 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit und 8 Stunden Schlaf. – Das war der Antrieb für die Veränderung der Arbeitszeit, bis hin zu dem Ni­veau, das wir heute haben.

Wir appellieren ja nur dafür, dass man darüber redet, dass wir uns noch Zeit nehmen und versuchen, bis zum Herbst eine gute Lösung zusammenzubringen. Arbeitnehme-


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rinnen und Arbeitnehmer und Unternehmer sollen gemeinsam vorgehen können – für den sozialen Frieden in Österreich.

Die Märchenstunde fängt ja schon so an, dass Sie den Leuten die Zeit wegnehmen, ihr Familienleben und ihr gesamtes Leben zu gestalten. Sie nehmen ihnen auch das Geld weg – ich werde kurz darauf eingehen –, und Sie nehmen ihnen vor allem auch die Ge­sundheit weg. Das klingt fast so ein bisschen wie das Märchen von Robin Hood, nur umgekehrt, denn dieser hat den Reichen genommen und den Armen gegeben, wäh­rend Sie Zeit, Geld und Gesundheit nehmen und den Reicheren zuschieben. Sie wol­len also die Sage umschreiben; um beim Märchenbeispiel zu bleiben.

Sie hebeln in diesem Fall eben auch die Sozialpartnerschaft aus. Sie, Frau Präsidentin der Wirtschaftskammer, haben ja so gelobt, dass diese in Niederösterreich so gut funk­tioniert. Wenn Sie das hier auch machen möchten und sagen, dass ganz Österreich so klasse miteinander reden soll, dann können Sie heute ja dagegen stimmen oder unse­ren Anträgen zustimmen, damit wir das im Herbst noch sinnvoll gestalten können. (Bun­desrätin Zwazl: Was ist konkret bis Herbst?)

Sie aber ignorieren insgesamt alle Warnungen und auch den Gegenwind, der ja nicht nur von uns kommt, sondern auch von den Bundesländern. Da sitzen anscheinend noch die richtigen Schwarzen und keine Türkisen. Auch von den Bundesländern kommt ja Widerstand!

Der Widerstand kommt auch aus euren Reihen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei! Nur davon zu reden, dass ihr für die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer seid, hilft ja nicht. Ihr müsst da in den sauren Apfel beißen, weil natürlich im Koalitionspakt steht, dass ihr einander nicht überstimmt – das ist ja klar, dafür habt ihr andere Dinge bekommen, und vielleicht nun mit der Notenbank etwas Neues.

Es gibt also Widerstände. Ich bin mir nicht sicher, lieber Kollege (in Richtung Bundesrat Mayer, der mit einem Kollegen spricht) – er spricht jetzt gerade eifrig –, ob die Arbeit­nehmerInnenvertreter in höchsten Positionen hier herinnen wirklich aus vollster Über­zeugung hinter diesem Gesetz stehen. Lieber Edgar Mayer, du bist eine Persönlichkeit, die wir in unserer Partei insgesamt sehr schätzen. Es gibt dann ja auch noch Armin Forstner, den Kollegen Bürgermeister in der Reihe dahinter, oder den Herrn Kollegen Rösch. Seid ihr mit dem zufrieden? (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ist es wirklich so, dass ihr das alles nicht hört, was draußen passiert? Das kann ja nicht sein!

Sie sprechen von einer Win-win-Situation, während es, ganz im Gegenteil, ein Fron­talangriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Österreichs ist! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.) Es ist klar, dass das ein Kniefall vor der In­dustriellenvereinigung und auch vor der Wirtschaftskammer ist, denn der Nutzen für die Arbeitgeber liegt auf der Hand, logisch. Ich würde ja auch jubeln, wenn ich Präsident oder Präsidentin wäre. (Bundesrätin Zwazl: Ich bin Unternehmerin und Arbeitgeberin, und eine gute! Meine Mitarbeiter sind zufrieden, und in unseren Betrieben auch! – Bei­fall bei ÖVP und FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Weiter, Hubsi!)

Übrigens sagt das, was ich gesagt habe, auch Erwin Zangerl, der ist immerhin ÖVPler – bis jetzt gewesen – und AK-Chef in Tirol.

12 Stunden zu arbeiten verändert die Zeitressourcen der Menschen, vor allem der ar­beitenden Menschen. Und das ist ja nur die Nettoarbeitszeit, wir haben heute schon gehört, dass da mehr dazu gehört: Es gibt Anfahrtszeiten – das AMS sagt, 1 Stunde in eine Richtung ist zumutbar, bald werdet ihr das wohl auf 2 Stunden erhöhen. 1 Stunde Anfahrtszeit, 1 Stunde für die Rückfahrt, 12 Stunden Arbeit plus die gesetzlichen Pau­sen: Das ist insgesamt enorm viel Zeit, die in einen Arbeitstag investiert wird. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wenn man dann noch 8 Stunden schlafen will (Ruf bei der FPÖ: Schlafen wird überbewertet!), bleiben 3 Stunden für die Familie


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und weitere Dinge übrig. Dass das auch die Gesundheit gefährdet, könnt ihr nicht be­streiten!

Es gibt natürlich Branchen, in denen es besser geht. Es gibt aber Branchen – vor allem auch Schwerarbeiter betreffend –, in denen das nicht gut geht – es hat da Beispiele ge­geben.

Der Pflasterstein war eine Geschichte eines Gewerkschaftskollegen. Wir stehen aber nicht dahinter. (Bundesrat Steiner hält einen Ausdruck mit der Bildüberschrift „Der Pflasterstein“ in die Höhe, auf dem drei Abbildungen mit Bildunterschriften gezeigt wer­den, von denen die erste einen von einer Hand umfassten Pflasterstein, die zweite ei­nen Pflasterstein mit Grablicht und die dritte Abgeordneten Muchitsch zeigt.) Wir haben nichts damit zu tun, dass da irgendwelche Pflastersteine aufgebaut werden oder so et­was. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir distanzieren uns davon! Dieses Bild (auf den von Bundesrat Steiner weiterhin in die Höhe gehaltenen Ausdruck zeigend) gehört weg! (Rufe bei der FPÖ: Da habt ihr applaudiert! Ihr habt applaudiert!) Mein Kollege, der Ge­werkschafter Muchitsch, hat damit überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Schämen Sie sich!)

12 Stunden Arbeit verändern aber auch das Einkommen. Sie, Frau Präsidentin Zwazl, haben gesagt, dass eh alles bezahlt wird. Ich kenne auch viele Unternehmen, die sehr vorbildlich mit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgehen, in denen Verein­barungen getroffen werden und alles bezahlt wird. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es gibt aber auch andere. Wir sind da, um auch die schlechteren Beispiele aufzuzeigen. (Bun­desrätin Zwazl: Es gibt auch andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und über die reden wir auch nicht!)

Es gibt genug Überstunden, die nicht bezahlt werden. (Bundesrat Spanring: Das gibt es aber jetzt schon!) Die Gewerkschaft beziffert das mit 50 000, was 1 Milliarde Euro entspricht. (Bundesrätin Zwazl: Wenn einer was nicht zahlt, dann hat er es nachzu­zahlen! Punktum! Wir stehen nicht dafür! Aber wir machen - -!) – Ich nehme Sie beim Wort! (Bundesrätin Zwazl: Kannst du eh!) – Ich nehme Sie beim Wort! (Bundesrätin Zwazl: Wir können auch beim Du bleiben!)

Meine Damen und Herren, ich bin selber lange Bürgermeister gewesen: Eine längere Arbeitszeit schlägt sich auch auf das Ehrenamt nieder. Sie wissen, ich bin aus einem kleinen Dorf, da ist man bei zehn, zwölf Vereinen dabei. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Wir wissen, wie wichtig Vereine wie Musikkapellen, Feuerwehr und andere sind. Diese Stunden Mehrarbeit gehen beim Ehrenamt dann ab, Sie aber schlagen alles in den Wind. Sogar wenn die Kirche etwas sagt, seid ihr still und sagt nichts, liebe ÖVP! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, selbst die Bischofskonferenz mischt sich ein und macht sich Sorgen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Meine Damen und Herren, insgesamt werden im Jahr 250 Millionen Überstunden ge­leistet, und 20 Prozent davon werden überhaupt nicht ausbezahlt. Diese Zahl kann sich nun erhöhen, ja sogar verdoppeln. Das heißt, dass über 2 Milliarden Euro vielleicht nicht ausbezahlt werden. (Bundesrätin Zwazl: Wenn du das weißt, müssen sie auch bezahlt werden!) Ich weiß schon, dass die Menschen, die Überstunden leisten, das Geld brauchen. (Bundesrätin Zwazl: Ja eh, das kriegen sie auch!) Ich bin seit 30 Jah­ren in der Kommunalpolitik, da weiß ich, was jeder Einzelne braucht. (Bundesrätin Zwazl: ...! In unseren Betrieben gibt es das nicht!)

Mit diesen Überstunden könnte man bei angenommenen 2 000 Arbeitsstunden 125 000 Arbeitsplätze schaffen, und das in Zeiten von Digitalisierung und Robotik – was sich vier Präsidenten des Bundesrates während ihrer Präsidentschaft vorbildlich zum Thema genommen haben (Bundesrätin Mühlwerth: Marx lässt grüßen!) –, in de­nen wir eher die Angst haben, dass Posten wegfallen. (Zwischenruf der Bundesrätin


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Zwazl.) Es wäre sinnvoller, die Stunden auf 35 zu reduzieren und nicht auf 40 oder noch mehr zu erhöhen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das ist anzuden­ken – und nicht umgekehrt! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Nein, das sind qualifizierte Arbeitsplätze! Und du musst ja den Leuten sagen, dass sie durch jeden x-Beliebigen ersetzt werden! Die Leute leisten qualifizierte Arbeit! – Ruf bei der SPÖ: Wenn Sie sich zu Wort melden wollen, dann gehen Sie hinaus, dann melden Sie sich zu Wort!) – Ich habe nur kurz zugehört, damit ich ein bisschen eine Verschnaufpause habe, denn die Debatte ist emotional!

Meine Damen und Herren, zu dem, was der Kollege, der von mir sehr geschätzte Bür­germeister aus Hüttenberg, vor mir gesagt hat: Das ist eben ein Schmarrn! Wenn das in diesem Gesetz festgelegt worden wäre, dass sich die Menschen die Zeit aussuchen können, die sie als Ersatzzeit freibekommen, dann wären wir in diesem Punkt dafür.

Deshalb bringe ich nun einen Entschließungsantrag ein, damit ich Ihre Forderung hier ganz explizit festhalten kann:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsan­spruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitgut­haben“

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 303/A

Mit der Beschlussfassung der Verlängerung der Arbeitszeit durch Schwarz/Blau wird der 12-Stunden-Tag zur Normalität und ArbeitgeberInnen dürfen einseitig die Verlänge­rung der Tagesarbeitszeit anordnen.

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Regierungsvorla­ge zu übermitteln, mit der eine“ – wie auch bereits im Plan A vorgesehene – „Wahlar­beitszeit, also ein Rechtsanspruch auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeit­guthaben für ArbeitnehmerInnen geschaffen wird.“

*****

Die Gründe für den Antrag habe ich in meinen Reden ausgeführt, darauf möchte ich nicht mehr näher eingehen. Da können Sie zustimmen, Herr Kollege aus Kärnten! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

12.54


Vizepräsident Ewald Lindinger: Der von den Bundesräten Todt, Kolleginnen und Kol­legen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rechtsanspruch für Arbeitneh­merInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitguthaben“ ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Eine weitere Wortmeldung liegt vor: Es hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. Ich erteile dieses. – Bitte.


12.55.28

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schram­böck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! (BundesrätInnen der SPÖ halten runde, rot umrandete Ta­feln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 und 60 in die Höhe. – BundesrätInnen von


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ÖVP und FPÖ halten türkis-blau gerahmte Tafeln mit der Aufschrift „Freiwilligkeit ga­rantiert!“, „Es bleibt dabei!“, „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Woche“ in die Höhe.) Es war im Jahr 1987, als ich als Schülerin oben auf der Galerie bei einer Bun­desratssitzung saß. Ich habe gerade festgestellt, dass das das Jahr ist, in dem Herr David Stögmüller geboren wurde – 1987. Ich habe es damals sehr interessant gefun­den, wie hier diskutiert wird und wie konstruktiv der Austausch ist.

Ich möchte daher nur eines sagen: Ich lasse mir die Freude daran, zu Ihnen in den Bundesrat zu kommen, auch durch 50 Prozent der Grünen nicht verleiden. (Die Bun­desrätInnen entfernen die Tafeln wieder.) Ich habe das Gefühl, dass wir hier willkom­men sind, auch wenn man uns Pflastersteine auf das Pult legt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Seit vielen Jahren wird in Österreich das Thema Arbeitszeitflexibilisierung diskutiert. Erst in den vergangenen Wochen haben Experten sowohl vom Wifo, vom Wirtschafts­forschungsinstitut, wie auch vom IHS die Notwendigkeit dieser „vergleichsweise klei­nen Reform“ bestätigt. Und sie haben sich darüber besorgt gezeigt, „dass die politische Diskussion mit Übertreibungen arbeitet, die schon ans Lächerliche grenzen“.

Ich appelliere daher an Sie alle, die Emotionen ein wenig zurückzuschrauben, damit wir faktenbasiert diskutieren können. Ich danke allen, die Fakten geliefert haben. Ich freue mich auch über die Inputs und die unterschiedlichen Dinge, die Sie einbringen.

Wichtig ist, dass wir uns in gleicher Weise um die Unternehmen und um die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer kümmern. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Unsere Aufgabe ist es auch, sicherzustellen, dass keine Verunsicherungen in Form von geschürten Panik­machen betrieben werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das wirk­lich nicht verdient. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Superlative und Angstsze­narien sind aus meiner Sicht nicht angebracht. Es ist weder so, dass dadurch plötzlich Milch und Honig auf Arbeitgeberseite fließen, noch ist es auf der anderen Seite so, dass die Grundfesten der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder gar der Republik erschüttert werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was wir tun, ist, dass wir einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für die gelebte Praxis schaffen. Das ist mir ganz besonders wichtig, weil es in Österreich ja viele mittelstän­dische Unternehmen gibt, in denen es keine Betriebsräte und keine Personalvertre­tungen gibt. Auch deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Recht, zum Bei­spiel bei der 11. und 12. Stunde selbst darüber zu entscheiden, ob sie diese machen wollen oder nicht. Darum braucht es diesen einheitlichen rechtlichen Rahmen, damit sichergestellt ist, dass das auch für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt, die in Be­trieben ohne Betriebsräte arbeiten.

Wenn wir uns heute die Realität der Arbeitswelt 2018 ansehen: Wir haben Arbeiter und Angestellte, wir haben Kreative, IT-Fachkräfte und so weiter. Wir haben da ganz ver­schiedene Arbeitswelten. – Unsere Aufgabe ist, das entsprechend gesetzlich abzubilden.

Wir haben in Österreich schon ganze Bereiche, in denen viel länger gearbeitet wird, bei denen es 12 und teilweise 13 Stunden gibt – wie bei den viel zitierten ÖBB. Sie haben es ja selber gesagt, dass auch im Beamtenbereich 13 Stunden vorgesehen sind. (Bun­desrat Schabhüttl: Beamtendienstrecht!) Viele, die bei der Polizei oder in Kranken­häusern arbeiten, tun dies auch bereits.

Als ich vor Kurzem geflogen bin, hat mir eine Dame, die bei einer Fluglinie arbeitet, gesagt: Bitte, ich möchte das so! Ich kann mir aussuchen, wie ich das blocken kann und wann ich arbeite. – Das ist die Realität.

Unser Ziel ist auch, dass wir die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer aus der Illegalität holen, denn Faktum ist, dass es schon in vielen Betrieben so ist. Sie haben es selbst


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angesprochen, dass es sonst nicht sein könnte, dass so viele Überstunden nicht aus­bezahlt werden. Ich bin vollkommen dagegen, dass Überstunden nicht ausbezahlt wer­den. Das ist auch ein klarer Auftrag von mir, dass Überstunden ausbezahlt werden müssen, deshalb regeln wir es ja auch gesetzlich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Ich sehe darin absolut eine Chance, die von Ihnen angesprochenen nicht ausbezahlten Überstunden abzuschaffen oder zu reduzieren. Wenn es in der Realität so ist, dass ei­ne 11. und 12. Stunde gearbeitet werden, und wenn es vielleicht auch so ist, wie Sie sagen, dass Überstunden nicht ausbezahlt werden, so dient dieses Gesetz gerade da­zu, dafür zu sorgen, dass sich der Arbeitnehmer aussuchen kann, die 11. und 12. Stun­de zu arbeiten und auch, ob er das ausbezahlt oder entsprechend als Zeitausgleich haben möchte. (Bundesrat Schabhüttl: Genau das ist ja das Schlimme daran, dass er es sich nicht aussuchen kann!)

Ich möchte noch einmal die Fakten zusammenfassen: Es bleibt bei täglich 8 Stunden und es bleibt bei den wöchentlichen 40 Stunden als Normalarbeitszeit. Wer etwas an­deres sagt, sagt bewusst nicht die Wahrheit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Suggerieren Sie bitte nicht den Menschen, dass sie jetzt täglich 12 Stunden arbeiten müssen, denn die durchschnittliche Arbeitszeit wird nicht erhöht und somit muss es auch auf der ei­nen Seite weniger werden, wenn es auf der anderen Seite einmal mehr geworden ist!

Nehmen wir das Beispiel, wenn jemand im Burgenland oder in jedem anderen Bundes­land außerhalb der Ballungszentren arbeitet! Er hat dann die Möglichkeit, sich selbst dafür zu entscheiden, zum Beispiel Montag bis Donnerstag mehr zu arbeiten und sich eben nicht ins Auto zu setzen, nicht die Kilometer abzuspulen und auch nicht die Um­welt zu belasten, sondern zu Hause bei der Familie zu sein und das auch entspre­chend in Einklang zu bringen. (Bundesrat Lindner: Dann schreiben Sie das so ins Ge­setz!)

Es können jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer die 11. und 12. Überstunde ablehnen, es gibt eine echte Freiwilligkeit. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Was auch oft nicht gesagt wird, ist, dass die Ablehnung keine Nachteile für den Ar­beitnehmer und die Arbeitnehmerin bringen darf. Das ist im Gesetz so vorgesehen, damit gibt es ein umfassendes Benachteiligungsverbot. Sollte es zu einer Kündigung aufgrund solcher Themen kommen, dann ist diese natürlich rechtswidrig, und es ist überhaupt nicht in unserem Sinne und auch gar nicht die gelebte Praxis in den Unter­nehmen, das zu tun. (Zwischenruf des Bundesrates Lindner.)

Wir haben im Moment Fachkräftemangel. Sie wissen das, wir wissen das, dass der Fachkräftemangel im Augenblick die größte Herausforderung in der österreichischen Wirtschaft ist. Diese Flexibilisierung ermöglicht es, einerseits wettbewerbsfähig zu sein, Aufträge anzunehmen und für kurze Zeit einmal mehr zu arbeiten. Es ermöglicht aber auch, dann entsprechend weniger zu arbeiten, wenn auch weniger Aufträge da sind.

Zweitens ist mir wichtig, das Faktum festzuhalten, dass die Zuschläge weiterhin be­zahlt werden. Vereinbarte Überstunden sind mit Überstundenzuschlägen oder Zeitaus­gleich zu vergüten. Für die 11. und 12. Stunde kann der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin entsprechend den Lebensumständen selbst entscheiden. Das – da haben Sie recht – gab es noch nie! Es ist die Ausstattung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Rech­ten, die es bisher noch nicht gab. Das ist auch etwas, das man, wenn man die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter aufklärt, erwähnen muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Wir plädieren dafür und haben das auch so vorgesehen, dass es in Österreich mün­dige und selbstbestimmte Menschen gibt, die auch selbst darüber entscheiden dürfen, ob sie ein Projekt fertig machen wollen oder ob sie es nicht fertig machen wollen, son-


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dern erst später fertig machen wollen. Wenn sie dies selbst entscheiden, so können sie das jetzt auch bei der 11. und 12. Stunde tun. (Bundesrat Novak: Das wird nicht ak­zeptiert!)

Klären wir bitte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen möglichst gut auf! Nutzen wir die zur Verfügung stehenden Mittel und sagen wir ihnen auch, dass es, wenn es einmal 12 Stunden sind, dann an einem anderen Tag 0 Stunden oder 4 Stun­den sind. Es ist alles eine Frage der Perspektive, wenn man es nur von einer Seite betrachtet, so ist es nur die halbe Wahrheit.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich haben es verdient, dass wir uns für sie einsetzen, dass wir Gesetze und Rahmen schaffen, die ihnen mehr Flexibi­lität geben, die ihnen die Möglichkeit geben, ihren Job so zu gestalten, wie sie es gerne möchten. Das haben wir mit diesem Gesetz vorgesehen, und ich danke für Ihre Un­terstützung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schabhüttl: Aber die Zuschläge haben Sie vergessen!)

13.05


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile dieses.


13.06.03

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frauen Bundesministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Frau Wirtschaftsministerin für die Klarstellungen und werde einiges davon auch wie­derholen, um es für jene, die es noch nicht ganz verstanden haben, ein bisschen zu verdeutlichen. (Bundesrat Todt: Danke!)

Ich habe mir einige Redebeiträge angehört und bin bass erstaunt, weil einiges davon in meinem Kopf nicht ganz zusammengeht. (Bundesrat Novak: Das ist das Problem!) Herr Kollege Koller, Sie stehen hier und sprechen ganz einfach davon, dass Zeit weg­genommen wird, wenn es 12 Stunden zu arbeiten gilt. Ich verstehe nicht, wo der Unter­schied ist, wenn das ein Betriebsrat mit seinem Arbeitgeber für die gesamte Mann­schaft vereinbart oder wenn es der Arbeitnehmer in Eigenverantwortung selbst mit dem Arbeitgeber ausmacht. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Dziedzic und Schabhüttl.)

Sie stehen hier und sprechen davon, dass die Gesundheit auf einmal in massivstem Maße gefährdet wäre, wenn einmal 12 Stunden an einem Tag gearbeitet werden, wenn es der Arbeitnehmer in Eigenverantwortung entscheidet. Ich frage mich, was der Unter­schied ist, wenn es der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber entscheidet und vereinbart. (Bundesrat Schennach: Dass die Menschen eingebunden sind!) Ich verstehe nicht, dass jetzt auf einmal das Ehrenamt so groß in Gefahr ist, wenn sich ein Arbeitnehmer dafür entscheidet, in seinem Unternehmen mehr Stunden zu arbeiten, und wo der Un­terschied ist, wenn es der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber vereinbart. Das geht ganz einfach nicht zusammen.

Es ist auch eine massive Übertreibung, wenn es heißt, dass das ein Frontalangriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Ich halte das für total überzogen und bin mir auch sicher, dass es nicht die Industrie ist, die von dieser Flexibilisierung am meis­ten profitieren wird, sondern es werden in erster Linie die KMUs sein. (Bundesrat No­vak: Die gesamten Pierers! Die kriegen das Geld!) Die Beispiele dafür hat ja unsere niederösterreichische Wirtschaftskammerpräsidentin auch schon hinlänglich angeführt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wenn Sie die Bischofskonferenz erwähnen, so kann ich Ihnen versichern, dass es mit dem Heiligen Stuhl und mit der Bischofskonferenz eine klare Übereinstimmung dahin gehend gibt, dass die Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen in den Handelsbetrie-


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ben nicht ausgeweitet werden. Das war eine Sorge, die bestand, aber diese konnte ausgeräumt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln ein Thema, das sowohl für die Arbeit­nehmer als auch die Arbeitgeber von Bedeutung ist. Leider muss ich feststellen, dass dieses Thema von einer Seite sehr emotionalisiert worden ist, obwohl es nur um zeit­gemäße Anpassungen geht. Bundeskanzler Kurz hat im Nationalrat auch klar gesagt und deutlich gemacht, dass die Reform, die hier durchgeführt wird, keine allzu große ist. Die Realität der modernen Arbeitswelt soll in Teilbereichen ganz einfach einen ge­setzlichen Rahmen bekommen. Beispiele wurden angeführt, wo es zu Problemen kommt, wo es zu Strafen kommt, wo nicht ehrlich abgerechnet und aufgezeichnet wird, weil man ganz einfach Arbeiten fertig machen möchte. Ich verstehe daher nicht, warum hier Arbeitnehmer und Bevölkerung gleichermaßen so verunsichert werden.

Ich möchte schon anmerken, dass leider Gottes einige von der Realität in der Wirt­schaft weit entfernt sind, es gibt viele Beispiele. Ein Beispiel, das zeigt, dass Sie von der Sozialdemokratie leider schon lange von der Realität weg sind, möchte ich auch anführen. Wir leben in neuen Zeiten, und neue Zeiten brauchen auch neue Antworten. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Das ist auch ein Slogan, den der ÖAAB Niederösterreich jetzt schon seit einiger Zeit verwendet, und wir wissen ganz genau, dass in unserem Leben nichts so fix ist wie die Veränderung. Ich möchte an einem Beispiel, das jetzt schon einige Jahre zurückliegt, zeigen, dass die SPÖ nicht am Puls der Zeit ist.

Es war um das Jahr 2000, als der ÖAAB ein neues Abfertigungsmodell präsentiert hat, das sogenannte Rucksackmodell, ein Modell, das darauf abgezielt hat, die Situation fairer zu machen. Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben davor keine Abfertigungen bekommen, wenn sie selbst den Betrieb verlassen haben. Hier ist es um Fairness und Gerechtigkeit gegangen. Ich erinnere mich noch an den Aufschrei des AK-Präsidenten Tumpel in Wien und seines Kollegen Staudinger in Niederösterreich. Heute ist das ein anerkanntes, faires und gerechtes Abfertigungsmodell für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer. Alle profitieren gleichermaßen davon und keiner ver­liert Ansprüche, die er sich hart erarbeitet hat. Sie waren dagegen – leider Gottes, es ist schade darum!

Ich denke, dass es jetzt auch mit den flexiblen Arbeitszeiten in einer ähnlichen Form sein wird. Es ist ein ausgewogenes und auch faires Modell, das hier beschlossen wer­den soll. Tun Sie bitte nicht so – auch mit Ihren Taferln –, als müsste in Österreich mit der Kundmachung dieses Gesetzes ab dem 1. September jeder täglich 12 Stunden, 60 Stunden in der Woche arbeiten! (Bundesrat Schabhüttl: Das sagt ja keiner!) Tun Sie nicht so und reden Sie das den Menschen nicht ein! Das ist nicht fair, das ist nicht verantwortungsvoll, das ist eine Kampagne und nicht mehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schabhüttl: Dann machen Sie das Gesetz nicht! – Bundesrätin Grimling: Das hinten und vorne nicht stimmt!)

Neue Zeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen neue Antworten. (Bundesrat Schennach: Die Glaubwürdigkeit des ÖAAB ist schwer angeschlagen!) Ich bin sehr viel in der Bevölkerung unterwegs und ich war jetzt auch in einem Betrieb in meinem Bezirk Lilienfeld – einem Betrieb, der einen Betriebsrat hat, der von der FSG gestellt wird. Dieser Betriebsrat ist mit mir durch diesen Betrieb gegangen. Wir sind gemein­sam durchmarschiert und haben dieses Thema auch angesprochen. Ich habe ihn ge­fragt, wie er dazu steht. Es war klar: Ich habe das gehört, was ich heute von Ihnen ge­hört habe – gewerkschaftlich gut gebrieft. (Bundesrätin Grimling: Nein, das ist die Über­zeugung!) Ich habe ihm dann vorgeschlagen, dass wir durch diesen Betrieb gehen und zehn willkürlich ausgewählte ArbeitnehmerInnen fragen, was sie dazu sagen, wenn sie


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einmal 12 Stunden arbeiten müssten und dann vielleicht mehr in Freizeit abgegolten be­kommen oder sich das auch entgelten lassen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, es war kein einziger Arbeitnehmer dabei, der dieses Modell schlecht gefunden hätte. Sie haben gesagt: Ja, wenn ich am Stück drei Tage Freizeit habe und in vier Tagen meine Arbeitszeit erledigen kann,
dann bin ich gerne dazu bereit. – Das ist die Realität und nicht das, was Sie den Men­schen vormachen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Hahn und Schabhüttl.)

Ein weiteres Thema ist durch einen SPÖ-Gewerkschafter berühmt geworden: Pflaste­rer Günther. Dieses Beispiel mag sich schon gut zur Mobilisierung innerhalb der Ge­werkschaft eignen, dieses Beispiel mag auch Klassenkampftöne erzeugen und stär­ken, aber es widerspricht der Realität und es ist eine Beleidigung für Unternehmerin­nen und Unternehmer, auch für Pflasterer. (Bundesrat Schabhüttl: Das ist die Reali­tät! – Bundesrätin Dziedzic: Sie leben in anderen Realitäten!) Neue Zeiten brauchen neue Antworten. Was da gezeichnet wurde, ist nicht real. Jeder Arbeitgeber, der Pflas­terer beschäftigt, weiß, dass diese Arbeit nicht 12 Stunden lang auszuhalten ist. Diese Verantwortung hat jeder Arbeitgeber. Zeichnen Sie nicht ein Bild von Arbeitgebern, das es nicht mehr gibt! (Bundesrat Schabhüttl: Sie machen das Gesetz! Wird da zwischen einem Pflasterer und anderen unterschieden?)

Außerdem stehen diese Pflasterer nicht vor der Tür Schlange und warten, bis einer ab­gearbeitet ist und krankheitshalber wieder nach Hause gehen muss, und klopfen schon an, weil der Unternehmer darauf wartet. Die gibt es nicht! Viel zu wenige Arbeitnehmer haben wir in diesem Bereich. Daher: Zurück zu den Fakten, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Es besteht bei dieser Sache auch eine Scheinheiligkeit des Herrn Kern, wenn wir hier Maßnahmen, die im Plan A stehen, beschließen. (Bundesrat Weber: Sie müssen le­sen, was dort drinnen steht!) Der wird ja nicht mehr ernst genommen – das ist des Pu­dels Kern –, er wird mit dieser Heuchelei nicht mehr ernst genommen. (Bundesrätin Hahn: Sie müssen vollständig lesen, was da drinnen steht!)

Wir bleiben bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche, bei einer Tagesarbeits­zeit von im Schnitt 8 Stunden, Gleitzuschläge bleiben, Überstunde bleibt Überstunde, wird bezahlt, die Wahlfreiheit – Abgeltung in Geld oder Freizeit – ist gesichert, die Ar­beitnehmerInnenrechte und auch die Eigenverantwortung werden gestärkt – die Frau Bundesministerin hat es vorhin ausgeführt. Es mag sein, dass Ihnen das vielleicht da und dort nicht passt, weil die Abhängigkeit vom Betriebsrat geringer wird. Das ist aber nicht das Thema.

Das Thema ist, dass der Arbeitnehmer für das entschädigt werden muss, was er leis­tet. Dieses gute Miteinander hat unsere Frau Ministerin angesprochen, und dafür wol­len wir die Arbeitszeitflexibilisierung mit diesem Beschluss umsetzen. Wir werden das tun, und ich denke, dass wir auf der einen Seite für die Zukunft des Wirtschaftsstand­ortes Österreich, aber vor allem für ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen gleicher­maßen eine faire und gerechte Regelung schaffen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Schennach: Der ÖAAB ringt um die Glaubwürdigkeit!)

13.16


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. – Bitte.


13.16.48

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Meine Damen Minis­terinnen! Liebe Damen und Herren des Bundesrates! Bevor ich zu meinem Referat


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komme, das ich mir vorbereitet habe (Bundesrat Mayer: Wer hat es dir denn ge­schrieben?), ein Hinweis: Sehr geehrte Frau Wirtschaftsministerin, Sie haben von ei­nem Fachkräftemangel gesprochen. Den haben wir natürlich und wir wissen auch, dass beispielsweise insbesondere bei den Köchen im Tourismusbereich bereits schlechte Arbeitsbedingungen vorherrschen. Ich glaube, dass diese durch dieses Gesetz noch schlechter werden, und zwar deshalb, weil Sie die Ruhezeit für die Tourismusberufe – insbesondere auch bei den geteilten Diensten – von 11 auf 8 Stunden reduzieren. Das mag auch ein Grund dafür sein, warum es zu Mängeln in diesem Bereich kommt. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Hinweis zur Rede meines Kollegen Ofner, der heute auch sehr polarisie­rend und doch ein wenig polemisch war: Ich meine ganz einfach, lieber Kollege Ofner, dass sich bei deiner Argumentation die Katze in den Schwanz beißt. Auf der einen Sei­te attestierst du, dass die SPÖ eine Partei ist, die unfähig ist, die nichts versteht. Auf der anderen Seite repräsentierst gerade du eine Partei, die meines Erachtens für den größten Wirtschaftsskandal dieser Zweiten Republik in Österreich zuständig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, dass das Land Kärnten am Rande des Abgrunds gestanden ist, dass der Exekutor mehr oder weniger bereits vor der Tür gestanden ist und dass es eigentlich erst der Regierung Peter Kaiser und auch Finanzminister Schelling gelungen ist, diese Frage zu klären und damit auch diesen Finanzskandal zu bereinigen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Griss-Bericht lesen! – Ruf bei der ÖVP: Nicht ablenken!)

Ich verstehe deine Argumentation auch deshalb nicht, weil ja dein Parteiobmann – und das ist auch publiziert worden – gesagt hat, dass sich am gesetzlich festgelegten 8-Stun­den-Tag und der 40-Stunden-Woche nichts ändert, es schon gar nicht eine Kürzung der Ruhezeiten gibt und es selbstverständlich auch weiterhin Überstunden nach Kol­lektivvertrag gibt. Es ändert sich laut Strache nichts, und wenn, dann nur freiwillig. (Bun­desrat Samt: Das stimmt ja! Genau das passiert!) – Ich weiß nicht, was man sich hier eingekauft hat, aber in jedem Fall ist das nicht der einzige Umfaller, den die FPÖ hier vorgenommen hat. Das soll auch hier gesagt werden!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Reformen werden an sich durchgeführt, um Entwicklungen grundsätzlich zu verbessern, wenn es notwendig ist, Anpassungen durch­zusetzen und auch eine entsprechende und erforderliche Transparenz zu schaffen. Sie sind notwendig und waren auch in den letzten Jahren in der Innenpolitik unseres Lan­des dort spürbar, wo es einen Bedarf an Reformen gegeben hat. (Ruf bei der FPÖ: Welche?) Es geht also nicht so sehr um die Frage, ob reformiert werden soll, sondern es geht vielmehr darum, wie Reformen angegangen und umgesetzt werden. (Bundes­rat Rösch: Beispiele!)

Die von der Regierung jetzt angebotenen Vorschläge, die tägliche Arbeitszeit auf 12 Stun­den und ebenso die wöchentliche Arbeitszeit auf 60 Stunden zu erhöhen, belasten in Österreich Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Abgesehen von der fi­nanziellen Nichtabgeltung von sogenannten freiwilligen Überstunden sind auch sozial­politische und gesellschaftspolitische Auswirkungen zu bedenken. (Bundesrätin Mühl­werth: Ach Gott!)

Bei einer Verlängerung der Arbeitszeit steigt das Gesundheitsrisiko enorm, die Müdig­keit erhöht sich und damit steigt die Unfallgefahr sowohl im Arbeitsbereich als auch bei der Heimfahrt. Man bedenke auch, dass bei einer Arbeitszeit von12 Stunden und einer Anfahrt zum Arbeitsplatz von 1,5 Stunden bereits 15 Stunden des Tages verbraucht sind. Wie viel Zeit verbleibt dann noch für Familie und Kinder oder auch für einen selbst? – Da möchte ich Herrn Mag. Buchmann schon widersprechen, der gemeint hat, dass das soziale Engagement und die Zeit für die Familie steigen würden.


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Um die entsprechende Leistungsfähigkeit im Arbeitsprozess zu erhalten und zu ge­währleisten, ist eine Begrenzung der Arbeitszeit ein unbedingtes Muss, meine sehr ge­schätzten Kolleginnen und Kollegen! Das liegt sowohl im Interesse der Arbeitnehmer als auch im Interesse der Arbeitgeber. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Hammerl: Hören Sie doch auf mit dieser Polemik! – Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Man bedenke auch, und das wurde heute schon gesagt, dass der 12-Stunden-Tag vor allem zulasten der Frauen geht, vor allem zulasten der Frauen mit Kindern: Wer wird für diese Kinder sorgen? Wo gibt es entsprechende Kinderheimstätten, in denen die Kinder zum Beispiel 12 Stunden lang beherbergt und beaufsichtigt werden? – Das be­deutet eine ungemeine Mehrbelastung für arbeitende Frauen, die von der Regierung nicht als Problem erkannt oder anerkannt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat May­er: Was ist mit den Krankenschwestern?)

Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, sehen Sie: Nur jeder zweite Kindergarten in Österreich hat 9 Stunden lang geöffnet. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe, auf dem ein Diagramm mit der Überschrift „Nur jeder 2. Kindergarten in Österreich hat 9 Stunden offen“ zu sehen ist.) Wir haben es von Kollegin Schumann gehört, in Nieder­österreich, aber auch in Oberösterreich ist die Zahl dieser Kindergärten am geringsten, Wien und Kärnten sind hingegen relativ stark vertreten.

Man denke aber auch an den stets wichtiger werdenden Bereich der Pflege: Die Ver­einbarkeit von Pflege und Erwerbsarbeit wird praktisch verunmöglicht, wenngleich man weiß, dass gerade die Pflege ein Thema ist, das uns in Zukunft außerordentlich be­schäftigen wird. Das ist eine ungemein große Herausforderung, der wir uns werden stellen müssen.

Gestern hat ein Kollege – das hat mich verwundert – von einer Form der roten Klas­senkampfpolitik gesprochen. Ich möchte daher eine Ihnen eher nahestehende Insti­tution zitieren, nämlich die Österreichische Bischofskonferenz. Diese hat zum vorlie­genden Gesetzentwurf Folgendes zu sagen – ich zitiere –: „Die beabsichtigten Geset­zesänderungen verletzen völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich und sind verfassungsrechtlich bedenklich. Die Planung derart umfassender Gesetzesände­rungen ohne Begutachtungsverfahrungen ist demokratiepolitisch bedenklich und eine Geringschätzung des Familienlebens mit gravierenden Auswirkungen auf die gesell­schaftliche Ordnung.“

Weiters verletzt „die nicht abgestimmte Vorgehensweise bei den geplanten Gesetzes­änderungen den in Österreich üblichen gesellschaftlichen Konsens [...], gesamtgesell­schaftliche Anliegen und Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Wege sozial­partnerschaftlicher Gespräche auszuhandeln, bevor diese im Parlament beschlossen wer­den“.

Es stellt sich die Frage, warum der bisher in unserer Republik so erfolgreiche Weg des Dialogs, das dialogische Prinzip, das Gespräch zwischen den Sozialpartnern verlassen wurde: Geht es da einzig und allein um politisches Machtstreben? (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Geht es um die Vergabe von Steuergeschenken an Kapitalgesell­schaften und Besserverdiener? 100 Jahre, nachdem der 8-Stunden-Tag eingeführt – ja, ich möchte schon sagen, erkämpft! – wurde, soll nun der 12-Stunden-Tag unter dem Pseudonym der Arbeitszeitflexibilisierung eingeführt werden. Das ist im Grunde ein enormer sozialer Rückschritt für unsere gesamte Gesellschaft! (Bundesrat Samt: Es gibt keinen 12-Stunden-Tag!)

Ich bin auch Vertreter des PVÖ, der größten österreichischen Pensionistenorganisa­tion, und möchte daher auch als Sprecher für die ältere Generation noch ein paar Wor­te sagen, die sicherlich auch die hier anwesenden Vertreter von Seniorenbund und Se­niorenring interessieren werden. Solche Maßnahmen, wie sie mit dieser Gesetzesän-


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derung vorgeschlagen werden, führen insbesondere bei den älteren Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmern zu enormen Belastungen, zu Verunsicherungen und vor al­lem – und das ist bewiesen – zu Gesundheitsrisiken.

Obwohl die Arbeitslosigkeit insbesondere bei den über 50-Jährigen trotz Hochkonjunk­tur groß ist, wurde die Aktion 20 000 über Nacht eingestellt – eine unverständliche Maß­nahme, bedenkt man doch, dass einigen Familien geholfen werden konnte und Men­schen damit wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden konnten. (Bundesrat Samt: Das haben wir schon vor längerer Zeit gehört!) Wenn es der Bundesregierung ein Anliegen wäre, dass die Menschen bis zum Regelpensionsalter im Arbeitsleben bleiben, dann soll sie Maßnahmen setzen, um diese Gruppe von Menschen zu unter­stützen, und sie sollte auch auf die Erhaltung der Gesundheit dieser Menschen Be­dacht nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor den Folgen einer zu erwartenden Überbelastung muss gewarnt werden: Übermü­dung, verminderte Schlafqualität, hohes Arbeitsunfallrisiko, Herz- und Kreislaufbeschwer­den beziehungsweise -erkrankungen, vermehrt Rückenschmerzen, höheres Burn-out-Risiko und vieles mehr. (Bundesrat Samt: Es kommt kein 12-Stunden-Tag, Herr Kolle­ge! – Bundesrat Längle: Glauben Sie den Blödsinn überhaupt, den Sie da erzählen?) Das sind nicht nur meine Bedenken, das sind die Bedenken namhafter und anerkann­ter Arbeitsmediziner in dieser Causa. Wenn solche Erscheinungen auftreten, wird ge­nau das Gegenteil dessen erreicht, was wir uns eigentlich alle wünschen, nämlich ge­sunde Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bis zum Regelpensionsalter arbeiten können. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Längle: 18 Jahre schon in Pension! Sind Sie mit 40 Jahren in Pension gegangen?)

Der Pensionistenverband hat sich dazu ganz klar geäußert: „Nach der Präsentation der Eckpfeiler der Änderungen in der Krankenversicherung [...] ist klar, dass die Patienten die Zeche für die allein ideologisch angelegte ‚Reform‘ durch voraussichtliche Leis­tungseinschränkungen und Selbstbehalte bezahlen werden müssen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Hammerl.)

Weiters: „In gesundheitspolitischer Hinsicht sind jedenfalls keine Vorteile für die Versi­cherten erkennbar“ – und eines steht auch fest, nämlich dass die Pensionistinnen und Pensionisten, die mehr als ein Drittel der Beiträge einbezahlen, aufpassen müssen, dass sie auch in die Organisationsstruktur dieser neuen sogenannten Österreichischen Gesundheitskasse miteinbezogen werden. Wer bezahlt, meine Damen und Herren, der muss natürlich auch die Möglichkeit der Mitsprache haben! (Bundesrat Mayer: Arbeits­zeitgesetz!)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Herr Kollege, bitte zum Schluss kommen!


Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (fortsetzend): Ich komme zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Mit der Sozialversicherung gab es keinerlei Gespräche, der AUVA wurde ausgerichtet, sie habe 500 Millionen Euro einzusparen, den Arbeitnehmern knallt man den 12-Stun­den-Tag vor die Nase, und es gibt keine Verhandlungen mit der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft oder den anderen Sozialpartnern. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Pi­sec: Es hört eh keiner mehr zu! – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, bla, bla!)

Das ist für mich ein sozialer Kniefall der Regierung vor den Spendengeldern der Indus­trie. Es ist der Wunsch nach noch mehr Profit für ohnehin schon Wohlhabende. Es ist dies für mich eine Rückkehr in die soziale Eiszeit des 19. Jahrhunderts. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Mühlwerth: Im 19. Jahrhundert ist die Ge­werkschaft!) Ein solches Vorgehen, meine Damen und Herren, gefährdet den sozialen Frieden in Österreich. Die Regierung wäre gut beraten, wenn sie den Weg ihres Drü-


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berfahrens und Negierens, ihres Vermeidens von Gesprächen und Verhandlungen ver­lässt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es muss wieder die Erkenntnis vorherrschen, meine Damen und Herren, dass der Mensch zählt und nicht der Profit. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.29


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bun­desrat Reinhard Todt zu Wort gemeldet. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Todt –: Von der eigenen Partei?)


13.30.02

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Den Kollegen aus der eigenen Fraktion brau­che ich nicht zu berichtigen, aber Kollegen Bader hätte ich ganz gerne berichtigt, und zwar die Behauptung, dass wir nicht zugestimmt hätten und die SPÖ sich verweigert hätte. 2003 ging es um das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz: Das ist ordentlich verhandelt worden, und die SPÖ hat da auch zugestimmt. Damals war auch so eine Regierung am Werk, wie es heute der Fall ist – aber diesmal ist im Gegensatz zu 2003 nicht verhandelt worden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mayer: Ich werde es ihm aus­richten!)

13.30


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. – Bitte.


13.31.02

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Werte Frau­en Ministerinnen! Werte Zuseher vor den Fernsehgeräten! Meinen Vorredner möchte ich zu Beginn meiner Rede gerne etwas fragen: Es gibt ja eine Biografie – stimmt es, dass Sie nur 16 Arbeitsjahre hatten und mit 49 Jahren in Pension gegangen sind? (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Das kann ja auch falsch aufgenommen worden sein, aber wenn das Tatsache ist, frage ich mich (Bundesrat Weber: Was hat das mit der Sache zu tun?) – wir haben das nur kurz gegoogelt –, es wäre natürlich interessant, zu wissen, von welchem Arbeitsstress wir da reden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe schon immer wieder das Gefühl, dass ihr da ein bisschen aus der Wiege ge­worfen wurdet und jetzt das Drehbuch für die Opposition sucht – und dabei einfach un­ter politischer Demenz leidet. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Das muss man schon so sagen. Ihr hättet ja sogar einen Grund – ich will euch ja jetzt nicht schelten –, stolz zu sein. (Bundesrätin Grimling: Geh hör auf!) – Ja, denn es ist ja nicht so, dass diese Flexibilisierung von heute auf morgen gekommen ist: Dieser Flexibilisierung ist ja vorangegangen, dass die Wirtschaft erkannt hat, da tut sich etwas. Die Digitalisierung ist ja nicht seit gestern oder seit einer Legislaturperiode da, sondern sie findet schon seit dem Jahr 2000 und davor statt. (Präsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vor­sitz.)

Da hat man einfach gesehen, dass man hinsichtlich Arbeitszeit und Verteilung der Ar­beitszeit etwas tun muss. Wir haben gesehen, dass mit der Digitalisierung in Wirk­lichkeit ja auch die Arbeitszeit kürzer wird, der Umfang der zu vergebenden Arbeit we­niger wird. Man hat sich gefragt, wie man damit umgeht. Nur eine Verkürzung, sodass die einen Arbeit und die anderen keine Arbeit haben, dass diejenigen, die es nicht kön­nen, dann in anderen Betrieben arbeiten – da hat man damals richtigerweise gesagt, so macht man es nicht.

Ich habe ein bisschen gegoogelt und recherchiert, Gott sei Dank geht das ja heute dank der Digitalisierung viel leichter als im Jahr 2000 und danach. Damals hat sich der ÖGB-Chef und spätere Sozialminister Rudolf Hundstorfer mit dem 12-Stunden-Tag, mit


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der Arbeitszeitflexibilisierung, dem 10-Stunden-Tag als Normalarbeitszeit und so weiter ganz konkret auseinandergesetzt. 2007 hieß es ganz stolz: „Kompromiss nach sieben Jahren“, „Modell 12/60“.

„Sozialpartner einigen sich auf Arbeitszeitpaket“, das schrieb die WKO am 3.5.2007 – also nicht, dass wir da immer so überrascht tun; „Modell 12/60“. Die Sozialpartner ei­nigten sich. Da hat der ÖGB-Chef und spätere Sozialminister Hundstorfer gesagt, das sei „eine win-win-Situation“. Er hat dabei verteidigt, dass es 10 Stunden Normalarbeits­zeit gibt und dabei die Überstundenzuschläge für die 8. oder die 9. Stunde – je nach­dem, was man gehabt hat – wegfallen, außer die Überstunden wurden ausdrücklich angeordnet; aber für die Gleitzeit waren diese Zuschläge weg. Anders ist es jetzt, weil an und für sich nur bereinigt wird. Dieser 12-Stunden-Tag ist ja nur entbürokratisiert worden – aber es ist ja nicht so, dass irgendwo irgendjemandem etwas weggenommen wird.

Ich frage euch deswegen: Warum macht ihr so einen Theaterdonner, warum seid ihr nicht stolz auf das, was ihr 2007 mitgetragen habt? Es geht dann so weiter. (Bundesrat Schabhüttl: Bist du wirklich ein Arbeitnehmervertreter?) – Ich lese euch ja nur das vor, was Hundstorfer gesagt hat, worauf er stolz war, was in die Medien gekommen ist; das, was die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft gesagt haben. Das sind nicht mei­ne Aussagen. Ich gebe nur wieder, was da steht, und ich wundere mich dabei, warum dieser Theaterdonner kommt.

„Wachstum und Vollbeschäftigung“ heißt ein Papier der Sozialpartner – deswegen hat man das gemacht. Das ist nicht von mir gekommen, sondern von Arbeiterkammer und Gewerkschaft. Wenn ein Kollege der SPÖ damit ein Problem hat, soll er bei der Arbei­terkammer oder der Gewerkschaft anrufen (Bundesrat Schabhüttl: Bei dir!) und fra­gen, warum sie das geschrieben haben – aber nicht bei mir, ich gebe das nur wieder. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Am 19.8.2013, so ein Prozess braucht ja ein bisschen, heißt es: „Hundstorfer zu
12-Stunden-Tag: Kein Aushebeln der Kollektivverträge“. (Bundesrat Schabhüttl: Das ist verhandelt worden!) Da ist es um Nachverhandlungen gegangen, weil man ja dann sieht, was geht, was nicht geht, wo es Spitzen gibt und wo es Probleme gibt, und da hat man dann gesagt: „Kein Aushebeln der Kollektivverträge“. Wie wir sehen können, ist auch bei der vorliegenden Änderung ein Aushebeln der Kollektivverträge ausge­schlossen. Jeder, der etwas anderes sagt, tätigt wissentlich eine Falschaussage. (Zwi­schenrufe der Bundesräte Koller und Schabhüttl.)

Dann kommen wir zur „Presse“ vom 1.4.2014: „Flexible Arbeitszeiten: Lockerung für 12-Stunden-Tag“, „Mit Zuschlägen für Überstunden“. – Diese Regelung hat man dann 2014 vorgeschlagen, sie ist so, wie wir sie jetzt kennen und auch haben werden. Das kommt alles von den Sozialpartnern, war also mit Hundstorfer und so weiter akkordiert. (Bundesrat Schabhüttl: Ausverhandelt!)

Am 2.4.2014 schreibt der „Kurier“: „12-Stunden-Tag wird kommen“. Ihr kennt ihn: Es ist wiederum der ehemalige ÖGB-Chef und Sozialminister Hundstorfer. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Am 3.4.2014 – nur damit ihr wieder Gedanken für das Drehbuch bekommt – heißt es: „Genereller 12-Stunden-Tag kommt nicht, Mitbestimmung bei Gleitzeit bleibt“. (Zwischen­ruf des Bundesrates Koller.) Da es Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen gibt, die nicht aufgehoben werden, wird es – und das ist auch in meinem Betrieb so – den 10-Stunden-Tag geben. Wenn einmal irgendwo Not am Mann sein sollte, weil die IT ein Problem hat, ein Feuer- oder Wasserschaden auftritt oder sonst irgendetwas, dann wird man das natürlich genau so machen, wie man es privat auch machen würde – aber das bleibt. (Ruf bei der SPÖ: Natürlich – mit Betriebsvereinbarung, das ist der Un­terschied!)


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Ihr dürft ja auch eines nicht vergessen: Ihr glaubt immer, dass die SPÖ mit dem ÖGB so stark ist – dabei sind da nur 16 Prozent der Betriebe organisiert. 16, nicht 60! Was machen denn die anderen? Es braucht eine Nachschärfung, aber mit allem Schutz für die Arbeitnehmer. Jetzt ist diese gemacht worden, und das Einzige, warum man dage­gen sein kann, ist, weil ihr ganz einfach zu lange gebraucht habt. Geschlafen habt ihr! Jetzt hat die Regierung gesagt: Wir übernehmen das, wir gehen dieses Thema an, bei dem ihr noch überlegt! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Koller.)

Man kann ja ruhig stolz sein – warum seid ihr es nicht? Warum kommt ihr nicht ans Rednerpult und sagt: Ja, in unserem Plan A haben wir das! In diesem Plan A – ihr kennt das, aber ich finde das gar nicht schlecht – steht Folgendes: „Flexible Arbeitszei­ten sind von allen Seiten gewünscht und willkommen, von ArbeitgeberInnen- ebenso wie von ArbeitnehmerInnenseite.“ (Oh-Rufe bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Ausver­handelt!) – Ich lese nur vor, was im Plan A steht: „Schaffen wir Möglichkeiten zu echter Flexibilisierung, die beiden Seiten offensteht – von der Verkürzung über die Verlage­rung bis hin zur Verlängerung der Arbeitszeit. Und das immer nach Wahl und Wunsch.“ (Ruf bei der FPÖ: Höret, höret! – Ruf bei der SPÖ: Ausverhandelt!) Jetzt haben wir das geschaffen, jetzt seid ihr nicht - - (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätIn­nen von SPÖ und FPÖ.)

Wir sind nicht so eitel, glaube ich, ihr könnt sagen: Das ist ein Plagiat, ihr habt das von uns abgeschrieben, gebt es zu! Da sage ich: Mag sein! (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Dann muss man aber plötzlich die andere Seite von Jekyll und Hyde ein­nehmen, sich auf die andere Seite stellen und sagen: Klassenkampf, Klassenkampf! – Wir brauchen keinen Klassenkampf! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Bevölkerung braucht ebenfalls keinen Klassenkampf. Die Menschen wollen für sich und ihre Kinder sicher­gestellt wissen, dass die Verteilung funktioniert, dass das, was hinsichtlich Wirtschaft auf uns zukommt, ordentlich verteilt wird. Die Menschen wollen, dass jeder leben kann, dass sich jeder wiederfindet.

Ihr von der SPÖ seid nicht so weit weg, ich verstehe euch nur nicht! (Bundesrätin Grim­ling: Wir verstehen es auch nicht!) Wir ziehen am gleichen Strang, aber ihr stellt euch ans Rednerpult und redet von etwas komplett anderem. Da müssen dann die Pflaster­steine kommen, da muss das Niveau runtergehen – aber hallo! (Bundesrätin Grimling: Die Pflastersteine gehen uns nichts an!)

Ich sage euch etwas: Frau Graumann, die Geschäftsführerin des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser, hat auf Facebook gepostet: „Die jungen formulieren poin­tiert“. (Bundesrätin Grimling: Dann das der Frau Graumann zu geben und nicht uns! Wer ist die Frau Graumann?) – Na ja, das Kuratorium - - (Bundesrätin Grimling: Sitzt sie im Bundesrat?) – Im Bundesrat sitzt sie nicht, aber man darf ruhig sagen, die SPÖ an sich – und sie gehört zur SPÖ. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wenn man da ein Transparent mit der Aufschrift „Gehts 12 Stunden scheißen!“ – Ent­schuldigung, dass ich das Wort sage, aber das ist ein Zitat – mit der Aussage kommen­tiert: „Die jungen formulieren pointiert“, dann weiß ich nicht. Ihr könnt das alle googeln, das ist ein großes Transparent, das vom VSStÖ gestaltet wurde (Bundesrat Schuster hält ein Foto des besagten Transparents in die Höhe), zu dem Frau Graumann ge­schrieben hat: „Die jungen formulieren pointiert“.

Ich sage euch nur: Wenn die SPÖ so anfängt – und man kann die SPÖ nur als Ge­samtheit sehen, denn der Einzelne ist nicht die SPÖ, da sind natürlich die anderen auch mit in das Boot zu nehmen – und das Niveau so weit hinuntergeht, nur weil ihr anscheinend irritiert seid, weil ihr in der Opposition seid, weil da irgendetwas jetzt nicht passiert ist, kann ich euch auch nicht helfen.

Ich kann nur sagen: Wie es in diesem Jahrhundert angefangen hat, wie wir uns um die Arbeitszeit gekümmert haben, wie wir die Aufteilung gemacht haben, wie das mit den


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Löhnen geschehen ist, das ist an und für sich nicht so schlecht, ihr braucht euch dafür nicht zu schämen. Wir machen da weiter, und das ist auch unsere Pflicht.

Den Grünen – von Frau Dziedzic höre ich nur ein Ts – sei zum Schluss noch eines ge­sagt: Mir ist ein Zitat von Arthur Schnitzler eingefallen (Oh-Rufe bei der SPÖ), das passt so gut zu diesen Pflastersteinen: „Wenn der Haß feige wird, geht er maskiert und nennt sich Gerechtigkeit.“ – Wie recht hat er gehabt! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.43


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Eva Prischl. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth: Also ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen!)


13.43.29

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie­be Inge! Werte Ministerinnen! Die Stimmung hier ist so aufgeheizt. Ich bin relativ neu hier, und ich muss ehrlich sagen, es ist bei diesen Emotionen sehr schwer für mich, hier am Rednerpult zu stehen und meinen Text vorzutragen. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann setz dich wieder hin!) – Nein wirklich, es ist so! (Ruf bei der FPÖ: Pickerl herun­tergeben, dann geht es vielleicht leichter!)

Also noch einmal: Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, bitte habt Nach­sicht! Leben ist nicht nur Arbeit; es kommt mir aber fast so vor. Viele Menschen in un­serem Land haben Angst, haben wirklich Angst – und ich habe mit vielen Leuten ge­sprochen –, Angst vor der Zukunft, Angst um den Arbeitsplatz, und sind verunsichert, wie sie ihre Gesundheit erhalten und ein Familienleben führen sollen. Das ist jetzt kei­ne Märchenstunde, das ist tatsächlich so. 12 Stunden Arbeit am Tag und 60 Stunden Arbeit in der Woche – da bleibt keine Zeit für Familie, keine Zeit für die Pflege der ei­genen Gesundheit (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz) und keine Zeit für Freizeit­aktivitäten. Das ist eine Schande für Österreich, es ist so! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch hält ein Schriftstück mit dem Titel „Plan A“ in die Höhe.)

Ich erinnere mich, als Bundesrätin ein Gelöbnis abgelegt zu haben (Bundesrat Schus­ter: Wir alle haben das!) – wir alle haben das getan –, und zwar haben wir beziehungs­weise habe ich unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beobachtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten gelobt. Wenn ich beobachte, was hier geschieht, dann kann ich nur Nein sagen, das ist meine Pflicht; und ich sage hier Nein und nochmals Nein zu diesem neuen Arbeitszeitgesetz! So geht das nicht, nein, absolut nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich vertrete hier die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den Bezirken St. Pölten und Lilienfeld, und in dieser Funktion bin ich definitiv verpflichtet, zu sagen: Nein, das kann nicht sein! Das ist jetzt meine Meinung, die lassen Sie bitte gelten. (Ruf bei der FPÖ: Ihre Partei verpflichtet Sie dazu!) Mit diesen Bedenken bin ich nicht allein, son­dern meine sozialdemokratische Fraktion steht dahinter und ebenso viele Organisa­tionen: der Katholische Familienverband, verschiedene Frauenorganisationen, Vertre­ter der Feuerwehren und auch, wie mein Kollege Dr. Leitner schon gesagt hat, die Ös­terreichische Bischofskonferenz. (Bundesrat Schuster: Kreisky würde sich im Grab um­drehen!)

Der Bischof, glaube ich, meint das sehr wohl ehrlich und aufrichtig. Ich war bei der Amtseinführung des Bischofs von St. Pölten zugegen, er hat ebenfalls ähnliche Worte in den Mund genommen, wie auch der Superintendent, der gesagt hat: Bitte passt auf, die beabsichtigten Gesetzesänderungen bedürfen auf alle Fälle eines Begutachtungs­verfahrens und sind demokratiepolitisch bedenklich, das ist eine Geringschätzung des Familienlebens. (Bundesrat Rösch: Jetzt habt ihr zehn Jahre mitgearbeitet – wie lang braucht man noch?) Diesen Aussagen kann ich mich voll und ganz anschließen; es ist


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nämlich relativ leicht, vom Schreibtisch aus solche Ideen zu entwerfen. (Bundesrätin Schulz: Wir sind Unternehmer! – Bundesrätin Grimling: Außer Unternehmer gibt es nichts mehr!) Auf der Baustelle, in der Fabrik, am Fließband schaut das anders aus.

Sagen wir Nein zu den beabsichtigten Gesetzesänderungen, möge die Vernunft sie­gen, zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Kinder! Wir wol­len nicht, dass die Väter nach 12 Stunden Arbeit ihre Kinder nicht mehr sehen. Da ist man nämlich erschöpft und ausgelaugt und vor allem macht man Fehler. (Bundesrat Längle: Sie tun ja so, als würde man jeden Tag 12 Stunden arbeiten!) Wenn man zweimal nacheinander 12 Stunden arbeitet, sollte man sich mindestens drei Tage aus­ruhen, das ist arbeitsmedizinisch erwiesen, das können Sie googeln. So lange Arbeits­zeiten können zu Arbeitsunfällen führen, und wir wollen keine ausgelaugten Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer.

Bitte besinnen Sie sich noch einmal und verhandeln Sie das Gesetz mit den Sozial­partnern, denn das Leben ist nicht nur Arbeit! Bitte denken Sie auch an Ihr Gelöbnis! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

13.47


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Bitte.


13.47.38

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der letzte Redner vor der Ministerin zu diesem – wenn man die Diskussion verfolgt hat – teilweise schon amüsanten Thema. Ich möchte mich be­mühen, meine Aussagen abschließend auf den Punkt zu bringen, damit die Nerven nicht allzu sehr strapaziert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Was mir im Zusammenhang mit der Diskussion über die Arbeitszeitflexibilisierung auf­fällt: Ich glaube, wir hätten uns die Diskussion sparen können, wenn wir den Plan A – Kollege Rösch, du hast es angesprochen – umgesetzt hätten, den Genosse Kern fest­geschrieben hat; dann wären wir schon lange fertig. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber der Kern hat sich ja nichts getraut!)

Damit bin ich schon beim Sozialisten Kern: Vor einigen Wochen sind Mitarbeiter der ÖBB auf die Straße gegangen, um gegen die neuen Arbeitszeitregelungen zu demons­trieren. Ich habe geglaubt, ich traue meinen Augen nicht. Bei den ÖBB, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, gibt es schon lange Arbeitszeiten von 12 Stun­den – dass da gerade die Gewerkschaft Vida mobilisiert, ist mir ein komplettes Rätsel! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Novak und Grimling.) Die Gewerkschaft Vida hat 2013 einen Kollektivvertrag ausverhandelt (Bundesrätin Grimling: Ausverhandelt!), nach dem man im Fahrdienst 12 Stunden arbeiten – und jetzt kommt es, Kollegen! – muss; nicht kann, sondern muss! Durch eine Betriebsvereinbarung kann das auf 15 Stunden ausgedehnt werden. (Bundesrat Lindner: Mit dem Betriebsrat!) – Also das ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass so etwas in staatsnahen Unternehmen er­laubt wird, und bei den KMUs darf man es nicht. Schauen Sie sich den Kollektivvertrag an! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Wisst ihr, wer das im Jahr 2013 unterschrieben hat? – Der ehemalige Bundeskanzler Kern mit einem, wie ich sagen würde, neoliberalen Gedankengut – aber das nur am Rande. (Zwischenruf des Bundesrates Lindinger.) Ich möchte damit sagen: Was hier im Zusammenhang mit dieser Arbeitszeitflexibilisierung von der Opposition, der Arbei­terkammer und dem ÖGB an Unwahrheiten verbreitet wird, ist an Polemik nicht zu über­bieten.


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Ich stehe hier als Unternehmer, ich weiß, wovon ich rede. (Heiterkeit und Rufe bei der SPÖ: Ja, genau!) Ich habe in meinen Gastronomiebetrieben, liebe Opposition, über hun­dert Mitarbeiter. Glaubt wirklich jemand, dass die Unternehmer in Österreich drauf und dran sind, vor lauter Gier die Mitarbeiter auszubeuten? Ich rede jetzt im Klassenjargon, den ich immer wieder von dieser Seite (in Richtung SPÖ) höre. Ja, glaubt das wirklich jemand? Kollege Novak, du hast in der Ausschusssitzung gesagt, sie müssen 17 Stun­den arbeiten. – Ehrlich gesagt, mir sind fast die Tränen gekommen. Ich schätze dich als Person, du bist mir sympathisch, aber das geht komplett an der Realität vorbei. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Wenn ich jemanden 17 Stunden arbeiten las­sen würde, würde ich in Zeiten wie diesen keine Mitarbeiter mehr finden. Das ist doch lächerlich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich muss mich mit meinen Mitarbeitern konsensual arrangieren. Ich sage euch eines: Wenn man glaubt, dass man für Überstunden und Sondereinsätze zusätzlich Personal einstellen muss, zeugt das schon von einer gewissen Ahnungslosigkeit. Um es abzu­runden, nenne ich euch jetzt ein paar Beispiele, wie es in der Gastronomie, im Touris­mus wirklich ist; ich halte mich ganz kurz:

Josef Reingruber sagt: Durch die Möglichkeit eines fallweisen 12-Stunden-Tags be­komme ich einen dritten Tag frei und erspare mir eine zusätzliche An- und Abfahrt. – Zitatende.

Verena Panhuber, eine Restaurantfachfrau – ich komme aus der Branche, darum ver­stehe ich das so gut –, meint: Ein Dienstwechsel bei Hochzeitsfeiern mitten in der Nacht macht für mich keinen Sinn, da mache ich lieber den nächsten Tag frei. Zudem möchte ich bei einer Hochzeit vom Beginn bis zum Ende Ansprechpartner sein. – Zitat­ende.

Ein kleines Beispiel noch aus der Gastronomie: Ist die tägliche Höchstarbeitszeit über­schritten – etwa bei Hochzeits- oder Weihnachtsfeiern, auch in meinen Betrieben kommt so etwas vor –, dann muss um 22 Uhr am Abend für vielleicht 2, 3 Stunden ein voll­ständig neues Team kommen. Das will weder der Kunde noch der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer. In meine Betriebe kommen in der Weihnachtszeit – bei mir finden circa 500 Weihnachtsfeiern statt – auch die Gewerkschafter – ich bedanke mich da­für – und Gäste aus allen Gruppierungen, was ich sehr schätze, aber da hat noch kei­ner gesagt: Bitte schickt die Leute heim!, weil es schon 22 oder 23 Uhr ist. – Das ist doch lachhaft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich sage das nur deswegen, weil das in staatsnahen Betrieben, in den Krankenhäu­sern, bei Pflegern, Ärzten und auch bei der Polizei möglich ist. Erst vorgestern waren Polizisten bei mir zu Gast, und die haben gesagt: Robert, das musst du ihnen im Bun­desrat sagen: Bei uns gibt es 24-Stunden-Dienste! (Rufe bei der SPÖ: Jaja!) Meine Kollegen von der Opposition, reden Sie einmal mit der Polizei! Ich lüge hier nicht, ich spreche die Wahrheit. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie wollen Wahrheiten nicht hören. Das ist die wirtschaftliche Realität. Sie wollen nicht wahrhaben, dass auch die Klein- und Mittelbetriebe einen rechtskonformen Zustand haben wollen. Was ist da so verbrecherisch? Das muss mir einmal jemand erklären, noch dazu, wo wir gehört haben, dass wir hier in Wahrheit um des Kaisers Bart strei­ten. Es bleibt alles, wie es ist. (Rufe bei der SPÖ: Jaja! Dann brauchen wir es ja eh nicht!)

Die Frau Minister hat es gesagt: 8-Stunden-Tag, 40-Stunden-Woche, sogar eine Frei­willigkeit haben wir drinnen, das ist jetzt nachgeschärft worden (Bundesrat Koller: Wo­durch nachgeschärft?); nicht wie bei den ÖBB, wo man muss. Wir haben eine Freiwil­ligkeit. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden gestärkt, und Kollektivver­träge und Betriebsvereinbarungen bleiben. Also was soll das? Sie regen sich hier über etwas auf, was in der Realität nicht da ist.


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Eines möchte ich noch sagen, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Bruno Kreisky hat uns damals die skandinavischen Länder als Paradebeispiele präsen­tiert. Ihr wisst genau: 13 bis 16 Stunden wird dort gearbeitet. Wisst ihr, wie es dort ist? – Ich habe bis jetzt noch nicht gehört, dass es dort überbordende Krankenstände gibt. Ich habe noch nicht gehört, dass es soziale Unruhen gibt oder dass das Leben zusammenbricht. Ich habe das noch nicht gehört. (Bundesrat Stögmüller: Noch nicht gehört!)

Liebe Freunde von der Opposition, ich möchte zum Schluss ein bisschen Dampf aus der Diskussion rauslassen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Es ist ja nichts Schlechtes, wenn man eine andere Meinung hat. Die Gewerkschaften, liebe Kollegin­nen und Kollegen, haben ein sehr großes Verdienst in unserer Gesellschaft, und es ist auch wichtig, dass es Gewerkschaftsvertreter gibt, die sich um die Anliegen der Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter kümmern; das ist unumstritten. (Bundesrat Weber: Aber mitreden dürfen sie nicht!) Ich ersuche aber, eines nicht zu übersehen: Das Zeitalter der Industriellen Revolution ist vorbei. Da gab es eine Berechtigung, dass die Leute auf die Straße gehen (Bundesrat Weber: Aber jetzt nicht mehr?), aber nicht in einer Zeit, in der die Lebensrealitäten anders sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Ich bit­te, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin auch Sozialpartner. Ich würde sogar sagen, ich reiche euch die Hand, dass wir den Standort Österreich miteinander entwickeln, und zwar nicht mit Rezepten von gestern.

Am Abschluss meiner kurzen Rede komme ich dahin, wo ich angefangen habe: Die Vida hat uns einen Brief geschrieben. Wisst ihr, was da drinnen steht? (Ruf bei der SPÖ: Verrate es uns!) Es steht das Recht auf Selbstbestimmung drinnen. Das fordere ich auch ein, nicht nur für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ich fordere es auch für die Klein- und Mittelbetriebe ein, die keinen Betriebsrat haben, die auch Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr 80 Prozent der Arbeitsplätze schaffen. Dieser Gruppe sollte man auch einmal entgegenkommen, das steht nämlich auch in dem Brief drinnen.

Meine Verantwortung als Bundesrat und Unternehmer verstehe ich so, dass ich mich um meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmere und nicht Polemik mache, nicht mit Unwahrheiten agiere. Wir sollten das in einem gegenseitigen Werteverständnis – vielleicht können wir uns darauf einigen – gemeinsam weiterentwickeln.

Ich bedanke mich bei der Frau Minister, bei beiden Damen hier auf der Regierungs­bank. Ich bedanke mich bei unserem Regierungspartner, der uns vorbildlich unter­stützt. Ich hoffe, dass da auch aufseiten der Gewerkschaft noch ein bissl Hausverstand und Vernunft einkehren. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.57


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich der Frau Minister das Wort erteile, darf ich recht herzlich Herrn Vizekanzler Heinz-Christian Strache bei uns begrüßen. Willkom­men im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Mag. Hartinger-Klein. – Bitte.


13.58.21

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsident! Meine werten Bundesräte! Wo sind eure Taferln, habt ihr die schon umgeschrieben? (BundesrätInnen der SPÖ halten Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 und 60 in die Höhe.) Sind es jetzt nur mehr 48? (Bundesrat Beer: Was soll das jetzt?)  Na, 48! Ich habe im Nationalrat auch schon gesagt, ihr sollt die umschreiben!

Viele Menschen wollen arbeiten, viele wollen sich etwas aufbauen, junge Menschen, vor allem jene, die am Beginn ihrer Karriere stehen und Familien gründen. Wir alle wis-


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sen es: Viele arbeiten bereits jetzt 12 Stunden täglich. Viele stempeln aus und arbeiten dann noch 2 Stunden weiter. Wir sorgen dafür, dass diese Dienstnehmer – und das hat die Frau Präsidentin auch schon gesagt – einen Rechtsanspruch auf Vergütung für die­se geleisteten Stunden erhalten, sodass sie das auch durchsetzen können.

Unser Arbeitsrecht ermöglicht zwar hinsichtlich Normalarbeitszeit, also der regelmäßi­gen Arbeitszeit ohne Überstunden, durchaus flexible Arbeitsmodelle, bei der Höchstar­beitszeit fehlen jedoch diese Möglichkeiten. Ich halte die Möglichkeit einer Höchstar­beitszeit von 12 Stunden täglich beziehungsweise 60 Stunden wöchentlich für wichtig, um rasch und unbürokratisch mögliche Arbeitsspitzen abdecken zu können. Die Inter­essen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden dadurch nicht verletzt, im Ge­genteil: Es liegt im Interesse der Mitarbeiter, bei entsprechender Auftragslage die Ar­beitszeit auszudehnen und dafür auch mehr Freizeit genießen zu können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Rösch stellt eine Tafel mit der Aufschrift „12 Stunden am Tag“ vor sich auf das Pult.)

Das Wesentliche an dieser Novelle ist ja, dass eine längere Arbeitszeit zeitnah durch Freizeitblöcke ausgeglichen werden kann, meine Damen und Herren, und so die Erho­lung der Beschäftigten gewährleistet ist und die Gesundheitsgefährdung der Arbeitneh­mer und Arbeitnehmerinnen nicht steigt. Man kann es nicht oft genug sagen: Die durchschnittliche Arbeitszeit in Österreich ändert sich nicht. Es wird stattdessen eine höhere Flexibilität ermöglicht, um die gleichbleibende Arbeitszeit einfacher zu verteilen. Die Anzahl der jährlich zulässigen Arbeitsstunden bleibt gleich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Im Abänderungsantrag wurde die Freiwilligkeitsgarantie wirklich noch einmal für alle explizit festgehalten. Damit wird für alle klargestellt, dass Arbeitnehmer nicht gegen ih­ren Willen zu mehr als 10 Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche herangezogen werden können. (Ruf bei der SPÖ: Schöne Träume! – Bundesrat Schennach: ... süß!) Die bittere Lektion für die Bundes-SPÖ ist in Wahrheit die, dass es für die Wahrung des Interessenausgleichs zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern keine SPÖ in der Regierung braucht. Das ist das Problem, das ihr habt! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt gegen die SPÖ-Angstgeschichten ist das Kostenargument. Für die 10. bis 12. Stunde haben wir bekanntlich die Überstundenzuschläge zweifelsfrei fest­geschrieben, egal ob in Geld oder in Freizeit. Ein betriebswirtschaftlich ausgerichteter Unternehmer denkt im Gegensatz zum ÖGB bei einer 60-Stunden-Woche sofort an die Personalkosten; die wirken sich als betriebswirtschaftliche Bremse aus, denn jeder weiß, dass eine 60-Stunden-Woche sehr teuer ist. Kein Unternehmer wird das also aus Jux und Tollerei machen, sondern er wird es gezielt einsetzen, wenn es notwendig ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, das zeigt mir aber wieder, dass die roten Planwirtschafter den freien Markt bis heute nicht verstanden haben – sorry. (Heiterkeit, Beifall und Bra­vorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Unglaublich!)

Ein Satz zu den bestehenden Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen: Durch die Novelle werden sie nicht aufgehoben, sie bleiben aufrecht und enden nach Zeitab­lauf. Und zur Zahl der Betriebsräte – Kollege Rösch hat das schon kurz angeschnit­ten –: Insgesamt haben nur 14 bis 20 Prozent aller Betriebe einen Betriebsrat. (Bun­desrat Todt: Dann brauchen Sie ja nicht mehr reden! Weiterer Ruf bei der SPÖ: Sei­en Sie vorsichtig mit Ihrer Polemik von der Regierungsbank! – Zwischenruf der Bun­desrätin Grimling.) Nur 14 bis 20 Prozent! Das heißt, die Hälfte der unselbständig Be­schäftigten wird von Betriebsräten vertreten, die andere Hälfte nicht, und diese andere Hälfte schützt jetzt diese Regierung. Das haben Sie vergessen, da hätten Sie längst etwas tun können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Gesetzlich kommt es für kleine Betriebe und für Großbetriebe also nicht nur auf die Anzahl der Führungsebenen an, auch das ist ein wichtiges Thema, sondern auf den je­weiligen Dienstnehmer und seine individuelle Freiheit bei seiner persönlichen Freizeit­gestaltung. Ob er aufgrund einer hohen Stellung selbst entscheiden kann, wann er arbeitet, oder ob aufgrund einer hohen Stellung die Arbeitszeit im Vorhinein festgelegt ist, darauf kommt es an, und nicht auf das Runterzählen, welche Ebene es ist. Das haben Sie, glaube ich, auch noch nicht so ganz verstanden.

Diese Novelle bringt, und das halte ich ganz klar und dezidiert fest, erstens den stärksten Schutz für die einzelnen Arbeitnehmer, die nicht durch einen Betriebsrat ver­treten sind, zweitens die Verankerung der Betriebsräte im Gesetz, drittens die Auf­tragssicherung durch eine flexible Abdeckung von Spitzenzeiten bei unverändertem Arbeitszeitvolumen sowie die Möglichkeit zu einem verlängerten Wochenende und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für mich steht im Vordergrund, dass wir bald ein modernes Arbeitszeitgesetz haben, das an die heutigen Lebensverhältnisse und Lebenswelten angepasst ist und den Wirtschaftsstandort Österreich stärkt, weil wir mit dem Wandel der Arbeitszeit gehen wollen, anstatt ihn zu bekämpfen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin davon überzeugt, dass diese Novelle gut gelungen ist und dass die Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgewogen berücksichtigt wurden. Anstatt Gefah­ren zu sehen, sind große Chancen auch für die Arbeitnehmer ins Zentrum zu stellen. Dabei ist ein zentrales Anliegen nicht nur die Freiwilligkeit, sondern gerade auch die Stärkung der Selbstbestimmung; das wurde heute auch schon erwähnt. Für etliche Men­schen könnte gerade das ein Segen sein.

Und nun zur Kollegin von den Grünen: Ich habe Karl Marx zitiert, das ist richtig. An­scheinend haben Sie ihn nicht gelesen (Bundesrätin Mühlwerth: Auf gar keinen Fall verstanden!); ich durfte ihn während meiner Studienzeit lesen. Ich beschäftigte mich in meiner Studienzeit auch mit anderen Ideologien, als Sozialwissenschaftlerin muss man das tun. (Ruf bei der SPÖ: Muss?!) Ich habe Karl Marx zitiert: „Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann.“ – Freiheit ist wirklich für die Allerwenigsten leist­bar, wenn man darunter versteht, dass man genug besitzt und nicht dem täglichen Broterwerb nachgehen muss. Eine Gesellschaft, in der jeder so viel arbeitet, wie er kann oder will, und dafür jeder das hat, was er braucht, bleibt natürlich eine sozialisti­sche Utopie.

Mit dieser Novelle aber wird die Verteilung der Arbeitszeit flexibilisiert, und umgekehrt wird die Verteilung der Freizeit flexibilisiert. Der Luxus von längeren Freizeitblöcken, von längerer Freiheit, wenn man so will, wird durch diese Novelle verbessert. (Bun­desrat Schennach: Alleinerziehende Mütter werden sich bedanken!) Wir stellen also sicher, dass durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit auch der Luxus von längerer Frei­zeit für jedermann besser leistbar wird, weil wir keinen Utopien nachhängen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Und, Frau Abgeordnete, ich lasse mich weder durch Pflastersteine noch durch sonst etwas einschüchtern. Ich kämpfe für die Menschen in unserem Land. (Anhaltender Bei­fall bei FPÖ und ÖVP sowie Bravorufe bei der FPÖ.)

14.06


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Frau Minister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Zaggl. – Bitte sehr.


14.06.48

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Liebe Kolleginnen, liebe Kolle­gen! Liebe Zuschauer vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Es stimmt natürlich,


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dass es Betriebe gibt, in denen jetzt schon 12 Stunden gearbeitet werden kann. Da muss man aber genauer hinsehen: In diesen Betrieben gibt es Betriebsvereinbarun­gen, die mit den Betriebsräten ausverhandelt wurden. Das ist aber zeitlich befristet, um Arbeitsspitzen abdecken zu können. Dadurch wurden für Beschäftigte zusätzlich Frei­zeit und finanzielle Leistungen ausverhandelt. (Ruf bei der ÖVP: Genau um das geht es!) Erholungsmöglichkeiten sowie ein hohes Maß an Planbarkeit sind für Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer extrem wichtig, um ein gutes Leben führen zu können.

Die Regierung hat versprochen, dass der generelle 12-Stunden-Tag nicht kommen wird. Stimmt das? (Rufe bei der ÖVP: Ja, genau! Kommt ja auch nicht!) Wenn ich je­derzeit damit rechnen muss, dass mir der Chef 12 Stunden Arbeit anschaffen kann, entspricht das einem generellen 12-Stunden-Tag. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Der generelle 12-Stunden-Tag ist daher leider kein Märchen, sondern wird für viele Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur traurigen Realität.

Stimmt es, dass ich in Zukunft 12 Stunden täglich arbeiten kann, aber nur auf freiwil­liger Basis? – Nein, in Zukunft genügt es, wenn der Arbeitgeber behauptet, dass es er­höhten Arbeitsbedarf gibt, um bis zu 12 Stunden Tagesarbeitszeit anordnen zu kön­nen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kann ich ohne Angabe von Gründen Überstunden ablehnen? (Rufe bei der FPÖ: Ja!) – Die Regierungsparteien behaupten, sie hätten mit einem Abänderungsantrag eine so­genannte Freiwilligkeitsgarantie verankert. Überstunden ab der 10. Stunde täglich und der 50. Stunde wöchentlich können nun ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!) In der Praxis sieht das aber ganz anders aus. Frei­willigkeit ist in der Arbeitswelt fiktiv. (Bundesrat Längle: Lies das Gesetz doch endlich und versteh es!) Beschäftigte kommen schnell unter Druck, wenn sie gegenüber Vor­gesetzten und Kolleginnen und Kollegen auf ihr Ablehnungsrecht pochen, riskieren ihre Anerkennung, die nächste Beförderung oder ihren Job.

Diesen Druck hat ein Bekannter von mir selbst auch schon gespürt. Es war eine unvor­hersehbare Reparatur an einer Werkzeugmaschine zu machen. Er hat zu seinem Chef gesagt: Ich kann heute leider nicht länger bleiben, ich habe private Termine. – Die Ant­wort seines Chefs war: Es ist wichtig, dass du länger bleibst, dafür bekommst du wie­der Urlaub, wenn du einen brauchst. – So sieht leider die Realität aus.

Der Vorstand einer großen Firma begrüßt die Änderung der Arbeitszeit durch die Bun­desregierung – das wundert uns ja nicht.

Es gibt die Zusage, dass die im Kollektivvertrag festgeschriebene Normalarbeitszeit ih­re Gültigkeit hat, die Betriebsvereinbarungen sollen aber gegebenenfalls überprüft und diskutiert werden. – Da kann man sich schon denken, wie die zukünftige Praxis in Be­trieben aussehen wird.

Als Betriebsrat weiß ich, dass die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter in bestimmten Bereichen immer mehr und mehr wurden. Der Leistungsdruck stieg sehr an und die Krankenstände häuften sich. Man versuchte, mit weniger Personal oder mit einer gleichbleibenden Anzahl an Mitarbeitern immer mehr Arbeit zu verrich­ten, anstatt Personal einzustellen. Durch das Gesetz verstärkt sich der Druck auf die Mitarbeiter immer mehr. Es wird in Firmen in drei Schichten 24 Stunden gearbeitet. Mit diesem Gesetz eröffnet sich die Möglichkeit, dass die erste Schicht – wenn Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter in der zweiten Schicht ausfallen – vier Stunden länger bleibt und die dritte Schicht vier Stunden früher kommt. Wer garantiert, dass das nicht alltäg­lich wird? (Ruf bei der ÖVP: Alles freiwillig ...!) Das alles geschieht auf Kosten der Ge­sundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Gestern wurde hier gesagt, dass die Familie das Herzstück im Leben ist (Bundesrat Rösch: Ohne Kinder gibt es keine Zukunft!) – das stimmt auch –; doch dieses Gesetz ist nicht nur gesundheitsgefährdend, sondern auch familienfeindlich.


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Es kommt ja auch Widerstand aus den eigenen Reihen der Regierungsparteien; bei der FPÖ sind der stellvertretende Bundesobmann und der Fraktionschef der AK zu­rückgetreten. (Bundesrat Schuster: Wer ist zurückgetreten?) – Der Tiroler Obmann und stellvertretende Bundesobmann Heribert Mariacher von der FPÖ Tirol und der FPÖ-Fraktionschef in der AK, Franz Ebster. Vonseiten der ÖVP kritisieren die Präsi­denten der Arbeiterkammern Tirol und Vorarlberg das Gesetz, und auch in der Tiroler Volkspartei gibt es einige Unstimmigkeiten. Bei der letzten Landtagssitzung wurde von der neuen SPÖ Tirol und von der Liste Fritz ein Dringlichkeitsantrag eingebracht, dass sich der Tiroler Landtag gegen den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunde-Woche aus­spreche. Er wurde abgelehnt. Einige Tage später kam die Medieninformation, dass der Tiroler AAB den Bundes-AAB in die Pflicht nimmt, dass dieses Gesetz mit den Sozial­partnern gemeinsam gemacht werden soll.

Mir stellt sich auch die Frage: Wie viele Österreicherinnen und Österreicher haben bei einem 12-Stunden-Tag Zeit, ein Ehrenamt zu übernehmen beziehungsweise auszufüh­ren? (Bundesrätin Zwazl: Es gibt keinen 12-Stunden-Tag!) Was geschieht mit den frei­willigen Feuerwehren und den ehrenamtlich Tätigen bei Rettungsorganisationen? – Die notwendigen Aus- und Weiterbildungen werden sich reduzieren, diese sind aber ex­trem wichtig, damit weiterhin professionelle Arbeit geleistet werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz schaden Sie den Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmern. Sie gefährden ihre Gesundheit, greifen in ihre Geldbörsen und belasten das Familienleben der Menschen schwer. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Stögmüller und Dziedzic.)

14.12


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache. – Bitte sehr.


14.13.13

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bun­desräte! Angesichts der Debatte muss ich mich ja zu Wort melden. (Ruf bei der SPÖ: Umfaller! Verräter!) Wenn man so viele Unwahrheiten, die da in den Raum geschmis­sen werden, hört, ist man eigentlich baff und erstaunt. Wir erleben das seit geraumer Zeit: Ich musste heute schon wieder im Fernsehen sehen, dass mit Pflastersteinen operiert wird. Da hat man fast ein bisschen den Eindruck, das gängige Motto der So­zialdemokratie und anderer ist offenbar: Von Silberstein zu Pflasterstein! (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da kann man sich nur wundern, auf welcher Ebene, wie niveaulos gewisse Debatten stattfinden. Was will man denn damit zum Ausdruck bringen? Welche Drohgebärden sollen das sein, vielleicht noch im Zusammenhang mit einem Grablicht und anderen unschönen Dingen, die da zum Besten gegeben worden sind?

Wenn ich mir dann vergegenwärtige, wie Sie abseits der Realität immer wieder Un­wahrheiten in den Raum stellen: Faktum ist, der gesetzliche 8-Stunden-Tag bleibt. Wis­sen Sie etwas anderes? Nein. Der 8-Stunden-Tag bleibt gesetzlich aufrecht. Das ist die Normalarbeitszeit, die wir heute haben und die auch in Zukunft bleibt. Dank der SPÖ gibt es die 9. und 10. Überstunde, die nicht freiwillig gemacht werden kann, son­dern gemacht werden muss, wenn sie vom Unternehmen angeordnet wird. Dank Ih­nen – Sie haben das beschlossen – gibt es die 9. und 10. Überstunde. Sie ist nicht Normalität. Fragen Sie Arbeitnehmer und Angestellte, ob sie heute einen 10-Stunden-Tag haben, und Sie werden ein eindeutiges Nein hören – soweit zur Realität.

Darüber hinaus haben Sie – nämlich Ihr Parteichef Kern – im Plan A im Wahlkampf (Ruf bei der SPÖ: Nicht schon wieder! – Bundesrat Lindinger: Das ist heute schon disku-


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tiert worden!) auch noch sehr, sehr offensiv beworben, dass Arbeitszeitflexibilität von Ihnen mit folgenden Grundsätzen gefordert wird: Es muss freiwillig sein, es darf nicht mit Zwang sein, es muss der Arbeitnehmer wollen. Das heißt, die gesetzliche Möglich­keit muss gegeben sein, die Entkriminalisierung muss stattfinden, und es muss volle Zuschläge oder Tagesfreizeitblöcke geben. Genau das stellt die Regierung jetzt sicher.

Jetzt wird sichergestellt, dass niemand mehr arbeiten muss, aber dass man mehr ar­beiten kann. (Bundesrat Schabhüttl: Das steht nicht im Gesetz!) Das heißt, die Flexibi­lität gilt innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes, und auch Sie müssen eingeste­hen – außer es passt mathematisch nicht und wir müssten vielleicht noch im Bildungs­sektor ansetzen –, dass der Durchrechnungszeitraum klar und deutlich sagt – und das ist aufrechtes Gesetz, eine EU-Richtlinie –, dass man innerhalb von 17 Wochen nicht mehr arbeiten darf.

Es wird daher in Zukunft niemand mehr arbeiten können, weil man es gar nicht darf – es ist gesetzlich verboten –, aber man kann in diesem Zeitraum nach den Bedürfnissen der Arbeitnehmer flexibler vereinbaren, wie sie es haben wollen, damit sie nach vier Tagen Arbeit drei Tage frei haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Glauben Sie mir, das wünschen sich viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, und genau darum geht es. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie sich dann herstellen und das Gegenteil behaupten, dann ist es nicht nur un­redlich, es ist schlicht und einfach falsch. Sie werden damit erst recht die Arbeitnehmer und Angestellten verlieren, denn die fühlen sich ja zu Recht gefrotzelt, wenn sie per­manent von Ihnen irgendwelche Unwahrheiten in den Raum gestellt bekommen, die dann in der Realität sichtbar gar nicht stattfinden. Das ist ja auch gut, weil es nach all den Unwahrheiten richtig war, dieses Gesetz nicht erst im Jänner nächsten Jahres in Kraft treten zu lassen, sondern zum Glück Anfang September, denn spätestens im Sep­tember, Oktober und November werden die Arbeitnehmer sagen: Was haben uns da die Sozialisten versucht, Falsches einzureden, in der Realität ist das nämlich anders! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Glauben Sie mir, jeder Mensch, ob Arbeiter oder Angestellter, will gut verdienen; dafür werden wir durch Entlastungen der Arbeitnehmer Sorge tragen. Wir haben mit ersten Schritten bei der Arbeitslosenversicherung für kleine Arbeitnehmer begonnen. Wir ha­ben begonnen, bei den Familien zu entlasten. Wir werden diese Entlastung fortsetzen. Viele Arbeiter – ob Maler, Maurer oder jemand, der am Bau oder sonst wo tätig ist – wollen mehr verdienen und wollen oftmals auch, wenn sie beispielsweise in anderen Bundesländern eine Baustelle haben, am Abend nicht zur Familie heimfahren. Die dürfen in Zukunft statt 8, 9 oder 10 Stunden auch 11 oder 12 Stunden am Tag arbeiten, damit sie am Donnerstag fertig sind und Freitag, Samstag und Sonntag bei der Familie sein können, weil sie die Arbeit auf der Baustelle abgeschlossen haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Genau darum geht es: Viele wollen mehr arbeiten, weil sie mehr verdienen wollen, um ihren Wohnungskredit endlich abbezahlen zu können. Sie wollen offenbar Leistung über­haupt verbieten. Das war ja auch der Grundsatz der Sozialdemokratie in den letzten Jahrzehnten: Wer arbeitet, wird mit Höchststeuern und Belastungen bestraft. Wir hin­gegen senken die Steuern und werden Arbeit wieder entsprechend belohnen, denn sie muss sich in der Gesellschaft auszahlen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie Bravorufe bei der FPÖ.)

Ich verstehe schon, dass Sie eines aufregt: Bei 50 Prozent der Arbeitnehmer und An­gestellten gibt es heute aufgrund von Kollektivvertrags- und Betriebsvereinbarungen die Möglichkeit – Sie sprechen von Möglichkeit –, 12 Stunden zu arbeiten. Das haben Sie in 50 Prozent aller Branchen umgesetzt. Da geht es aber nicht ums Können, nein, sie müssen, wenn die Betriebsvereinbarung das so definiert und es der Betriebsrat


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dem Arbeitnehmer in Absprache mit dem Unternehmer auch aufbürdet, eine 11. und 12. Stunde arbeiten. Das hat die Sozialdemokratie beschlossen. Das ist bei den ÖBB und in vielen Berufszweigen dank Ihres Beschlusses gang und gäbe. Wir federn den Rest, die 50 Prozent, die nicht geschützt sind, ab. Sie müssen nicht, sondern sie kön­nen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Sie sind durch ein Ablehnungsrecht ohne Angabe eines Grundes geschützt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Bei Ihnen müssen sie, und so gesehen können Sie ja hoffentlich Ihre Betriebsverein­barungen in Zukunft dahin gehend verbessern, dass Sie auch dort sicherstellen, dass der Arbeitnehmer das individuelle Recht bekommt, es ablehnen zu können. Das haben Sie nämlich leider nicht durchgesetzt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Im Gegenteil, da entscheiden Sie über die Köpfe der Arbeitnehmer hinweg, die dann müssen. Wir geben dem Arbeitnehmer das erste Mal einen Arbeitnehmerschutz, den Schutz der Freiwilligkeitsgarantie und des individuellen Ablehnungsrechts ohne Grund mit Kündigungsschutz. Das haben Sie all die Jahrzehnte zuvor nicht geschafft, und das ist der Grund, warum Sie heute grantig sind: weil die Gewerkschaft ihr Versagen au­genscheinlich gezeigt bekommt. Das ist doch der eigentliche Hintergrund. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

So gesehen verstehe ich natürlich die Aufregung und auch die Kampagnisierung, die in den letzten Tagen noch in weitere Unwahrheiten gemündet hat. Sie stellen einfach Un­wahrheiten in den Raum (Bundesrat Schennach: Ja, wenn man so ...!): Die fünfte Ur­laubswoche, die gesetzlich festgesetzt ist, soll abgeschafft werden, was ja nachweis­lich einfach falsch ist; aber da operieren Sie halt mit allen möglichen Unwahrheiten und Verunsicherungen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), bis dahin, dass Sie sagen, der Kündigungsschutz für Mütter sei in Gefahr und andere Falschheiten! Also mit so einer Polemik und bewusst falschen Äußerungen, glauben Sie mir, vertreiben Sie die letzten Arbeitnehmer und Angestellten von der SPÖ. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling, Koller und Novak.)

Dann verstehe ich dieses Zwölfersymbol, das durchgestrichen ist (Zwischenruf des Bundesrates Novak): Das steht nämlich symbolisch dafür, dass Sie bei der nächsten Nationalratswahl weder auf dem ersten noch auf dem zweiten Platz liegen werden – das kann ich Ihnen heute schon versprechen! (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Genau darum geht es, wenn man das inhaltlich bewertet, und so gesehen kann ich Ihnen zum Abschluss nur den guten Ratschlag geben (Bundesrätin Grimling: Nein, bitte nicht! Bitte nicht! – Zwischenruf des Bundesrates Novak): Kommen Sie zurück zur Sachlichkeit, zur Realität, zu dem, was das Gesetz beinhaltet, nämlich: 8-Stunden-Ar­beitstag und 40-Stunden-Woche bleiben Gesetz und Normalität. Die 9. und 10. Stunde kann zwangsweise angeordnet werden, dank der SPÖ – das haben Sie gesetzlich mög­lich gemacht –, und darüber hinaus gibt es die Freiwilligkeit und das Ablehnungsrecht ohne Grund, aber wer will, wird entkriminalisiert.

Und wenn mir der Nachbar von Herrn Katzian in einem Brief schreibt, dass an der Baustelle für dessen Haus von 6 Uhr früh bis 20 Uhr abends sichtbar gearbeitet wurde, dann dürfte das auch nicht gerade gesetzeskonform abgelaufen sein. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP.)

Solche Methoden sind natürlich nicht schön, aber genau das soll abgestellt werden, und diesbezüglich soll es in Zukunft auch einen Rechtsschutz für die Arbeitnehmer ge­ben. Das ist das, wofür wir eintreten und stehen, und so gesehen wird sich das auch in positiver Weise durchsetzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.22



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Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. – Bitte. (Bundesrat Köck: Aber nicht das Gleiche, gell!)


14.22.36

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrte - - Wo ist jetzt die zuständige Ministerin? (Bundesrat Schennach: Die ist schon gegangen!) – Die ist schon gegangen. Sehr geehrte Frau Ministerin Schramböck! (Bundesrätin Mühlwerth: ...! Sie ist draußen mit deinem Klub­obmann! Also aus jetzt, ja?) – Wollen Sie herauskommen oder darf ich jetzt? (Bundes­rätin Mühlwerth: Nein, jetzt geht’s!) – Okay, gut.

Ich habe natürlich eine kleine Rede vorbereitet, nichts Langes und auch nicht das Glei­che, was die anderen gesagt haben (Bundesrätin Pfurtscheller: Es ist alles gesagt!), aber wenn der Herr Vizekanzler und die zwei Ministerinnen mir den Ball so auflegen, dann muss ich natürlich schon kurz darauf replizieren.

Als die zwei Ministerinnen vorher sehr schöne Geschichten erzählt haben (Bundesrat Samt: Fürs Geschichtenerzählen seid ihr zuständig!), als sie Halbunwahrheiten erzählt haben, da habe ich mir gedacht: Okay, darauf muss ich eingehen! Dass der Herr Vize­kanzler in seiner Stellungnahme noch eines draufsetzt und erzählt, und ihm während des Erzählens seiner Geschichte ein paar Lacher auskommen, weil er es ja selbst gar nicht glaubt, ist, glaube ich, der Höhepunkt dieser Geschichte. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Bundesrates Stögmüller.)

Hier als Vizekanzler polemisch von der Regierungsbank zum Bundesrat zu sprechen, nicht aufzuklären, sondern wirklich nur polemisch zu sein, das hat sich der Bundesrat nicht verdient. (Ruf bei der FPÖ: Da redet gerade der Richtige! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP. – Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) – Sie können alle herauskommen! Wenn ihr etwas zu sagen habt, meldet euch an, ihr könnt alle herauskommen! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Mühlwerth und Schuster.)

So, zu den Regierungsparteien; ich fange mit der ÖVP an: Ich muss sagen, die Überra­schung ist für mich nicht groß, denn ich bin schon lange genug in der Politik, um zu wissen, dass es konträre Meinungen gibt und dass wir die hier auch vertreten können. Deshalb ist die härtere Gangart für mich kein Problem. Die politische Einstellung der ÖVP ist für mich auch kein Problem; die ÖVP ist natürlich wirtschaftsorientiert und nicht arbeitnehmerfreundlich. Das war immer so und das wird immer so bleiben, und auch wenn hier Leute sitzen, die vielleicht einmal Arbeitnehmervertreter waren oder spielen oder vom ÖAAB sind, so werden diese auch in Zukunft keine guten Arbeitnehmerver­treter sein, weil sie im Zweifelsfall immer parteipolitisch umfallen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

So, und nun zu meinen freiheitlichen Freunden (Bundesrat Krusche: Wir sind keine Freunde!): Man kann hier wirklich einiges machen und man kann austeilen, wir machen das genauso (Bundesrat Schuster: Einstecken muss man aber auch können!), aber es sollte immer auf einer Ebene bleiben, auf der wir uns danach wiederfinden können.

Wenn Kollege Rösch – er ist jetzt zufällig nicht da, er ist auch ein Arbeitnehmerver­treter, ich weiß nicht, was er vertritt oder welche Arbeitnehmer, aber er heftet sich das an die Brust (Bundesrat Spanring: So viel zum Thema ...!) – nach der Demonstration von irgendeinem Plakat eine Sippenhaftung der SPÖ sieht (Zwischenrufe der Bundes­rätInnen Mühlwerth und Schuster), dann muss ich sagen: Ich würde es mir selbst nie anmaßen, hier eine Sippenhaftung der FPÖ zu sehen. (Rufe bei der FPÖ: Na, na! Geh bitte! – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Sie müssen mir zuhören! Es gibt keine Sippenhaftung. Ich würde es mir nie anmaßen, alle FPÖ-Mitglieder mit den verurteilten FPÖ-Mitgliedern gleichzusetzen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), ich würde es mir nie anmaßen, alle FPÖ-Mitglieder einer gewissen Richtung zuzuord-


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nen, sondern es gibt Menschen, die bei einer Partei Politik machen, und ich würde da nie von einer Sippenhaftung sprechen. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das hat die SPÖ nie gemacht! – Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schuster.)

Grundsätzlich will ich dazu sagen und nehme ich für mich in Anspruch, dass sich die Sozialdemokratie immer für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein­gesetzt hat (Ruf bei der FPÖ: Bis jetzt!) und das auch in Zukunft machen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Vor hundert Jahren mag das gestimmt haben, aber mittlerweile ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Pfurtscheller.)

Schon aus diesem Grund lehnen wir ein Gesetz ab, in dem kein einziger Punkt – Herr Vizekanzler, kein einziger Punkt! – etwas Positives für die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer beinhaltet. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Hammerl: Das ist gerade auf­geklärt worden! Das haben Sie nicht mitgekriegt!) Eines kann ich Ihnen garantieren: Wir werden in diesem Punkt nicht lockerlassen. Wir werden Seite an Seite mit der Ge­werkschaft, mit der Arbeiterkammer (Ruf bei der FPÖ: Mit den Grünen!) gegen dieses Gesetz auftreten und versuchen, es zu verändern, und wenn es lange dauert. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitszeitverlängerung – auch wenn es nur in einem bestimmten Ausmaß oder nur zu bestimmten Zeiten ist (Bundesrat Preineder: Das ist keine Verlängerung!) – ist in Zei­ten der Digitalisierung, in Zeiten der Umstellung des Arbeitsmarktes, in Zeiten, in de­nen man damit zu rechnen hat, dass in Zukunft weniger Arbeit zur Verfügung steht, nicht nur kontraproduktiv, sondern ist auch menschen-, wirtschafts-, familienfeindlich und gesundheitsschädlich. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Über die Wirt­schaft machst du dir auch Sorgen! – Bundesrat Schuster: Die SPÖ ist gesundheits­schädlich!)

Noch einmal, damit ich das aufkläre: Wenn Politiker, die etwas davon verstehen sollten (Zwischenrufe der Bundesräte Seeber und Tiefnig), oder auch die Frau Ministerin das Beamten-Dienstrechtsgesetz oder das Landesbedienstetengesetz mit dieser Version des Arbeitszeitgesetzes gleichstellen, dann muss ich sagen: Ihr wisst ganz genau, dass das nicht das Gleiche ist. Das ist nur Polemik! (Bundesrat Köck: Willst du jetzt sagen, dass Beamte nichts arbeiten, oder was?) Das wird nur für den Zuhörer gleich­gestellt, während ihr wisst, dass das etwas ganz anderes ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme aus dem Burgenland. Frau Ministerin Schramböck, Sie haben das Burgen­land vorhin erwähnt. Sie haben gesagt, da müssten viele irgendwo anders arbeiten und auspendeln, und durch ihr Auspendeln schädigen sie dann die Umwelt et cetera, et cetera. – Ich muss Ihnen dazu sagen: Auch Sie fahren sehr viel mit Ihrem Dienstwagen mit Chauffeur durch die Gegend. Unsere Pendlerinnen und Pendler haben aber nicht die 17 550,10 Euro, einen Chauffeur und einen Dienstwagen (Bundesrat Steiner: Also noch polemischer geht’s nimmer! – weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP), also ver­unglimpfen Sie nicht unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die pendeln müs­sen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Das ist sachliche Politik, die du be­treibst?)

Es gibt im Burgenland über 100 000 Arbeitsplätze. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Hören Sie zu! (Bundesrat Krusche: Da hör’ ich nicht mehr zu! – Zwischenruf des Bundesrates Samt.) 50 000 Burgenländerinnen und Burgenländer pendeln aus dem Bundesland aus. (Bundesrätin Pfurtscheller: Und mit der Flexibilisierung ist das ein Tag weniger Pendeln! Ist doch super!) – Das ist super; ich erzähle Ihnen, wie super das ist. Sie müssen nur zuhören. (Zwischenrufe der Bundesräte Forstner und Kru­sche.) Gerade diese 50 000 Pendlerinnen und Pendler kann oder wird diese Verschär­fung noch stärker treffen als alle anderen, und ich erzähle Ihnen auch, warum.

Aus meinem Heimatbezirk Güssing – das ist im Südburgenland – pendeln beinahe 4 000 Menschen fast täglich aus, und die meisten davon nach Wien. (Ruf bei der ÖVP:


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SPÖ-Landeshauptmann ...! – Bundesrätin Zwazl: Ich krieg schon wieder Magen­schmerzen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Zuhören! Ich erzähle eh alles.

Da passt diese Geschichte dazu, und ich werde nicht noch einmal die Geschichte vom Pflasterer erzählen. Es gibt so viele Geschichten, ich werde Ihnen eine andere erzäh­len, denn nur mit einem praktischen Beispiel kann man vielleicht verstehen, warum wir so dagegen auftreten. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Und jetzt hören Sie zu, das haben sich die Leute verdient! (Bundesrat Krusche: Nein, das haben wir uns nicht ver­dient, dass wir dir zuhören!) – Das, was du verdienst, ist ja egal; die Leute draußen haben sich das verdient.

Erzählen möchte ich von einem Familienvater, der Bernhard heißt. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, eines mit vier und eines mit sechs Jahren. Die junge Familie hat sich vor zwei Jahren ein Haus in der südburgenländischen Gemeinde Olbendorf gebaut. Das ist circa 140 oder 145 Kilometer von Wien entfernt. Er arbeitet – und jetzt hören Sie zu! – in Wien bei einem Betrieb, und er arbeitet vier Tage in der Woche 9,45 Stun­den pro Tag, Montag bis Donnerstag. Das hat er sich selber ausgesucht, weil er das aufgrund einer Betriebsvereinbarung kann, und das hat er für sich selbst so ausge­wählt, weil es Betriebsvereinbarungen gibt. (Bundesrat Köck: Das ist ja ganz anders!)

So, und jetzt erkläre ich Ihnen, warum das so ist und warum das anders nicht möglich wäre. Er steht um 4.10 Uhr auf, um 4.40 Uhr setzt er sich in der Nachbargemeinde in den Bus, das ist die G1-Linie, und fährt nach Wien. Knapp vor 7 Uhr, also 2,25 Stun­den später, trifft er an seinem Arbeitsplatz ein und macht dort von 7 Uhr bis 16.45 Uhr seine Arbeit. Dann geht er zur U-Bahn, fährt wieder zum Busbahnhof und wieder nach Hause. Zu Hause kommt er um 19.10 Uhr an. Er war über 15 Stunden unterwegs. Dann kommt er nach Hause und sieht noch – und das hat er mir wortwörtlich so er­zählt – seine beiden kleinen Kinder, bevor sie schlafen gehen.

Wenn Sie jetzt sagen – und auch wenn es nur vorübergehend ist –, Sie erhöhen die Arbeitszeit auf 12 Stunden, dann heißt das was? – Er steht zur gleichen Zeit, um 4.10 Uhr, auf, nur kommt er nicht 2 Stunden später heim, er kommt 3 Stunden später heim. (Bundesrat Schuster: Freiwillig! – Bundesrat Längle: Das ist freiwillig! Habt ihr das nicht kapiert? – Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Er kommt 3 Stunden später heim! Das verstehen Sie nicht, das wollen Sie auch nicht verstehen. (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Lassen Sie mich ausreden! Bernhard würde seine Kinder erst wieder am Freitag sehen. (Bundesrat Krusche: Wenn man dieselben Un­wahrheiten ständig wiederholt, dann werden sie nicht wahrer!) Er hätte zu Hause 6 Stun­den Zeit zum Schlafen und für alles andere, weil er wieder um 4.10 Uhr aufstehen muss. Das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist kein Einzelfall. Das gibt es, das kann es geben, und dieses Gesetz ermöglicht so etwas. (Beifall bei der SPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, von Schwarz und Blau! Sie nennen sich Arbeitnehmervertreter, gestern haben wir gehört, Sie sind die großen Fa­milienvertreter. Na dann gehen Sie stellvertretend hin, schicken Sie jemanden hin, es muss ja nicht der Herr Vizekanzler sein, es muss auch nicht die Frau Sozialministerin sein – danke (in Richtung Bundesministerin Hartinger-Klein, die wieder auf der Regie­rungsbank Platz genommen hat) für Ihr Kommen –, wir haben ja auch eine Kollegin, Frau Bundesrat Hackl, die im gleichen Bezirk daheim ist. Schicken Sie sie hin und sa­gen Sie dem Familienvater, dass das in Zukunft möglich sein kann! Sagen Sie seiner Gattin und seinen Kindern, dass das in Zukunft möglich sein kann! Das werden Sie nicht checken. (Zwischenruf der Bundesrätin Hackl. – Bundesrat Preineder hält eine Tafel mit der Aufschrift „Freiwilligkeit garantiert“ in die Höhe. – Bundesrätin Pfurtschel­ler: Freiwillig! Freiwillig!)

Können Sie sich vorstellen, dass solche Umstände menschlich sind? Dass das mensch­lich ist? Können Sie so etwas verantworten? – Ich glaube nicht. Wenn Sie ein bisschen


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Anstand, ein bisschen Gefühl für die Leute hätten, für Familien hätten, dann würden Sie alle, die Sie da sitzen, das Gesetz nicht unterstützen, denn jeder von Ihnen kennt einen solchen Fall. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth – ans Präsidium tretend –: Was ist mit der Redezeit? – Ruf bei der ÖVP: Abdrehen! – Bundesrätin Mühlwerth: Es gibt eine freiwillige Redezeitvereinbarung von 10 Minuten! – Bundesrat Mayer – ebenfalls ans Präsidium tretend –: Dann bitten wir um eine Sitzungsunterbre­chung, wenn das nicht geklärt wird!)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Es gibt für alle Bundesrätinnen und Bundesräte eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten, und ich bitte darum, dass wir diese freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten auch einhalten. (Beifall bei Bundesrä­tInnen der ÖVP. – Bundesrat Bader: Er hat schon 15! – Ruf bei der FPÖ: Er hört sich selber gern reden! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Krusche: Das haben wir schon gehört!)


Bundesrat Jürgen Schabhüttl (fortsetzend): Wenn Sie mich ausreden lassen würden, wäre ich schon fertig. (Bundesrat Krusche: Das interessiert ja keinen! – Bundesrat Lin­dinger: Kollege Krusche, du hast 14 Minuten geredet!)

Ich möchte Ihnen unbedingt noch etwas sagen: Es gibt im Burgenland eine Pendler­vertretung, das Pendlerforum Burgenland, das aus ehrenamtlichen Mitgliedern besteht, die sich für die Pendlerinnen und Pendler, von denen es im Burgenland eine hohe An­zahl gibt, einsetzen. Sie lehnen – und das will ich unbedingt hier anbringen – die Vor­gangsweise hinsichtlich des im Nationalrat eingebrachten Initiativantrags zur Modifizie­rung des Bundesgesetzes, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz hinsichtlich der Erhöhung der allgemein zu­lässigen Höchstgrenzen der Arbeitszeit von bisher 10 Stunden auf 12 Stunden pro Tag und von bisher 50 Stunden auf 60 Stunden pro Woche geändert werden sollen, strikt ab. Es gibt dazu eine Resolution: Die 60-Stunden-Woche sei ein Anschlag auf die Geldbörsen, auf die Lebensqualität, auf die Gesundheit der burgenländischen Pendle­rinnen und Pendler. (Bundesrätin Mühlwerth – erheitert –: Sag’s in ein Sackerl!) Das Pendlerforum Burgenland fordert eine sofortige Aufnahme von Verhandlungen statt des Drüberfahrens. (Bundesrat Spanring: Ist sicher ein roter Verein!)

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie haben es noch in der Hand, auch wenn Sie sich jetzt aufregen. (Bundesrat Samt: Aufregen tut ihr euch!) Sie können da­gegen stimmen, es kann noch neue Verhandlungen geben. (Ruf bei der FPÖ: Das wol­len wir aber nicht!)

Sie können heute auch noch etwas anderes unterstützen. Ich möchte noch einen Ent­schließungsantrag betreffend „gerechte Erreichbarkeit einer 6. Urlaubswoche“ einbrin­gen, Herr Vizekanzler! (Vizekanzler Strache: Was haben Sie die letzten 13 Jahre ge­macht?) – Ich spreche es ja nur an! (Vizekanzler Strache: Also jetzt mit der Flexibilität haben Sie ...! – Zwischenruf des Bundesrates Köck.)

Der Gesetzesvorschlag, der heute debattiert und abgestimmt wird, ist ja nicht sehr positiv für die Arbeitnehmer. Dafür suchen wir einen Ausgleich, und das soll die sechs­te Urlaubswoche sein. (Bundesrat Samt: Unwürdig! Unwürdig dieses Hauses! – Bun­desrat Brunner: Haben wir da jetzt einen Basar?)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechte Er­reichbarkeit einer 6. Urlaubswoche“

Der Bundesrat wolle beschließen:


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„Die zuständige Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Re­gierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine gerechte Erreichbarkeit des Rechtsan­spruchs auf eine 6. Urlaubswoche für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer un­abhängig von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb umgesetzt wird.“

*****

Unterstützen Sie diesen Antrag, und wenn es auch nur zur Erleichterung Ihres Gewis­sens ist! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.39


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Der von den Bundesräten Reinhard Todt, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „gerechte Erreichbar­keit einer 6. Urlaubswoche“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Elisabeth Grossmann. – Bitte. (Bundes­rat Krusche: Auch das noch! – Bundesrat Schuster: Jetzt kommt das Finale!)


14.39.35

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die ÖVP da mit ihrem Steigbügelhalter FPÖ im Eilzugstempo und ohne Begutach­tung durchs Parlament jagen will, ist ein Frontalangriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land und vor allem auf die Familien, vor allem auf die Frau­en in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stög­müller. – Bundesrat Rösch: ... auf die SPÖ, nicht auf die Arbeitnehmer!) Daran ändert auch die Schönrederei des Herrn Vizekanzlers und der Ministerinnen gar nichts. Wenn das alles so wunderbar ist, wenn dadurch die gute heile Welt entsteht, warum scheuen Sie dann das Begutachtungsverfahren? (Ruf bei der ÖVP: Die SPÖ hat ...! – Bundesrat Stögmüller: Begutachtung ...!) Warum wollen Sie sich dann nicht mit kritischen Mei­nungen auseinandersetzen? Warum peitschen Sie das dann durch? (Bundesrat Ba­der: Das müssen Sie Ihre Kollegen fragen! – Bundesrat Krusche: Damit was weiter­geht!) Dafür muss es ja Gründe geben! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Was haben Sie zu verbergen? Was wollen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern nicht sagen? Herr Vizekanzler, Sie grinsen – oder er hat den Saal verlassen, ich sehe ihn jetzt gar nicht. (Bundesrat Spanring: Der ist gar nicht da! – Demonstrativer Beifall des Bundesrates Rösch. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Vorher hat er gegrinst, als kritische Stellungnahmen gekommen sind. (Bundesrat Krusche: Weil ihr so lächer­lich seid!)

Das Lachen wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vergehen, wenn sie drauf­kommen, dass sie von der FPÖ verkauft wurden (Zwischenrufe bei der FPÖ), und zwar für ein paar Ministerposten, für ein paar Regierungsamterln und – wie man jetzt lesen muss – auch für einen lukrativen Posten in der Nationalbank. (Beifall bei der SPÖ so­wie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.) Sie müssen Ihren Leuten, die Sie zu vertreten meinen, einmal erklären, was Sie hier aufs Spiel setzen! (Bundesrat Läng­le: Lassen Sie das unsere Sorge sein! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, das sollte Ihre Sorge sein! Das, die Sorgen der arbeitenden Menschen in diesem Land, die Sorgen der Familien, sollte eine große Sorge sein! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

Die Freiwilligkeit, die Sie da plakatieren, können Sie sich in Wahrheit in die Haare schmieren. (Bundesrat Bader: Geh bitte, Frau Kollegin!) Wie schaut es denn aus in der


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Praxis, wenn jemand ein- oder vielleicht zweimal die angeordnete Mehrarbeit ab­lehnt? – Dem wird gesagt: Du kannst dir einen neuen Job suchen. (Bundesrat Köck: ÖBB sage ich! ÖBB sage ich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Oder es wird gar nicht gesagt, aber bei der nächsten personellen Umwälzung, bei der nächsten Um­stellung sind das die Ersten, die gehen müssen. Da werden vielleicht andere Gründe vorgeschoben, aber der Job wackelt. (Bundesrätin Schulz: Nein ...! Sie betreiben Angst­mache!)

Das trifft natürlich in einem besonderen Ausmaß Menschen mit Betreuungspflichten, und es sind sehr oft die Frauen, die die Verantwortung für die Familien übernehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Die werden zum Handkuss kommen. Die Hauptleidtragenden sind die Kinder und die Frauen in unserem Land. Das sollten Sie sich auch zu Herzen nehmen! (Bundesrätin Schulz: Sie betreiben Angst­mache! Hören Sie auf damit! Sie betreiben Angstmache!)

Liebe Kollegin von der ÖVP! Sie wollen sich immer das christlich-soziale Mäntelchen umhängen. Lesen Sie sich durch, was die Bischofskonferenz gesagt hat! (Bundesrätin Schulz: Wir lassen uns nicht nachsagen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist familienfeindlich, es ist zutiefst familienfeindlich, was da gemacht wird. (Bundesrätin Schulz: Wir lassen uns nicht nachsagen, dass unsere ...!) Auch die christlichen Ar­beitnehmervertretungen sprechen davon (Bundesrätin Schulz: Sind Sie Arbeitge­berin?), dass das der christlichen Soziallehre widerspricht. (Bundesrätin Schulz: Sie brauchen uns nicht zu erklären ...! Danke!) Bei der Angelobung haben Sie die Formel so wahr mir Gott helfe hinzugefügt und damit Ihr christliches Bekenntnis vorangestellt. Wo bleibt denn das jetzt, Frau Kollegin? (Bundesrätin Schulz: Danke für die Beleh­rung! Wir brauchen...!) Wo bleibt Ihr christlich-soziales Gedankengut, wenn Sie so et­was beschließen? (Beifall bei der SPÖ.) An welchem Garderobehaken haben Sie das hängen lassen? Wir erkennen es nicht mehr, die Menschen erkennen es nicht mehr! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie nehmen den Menschen auch die Schutzwirkung des Gesetzes. Sie enthalten ihnen entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen vor; die kollektive Interessenvertre­tung in Form von Betriebsräten, Betriebsrätinnen, Betriebsvereinbarungen soll nicht mehr in dem Ausmaß greifen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind schutzlos und auf sich allein gestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Auch wenn Sie es noch hundertmal sagen, es wird nicht wahrer!) Sie sind eben vom Lohn abhängig, sie müssen für ihren Lebensunterhalt aufkommen, sie müssen arbeiten, um Geld zu verdienen, um die Familie zu erhalten, um ihr Leben fristen zu können. (Bundesrat Steiner: Es wird nicht wahrer, wenn Sie es jetzt noch hundertmal wiederholen! Es bleibt die Unwahrheit! Unglaublich!)

Wir haben viele, viele Stellungnahmen eingeholt. Wie gesagt, Sie wollten es nicht hö­ren, Sie haben kein Begutachtungsverfahren durchgeführt. Kollegin Schumann ist heu­te mit einem riesigen Packl an Stellungnahmen von den verschiedensten Seiten he­rausgekommen. Gerade Frauenberatungsstellen haben die Kritik angebracht – Sie se­hen es in den Stellungnahmen –, dass viele Frauen (Bundesrätin Schulz: ... sind ins­trumentalisiert worden!), viele Familien den Spagat nicht mehr schaffen werden. Be­rufstätige Eltern werden den Spagat einfach nicht mehr schaffen (Bundesrätin Schulz: Erzählen Sie keine Märchen! – Zwischenruf der Bundesrätin Pfurtscheller), Beruf und Familie zu vereinbaren. (Bundesrätin Pfurtscheller: Bitte hören Sie doch endlich auf ...!) Denn was macht diese Regierung gleichzeitig? – Sie zieht sich mit den Bundesfinan­zierungen aus der Kinderbetreuung zurück. (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganztätige Schulformen waren schon budgetiert. (Ruf bei der ÖVP: ...schulen waren das!)  Sie nennen das so. Es geht um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es


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würde auch eine wichtige Bildungsaufgabe erfüllt, damit Kinder am Nachmittag eben nicht sich selbst, dem Fernseher oder der Playstation überlassen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrätin Ecker: Die haben ja Eltern auch!)

Kinderbetreuungseinrichtungen, Kindergärten werden bundesseitig drastisch weniger finanziert und die Eltern werden auf sich allein gestellt sein. (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich!) Das wird gerade viele Mütter verstärkt vor die Frage entweder – oder stellen; nicht sowohl als auch, nicht Vereinbarkeit, sondern sie müssen sich ent­scheiden: entweder – oder. Zwangsläufig müssen sie sich dann vielleicht dafür ent­scheiden, die Erwerbstätigkeit aufzugeben und wieder in die Abhängigkeit vom Ehe­mann zu schlittern. Das führt in weiterer Folge zu Frauenarmut. (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich! – Bundesrätin Pfurtscheller: Frau Kollegin, hören Sie doch ...! – Bundesrat Steiner: Ihre Schallplatte hängt! Ihre Schallplatte hängt!) Auf der anderen Seite sind die Väter dann gezwungen, sich umso mehr hineinzuhauen und sich kaputt­zuschuften, um die Familie allein erhalten zu können. (Bundesrätin Pfurtscheller: ... die Leute zu verunsichern! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Es ist so laut, ich höre nichts mehr!) So schaut’s aus (Bundesrat Schus­ter: Im Schneckenhaus!), das blau-türkise Familienidyll! (Ruf bei der SPÖ: Schaut trau­rig aus!) So schaut Ihr Familienidyll aus. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätIn­nen Dziedzic und Stögmüller.)

So schaut es einfach aus, das wollen Sie so. Sie wollen die Gesellschaft wieder in Zei­ten zurückkatapultieren, die schon längst überwunden geglaubt waren. (Bundesrat Schus­ter: Ja, in die Steinzeit!)

Da sind wir entschieden dagegen. Sie sollten jetzt bei der Abstimmung in sich gehen, wie Sie wirklich entscheiden wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz.) – Ja, Kolle­gin, überlegen Sie es sich noch! (Bundesrat Krusche: Überlegt ihr, wie ihr in der Stei­ermark abgestimmt habt!) Das ist anscheinend die nächste Rückzahlungsrate für die Parteispenden, die Sie von Ihren Großsponsoren erhalten haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrätin Pfurtscheller: Ja, das haben wir jetzt auch schon ...!) Ich muss sagen, ich verstehe auch, dass den Kol­leginnen und Kollegen von der FPÖ dann das Lachen vergeht, denn Sie haben wohl nichts in dem Ausmaß erhalten; die ÖVP durfte sich da über mehr freuen. (Zwischenru­fe bei ÖVP und FPÖ.)

Wie auch immer, Sie verraten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. (Ruf bei der ÖVP: Kollegin, runter vom Gas! – Bundesrat Spanring: Wer hat wen ver­raten? ... die Sozialdemokraten!)

Was Sie machen, ist auch volkswirtschaftlich absolut abzulehnen, denn es wird Auswir­kungen auf den Arbeitsmarkt haben. Es kommt im Zuge der Automatisierung, im Zuge der Digitalisierung zu gesteigerter Produktivität. Da haben wir natürlich auch große He­rausforderungen zu bewältigen, wenn es darum geht, Arbeit und Einkommen gerechter zu verteilen. Die richtige Antwort auf diese Effekte wäre eine Arbeitszeitverkürzung, und Sie machen das Gegenteil. (Bundesrätin Schulz: Sie erzählen das zum fünften Mal!) Es wird im Endeffekt dazu führen – das ist auch in einigen Stellungnahmen he­rausgekommen –, dass chronische Unterbesetzung in den Betrieben zum System wird (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen sich!), dass damit kalkuliert wird, dass ohnehin Mehrarbeit angeordnet werden kann, und dadurch generell geringer besetzt wird. Die Menschen werden also gezielt gezwungen, am Limit zu arbeiten und sich ausbeuten zu lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Frau Präsidentin, bitte, Redezeit!) Das lehnen wir entschieden ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Katapultieren Sie uns nicht zurück in vergangene Zeiten, in Zeiten – das wurde heute schon erwähnt – der industriellen Revolution! (Zwischenruf der Bundesrätin Schulz.)


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Die Hauptforderung der Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenbewegungen, der Ver­bände war der 8-Stunden-Tag. Kollege Todt hat es schon in seinem Eingangsstate­ment gesagt: 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Muße – so hat man es damals genannt, also Freizeit, Familie –, 8 Stunden Schlaf. Sie wollen uns jetzt noch dahinter zurückkatapul­tieren! – Das ist entschieden abzulehnen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ge­hen Sie in sich vor der Abstimmung! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stög­müller. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Krusche und Mühlwerth.)

14.49


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

*****

Kollegin Mühlwerth ist zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.49.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Kollegen von der SPÖ! Es ist ja nicht zu übersehen, was euer Plan ist. Das ist so eine Art Filibuster und jeder meldet sich dann noch einmal und noch einmal und noch einmal. (Bundesrat Stögmüller: Das ist ja keine Geschäftsordnungswortmel­dung!) Okay, ich bin die Letzte, die sagt, dass sie das Rederecht von Mandataren ein­schränken möchte. Ihr habt natürlich jedes Recht zu reden. (Bundesrat Stögmüller: Das ist eine Wortmeldung!)

Frau Präsidentin! Dann bestehe ich aber auf die Einhaltung der freiwilligen Redezeitbe­schränkung. Bitte achten Sie darauf, dass nach 10 Minuten auch Schluss ist! Es ist, wie gesagt, eine freiwillige Vereinbarung, aber wenn die SPÖ dieses Spiel schon spie­len muss (Bundesrätin Grimling: Kollegin Grossmann: 9 Minuten 54!), dann bitte ich Sie als Präsidentin aller Bundesräte darum, dass wenigstens die 10 Minuten eingehal­ten werden. – Danke.

14.50


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Kollegin Mühlwerth, ich habe erstens einmal gesagt, dass es eine freiwillige Beschränkung ist. Zweitens habe ich mir heraussuchen lassen, wie oft in der Debatte die Redezeit überschritten worden ist. Wir haben ab 12 Minuten gezählt, ich war also nicht kleinlich. Acht Mal wurde die Redezeit überschritten, also acht Mal wurde länger als 12 Minuten gesprochen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber etwas anderes als das, was da abläuft!)

Im Interesse aller Kolleginnen und Kollegen bitte ich die Bundesräte und Bundesrätin­nen, die sich jetzt noch zu Wort melden, sich an die freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten zu halten.

Es haben aber acht Bundesräte länger geredet, und zwar nicht nur SPÖ-Bundesräte, sondern auch Bundesräte der anderen Fraktionen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber etwas anderes gewesen!)

*****

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte.


14.51.26

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich)|: Frau Präsident! Frau Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Novak: Schon das zweite Mal!) – Ja,


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ich bin das zweite Mal da, und zwar, weil ich heute zutiefst getroffen bin. Für mich ist die Situation wirklich schlimm. Ihr treibt einen Keil hinein, ihr stellt die Wirtschaft in ei­nem Licht dar, in dem sie nicht steht.

Ich glaube, ich habe das heute wirklich ganz klar gesagt: Wir sitzen in einem Boot. Wir haben großen Respekt vor unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir beschnei­den überhaupt keine Rechte. Wir haben ja in den Kollektivvertragsverhandlungen – ich glaube, das vergesst ihr alle – gemeinsam sehr viel gemacht.

Ich komme aus einem Land – und das sage ich euch jetzt noch einmal –, in dem die Sozialpartnerschaft lebt. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Wir haben für die flexiblen Arbeitszeiten ein gemeinsames Konzept gehabt. Das Konzept unterscheidet sich nicht von dem, das wir heute haben. Wir haben ganz einfach nie davon gespro­chen, dass unsere Mitarbeiter alle 12 Stunden lang arbeiten. Wir wissen ganz genau, dass das in vielen Berufen ganz einfach nicht möglich ist. Es geht nur darum, Spitzen abfedern zu können, und darum, das wirtschaftliche Bild entsprechend darzustellen, nämlich insofern, dass wir nicht in eine rechtliche Verbotszone kommen. Um nichts an­deres geht es.

Ich finde das ganz einfach steil und ich finde es auch bedenklich, auch wenn du mir jetzt das Taschentuch gezeigt hast; wenn dir die Tränen kommen, freut es mich. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Ich finde das ganz einfach steil. Das katapultiert mich zwei Jahrhunderte zurück, wenn ich sage, ich kann mit der flexiblen Arbeitszeit leben, wenn ihr die sechste Urlaubswo­che schluckt. – Also das wird es nicht sein können! (Zwischenruf des Bundesrates Schab­hüttl.)

Wir stehen für die Einhaltung des Arbeitsrechts. Wir stehen wirklich für eine Wertschät­zung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber. Ich sage euch noch einmal et­was: Ich weiß nicht, seid ihr nicht - - (Bundesrat Schabhüttl: Wir stehen für die Ge­rechtigkeit!) – Ich stehe auch für Gerechtigkeit! (Bundesrat Schabhüttl: Es soll für bei­de ...!) Ich stehe auch im Betrieb und mache meine Arbeit nicht nur vom Schreibtisch aus, sondern ich mache Kundendienst, ich stehe in der Werkstatt und hackle. (Bundes­rat Schabhüttl: Es sollen beide was davon haben!) Und ich schätze das, was meine Mitarbeiter tun.

In Österreich sind wir nur deshalb so erfolgreich unterwegs, weil bei uns das Mitein­ander funktioniert. (Bundesrat Schabhüttl: Zerstören Sie es nicht!) Schaut euch die Umfragen an, die wir gemeinsam mit der Arbeiterkammer zur Unternehmenskultur ma­chen! 96 Prozent sind mit der Unternehmenskultur zufrieden. (Bundesrat Schabhüttl: Dann geht zurück an den Verhandlungstisch!)

Und was wollt ihr? (Bundesrätin Gruber-Pruner: Verhandeln! – Bundesrat Schab­hüttl: Verhandeln! Zurück zum Verhandlungstisch!) Bitte, verschärft die Front! Verhan­deln? – Ihr seid dagestanden und habt nichts Konkretes gesagt, nur, dass ihr verhan­deln wollt. (Bundesrat Stögmüller: Wir haben einen Entschließungsantrag einge­bracht! Einen Entschließungsantrag!) Wir haben jetzt etwas am Tisch. Wir haben lange genug herumgezettelt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jetzt machen wir es, und wir wer­den die Rechte unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einhalten. Und sagt das nicht immer wieder! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundes­rat Stögmüller: Entschließungsantrag! Es ist eine Schande für die Demokratie, dieses Gesetz! – Ruf bei der FPÖ: Eine Schande ist ...! – Bundesrat Stögmüller: Du hast das gesagt!)

Wir stehen für eine Unternehmenskultur, wir stehen für ein Miteinander. Wir wissen, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Betrieben wertgeschätzt füh-


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len. Wir gehen auf Augenhöhe mit ihnen um. Wir haben genug Umfragen. Bitte malt hier nicht so ein Bild von unserer Wirtschaft! So ist sie nicht!

Seien wir froh, dass wir ein so gutes Miteinander haben! Stören wir das nicht aus rein populistischen und politischen Motiven! (Bundesrätin Grimling: Ihr habt ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.55


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Michael Lindner. – Bitte.


14.55.16

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Das ist meine letzte Bundesratssitzung, verabschieden werde ich mich aber viel­leicht erst später, schauen wir einmal. Es ist eine spannende Diskussion, und da müsst ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Blau, heute durch (Ruf bei der FPÖ: Da kann man noch zwei, drei Mal reden! – Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das ist nicht mehr spannend! Das ist nur mehr fad!), es nützt alles nichts. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Sie haben uns hier einen Initiativantrag auf den Tisch geknallt, der keine einzige Ver­besserung, kein einziges zusätzliches Recht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer enthält, sondern nur Rechte für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. (Bundesrat Bader: Das ist die Unwahrheit!) Sie haben das mittels Initiativantrag auf den Tisch geknallt, ohne Einbindung von Experten, ohne ausreichende sachliche, faire Begutach­tung.

Das ist Ihnen natürlich nicht passiert, sondern Sie machen das, weil Sie zu feig für die offene politische Debatte darüber sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Sie machen das, weil Sie sich den KritikerInnen und den Betroffenen nicht stellen wollen. 100 000 Menschen waren auf der Straße. Man darf dazusagen, dass auch viele ÖVP- und FPÖ-Funktionäre, die zum ersten Mal auf einer Demonstra­tion waren, mit dabei waren. 2 000 Betriebsversammlungen haben in ganz Österreich stattgefunden. (Bundesrat Spanring: ... von der SPÖ organisiert!) 200 Stellungnahmen aus allen Bereichen sind zu diesem Gesetz eingegangen.

All jenen schlagen Sie jetzt massiv ins Gesicht. Sie sagen ihnen einfach ins Gesicht: Eure Bedenken sind uns wurscht, ihr dürft dafür schon mit 1. September in den sauren Apfel beißen.

Sie stellen sich der Debatte auch nicht, weil Sie genau wissen, dass das, was Sie hier machen, wirklich verändernd ist. Ja, es wird unsere Gesellschaft in Österreich massiv verändern. Seien Sie zu sich selber ehrlich! Sie spüren doch selber, dass Sie damit ei­nige Schritte zu weit gehen. Das ist für mich ein Arbeitszeitüberfall, durchgepeitscht und auf September vorgezogen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Warum stimmen denn nur die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung in diesen ganzen Jubelchor ein? Ich meine, die lassen sich das noch dazu sehr viel Geld kosten: Inserate, riesige Werbeplakate, dümmliche Filme, die dann eh wieder offline gehen müssen. Klar, die jubeln jetzt, weil sie das kriegen, was sie vor einem Jahr mit Spenden bestellt haben.

Sie spüren ja selber – und das merkt man heute an Ihrer Nervosität und an Ihren Emo­tionen –, dass das Ganze gewaltig nach hinten losgeht. Hilfeschreiend muss das So­zialministerium ganzseitige Inserate schalten. Da sind Sie derzeit sehr hilflos. Ihr schlech­tes Gewissen kann man in meinen Augen heute hier herinnen schon richtig greifen. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


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Diejenigen aus euren Parteien, die die Ohren und Augen noch offen haben, die sich noch mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterhalten können, sagen auch intern ganz offen, dass sie da nicht mehr mitkönnen.

Franz Mariacher, der Obmann der FPÖ-Arbeitnehmer in Tirol, ist schon zitiert worden. (Bundesrat Steiner: Wer? – Ruf bei der FPÖ: Den Franz kannst haben!) Er sagt: „Das ist keine Arbeitnehmerpolitik mehr, dafür haben uns die Menschen nicht gewählt.“ – Er ist aus der FPÖ ausgetreten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Franz Ebster, Fraktionschef der FPÖ-Arbeitnehmer in der AK Tirol, sagt – Zitat –: „Man kann nur noch den Kopf schütteln über so viel Gleichgültigkeit gegenüber den legitim erworbenen Rechten der Arbeitnehmer. Diese Regierung ist eine Enttäuschung!“ – Er ist aus der FPÖ ausgetreten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Helmut Feilmair, schwarzer AK-Vizepräsident in Oberösterreich, sagt – Zitat –: „Diese Sa­che tut uns und dem Land nicht gut. [...] Wir haben diese Dinge jahrzehntelang im Dia­log der Sozialpartner gelöst.“ (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Erwin Zangerl (Bundesrat Brunner: Das haben wir schon von vier Kollegen gehört! – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), schwarzer AK-Präsident in Tirol, sagt – Zi­tat –: „Offenbar dient dieser Initiativantrag [...] ausschließlich dazu, Arbeitgebern die ge­setzliche Grundlage zu bieten, um Arbeitnehmer über längere Zeiträume hinweg bis zu 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich [...] beschäftigen zu können.“

Ich staune selber schon, mit welcher Heftigkeit sich eure eigenen Parteikollegen da zu Wort melden. Das zeigt mir, dass Sie da ordentlich etwas ins Rutschen bringen. (Neu­erlicher Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Das werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, von den Menschen noch zu spüren bekommen, weil sie diesen Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung nicht akzep­tieren werden. Es ist heute schon angeklungen: 250 Millionen Überstunden wurden vergangenes Jahr geleistet, 45 Millionen davon unbezahlt.

Studien belegen, dass der Arbeitsdruck enorm zunimmt, dass die Burn-out-Raten stei­gen. Sagt uns und den Menschen: Wo wollt ihr da noch hin?! Und sagt den Menschen ehrlich ins Gesicht, was ihr damit wollt! – Ihr wollt den ungehinderten Zugriff auf die
11. und 12. Stunde. Ihr wollt die Ausweitung der Sonntagsarbeit. Ihr wollt mehr aus den Menschen herauspressen, als gesund ist.
(Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra-
tes Stögmüller.)

Eure halbherzigen Argumente sind heute nicht mehr erträglich. (Bundesrätin Schulz: Sind Sie ein Arbeitgeber?) Zeigt mir einen konkreten Auftrag in einem Unternehmen in Österreich, der in den letzten Jahren nicht mit den jetzigen Arbeitszeitregelungen abge­arbeitet werden konnte! (Ruf bei der ÖVP: Ja, aber illegal! Kapierst du das nicht?) – Welcher? Kein einziger Auftrag ist heute genannt worden! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Alleine in der Voest existieren mehrere Dutzend Arbeitszeitmodelle. (Abg. Bader: Aber die KMUs haben das nicht!) Es gibt Hunderte befristete Betriebsvereinbarungen, um Auftragsspitzen abzuarbeiten. Es geht euch schlicht und einfach um Folgendes: auf die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen pfeifen, auf die Rechte der Betriebsräte pfeifen! Es geht euch um den größtmöglichen Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Und eure Freiwilligkeit – seid mir nicht böse –, die ist nichts wert. Sie haben den Men­schen nämlich nicht gesagt, dass der Pseudofreiwilligkeit, mit der Sie da dauernd argu­mentieren, noch etwas ganz anderes entgegensteht, nämlich die Kündigungsmöglich­keit ohne Angabe von Gründen durch den Unternehmer. Eure Freiwilligkeit ist lächer­lich. Das nimmt euch niemand ab. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


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Folgendes würde mich schon interessieren: Wie lange darf denn jemand Nein sagen zur 11. und 12. Stunde? Wie oft? Sagen Sie uns das, Herr Kollege Bader! Einmal, zwei­mal, fünfmal? Wann ist der Punkt erreicht, an dem der Arbeitgeber sagt: Stopp, das ist Arbeitsverweigerung, du bist weg? (Bundesrätin Schulz: Sie wiederholen die Wieder­holung!) – Das ist die Realität. Das ist die Wahrheit. (Bundesrat Bader: Hast du eine Ahnung vom Arbeitsmarkt ...?) Die Menschen werden das nicht in Anspruch nehmen können – aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren! (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ich frage Sie, Herr Kollege Bader, da Sie schon so engagiert mit mir mitdiskutieren: Wer sitzt denn da am längeren Ast? Ist es der Arbeitnehmer, der vom Arbeitsplatzver­lust bedroht ist (Zwischenruf des Bundesrates Bader), da wir insgesamt 60 000 offene Stellen, aber 380 000 arbeitslose Menschen haben? Wer sitzt da am längeren Ast, Herr Kollege Bader? Sag mir das! (Beifall bei der SPÖ.)

Und da hilft euer Pseudokündigungsschutz im Gesetz nichts. Im Abänderungsantrag steht natürlich die Möglichkeit zur Kündigungsanfechtung drin, aber da ist nicht viel mehr Fleisch dran, als dass man einfach das bestehende Arbeitsverfassungsgesetz nachgemalt hat, denn die Kündigungsanfechtung bedeutet da: Man wird zuerst gekün­digt, und dann kann der Arbeitnehmer vor Gericht ziehen und muss dort beweisen, dass seine Kündigung mit der Verweigerung der 11. und 12. Stunde zu tun hatte. – Kün­digungsschutz ist etwas ganz anderes. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das ... die Unternehmer nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen (Bundesrätin Schulz: Für die Unternehmer sind die Mitarbeiter das höchste Kapital!), wenn man da jetzt ein bissl die Luft herausnimmt – und das versuche ich jetzt auch –, dann erkennt man, dass es in Wahrheit nicht um ein Match hier herinnen geht. Es geht auch nicht darum, dass man von eurer Seite einmal der Gewerkschaft eins auswischt oder uns als SPÖ ordentlich hineintunkt. Ich meine, ich kann mir die Grinsegesichter im Machtzirkel rund um Sebastian Kurz schon vorstel­len. Ich kann es mir auch vorstellen, dass die alle mit Champagner und Aperol Spritz irgendwo in der Innenstadt anstoßen. (Widerspruch bei ÖVP und FPÖ.) Man muss aber unserem Bundeskanzler schon einmal eines deutlich sagen (Ruf bei der FPÖ: Sehr sachlich, Herr Kollege!): Da geht es jetzt nicht mehr um die Schülerunion oder um die Junge Volkspartei, sondern da geht es jetzt wirklich um mehr!

Längere Arbeitszeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen (Zwischenruf bei der ÖVP), die werden unser Land verändern: Es bleibt weniger Zeit für die Familie. Es bleibt weniger Zeit für Ehrenamt (Bundesrat Krusche: Das haben wir heute schon hundertmal ge­hört!), für Vereine, für die Feuerwehren in unseren Regionen. Es bleibt weniger Zeit, um Mensch zu sein und gesund zu bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich dann höre: Die Menschen wollen das doch, die wollen etwas leisten und sich etwas aufbauen!, dann sage ich: Ja, wir Jungen wollen uns etwas aufbauen – das stimmt –, und wir wollen auch ordentlich verdienen, aber wir wollen mit 40 Stunden Ar­beitszeit einen ordentlichen Lohn kriegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen unsere Kinder aufwachsen sehen, wir wollen Zeit mit ihnen haben, und wir wollen nicht, dass nur mehr ein Teil der Familie arbeiten kann. Ich meine, es ist ja abenteuerlich und nicht mehr zu glauben (Bundesrätin Schulz: Es ist abenteuerlich, was Sie erzählen! Abenteuerlich!), dass Sie die Mittel für die Kinderbetreuung kürzen. In Oberösterreich werden Nachmittagsgruppen wegen der Nachmittagsgebühren ge­schlossen. Sie aber reden dann vom flexiblen Arbeiten. Fällt euch dieser Irrsinn irgend­wie auch noch selber auf? – Es ist unglaublich! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit ich meine 10 Minuten einhalte, komme ich zum Schluss. Man kann das Ganze in Wahrheit nicht besser zusammenfassen als mit diesen zwei Stellungnahmen, die bei


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uns eingegangen sind und die ich Ihnen noch ans Herz legen will. Die eine ist von der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung Oberösterreich, die schreibt, Papst Fran­ziskus weist „auf die Gefahr hin, dass unsere Art des Wirtschaftens zu Ausbeutung und Ausgrenzung führt – mit der präsentierten Regelung passiert genau dieses: Im Inter­esse von Profit und Gewinn werden die Rechte der Schwächsten in unserer Gesell­schaft beschnitten.“ (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stög­müller. – Bundesrat Schuster: Seit wann seid ihr so für die Kirche?)

Die zweite Stellungnahme ist jene der Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Dienstnehmer. Darin steht, dass dieses Gesetz den Prinzipien der Soziallehre der katholischen Kirche widersprechen wird und dass das Gewinnstreben und die Unternehmerziele über die Würde der Beschäftigten gestellt werden. – Amen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

15.05


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. Ich erteile es ihm.


15.05.49

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Sehr ge­ehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Das, was die SPÖ jetzt hier macht, ist sehr durchschaubar. Die Tagesordnung wäre wahrscheinlich schon lange abgearbeitet. Es haben sich zu diesem Tagesordnungspunkt anfangs, glaube ich, 16 oder 18 Redner gemeldet, inzwischen stehen wir bei 26, 27 oder 28. (Bundesrat Krusche: 27!) 13 davon waren von der SPÖ. (Bundesrat Stögmüller: Demokratie braucht halt länger!) – Nein, nein, das ist in Ordnung, das ist in Ordnung. Ich sage das nur, damit auch die Damen und Herren zu Hause verstehen, was die SPÖ hier macht. (Beifall bei BundesrätInnen von FPÖ und ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Es geht rein nur darum, das hinauszuzögern und hier weiter Regierungsbashing zu be­treiben – nicht mehr und nicht weniger ist das! (Bundesrat Stögmüller: Mein Mitleid hält sich in Grenzen!) Das, was Sie hier abziehen, meine Damen und Herren von der SPÖ, und die Art, wie Sie es machen, ist meiner und auch unserer Meinung nach un­würdig für dieses Haus und in Wahrheit eine Schande. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Schennach: Eine Debatte ist eine Schande? – Bundesrat Stögmüller: De­mokratie ist eine Schande? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen Sie, ich habe es Ihnen gestern schon einmal erklärt: Sie können schreien, so viel Sie wollen, ich stehe am Mikrofon, mich hört man, Sie hört man nicht. Man sieht nur, wie Sie sich benehmen: wie kleine Kinder! Das ist alles. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Alles, was Sie machen, machen Sie aus einem politischen Kalkül heraus. Da Sie selbst anscheinend zu Selbstreflexion nicht fähig sind, werde ich Ihnen sehr gerne den Spie­gel vorhalten. Sie übersehen bei dem, was Sie machen, eines: Es geht Ihnen über­haupt nicht um die Österreicher, überhaupt nicht. (Widerspruch bei der SPÖ.) – Nein, um sie ist es Ihnen noch nie gegangen. Das haben Sie in der Vergangenheit oft genug bewiesen, denn für den Zustand, den wir heute in unserem Land haben, sind Sie zu 90 Prozent verantwortlich. So schaut es aus. (Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.) – Genau, so schautʼs aus!

Sie verlieren komplett aus den Augen, worum es geht, nämlich dass wir hier sind, um das Beste für die Österreicher herauszuholen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das verlieren Sie komplett aus den Augen. Und wissen Sie, was ich noch glaube – da­von bin ich eigentlich persönlich überzeugt –: Sie verlieren sogar aus den Augen, was das Beste für die SPÖ ist (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), denn das, was Sie machen, ist es mit Sicherheit nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)


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Oppositionspolitik bedeutet etwas ganz anderes. Was machen Sie? – Sie benehmen sich wie ein trutziges Kind, das nur die Sandburg des Nachbarkindes zerstören will, weil es selber es nicht geschafft hat, eine schöne Sandburg zu bauen. (Bundesrätin Grimling: Sandburg ...!) Genau das machen Sie jetzt. Opposition bedeutet Arbeit, viel Arbeit und Kontrolle. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das machen Sie nicht. Selbst gute Vorschläge einzubringen, das machen Sie nicht. Ihnen geht es nur ums Zerstören!

Es ist bezeichnend, meine Damen und Herren von der SPÖ (Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Grimling und Schennach), dass unter SPÖ-Bildungsministerinnen in den letzten Jahren im Bereich der Bildung alles den Bach runtergegangen ist, was man er­kennt, wenn man sich die Jahre davor anschaut. Zu Ihnen, meine Damen und Herren der SPÖ, kann ich nach dem heutigen Auftritt bei diesem Tagesordnungspunkt nur sa­gen: Sie haben es eindeutig nicht verstanden – setzen, Fünf! (Beifall bei der FPÖ so­wie des Bundesrates Bader. – Bundesrätin Dziedzic: Wann sind denn Sie Lehrer ge­worden?!)

Alles, was die SPÖ heute hier kritisiert, ist nichts anderes als Ihr (in Richtung SPÖ) Versagen der letzten Jahre. Sie haben immer wieder angekündigt, immer wieder ver­sprochen; und was haben Sie umgesetzt? – Nichts. Diese Regierung setzt um (Bun­desrat Weber: Aber das Falsche!), und das stört Sie jetzt, weil diese Regierung mit der Blockadepolitik aufhört, die die SPÖ ganz offensichtlich die letzten Jahre gelebt hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Am besten gefällt es mir immer wieder, wenn sich jemand von der SPÖ dann hierhin stellt und erklärt, was die Körpersprache, die Gestik und die Mimik von dem einen oder anderen bedeuten soll und was nicht. – Meine Damen und Herren, Sie schauen zu viel „The Mentalist“. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Weber: Kenn den gar nicht!) Ich meine, ich schaue das auch gerne, Patrick Jane ist echt gut. Sie können das aber anscheinend nicht; das alles sind Unterstellungen, die Sie hier bringen. (Bundes­rätin Grimling: Wir reden jetzt aber schon zum Thema!)  Genau.

Zum Thema: Sie versuchen mit diesen Dingen, die Demokratie auszuheben – nicht mehr und nicht weniger. (Bundesrat Koller: Ist das undemokratisch?) – Ja, genau, es ist undemokratisch. (Bundesrätin Grimling: Aha! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der Herr Vizekanzler hat das heute auf den Punkt gebracht, man kann einen schönen Bogen darüber spannen: vom Silberstein zum Pflasterstein! – Da kann ich Ihnen nur auf den Weg mitgeben: Wehret den Anfängen! (Beifall und Bravorufe bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Wehret den Anfängen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.10


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


15.10.53

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! (Bundesrat Steiner: Das Pickerl fällt gleich herunter! – Der Redner befestigt den Aufkleber mit der rot durchgestrichenen Zahl 12 am Revers seines Sakkos.) – Danke! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause! Es sind sehr viele der Zuschriften, die wir erhalten haben, schon von meinen Kollegen und von Korinna Schumann vorgelesen worden. Für den Anfang habe ich mir auch eine he­rausgesucht; darin steht, dass Österreich sehr erfolgreich war, weil sozialer Friede ge­herrscht hat und – Frau Zwazl ist ja immer wieder darauf eingegangen – man versucht hat, die Sozialpartnerschaft in den Vordergrund zu stellen und gemeinsam zu verhan­deln.


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Du (in Richtung Bundesrätin Zwazl) hast sicher recht, aber in diesem Fall ist es nicht passiert oder es ist nicht zu Ende geführt worden, sonst würden wir heute nicht da­stehen (Bundesrat Schuster: Ihr, die Gewerkschaft, seid aufgestanden vom Ver­handlungstisch! – Gegenrufe bei BundesrätInnen der SPÖ), wie wir dastehen, und nicht diskutieren, wie wir diskutieren. Eines, Herr Kollege Spanring, möchte ich Ihnen schon mitgeben: Wir hebeln keine Demokratie aus! Das ist das Letzte, was Sozialde­mokraten in dieser Republik machen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wogegen wir uns aber verwehren, ist, dass uns die Diskussion verweigert wird – da­gegen verwehren wir uns –, sei es im Nationalrat, sei es in den Ausschüssen, sei es hier im Bundesrat. (Bundesrat Krusche: Wir diskutieren schon über 4 Stunden!)  Denk bitte einmal nach, lieber Kollege Krusche! Was im Nationalrat passiert ist, brau­che ich, glaube ich, nicht weiter auszuführen. Zu debattieren – auch das möchte ich Herrn Spanring noch einmal sagen – ist keine Schande. Ich glaube, dass man disku­tieren sollte; und wenn wir heute einmal ein bisschen länger diskutieren, dann ist das halt einmal so. Schlussendlich sind wir Demokraten in diesem Staat und versuchen, für unsere Bürgerinnen und Bürger das Beste zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Schuster.)

Da ich jetzt mehr oder weniger am Schluss dieser Debatte rede und zusammenfasse, was alles gesagt wurde, stelle ich fest, dass es schon immer wieder der 12-Stunden-Tag gewesen ist, der im Vordergrund gestanden ist. Es ist auch darum gegangen, dass man die Pausen und die An- und Abreise dazuzählt – das ist sehr ausführlich mit einer Stundenabfolge erzählt worden –, und da ich mir darüber auch schon Gedanken ge­macht habe, glaube ich, dass wir in Zukunft unter Umständen von 16 bis 17 Stunden reden müssen. Wenn man nämlich diese Zumutbarkeitsregel unter Umständen auch aushebelt, sodass es dann hinten und vorne je 2 Stunden sind, dann stehen wir bei diesen 17 oder 18 Stunden.

Es ist heute auch immer wieder die Frage gestellt worden: Was passiert denn dann mit den Familien oder jenen Menschen, die gepflegt werden müssen (Ruf bei der SPÖ: Dafür gibt es Facebook!), und vor allem dem Ehrenamt? Dazu möchte ich als Bürger­meister auch kurz Stellung nehmen: Beim Ehrenamt als solchem, wie es eine Tätigkeit bei der Bergrettung, der Feuerwehr oder auch bei vielen anderen Vereinen ist, das dann gepflegt werden muss, haben wir halt schon ein Problem.

Ich möchte auch etwas zu dem sagen, was Herr Seeber gesagt hat: Ich habe nicht gemeint, dass jeder Mensch 12 Stunden arbeiten muss; ich habe nur ein Beispiel ge­nommen. Folgendes wollte ich auch sagen – das ist heute bereits gefallen –: Ich habe einfach das Gefühl, dass es dann halt ein paar Leute geben wird, die das nicht ma­chen, und dass sie, wenn sie es unter Umständen zwei-, dreimal nicht tun, wenn es der Chef von ihnen verlangt, in weiterer Folge nach Hause geschickt oder gekündigt wer­den.

Was mich beim Thema Bergrettung und Ehrenamt ärgert, ist, dass ÖVP und FPÖ den SPÖ-Antrag abgelehnt haben, dass man für jene Menschen, die sich freiwillig dafür einsetzen, die anderen aus der Not helfen und Leben retten, eine Lohnfortzahlung si­cherstellt. Das passt da ganz gut dazu und ist nicht vertretbar. Wir vertreten eine ganz andere Ansicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit komme ich auch noch zu den Kindergärten: Wie soll denn das wirklich sein? – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, es wurde von Ihnen diesbezüglich vieles bejaht, und dann wurde diese Liste gezeigt, aus der hervorgeht, dass es in Wien und in Kärnten die längsten Kindergartenöffnungszeiten gibt, es aber dann steil nach unten geht. Da sollten wir uns verbessern, das wissen wir ohnehin alle. Die Frau Bundesmi­nisterin sagt aber – und da bin ich mir jetzt nicht so sicher –, dass die 140 Millionen Eu-


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ro, die immer Richtung Land gezahlt worden sind, um 30 bis 50 Millionen Euro redu­ziert werden sollen. Im Hinblick auf dieses Gesetz ist das nicht richtig. Ich glaube, das ist auch ein Fehler. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Vizekanzler hat zwar vehement versucht, zu relativieren, dass der Mindestur­laub von 5 Wochen auf 4 Wochen geändert werden soll, aber das ist einfach bei Ihnen als Regierungsparteien in Diskussion. Und ich bin da schon vorsichtig, wenn etwas in Diskussion ist, denn dann passiert es am nächsten Tag, dass es umgesetzt wird. Wir sind halt auf der Lauer und versuchen, das Ganze irgendwie zu thematisieren. Wenn es nicht kommt: Gott sei Dank! Sie würden das jedenfalls nicht überleben, denn den Menschen eine Woche Urlaub wegzunehmen, das wäre wahrscheinlich nicht der rich­tige Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde heute schon gesagt – ich möchte gar keine Namen nennen –, und ich habe ein bisschen geschmunzelt, als ich das in der Zeitung gelesen habe, dass einerseits die Arbeitnehmervertreter der ÖVP sehr viel Kritik am Bundeskanzler üben und ande­rerseits der eine oder andere FPÖ- Arbeiterkammerfunktionär seiner Partei den Rü­cken kehrt.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss muss ich schon ein paar Dinge zur Rede meines Kollegen Josef Ofner sagen – er ist mittlerweile zurückgekehrt –, weil er das Land Kärnten so hingestellt hat, als würde dort alles falsch laufen. Wir haben dort eine satte Mehrheit – das ist halt einmal so –, die Wähler haben uns gewählt, und wir versu­chen, umzusetzen – keine Frage! Dass es in der Vergangenheit für uns schwierig war, liegt auch an der Situation der Hypo – das wissen wir –, aber ich glaube, wir sind alle auf einem guten Weg.

Die Glaubwürdigkeit, die angesprochen wurde, ist schon ein bisschen erschüttert; jetzt ist der Herr Vizekanzler leider nicht da. Ich bin hier heraußen gestanden und bin von euch wirklich geprügelt worden, was das Thema Ceta anbelangt. Der Herr Bundes­kanzler hat dann aber genau das getan, wofür wir hier plädiert haben: Er wird das EuGH-Urteil abwarten, bevor er das unterschreibt. (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Der Bun­despräsident! – Bundesrat Krusche: Ist ja eh das Gleiche!) – Bundespräsident, Ent­schuldigung! Das Gleiche geschieht in Deutschland.

Jetzt muss ich schon Folgendes feststellen – lieber Kollege, ich glaube, du bist ja so wie ich auch Bürgermeister –: Wenn man uns sagt, dass es uns an Glaubwürdigkeit fehlt, dann müsste ich auch sagen, was Herr Strache schon alles an Glaubwürdigkeit verloren hat (Zwischenruf des Bundesrates Schuster) – alleine mit der Unterschrift unter Ceta, alleine im Zusammenhang mit der Volksabstimmung zum Nichtraucher­schutz. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Alles, was dazuge­hört, ist leider Gottes nicht eingetroffen. Deshalb rede ich jetzt gar nicht mehr von die­sen ganzen Sozialkürzungen, die da passiert sind, wie jener bei der Aktion 20 000.

Eines möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch sagen, und, Frau Bundesminis­terin, da geht es um die AUVA, die Kabeg und Ihre Unterschrift, die fehlt (Bundesminis­terin Hartinger-Klein: Ja ...!) – ich sage es ja nur –: Die (in Richtung Bundesrat Ofner) Kollegen im Kärntner Landtag, Herr Darmann und Herr Leyroutz, haben das folgender­maßen hingestellt: Ihr Sozialdemokraten braucht keine Sondersitzung des Landtages zu machen, weil die Frau Bundesministerin das sowieso unterschreibt. – Frau Bundes­ministerin, Sie haben das bis heute noch nicht unterschrieben. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.) Ich fordere Sie einfach auf: Unterschreiben Sie das! Ich bitte Sie, das zu unterschreiben, damit wir dann nicht auch sagen müssen, was bereits gesagt wurde: dass es an Glaubwürdigkeit fehlt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Meine Damen und Herren! Meine Redezeit geht schon zu Ende. Es gäbe noch viel zu sagen, und es wurde auch schon viel gesagt. (Bundesrat Schuster: Wer nicht mit der


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Zeit geht, geht mit der Zeit!) Ich hoffe, dass wir noch auf einen gemeinsamen Nenner kommen, allein mir fehlt der Glaube.

Ich möchte zwei Anträge einbringen:

Antrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 54 Abs. 4 GO-BR auf geheime Abstimmung

Die unterzeichneten BundesrätInnen beantragen hinsichtlich des Antrags auf Erhebung eines Einspruchs über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A sowie 9997/BR d.B. und 10024/BR d.B.), eine geheime Abstimmung.

*****

Antrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 54 Abs. 4 GO-BR auf geheime Abstimmung

Sollte der Antrag auf Erhebung eines Einspruchs über den Beschluss des Nationalra­tes vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A sowie 9997/BR d.B. und 10024/BR d.B.), keine Mehrheit bekommen, so bean­tragen die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeit­gesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert werden (303/A sowie 9997/BR d.B. und 10024/BR d.B.), eine geheime Abstim­mung.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.21


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile es ihm.


15.21.28

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Herr Prä­sident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause! Schwere Ge­burten ergeben meistens schöne Kinder. (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.) Ich glaube, wir werden heute ein schönes Kind, ein gutes Gesetz auf die Welt bringen.

Ich erinnere mich noch an die Privatisierung der Voest: Als die Voest privatisiert wurde, war das auch eine schwere Geburt. Die Voest hat 11,3 Milliarden Euro Umsatz. Da­mals war die SPÖ massiv dagegen. Der Wahlkampf in Oberösterreich war von der Voest-Debatte dominiert – und heute sehen wir, die Voest ist ein Erfolgsprojekt. Ebenso war es bei KTM und bei der Amag. Wir haben hier wirklich eine Vorreiterrolle gespielt, damals auch in der Koalition mit der Freiheitlichen Partei, und es ist gut ge­gangen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 106

Es werden jetzt viele Themen hereingespielt. Es heißt, dass die fünfte Urlaubswoche gefährdet ist. Wir haben vom Herrn Vizekanzler gehört, sie ist nicht gefährdet. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Bitte, bleiben Sie sachlich, bleiben Sie beim Thema!

Sie bringen immer wieder Beispiele von Einzelpersonen. Ich kann drei, vier Beispiele von Einzelpersonen bringen: In einer Baufirma wird 10 Stunden gearbeitet. Der Mitar­beiter ist selbst Meister – er muss sich dann als Selbstständiger anmelden. Wer kriti­siert das? – Ich kenne da einen Arbeiterkammerpräsidenten in Oberösterreich, der heißt Kalliauer, der sagt: Schwarzarbeit! – In Wirklichkeit war es keine Schwarzarbeit, denn er hat dann selbstständig noch 5 Stunden gearbeitet und hat insgesamt 15 Stun­den gearbeitet. Ist das sinnvoll?

Zweites Beispiel ist ein Tischler: Montage in Südtirol, das Projekt muss fertig werden, er kann es aber leider nicht fertig machen und am Donnerstag nach Hause fahren, sondern muss am Freitag für 3 Stunden noch einmal die Arbeit aufnehmen und kommt am nächsten Tag erst am späten Nachmittag oder am Abend nach Hause.

Im Handel: Zu Weihnachten wird entsprechend konsumiert, somit wird bei den Fleisch­hauern und in den Fleischfabriken mehr gearbeitet, auch im Bereich der Lebensmittel­produktion. Wie war es da in der Vergangenheit? – Man hat die Zeit irgendwo gutge­schrieben, in Wirklichkeit ist man in krimineller Aktion unterwegs gewesen. Jetzt wird das auf eine rechtliche Basis gestellt.

In diesem Sinne haben wir, denke ich, zum Thema Rechtssicherheit sehr viel gemacht, und ich kann nur sagen, ich glaube, wir sind hier gut unterwegs. Wenn wir weltweit schauen: Es wird sich viel verändern, und es hat sich schon viel verändert. Wir be­finden uns in einem globalen Markt, und wenn wir für den Markt nicht entsprechend ausgerichtet und gerüstet sind, wird es uns so gehen wie Marie Antoinette, die zu den Franzosen gesagt hat, wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen.

Wir wollen den Menschen keinen Kuchen geben, sondern wir wollen ihnen Zukunft ge­ben und schauen, dass sie ein Auskommen mit dem Einkommen haben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.24

15.24.24


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen vor, ge­gen den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu er­heben.

Es liegt weiters ein Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung über diesen Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss Einspruch zu erheben, vor.

Ich lasse daher zuerst darüber abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundes­räte, die dem Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung gemäß § 54 Abs. 4 der Geschäftsordnung zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag, gegen den Beschluss Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 107

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch dazu liegt ein Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung über den in Verhandlung stehenden Antrag vor.

Ich lasse darüber abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung gemäß § 54 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir kommen daher zum Antrag des Ausschusses, gegen den Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rechtsanspruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitguthaben“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „gerechte Erreichbarkeit einer 6. Urlaubs­woche“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

15.27.223. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Ver­tragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstge­setz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflich­tungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungs­gesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bun­desbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundespensionsamtüber­tragungs-Gesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertre­tungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Bundes-Bediensteten­schutzgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Poststrukturgesetz, das Aus­landszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Militärberufsförderungsge­setz 2004, das Heeresgebührengesetz 2001, das Zivildienstgesetz 1986, das Um­setzungsG-RL 2014/54/EU und das Bundeshaushaltsgesetz 2013 geändert wer­den und das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz aufgehoben wird (Dienst­rechts-Novelle 2018) (196 d.B. und 228 d.B. sowie 9994/BR d.B. und 10011/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 108

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Michael Raml. Ich bitte um den Bericht.


15.27.40

Berichterstatter Mag. Dr. Michael Raml: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Ich erstatte Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbe­dienstetengesetz 1948 sowie weitere Bundesgesetze geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2018).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher direkt zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. Ich erteile es ihm.


15.28.30

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Dienstrechts-Novelle 2018.

Vorweg möchte ich mich an dieser Stelle bei allen öffentlich Bediensteten für das, was sie jeden Tag für unsere Republik leisten, aufrichtig und herzlich bedanken. Oftmals unbedankt, oftmals zu Unrecht gescholten – aber seien Sie versichert, meine Damen und Herren, wir wissen, was Sie tagtäglich leisten! Sie sind wichtige Pfeiler, Sie sind tragende Säulen, die unsere Republik in ihren jeweiligen Bereichen verwalten, für Si­cherheit und Ordnung sorgen und unser Land mit bestem Wissen und Gewissen nach den gesetzlichen Vorgaben verändern und verbessern.

Ein Danke möchte ich auch dieser Regierung aussprechen, die mit der Umsetzung die­ser Dienstrechts-Novelle die Wertschätzung gegenüber allen öffentlich Bediensteten zum Ausdruck bringt, allen voran natürlich unserem Vizekanzler und Minister für öffent­lichen Dienst, Heinz-Christian Strache. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mit dieser Dienstrechts-Novelle 2018 werden längst überfällige Verbesserungen für Be­amte und Vertragsbedienstete umgesetzt: Zum einen betrifft das das Wachebediens­teten-Hilfeleistungsgesetz, eine urfreiheitliche Forderung, die übrigens im Jahr 2000 unter Schwarz-Blau ins Leben gerufen wurde und damals natürlich eine massive Ver­besserung für die Kollegen und auch eine Absicherung für die Wachebediensteten dar­gestellt hat. Aus dieser Kann- wird nun eine Istbestimmung, und dieses Gesetz wird in das Gehaltsgesetz eingegliedert. Somit müssen wir künftig hoffentlich keine tragischen Einzelfälle mehr erleben, bei denen öffentlich Bedienstete in Ausübung ihrer dienstli­chen Pflichten schwer verletzt werden oder vielleicht sogar versterben und es keine Unterstützung vom Staat gibt. Oftmals haben dann Kollegen oder auch politische Par­teien – ich erinnere mich an mehrere Sammlungen unseres Vizekanzlers – Spenden­aktionen ins Leben gerufen. Das ist nicht mehr zeitgemäß und war in Wirklichkeit in der Vergangenheit schon eine Schande. Das wird nun repariert.

Was bedeutet das aber im Detail? – Die besonderen Unterstützungsregeln, die bisher für Wachebedienstete gegolten haben, gelten nunmehr für alle Bediensteten im öffent-


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lichen Dienst, für alle Beamten, alle Vertragsbediensteten und zukünftig auch für Prä­senz- und Zivildiener. Neben der Übernahme von Heilkosten und der vorläufigen Über­nahme von Entschädigungszahlungen und Schmerzengeld durch den Bund gibt es auch Leistungen in finanzieller Hinsicht für Hinterbliebene nach Dienstunfällen. Not­wendig ist das nicht nur deshalb, weil damit eine Gleichbehandlung beziehungsweise Gleichstellung aller öffentlich Bediensteten erwirkt wird, sondern notwendig geworden ist das auch aus dem Grund, weil inzwischen viel mehr Berufsgruppen als früher einer viel höheren Gefährdung ausgesetzt sind. Schauen Sie die Medien der letzten Tage oder Wochen durch! Da fallen mir einige Beispiele ein, etwa Lehrer, Rechtspfleger oder unlängst Gerichtsvollzieher.

Natürlich hoffen wir, dass so wenige Bedienstete wie möglich diese Unterstützung je­mals in Anspruch nehmen müssen, aber es ist gut, zu wissen, dass man, wenn einmal etwas passiert, nicht alleingelassen wird und dass der Staat hinter seinen Bediensteten steht.

Weiters werden mit diesem Gesetz auch die Einsatzzuschläge unserer Soldaten in Kri­sengebieten erhöht, diese sind nämlich schon lange nicht mehr zeitgemäß. Diese Ein­satzzuschläge werden den jeweiligen Bedrohungsszenarien vor Ort angepasst, und das ist auch notwendig, um weiterhin gut ausgebildete Soldaten für Einsätze wie zum Beispiel in Afghanistan oder in der Westsahara zu finden.

Meine Damen und Herren! Eines muss klar sein: Wer Besonderes leistet, der muss be­sonders entlohnt werden. Und dafür stehen wir. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrä­tInnen der ÖVP.)

Für alle öffentlich Bediensteten wird es eine Präzisierung im Zusammenhang mit dem Verbot der Geschenkannahme geben. Diese ganz eindeutigen Klarstellungen und auch Vereinheitlichungen der Bestimmungen zum Verbot der Geschenkannahme, aber auch der Annahme von Vorteilen im Rahmen von Veranstaltungen, wie es passieren kann – sodass jeder nachlesen kann, was erlaubt und was verboten ist –, wird für alle Bediensteten zu mehr Rechtssicherheit führen.

Weiters steht zukünftig den Vertragsbediensteten eine Wiedereingliederungsteilzeit of­fen. Diese Regelungen sind an die entsprechenden Regelungen der Privatwirtschaft angepasst beziehungsweise diesen nachgebildet und sollen den schrittweisen Wieder­einstieg in den Arbeitsprozess nach einer längeren schweren Krankheit oder nach ei­nem schweren Unfall ermöglichen. Geldeinbußen, die durch diese vorübergehende Teil­zeit entstehen, werden durch Leistungen der Sozialversicherung ausgeglichen.

Alles in allem sind das sehr viele Verbesserungen und auch Klarstellungen. Einen Be­reich allerdings gibt es, der im Dienstrechtsgesetz leider nicht festgemacht werden konnte, nämlich die Anrechnung der Vordienstzeiten. Dies ist ein Bereich, der unter al­len öffentlich Bediensteten in der Vergangenheit zu sehr großem Unmut geführt hat. Wie kann ich das behaupten? – Ich war selbst viele Jahre im öffentlichen Dienst tätig und bin heute noch immer freigestellter Justizwachebeamter. Was die damalige rote Staatssekretärin Muna Duzdar da angerichtet hat, sucht seinesgleichen, meine Damen und Herren, nämlich im negativen Sinn. Viele Bedienstete fühlen sich durch das unter roter Kanzlerschaft umgesetzte Gesetz um ihr Geld betrogen, und, um ehrlich zu sein, ich habe das damals auch so empfunden.

Warum konnte die jetzige Regierung diesen Teil des Gesetzes nicht reparieren? – Weil diese roten Altlasten nun beim Europäischen Gerichtshof mittels zweier Verfahren an­hängig sind. Meine Damen und Herren von der SPÖ, da kann man von Flickschusterei, von Husch-Pfusch-Gesetzen oder von Hüftschussgesetzen oder Schnellschussgeset­zen reden. Das ist das beste Beispiel dafür.

Diese Reparatur, die dann auf uns zukommen kann und höchstwahrscheinlich auch auf uns zukommen wird, wird mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von 600 Millionen


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bis 3 Milliarden Euro beziffert. Die gute Nachricht daran ist: Ich kann Sie insofern beru­higen, als ich davon überzeugt bin, dass – sollte es notwendig sein, dieses Gesetz zu reparieren – diese Regierung das machen und den von der SPÖ verursachten Scha­den rasch reparieren wird. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

So wie die meisten hier herinnen schaue ich mir sehr gerne auch die Nationalratssit­zungen an, weil ja in den Nationalratssitzungen zuvor immer die Themen debattiert und die Gesetzentwürfe beschlossen werden, die dann zu uns in den Bundesrat kommen. Sehr interessant war dort die Rede von – Frau Staatssekretärin außer Dienst übri­gens – Muna Duzdar, die in der Debatte im Nationalrat vor einer Woche erklärt hat, man könne die eben bestätigte Arbeitszeitflexibilisierung – und auch heute haben wir es von der SPÖ einige Male gehört – nicht mit den Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst vergleichen. Ihre Begründung war, dass man als Beamter die Arbeits- und Freizeitblö­cke gut planen kann. (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh!)

Meine Damen und Herren! Wer solch eine Aussage tätigt, der disqualifiziert sich selbst. Niemand in Österreich muss – ich sage bewusst: muss – so viele Überstunden und Mehrstunden leisten, wie viele unserer Beamten das machen müssen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Warum? – Weil das Beamtensystem unter roter Kanzlerschaft immer wieder ausgehungert wurde. Darum können wir dankbar sein, dass so jemand wie die Staatssekretärin außer Dienst keinen weiteren Schaden mehr bei den öffentlich Bediensteten anrichten kann und dass die öffentlich Bediensteten endlich in guten Händen sind – bei unserem Vizekanzler. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Diese Gesetzesnovelle ist richtig und wichtig, und deshalb werden wir diese gerne un­terstützen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.38


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Oberlehner. Ich erteile es ihm.


15.38.16

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den TV-Geräten! Nach der sehr intensiven und emotionalen Diskussion zur Arbeitszeitflexibilisierung ist es an­genehm, jetzt zu einem etwas weniger spannenden Thema reden zu dürfen. Es mag ein guter Zufall sein und ich gratuliere denen, die die Tagesordnung erstellt haben, dass wir jetzt, nachdem wir über die Arbeitszeitflexibilisierung gesprochen haben, über eine Gruppe sprechen, für die 13 Stunden Arbeitszeit am Tag schon längst normal sind, nämlich über den öffentlichen Dienst. (Ruf bei der FPÖ: 24 Stunden!)

Ich bitte auch, mir zu verzeihen, wenn ich jetzt ein paar Dinge wiederhole, die der Kol­lege vor mir schon angesprochen hat, aber auch das sind wir heute aus der vorange­gangenen Debatte schon gewohnt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die vorliegende Dienstrechts-Novelle 2018 enthält eine ganze Reihe von Verbesserun­gen, die zum Teil schon sehr lange diskutiert und auch verhandelt werden. Für die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, was natürlich auch mich als Funk­tionär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst sehr, sehr freut, geht es dabei um wichtige Verbesserungen. All diese Verbesserungen sind zweifellos auch eine Wertschätzung für die Arbeit der öffentlich Bediensteten in Österreich und für die Leistungen, die sie den ganzen Tag und das ganze Jahr über für die Bevölkerung erbringen.

Gerade in einer sehr schnelllebigen Zeit – ich glaube, wir alle sind uns darin einig, dass wir derzeit eine sehr schnelllebige Zeit erleben – ist es besonders wichtig, dass es


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auch Stabilität und Ordnung im Staat gibt, denn das gibt den Menschen auch Sicher­heit.

Zweifellos ist der öffentliche Dienst in unserem Staat ein Stabilitätsfaktor, auf den man sich immer und überall verlassen kann. Ich darf an dieser Stelle auch allen öffentlich Bediensteten ein herzliches Dankeschön sagen und allen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern im öffentlichen Dienst für ihre Leistungen, die sie für die Bevölkerung unseres wunderschönen Landes erbringen, danken. Ich glaube, man kann es nicht oft genug sagen: Ohne die Leistungen des öffentlichen Dienstes würden wir lieb aussehen. Ich danke allen, die das leisten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wie schon gesagt: In der vorliegenden Dienstrechts-Novelle sind zahlreiche Verbesse­rungen enthalten; ein paar, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind, möchte ich hier kurz ansprechen.

Da ist einmal – es wurde auch vom Vorredner schon angesprochen – die Wiederein­gliederungsteilzeit für Vertragsbedienstete. Hinter diesem sehr sperrigen Wort verbirgt sich die Möglichkeit, dass man nach längerer Krankheit oder nach einem Unfall, der ei­nen sehr langen Krankenstand nach sich gezogen hat, wieder schrittweise in die Ar­beitswelt zurückkommen kann. Die Privatwirtschaft kennt so eine Regelung schon sehr, sehr lange, es ist schön und erfreulich, dass es nach intensiven Verhandlungen jetzt gelungen ist, so eine Regelung auch für die Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst einzuführen.

Selbstverständlich wird es das nächste Ziel sein, dass man auch für die Beamten so eine Regelung schafft. Ich bedanke mich schon jetzt beim Herrn Vizekanzler dafür, dass er in seiner Rede im Nationalrat angekündigt hat, dass er sich das vorstellen kann und dass es dazu bereits erste sehr konstruktive Gespräche gibt.

Gerade für betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sehr schwierigen persönli­chen Situationen, wenn es um einen längeren Krankenstand und einen längeren Aus­fall geht, ist diese Regelung – ich glaube, das kann man sich vorstellen – eine sehr, sehr wichtige und eine wesentliche Verbesserung, weil sie eben eine gute Möglichkeit bietet, wieder in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Ich denke, das ist für alle Betroffenen wirklich wichtig.

Ein Kriterium dafür ist, dass die Dienstverhinderung mindestens sechs Wochen gedau­ert hat. Die Wiedereingliederungsphase kann ein bis sechs Monate dauern, einmal kann man diese Phase sogar auch noch verlängern. Ganz wichtig ist natürlich auch, dass es dafür eine garantierte finanzielle Absicherung des Staates gibt, die gesetzlich geregelt ist, damit sich niemand Sorgen um seinen Lohn machen muss.

Ein sehr wichtiger Teil dieser Dienstrechts-Novelle ist aber auch die Eingliederung des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes in das Gehaltsgesetz. Damit werden künf­tig für alle öffentlich Bediensteten, ob Vertragsbedienstete oder Beamte, die Bestim­mungen des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes und die dabei besonders fi­xierten Unterstützungsregeln gelten. Das ist darüber hinaus auch eine wesentliche Ab­sicherung zum Beispiel für Zivildiener und Präsenzdiener, die ebenfalls in diese Re­gelung fallen. Es ist sehr, sehr wichtig, dass auch sie diesen zusätzlichen Schutz ge­nießen können, sowohl Heilkosten als auch vorläufige Entschädigungszahlungen und Schmerzengeld werden dadurch künftig übernommen.

Besonders wichtig ist, dass es dabei auch umfangreiche, vor allem finanzielle Leistun­gen für Hinterbliebene nach Dienstunfällen gibt. Auch das hat mein Kollege schon ge­sagt: Natürlich wünschen wir uns, dass es Dienstunfälle nach Möglichkeit nie gibt und dass sie nie in dieser Schwere passieren, dass jemand dabei wirklich zu Schaden kommt. Die Wahrheit ist aber eben eine andere, Unfälle passieren immer wieder, daher


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ist es ganz wichtig, in solch schwierigen Fällen eine entsprechende Hilfe geben zu kön­nen. Die Republik Österreich kommt damit in Zukunft bei so schwierigen und tragi­schen Fällen ihrer Fürsorgepflicht besser nach, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Weitere Verbesserungen dieser Dienstrechts-Novelle betreffen Vertragsbedienstete mit befristeten Dienstverhältnissen, die Verlängerung der Familienhospizfreistellung, die Erhöhung der Einsatzzuschläge für Soldatinnen und Soldaten und die Antikorruptions­bestimmungen, die Gegebenheiten bei Geschenkannahmen beziehungsweise bei Teil­nahmen an Veranstaltungen klarer regeln, als das bisher der Fall war. Das trägt dazu bei, dass wir eine einwandfreie und vor allem korruptionsfreie Verwaltung haben, was für den Standort Österreich insgesamt und in der internationalen Betrachtung sicher sehr, sehr wichtig ist.

Ich bedanke mich daher auch an dieser Stelle namens der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, aber vor allem namens aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bei dir, lieber Herr Minister und Vizekanzler, und deinem Team und allen, die dazu beigetragen haben, dass diese Verhandlungen mit der GÖD erfolgreich waren und dass wir diese Verbesserungen schaffen können.

Ich wiederhole mich, ich sage es noch einmal: Es ist eine wichtige Wertschätzung für die MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst, wenn wir Verbesserungen dort schaffen, wo sie notwendig sind, und wenn sie bei den Mitarbeitern ankommen. Selbstverständ­lich werden wir daher seitens meiner Fraktion dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates gerne unsere Zustimmung erteilen.

Es mag ein glücklicher Zufall sein, dass ich gerade heute hier im Bundesrat noch ein­mal quasi zu einem meiner Spezialthemen, nämlich zum öffentlichen Dienst, reden durfte, denn es war mit großer Wahrscheinlichkeit für mich heute meine letzte Rede hier im Bundesrat. (Bundesrat Mayer: Haben wir extra gemacht!) 2018 ist offensichtlich das Jahr der großen Veränderungen im Bundesrat, und das einzig Beständige in un­serem Leben ist ja die Veränderung. Ich weiß, dass es im heurigen Jahr schon viele gegeben hat, die sich – aus welchen Gründen auch immer – aus dem Bundesrat weg­bewegt haben; auch heute werden noch andere etwas dazu sagen.

Politik ist aber – wie das Leben insgesamt, aber die Politik schon gar nicht – bekannt­lich kein Wunschkonzert, daher muss man sich manchmal auch Veränderungen stel­len, ob einem das lieb ist oder nicht. Ich darf mit September 2018 in den Oberöster­reichischen Landtag einziehen. Das ist eine Ehre und eine Freude, aber es ist nicht so, dass ich mich darum gerissen hätte (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ Vizekanzler Stra­che: Zweiter Bildungsweg!), das darf ich hier auch sagen.

Ich gehöre daher auch zu dieser langen Liste jener, die sich heuer schon vom Bun­desrat verabschiedet haben, und darf an dieser Stelle sagen, dass ich ein überzeugter Bundesrat war und immer noch bin. Ich freue mich, dass ich jetzt zumindest noch zwei Monate Bundesrat sein werde. Ich bedanke mich für die wirklich tolle Zeit, die ich hier verbringen durfte, für die Freundschaften, die sich entwickelt haben, vor allem aber auch für die gemeinsame politische Arbeit.

Mir ist es ganz wichtig, das auch hier zu sagen: Wer hier ist und hier arbeitet, weiß, dass der Bundesrat eine ganz wichtige politische Institution in unserer Republik ist, dass man die formelle Wirkung des Bundesrates durchaus verbessern könnte, dass die politische Wirkung aber eine ganz, ganz große ist, denn gerade der Bundesrat kann Aufgaben wahrnehmen, die vielleicht andere nicht in dieser Form wahrnehmen können, nämlich Vermittler und Verbinder zwischen Gemeinden, Ländern und dem Bund zu sein. Er kann aber vor allem auch überparteiliche Vermittlerrollen wahrneh­men, da wir hier, glaube ich, doch ein sehr gutes Miteinander haben.


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Auch wenn die heutige Diskussion vielleicht ein bisschen das Gegenteil bewiesen hat oder bald bewiesen hätte, so denke ich doch, dass auch in Zukunft der Bundesrat diese Funktion wahrnehmen wird. Ich bitte euch, im Sinne von Österreich hier in Zu­kunft das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, denn das braucht unser Land. Es ist ganz wichtig, dass es so eine Institution gibt.

So danke ich noch einmal für die wunderbare gemeinsame Zeit, ich durfte fünf Jahre hier sein. Es fällt mir noch sehr, sehr schwer, zu sagen, dass ich kein aktiver Bundesrat mehr sein werde, aber ich werde auch mit großem Stolz die Bezeichnung Bundesrat außer Dienst tragen. In diesem Sinne: alles Gute, viel Freude euch allen und dem Bun­desrat und der Republik Österreich alles Gute. Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

15.47


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Lieber Peter Oberlehner! Wir wünschen dir natürlich alles erdenklich Gute für deine Zeit im Oberösterreichischen Landtag. Der Oberösterreichische Landtag gewinnt einen kompetenten Abgeordneten, wir verlieren hier leider einen sehr angenehmen Kollegen. Alles Gute für deine Zeit im Landtag! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.


15.48.35

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Werter Vi­zekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen emotionalen Abschiedsworten und diesem Bekenntnis zum Bundesrat zu reden, ist sehr schwierig. Ich wünsche dir auch von dieser Stelle alles Gute für deine Zukunft. Es wird im Landtag nicht so schlecht werden. (Bundesrat Oberlehner: Danke!)

Jetzt einige Bemerkungen zu der vorliegenden Materie: Ich glaube, die wirklich ausge­zeichneten Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes muss man immer wieder betonen, denn sie werden in der öffentlichen Meinung manch­mal nicht gewürdigt. Darum ist es ganz wichtig, auch von dieser Stelle zu sagen: vielen Dank für diese tolle Arbeit!

In den Reihen der vielen Dienstrechts-Novellen hat diese jetzt einen besonderen Stel­lenwert. Sie beinhaltet viele begrüßenswerte Änderungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Man kann aber schon festhalten, dass ein Groß­teil der Materie bereits von der letzten Regierung vorverhandelt oder verhandelt wurde und diese Novelle ein bisschen spät kommt. Nichtsdestotrotz: Es sind viele sehr posi­tive Elemente drinnen – ich will jetzt nicht alles wiederholen, damit wir es nicht übertrei­ben –: die Wiedereingliederungsteilzeit, die Übernahme des Wachebediensteten-Hilfe­leistungsgesetzes in das Gehaltsgesetz, die Verlängerung der Hospizfreistellung für die Betreuung schwerstkranker Kinder; diese ist sicher beispielgebend, ohne Frage.

Die Verbesserung für Vertragsbedienstete mit befristeten Dienstverhältnissen mit 1.1.
2019 bedeutet, dass klargestellt wird, dass die Höchstdauer des Dienstverhältnisses von fünf Jahren auch in der Summe von mehreren getrennten Dienstverhältnissen gilt; dann jedoch endet das Dienstverhältnis, wenn keine Planstelle zur Verfügung steht. Diese Klarstellung ist für die Vertragsbediensteten natürlich enorm wichtig und soll missbräuchliche Vorgangsweisen verhindern, aber es bedarf einer Planstelle, um wei­ter beschäftigt werden zu können.

Das grundsätzliche Problem liegt in den Personaleinsparungen in der Verwaltung. Nur jede dritte Planstelle wird als Teilzeitstelle nachbesetzt, das bedeutet für die verblei­benden Mitarbeiter eine enorme Belastung. Die Kollegin, der Kollege ist weg, aber das


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betreute Aufgabengebiet bleibt erhalten und muss aufgeteilt werden. In allen Verwal­tungsbereichen herrscht eindeutig enormer Personalmangel.

Die Verwaltung ist leider in der letzten Zeit ein bisschen als Stiefkind behandelt worden und wird es mit der Nachbesetzung nur jeder dritten Planstelle auch weiterhin. Die Al­tersstruktur in vielen Dienststellen ist im Durchschnitt bereits auf 50 Jahre angestiegen. Da kann man sich vorstellen, wie die künftige Entwicklung ohne mögliche Nachbeset­zungen sein wird: Es folgt keine Wissensweitergabe, es folgt kein Wissensmanage­ment, dabei wird sich der öffentliche Dienst zukünftig im Wettbewerb mit der Privat­wirtschaft um qualifizierte Kräfte befinden.

Besonders betreffend das Finanzministerium muss man erwähnen, dass sich dort das Fehlen von Planstellen, das Fehlen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz we­sentlich auswirkt. Ich darf den Rechnungshofbericht zitieren, der sagt, dass „der Nut­zen der Finanzbediensteten – gemessen nach den festgesetzten Mehrergebnissen – im Durchschnitt zwölfmal so hoch“ ist wie deren Kosten, bei den GroßbetriebsprüferIn­nen beträgt das Kosten-Nutzen-Verhältnis sogar das 34-Fache.

Das heißt, wenn man dort personell nicht gut ausstattet, lässt man Millionen an Steuer­einnahmen einfach liegen, weil nicht geprüft werden kann. Das Besondere aber an dieser Dienstrechts-Novelle ist – wie schon vom Kollegen erwähnt –, dass sie sozial­partnerschaftlich mit dem Minister, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst verhandelt wurde, darum ist sie in ihrer Form so positiv geworden. Das Miteinanderreden, das Verhandeln, das ist etwas, das gute Ergebnisse bringt, man hätte sich gewünscht, das auch bei anderen Gesetzesvorlagen so umzusetzen.

Die Sozialpartnerschaft ist für dieses Land ein ungeheuer hoher Wert, den sollte man nicht einfach mit einem Federstrich löschen. (Bundesrätin Mühlwerth: Man muss aber auch nicht übertreiben!) Dieses Gesetz zeigt wieder, dass das Miteinanderreden, das Finden von Kompromissen ganz, ganz große Werte sind, auf die man sehr, sehr gut achtgeben sollte.

Noch ein Punkt, der für die öffentlich Bediensteten sehr positiv ist, darüber sind sie wirklich sehr glücklich: Der öffentliche Dienst hat die sechste Urlaubswoche. Ab dem 43. Lebensjahr ist es im öffentlichen Dienst möglich, eine sechste Urlaubswoche zu ha­ben. Das ist ein hoher Wert. Das ermöglicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, sich zu erholen, das gibt ihnen mehr Möglichkeiten. Diese sechste Urlaubswoche wäre für die Privatwirtschaft und für die Menschen in der Privatwirtschaft von gleich hoher Bedeutung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

15.53


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vize­kanzler Heinz-Christian Strache. Ich erteile es ihm.


15.53.33

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es gibt einige wesentliche Errungenschaften, die hervorzuheben sind und heute auch schon hervorgehoben wurden. Mit der Umsetzung einer jahrelangen Forderung, die wir Freiheitlichen schon vor über 18 Jahren erhoben haben, ist ja damals in Re­gierungsverantwortung zum Glück ein erster Schritt gelungen, nämlich das Wachebe­diensteten-Hilfeleistungsgesetz ab 2000 zu implementieren. Damals wurde es leider noch nicht so, wie es sein sollte, gemacht, es wurde nämlich als Kannbestimmung und nicht als Mussbestimmung eingeführt, und das auch in einer sehr begrenzten Art und Weise, nämlich für Exekutivbeamte und für einen Teil des militärischen Personals. Das hat damals schon eine Verbesserung gebracht, aber noch nicht die, die wir wollten und die wir heute auch in Umsetzung bringen.


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Genau darum geht es. Man kann stolz darauf sein, was da gelungen ist, denn jetzt gibt es eine Ausweitung des Anspruchs auf alle Bediensteten im öffentlichen Bereich, und zwar nicht mehr als Kannbestimmung, sondern als Mussbestimmung, als gesetzlichen Anspruch für alle öffentlich Bediensteten, gleich ob Exekutivbeamte, Soldatinnen und Soldaten, Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger, Lehrerinnen und Lehrer, für alle, die im Dienst verletzt werden, weil sie attackiert werden.

Das gibt es und leider hat es in der Vergangenheit immer wieder Situationen gegeben, bei denen man von Dramen sprechen musste, weil eben kein gesetzlicher Anspruch auf Hilfestellung da war. Es musste den Betroffenen dann immer wieder auch mit Spendenaktionen geholfen werden, denn der Staat hat seine Verantwortung nicht ge­lebt. Das war eigentlich zum Genieren und das war ein sehr, sehr trauriger Umstand.

Das wird in Zukunft abgestellt. Das heißt, jeder – wir hoffen, dass das so wenige wie möglich sein werden –, der im Dienst attackiert und verletzt wird, hat in Zukunft einen gesetzlichen Anspruch auf über 70 000 Euro Soforthilfe, damit er nicht auf der Strecke bleibt und damit auch die Wertschätzung, der Respekt und die volle Rückendeckung für unsere öffentlich Bediensteten endlich gelebt und nicht wie in den letzten Jahren immer nur verbalisiert werden.

Leider gibt es auch immer wieder noch dramatischere Entwicklungen, wenn es um das Ableben von öffentlich Bediensteten in der Regel Exekutivbeamten geht, die im Dienst ums Leben kommen, bei denen die Angehörigen oftmals auf der Strecke blei­ben, weil es niemanden gibt, der einen Antrag stellen kann, der auch bei der Kannbe­stimmung überhaupt eine Möglichkeit hat, die Hilfeleistung entsprechend für sich zu beantragen. Auch das wird jetzt ausgemerzt. Die Angehörigen haben einen gesetzli­chen Anspruch, eine Hilfestellung bis zu 115 000 Euro zu erhalten, zusätzlich 5 000 Euro betreffend die Begräbniskosten.

Das ist ein wesentlicher Schritt, denn damit zeigen wir, dass wir das, was unsere öf­fentlich Bediensteten für unser wundervolles und schönes Land und für die Menschen tun nämlich tagtäglich ihren Kopf für unser aller Sicherheit hinzuhalten und dabei oft­mals ein hohes Risiko einzugehen, verletzt zu werden oder noch Schlimmeres zu er­leben –, wertschätzen, dass sie dafür auch die volle Rückendeckung erhalten und wir die Wertschätzung im wahrsten Sinne des Wortes leben und sicherstellen – dafür ein Dankeschön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es war mir und uns allen – davon gehe ich aus – ein Herzensanliegen und es ist schön, dass das gelungen ist, denn es war ja jahrelang ein Thema und wird nun end­lich umgesetzt. Präsenz- und Zivildiener sind da selbstverständlich auch verankert, denn auch sie leisten einen Dienst an unserer Gesellschaft und für die Menschen in unserem Land.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, diese Fürsorgepflicht nehmen wir jetzt wahr. Im aktuellen Gesetzentwurf treffen wir darüber hinaus ein paar weitere Verbes­serungen; da möchte ich auf ein paar Punkte eingehen, die angesprochen worden sind. Ja, diese Regierung stellt den Anspruch an sich, dort, wo in den letzten Jahren zu we­nige Planstellen da waren, gegenzusteuern. Das belegen wir bei der Exekutive, bei der 13 Jahre lang leider nichts passiert ist, mit 2 000 zusätzlichen Planstellen und 2 100 zu­sätzlichen Ausbildungsplanstellen, bei der Justizwache mit 100 zusätzlichen Ausbil­dungsplanstellen, auch betreffend die Landesverteidigung und die Soldatinnen und Sol­daten, wo das Personal gesichert und nicht abgebaut wird.

Mit dieser Personalpolitik werden wir in Zukunft mehr öffentlich Bedienstete haben als in den letzten 13 Jahren. Das ist ja leicht errechenbar. Was wir uns sehr wohl für die Zukunft vornehmen: dass wir eben nicht nach dem Rasenmäherprinzip vorgehen, son­dern uns im Sinne einer sparsamen Verwaltung die unterschiedlichen Bereiche in der


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Verwaltung dahin gehend ansehen, wie wir diese effizienter gestalten können; ein wichtiger Punkt ist dabei auch die Digitalisierung. Wir möchten in Zukunft, wenn Men­schen als Beamte in Pension gehen, nicht jede Position nachbesetzen müssen, wir möchten aber auch schauen, in welchen Abteilungen Überalterungen stattfinden.

Diesbezüglich habe ich schon einen Auftrag an die Sektion weitergeleitet, das zu eva­luieren, damit wir überalterte Strukturen rechtzeitig erfassen, einerseits mit jungen, zu­künftig einzubindenden und einzuschulenden öffentlich Bediensteten kompensieren und andererseits betreffend Wissensmanagement bei einer Änderung des Dienst­rechtsgesetzes, die im Herbst ja noch eine Fortsetzung findet, auch rechtzeitig sicher­stellen, dass jemand bereits ein Jahr vor der Pensionierung eines Beamten im Bereich einer Planstelle eingesetzt werden kann, um dieses Wissensmanagement dort persön­lich zu erfahren und mitzubekommen. Das alles sind Verantwortlichkeiten, an die wir selbstverständlich denken und die wir auch in Umsetzung bringen.

Und ja, wir haben auch, was die dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen be­trifft und zeitgemäße Arbeitsbedingungen auf die Bediensteten des Bundesheeres ge­achtet. Wir haben in dieser Dienstrechts-Novelle auch sichergestellt, dass gerade Sol­datinnen und Soldaten, die in Krisengebieten zum Einsatz kommen – im Beobach­tungszeitraum Mai 2018 waren es 911 Bedienstete –, jetzt erstmals zusätzlich einen Einsatzzuschlag erhalten. Das sind zusätzliche Gesamtkosten von über 1,2 Millionen Euro, und auch das zeigt die gelebte Wertschätzung, ist nicht nur ein warmer Hände­druck, sondern für die Betroffenen eine wirklich spürbare Wertschätzung. Ähnlich wie im Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz war es uns wichtig, den im Dienst befind­lichen Beamten, die großen Gefahren ausgesetzt sind, das auch finanziell entspre­chend zugutekommen zu lassen.

Zusätzlich haben wir beispielsweise den Abschluss der Kaderanwärterausbildung nach Vollendung des 40. Lebensjahres auch für Zeitsoldaten ermöglicht, da sich auch da die Gegebenheiten ändern. Wir haben das Thema Cyberkriminalität und auch jenes der Entwicklung der Cyberdefence, da ist es notwendig, gerade auf den Erfahrungsschatz von älteren Persönlichkeiten, die in diesem Bereich bereits Erfahrung gesammelt ha­ben, zurückzugreifen und diesen Bereich für sie zu öffnen. Das ist gerade für ältere Personen am Arbeitsmarkt durchaus ein wichtiger und interessanter Zugang, denn auf diesem Gebiet war die Altersgrenze natürlich in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv.

In der Dienstrechts-Novelle 2018 soll nunmehr auch für Vertragsbedienstete des Bun­des sowie für Landesvertragslehrer und -lehrerinnen eine ausdrückliche Grundlage für die Inanspruchnahme einer Wiedereingliederungsteilzeit bei aliquoten Bezügen ge­schaffen werden. Das ist ein wichtiger Schritt, der heute auch schon erklärt wurde. Er bedeutet, dass jemand, wenn er über sechs Wochen krankheitsbedingt ausfällt, die Möglichkeit hat, in einer sanfteren Form auch wieder zurückzufinden. Das wollen wir natürlich auf alle Beamten und öffentlich Bediensteten ausbauen.

Jetzt komme ich zum Vorrückungsstichtag und mit diesem zu der von einer Vorgän­gerregierung hinterlassenen Lücke beziehungsweise nicht optimalen gesetzlichen Defi­nition. Diese hat ja dazu geführt, dass man immer wieder angeblich repariert hat, aber die Reparaturen halt leider Gottes alle nicht wirklich real stattgefunden haben. Jetzt liegen auch Verfahren beim EuGH, bei denen man davon ausgehen kann, dass bis En­de des Jahres, vielleicht sogar erst Anfang nächsten Jahres der EuGH ein Urteil treffen wird. Diesbezüglich besteht aber die konkrete Sorge und Gefahr, dass durch dieses Verhalten der letzten Jahre bei einem Vorhaben, bei dem man ursprünglich eigentlich keine Kosten gehabt hätte, wenn es ordnungsgemäß repariert worden wäre – das wa­ren damals wenige Millionen Euro –, der Schaden, der durch eine Vorgängerregierung entstanden sein könnte, in Zukunft bei mindestens 560 Millionen Euro und höchstens 3 Milliarden Euro liegen kann. Das muss man sich schon vor Augen führen. Das wäre


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dann schon schmerzvoll für die Republik, und das, weil man damals, vor vielen, vielen Jahren, als das Thema aufgebrochen ist, nicht bereit war, das entsprechend gesetzlich zu reparieren. Und das ist sehr, sehr traurig.

Wir wollen, wenn es um die Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag geht, natürlich in Zukunft auch die Beamten sichergestellt wissen, aber müssen natürlich jetzt zunächst das EuGH-Urteil abwarten, um dann auch im Sinne einer Rechtssicherheit das alles entsprechend aufsetzen zu können, damit nicht wieder irgendetwas passiert. Das ist sozusagen der Hintergrund.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist – für den Landtag möchte ich Ihnen na­türlich alles Gute wünschen – ein spannendes Thema, und ich möchte schon festhal­ten, dass endlich viele konkrete Verbesserungen möglich werden. Es wurde ja ange­sprochen, dass es im öffentlichen Dienst ganz andere Rahmengesetze gibt. Ja, voll­kommen richtig, im öffentlichen Dienst muss man teilweise 12 oder 13 Stunden arbei­ten, manche Bedienstete haben sogar längere Diensträder. Die können es sich nicht aussuchen, da gibt es keine Freiwilligkeit, da gibt es auch kein Ablehnungsrecht, sondern da ist diese Arbeitszeit sozusagen auch per Anordnung verpflichtend. Das ist etwas, was ja die SPÖ in diesen Bereichen eingeführt hat – das muss man immer wieder betonen –, und dort, wo man es heute offenbar auf Freiwilligkeitsbasis und mit Ablehnungsrecht gestaltet, da regen Sie sich dann auf. Da kann man sich nur wun­dern, denn im öffentlichen Dienst ist es heute so, dass Exekutivbeamte und viele an­dere, wie Pflegekräfte, Schichtarbeit machen müssen und gar keine Möglichkeit haben, Nein zu sagen. Deshalb ist dort auch zu Recht die sechste Urlaubswoche implemen­tiert.

Das, was jetzt im Bereich, wo es keine Betriebsvereinbarungen gibt, und abseits des öffentlichen Diensts möglich gemacht wird – und darüber haben wir zuvor diskutiert –, ist die Flexibilität, die Freiwilligkeit, sich das je nach seinen Bedürfnissen auch entspre­chend gestalten zu können. Das bedeutet, dass viele, die dann in Zukunft diese Mög­lichkeit der Arbeitszeitflexibilisierung nützen, in Wahrheit eine sechste, siebente Ur­laubswoche haben können, wenn sie das wollen, da das nämlich genau mit diesen Ein­teilungssystemen möglich wird. Das haben Sie heute zum Teil leider ausgeblendet, und deshalb habe ich es jetzt noch einmal festgehalten.

Die Antikorruptionsbestimmungen, die in der Auflistung sehr gut zusammengefasst sind, sind gut und wichtig. Jetzt haben die Bediensteten die Möglichkeit, das auch ent­sprechend zu lesen, zu erfassen und eine Einschätzung zu haben. Das ist für die Rechtssicherheit wichtig, wenn es um Veranstaltungseinladungen et cetera geht, und auch ein guter, wesentlicher Schritt.

Ich möchte mich zum Abschluss bei allen öffentlich Bediensteten aufrichtig für die tag­tägliche großartige Leistung, für die vielen Entbehrungen bedanken, die diese Mitar­beiterInnen im öffentlichen Dienst oftmals leisten müssen. Sie arbeiten über 12 Stun­den, leisten Großartiges und haben es dann nicht verdient, dass man sie teilweise in ein schlechtes Licht rückt, sondern ganz im Gegenteil, sie verdienen aufrichtigen Dank, größten Respekt und größte Wertschätzung. Wir können stolz auf diese öffentlich Be­diensteten sein, nämlich über 130 000 Personen plus 20 000, wenn man die diversen ausgelagerten Bereiche hinzurechnet. Sie sind für diese Republik Österreich nicht er­setzbar – und daher gilt ihnen mein aufrichtiger Dank. Wir stehen hinter diesen Men­schen, weil diese Menschen es verdient haben, dass wir hinter ihnen stehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.06

16.06.37


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.07.014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeige­setz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Einrich­tungsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldege­setz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivildienstgesetz 1986 und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018) (189 d.B. und 207 d.B. sowie 9998/BR d.B. und 10020/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Andreas Spanring. Ich bitte um den Bericht.


16.07.27

Berichterstatter Andreas Arthur Spanring: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nieder­lassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylge­setz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Einrichtungsgesetz, das Grundversor­gungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Universitätsge­setz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Ge­denkstättengesetz, das Meldegesetz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivil­dienstgesetz 1986 und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (Fremdenrechts­änderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Ju­li 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich ganz herzlich unsere Staatssekretärin Karo­line Edtstadler bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Martin Weber. – Bitte.


16.09.05

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Wertes Präsidium! Frau Staatssekretä­rin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter dem Titel Fremdenrechtsänderungsgesetz verbergen sich 14 Gesetze, die davon betroffen sind. Es sind unter anderem das Frem­denpolizeigesetz, das Asylgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz, das Universitätsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz, das Hochschulgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das


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Meldegesetz, das Personenstandsgesetz, das Zivildienstgesetz und das Sicherheits­polizeigesetz.

Bevor ich auf die Materie und dieses Gesetz eingehe, möchte ich eigentlich mit etwas starten, was nicht alle heute hier erwarten, nämlich mit einem Lob an diese Bundes­regierung, denn zumindest bei diesem Gesetz hat es eine Begutachtung gegeben, im­merhin einen Monat lang die Möglichkeit, Stellungnahmen einzubringen. Das ist bei der jetzigen Bundesregierung ja beinahe schon die löbliche Ausnahme, denn heutzutage wird ja vieles leider im Husch-Pfusch-Verfahren in einer Nacht- und Nebelaktion ein­gebracht, aber bei diesem Gesetz hat es zumindest eine einmonatige Begutachtungs­frist gegeben, und in dieser Zeit sind auch 66 veröffentlichte Stellungnahmen einge­langt.

Zitieren möchte ich aus drei dieser Stellungnahmen. Die erste ist jene der Arbeiter­kammer, die schreibt: „Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf erweckt aber in weiten Teilen den Eindruck, dass er von einem tiefgehenden Misstrauen gegenüber Flüchtlin­gen bzw AsylwerberInnen geprägt ist [...].

Dagegen sind substantielle“ – also grundlegende – „Verbesserungen der Qualität der erstinstanzlichen Asylverfahren durch diese Novelle nicht zu erwarten.“

UNHCR schreibt: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen scheinen zudem in ihrer Gesamt­heit wenig geeignet, das Ziel der Effizienzsteigerung zu erreichen, da den zuständigen Behörden eine Reihe von zusätzlichen Aufgaben auferlegt werden, die einen erhebli­chen Arbeitsaufwand nach sich ziehen werden.“

Zu guter Letzt schreibt auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag: „In diesem Sinne ist mit Bedauern festzustellen, dass es – anders als im Regierungsprogramm angekündigt – nicht zu einer Neukodifikation der betreffenden Rechtsmaterie gekom­men ist,“ – also einer systematischen Zusammenfassung der Rechtssätze eines Rechts­gebiets in einem einheitlichen Gesetzeswerk – „sondern vielmehr eine die“ Vielschich­tigkeit dieses Gesetzes „abermals steigernde und somit auch Rechtsunsicherheit“ er­höhende Teilnovelle. Es steht hier auch, dass eine Beschleunigung des Verfahrens nicht zu erwarten ist und die Erfüllung des Ziels angesichts des Entwurfs eher unrea­listisch sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind nur drei Stellungnahmen, aus denen ich jetzt vorgelesen habe, ich möchte aber eigentlich auf den Hauptkritikpunkt meiner­seits eingehen, und das ist die Kostendimension. Wenn ich mir anschaue, was die Überprüfung eines einzelnen Asylwerbers auf Bargeld und das zuständige Personal, das man dafür braucht, kosten, stelle ich fest, dass dies im Voranschlag in Summe mit einem Betrag von 1,1 Millionen Euro pro Jahr angesetzt ist. Weiters finden sich eine Softwareadaptierung des Innenministeriums um 900 000 Euro, die Übersetzung von Infoblättern und Ankündigungsdokumenten um weitere 88 000 Euro, 27 neue Geräte für das Auslesen von Handydaten zum Stückpreis von 12 000 Euro, in Summe also 324 000 Euro. Das macht insgesamt 2,4 Millionen Euro aus.

Das ist aber noch lange nicht alles. Jetzt kommen noch die Kosten dazu, die im Be­reich des Bundesverwaltungsgerichts anfallen werden. Dort rechnet man mit immerhin 4 000 neuen Verfahren. Das bedeutet einen zusätzlichen Personalaufwand von sage und schreibe 5,2 Millionen Euro. Das umfasst 28 Richter, zusätzlich Kanzlei, Rechtsbe­ratung und so weiter. Zudem ergibt es zusätzliche Verfahrenskosten von 1,8 Millionen Euro. Wir sind jetzt bei einer Summe von 7 Millionen Euro angelangt. Und man höre und staune, jetzt kommt das Wichtigste: Diese Summe ist weder vom Innenministerium noch vom Justizministerium und auch nicht vom Finanzminister zugesagt worden.

Da stellt sich die große Frage: Wer soll das bezahlen? Vielleicht sind es die üblichen Geldgeber und Financiers, die einspringen, wie bei der Wahlwerbung und bei diversen


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Plakaten. Ein heißer Tipp wäre der KTM-Chef, ein heißer Tipp wären auch die Freunde von der Industriellenvereinigung, solange nicht wieder die österreichischen Arbeitneh­mer und Arbeitnehmerinnen dafür bluten müssen, soll es mir ja recht sein. (Bundesrat Mayer: Von der Bawag gibt es ja nichts mehr!)

Wenn ich aber alles zusammenrechne, komme ich bei den großen Summen auf 9,4 Millionen Euro für ein Gesetz. Meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal überlegt, was an Sinnvollem mit dieser Summe – 9,4 Millionen Euro! – im Sicherheits­bereich angekauft werden könnte? Wie viele Stichschutzwesten könnten wir für deine Kolleginnen und Kollegen, lieber (in Richtung Bundesrat Forstner) Armin – du redest ja nach mir –, einkaufen, ohne dass das die Beamtinnen und Beamten aus der eigenen Tasche finanzieren müssten? Wie viel zusätzliches Personal könnten wir bei der Poli­zei mit diesem Betrag einstellen? Wie viele neue Dienstautos anschaffen? Wie viele Renovierungen von Polizeiinspektionen könnten wir damit finanzieren? (Bundesrat Samt: Die Frage ist, wieso ihr die zugesperrt habt!) Und da sind die Pferde noch gar nicht eingerechnet, denn angeblich sind dem Herrn Innenminister – er traut sich ja nicht mehr in den Bundesrat – bereits 36 Pferde aus dem In- und Ausland angeboten worden. Das erste soll angeblich Dorian heißen, ich weiß nicht, ob es stimmt. Ein Pfer­destall in Wien Simmering, in der Lobau oder in der Krieau ist im Gespräch, laut einem Polizeidokument würde dieser Pferdestall 7 Millionen Euro kosten.

Zusammengefasst kann man sagen: Dieses Gesetz ist ein erneuter Showact dieser schwarz-blauen Bundesregierung (Beifall bei der SPÖ) mit – und das ist leider Gottes ja das Traurige dabei – enormen Kosten für die Steuerzahler und zusätzlichen Verfah­ren, anstatt Effizienzsteigerung und Verfahrensverkürzungen.

Da wir schon beim Thema Steuergeldverschwendung sind – viel Geld um nichts –, möchte ich ganz kurz auf den 26. Juni eingehen. Ich war auch dort, Augenzeuge in Spielfeld – „Pro Borders“, große Einsatzübung –: 100 Polizeischüler hat man am Zaun rütteln lassen, rund 800 Uniformierte aus dem Bundesheer und dem Polizeibereich mit Hubschraubern, mit Panzern und allem Drum und Dran hat man auffahren lassen, ein­fach und allein deswegen, damit die Medien ein paar schöne Fotos zustande bringen – denn den Durchbruch an der Grenze hat es nie gegeben, weder in Bad Radkersburg noch in Spielfeld. Wenn es unsere Behörden leider nicht schaffen, 8, 10 Stunden lang Busse zum Weitertransport nach Deutschland zu organisieren, wenn es unsere Behör­den nicht schaffen, diese Zigtausend Flüchtlinge an der Grenze zu versorgen, dann stelle ich mir die Frage: Wer hat denn damals den Innenminister gestellt? (Beifall bei der SPÖ.) Wer war denn damals für diesen Bereich verantwortlich? Wer war denn In­nenminister? Wer war denn zu dieser Zeit für das Thema Integration politisch zustän­dig? Wer war denn das? (Bundesrat Samt: Wer waren denn die Bremser in der letzten Bundesregierung?)

Allerneuesten Gerüchten nach bereitet der Herr Bundesminister ja auch die Schlacht um Helms Klamm vor – „Herr der Ringe“-Fans hätte ihre wahre Freude dabei. Aber mir fällt leider Gottes nur eines zu dieser Bundesregierung ein: Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. Auf Deutsch oder Steirisch gesagt: ein bisschen weniger reden, ein bisschen weniger Schlagzeilen produzieren, mehr arbeiten und dabei keine schlampigen Gesetze vorbereiten und keine Luftblasen in die Welt setzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Armin Forstner. Ich erteile es ihm.


16.19.35

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege und alter


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Freund Martin Weber, zum Schluss werde ich mich ein wenig dir widmen, damit du weißt, wie manche Sachen funktionieren. Das ist etwas, was man immer vergisst, wenn man selbst nicht mehr dabei ist. Ich werde es dir dann ein wenig näher be­schreiben, mir fehlen jetzt die richtigen Worte dazu.

Ich möchte ein paar wesentliche Punkte des Fremdenrechtsänderungsgesetzes he­rausgreifen. Erstens geht es um die Verfahrensbeschleunigung, darum, die Kosten für die Steuerzahler zu minimieren. Gleichzeitig geht es im Sinne der Betroffenen um klare Entscheidungen, damit sie sich gegebenenfalls neu orientieren können, oder auch da­rum, ein etwaiges Untertauchen von Asylwerbern zu verhindern.

Weiters geht es darum, Verfahrensverschleppungen hintanzuhalten. Es geht aber auch um eine beschleunigte Aberkennung des Asylstatus, wenn jemand in sein Heimatland reist oder einen Reisepass seines Herkunftslandes beantragt. Weiters geht es um Ver­besserungen im Bereich der Identitätsfeststellung etwa durch die Auswertung der so­genannten Handydaten. Sicherheitsbehörden erhalten in Zukunft Zugriff auf Handyda­ten und können Bargeld sicherstellen.

Mit dem Gesetzespaket werden Sicherheitsorgane ermächtigt, Mobiltelefone von Asyl­werbern und andere mitgeführte Datenträger auszuwerten, wenn Zweifel hinsichtlich der Identität der Betroffenen, ihres Herkunftslandes oder der von ihnen angegebenen Fluchtrouten bestehen. Zudem können die Flüchtlinge bereits im Zulassungsverfahren verpflichtet werden, in einer bestimmten Betreuungsstelle des Bundes Unterkunft zu nehmen.

Neu geschaffen wird darüber hinaus die Möglichkeit, den Flüchtlingen im Zuge ihrer Asylantragstellung Bargeld abzunehmen. Damit soll eine Beteiligung an den Kosten für die vom Bund im Zulassungsverfahren gewährte Grundversorgung sichergestellt wer­den. Als Maximalbetrag sind dabei 840 Euro pro Person vorgesehen, wobei die Antrag­steller grundsätzlich auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige beitragspflichtig sind. Den Betroffenen werden aber jedenfalls Barmittel in der Höhe von 120 Euro be­lassen. Nach Beendigung der Versorgung durch den Bund ist eine etwaige Differenz zwischen den tatsächlich angefallenen Versorgungskosten und dem sichergestellten Bargeld rückzuerstatten.

Zweitens geht es um den Schutz und die Sicherheit der Menschen im Land. Wenn Menschen bei uns Schutz suchen, sollten sie sich auch an unsere Gesetze halten, so wie wir es tun, wenn wir in einem anderen Land zu Gast sind. Wer sich nicht daran hält, hat mit entsprechenden Konsequenzen zu rechnen. Es ist auch vorgesehen, dass, wenn es notwendig ist, Schubhaft über Asylwerber verhängt werden kann, wenn Fluchtgefahr oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit besteht.

Drittens geht es um einige Klarstellungen in Bezug auf den Aufenthalt zum Beispiel von Forschern, Studenten und Freiwilligen im Land unter dem Titel Freiwillige, zum Beispiel bei Teilnehmern am Europäischen Freiwilligkeitsdienst, oder unter dem Titel Forscher­mobilität, wenn es um den Forschungsbereich geht. Dabei ist es wichtig, klar zu sagen, dass Studenten, um diese Möglichkeit beanspruchen zu können, über Deutschkennt­nisse zumindest auf A2-Niveau verfügen müssen.

Weiters gibt es noch Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz. Die Wartefrist für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Asylberechtigte wird von sechs auf zehn Jahre unter Achtung der völkerrechtlichen Vorgaben angehoben.

Geschätzter, lieber Kollege, lieber Martin! Du hast deine Rede vorhin sehr gut begon­nen, nämlich mit einem Lob an unsere Bundesregierung. (Bundesrat Koller: Aber auch nur bei dem einen Punkt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich weiß, das war leider mangels Sachkenntnis der Materie, aber das verzeihe ich dir gerne. Meine Frage


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geht aber in eine andere Richtung: Was würdest du tun? Das ist meine Frage an dich. – Man muss natürlich investieren, auch wenn es 9 Millionen Euro kostet.

Da du aber auch unsere bekannten Wahlspenden erwähnt hast, würde ich dir empfeh­len – Herr Altpräsident Todt ist leider nicht hier –, auch einmal hinter das Team A zu sehen, nämlich bezüglich Wahlspenden der SPÖ.

Da wir gerade beim Thema sinnloses Geldhinausschmeißen sind, darf ich dich an die Sache mit der Bawag erinnern: 2 Milliarden Euro, das ist keine zwölf Jahre her! (Ruf bei der SPÖ: Bei uns mussten nicht die Arbeitnehmer bluten!) Der arme Präsident Ver­zetnitsch ist leider mit 12 000 Euro in Pension gegangen. Das solltet ihr einmal einem Arbeiter erklären, das wäre einmal wichtig. (Zwischenruf des Bundesrates Lindinger.)

Ihr fangt immer an. – Herr Präsident, er soll aufhören! Wir sind ganz woanders! Das ist nicht unser Stil, nicht mein Stil. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) – Du bist so­wieso immer gleich beleidigt, Elisabeth. Ich kann nichts dafür, aber er hat angefangen. Wir reden von etwas ganz anderem und Martin hat leider angefangen. Jetzt darf auch ich kurz etwas dazu sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eine kleine Anmerkung, weil es immer heißt, es sei alles so schrecklich bei ÖVP und FPÖ: Neulich wurde ein Ranking jener aufgestellt, die im Parlament am meisten, näm­lich über 10 000 Euro verdienen: Was glaubst du, wer das war? Wo sitzen die meis­ten? – Bei der SPÖ, geschätzte Kollegen. Schaut euch das einmal an, dann reden wir. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Martin Weber hat gesagt, wir würden nur reden und nicht arbeiten, und darauf sage ich: Ich danke dir, Frau Staatssekretärin, für die perfekte Vorlage des Gesetzes. Wir stimmen ihm gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.25


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Dr. Dzie­dzic zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


16.25.16

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Kollegen und Kolleginnen! „Es gibt kein Asylrecht, keine Freiheit, keine Sauberkeit für den Fremden. Er sitzt auf dem Pulverfass und darf war­ten, bis etwas knistert. Fliegt er in die Luft, so werden die Erben eingesperrt: wegen Abhaltens einer öffentlichen Lustbarkeit ohne behördliche Genehmigung.“ „Der Fremde ist in Europa rechtlos“, das schrieb Ignaz Wrobel 1926.

Seither hat sich einiges getan. Unsere Vorfahren haben, wie Sie wissen, für die Frei­heit, für die Menschlichkeit und für die Demokratie gekämpft und sind dafür gestorben, und wir dürfen uns heute stolz Europäer nennen. Aktuell wird aber die Idee dieses Eu­ropa immer finsterer, und ja, leider tragen Sie enorm dazu bei.

Österreich hat sich völkerrechtlich dazu verpflichtet, Menschen, die aus ihrer Heimat aus bestimmten Gründen, die in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegt sind, flüch­ten, Asyl zu gewähren. Wird ein Mensch aus den darin beschriebenen Gründen ver­folgt, darf er in Österreich einen Asylantrag stellen. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet es auch, dass Flüchtlinge für den illegalen Grenzübertritt bestraft werden.

„Die Migrationskrise von 2015 hat in der Bevölkerung den Eindruck eines Kontrollver­lustes der politischen Eliten und EU-Institutionen ausgelöst [...]“, sagte Minister Kickl am 9. Juli 2018 im Innenausschuss des EU-Parlaments in Brüssel.

Die Frage ist berechtigt: Wer war denn damals zuständig für diese Kontrolle? Was hat der aktuelle Kanzler damals gemacht? 2016 wurden 42 073 Asylanträge eingebracht, das sind rund 52 Prozent weniger als im Jahr davor. 4 551 Asylanträge stammten in


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diesem Zeitraum von unbegleiteten Minderjährigen. (Ruf bei der FPÖ: Die ausschauen wie 25!) Das sind 46 Prozent weniger als im Vorjahr. Allein seit Jahresbeginn 2018 sind 1 412 Menschen im Mittelmeer ertrunken, und jetzt steht tatsächlich nichts Gerin­geres als unsere Menschlichkeit auf dem Spiel.

Wir sehen alle zu und Sie argumentieren mit der Fluchtbewegung von 2015. Strache, Seehofer, Salvini, die sind für mich aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie wollen die kurzfristigen Probleme auf die anderen abwälzen, und für die langfristigen Probleme haben sie keinerlei Lösungen. Das bedeutet, wir lassen die Menschen im Mittelmeer ertrinken, obwohl wir sie retten könnten. Und wer es nach Europa schafft, der wird in ein Lager gesteckt. Anträge sollen die Menschen in dem Land stellen, aus dem sie flüchten.

Konkret beschließen wir heute, wie wir gehört haben, die Möglichkeit, dass Flüchtlin­gen bis zu 840 Euro abgenommen werden. Die mitgeführten Datenträger können kon­trolliert werden. Es wird möglich sein, die vor einer Ausweisung stehenden Flüchtlinge bereits 72 Stunden vorher in Schubhaft festzuhalten. Krankenanstalten sind in Zukunft verpflichtet, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über deren bevorstehende Entlassung zu informieren, und wenn sie trotz eines rechtskräftigen Einreise- und Auf­enthaltsverbotes wieder nach Österreich kommen und sich hier aufhalten, droht künftig nicht nur wie bisher eine Geldstrafe, sondern sie können alternativ auch für bis zu sechs Wochen in Haft genommen werden.

Eine weitere Neuerung: Asylwerber können bereits im Zulassungsverfahren verpflichtet werden, Unterkunft in einer bestimmten Betreuungseinrichtung des Bundes zu bezie­hen.

Noch etwas: Bisher konnten Asylberechtigte, wenn alle Kriterien erfüllt waren, bereits nach sechs Jahren die Staatsbürgerschaft beantragen. Diese Wartefrist wurde jetzt auf zehn Jahre erhöht.

Auch die Kosten wurden erhöht, obwohl Österreich bereits eine der teuersten Staats­bürgerschaften aller EU-Staaten hat. Für eine Familie ist diese jetzt schon sehr schwer leistbar. Mit diesem Beschluss wird sie zum Luxusgut. (Bundesrat Krusche: Wenn sie nichts kostet, ist sie nicht ...!)

Ich habe eine Frage: Glauben Sie tatsächlich, dass Sie mit diesen Änderungen, die hier vorgenommen werden, Menschen davon abhalten, zu flüchten? Ich glaube näm­lich nicht, ich glaube, dass diese Änderungen lediglich mehr Schikane ermöglichen. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

In der Flüchtlingspolitik braucht es Rationalität, aber auch Humanität (Bundesrätin Mühl­werth: Da werden wir sehen, wie weit wir kommen!), genauso wie es Klarheit darüber braucht, wie man im Rechtsstaat Österreich Asyl erhalten kann. Dafür haben Sie sich aber nie wirklich eingesetzt. Sie reden immer von kürzeren und qualitätsvollen Asylver­fahren und wissen gleichzeitig, dass 42 Prozent der negativen Asylbescheide der ers­ten Instanz aufgehoben werden. (Ruf bei der FPÖ: Das wird schon seinen Grund ha­ben!) Darauf haben Sie keine Antwort.

Sie nehmen sich die ungarischen und polnischen Nationalisten zum Vorbild und ma­chen gemeinsame Sache mit italienischen Rechtsextremen, und damit spalten Sie Eu­ropa. (Rufe bei der FPÖ: Geh bitte!)

Die einzigen Antworten auf all die Herausforderungen, die Sie haben, sind plumpe, rechte Populismen, die das Niedrige im Menschen wachrütteln und kaum zu einer Ver­besserung der globalen Lage beitragen – und das wissen Sie auch! (Bundesrätin Mühlwerth: ... Linksextremismus!) Sie sagen auch selbst immer wieder, dass es sich hier um reine Abschreckung handelt. Den Menschen, die auf der Flucht sind, werden


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Sie aber mit genau diesen kleinen Änderungen womöglich das Leben tatsächlich zur Hölle machen. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Tatsache ist nämlich, dass Europa die Rechnung für seine früheren Raubzüge nie be­zahlt hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Ah, jetzt sag mir bitte ...!) Wenn wir weiterhin – das ist aktuell – Waffen verkaufen und uns am Elend der Länder des globalen Südens oder in Kriegsgebieten bereichern, dann dürfen wir uns nicht darüber wundern, dass Krieg, Ressourcenknappheit und Hunger Menschen zur Flucht zwingen.

Ich wiederhole es nochmals und gerne: Flucht ist noch immer kein Verbrechen. Was hier fehlt, ist die Verantwortung. Ich hoffe, Sie werden einmal Ihren Kindern erklären müssen, wieso Sie diese Verantwortung nicht übernommen haben, als es noch mög­lich war, eine gemeinsame europäische Lösung zu finden, anstatt sich so wie heute in Innsbruck in gehässigem Nationalismus zu erschöpfen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ge­hässig sind nur Sie!)

Treten Sie nicht so großspurig auf! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), hat EU-Kom-missionspräsident Juncker ja vor Kurzem zu Kanzler Kurz sinngemäß gesagt. Ja, ich weiß, dieses Video war nur kurz online.

Jedenfalls sage ich Ihnen, dass keine EU-Ratspräsidentschaft das Recht hat, die Gen­fer Konvention außer Kraft zu setzen, und dass ich in einem Europa leben möchte, das weltoffen, solidarisch und den Menschenrechten verpflichtet ist. Stattdessen werden dort, wo 1989, als meine Familie nach Österreich kam, die Zäune aufgeschnitten wur­den, heute Mauern gebaut und Grenzkontrollen wieder eingeführt.

Da wir heute schon bei Zitaten zu Hass waren, habe ich auch eines von Martin Luther King: „Ich habe zu viel Hass gesehen, als dass ich selber hassen möchte [...].“ (Bun­desrat Pisec: Das ist wieder falsch!) Ich ergänze: So viele Mauern, wie es weltweit Elend gibt, werden Sie nicht bauen können, ohne die Weitsichtigkeit bei Ihrer Kurz­sichtigkeit zu verlieren. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller sowie bei der SPÖ.)

16.34


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Georg Schuster. Ich erteile es ihm.


16.34.52

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat, vor den Fern­sehbildschirmen und – heute zahlreicher – auf der Zuschauergalerie! Sehr geehrte Frau Kollegin vom gepflasterten Stein! Wenn Sie meinen, hier in Österreich ist es so unmenschlich und so grausam, dann sage ich Ihnen nur eines: Es steht jedem frei, das Land freiwillig zu verlassen, wenn es ihm hier nicht mehr gefällt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber. – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Diese Regierung steht zur Sicherheit und zum Schutz unserer Grenzen, meine Damen und Herren. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir heute ein umfassendes Fremden­rechtspaket beschließen. Die Vergangenheit hat uns nämlich ganz deutlich aufgezeigt, dass die Exekutive und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gerade beim The­ma Einwanderung handlungsfähiger werden müssen.

Würde nämlich die SPÖ jetzt in der Regierung sitzen, dann wären unsere Grenzen be­reits abgeschafft und der zügellosen Zuwanderung Tür und Tor geöffnet. Sie unter­scheiden nämlich nicht, ob ein Asylwerber schutzbedürftig ist oder, wie die große Mehrheit, nur aus wirtschaftlichen Gründen zu uns nach Österreich kommt. Zum Glück wurde Ihre unverantwortliche Zuwanderungspolitik 2017 abgewählt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 125

Wir haben nämlich bereits 2015 durch Ihre unkontrollierte Refugees-welcome-Politik ei­nen Vorgeschmack Ihrer verfehlten Asylpolitik bekommen; und wenn Sie mit offenen Augen durch Wien gehen, meine Damen und Herren, dann können Sie sich jeden Tag ein Bild von den Nachwirkungen von 2015 machen.

Kommen wir aber zurück zur geplanten Gesetzesänderung. Das neue Fremdenrechts­änderungsgesetz wird folgende Prozesse optimieren und verbessern: Die Exekutive erhält endlich Zugriff auf mitgeführte Datenträger wie Handys von Asylwerbern, wenn Zweifel an der angegebenen Identität, am angegebenen Herkunftsland oder an der an­gegebenen Fluchtroute besteht. Und glauben Sie mir eines, meine Damen und Herren, da gibt es oft großen Zweifel und vor allem Missbrauch.

Des Weiteren werden Asylwerber im Zulassungsverfahren zukünftig verpflichtet, in ei­ner bestimmten Betreuungsstelle des Bundes Unterkunft zu nehmen. Damit nehmen wir endlich den Druck von Wien, das aufgrund der unappetitlichen rot-grünen Asylpoli­tik gerade im Bereich der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zum Asylmagneten von ganz Österreich geworden ist.

Darüber hinaus wird die Möglichkeit geschaffen, den Flüchtlingen im Zuge ihrer Asyl­antragstellung mitgeführtes Bargeld abzunehmen. Damit soll eine Kostenbeteiligung an der vom Bund im Zulassungsverfahren gewährten Grundversorgung sichergestellt wer­den. Dabei darf ich daran erinnern, dass diese Menschen noch nichts in unser Sozial­system eingezahlt haben.

Auch die Verhinderung und Verfahrensverschleppung werden durch diese Änderung im Gesetz hintangehalten. Damit geht einher, dass Fristen für Beschwerden gegen be­stimmte Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl effektiv ver­kürzt werden. Kürzere Asylverfahren bedeuten auch effiziente Verfahrensabwicklung und die Eindämmung von Verfahrensverschleppung durch dubiose Asylanwälte.

Es ist uns auch ganz wichtig, dass anerkannte Flüchtlinge, die in ihr Heimatland reisen und dort einen Reisepass beantragen, künftig mit einem beschleunigten Asylaberken­nungsverfahren zu rechnen haben, denn da wird unsere Hilfsbereitschaft missbraucht. Wer straffällig wird, hat beschleunigt mit einer Aberkennung des Asylstatus zu rechnen.

Auch die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Asylberechtigte wird nun endlich erschwert. Es gilt nämlich zukünftig eine Zehn-Jahres-Frist. Ja, meine Damen und Herren von der SPÖ, jetzt wird es auch für Sie schwieriger, neues Wäh­lerpotenzial zu lukrieren. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Ich fasse zusammen: Wir schaffen durch dieses Gesetz eine restriktive und effiziente Flüchtlingspolitik, eine Trennung zwischen illegaler Migration und legaler Zuwande­rung. Dies ist ein wichtiges Signal an die Schlepper, dass in Österreich keine Refu­gees-welcome-Politik mehr betrieben wird. So wird auch die Wartefrist für die Erlan­gung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Asylberechtigte verlängert.

Abschließend möchte ich festhalten: Österreich wird aber auch weiterhin seinen Pflich­ten aus internationalen Abkommen nachkommen und denjenigen, die nachweislich Schutz brauchen, diesen auch bieten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.39


Vizepräsident Ewald Lindinger: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Staats­sekretärin Mag.a Karoline Edtstadler. – Bitte.


16.40.07

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Mitglieder des


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 126

Bundesrates! Ich darf eingangs sagen: Ich freue mich, dass ich heute bei Ihnen im Bundesrat bin! Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz ist nämlich ein wichtiges Ge­setz für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher sowie für die Rechts­staatlichkeit und die Verdeutlichung dieses so wichtigen Prinzips in unserem Land auf der Tagesordnung.

Ich nehme zur Kenntnis, dass manche hier offenbar lieber den Herrn Bundesminister für Inneres sehen würden, aber ich kann Ihnen sagen – und es ist auch schon gefal­len –: Er ist beim Rat der Europäischen Union, und zwar der Justiz- und Innenminister, der heute in Innsbruck tagt. (Bundesrat Weber: Er traut sich nicht mehr her!) Dabei geht es um sehr wesentliche Weichenstellungen auch innerhalb Europas, wie es mit der Asyl- und Fremdenpolitik weitergeht.

Lassen Sie mich jetzt aber zu dem Gesetz kommen: Es ist ein ganz wesentliches Ziel des Fremdenrechtsänderungsgesetzes, dass wir eine geordnete und vor allem eine effiziente Asyl- und Fremdenpolitik in diesem Land betreiben können. Das Ziel ist ganz klar die Effizienzsteigerung, und mit den Maßnahmen, die hier vorgeschlagen werden, wird diese Effizienz auch erreicht werden. Es geht um sehr praktische Anpassungen an die Praxis, Erfordernisse, die sich einfach aus der Erfahrung und auch aus dem Ver­fahren ergeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang bitte ich Sie: Bitte halten Sie in dieser Diskussion legale Migration, illegale Migration und Asyl auseinan­der, und zwar ganz scharf! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Österreich wird auch weiterhin ganz klar jenen Schutz gewähren, die diesen Schutz brauchen. Das ist nicht nur eine Verpflichtung, die aus internationalen Vereinbarungen wie etwa der Genfer Flüchtlingskonvention oder der Europäischen Menschenrechts­konvention herrührt, sondern das ist ein Gebot der Menschlichkeit, und selbstverständ­lich werden wir dem nachkommen. Was es aber zu verhindern gilt, ist ein Missbrauch dieses Schutzmechanismus, den wir hier bieten. Das wollen wir mit diesem Gesetz er­reichen, und ich sage Ihnen auch gleich: Das werden wir mit diesem Gesetz erreichen!

Auf einige Punkte ist schon eingegangen worden. Ich möchte trotzdem noch auf we­sentliche Maßnahmen in diesem Gesetz eingehen: Auswertung der Handydaten: Ja, das wird ab 1.9.2018 möglich sein, und es ist auch notwendig, dass die Strafverfol­gungsbehörden, die Asylbehörden, die Fremdenbehörden auf der Höhe der Zeit agie­ren können. Das gilt nicht nur für das Fremdenasylrecht, sondern das gilt auch für an­dere Bereiche.

Fast jeder Asylwerber verfügt über ein Smartphone. Zukünftig soll es Behörden mög­lich sein, die Überprüfung der Angaben ganz einfach vorzunehmen, nämlich durch die Auswertung geopolitischer Daten. Man kann nachschauen, wie der Fluchtweg verlau­fen ist und ob das mit dem übereinstimmt, was im Asylverfahren gesagt wurde. Damit kann man sich viel ersparen, was wiederum zur Effizienzsteigerung führt. Es müssen nicht unzählige Aussagen gegeneinander abgewogen werden. – Ich kann Ihnen das sagen, denn ich komme aus der Praxis – ich war Richterin, wenn auch nicht in diesem Bereich –: Das ist mitunter eine sehr aufwändige und auch zeitaufwändige Sache. So kann man das schwarz auf weiß schnell nachweisen.

Zu den Kosten: Es wurde schon viel von Kosten gesprochen. Meine sehr geehrten Da­men und Herren, ja, 840 Euro sollen als Maximalbetrag in Zukunft abgenommen wer­den können, aber natürlich nur, wenn dem jeweils Betroffenen zumindest 120 Euro ver­bleiben. Das entspricht drei Monaten Taschengeld in der Grundversorgung. Es ist auch von Bundesrat Forstner ausgeführt worden, dass zurückgezahlt wird, wenn dieser Be­trag unterschritten wird, wenn also die Dauer in der Grundversorgung kürzer ist.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 127

Ich verrate Ihnen jetzt kein Geheimnis, denn viele von Ihnen werden es wissen: Es ist auch jetzt schon möglich, einen Kostenbescheid auszustellen und Asylwerbern im Nach­hinein die Kosten des Asylverfahrens beziehungsweise der Grundversorgung aufzuer­legen. Es ist allerdings unsere Erfahrung, dass in der Regel dann, wenn diese Kosten­bescheide ausgestellt werden, eben kein Bargeld mehr da ist. Es ist ganz klar, dass Österreich für die Asylverfahren große Mengen Geldes aufgebracht hat und auch wei­ter aufbringen wird, und daher ist es wohl nur recht und gerecht, einen entsprechenden Betrag von denjenigen, die es dann in Anspruch nehmen müssen, auch einzuheben.

Ein anderer Punkt ist meiner Erinnerung nach in der Diskussion noch nicht gefallen, und zwar geht es um die Ex-lege-Antragstellung für minderjährige Kinder. Was be­deutet das? – Wenn jemand bei uns einen Asylantrag im Familienverband stellt, dann wird das Asylverfahren in einer Einzelfallprüfung, aber für die gesamte Familie abge­handelt.

Wenn es ein nachgeborenes Kind gibt, dann war es bisher so, dass die Familie selbst entschieden hat, wann für dieses nachgeborene Kind der Antrag gestellt wird. In Zu­kunft wird es so sein, dass mit der Geburt des Kindes der Antrag ex lege gestellt wird. Mit welchem Hintergrund geschieht das? – Man kann das Verfahren eben nicht unbot­mäßig hinauszögern und abwarten, bis das erste Verfahren beispielsweise für vier Familienmitglieder abgeschlossen ist – um dann noch einmal von Neuem anfangen zu müssen, weil es einen weiteren Antrag gibt. Das wird, das kann ich Ihnen versprechen, zu einer erheblichen Beschleunigung der Asylverfahren führen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Kritik an der beschleunigten Aberkennung des Asylstatus kann ich auch nicht nachvollziehen. Worum geht es dabei? – Wenn jemand bei uns einen Asylantrag stellt, dann macht er damit geltend, dass er in seiner Heimat aufgrund der Religion, der Ras­se, des Geschlechts oder der politischen Gesinnung verfolgt ist, wie es in der Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen ist. Wenn diese Person dann bei uns Asylstatus be­kommt, aber trotzdem freiwillig in die Heimat reist, dann macht sie damit wohl konklu­dent klar, dass dieser Schutz nicht mehr gegeben zu sein braucht.

Ich betone aber, dass es auch in solchen Fällen jeweils eine Einzelfallprüfung geben wird, dass aber die Aberkennung beschleunigt und somit schneller möglich sein wird – und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist wohl nur gerecht.

Die Anhebung der Wartefrist für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist auch gefal­len. Ich möchte dazu nur zwei Punkte erwähnen: Wir alle wissen, welche Rechte wir mit der Staatsbürgerschaft Österreichs haben und was damit an Schutz für uns ver­bunden ist. Das ist etwas, was wertvoll ist. Diese zehn Jahre Wartezeit entsprechen völkerrechtlichen Vorgaben und stehen im Einklang mit dem Völkerrecht. Daher sind wir der Meinung, dass es jedenfalls gerechtfertigt ist, das mit zehn Jahren anzusetzen.

Zusammenfassend und abschließend darf ich Ihnen sagen: Es handelt sich um ein effizientes Paket. Es handelt sich um Maßnahmen, die zu einer ganz klaren Beschleu­nigung der Verfahren führen werden. Und dass es zu einer schnelleren Entscheidung kommt, hat zur Folge, dass es schneller Rechtssicherheit gibt, und zwar Rechtssi­cherheit für die Österreicherinnen und Österreicher, Rechtssicherheit vor allem aber für die, die Asyl beantragen.

In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen auch sagen: Es ist jeder betroffen, wenn jemand abgeschoben werden muss. Es ist nicht nur für diejenigen, die abgeschoben werden, wirklich schlimm, unangenehm, schrecklich und vieles mehr, sondern es ist auch für die, die diese Abschiebungen durchführen, jedes Mal aufs Neue keine Rou­tine, sondern mit menschlichem Leid verbunden. Für die Polizistinnen und Polizisten, für die Amtsärztinnen und Amtsärzte, kurzum für alle, die damit befasst sind, wird das nicht zur Routine und ist das absolut belastend.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 128

Je schneller wir hier Klarheit schaffen können, desto einfacher ist es für alle Betrof­fenen. Das ist – und das betone ich jetzt noch einmal – im Sinne der Rechtsstaatlich­keit, denn wenn es eine rechtsstaatliche Entscheidung gibt, dann ist diese auch zu vollziehen. Danach trachten wir mit diesem Paket, und zwar natürlich – auch das möchte ich noch einmal sagen – jeweils mit einer Einzelfallprüfung und einer sorgfälti­gen Abwägung.

Noch ein paar Sätze, weil auch gefallen ist, dass eine hohe Aufhebungsrate der erst­instanzlichen Entscheidungen gegeben ist: Das ist Ausdruck eines Rechtsstaates. Das rührt aber in einigen Fällen auch daher, dass die Verfahren eben entsprechend lang sind, dass sich in der Zwischenzeit Änderungen im Verfahren ergeben und diese wie­derum berücksichtigt werden müssen. Auch das ist das Wesen eines Rechtsstaates. Daher würde ich das per se nicht als negativ ansehen, denn das ist Ausdruck dessen, wie wir unser Rechtssystem aufgestellt haben.

Wir wollen also in Zukunft die bestmöglichen Rahmenbedingungen für unsere Behör­den, und zwar auf der Höhe der Zeit und mit mehr Gerechtigkeit. Das ist das, wofür wir bereits im Wahlkampf eingetreten sind, das ist das, was wir im Regierungsprogramm festgeschrieben haben, und das ist das, was wir jetzt umsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.49


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schen­nach. Ich erteile ihm dieses.


16.49.42

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Frau Staatssekretärin, wir werden wohl für längere Zeit ein gedeihliches Verhältnis miteinander finden, denn da der Ressortleiter, nachdem er hier einmal die Contenance verloren hatte, mitgeteilt hat, dass er künftig den Bundesrat nicht mehr besuchen wird, sondern dass Sie das machen werden, sollten wir uns auf eine langfristige Zusammenarbeit einstellen. (Staatssekretärin Edtstadler: Ja!) Sie haben das quasi so entschuldigend gesagt, ich spreche jetzt aber gleich ganz anders. Ich bin froh, dass Sie hier sind und nicht der Ressortleiter. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

Ich sage Ihnen auch, warum ich froh bin, dass Sie hier sind – und ich sage das als Mit­glied des Europarates –: Sie waren nämlich am Europäischen Menschenrechtsge­richtshof tätig, und es ist nicht lange her, dass Papst Franziskus gesagt hat, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof das unverrückbare Gewissen Europas ist. Sie haben zwei Jahre lang an Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichts­hofs mitgewirkt, die in erster Linie eine spezielle Optik haben, und diese Optik ist die maximale Durchsetzung der Menschenrechte.

Ich habe mir Ihre Worte angehört, und ich habe auch die Worte meines Kollegen Mar­tin Weber gehört, und ich sage Ihnen jetzt: Die Effizienz, von der Sie im Hinblick auf diese Novelle sprechen, sehe nicht nur ich nicht! Der „Kurier“ hat zum Beispiel getitelt: „Fremdenrecht neu: Viel Symbolik, kaum Effekt.“

Da Sie gesagt haben, das sei ein Schritt zu mehr Rechtssicherheit, frage ich mich, wa­rum die Vereinigung aller österreichischen Rechtsanwälte, die im Rechtsanwaltskam­mertag zusammensitzen, sagt, dass das eine die Rechtsunsicherheit fördernde Teil­novelle ist. – Wir können jetzt unterschiedlicher Meinung sein, ob das ein Showact ist oder nicht oder ob das mehr Symbolik ist. Symbolik liegt aber jedenfalls drinnen, und die Symbolik ist keine schöne, denn sie besagt einfach, dass Flüchtlinge – ich rede hier von Schutzbefohlenen, also von tatsächlich Asylsuchenden – in der Form einfach nicht willkommen sind. Tatsächlich baut man jetzt 26 zusätzliche Schikanen ein.


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Man kann diese Politik verfolgen, keine Frage! In manchen Staaten wird sie ja schon verfolgt. Es wird jetzt aber auch noch dazugesagt, dass für diese gesamte Symbolik auch sehr viel Geld aufgewendet wird. Sie schreiben in das Vorblatt des Gesetzes, dass die Umsetzung der vorgesehenen Neuregelungen erhebliche Mehrkosten, unter anderem und auch durch die Beschäftigung zusätzlichen Personals verursacht. Es ist die Rede von 28 neuen Richtern, denn es wird schätzungsweise 4 000 Verfahren ge­ben, und es werden Geräte angeschafft werden müssen. Das wird insgesamt 9 Millio­nen Euro kosten. Gut: Symbolik kann auch etwas kosten. Das kann ich auch verste­hen. Es gibt dann aber einzelne Punkte, auf die Sie stolz sind, und ich weiß nicht, ob Sie darauf stolz sein sollten! Da geht es nämlich um die finanzielle Beteiligung von Menschen, die wirklich auf der Flucht sind. Von denen reden wir jetzt.

Frau Staatssekretärin! Als ich das zum ersten Mal gelesen habe, ist mir eine Geschich­te aus meiner Familie eingefallen: Mein Vater ist eine Woche, nachdem er zu einer mörderischen Einheit der Wehrmacht eingezogen wurde, desertiert. Als er nach sehr entbehrungsreicher Flucht nach Nauders in Tirol gekommen ist, hat ein Wirt gemerkt, dass es sich um einen Flüchtling handelt, der nur ein wenig Milch braucht. Daraufhin hat der Wirt meinem Vater das ganze Geld abgenommen und gesagt: Ich melde dich sonst! – Ein paar Tage später ist mein Vater in Nassereith angekommen, dort war je­mand anderer, der gesagt hat: Der Mann ist auf der Flucht, ich päpple ihn auf und helfe ihm! Nur so hat mein Vater letztlich überlebt.

Genau darum geht die Diskussion, die wir jetzt öffentlich führen: Nehmen wir denen, die eine unglaubliche Entbehrung auf sich nehmen und vielleicht noch von Verwandten aus irgendwelchen Strümpfen ein bisschen Restgeld erhalten haben, um auf einer solchen Flucht, die schon viel gekostet hat, noch eine gewisse Restwürde zu haben, noch den letzten Notgroschen ab oder nicht? Ich glaube, Ersteres steht einem Land wie Österreich nicht an!

Es gibt in diesem Gesetz auch einige positive Punkte, das möchte ich auch nicht ver­schweigen.

Übrigens spricht in einer Begutachtung auch eine Institution, die Sie, glaube ich, vor allem aus Ihrer Zeit in Straßburg persönlich auch sehr schätzen, von erheblichem Arbeitsaufwand bei geringerer Effizienzsteigerung, nämlich der UNHCR. Das ist eine durchaus sehr seriöse Institution.

Aber schauen wir uns das an – und das ist auch von einem Vorredner in der Debatte gesagt worden –: Die Stadt Wien ist die Heimat von Menschen geworden, die Asyl su­chen und die aus Migrationsgründen letztlich auch unsere Wirtschaft aufrechterhalten. Zudem ist Wien eine UN-Stadt mit Tausenden Mitarbeitern. Wien ist der Wirtschafts­magnet und Impulsgeber mit ganz vielen internationalen Experten und Wirtschafts­treibenden, und Wien ist eine Tourismusstadt. Daher schaut Wien nicht aus wie – sa­gen wir einmal – Neusiedl oder Gramatneusiedl oder welche Ortschaft auch immer, sondern daher hat Wien ein internationales Gesicht, und diesbezüglich sollte man in einer Diskussion unterscheiden.

Sie sagen, dass Sie die Handykarten brauchen, um die Geodaten der Fluchtrouten zu ermitteln. Danke sagen jetzt wahrscheinlich die Schlepper! Damit öffnen Sie einen neuen Markt, denn nun werden natürlich SIM-Karten und Handys weggeworfen und andere verkauft.

Außerdem dürfen wir in manche Einreiseländer nicht zurückschicken. Das ist eine Ent­scheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs. Wir dürfen niemanden nach Griechenland schicken, und das ist auch eine Anordnung, die für Österreich gilt. (Bun­desrat Schuster: Das ist angeblich ein gefährlicher Drittstaat!) – Der Europäische Men­schenrechtsgerichtshof hat Rückweisungen nach Griechenland untersagt, das kann


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Ihnen die Frau Staatssekretärin in einer Extralektion erklären, das muss ich nicht tun. (Bundesrat Schuster: Sie fahren auf Urlaub dorthin, aber es ist sehr gefährlich!) – Die Frau Staatssekretärin kann Ihnen das erklären.

Frau Staatssekretärin! Nun kommen wir zur Staatsbürgerschaft: Ich bin überzeugt da­von, dass Sie wissen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention bei Staatsbürgerschaften eine Sonderbehandlung vorsieht, weil Personen ja aus einem Land geflohen sind, in dem sie keine politischen Rechte haben. Deshalb bestimmt die Genfer Flüchtlingskon­vention, dass es eine Sonderbehandlung geben soll. – Sie sagen jetzt, dass wir auf die zehn Jahre zurückgehen. Das ist ein Symbol, denn wir haben ja zehn Jahre. Das wird an der Gesamtsituation nicht sehr viel ändern.

Bei dieser Gelegenheit muss ich auch noch sagen: Ich habe mir einmal herausgesucht, was eine Staatsbürgerschaft in Europa kostet: In Dänemark kostet sie 134 Euro, in Frankreich 55 Euro, in Schweden 160 Euro, im mittlerweile so berühmten Deutschland 255 Euro und in Österreich je nach Bundesland zwischen 1 200 und 2 400 Euro. (Bun­desrat Steiner: Immer noch zu wenig!) Das ist interessant! Das heißt nämlich, dass man das auch bei der geregelten Zuwanderung nicht will.

Nächster Punkt: Wir sind auch ein internationaler Standort. Wien hat die größte deutschsprachige Universität überhaupt, und wir sind sehr froh, dass wir Universitäts­lehrgänge in allen Sprachen anbieten. Heute ist auch die Kremser Donau-Universität entsprechend hervorgehoben worden. Daher frage ich: Warum gibt es jetzt auf einmal diese Schikanen gegenüber den Studierenden? Das verstehe ich nicht! Außerordent­liche Hörer brauchen zum Beispiel an der Donau-Universität ja kein Wort Deutsch, weil die Lehrgänge alle in Englisch abgehalten werden. – Kollege Bader hat heute diese Universität ganz besonders hervorgehoben.

Nun zum letzten Punkt: Wem dient diese Novelle, die Sie hier auch so gelobt haben, eigentlich? Sie dient ja nicht den 54 000 Menschen, die Asylanträge gestellt haben. Diese berührt das ja nicht, weil das ja nichts Rückwirkendes ist. Es betrifft also die we­nigen Hundert, die derzeit nach Österreich kommen. Das heißt, das bedeutet nichts anderes, als dass, wenn wir sehen, dass 42 Prozent der Entscheidungen angefochten werden, es den Staat jetzt sehr viel Geld kostet, all diese Einrichtungen zu machen. Der überwiegende Anteil der Leute hat derzeit elendslange Verfahren. Insofern ist das ein bisserl relativ. Für die paar Hundert – da haben Sie recht –, da wird es schneller gehen, aber wie kommen wir bei den 54 000, die warten und warten und warten, end­lich einmal zu einem Ergebnis? Das wäre schon interessant zu wissen.

Frau Staatssekretärin! Bei aller Ehre Ihrerseits und in Anbetracht Ihrer Ausbildung in Straßburg: Wenn wir Diskussionen darüber hören, dass man in Europa gar kein Asyl mehr beantragen können sollte, dann muss ich sagen: Sie wissen doch ganz genau, dass das rechtlich nicht geht. Auch wenn Launsky-Tieffenthal sagt, das sei ein veral­tetes Papier, und der Ressortleiter am nächsten Tag aber genau aus diesem veralteten Papier wieder doziert, ist eines klar: Sie wissen, dass es nicht geht! Das ist gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Ich denke, das sollte uns allen klar sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.01


Vizepräsident Ewald Lindinger: Mir liegt eine weitere Wortmeldung vor. – Herr Bun­desrat Christoph Steiner, ich erteile Ihnen das Wort.


17.01.04

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Kollegen Bundesräte! Herr Schennach, ich habe bei Ihrer Rede ein bisschen mitgeschrieben: Sie haben jetzt zehn- oder elfmal, glaube ich – zum Schluss auch noch einmal –, gesagt: Ich verstehe das nicht! Ich weiß schon, das wol-


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len Sie nicht verstehen. Flucht ist nicht illegal, da haben Sie recht, aber die illegale Einreise in einen Staat ist immer noch ein Verbrechen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Gott sei Dank, das neue und scharfe Fremdenrechtsänderungsgesetz wird heute be­schlossen! Den Bürgern und mir in diesem Land fällt ein riesiger Stein vom Herzen: Endlich gibt es klare und scharfe Regeln, die die ungezügelte Massenzuwanderung in unser schönes Österreich kräftig reduzieren werden. Durch dieses Gesetz wird wieder Recht und Ordnung in Sachen Asyl und Migration in diesem Land hergestellt. Es wird klar zwischen Asyl, Migration und illegaler Migration unterschieden und auf die Ent­wicklungen seit 2015 reagiert. Nichts anderes wird mit diesem Gesetz nun gemacht.

Der zuständige Innenminister und wir wurden genau dafür gewählt, um freiheitliche Forderungen umzusetzen, und nicht dafür, um irgendwelchen Träumereien einer Multi­kultifantasie den Weg zu bereiten. Wenn es nach euch ginge, müsste sich alles und jeder den Geflüchteten und den Migranten unterordnen und ihnen am besten noch den roten Teppich ausrollen. Nicht mit uns, das kann ich euch versprechen!

Mit diesem Gesetz ist nun die Zeit der falschen Toleranz endgültig vorbei. Es wird klar­gemacht, dass bei uns nicht uneingeschränkt Milch und Honig fließen.

An die Damen und Herren Genossen! Ja, uns ist die Sicherheit unserer Bürger in die­sem Land jeden einzelnen Euro wert, den wir dafür in die Hand nehmen müssen. (Bei­fall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Weber: Der ist falsch angelegt!) Denn: Die fleißigen Steuerzahler in diesem Land haben es sich verdient, in Sicherheit und Ruhe in Österreich leben zu können.

Mit dieser Gesetzesnovelle wird es künftig nicht mehr möglich sein, in jenes Land, aus dem man angeblich geflohen ist, zu fahren, um dort Urlaub zu machen. Sollte sich nun ein Asylwerber oder ein Asylant entscheiden, wieder in sein Heimatland zurückzufah­ren, um dort Urlaub zu machen, dann sei ihm das unbenommen, nur: Er braucht nicht zu glauben, dass er dann, wenn er wieder zurückkommt, hier bleiben kann. Nein, dann wird ihm der Status eines Asylanten aberkannt.

In Zukunft herrschen an unseren Grenzen wieder die österreichischen Gesetze und nicht eine linkslinke Willkommenshysterie, meine Damen und Herren Genossen. In Zukunft, ab 1.9.2018, wird es auch möglich sein, auf die Handydaten zuzugreifen, um feststellen zu können: Wer ist das? Wo kommen die Leute wirklich her? Welche Route wurde von ihnen benutzt? Reiste man eventuell schon durch mehrere sichere Länder, um sich noch sein Wunschdomizil auszusuchen? Denn eines ist klar: Wir alle haben noch nie davon gehört, dass ein Flüchtling oder sogenannter Migrant sein Handy ver­loren hat. Die Reisedokumente und Reisepässe verliert er allerdings gerne und wahr­scheinlich recht schnell.

Genau deshalb muss sich der Staat, um sich nicht hinters Licht führen zu lassen, eben über die Geodaten der Mobiltelefone die Informationen holen. Da trifft eines ganz gut zu: Vertrauen ist schon gut, in diesem Fall allerdings Kontrolle zehnmal besser. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge kosten den Steuerzahler zusätzlich zum Si­cherheitsrisiko enorm viel Geld. Deshalb wird es in Zukunft möglich sein, den soge­nannten Flüchtlingen bis zu 840 Euro abzunehmen, um einen Teil der Kosten für die Bundesbetreuung, die er verursacht, abzudecken. Wenn jemand Tausende von Euro für die Bezahlung einer Schlepperbande übrig hat, dann kann er auch zu den Kosten für seine eigene Versorgung ein wenig beisteuern. In der Schweiz ist dies seit vielen Jahren gängige Praxis. Dort haben auch EU-Bürger einen sogenannten Ausländer­ausweis mitzuführen, dort wird kein Unterschied unter Ausländern gemacht.


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Es gibt genügend legale Wege, um nach Österreich einwandern zu können. Als Bei­spiel sei die Rot-Weiß-Rot-Card genannt. Wer dies aber illegal versucht, dem wird mit diesem Gesetz eines klargemacht: Nicht mit uns!

In Österreich wird weiterhin jeder Mensch, der in seinem Land aufgrund von Verfol­gung, wegen seiner politischen Einstellung, seiner religiösen Einstellung, seiner se­xuellen Einstellung, seines Geschlechts oder seiner Rasse um sein Leben fürchten muss, Schutz auf Zeit bekommen. Das steht natürlich klar außer Frage. Allerdings müssen sich auch diese Leute an die Regeln und Pflichten in unserem Land halten, wie dies jeder andere Staatsbürger auch tun muss, sonst haben sie ihren Schutz auf Zeit in unserem Land verwirkt.

Durch dieses neue Gesetz werden die Verfahren natürlich schneller. Nun kommt man schnell an alle relevanten Informationen heran, die man für ein schnelles Asylverfahren braucht. Weiters wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass sich dubiose linke Anwälte einen Sport daraus machen, die Verfahren künstlich in die Länge zu ziehen, um nach mehreren Jahren sagen zu können: Na jetzt sind die Illegalen aber so gut in­tegriert, jetzt müssen wir die Illegalen schon zu Legalen machen. – Liebe dubiose linke Anwälte, jetzt braucht ihr bald eine neue Geschäftsidee!

Abschließend: Diese neue Regierung wird nun sicherstellen, dass sich das Jahr 2015 nie mehr wiederholen kann und wir auch nie wieder diese dubiose Diskussion eines „Türls mit Seitenteilen“ führen müssen, denn etwas Unwürdigeres als diese Diskussion ha­be ich in Österreich selten erlebt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Folgendes, liebe Genossen, möchte ich euch noch ins sozialistische Stammbuch schreiben (Ruf bei der SPÖ: Wir sind nicht deine Genossen!): Die FPÖ wurde gewählt, um in diesem Land wieder Recht und Ordnung herzustellen. Genau das werden wir in den nächsten Jahren im Bereich Sicherheit auch konsequent durchziehen.

Zum Schluss habe ich für euch noch ein Zitat von Peter Scholl-Latour: „Wer halb Kal­kutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta!“ (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

17.09


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.09.20

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Herr Genosse Steiner! (Bundesrat Steiner – erheitert –: Jetzt wird es gefährlich! – Heiterkeit des Redners.) Ich bin ja be­kannt dafür, dass ich in Sicherheitsfragen eher einen pragmatischen Zugang habe, des­halb bin ich jetzt herausgekommen.

Sie haben erwähnt, dass ein illegaler Grenzübertritt ein Verbrechen ist.

Ich muss diese Ihre Aussage tatsächlich berichtigen: Ein illegaler Grenzübertritt ist eine Verwaltungsübertretung. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Mag.a Karoline Edtstadler. Ich erteile es ihr.


17.10.03

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Herr Bundesrat Schennach, ich muss natürlich jetzt auf das eingehen, was Sie hier ausgeführt haben. Ich danke Ihnen auch für Ihre Ausführungen in vieler Hinsicht. Es ist vieles von dem, was Sie gesagt haben, richtig, aber manches eben gerade deshalb nicht, weil man eine ganz scharfe Trennung, wie ich es in meiner Eingangsrede schon


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gesagt habe, zwischen legaler und illegaler Migration bei der Asylpolitik, also beim Stellen eines Asylantrages, machen muss. Genau darin besteht oft das Detail, und deshalb ist es so wichtig, dass wir dieses Paket gemacht haben und beschließen, denn damit ist es eben möglich, diese Verfahren sozusagen voneinander zu trennen und auch zu schnellen Entscheidungen zu kommen. Diese scharfe Trennung bleibt uns nicht erspart.

Ich habe es schon mehrfach gesagt und es ist auch von anderen Rednern gesagt wor­den: Österreich wird auch weiterhin jenen Menschen Schutz bieten, die diesen Schutz brauchen. Und wir machen dabei eines: Die, die ihn wirklich brauchen, sollen ihn auch schneller bekommen.

Weil Sie, Kollege Schennach, vom EGMR und von meiner Tätigkeit dort gesprochen haben: Ja, ich kann Ihnen sagen, ich kenne die Judikatur des EGMR in vielen Berei­chen aufgrund meiner zweijährigen Tätigkeit dort sehr, sehr gut. Das, was heraus­kommt, wenn man dort lange arbeitet und sich wirklich intensiv mit der Judikatur be­schäftigt, ist nämlich, dass man weiß, dass es bei vielen Anträgen einen ganz großen Ermessensspielraum, den sogenannten Margin of Appreciation, der den Mitgliedstaa­ten eingeräumt wird, gibt. Es ist beileibe nicht so, dass alle Anträge, die dort einge­hen – und ich habe viele auch aus Österreich behandelt –, dann tatsächlich genehmigt werden, und zwar gerade dann, wenn es um die Rückführung geht.

Aber ja, ich bin auch Ihrer Meinung: Die Entscheidung betreffend Griechenland gibt es. Da geht es um Artikel 3, die unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Da gibt es ein Urteil, das schon einige Jahre alt ist, das ist richtig. Es gibt aber auch viele Leute, die das vorbringen, wenn sie zum Beispiel nach Bulgarien oder Kroatien zurückge­schickt werden sollen, und diese dringen damit nicht durch, weil die Bedingungen in diesen Ländern eben gerade nicht unmenschlich und erniedrigend sind.

Zu einem anderen Punkt, den Sie, Herr Bundesrat Schennach, noch angeführt haben, und der ist auch richtig: In der Genfer Flüchtlingskonvention ist davon die Rede, dass Asylwerber, die den Status eines Asylanten bei uns haben, bei der Staatsbürgerschaft bevorzugt zu behandeln sind. Aber da ist genau das richtig, was ich gesagt habe: Wir bewegen uns mit den zehn Jahren Wartefrist genau im Rahmen dieser völkerrecht­lichen Vorgaben, denn wir verlangen gerade bei Asylberechtigten nicht, dass sie fünf Jahre legale Niederlassung in Österreich haben, was wir von anderen, die das bean­tragen, sehr wohl verlangen. Insofern ist auch diese Bevorzugung nach wie vor gege­ben.

Abschließend kann ich nur sagen: Ich glaube, wir hätten sehr viel Gesprächs- und Dis­kussionsstoff, und es wäre sinnvoll, dass wir uns auch einmal zusammensetzen. Auch im Bundesrat wird es hoffentlich inhaltlich sozusagen noch weiter in die Tiefe gehen. Es gefällt mir sehr gut und ich schätze es als Vollblutjuristin wirklich, dass man sich mit den Dingen in der Tiefe befasst.

Ich kann nur sagen: Es ist leider in vielen Rechtsbereichen so, dass wir immer einen Schritt hinterherhinken und dass es immer dauert, bis dann ein Gesetz wirkt. Das darf uns aber nicht daran hindern, Gesetze zu erlassen.

Den großen Rückstand, den wir bei Asylverfahren noch haben, bauen wir ab. Wir bau­en monatlich circa 1 800 Verfahren von Menschen ab, die in der Grundversorgung sind. Also wir sind da dran, wir werden auf diesem Zug draufbleiben, und wir wollen wirklich für alle rasch Klarheit schaffen. Und das ist das, was ich gesagt habe: Damit schaffen wir Rechtssicherheit im Sinne der Rechtsstaatlichkeit. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.13


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Frau Staatssekretärin.


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Zu Wort gemeldet ist – und ich glaube, zum letzten Mal in diesem Gremium (Bundesrat Mayer: Nichts vorausnehmen!) – Herr Bundesrat Edgar Mayer. – Bitte.


17.13.47

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auch über vie­le Zuschauer auf der Galerie. Natürlich ein herzliches Grüß Gott an die Zuseher vor den Bildschirmen zu Hause! Ich werde jetzt mit Genehmigung des Herrn Präsidenten meinen Redebeitrag in zwei Teile teilen. – Danke für die Zustimmung.

Erstens Business as usual: Fremdenrechtsänderungsgesetz – wie erwähnt, ein gutes Gesetz. Danke, Frau Staatssekretärin. Wir stimmen gerne zu.

Zweiter Teil meiner Rede: Time to say goodbye, frei nach Andrea Bocelli – keine Angst, ich werde nicht singen, denn ich möchte doch, dass der eine oder die andere noch zu­hört.

Wie schon erwähnt: Das ist meine letzte Sitzung im Bundesrat. Ich werde mit 1. Okto­ber 2018 mein Mandat zurücklegen, in geistiger und körperlicher Frische, und hoffe, dass diese auch noch länger anhalten wird. Heute ist auf den Punkt genau meine 300. Wortmeldung in 177 Sitzungen, und ich habe bei keiner einzigen Sitzung gefehlt; das ist doch immerhin etwas wert. (Allgemeiner Beifall.)

Ich durfte zwei Mal Präsident dieser wunderbaren Länderkammer sein und in den letz­ten dreieinhalb Jahren – eigentlich schon im hohen Alter – auch Obmann der ÖVP-Bundesratsfraktion. Es ist mir bewusst, dass man als Fraktionsobmann nicht Every­body’s Darling sein kann, das liegt in der Natur der Sache, aber man soll dennoch fair sein und Handschlagqualität an den Tag legen. Übrigens, die Handschlagqualität ist neben dem Hausverstand eine uralemannische Tugend. (Allgemeine Heiterkeit.) Und das war, denke ich, auch ein Kriterium dafür, dass wir auch in der Präsidiale sehr gut gemeinsam agiert haben.

Ich darf mich dafür sehr herzlich bei allen Fraktionsvorsitzenden bedanken. Dazu ge­hört Reinhard Todt, ein langjähriger Weggefährte von uns, gemeinsam in jahrelanger Regierungskoalition. Ich danke dir, Reinhard Todt. Es war letztes Jahr noch ein biss­chen einfacher, jetzt, heuer, geht es schon manchmal zur Sache, so wie heute. Heute habe ich mir schon gedacht, jetzt werde ich gar nicht mehr dazu kommen, meine Ab­schiedsrede zu halten, aber es funktioniert jetzt doch noch.

Ich bedanke mich auch bei der Präsidentin Inge Posch-Gruska, die ein halbes Jahr auch Fraktionsobfrau war. Ich bedanke mich des Weiteren bei Martin Preineder, der mich während meiner letzten Präsidentschaft so wunderbar vertreten hat. Und ich be­danke mich natürlich bei Monika Mühlwerth. Sie ist ja auch schon eine Ikone des Bun­desrates und seit vielen Jahren mit dabei. Sie ist, wie wir wissen, auch eine Kämpferin für den Bundesrat. Dafür an sie und auch an euch alle ein herzliches Dankeschön für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe es in all diesen Jahren tatsächlich auch zu einem Ordnungsruf gebracht, was eigentlich nicht unbedingt in meiner Planung war. (Zwischenruf des Bundesrates Stög­müller.) – Kollege Stögmüller hat sich bereits wieder geäußert. Ja, es ist so im Leben und auch in der Politik muss man halt im höheren Alter vielleicht ein bisschen milder sein, und ich hätte das über mich ergehen lassen müssen und dann dich nicht mit einer Krankheit, mit dem Tourette-Syndrom behaftet, punzieren müssen. Ich hätte vielleicht auch sagen können: ein Fall von akutem Sprechdurchfall oder so etwas Ähnliches (all­gemeine Heiterkeit) – ordnungsruffrei, Herr Präsident. Aber so ist es nun einmal: Die politische Diskussion lebt. Und heute hat es mehr Ordnungsrufe gegeben als im letzten Jahr zusammen. Also ja, es ist schon auch einiges an Sprengstoff hier drin.


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Ich war, um jetzt bei den Grünen zu bleiben, in meiner Präsidentschaft schon auch sehr bemüht, eure Fraktion, als ihr Grünen noch einen Fraktionsstatus hattet, zu retten, und ich habe auch auf Frau Präsidentin Köstinger sehr stark eingewirkt, dass man das bewilligt. Das ist auch die Aufgabe eines Präsidenten. Ich würde das auch in der heu­tigen Situation wieder so machen, weil es einfach zum Parlamentarismus gehört, dass der, der hat, das auch behalten soll. So ist das! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es war mir als Präsident des Bundesrates auch wichtig, nicht nur die Schwerpunkte des Bundesrates, wie zum Beispiel die Digitalisierung, so, wie wir es alle in den letzten Jahren, indem wir es sehr positiv besetzt haben, handhabten, zu stärken, sondern auch die Möglichkeiten des Bundesrates neben der von der Verfassung vorgegebenen Bandbreite zu erweitern. Ich denke dabei ganz bewusst und besonders an jene Mög­lichkeiten, die der Bundesrat durch den Vertrag von Lissabon geschaffen hat, im Rah­men derer wir Mitwirkungsrechte an der europäischen Gesetzgebung und damit ver­bunden auch bei Subsidiaritätsprüfungen haben. Wir gemeinsam – und da sage ich be­wusst: Wir gemeinsam! – haben diese Kompetenz so weit entwickelt, dass wir bei Sub­sidiaritätsverfahren zu den führenden Kammern in Europa gehören – jetzt bitte auch vor den Bildschirmen gut zuhören: zu den führenden Kammern in Europa! –, und unser Prüfungsprozedere wurde vom Ausschuss der Regionen als Best-Practice-Beispiel be­zeichnet. Das hat auch eine besondere Qualität.

Ein intelligenter Journalist hat den Bundesrat einmal in sehr sinnvoller Weise als Euro­pakammer bezeichnet; das darf ich gerne hier wiederholen.

Den Vorsitz im EU-Ausschuss habe ich nach sechseinhalb Jahren nicht gerne, aber doch mit Freude weitergegeben. Ich habe in Christian Buchmann einen glühenden Eu­ropäer gefunden, der alle Institutionen kennt. Er hat diesen EU-Ausschuss des Bun­desrates übernommen und die Feuertaufe bei Cosac bereits hervorragend bestanden. Wir haben Österreich in Europa mit den Europäern hervorragend präsentiert. Dafür ein herzliches Dankeschön. Ich habe große Freude damit, Herr Kollege Buchmann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Auch die Frau Staatssekretärin habe ich beim Treffen der Cosac-Vorsitzenden bewun­dert. Sie hat Österreich charmant und inhaltlich hervorragend vertreten und unsere Schwerpunkte während des EU-Ratsvorsitzes gut dargestellt. Es hat mich auch ge­freut, dass sie gesagt hat: Ich werde die folgenden sechs Monate wenig oder gar nicht schlafen, da wir uns sehr bemühen werden, dass Europa von Österreich eine hohe Meinung hat und dass wir unsere Schwerpunkte auch in Europa entsprechend vertre­ten können. – Dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Ich bedanke mich sehr herzlich für die ausgezeichnete Arbeit und für die großartige Unterstützung bei allen, die da mitgewirkt haben, insbesondere – ihn darf ich jetzt schon erwähnen – bei Professor Stefan Schennach, da wir auch am Werk Subsidiari­tätsprüfung gemeinsam gearbeitet haben. Wir lieben alle deine kurzen, knackigen Re­den, bei denen immer das Licht aufleuchtet (allgemeine Heiterkeit), aber auch im Eu­ropaausschuss bei der Cosac warst du ein guter, großartiger Vertreter des EU-Aus­schusses des Bundesrates. – Danke, Herr Kollege Schennach. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wir haben oft bis zur letzten Minute, und manchmal noch, nachdem der Ausschuss schon begonnen hatte, inhaltlich kritisch, aber konstruktiv um Stellungnahmen, begrün­dete Stellungnahmen, Mitteilungen – sagen wir einmal – gekämpft, manchmal buch­stäblich um Punkt und Beistrich gekämpft. Insgesamt waren wir aber doch sehr, sehr erfolgreich.

Da nehme ich jetzt auch die freiheitliche Fraktion mit dazu mit Monika Mühlwerth und ihren Leuten, die im EU-Ausschuss waren, wie Längle und Rösch und so weiter – ich bin auch schon ein bisschen vergesslich, ich habe jetzt nicht mehr alle gespeichert.


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Auf jeden Fall habt ihr mit dazu beigetragen, dass wir oft einstimmige Beschlüsse hat­ten. Bei euch war es ein bisschen ein anderer Ansatz, aber insgesamt haben wir ge­meinsam sehr viel auf den Weg gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ja, man kann durchaus spontan applaudieren, es ist freigegeben. Danke auch für Ihre Spontanität.

Ein Danke auch an alle MitarbeiterInnen des Internationalen Dienstes, stellvertretend für alle an Dr. Brigitte Brenner und an Mag. David Liebich, der uns beim EU-Ausschuss sehr unterstützt hat.

Als Bundesratspräsidenten waren wir, wie ich schon gesagt habe, immer bemüht, ne­ben den verfassungsmäßig vorgegebenen Möglichkeiten auch Veranstaltungen zu ma­chen, Themen aufzuzeigen, den Bundesrat ins rechte Licht zu rücken. So haben wir auch eine Enquete veranstaltet, bei der es um „Die Zukunft der EU – aus Sicht der Bundesländer und Regionen“ anhand des sogenannten Juncker-Plans ging. Das war eine wichtige Aufarbeitung dieser Thematik und hat wichtige Impulse für die Hand­lungsweise Österreichs aufgezeigt. Aber es wäre ja geradezu paradox gewesen, wenn wir als Europakammer uns nicht mit der Zukunft der EU befasst hätten.

Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat dankenswerterweise in einer schwierigen Si­tuation – während der Koalitionsverhandlungen, die alte Koalition bestand noch – doch eine gemeinsame Mitteilung nach Brüssel geschickt, die übrigens entsprechend aufge­nommen wurde und auch in die Taskforce, die ihre Ergebnisse präsentiert hat, mitauf­genommen wurde.

Es war mir während meiner Präsidentschaften auch wichtig, Kontinuität zu haben, um das Engagement des EU-Ausschusses entsprechend ins Licht zu rücken, diese The­matik weiter zu behandeln und zu verhandeln, obwohl es ein sehr, sehr aufwendiger, aber auch wichtiger Ausschuss ist.

In diesem Zusammenhang kann man auch sehen, dass Österreich und wir für all die Leistungen, die wir im EU-Bereich bringen, mit der 8. Subsidiaritätskonferenz im De­zember 2017ausgezeichnet wurden. Es war für mich ein Höhepunkt meiner Präsi­dentschaft und an die vielen von euch, die daran mitgearbeitet haben, ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung.

Als Präsident hat man natürlich nicht nur gute Tage, wir sind mit unseren Versuchen gescheitert, gemeinsam den Bundesrat – unter Anführungszeichen – „zu stärken“, um­zubauen, zu reformieren. Es gibt einen einstimmigen Beschluss der Landeshauptleu­tekonferenz, es gibt einen einstimmigen Beschluss der Landtagspräsidentenkonferenz, die in diese Richtung gehen, und wir haben sogar einen Antrag für eine Gesetzesän­derung eingebracht.

Leider sind wir da nicht erfolgreich gewesen, aber es ist zumindest so, dass der Bun­desrat in der derzeitigen Regierungskonstellation wertgeschätzt wird. Wir werden im­mer wichtiger, weil wir Möglichkeiten bis hin zu verfassungsmäßigen Prüfungen haben, was vielleicht nicht unbedingt in unserem Interesse liegt, aber das kann schon wahrge­nommen werden; so ist es also. (Heiterkeit des Bundesrates Todt.)

Mein Vermächtnis zu Lebzeiten ist eine Bitte an euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich über die Parteigrenzen hinweg, die wertvolle, sinnstiftende Arbeit des EU-Aus­schusses fortzusetzen, weiter als Europakammer wahrgenommen zu werden und auch so für den Bundesrat einen fortgesetzten Mehrwert zu erzielen. Das ist mir ein ganz, ganz wichtiges Anliegen. Ich bitte euch wirklich im Interesse des Bundesrates, der Europakammer, daran intensiv weiterzuarbeiten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


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Mit einem Kuriosum darf ich langsam zum Schluss kommen: Ich bin mir auch bewusst, ich werde es damit nicht in die Geschichtsbücher schaffen oder als Frage in die „Millio­nenshow“, aber es war doch etwas Besonderes, denn als Präsident des Bundesrates hatte ich in einem Zeitraum von sechs Monaten die große Herausforderung zu bewäl­tigen, drei Nationalratspräsidenten zu begrüßen und Antrittsbesuche zu machen – Do­ris Bures, Elisabeth Köstinger und Wolfgang Sobotka. Das ist wirklich ein einmaliges Ereignis in der Geschichte des Bundesrates.

Ich bedanke mich auch bei Präsident Sobotka. Er hat ein neues Projekt auf die Beine gestellt, in dem es um Parlamentarismus Neu geht, und da ist auch für den Bundesrat einiges Neues mit dabei, einiges, mit dem wir uns weiterentwickeln können. Das ist ein Projekt, bei dem man nicht nur den Nationalrat sozusagen ins Licht stellt, sondern auch den Bundesrat entsprechend berücksichtigt hat. Dafür danke ich dem Präsidenten sehr herzlich. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich war sehr gerne Bundesrat, sehr gerne EU-Ausschussvorsitzender, sehr gerne Frak­tionsobmann, sehr gerne Präsident dieser wunderbaren Länderkammer, da wiederhole ich mich gerne. Ich habe während meiner Auslandsreisen – und das waren doch einige während der zwei Präsidentschaften – immer hohe Wertschätzung und Anerkennung für den Bundesrat und auch als Bundesratspräsident erfahren dürfen. In China und Ja­pan wurden wir sogar mit allen Staatsehren empfangen – unglaublich!

Viele Medien und Journalisten in Österreich könnten sich eine Scheibe davon ab­schneiden. In keinem anderen Land der Welt geht man so geringschätzig mit einem Parlament – zwischen Klammern: Bundesrat – um wie in Österreich. Und wenn jeman­dem von der Presse über die Sommermonate nichts einfällt, sind entweder die Beam­ten dran oder man schreibt über die Abschaffung des Bundesrates. Das ist meiner Mei­nung auch oft beschämend.

In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal bei euch allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die gute Zusammenarbeit und die großartige Kollegialität. Wenn ich je­manden vergessen habe, bedanke ich mich bei ihm besonders. Ich habe in den letzten 14 Jahren so viele nette Persönlichkeiten und Menschen kennenlernen dürfen, es ist unmöglich, alle aufzuzählen.

Ach ja, last, but not least, ein Dank geht noch: Ein Danke an die Bundesratsdirektorin Dr. Susi Bachmann, an Alice Alsch-Harant und an Monika Schweitzer-Wünsch, und für die Fraktionsarbeit bedanke ich mich bei Isolde Thornton ganz besonders (allgemeiner Beifall), sie ist die gute Seele der ÖVP-Fraktion und hat sehr, sehr viel für uns geleistet. Ich bedanke mich bei Raffaela Pribitzer, bei Irene Peer-Polzer, bei Dr. Sabine Neyer für die EU-Ausschuss-Angelegenheiten und bei Klubdirektor Martin Falb. Wie gesagt, ihr habt sehr viel zum Gelingen meiner Präsidentschaften und der Bundesratsarbeit beigetragen.

Meinem Nachfolger Karl Bader wünsche ich alles Gute. Er kommt aus Niederösterreich und kennt das politische Geschäft. Ja, man kann noch lernen, so wie ich im hohen Alter, du bist ein wesentlich jüngerer Kollege. Ich wünsche dir wirklich das Beste und große Unterstützung in der Präsidiale und für deine Projekte.

Was fehlt noch? – Es fehlt meine liebe Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und danke dir noch einmal für die Zusammenarbeit. Du sitzt mo­mentan in der letzten Reihe, aber du gehörst weit nach vorne.

Ich freue mich auch, dass das Projekt Kinderrechte, Kinderrechteausschuss einen Schwerpunkt deiner Präsidentschaft darstellt und dass wir dieses Thema als Bun­desratsarbeit wieder in die Länder tragen und dabei mit den Ländern kooperieren. Ich bin auch froh darüber und dankbar dafür, dass ich da als junger Fraktionsobmann auch etwas dazu beitragen konnte.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 138

Viel fehlt nicht mehr: Mit einem lachenden und einem weinenden Auge, aber stark in meinem alemannischen Herzen verabschiede ich mich nun. Ich wünsche euch alles Gute. Macht es gut! Ich habe fertig! – Edgar Mayer aus dem Ländle. (Lang anhalten­der, stehend dargebrachter allgemeiner Beifall. – Die BundesrätInnen der ÖVP halten Tafeln mit der Aufschrift „Danke Edgar“ und einem Smiley darauf in die Höhe.)

17.29


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Edgar, für deine ausführliche letzte Rede. Ich wünsche dir alles Gute, viel Gesundheit und viel Freude mit deiner gewonnenen Frei­zeit. Ich werde im Herbst in Vorarlberg sein, vielleicht haben wir Zeit für ein Gläschen. (Bundesrat Mayer: Ich zahle die Getränke!)

Es liegt noch eine weitere Wortmeldung vor: Reinhard Todt ist zu Wort gemeldet. – Ich erteile dir dieses.


17.31.30

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Lieber Edgar! So einfach geht es natürlich nicht, dass du einfach gehst, ohne noch etwas zu hören, immerhin warst du 14 lange Jahre im Bundesrat.

Mir sind zwei Vorarlberger in Erinnerung, der eine ist ein legendärer Vorarlberger, näm­lich Jürgen Weiss, und der andere ist Edgar, der würdige Nachfolger des Jürgen Weiss. Ich glaube, er hat genauso gut den Föderalismus repräsentiert, du hast die Subsidiari­tät repräsentiert, du hast hier im Bundesrat dein Bundesland repräsentiert. Dazu gra­tuliere ich dir recht herzlich.

Edgar Mayer hat es sehr ausführlich dargestellt, und ich würde ihn als Mister EU im Bundesrat oder Mister EU-Ausschuss oder Mister Subsidiarität bezeichnen. (Bundesrat Mayer: EU-Mayer!) – Genau, „EU-Mayer“, gut gesprochen! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Du hast es wirklich perfekt dargestellt, ihr habt wirklich sehr viel er­reicht und damit natürlich auch das Ansehen des Bundesrates in der Europäischen Union sehr gut dargestellt und vor allen Dingen repräsentiert. Das ist, glaube ich, wich­tig, und ich würde auch sagen, dass wir sehr davon zehren, dass ihr diese Arbeit im EU-Ausschuss macht. Ich wünsche mir, dass das so gut fortgesetzt wird.

Du warst zwei Mal Präsident, und während einer gemeinsamen Auslandsreise nach Ir­land hast du leidenschaftlich erzählt, wie das mit dem Brexit sein wird, mit Nordirland – und vieles andere mehr, weil du das selbst erfahren hast, weil ihr das selbst gesehen habt. Damit war das für mich auch plastisch erlebbar.

Eine Anekdote, die ich mit dir bei einer Auslandsreise erlebt habe, möchte ich gerne erzählen: Es war in Marokko, du warst Präsident, wir waren damals eine Delegation. Ich glaube, Monika (in Richtung Bundesrätin Mühlwerth), du warst auch mit (Bundes­rätin Mühlwerth: Nein, die Conny Michalke war mit!), genau, eine Vorarlbergerin war mit (Bundesrätin Mühlwerth: Genau, zwei Vorarlberger!), ja, richtig. Am Abend gab der Präsident des Senates ein großes Fest, es gab vorher ein Abendessen, alles war wun­derbar und fand in einem riesigen Areal statt. Und dann gab es etwas, das wirklich im­posant war, es gab nämlich Edgar zu Ehren Reiterspiele. Dieser ist in der Mitte ge­sessen und musste das abnehmen. Zum Schluss – und das war das Schönste, was es gegeben hat – wurden mit flammenden Fackeln die Buchstaben seines Namens, Ed­gar Mayer, geschrieben. Man hat den Namen Edgar Mayer richtig gut gesehen. (Bun­desrat Mayer: Sogar Mayer richtig geschrieben, die Marokkaner! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Richtig, eine wunderbare Geschichte! Das war schon sehr imposant.

Edgar hat es erzählt, man spürt im Ausland die Bedeutung des Bundesrates und die Wertschätzung, die einem entgegengebracht wird, und an dieser Stelle war das ganz besonders zu sehen.


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Lieber Edgar, ich möchte mich als Obmann der sozialdemokratischen Fraktion ganz herzlich bei dir für die Zusammenarbeit in der Zeit unserer Koalition bedanken. Ich möchte mich aber auch bei dir als Verhandlungspartner für die gelungene Arbeit, die wir über Parteigrenzen hinweg gemacht haben, sehr bedanken.

Ganz zum Schluss möchte ich noch als Wiener Bundesrat sagen, dass es mich immer sehr, sehr gefreut hat, dass du gesagt hast: Ich bin zwar ein Vorarlberger, ein über­zeugter Föderalist, aber ich bin gerne in Wien und ich bewundere die Leistungen der Bundeshauptstadt.

Danke, du warst ein großartiger Parlamentarier, du hast den Parlamentarismus hoch­gehalten. Danke für deine Arbeit, alles Gute! Alles, alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

17.36


Vizepräsident Ewald Lindinger: Eine weitere Wortmeldung: Kollegin Monika Mühl­werth. – Bitte.


17.37.09

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Lieber Edgar! Als ich dir heute bei deiner Rede zugehört habe, habe ich mir gedacht, es wird mir etwas fehlen – du als Person ohnehin, aber es wird mir noch etwas fehlen –, nämlich das, was man in Wien Schmäh nennt. Das wür­de man einem Vorarlberger jetzt nicht so ohne Weiteres zutrauen (Heiterkeit und Bei­fall bei BundesrätInnen von FPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Koller), aber ge­rade du hast diesen immer in großem Ausmaß gehabt. Ich schätze an dir wirklich deine Kameradschaft, die ich namens meiner Fraktion schon erleben durfte, als wir noch in Opposition waren. Das ist nicht immer selbstverständlich, denn wir haben als Opposi­tion auch schon andere Personen erlebt, bei denen das nicht so war.

Besonders schätze ich an dir, dass du Humor hast, was ich auch allgemein an Men­schen mag. Ich halte Humor nämlich für eine ganz wichtige Eigenschaft, vor allem in der Politik. Es ist gut, wenn man sich nur zu 99,9 Prozent ernst nimmt, und den Rest kann man sich ruhig einmal auch nicht ganz so ernst nehmen, das tut uns allen ganz gut. Ich finde es immer schön, wenn es Menschen gibt, die das können, und du, Edgar, kannst das.

Ich weiß auch, dass du uns, wenn wir als Opposition, als die Rollen noch anders ver­teilt waren, ab und zu ein bisschen frech waren, natürlich auch eingeschenkt hast. Es ist aber heute von dir auch gesagt worden, dass das von dir als Auftrag an uns ge­kommen ist, darauf zu achten, dass das Klima nicht derart vergiftet wird, dass man sich am Ende einer Sitzung oder einer Session nicht mehr die Hand geben und sagen kann: Komm gut nach Hause!, oder: Schönen Urlaub!, oder: Schöne Weihnachten!

Ich kann dir sagen, auch ich werde darauf schauen, dass wir das weiter fortführen, denn das hat uns gutgetan. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

Als Präsident hast du natürlich versucht, für alle da zu sein. Es ist ja ein Auftrag an alle Präsidenten, der Präsident aller Bundesräte zu sein und nicht nur der Bundesräte der jeweils eigenen Fraktion. Du hast angesprochen, dass du den Grünen damals geholfen hast, dass sie, obwohl sie ja aus dem Nationalrat rausgeflogen sind, im Bundesrat ih­ren Fraktionsstatus halten konnten. Ich kann mich erinnern, wir haben einmal darüber geredet, dass man immer wieder merkt, dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist. Soweit ich weiß, ist dir das nämlich nie gedankt worden, und es ist auch nie die damalige Klubobfrau der Grünen zu dir gekommen und hat gesagt: Danke, dass du dich dafür eingesetzt hast! Schade, aber vielleicht können die restlichen, verbliebenen Grünen daraus noch etwas lernen.

Lieber Edgar! Ich wünsche dir alles Gute! Ich weiß, du hast noch viele Aufgaben. Das ist nur eine der Aufgaben, die du jetzt aufgibst. Daran merke ich auch, wie lange auch


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ich schon hier bin. Ich kenne dich ja jetzt auch schon seit fast zwölf Jahren, denn ich bin Ende 2006 gekommen, und jetzt haben wir Mitte 2018, also auch schon eine halbe Ewigkeit, muss man sagen. Danke für die Zusammenarbeit, die immer wirklich nicht nur freundschaftlich, sondern auch alemannisch-korrekt war, auch uns gegenüber. Das ist ja ein schöner Zug von euch. Und dir alles Gute für all deine Aufgaben, die du ja trotzdem noch bei dir zu Hause hast. Bleib gesund, lass es dir gut gehen im Kreis deiner Familie, besuch uns ab und zu! Und wenn ich meinen Sohn, der in Vorarlberg lebt, besuche, dann werde ich mich, wenn ich darf, bei dir melden. (Bundesrat Mayer: Die Getränke sind bezahlt!) Alles, alles Liebe! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Mayer erhebt sich von seinem Platz und bedankt sich bei Bundesrätin Mühlwerth.)

17.41


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses.


17.41.30

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Edgar im Besonderen! Ich darf mich auch im Namen deiner Fraktionskolleginnen und -kollegen an dieser Stel­le sehr, sehr herzlich für deine Arbeit bedanken, die du für uns alle geleistet hast. Ich durfte dich vor 14 Jahren in diesem Haus kennenlernen, habe viel von dir gelernt, viel mit dir erlebt, auch harte Zeiten, aber auch sehr, sehr freudige Zeiten miterleben dür­fen. Ich war dann zehn Jahre vom Bundesrat weg. Du hast mir damals gesagt, du bist reif dazu, in einen Landtag zu gehen. Ich bin jetzt wieder hier und freue mich, dass ich die Aufgabe, die du in der Fraktion hast, von dir übernehmen darf.

Ich habe dich auch als einen sehr geerdeten Menschen kennengelernt, als sehr geer­deten Politiker mit einem Wertefundament, das es natürlich auch zu verteidigen gilt, aber auch als einen, der immer wieder mit allen anderen politischen Parteien und Frak­tionen das Gespräch auf Augenhöhe gesucht hat, was eine Notwendigkeit in einer De­mokratie ist.

Wir haben heute schon einige Dankesworte gehört, und es sind viele positive Seiten an dir hier angesprochen worden, negative wurden von allen Vorrednern eigentlich ausge­lassen. Ich möchte schon eine kleine negative Eigenschaft hier an dieser Stelle erwäh­nen, aber diese ist natürlich auch einem geerdeten Menschen innewohnend: das ist möglicherweise dein alemannisches, vorarlbergisches Selbstbewusstsein, das manch­mal ganz, ganz dick aufgetragen wird. Das ist aber etwas, was trotzdem eine liebevolle Eigenschaft ist.

In diesem Sinne danke ich dir als großartigem Partner und Freund, vor allem auch für deine persönliche Wertschätzung, und wünsche dir für die Zukunft alles Gute. Wir wer­den ja in der Fraktion auch noch Gelegenheit haben, dir ein würdiges Danke zu sagen. Ein herzliches Glückauf und viel Freude! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bundes­rätInnen der SPÖ. – Bundesrat Mayer erhebt sich von seinem Platz und bedankt sich bei Bundesrat Bader.)

17.43


Vizepräsident Ewald Lindinger: Eine weitere Wortmeldung liegt von Frau Bundesrä­tin Mag. Dr. Ewa Dziedzic vor. Ich erteile ihr das Wort.


17.43.57

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Staatsse­kretärin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Auch wenn wir keine Fraktion mehr sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich im Namen der Grünen herzlich bei dir,


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 141

Edgar, für die stets konstruktive Zusammenarbeit bedanken, auch wenn wir nicht im­mer – oder vielleicht zumeist nicht – einer Meinung waren, und mich auch explizit für deinen Einsatz für uns, als wir noch eine Fraktion waren, bedanken. Das haben wir im­mer zu schätzen gewusst, und ich finde, es ist hier jetzt eine gute Gelegenheit, mich öffentlich bei dir dafür zu bedanken. Vielen Dank und alles Gute für deinen weiteren Lebensweg! Du wirst uns hier im Bundesrat sicherlich fehlen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Stögmüller, bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ sowie bei der SPÖ.)

17.44

17.45.09


Vizepräsident Ewald Lindinger: Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist alles gesagt. Die Debatte ist geschlossen. (Bundesrat Mayer: Schade, ich habe mich gerade daran gewöhnt!)

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.45.305. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Vorbeu­gung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten ande­ren Straftaten (PNR-Gesetz – PNR-G) erlassen wird (186 d.B. und 208 d.B. sowie 10021/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Christoph Längle. Ich bitte um den Bericht.


17.45.53

Berichterstatter Christoph Längle: Ich komme zum Bericht des Ausschusses für in­nere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Verarbeitung von Flug­gastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und be­stimmten anderen Straftaten erlassen wird.

Der Bericht ist Ihnen schriftlich zugegangen. Ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Ju­li 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

*****

Ich darf an dieser Stelle dir, lieber Edgar, auch alles Gute wünschen. Es hat mich ge­freut, mit dir zusammenzuarbeiten. Wir kennen uns ja seit der ersten Stunde meiner Bundesratstätigkeit, seit der konstituierenden Sitzung des Vorarlberger Landtages, wo ich auch gleich neben dir sitzen durfte. Es hat mich sehr, sehr gefreut, mit dir zusam­menzuarbeiten. Wir werden uns ja, denke ich, noch auf der Heimreise spät in dieser Woche treffen und da vielleicht noch den einen oder anderen Gedanken austauschen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Mayer erhebt sich von seinem Platz und bedankt sich bei Berichterstatter Längle.)

17.47



BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 142

Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. Ich erteile ihm dieses.


17.47.21

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln unter TOP 5 eine Regie­rungsvorlage zu einem Bundesgesetz über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten ande­ren Straftaten. Grundlage ist eine EU-Richtlinie. Diese Richtlinienumsetzung hätte bis 25. Mai 2018 erfolgen sollen. Österreich ist in diesem Fall säumig. Den Grund dafür, dass man hier säumig ist, wird uns wahrscheinlich die Frau Staatssekretärin nachher erzählen. Die Begutachtung zu dieser Richtlinie ist schon im Februar 2018 abgelaufen.

Die praktische Umsetzung dieses Gesetzes schaut so aus, dass Flugunternehmen vor Abflug in einen Drittstaat außerhalb der Europäischen Union und vor Ankunft von Flügen aus einem Drittstaat sämtliche Daten, die sie von Reisenden haben, übermitteln müssen. Diese Daten werden der Fluggastdatenzentralstelle, die im Bundeskriminal­amt angesiedelt ist, gemeldet. Dort werden sie mit vorhandenen Datensätzen ver­glichen. Kommt es zu einem Treffer, wird dieser Treffer ausgewertet, ob er relevant ist oder nicht. Kommt es zu keinen Treffern, werden diese Daten gelöscht, wie uns von Mitarbeitern des Bundesministeriums für Inneres versichert worden ist. So weit, so gut.

Als Polizist und einer, der für mehr Sicherheit eintritt und mit den Abläufen des Si­cherheitsapparates vertraut ist, wäre von meiner Seite grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden. Aber es gibt einen Teil dieses Gesetzes beziehungsweise einen Umset­zungsteil, der nicht meine Zustimmung und auch nicht die Zustimmung unserer Frak­tion findet.

Einerseits konnte trotz mehrmaligen Nachfragens nicht lückenlos erklärt werden, wel­che Daten hier genau mit den Datensätzen im BKA verglichen werden. Warum man hier nicht genau sagt, wer, was, wo, wann, womit, ist für mich nicht ganz erklärbar. Aber eines stört mich noch mehr, nämlich dass in diesem Gesetz dem Innenminister eine besondere Rolle eingeräumt wird. Er kann per Verordnung mit Begründung, ohne dass das näher im Gesetz ausgeführt wird, für einen gewissen Zeitraum anordnen, dass auch Daten der sogenannten EU-Inlandsflüge zu speichern und mit der Daten­bank abzugleichen sind.

Mit dem Wissen, dass es auch Regelungen in anderen EU-Ländern gibt, die diese Möglichkeit auch geschaffen haben, bin ich per se nicht gegen die Speicherung und den Abgleich von Fluggastdaten auch innerhalb der EU. Mir ist aber diese Regelung, dieser Verordnungsweg, einfach zu schwammig, da gibt es sicher bessere Vorschläge.

Ich frage mich, warum hier nicht ein komplettes, transparentes und vollständiges Ge­setz vorgelegt wurde. Warum regelt man so etwas nicht in einem Gesetz? Das wäre dann effektiv und würde eine qualitative Überwachung des Flugverkehrs im Interesse der Republik Österreich ermöglichen. Leider haben solche Gesetze, die nicht transpa­rent sind, vielleicht nicht gut durchdacht und nicht für alle nachvollziehbar sind, immer den Beigeschmack, dass hier irgendetwas geheim gehalten werden soll oder außer­halb eines rechtlichen Rahmens passieren soll. Diesen Vorwurf hätte weder der Innen­minister noch die Frau Staatssekretärin noch das Ministerium notwendig und schon gar nicht die vielen Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag für unsere Bevölkerung eine tolle Arbeit leisten.

Geben wir unserer Exekutive ein gesetzliches Werkzeug in die Hand, mit dem sie gute und qualitative Arbeit leisten kann, zum Schutze unserer Menschen in Österreich! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51



BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 143

Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses.


17.51.54

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie! Worum geht es bei diesem PNR-Gesetz – Passenger Name Record-Daten-Gesetz?

Ich denke, das oberste Ziel muss sein und ist es auch, bestmögliche Sicherheit für alle Österreicherinnen und Österreicher sowie für die EU-Bürger sicherzustellen und dort, wo es nötig ist, Verbesserungen vorzunehmen, wobei sicherlich die Vorbeugung, die Verhinderung, die Vermeidung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität im Vordergrund stehen.

Im Anhang dieses Gesetzes sind weitere strafbare Handlungen aufgelistet, die eine Weitergabe der Daten an Behörden und Gerichte rechtfertigen. Das sind zum Beispiel Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Kindern, Waffen- und Drogenhandel, Ver­gewaltigung, Kriegsverbrechen, unter der Voraussetzung, dass die Höchststrafe der Delikte mehr als drei Jahre Haft beträgt.

Natürlich stellen sich, wenn es um die Sicherheit geht, jeder Bürger und jede Bürgerin die Fragen: Wie viel an Datenangabe ist nötig, was muss erfasst werden, gibt es aus­reichend Datenschutz, und was passiert mit meinen Daten?

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, weil der Kollege das angesprochen hat: Es werden keine zusätzlichen Daten von den Fluglinien und Fluggesellschaften erfasst. Die Fluggesellschaften werden verpflichtet, Fluggastdaten an eine dafür eingerichtete Fluggastdatenbank zu übermitteln. Hier wird der Abgleich mit polizeilichen Datenban­ken, im Anlassfall der Austausch mit Europol und anderen Mitgliedstaaten vorgenom­men. Diese müssen zunächst 24 bis 48 Stunden vor Abflug und dann noch einmal nach dem Boarding übermittelt werden. Das ermöglicht ein schnelles Reagieren und beugt Straftaten vor. Diese Vorgangsweise gewährleistet im Verdachtsfall ein rasches Eingreifen der Sicherheitskräfte.

Zur Sicherstellung des Datenschutzes hat nach sechs Monaten eine Depersonalisie­rung stattzufinden, das heißt, kein Rückschluss auf die Person, der die Daten zuzuord­nen sind, darf möglich sein. Eine Ausnahme gibt es, wenn es ein begründetes Ersu­chen einer bestimmten in- oder ausländischen Behörde, einer Sicherheitsbehörde, ei­ner Zollbehörde oder etwa von Europol gibt.

Zum Vergleich einige Argumente zum Datenschutz aus dem praktischen Leben. Was tun wir selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unseren Daten bewusst oder unbe­wusst fast täglich?

Ich erinnere mich noch an die Zeit, in der wir zu Hause kein Telefon hatten und die Eltern uns Kinder zum Nachbarn geschickt haben, in meinem Fall zum Forsthaus, wenn etwas ganz Dringendes war. Wenn ein Arzt oder Tierarzt oder dergleichen benötigt wurde, dann konnte man dort telefonieren. Mit der Zeit hat es dann einen Telefonan­schluss gegeben, einen Viertel-, Halb- oder Vollanschluss, und da hat man sich bei je­dem Gespräch überlegt oder ist von den Eltern beauftragt worden, sich gut zu über­legen, ob es wirklich notwendig ist. Da musste man die Wählscheibe drehen, und war besetzt, musste man wieder von vorne anfangen.

Und wie schaut es heute aus? Was machen wir heute jeden Tag ganz selbstver­ständlich? – Wir googeln, sind auf Facebook, wir tauschen uns über WhatsApp und an­dere Medien aus, wir bestellen Waren online, wir besitzen eine Kreditkarte und buchen zum Beispiel einen Flug von A nach B. Überall müssen die Daten angegeben und ver­arbeitet werden, das ist für uns heute selbstverständlich. Wir nehmen das in dieser di-


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gitalisierten Welt, die sehr viele Vorteile hat, aber auch sehr viele Sicherheitsanforde­rungen an uns stellt, zur Kenntnis.

Ich denke, Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt. In einem sicheren Land zu leben ist nicht selbstverständlich, aber ein berechtigtes Grundbedürfnis unserer Bür­gerinnen und Bürger, denen wir gegenüber verantwortlich sind und für die wir diese Herausforderungen annehmen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, alle Menschen, die unbescholten sind, haben mit dieser Fluggastdatenerfassung kein Problem. Es ist in unserem Haus keiner betroffen, und darüber hinaus sind es auch nicht viele. Probleme sollten die bekom­men, die Schlechtes im Schilde führen. Deshalb bitte ich um breite Zustimmung zu die­sem Gesetz. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

17.58


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Herr Kollege.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile ihm dieses.


17.58.30

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Geschätzte anwesende Zuhörer und Zuhörerinnen! Kolleginnen und Kolle­gen! Das Gesetz zur Umsetzung dieser PNR-Richtlinie, die die EU im Mai 2016 be­schlossen hat, sollte bereits am 25. Mai dieses Jahres fertig sein. Wir haben schon mehrere Gesetze gehabt, die im Mai des heurigen Jahres schon hätten fertig sein soll­ten, aber sie waren noch nicht ganz fertig oder sehr knapp daran. (Präsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Wenn gefragt wird, warum und wieso, dann sage ich, dass das nicht an der jetzigen Regierung liegt, dass sie das in einem halben Jahr nicht geschafft hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich nehme vielmehr an, dass man vielleicht die Zeit davor, die eineinhalb Jah­re davor, etwas verstreichen hat lassen. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Es ist richtig und notwendig, dass diese Richtlinie in der EU umgesetzt wird, zur Si­cherheit unserer Bürger, unserer Gäste und Besucher. Wir haben schon gehört, die Da­ten werden in der Fluggastdatenzentrale, welche beim BKA angesiedelt ist, zusam­mengefasst. Dort werden sie ausgewertet, in die Trefferverwaltung eingemeldet und die entsprechenden Maßnahmen bei terroristischen Aktivitäten oder auch bei größeren Straftaten gesetzt.

Von der Möglichkeit des Austausches mit anderen Ländern haben wir schon gehört.

Was die Erhebung der Daten anlangt, so werden nur jene Daten verwendet, die von den Luftfahrtunternehmen sowieso verwendet werden, somit werden dafür keine zu­sätzlichen Informationen beschafft. Die Übermittlung der Daten – weil die Datensicher­heit angesprochen wurde – erfolgt elektronisch gemäß den Vorgaben der EU in Arti­kel 16 der PNR-Richtlinie. Dass die entsprechende Datensicherheit gewährleistet ist, wird dadurch sichergestellt, dass es eine Kontrolle durch den weisungsfreien Daten­schutzbeauftragten beim BMI gibt.

Vonseiten der Opposition wurde die Verordnungsermächtigung des Bundesministers für Inneres bemängelt. Diesbezüglich muss man aber fragen: Wie kommt das? – Viel­leicht erklärt das ein Rückblick: Die Fluggastdatenerfassung im eigentlichen Sinne hat­te ihren Ursprung bei 9/11 und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die EU hat sich dann lange geweigert, bis es dazu gekommen ist, aber die Zunahme der Flüchtlings­zahlen hat dazu geführt, dass auch in Europa diese Fluggastdatenerfassung angeord­net wurde.

Wenn Sie jetzt sagen, dass klar ist, dass Flüge aus und nach Drittstaaten erfasst wer­den, aber fragen, warum auch Flüge innerhalb Europas so behandelt werden, sage ich


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 145

Ihnen: weil in den Jahren 2015 und 2016 so viele Personen aus aller Herren Länder, ohne registriert zu werden, durch Österreich durch sind, in ganz Europa verteilt worden sind – man kann so sagen: verteilt worden sind –, die möglicherweise irgendwo um Asyl angesucht haben, aber möglicherweise auch irgendwo untergetaucht sind. (Bun­desrat Schabhüttl: Dann machen wir gleich ein gescheites Gesetz!)

Wenn es notwendig ist, weil größere Veranstaltungen stattfinden, weil es Events gibt oder größere Veranstaltungen im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft, ist es jetzt auch möglich, dass der Innenminister anordnet, dass nicht nur Fluggastdaten von Passagie­ren, die aus Drittstaaten kommen oder in Drittstaaten fliegen, gespeichert werden, son­dern auch von Menschen, die sich innerhalb der EU bewegen. Das ist klar geregelt mit einem klaren Auftrag: Was darf und wie lange darf gespeichert werden? Und das ist, denke ich, eine gute Regelung für unser aller Sicherheit.

Generell ist das Gesetz zur Aufzeichnung von Fluggastdaten ein gutes Gesetz. Es ist zukunftsorientiert und es ermöglicht so den Sicherheitskräften, ihre Aufgabe zum Schutz der österreichischen Bürger richtig wahrzunehmen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.03


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte sehr.


18.03.45

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Als freiheitlicher Bundesrat be­grüße ich das neue Bundesgesetz betreffend die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten ande­ren Straftaten.

Damit Österreich ein besonders sicheres und lebenswertes Land bleibt, ist es notwen­dig, eine proaktive umfassende Sicherheitspolitik zu verfolgen. So wie es auch im Re­gierungsprogramm steht, ist es, um mehr Sicherheit für alle Menschen in unserem Land zu gewährleisten, wichtig, die Rechtsordnung an neue Gefahren und Bedrohun­gen anzupassen und damit die Rahmenbedingungen für die Behörden zu verbessern.

Durch dieses Bundesgesetz wird die Richtlinie (EU) 2016/681 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität in nationales Recht umgesetzt und umfasst zum Beispiel folgende Maßnahmen: Jeder Mitgliedstaat muss eine nationale Fluggastdatenzentralstelle einrichten; die Sicherstellung eines hohen datenschutz­rechtlichen Standards für die Verarbeitung von Fluggastdaten muss gewährleistet sein; die Überprüfung der Fluggastdaten soll es den Sicherheitsbehörden, Staatsanwalt­schaften, Gerichten, Zollbehörden, dem Abwehramt sowie dem Heeresnachrichtenamt im Rahmen ihrer Befugnisse und der engen Zweckbindung der PNR-Richtlinie ermög­lichen, nicht nur bereits bekannte Personen zielgerecht zu identifizieren, sondern auch solche Personen, die den zuständigen Behörden bislang nicht bekannt waren und die mit einer terroristischen Straftat oder einer Straftat von vergleichbarer Schwere in Zu­sammenhang stehen könnten.

Für die Verarbeitung von Fluggastdaten wird die Fluggastdatenzentralstelle im Bundes­kriminalamt eingerichtet, die für das Bundesministerium für Inneres diese Aufgabe wahrnimmt.

Die Luftfahrtunternehmen, die über eine gültige Betriebsgenehmigung, die es gestattet, Fluggäste auf dem Luftweg zu befördern, verfügen und die Personen mit einem Luft-


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fahrzeug aus einem Staat, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, also einem Drittstaat, nach Österreich oder aus Österreich in einen Drittstaat bringen, sind verpflichtet, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit erhobenen Fluggastdaten ihrer Flug­gäste in einem Protokoll und Datenformat unter Verwendung der durch die Fluggastda­tenzentralstelle festgelegten sicheren Kommunikationskanäle innerhalb eines Zeit­raums von 24 bis 48 Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit sowie unverzüglich nach Abschluss der passagierbezogenen Formalitäten kostenlos an die Fluggastdatenzentral­stelle zu übermitteln. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Bader und Forstner.)

Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung den Anwendungsbe­reich des Absatz 1 auf Personen, die mit einem Luftfahrzeug aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Österreich oder aus Österreich in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union befördert werden, zu erstrecken. Ergibt sich aufgrund der Erfah­rungswerte, dass die Erstreckung auf innereuropäische Flüge einen wesentlichen Er­kenntnisgewinn hinsichtlich der Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität bewirkt, soll von der Verordnungs­ermächtigung Gebrauch gemacht werden.

Gründe für die Erlassung einer solchen Verordnung und somit die Anwendung des PNR-Gesetzes auch auf intraeuropäische Flüge können Situationen wie Ereignisse sein, mit denen eine erhöhte Gefährdungslage einhergeht, wie etwa die österreichische EU-Ratspräsidentschaft, internationale Gipfeltreffen, besonders sensible Staatsbesu­che oder die Ausrichtung von Großereignissen, zum Beispiel einer Fußballeuropameis­terschaft.

Fluggastdaten, die der Fluggastdatenzentralstelle von den Luftfahrtunternehmen über­mittelt wurden und die nicht Fluggastdaten nach Absatz 1 sind, sind unverzüglich nach Kenntnisnahme zu löschen. Gleiches gilt, wenn Fluggastdaten Angaben zu besonde­ren Kategorien von personenbezogenen Daten laut Datenschutzgesetz enthalten.

Was passiert bei der Verarbeitung der Fluggastdaten? – Die Fluggastdatenzentralstelle ist hinsichtlich der Zwecke des Absatzes 1 ermächtigt, die bei ihr einlangenden Flug­gastdaten vor der Ankunft oder dem Abflug eines Luftfahrzeuges mit Daten aus Fahn­dungsevidenzen und sonstigen sicherheitspolizeilichen Datenverarbeitungen anhand festgelegter Kriterien abzugleichen und das Ergebnis dieses Abgleichs gemeinsam mit den Fluggastdaten in einer Datenverarbeitung zu verarbeiten.

Zur Verifizierung eines anhand des Abgleichs erfassten Treffers ist die Fluggastdaten­zentralstelle ermächtigt, Abfragen in Datenverarbeitungen für Zwecke der Sicherheits­verwaltung, des Asyl- und Fremdenwesens sowie der Strafrechtspflege durchzuführen. Daten in der PNR-Datenbank und in der Trefferverwaltung sind fünf Jahre nach Über­mittlung durch das Luftfahrtunternehmen zu löschen. Die Fluggastdatenzentralstelle hat die in der PNR-Datenbank verarbeiteten Daten sechs Monate nach Übermittlung durch die Luftfahrtunternehmen zu depersonalisieren.

Wir Freiheitliche wurden von der Bevölkerung als Garant für die Sicherheit der österrei­chischen Bevölkerung gewählt, und betreffend diesen Auftrag sind wird den Menschen in unserem Land verpflichtet. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir Freiheitliche haben Rot-Weiß-Rot und die Sicherheit unserer Bevölkerung im Herzen, denn sie liegt uns am Herzen. Die rot-grüne Pflastersteindelegation wurde zu Recht abgewählt, dies hat sie heute eindrucksvoll bewiesen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Aufgrund der zu erwartenden positiven Auswirkungen des neuen Bundesgesetzes wer­den wir Freiheitliche keinen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates erhe­ben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.10


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.


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Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler. – Bitte sehr.


18.10.38

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Ich möch­te mich zunächst bei allen Bundesrätinnen und -räten – bei diesem Tagesordnungs­punkt waren es jetzt Bundesräte – dafür bedanken, dass sie die Eckpunkte dieses Ge­setzes schon perfekt dargelegt haben. Deshalb bleibt mir jetzt, mich auf die wesent­lichen Punkte zu beschränken und auch auf ein paar Fragen einzugehen, die gestellt worden sind.

Zum Ersten darf ich auf Folgendes hinweisen: Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft, das heißt, Sie tragen heute dazu bei, dass wir jetzt ganz schnell dazu übergehen können, dass es in Kraft tritt. Man möge ein paar Wochen Verzögerung bei der Umsetzung verzeihen – das kommt ja ab und an vor –, aber besser ein gut diskutiertes Gesetz als irgendetwas Übereiltes. Das haben wir heute hier auch schon des Öfteren gehört.

Der Schwerpunkt des Gesetzes ist ganz klar – wir haben auch das gehört –, nämlich die Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schweren Straftaten, sprich: Straftaten, die mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Wie das Ganze funktioniert, haben wir ebenfalls gehört.

Herr Bundesrat Schabhüttl hat die Frage gestellt, was denn eigentlich Fluggastdaten sind. – Ich darf auf das Gesetz verweisen. Es ist in § 3 Abs. 1 (Zwischenruf des Bun­desrates Schabhüttl) – warten Sie einmal! – genau dargelegt, was Fluggastdaten sind; in § 4 Abs. 1 ist die Verarbeitung dargelegt, also wie das funktioniert, nämlich dass man die Daten mit Fahndungsevidenzen, mit sicherheitspolizeilicher Datenverarbeitung abgleicht, und in Paragraf 5 ist festgelegt, wie die Kriterien sind. Diese sind alle sechs Monate neu zu überprüfen und müssen, und das ist das Wesentliche, „zielgerichtet, verhältnismäßig und bestimmt“ sein. Ich kann also – ich habe das heute schon einmal gesagt – auch als Juristin nur sagen, es ist wirklich alles im Detail dargelegt, und es ist auch mit dem Umstand, dass man den Datenschutzbeauftragten einzubinden hat, wirk­lich hervorragend abgesichert, damit da nichts passieren kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was vom Gesetz umfasst ist, sind Flüge von der EU in Nicht-EU-Staaten und von Nicht-EU-Staaten in die EU. Richtig ist aber, dass man mit einer Verordnung – der Herr Bundesminister hat eine Verordnungsermächtigung – auch EU-Flüge, also Flüge inner­halb der Grenzen der EU, erfassen kann, aber – ich darf darauf hinweisen – unter exakt den gleichen Voraussetzungen, die auch für dieses Gesetz gelten, nämlich Verhütung, Aufklärung, Verhinderung, Ermittlung von terroristischen Straftaten und schweren Straf­taten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, leider leben wir in einer Zeit, in wir auch darauf gefasst sein müssen, in der es besser ist, darauf vorbereitet zu sein, damit es nicht so sein muss, wie es in anderen Staaten der Fall ist, nämlich dass man im Ernst­fall dann den Ausnahmezustand ausrufen muss, weil man nicht gerüstet ist. Deshalb halte ich auch die Verordnungsermächtigung für ganz wesentlich, und sie ist nur unter strengen Bedingungen möglich.

Wie es mit den Daten und der Speicherung ausschaut, werde ich jetzt nicht wieder­holen, um keine Redundanzen zu schaffen – fünf Jahre, nach sechs Monaten Deper­sonalisierung; klar geregelt, wann man sie wieder repersonalisieren darf –, aber eines möchte ich dazu sagen: Wenn es um ein Gesetz wie das jetzt vorliegende geht – das Ganze ist ja eine Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union –, kommt immer


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reflexartig die Frage nach dem Datenschutz. Ich sage: Diese Frage kommt zu Recht, denn wir alle müssen in Zukunft – es gibt immer mehr Daten, die verarbeitet werden – sensibel sein und bleiben.

Die Datenschutz-Grundverordnung hat in vielen Bereichen für eine Sensibilisierung ge­sorgt, und das ist auch gut, aber ich möchte Ihnen eines schon gedanklich mitgeben: Mehrmals täglich gibt jeder von uns persönliche Daten bekannt, und zwar total frei­willig! Wenn Sie in Google etwas abrufen, wenn Sie auf Amazon etwas bestellen oder etwas auf Ihren Account bei Facebook einstellen, geben Sie persönliche Daten von sich her – freiwillig! Noch einmal: Die Datenschutz-Grundverordnung weist darauf hin, und vielen ist das vielleicht jetzt erst bewusst geworden.

Im Fall des vorliegenden Gesetzes geht es aber wirklich um ein hohes Ziel, nämlich die Verhütung, Verhinderung, Bekämpfung und Aufklärung von terroristischen Straftaten. Da geht es nicht um kommerzielle Zwecke, wie in den von mir genannten anderen Si­tuationen, sondern es geht um ein hohes Ziel, und dafür lohnt es sich wirklich, im Rah­men eines klaren Gesetzes diesen Fluggastdatenaustausch zu ermöglichen, den wir rechtsstaatlich absichern.

Ich denke, das ist nicht nur gut und richtig, sondern das ist in Zeiten wie diesen auch unerlässlich, und es liegt in der Verantwortung eines Staates, dafür Vorkehrungen zu treffen. Ich kann Sie daher nur um breite Zustimmung zu diesem Gesetz bitten. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.15

18.15.17


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr, Frau Staatssekretärin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.15.486. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (194 d.B. und 209 d.B. sowie 9999/BR d.B. und 10022/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich bitte um den Bericht.


18.16.10

Berichterstatter Christoph Längle: Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Natio­nalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspoli­zeigesetz geändert wird.

Der Bericht ist Ihnen schriftlich zugegangen; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Ju­li 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Martin Weber. – Bitte.



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18.16.53

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Werte Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Tagesordnungspunkt 6, dem Sicher­heitspolizeigesetz, sind einige Themenbereiche vermischt worden.

Punkt 1, der Gafferparagraf: Dazu stehen wir voll und ganz. Ich persönlich bin auch auf Facebook aktiv, obwohl mir ein Familienleben nach wie vor wichtig ist – die Frau Fa­milienministerin ist ja jetzt nicht mehr hier –, aber der Social-Media-Bereich hat auch sehr, sehr viele negative Seiten hervorgebracht. Mit der Verbreitung von Smartphones ist das Gafferproblem an Unfall- und Einsatzorten erheblich größer geworden. Handys sind – ja! – nützlich und gut, wenn es darum geht, den Notruf zu betätigen, aber damit zu filmen und zu fotografieren ist in manchen Situationen absolut nicht angemessen.

Die Rettung behauptet, dass sie bei jedem fünften Einsatz mit Schaulustigen konfron­tiert ist und damit auch erhebliche Probleme einhergehen. Ab und zu behindern Schau­lustige sogar die Arbeit der Einsatzkräfte, und das geht absolut gar nicht. Die Wiener Berufsrettung startete gemeinsam mit der Stadt Wien eine entsprechende Kampagne gegen Schaulustige bei Notfalleinsätzen unter dem Titel: Hab Anstand, halt Abstand! Auslöser dafür war ein tödlicher Unfall in Wien-Simmering im Jahr 2017, bei dem die Gafferproblematik leider Gottes ein bis dahin unbekanntes Ausmaß angenommen hat. Seither wird in Sozialen Netzwerken immer wieder darauf aufmerksam gemacht.

Niemand will an einem Unfallort fotografiert oder gar gefilmt werden oder möchte sich später in Sozialen Netzwerken wiederfinden. Dabei geht es um die Privatsphäre der Patienten und Patientinnen. – In diese Richtung geht zum Beispiel ein Appell des Lei­ters der Wiener Berufsrettung Rainer Gottwald, der an die Vernunft der Menschen ap­pelliert.

Es ist wichtig, dass die Menschen hinsehen, ja, und, wie gesagt, mit dem Handy auch den Notruf wählen und – noch besser – auch selbst Erste Hilfe leisten. Sind die Profis am Unfallort eingetroffen, sind die Profis am Werk, so heißt es aber: Platz machen und nicht im Weg stehen! Hab Anstand, halt Abstand! – das funktioniert in anderen Situa­tionen des Lebens, wie zum Beispiel am Bankschalter, ja auch, aber anscheinend kom­men in Ausnahmesituationen die Urgene des Menschen zum Vorschein. Es ist traurig, dass wir heute so ein Gesetz brauchen.

Gemäß dieser Novelle sollen Schaulustige, die Rettungseinsätze behindern, von der Polizei vom Unfallort weggewiesen werden können, insbesondere wenn Personen durch ihr Verhalten oder ihre Anwesenheit am Ort einer ersten allgemeinen oder sons­tigen Hilfeleistung stören und behindern.

Das ist ein guter Teil in diesem Gesetz, und wir hätten diesen Teil selbstverständlich auch gerne mitgetragen. Es wurde aber wieder einmal – das wurde auch am Dienstag im Innenausschuss besprochen – ein Abänderungsantrag ohne notwendige Begutach­tung eingebracht. Argumentiert wird für die Überwachung an öffentlichen Orten mit völ­kerrechtlichen Verträgen. Es geht im Wesentlichen darum, dass Denkmäler, Kriegsgrä­ber, Kriegsdenkmäler und dergleichen überwacht werden sollen, es geht um personen­bezogene Daten, die gesammelt werden, und es soll Videoaufnahmen geben; das soll auch auf Botschaften und das Botschaftsumfeld ausgedehnt werden.

Entsprechende Fragen an den Innenminister wurden nicht beziehungsweise nicht aus­reichend beantwortet, obwohl es sehr wichtige und natürlich entscheidende Fragen sind: Wo wollen Sie überwachen? Was wollen Sie überwachen? Welche Botschaften wollen Sie überwachen? Was kostet das Ganze? Welcher Personalaufwand steht da­hinter? Welcher Sachaufwand steht dahinter? – Keine einzige dieser Fragen wurde zu unserer Zufriedenheit beantwortet. Es geht dabei um einen Freibrief für die Überwa­chung an öffentlichen Orten, und das geht gar nicht!


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Am Dienstag erfuhren wir im Innenausschuss zu unserer Überraschung, dass man auf diesen Teil dieser Gesetzesnovelle, nämlich dass ja viel mehr überwacht und viel mehr gefilmt werden soll, erst mit dem Besuch des russischen Präsidenten, Herrn Putin, auf­merksam gemacht wurde. In manchen Bereichen – zum Beispiel in Deutschland bei der Reeperbahn – mag das wahrscheinlich begründet sein, aber bei einem Freibrief, ohne jegliche Einschränkung, können wir absolut nicht mitgehen.

Dieses Gesetz ist wiederum schwammig formuliert, es ist, wie gesagt, ohne Begutach­tung eingebracht worden; ein weiteres Mal. Man hat beinahe das Gefühl, dass die schwarz-blaue Regierung den Parlamentarismus absolut nicht ernst nimmt. Als Oppo­sition hat man fast das Gefühl, dass man im Weg steht. Am laufenden Band – Rudi Car­rell hätte damit seine wahre Freude – werden Abänderungsanträge ohne Begutachtung eingebracht, ohne dass sich das Experten ansehen konnten. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat die SPÖ natürlich nie gemacht!) – Nein, natürlich nicht!

Wir können diesem Teil des Gesetzes, daher dem Gesetz im Ganzen, nicht zustim­men, denn es geht um eine weitere Überwachung an öffentlichen Orten, und das soll nicht ohne richtige und ordnungsgemäße Begutachtung das Parlament passieren. Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.24


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Armin Forstner. – Bitte.


18.24.21

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem lieber Martin Weber, mein alter Freund, es ist eine Wohltat, nach dir zu sprechen! (Bundesrat Weber: Bit­te!) – Es geht ja doch wieder, danke.

Insgesamt geht es um drei Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes: Zum einen geht es um die Schaulustigen, zum anderen geht es um Waffenverbotszonen, und drit­tens geht es um eine Videoüberwachung von Objekten, zu deren Schutz Österreich völ­kerrechtlich verpflichtet ist.

Zu den Schaulustigen: Die vorliegenden Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes dienen dem Schutz der Menschen während Rettungseinsätzen. Hintergrund ist die zu­nehmende Zahl von Schaulustigen im Fall von Unfällen oder Katastrophen. Es gibt schon jetzt die Möglichkeit der Wegweisung. Ein Gesetz ist offensichtlich aber nur dann effi­zient, wie wir hier sehen, wenn es tatsächlich Sanktionen dafür gibt. Diese Sanktionen führen wir jetzt mit einer Verwaltungsstrafe ein.

Künftig drohen Schaulustigen, die nach einer Ermahnung nicht den Unfallort verlassen, Geldstrafen bis zu 500 Euro, im Fall der Wiederholung oder Verharrung auch eine Frei­heitsstrafe bis zu einer Woche oder bei Vorliegen erschwerender Umstände eine zwei­wöchige Freiheitsstrafe. Man muss ganz klar sagen, wir unterstützen damit auch unse­re Rettungskräfte, die freiwillig tagtäglich großartige Arbeit für dieses Land und für die Menschen leisten, damit sie in Zukunft nicht mehr von Schaulustigen an der Arbeit be­ziehungsweise am Helfen gehindert werden.

Der zweite Punkt betrifft Waffenverbotszonen. Wir können uns da auf die Erfahrung un­serer Polizistinnen und Polizisten verlassen. Es gibt Schauplätze, die immer wieder von gewalttätigen Übergriffen geprägt sind, und für genau diese Schauplätze soll es zu­künftig möglich sein, wenn Angriffe gegen Leib, Leben oder Gesundheit zu befürchten sind, einen Waffenverbotszonenerlass zu machen. Es handelt sich hierbei um eine Verordnungsermächtigung, und im Fall des Falles ist eine solche Verordnung an die­sen Orten natürlich auch entsprechend kundzumachen, zum Beispiel durch Aushang an Ort und Stelle.


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Im Nationalrat wurde das Problem Praterstern besprochen. Die Kolleginnen und Kol­legen von der Polizei, die dort Dienst machen, können wahrscheinlich ein Lied davon singen. Als Folge dieses Gesetzes können Polizistinnen und Polizisten dann, wenn sie vermuten, dass jemand eine verbotene Waffe trägt, auch Durchsuchungen durchfüh­ren. Da kein Gesetz ohne Strafsanktionen effizient ist, haben wir Verwaltungsstrafen bis 500 Euro, im Wiederholungsfall sogar bis 2 300 Euro vorgesehen.

Ich bin der Überzeugung, dass wir damit für mehr Sicherheit an derartigen Brenn­punkten sorgen können. Was ich in diesem Zusammenhang betonen möchte, ist, dass die Verordnung, wenn die Gefahr nicht mehr gegeben ist, aufzuheben ist, längstens aber nach drei Monaten.

Zum letzten Punkt: Es gibt Denkmäler oder Botschaften, betreffend die wir völkerrecht­lich dazu verpflichtet sind, Sorge dafür zu tragen, dass sie das ganze Jahr über unbe­schmiert und unbeschädigt bleiben. In der Nationalratssitzung wurde als Beispiel das Denkmal für die russischen Kriegsgefallenen am Schwarzenbergplatz genannt, wo oft sehr aufwendige Streifendienste zu verrichten sind, insbesondere vor großen Jubiläen und Gedenktagen. In Zukunft wird es nach einer Risikoanalyse möglich sein, Bild- und Tonüberwachung zu installieren, um Beschmierungen beziehungsweise Beschädigun­gen zu verhindern, allerdings nur nach vorhergehender Befassung des Rechtsschutz­beauftragten und natürlich nach einer Verhältnismäßigkeitsabwägung.

Kleiner Zusatz: Wir haben im Innenausschuss diskutiert – und das wird mir auch Jür­gen bestätigen –, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir darüber diskutiert hätten, dass das erst nach einem Vorschlag der Russen gemacht worden ist, Herr Kol­lege Weber; ich nehme das aber einmal so zur Kenntnis.

Ich danke unserer Staatssekretärin für ihren Einsatz. Ich weiß, das Thema Katastro­phen ist ihr sehr wichtig, aber auch der Schutz der Kollegen. Ich bin überzeugt, dass diese Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz verhältnismäßig, richtig und wichtig sind, dass dadurch vor allem aber unseren Polizistinnen und Polizisten die Arbeit enorm er­leichtert wird.

Zum Abschluss, geschätzte Frau Präsidentin – da ich heute nie die Möglichkeit hatte beziehungsweise wir beide immer zeitversetzt hier waren –, möchte ich dir, liebe Inge, gratulieren und wünsche dir als Präsidentin für das nächste halbe Jahr alles Gute! Ich bin mir sicher, du wirst den Bundesrat nach außen hin sehr gut und so, wie man es von dir gewohnt ist, vertreten. – Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

18.28


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, lieber Armin, mit eurer Unterstützung si­cher. – Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Jürgen Schabhüttl. – Bitte sehr.


18.29.13

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Staatsse­kretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bereits gehört, wir behandeln hier die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz. Wir sind ja einer Meinung, was die Hand­habe gegen Schaulustige, die Rettungseinsätze bei Unfällen behindern, die die Privat­sphäre in unzumutbarer Weise beeinträchtigen, betrifft, nämlich dass wir das nicht ha­ben wollen, dass wir die wegweisen wollen, dass wir das unter Strafe stellen wollen. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung, da sind wir uns einig.

Schade ist nur – wie soll ich es sagen? –, dass Herrn Minister Kickl und seinen Mitrei­terinnen und Mitreitern im Prinzip schon wieder einmal die Pferde durchgegangen sind und dass man bei guten Gesetzen beziehungsweise guten Novellen in diesem Fall Zu­sätze macht.


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 152

Ich behaupte, wenn man weiß, wie die Gesetzeswerdung normalerweise abläuft, dann ist das überfallsartig. Man kann schon Abänderungsanträge zu bestehenden Materien machen, aber wenn man in Abänderungsanträgen ein, zwei Punkte dazugibt, die mit der ursprünglichen Gesetzesmaterie nichts zu tun haben, dann ist das überfallsartig. (Bundesrat Schennach: Das ist schon Praxis!) Warum man das macht, kann ich so nicht beurteilen. Gesetze oder Novellen, die der Rechtslage entsprechen, die dann auch halten, beanspruchen eine gewisse Zeit; und dass man da manches vielleicht schneller machen will und aus der Hüfte schießt – okay, das muss man hier auch so zur Kenntnis nehmen.

Im Innenausschuss, den Armin und Martin schon angesprochen haben, hat sich, glau­be ich, jemand aus dem Ministerium da ein bisschen verredet, hat einfach gesagt, das sei wegen Putin gewesen. Putin war beim Russendenkmal, er hat dann nachgefragt, ob es da eine Überwachung gibt. Es gibt keine, und so hat er um eine gebeten. So kann ich es mir vorstellen, denn es waren ein, zwei Sätze in diese Richtung. Das ha­ben wir wohlwollend aufgenommen, weil wir nicht gewusst haben, woher das so schnell kommt und warum es jetzt so schnell umgesetzt werden muss.

Ich möchte noch näher auf die Waffenverbotszonen eingehen, die jetzt geschaffen wer­den sollen. Der Hintergrund ist mir klar. Ich habe hier auch das Stenographische Proto­koll (ein Schriftstück in die Höhe haltend) der Rede der Frau Staatssekretärin, die im Nationalrat gesagt hat, es gibt Schauplätze, an denen es immer wieder zu gewalttäti­gen Übergriffen kommt, deshalb dieser Waffenverbotszonenerlass, „wenn dort Angriffe gegen Leben, Gesundheit oder körperliche Unversehrtheit zu befürchten sind. Es han­delt sich um eine Verordnungsermächtigung“ – die Frau Staatssekretärin zitierte den sogenannten Praterstern –, Polizistinnen und Polizisten können „dann, wenn sie ver­muten, dass jemand eine verbotene Waffe trägt, auch Durchsuchungen durchfüh­ren“. – Was ist eine verbotene Waffe? Ich bin selber Polizist, und wenn jemand eine verbotene Waffe trägt und ich davon Kenntnis oder einen begründeten Verdacht habe, dann darf ich diese Person so und so durchsuchen und ihr diese abnehmen.

Sie müssen einmal definieren, was eine verbotene Waffe ist. Sie müssen definieren, welche legalen Waffen in einer Waffenverbotszone sonst getragen werden dürfen, denn verbotene Waffen dürfen nirgends getragen werden. Die letzte Frage, die es noch abzuklären gilt, wenn man den Praterstern mit dieser Waffenverbotszone auf Dauer sicherer machen will und den Kolleginnen und Kollegen von der Polizei dort helfen will, ist: Was ist mit der Verordnung, wenn die Gefahr nicht mehr gegeben ist? Dass Sie diese dann aufheben, ist mir völlig klar, längstens aber nach drei Monaten. Das heißt, in drei Monaten ist der Praterstern dann sicher und wir haben dort keine Waffenver­botszone mehr?! Diese Linie entspricht nicht der, die ich normalerweise nachvollziehen kann. (Zwischenrufe der Bundesräte Mayer, Samt und Pisec.)

Ich wiederhole mich, ich habe heute schon öfters darauf hingewiesen: Ein Gesetz braucht einmal einen klaren Sinn, einen Entwurf, meiner Meinung nach auch eine Be­gutachtung und dann einen klaren Gesetzestext. Die, die mich kennen und inzwischen kennengelernt haben, wissen, dass ich, wenn es das gibt und es die Sicherheit Ös­terreichs fördert, der Letzte bin, mit dessen Unterstützung Sie bei einem Beschluss nicht rechnen können.

Das will ich Ihnen allen mit auf den Weg geben. Ich habe das schon gemacht, und ich stehe auch zu diesem Wort. Wenn es das gibt, dann können Sie mit meiner Unterstüt­zung rechnen, wenn es das nicht gibt, dann werde ich das aufzeigen, wie ich es jetzt gemacht habe, und werde einfach dafür plädieren, dass man das nächste Mal ein Ge­setz so auf den Weg bringt, wie es gehört. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.34



BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 153

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Gott­fried Sperl. – Bitte.


18.34.50

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Frau Staatsse­kretärin! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Kolleginnen und Kollegen! Die Not­wendigkeit dieses Gafferparagrafen war im Ausschuss unbestritten. Ich selbst habe das bei uns miterlebt. Wie Sie wissen, bin ich aus dem Bezirk Murau, und da gab es im Wölzertal, im Katschtal und am Sölkpass Katastrophen. Die zusätzlichen Einsatzkräfte wurden durch den Katastrophentourismus behindert. Die Leute sind dort extra hinge­fahren, um sich die Katastrophen anzuschauen, und die Einsatzkräfte konnten beim Nachrücken nicht einmal mehr richtig zufahren. – Das ist also ganz wichtig und not­wendig.

Ich denke, nicht nur, dass Strafen mit diesem Gesetz möglich sind, sondern auch allein die Möglichkeit, zu strafen, hat schon eine abschreckende Wirkung, und das ist schon ein großer Vorteil.

Hinsichtlich der Verpflichtung betreffend den Schutz von Objekten, deren besonderer Schutz aufgrund völkerrechtlicher Bestimmungen notwendig ist, kann nur gesagt wer­den, dass die Notwendigkeit ja auch anerkannt wird. Wir haben oft gehört, dass be­stimmte Denkmäler – das Russendenkmal ist heute bereits angesprochen worden –, jüdische Friedhöfe und Sonstiges, andere Bereiche, wie Mauthausen, geschändet wer­den, und ich denke, dass wir die Verpflichtung haben, diese zu schützen. Die Überwa­chung mittels Video, mittels Überwachungsgeräten ist immer noch günstiger als die Bewachung vor Ort mit Personal. Die Möglichkeit aber, das auf Botschaften und so weiter auszudehnen, ist auch klar. Die Regelung ist klar überschaubar und hat einen begrenzten Bereich kundgemacht. Es ist so, dass das dem Personenkreis bekanntzu­machen ist, wie die Möglichkeit der Verarbeitung der Daten und Löschung der Daten nach 48 Stunden ist, wenn sie nicht weiter verfolgt werden. Wie gesagt, diese Überwa­chung erleichtert die Arbeit der Exekutive.

Zur Waffenverbotszone muss ich sagen, ich habe nirgends etwas von einer verbotenen Waffe gelesen. Ich habe es auch ein wenig durchgelesen, das Ganze umfasst eh nur zwei Seiten.

Es heißt da: „Hat jemand Waffen oder Gegenstände entgegen der Verordnung nach Abs. 1 bei sich, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, diese sicherzustellen.“

Welche Waffen sind das nach Absatz 1? – Es darf verboten werden, „[...] diese Orte mit Waffen oder mit Gegenständen, die geeignet sind und den Umständen nach dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben, zu betreten. Das Verbot gilt nicht für Menschen, die Waffen in Ausübung ihres Berufes oder auf Grund einer waf­fenrechtlichen Bewilligung an diesen Orten mit sich führen.“ (Bundesrat Schabhüttl: Das ist eh überall so!) – Klar.

Einen besseren Begriff habe ich nicht gefunden, weil der Kollege das angeführt hat. Ich bin überzeugt davon, dass das eine ordnungsgemäße Sache ist, dass dieses Gesetz die Arbeit der Exekutive erleichtert, und es erhält daher unsere Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.38


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck zu Wort gemeldet. – Bit­te sehr.



BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 154

18.38.41

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Ich freue mich sehr, dass ich Sie heute zum ersten Mal so anspre­chen darf. Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Fast 70 Prozent der Österreicherinnen und Öster­reicher haben eines. Ich würde sagen, hier herinnen ist der Anteil sogar noch höher. Bei manchen von Ihnen liegt es gerade auf dem Tisch, andere haben es in diesem Mo­ment in der Hand. Es begleitet uns vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, und im Schnitt benutzt es jeder von uns dreieinhalb Stunden am Tag. Die Rede ist – Sie ah­nen es vermutlich schon – vom Smartphone.

Was das Smartphone mit der Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes zu tun hat, das haben wir heute schon mehrfach gehört. Mit dieser Novellierung beschließen wir heute drei Änderungen. Es geht um die Videoüberwachung von Objekten, zu deren Schutz Österreich völkerrechtlich verpflichtet ist, es geht um Waffenverbotszonen und es geht – und darauf möchte ich mich heute noch einmal konzentrieren – um die Schau­lustigen, um den Gafferparagrafen.

Wir halten fest, dass künftig gegen Menschen vorgegangen werden kann, die den Ein­satz von Hilfsmannschaften erschweren. Wir schaffen eine Rechtsgrundlage – wir ha­ben es vom Kollegen vorhin gehört – für eine wirklich effektive Wegweisung. Das heißt, Verwaltungsstrafen dürfen verhängt werden, wenn jemand Rettungseinsätze, wenn je­mand Notfalleinsätze behindert.

Ich habe im Vorfeld mit einem Rot-Kreuz-Mitarbeiter aus meinem Bezirk gesprochen, und der hat mir gesagt: Weißt du, neugierige Menschen hat es bei Einsätzen immer schon gegeben, aber der Unterschied zu früher, das Neue, das ist das Smartphone. Wer früher Zeuge eines Unfalls wurde, hat das Erlebte am Stammtisch oder seiner Fa­milie zu Hause erzählt; heute werden Unfälle quasi in Echtzeit in den Sozialen Medien geteilt. Was früher die Bilder waren, die man im Kopf hatte, die sich eingebrannt ha­ben, sind heute die Videos, die Fotos, die auf YouTube und Facebook gepostet und geteilt werden. Noch zusätzlich befeuert – ich glaube, das ist an dieser Stelle auch wichtig, zu sagen – wird das sicherlich durch die Boulevardisierung der Massenme­dien. Aus jedem Unfall werden heute Schlagzeilen gemacht, und besonders eifrige Schaulustige werden dann oft noch als sogenannte Leserreporter prämiert.

Ich komme aus einem Bezirk mit vielen Autobahnen und vielen Straßenkilometern. In meinem Heimatbezirk, im Bezirk Mödling, sind unsere freiwilligen Feuerwehren im ver­gangenen Jahr zu 770 Verkehrsunfällen gerufen worden. Ich habe nicht mit jedem ein­zelnen unserer aktiven Feuerwehrmänner und -frauen gesprochen, aber ich glaube, fast alle der 1 680 Mitglieder können ihre ganz eigenen Erfahrungen im Umgang mit Schaulustigen erzählen. Das ist aber nicht nur in meinem Bezirk so. Landauf, landab haben die Feuerwehren mittlerweile spezielle Sichtschutzwände angeschafft, um Han­dykameras Einhalt zu gebieten. Sie stellen eigene Posten ab, um die Sicherheit und den weiteren Verkehrsfluss überhaupt noch gewährleisten zu können.

Ich denke, all diese Beispiele zeigen deutlich, wie wichtig dieser heutige Beschluss ist. Wir geben damit unseren Sicherheitskräften und allen Einsatzkräften ein notwendiges Mittel in die Hand. Wir schaffen Rahmenbedingungen, damit Unfallopfer rasch versorgt werden können, und – und ich glaube, das ist ganz wichtig und in diesem Zusammen­hang noch nicht erwähnt worden – wir setzen auch eine wichtige Maßnahme, um den Schutz der Privatsphäre von betroffenen Menschen zu gewährleisten, von Betroffenen, die sich in einer Ausnahmesituation befinden und dann womöglich auch noch den neu­gierigen Blicken und den Smartphonekameras ausgesetzt sind.

Genau deswegen verbinde ich mit diesem Gesetz auch die Hoffnung, an das Gewis­sen der Menschen appellieren zu können. Keine Frage, das Gesetz allein wird nicht


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reichen, sondern es braucht begleitende Maßnahmen, es braucht vertiefte Öffentlich­keitsarbeit, und im Kampf gegen das Smartphone braucht es sicherlich auch digitale Kampagnen.

Es geht dabei um eine ganz wesentliche Frage, die wir uns meiner Meinung nach stel­len sollten: Wollen wir, dass man Fotos oder Videos von uns macht, wenn wir verletzt sind, wenn wir auf Hilfe angewiesen sind oder sogar um unser Leben kämpfen? – Wenn wir uns diese Frage beantworten – und ich glaube, sie ist leicht zu beantwor­ten –, dann werden wir das Smartphone wieder dazu nutzen, wozu es im Notfall ei­gentlich genutzt werden sollte, nämlich um einen Notruf abzusetzen, um Hilfe zu rufen. In Niederösterreich geht das übrigens mittels einer innovativen Notruf-App; im Zwei­fel – das sei auch gesagt – kann man das Smartphone aber natürlich auch nutzen, um zu telefonieren.

Ich möchte abschließend die Gelegenheit nutzen, um jenen Menschen zu danken, die nicht stehen bleiben, um das Smartphone zu nutzen, sondern die stehen bleiben, um zu helfen und um Zivilcourage zu zeigen. Ich möchte vor allem auch den Einsatzkräf­ten, die in ihrer Freizeit unter großem physischen und psychischen Druck stets höchst professionell, vielfach auch ehrenamtlich Hilfe leisten, Danke sagen. Ich denke, all die Blaulichtorganisationen haben unseren Respekt und unsere Unterstützung verdient. Mit dem heutigen Beschluss verstärken wir diese Unterstützung, deshalb darf ich ab­schließend noch einmal um breite Zustimmung bitten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

18.44


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte.


18.44.37

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer im Plenarsaal beziehungsweise via Livestream! Wir werden mit der Verab­schiedung der vorliegenden Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz heute sicher einen sehr wichtigen Schritt setzen, denn aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre ist es unabdingbar geworden, dass man Gesetze auf den Weg bringt, die einerseits die Ein­satzkräfte unterstützen, andererseits aber auch Fehlentwicklungen unserer Gesell­schaft im Umgang mit Smartphones entgegenwirken. Es ist richtig und wichtig, die öf­fentliche Ordnung zu wahren, und gerade dafür darf ich mich als selbst aktives Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr im Namen aller Einsatzkräfte, die mit dieser Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz eine breite Unterstützung erfahren werden, bei Ihnen, ge­schätzte Frau Staatssekretärin, bedanken.

Es darf nicht sein, dass einerseits Einsatzkräfte bei der Verrichtung ihrer Aufgaben be­hindert werden und andererseits – und das ist noch viel wichtiger – die persönliche Würde und die Privatsphäre von Unfallopfern verletzt wird. Dem entsprechend entge­genzuwirken ist ein Gebot der Stunde, das unterstützt, wie gesagt, nicht nur die Ein­satzkräfte in Ausübung ihrer teils auch lebensrettenden Tätigkeit, sondern sorgt auch für die Wahrung der Würde der Opfer.

Der zweite Teil, den diese Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes beinhaltet, ist die Videoüberwachung von Denkmälern, Kriegsgräbern und so weiter. Wir haben gehört, dass dieser Schritt auch deshalb vollzogen wird, um den völkerrechtlichen Verpflichtun­gen zu entsprechen und diese Objekte zu schützen. Andererseits ist diese Maßnahme aber auch sehr wichtig, um im Bereich von Kriegsgräbern die Wahrung der Pietät durch entsprechende Mittel zu gewährleisten. Vandalismus darf da nicht passieren und schon gar nicht ungestraft bleiben, weil die Sicherheitsbehörden nicht über die notwen-


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digen technischen beziehungsweise gesetzlichen Möglichkeiten verfügen, um die Täter ausforschen und derartige Fälle aufklären zu können; sie müssen die entsprechende Unterstützung erhalten. Deswegen ist diese Maßnahme auch als eine präventive zu sehen: weil dadurch Vandalenakte künftig verhindert werden sollen.

Der dritte Punkt ist die Einrichtung von Waffenverbotszonen. Selbstverständlich sollen die Sicherheitsbehörden die Ermächtigung haben, Waffenverbotszonen einzurichten, wenn ihnen Bedrohungsszenarien bekannt werden, die die öffentliche Sicherheit ge­fährden, oder auch ein Angriff auf das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum der Menschen in Betracht gezogen werden muss. Selbstverständlich – und das ist auch einleuchtend – muss es in diesem Zusammenhang auch eine Durchsuchungsermäch­tigung von Personen geben, sonst wird die Maßnahme nicht entsprechend greifen kön­nen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich darf noch kurz auf die Einrichtung von Waffenverbotszonen eingehen. Ich glaube, gerade als Polizeibeamter, Herr Kollege Schabhüttl, weißt du ganz genau, dass es nicht um verbotene Waffen, sondern um das Tragen von Waffen gegangen ist, und du kennst auch das Waffengesetz bestens und weißt, was eine Waffe ist. Aber wenn man halt gegen irgendetwas sein will, und das hat jetzt doch so den Anschein erweckt, dann sucht man irgendwelche Kleinigkeiten, um das irgendwie argumentieren zu können. Ich hoffe, dass gerade du als Exekutivbeamter doch so wie wir zum Wohle der Sicherheit unserer Bevölkerung – und das Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung ist das höchs­te Gut – dieser Novelle zustimmen wirst. Wir werden es auf jeden Fall tun. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.49


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke recht herzlich.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler. – Bitte sehr.


18.49.21

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Ge­schätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bundesra­tes! Zum Paragrafen gegen Schaulustige, zu dieser neu eingeführten Verwaltungsstraf­bestimmung, nehme ich jetzt eine doch auch in diesem Gremium seltene Einigkeit wahr, deshalb möchte ich auch nicht mehr viel dazu sagen. Allerdings möchte ich die Möglichkeit nutzen, auch von hier aus allen Frauen und Männern, auch allen Jugend­lichen, die ehrenamtlich in Österreich tätig sind, die bei der Feuerwehr, beim Roten Kreuz oder bei sonstigen Organisationen bei Katastrophen zupacken, für ihre Tätigkeit wirklich von ganzem Herzen zu danken. (Allgemeiner Beifall.) Es sind genau diese jun­gen Damen und Herren, diese Frauen und Männer, die immer wieder unermüdlich im Einsatz sind – leider haben wir ja immer wieder auch Katastrophen, kleinere wie grö­ßere Überschwemmungen und sonstige Ereignisse –, für die wir diese Regelungen schaffen, um ihnen gegenüber auch unsere Wertschätzung auszudrücken.

Zum Zweiten kann ich nicht umhin, auch noch etwas zu sagen. Man kann natürlich jetzt darüber diskutieren, wie man eine Bestimmung einführt, man kann sich über die Art und Weise freuen oder weniger freuen. Fakt ist, es gibt diese Möglichkeit. Wenn man aber der Meinung ist, dass es grundsätzlich sinnvoll ist, dann sollte man trotz der Art des Zustandekommens vielleicht zustimmen.

Ich werde nicht müde, auch für diese Regelung zu plädieren, nämlich für die Möglich­keit der Videoüberwachung von Denkmälern, zu deren Schutz Österreich völkerrecht­lich verpflichtet ist. Das ist nämlich eine sinnvolle Sache. Es ist die Möglichkeit, diese Denkmäler zu bewachen. Was Sie nicht außer Acht lassen dürfen, ist, dass es natür-


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lich notwendig ist, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Es ist natürlich not­wendig, das entsprechend kundzumachen und örtlich möglichst einzuschränken.

Da Sie schon Putins Besuch angesprochen haben – Sie sprechen auch eine Zustän­digkeit meinerseits im Innenministerium an, nämlich die Fürsorge für die Kriegsgrä­ber –, kann ich Ihnen eines bestätigen: Es war kosten- und zeitintensiv, dieses Denk­mal am Schwarzenbergplatz vor Putins Besuch tatsächlich so engmaschig zu überwa­chen, dass es nicht zu Beschmierungen kommt. Leider ist es Faktum, dass es immer wieder Menschen gibt, die das irgendwie lustig finden oder das, ich weiß nicht, warum auch immer, machen.

Wir sind völkerrechtlich dazu verpflichtet, und es ist auch das Wort Pietät gefallen, die­se Denkmäler zu schützen. Wenn es leichter, kostengünstiger möglich ist, das in dieser Art und Weise zu machen, wie wir das jetzt beschließen, nämlich als Möglichkeit, dann kann man eigentlich nur dafür sein. Das wollte ich gesagt haben, auch wenn Sie viel­leicht meine Argumente jetzt nicht hören.

Herr Bundesrat Schabhüttl, ich komme mir jetzt fast ein bisschen wie bei einer juris­tischen Prüfung vor. (Bundesrat Schabhüttl: Das war nicht beabsichtigt!) Ich unter­stelle Ihnen, dass Sie als Polizist diese Frage – nämlich was unter dem Begriff verbo­tene Waffen in diesem Zusammenhang, von dem wir sprechen, gemeint ist – perfekt selbst beantworten können. Im Gesetzestext ist von verbotenen „Waffen oder Gegen­ständen“ die Rede. Sprich, wir sprechen von Gegenständen oder Waffen, die in dieser Zone dann deshalb verboten sind, weil es diese Zone gibt und weil dort eben diese Ge­genstände verboten sind. Dann darf die Durchsuchung durch den Polizisten stattfin­den, selbst wenn das keine verbotene Waffe im Sinne des Waffengesetzes ist. Ich ha­be meine Hausaufgaben als Juristin gemacht. Ich wollte es nur jetzt auch in diesem Rahmen sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dass man kritisiert, dass es nach spätestens drei Monaten außer Kraft zu treten hat, verstehe ich nicht ganz, denn wir reden immer vom Datenschutz und auch von der An­passung an Gegebenheiten – das habe ich heute schon einmal gesagt. Es ist im Straf­recht, aber auch in vielen anderen Rechtsbereichen so, dass wir sehr oft hintennach sind, dass wir uns aber auch auf die Dinge einstellen müssen, die halt in der Realität passieren.

Deshalb halte ich es für sinnvoll, dass das spätestens nach drei Monaten außer Kraft zu setzen ist. Wenn es weiter eine Notwendigkeit dafür gibt, dann muss man das neu beurteilen, dann bedarf das aber auch einer neuen Verordnungserlassung. Auch das ist gut und trägt auch zur Rechtssicherheit und zur Rechtsstaatlichkeit bei.

Ich hoffe in diesem Sinne, juristisch wie auch sonst die Fragen beantwortet zu haben. Ich hoffe trotzdem auf eine breite Zustimmung zu allen drei Maßnahmen, die wir hier beschließen wollen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.53

18.53.45


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr, Frau Staatssekretärin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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18.54.167. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Re­publik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität (150 d.B. und 210 d.B. sowie 10023/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. – Ich bitte um den Bericht.


18.54.49

Berichterstatter Gottfried Sperl: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angele­genheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Ju­li 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Längle. – Bitte sehr.


18.56.02

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Ja, zur Debatte steht die Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und Ungarn. Ursprünglich entstand dieser Vertrag ja schon im Jahre 2006 und hatte eben Vorbeugung und Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität zum Ziel. Das wird jetzt hier angepasst, verbessert, womit auch auf aktuelle Ereignisse und Geschehnisse reagiert wird.

Was wird alles gemacht? – Durch dieses Abkommen wird die Verfolgung von Perso­nen, die sich einer Polizeikontrolle zu entziehen versuchen, möglich sein. Wie wir alle wissen, endet die Kriminalität ja nicht an der Grenze, auch nicht an einer Staatsgrenze, das war auch früher nicht anders. Mit dieser neuen Anpassung werden wir dem entge­genwirken.

Was kann man noch machen? – Es wird in Zukunft einen gemischten Streifendienst geben. Auch das ist erfreulich und gut, weil man sich so gegenseitig unterstützen, Er­fahrungen austauschen und vor allem auch über die Grenzen hinweg patrouillieren kann.

Allgemein ist auch sehr positiv zu nennen, dass es hier spezielle grenzüberschreitende Maßnahmen in den Bereichen Eisenbahn- und Schiffsverkehr gibt. Wie wir alle wissen, fahren auf der Donau nämlich sehr, sehr viele Schubschiffe und auch andere Schiffe. Diese werden immer wieder für illegale Migration oder sonstige kriminelle Zwecke be­nutzt.

Ebenso wird hier darauf geachtet, dass die Sicherheit im Straßenverkehr hochgehalten wird. Ein weiterer Punkt ist die Korruptionsbekämpfung, eine bessere Amtshilfe gene­rell sowie bestmögliche Verhinderung von Finanzvergehen.


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Wie im Ausschuss schon angesprochen wurde, gibt es dann auch eine Durchbeförde­rung. Das wird eben möglich gemacht. Andererseits wird insbesondere der Informa­tionsaustausch sehr hochgehalten.

Erfreulich ist auch, dass wir eine neue Regierung haben, die gute Beziehungen mit Ungarn pflegt. Ich halte generell fest, dass es sehr gut ist, wenn man mit seinen Nach­barn gute Beziehungen hat. Das war leider bei der Vorgängerregierung nicht der Fall. Wir kennen alle noch diese Streitereien zwischen dem ehemaligen Kanzler Faymann und der Regierung in Ungarn. Jetzt ist das geändert worden, man hat also auch in die­sem Bereich erste wichtige und gute Schritte gesetzt.

Abschließend möchte ich sagen: Wir werden diesem Gesetz gerne unsere Zustim­mung erteilen. Wie ich gesehen habe, gibt es dazu Einstimmigkeit. Es freut mich sehr, dass sich dafür hier eine breite Zustimmung findet. Schließlich müssen wir unseren Beamtinnen und Beamten, insbesondere eben der Polizei, den Sicherheitskräften all­gemein, die entsprechenden Werkzeuge in die Hand geben, und dazu gehören auch derartige Verträge. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

18.59


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Marianne Hackl zu Wort. – Bitte.


18.59.27

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen hat die Republik Österreich die Ratspräsidentschaft übernommen und sich klar für drei Schwerpunkte ausgesprochen: erstens das Thema Sicherheit, zweitens die Thematik Wettbewerbsfähigkeit durch Chancennutzung und Digitalisierung, drittens die Stabilität des Westbalkans und eine gute Nachbarschaftspolitik.

Am 6. Juni 2004 wurde erstmalig der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität unterzeichnet. Wir müssen uns weiterentwi­ckeln, um an die neuen Gegebenheiten und Anforderungen anzuknüpfen. Deshalb ma­chen wir, die Politik, auch diesen Schritt: um uns in der grenzüberschreitenden Krimi­nalitätsbekämpfung und der engeren und besseren Zusammenarbeit in Europa für mehr Sicherheit, mehr Schutz für unsere Bürgerinnen und Bürger auf der Grundlage vertraglicher Regelungen an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Ein guter Außengrenzschutz bedeutet, dass wir Grenzen nach innen offen halten, um Waren, Güter, Ideen in einem vereinten Europa auszutauschen. Ich persönlich lebe 38 Ki­lometer von der Grenze zu Ungarn entfernt. Wir sind schon vor Jahrzehnten sehr oft nach Ungarn gefahren – einkaufen, zum Friseur und vieles andere mehr. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Weber: Kauf im Ort, fahr nicht fort!) – Das war vor Jahrzehnten! Da war ich noch ein Kind, ich wurde mitgenommen. (Heiterkeit und weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Heute kommen aber sehr viele Ungarn zu uns, und sie beleben die Wirtschaft. Sie ge­hen hier zum Friseur – das hat sich mittlerweile Gott sei Dank geändert –, sie beleben unseren Dienstleistungsbereich und sie sind nicht mehr wegzudenken. Wir haben auch sehr viele persönliche Kontakte, so etwa im Vereinsleben oder auch durch Städtepart­nerschaften mit Ungarn, die sehr gut gelebt werden, und ich kann auch eines sagen: Die Österreicher werden von den Ungarn sehr geschätzt. Es werden sogar Grenzkon­trollfahrten gemeinsam durchgeführt.


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Dieses Miteinander wollen wir aufrechterhalten. Natürlich kann man aber die Krimina­lität nicht ausschließen, und da ist die Polizei in ihrer Arbeit sehr gefordert. Mit Ge­setzen von gestern werden die Verbrechen von heute nicht bekämpft werden können, vor allem wenn sich die Verbrecher der Methoden von morgen bedienen und ihre Ta­ten grenzüberschreitend begehen.

Die Polizei muss Schritt halten können, und daher ist es wichtig, auch die grenzüber­schreitende Zusammenarbeit auszubauen. In diesem Zusammenhang darf ich den Polizistinnen und Polizisten, die mit ihrer Arbeit unsere Sicherheit gewährleisten, meine größte Wertschätzung aussprechen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Da in Ungarn die Voraussetzungen geschaffen sind, können auch wir das heute hier im Hohen Haus beschließen. Ich bin überzeugt, dass das ein weiterer Beitrag zur Steige­rung der Sicherheit in Österreich und in Ungarn ist. Daher freue ich mich, und unsere Fraktion stimmt dem Antrag gerne zu. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

19.03


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. – Bitte.


19.04.01

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Frau Staatsse­kretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den Dankesworten meiner Vorrednerin anschließen. Unsere Exekutivkräfte, unsere Polizistinnen und Polizisten leis­ten in Österreich hervorragende Arbeit, und wir von der Politik haben den Auftrag, sie dabei zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Mayer und Bader.)

Nicht nur deshalb, aber auch darum gilt Österreich als das drittsicherste Land dieser Erde – eine kürzlich veröffentlichte Studie hat das wieder belegt.

Ich möchte jetzt aber zum eigentlichen Tagesordnungspunkt kommen. Der sogenannte Prümer Vertrag wurde im Mai 2005 geschlossen, er gilt als eines der bedeutendsten Abkommen zur überstaatlichen, über die Grenzen hinweg durchgeführten polizeilichen Zusammenarbeit. Damals haben elf Mitgliedstaaten der EU diesen Vertrag geschlos­sen, ein Jahr später wurde der Vorläufervertrag dieses heute vorliegenden Protokolls zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn unterzeichnet.

Er war damals eine gute Grundlage für die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Der Vertragstext aus 2006 ist zwar, wie die tägliche Praxis gezeigt hat, nach wie vor eine gute Grundlage für eine enge und gute polizeiliche, grenzpoli­zeiliche Zusammenarbeit, aber es sind mittlerweile zwölf Jahre vergangen, und mit den vorliegenden Änderungen soll ein moderner, den aktuellen rechtlichen sowie prakti­schen Notwendigkeiten entsprechender Vertrag geschaffen werden.

Die bilaterale Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie bei der Verhütung und Verfolgung von strafbaren Handlungen soll damit gesteigert werden. Eine Adaptierung des Vertrags ist auch deshalb notwendig, weil seither ja die Erweiterung des Schengenraums erfolgt ist.

Wir haben gehört, welche Neuerungen damit einhergehen: Die Möglichkeiten der grenz­überschreitenden Nacheile bei der Bekämpfung von Straftaten werden erweitert. Es ist ein gemischter Streifendienst möglich. Weitere Bereiche, die vom Vertrag erfasst sind, sind grenzüberschreitende Maßnahmen im Schiffsverkehr und im Eisenbahnverkehr sowie Unterstützungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenver­kehr und bei der Korruptionsbekämpfung.

Alles in allem ist das ein wichtiges und gutes Gesetzeswerk. Wie gesagt, wenn es zur Unterstützung der Polizei dient, sind wir jederzeit bereit, und aus diesem Grund werden


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wir diesem Vertrag beziehungsweise diesem Antrag auch die Zustimmung erteilen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Längle.)

19.06

19.07.01


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf auch dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, ebenfalls um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist so­mit angenommen.

19.08.128. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (216/A und 229 d.B. sowie 10000/BR d.B. und 10015/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Ich bitte um den Bericht.


19.08.36

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Sehr geehrte Frau Präsident! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, ... (Unruhe im Saal.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Könnte man bei der Berichterstattung bitte kurz auf­passen? – Danke schön.


Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA (fortsetzend): ... mit dem das Heimopferrenten­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.



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Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Bevor wir in die Debatte eingehen, möchte ich noch kurz daran erinnern, dass wir zu diesem Gesetz eine sehr gelungene – schwierige, aber im Endeffekt gelungene – En­quete in Zusammenarbeit von Nationalrat und Bundesrat durchgeführt haben. Ich glau­be, das war eine gute Zusammenarbeit der zwei Kammern des Parlaments.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Ich darf Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser das Wort erteilen. – Bitte.


19.10.00

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wertes Präsidium! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Frau Präsidentin, ich darf Ihnen für Ihr neues Amt alles Gute wünschen und bedanke mich ganz herzlich für Ihr Willkommensgeschenk, das kleine Buch. Als Leseratte freue ich mich jetzt schon darauf, es zu genießen und in den hoffentlich ruhigen Sommer­monaten Zeit zu finden, es zu lesen. Vielen Dank. (Bundesrat Bader: Ist eh nicht dick!) – Es ist nicht dick, aber dennoch muss man Zeit finden, um es zu lesen. Das schaffe ich!

Wir sind uns alle einig, dass das Heimopferrentengesetz längst fällig war und es an der Zeit war, dass wir einen finanziellen Beitrag, einen kleinen Beitrag finanzieller Natur leisten und damit das Unrecht anerkennen, das jungen Menschen vor vielen Jahren in staatlicher Obsorge zugefügt wurde. Dieses Gesetz ist ja bereits vor einem Jahr be­schlossen worden. Wenn man aber Geschichten über die Misshandlungen und den Missbrauch, die diesen Menschen widerfahren sind, hört, wenn man Geschichten von Betroffenen hört, die Jahre und Jahrzehnte später noch traumatisiert sind, wenn man hört, dass Kinder als Versuchskaninchen verwendet wurden – ich denke da an die Ma­lariatherapie – oder von sadistischen Lehrern gequält wurden, sodass sie sich jahre­lang und jahrzehntelang selbst bei der Berufssuche schwertaten, dann wird klar: Für dieses Martyrium gibt es keine Entschuldigung, für dieses Martyrium gibt es keine Wie­dergutmachung. Die Opferrente ist daher lediglich eine kleine Geste, die gezeigt wird.

Wie gesagt, das Gesetz wurde eigentlich schon vor einem Jahr, im Juli 2017, be­schlossen. Es sind aber neue Fälle aufgetaucht, und deshalb wird jetzt der Kreis der Personen, die Anspruch auf diese Zusatzpension haben sollen, ausgeweitet. Damit sind künftig auch Personen, die als Kinder oder Jugendliche in Krankenanstalten, in Psy­chiatrieeinrichtungen, in städtischen Kinderheimen oder in Einrichtungen privater Trä­ger misshandelt oder missbraucht wurden, vom Gesetz erfasst.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Ministerin und bei der Bundesregierung dafür, dass sie dieses Jahr genutzt haben, um das Gesetz zu evaluieren und es weiterzuent­wickeln, und ich bedanke mich auch bei der Volksanwaltschaft für die Anregungen da­zu.

Es haben unzählige Menschen mitverfolgen können, wie lange es gedauert hat, bis dieses Gesetz endlich auf den Weg gebracht wurde. Nun ist es so weit. Zusätzlich zur bereits beschriebenen Erweiterung wird die Zusatzrente außerdem auch Personen zu­gestanden, die Rehageld bekommen. Weiters wird durch die Neuregelung auch si­chergestellt, dass sich Betroffene, die zuvor nicht um eine Entschädigung beim Heim- oder Jugendwohlfahrtsträger angesucht haben, nun direkt an die Rentenkommission der Volksanwaltschaft wenden können. Das ist eine wesentliche Erleichterung, weil dies bislang nur dann möglich war, wenn ein besonderer Grund vorlag.

In der Vergangenheit abgelehnte Anträge werden jetzt von Amts wegen neu aufgerollt, und zwar rückwirkend ab 1. Juli 2017, wenn man sieht, dass diese abgelehnten Anträ­ge jetzt Erfolg haben könnten, weil sie möglicherweise unter die neuen gesetzlichen Regelungen fallen.


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Die Ausweitung des Personenkreises ist sicherlich noch nicht abgeschlossen, aber die Materie ist bei der Ministerin in guten Händen, und sollten weitere Fälle auftauchen, kann man dieses Gesetz ja nochmals erweitern. Wir Freiheitlichen begrüßen dieses Gesetz auf jeden Fall und geben dafür unsere ausdrückliche Zustimmung. – Danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)

19.14


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gregor Hammerl. – Bitte.


19.14.35

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Minister! Geschätz­te Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Mit dem Heimopferrenten­gesetz 2017 wurde eine „Geste der Versöhnung“ mit Menschen, denen in massivster Weise Unrecht zugefügt worden ist, gesetzt. Die Frau Präsidentin hat es erwähnt: Es handelt sich um ein ganz, ganz wichtiges Gesetz in Österreich. Wiedergutmachung, meine Damen und Herren, gibt es nicht. Verletzungen physischer Art können vielleicht weitgehend Heilung finden, seelische Wunden aber bleiben. Der Start ins Leben war für viele ein Fehlstart, was sich bis heute auswirkt. Dieses Gesetz, das im Zusammen­hang mit dieser Geste auch die Schaffung eines Anspruchs auf eine monatliche Rente beinhaltet, ist ein wirklicher Schritt hin zu dieser Versöhnung.

Der Kreis der Bezugsberechtigten wurde nun so definiert: Opfer von Misshandlungen in Heimen und Pflegefamilien können bei Zutreffen der Voraussetzungen seit 1. Juli 2017 eine monatliche Rente in der Höhe von 300 Euro beziehen. – Nicht viel, aber es ist eine Gutmachung.

Bezugsberechtigt sind Personen, die eine Entschädigung als Missbrauchsopfer erhal­ten haben und eine Pension beziehen beziehungsweise das Pensionsalter erreicht ha­ben, sowie jene, die eine Dauerleistung aus der Mindestsicherung aufgrund der dauer­haften Erwerbsunfähigkeit beziehen.

Mit der Änderung des Gesetzes wurde der Kreis der Personen, die Anspruch auf eine Zusatzrente haben, ausgeweitet. Auch Personen, die in Krankenanstalten, Psychia­trien, privaten Trägereinrichtungen zu Opfern von Misshandlungen und Missbrauch wur­den, und solche, die sich einer Malariatherapie unterziehen mussten, haben nun An­spruch auf symbolische – ich wiederhole: auf symbolische – Entschädigung. Das ist gut so, weil nicht mehr unterschieden werden muss zwischen Opfern gewisser Einrich­tungen, die diese Entschädigungen bekommen, und solchen, die kein Recht darauf haben. Vor diesem Gesetz müssen alle Opfer, meine Damen und Herren, die gleiche Behandlung erfahren.

Wir müssen uns dabei vor Augen halten, dass es für die Einrichtungen, die diese Ent­scheidung über das Zusprechen einer Entschädigung treffen müssen, nicht immer leicht ist, da zu einem gerechten Urteil zu kommen. Unsere ehemalige Landeshaupt­frau Waltraud Klasnic war und ist noch heute in dieser Kommission, bei der sich immer noch Frauen und Männer melden. Das ist keine einfache, es ist eine schwierige Arbeit, deshalb müssen wir diesen Personen sehr dankbar dafür sein, dass sie dazu bereit sind, die Anträge gewissenhaft zu überprüfen. Dazu kommt jetzt, dass Anträge, die vor dem Hintergrund der derzeitigen Gesetzeslage abgelehnt wurden und die zur Nach­besserung aussichtsreich erscheinen, nun neu begutachtet, aber auch neu beurteilt wer­den müssen – eine Menge Arbeit.

Eine weitere Verbesserung zeigt sich darin, dass sich Betroffene in Zukunft direkt an die Rentenkommission der Volksanwaltschaft wenden können. Die betroffenen Men­schen müssen sich damit nicht wie bisher an verschiedene Stellen mit dem Ansuchen um eine Entschädigung wenden, um dann eine Zusatzrente erhalten zu können. Sie


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brauchen ihre Geschichte somit nicht an verschiedenen Stellen mehrmals vorzubrin­gen und müssen somit ihre Entwürdigung nicht immer wieder in der Erzählung neu er­fahren.

Meine Damen und Herren! Die Gefahr einer Retraumatisierung, die durch das oftmali­ge Befragen und das wiederholte Erzählen der Erniedrigungen gegeben ist, wird damit verringert. Dies ist ein wichtiger Punkt, obwohl die Arbeit der Kommission dadurch nicht eben erleichtert wird. Die Achtung der Würde rechtfertigt aber diesen Mehrauf­wand.

Weiters ist als positiv anzuführen, dass nunmehr auch Beziehern einer mit der Invalidi­tätspension vergleichbaren Leistung oder Personen, die aufgrund einer Behinderung arbeitsunfähig sind, diese Zusatzpension zugestanden wird.

Mit dieser Zusatzpension und mit dem Geld ist es aber nicht schon getan. Meine Da­men und Herren, so ist es wichtig, wie wir mit den Betroffenen umgehen: vielleicht zweifelnd, ob es wirklich so arg war, vielleicht sogar abschätzig und mit dem Vorwurf, die wollen sich doch nur etwas herausholen – was man verschiedentlich auch in den Medien gehört hat. Ich möchte deshalb besonders betonen: Es handelt sich um Men­schen, denen größtes Unrecht zugefügt worden ist, Menschen, denen ein wichtiger Teil der Zukunft genommen wurde (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ sowie bei der FPÖ), die Einschränkungen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten schon in frühester Jugend erfahren haben. Es sind Menschen, meine Damen und Herren, deren Start ins Leben einem Fehlstart – und dies nicht aus eigenem Verschulden – gleichkommt. Es ist wichtig, diesen Menschen wenigstens symbolisch einen Teil dessen, was ihnen ge­nommen worden ist, zurückzugeben: einen Teil ihrer Würde – in der Anerkennung des­sen, was ihnen zugefügt wurde, und in der symbolischen Geste des Ausgleichs des Unrechts. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Mit dem Allparteienantrag – ich danke dafür – ist auch sym­bolisch dokumentiert, dass das Parlament geschlossen hinter dem Gesetz und dem jet­zigen Abänderungsantrag steht. Mit dieser Einigkeit wird zum Ausdruck gebracht, dass es das Anliegen aller ist, unser aller Anliegen, einen Beitrag zur Wiedergutmachung zu leisten, einer Wiedergutmachung, die nie zur Gänze möglich ist.

Meine Damen und Herren, mit dieser Geste muss zugleich die Bereitschaft verbunden sein, alles zu tun, damit sich diese Erniedrigungen und Entwürdigungen von Menschen nicht wiederholen. Die Achtung der Menschenwürde fordert unsere ganze Aufmerk­samkeit. Nehmen wir alle diese Herausforderung an! – Danke schön. (Allgemeiner Bei­fall.)

19.20


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte.


19.20.25

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon viel gesagt, aber die zwei Vorredner waren damals – vielleicht irre ich mich – bei diesem emotionalen und aufwühlenden Staatsakt im historischen Sitzungssaal des Parlaments, der im November 2016 stattge­funden hat, als Politik und Kirche ein symbolisches Zeichen gesetzt haben, um das Lei­den jener ehemaligen Heimkinder anzuerkennen, die unter staatlicher beziehungswei­se kirchlicher Obhut Opfer von Gewalt wurden.

Diese Geste der Verantwortung bot vielen Opfern die Möglichkeit, über das Unrecht, das ihnen angetan wurde, vor dem offiziellen Österreich und der Kirche zu berichten. Einige von Ihnen waren sicher dabei. Ja, was soll man dazu sagen? – Es ist einem nur


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der Mund offen geblieben, es war erschreckend – auch die Diskussion, die in weiterer Folge im historischen Sitzungssaal stattfand.

Es war eine für alle Seiten schwierige und dennoch so notwendige Initiative. Es waren damals die Nationalratspräsidentin Doris Bures und Bundesratspräsident Mario Lind­ner, die diese Initiative ins Leben gerufen haben und bei dieser Veranstaltung im Zei­chen von Demut mit der Bitte um Entschuldigung, wie natürlich alle dort Anwesenden, den Opfern gegenübergestanden sind.

Es freut uns, dass wirklich nach fünf Monaten – so schnell ist das gegangen! – mit dem Heimopferrentengesetz im Mai 2017 eine konkrete Maßnahme gesetzt wurde. Es wur­de schon erwähnt, dass es in weiterer Folge eine Rente von 300 Euro für die Miss­handlungen in Heimen und Pflegefamilien gegeben hat. Danach hat sich in der Praxis gezeigt, dass es Lücken bei der Erfassung der Opfer gegeben hat, wie sehr ausführlich von den beiden Vorrednern erklärt wurde.

Anspruch auf eine Zusatzrente haben nun auch Personen, die als Kinder oder Jugend­liche in Krankenanstalten oder Psychiatrieeinrichtungen schwer misshandelt beziehungs­weise missbraucht wurden, wie zum Beispiel Personen, die als Kinder mit der soge­nannten Malariatherapie behandelt wurden.

Obwohl es schon erwähnt wurde, möchte ich Ihnen kurz davon erzählen, weil wahr­scheinlich viele, die hier sitzen, die Malariatherapie nicht kennen. Bis ins Jahr 1970 wurden psychisch Kranke in Wien mit Malaria infiziert, um sie zu behandeln. Diese heute verpönte Therapie war damals zulässig, sagen uns die Historiker, allerdings wur­de sie nirgends so lang und breit praktiziert wie in Wien. Es ging um psychisch kranke Menschen an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie im alten AKH, die mit absichtlich herbeigeführten schweren Fieberschüben behandelt worden sind. Bis 1970 sollen Heimkinder an der Universitätsklinik mit Fieberkuren, Insulin und Elek­troschocks behandelt worden sein. Man muss sich das vorstellen, dass das bis 1970 bei uns in Wien durchgeführt wurde!

Ich möchte zum Abschluss kommen, weil das einfach sehr bewegend ist. In weiterer Folge haben nach dem Anstoß der Nationalratspräsidentin Doris Bures und des dama­ligen Bundesratspräsidenten Mario Lindner alle Parteien im Parlament dem zugestimmt, so wie sie auch dem jetzt vorliegenden Beschluss zustimmen werden.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass mit dieser Novellierung auf Basis einer Fünf­parteieninitiative für das Leid und die Brutalität, die die Betroffenen als Kinder erlebt haben, keine Wiedergutmachung erreicht werden kann. Die aufgrund des Heimopfer­rentengesetzes ausgezahlte Zusatzrente ist als symbolische Geste zu verstehen, die das Leid der Betroffenen anerkennt. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.25

19.25.29


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Dieser Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehr­heit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bun­desrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.


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Wir gelangen zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

19.26.479. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Un­fallversicherungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Be­triebspensionsgesetz geändert werden (164 d.B. und 230 d.B. sowie 10016/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Ich bitte um den Bericht.


19.27.02

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsver­tragsrechts-Anpassungsgesetz und das Betriebspensionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. – Bitte.


19.27.58

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Ich darf erneut alle und auch die Frau Ministerin begrüßen. Ich will es nicht lang machen, wir gehen schon in die 11. Stunde, und ich mache mir ein bisschen Sorgen um die Gesundheit. (Allgemeine Heiterkeit.)

Da es bei einem sehr guten Gesetz, für das wir schon einhellig waren, jetzt noch Klar­stellungen und Präzisierungen im Gesetzestext geben soll, kann ich nur sagen: Ich bin froh, dass es so weit gekommen ist. Ich bin froh, dass die Klarstellungen auch noch kommen. Wir werden natürlich zustimmen. Und ich möchte natürlich, dass diejenigen, die im Parlament arbeiten, nicht zu lange arbeiten müssen. (Allgemeiner Beifall.)

19.28


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dipl.-Kffr. Eli­sabeth Pfurtscheller. – Bitte sehr.



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19.29.03

Bundesrätin Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Grüß Gott! Geschätzte Damen und Herren! Da Kollege Rösch es jetzt so kurz gemacht hat, hat er mir eigentlich eine Vorgabe ge­geben, den Wink mit dem Zaunpfahl: Halte dich auch kurz! Ich bin jetzt aber ganz ehr­lich: Als Tirolerin habe ich jetzt schon die letzte Möglichkeit, nach Hause zu kommen, versäumt, deswegen werde ich mir jetzt doch 3 oder 4 Minuten herausnehmen, um zu diesem Gesetz zu sprechen, da ich ohnehin im schönen Wien bleiben darf.

Neben Familie, Freunden, Hobby und zum Beispiel Kunst und Sport stiftet Arbeit Le­benssinn. Wir hatten heute schon eine sehr kontroverse Debatte über die Arbeit und über Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, über die Art und Weise, wer wann für wen entscheiden darf, wie lange jemand arbeiten oder nicht arbeiten darf. Ich denke aber doch, dass wir in einem Punkt alle einer Meinung sind: Arbeit stiftet Lebenssinn.

Arbeit ermöglicht es uns nicht nur, unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, sie beschert uns auch Erfolgserlebnisse. Sie gibt unserem Leben Struktur, es gibt Kontakt mit vielen lieben ArbeitskollegInnen, oft auch mit Kunden, und all das macht auch Freude – viel­leicht nicht immer, aber doch meistens oder oft.

Wie sehr uns die Arbeit fehlt und wie sehr wir unsere Arbeit hoffentlich auch lieben, mer­ken wir, wenn wir krank werden oder einen Unfall haben und durch diese Umstände längere Zeit von der Arbeit abgehalten sind. In meiner Laufbahn als Angestellte in der Privatwirtschaft hatte ich einige Kolleginnen und Kollegen, die leider wirklich Unfälle er­litten haben oder länger durch eine schwere Krankheit ausgefallen sind. Alle hatten ei­gentlich immer den Wunsch, so schnell wie möglich wieder ins Arbeitsleben, in ihre ge­wohnte Struktur zurückzukommen, so schnell wie möglich wieder ein Stück Normalität zu erreichen. Damals war das leider nicht möglich, damals gab es nur zwei Möglich­keiten, entweder man war gesund oder man war krank. Man konnte nicht in Wiederein­gliederungsteilzeit gehen.

Die Wiedereingliederungsteilzeit, um die es heute geht, gibt es erst seit kurzer Zeit, seit etwas mehr als einem Jahr. Sie ist ein Erfolgsmodell und hat schon circa 1 600 Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern geholfen, auf einem eher sanften Weg wieder ins Ar­beitsleben zurückzufinden.

Worum geht es noch beim gegenständlichen Beschluss? – Es hat sich herausgestellt, dass es für manche Menschen schwierig ist, gleich zu Beginn, wenn sie wieder an ih­ren Arbeitsplatz zurückkehren, zu entscheiden, ob sie wieder Vollzeit oder Teilzeit ar­beiten wollen. Deswegen soll der Wiedereinstieg nach langer Krankheit erleichtert wer­den. Ab sofort wird den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Mög­lichkeit eingeräumt, die Wiedereingliederungsteilzeit bis zu einem Monat nach Been­digung des Krankenstands anzutreten.

Derzeit war ein Antritt nur nach dem Krankenstand möglich, und man konnte sich nicht umentscheiden, ob man weniger oder mehr arbeiten will. Nun hat man eben Zeit. Der Rahmen sieht folgendermaßen aus: Die wöchentliche Normalarbeitszeit darf auf die Dauer von maximal sechs Monaten um höchstens 50 Prozent oder mindestens 25 Pro­zent reduziert werden. In diesem Wiedereingliederungszeitraum erhält der Dienstneh­mer das anteilige Entgelt und ein zusätzliches Entgelt aus den Mitteln der Krankenver­sicherung. Das heißt, er hat keinen finanziellen Nachteil.

Es gibt zwei Voraussetzungen: Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin muss vorher mindestens sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen sein, und es braucht eine Verein­barung mit dem Arbeitgeber. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Insgesamt, glaube ich, ist es eine sehr gute Lösung im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und natürlich auch im Sinne der Arbeitgeber. Es ist somit eine Win-


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win-Situation für alle, sodass wir, glaube ich, alle guten Gewissens zustimmen können. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

19.33


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich erteile es ihm.


19.34.00

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Mei­ne Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich danke meiner Vorrednerin, dass sie diese Novelle und dieses Gesetz bereits so ausführlich dargestellt hat.

Es ist bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess eine sehr schwierige Situa­tion zu beachten. Ich werde die Details nicht noch einmal anführen, vielleicht nur ein Wort dazu: Es gibt auch die Möglichkeit der Erstellung eines Wiedereinstellungsplans, der zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausverhandelt wird. Das halte ich für pä­dagogisch sehr wichtig und für eine sehr, sehr gute Hilfestellung.

Bei dieser Novelle handelt es sich um eine reale und sachliche Verbesserung bei der Anwendung und Handhabung dieses Gesetzes. Es wird praxisrelevant angepasst.

Ich muss heute nicht nach Tirol, ich muss noch nach Kärnten, da werden wir hinfahren.

Ich darf wegen der großen Praxisrelevanz die Zustimmung zu dieser Novelle empfeh­len. – Damit danke ich auch schon für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

19.35

19.35.30


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.35.4510. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Ge­setz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Apothekengesetz, das Arzneimittelge­setz, das Medizinproduktegesetz, das Patientenverfügungs-Gesetz, das Ärztege­setz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen, das Tierärztegesetz, das Gentechnikgesetz, das Gesundheitstele­matikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Land­arbeitsgesetz 1984, das Bundesbehindertengesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungs­gesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit


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und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK) (191 d.B. und 231 d.B. sowie 10001/BR d.B. und 10017/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 10 der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich bitte um den Bericht.


19.36.01

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum letzten Tagesordnungspunkt bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz und weitere Bun­desgesetze geändert werden – kurz: das Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Juli 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile es ihr.


19.37.03

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der letzte Tagesordnungspunkt hat es noch in sich. Die Berichterstatterin hat ihn kurz dargestellt. Er läuft unter dem Titel Er­wachsenenschutz-Anpassungsgesetz. Da kommt jetzt ein Déjà-vu-Erlebnis. Wir hatten das gestern schon auf der Tagesordnung und waren uns einig, dass das Erwachse­nenschutz-Gesetz und auch das Anpassungsgesetz eine sehr gute Sache sind, große Fortschritte bringen und das bestehende Sachwalterrecht wesentlich verbessern.

Was ist da aber im Nationalrat passiert, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Die Abgeordneten August Wöginger und Dagmar Belakowitsch haben in der Debatte zur zweiten Lesung zum Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz einen Abänderungsantrag eingebracht, der nichts, aber schon gar nichts mit dem Erwach­senenschutz zu tun hat.

Vielmehr geht es in diesem Antrag darum, dass massiv in die verfassungsgesetzlich vorgesehene Selbstverwaltung eingegriffen wird. Das wird da in einer Nacht- und Ne­belaktion in einen konsensualen Antrag hineingepackt, fast versteckt, in der Hoffnung, dass es niemandem auffällt. Das geschieht auch, ohne ein Begutachtungsverfahren oder irgendetwas durchzuführen.

Das veranlasst mich natürlich, einen Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen einzubringen, den Antrag der Bundesräte Todt, Schennach, Genossinnen und Genossen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben. Dieser Antrag wird im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung von mir nun in seinen Kernpunkten erläutert.

Wie gesagt, es wird massiv in die Selbstverwaltung eingegriffen. Wie Sie wissen, ist die Selbstverwaltung eine Grundsäule der österreichischen Bundesverfassung. Sie wissen das.


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Die Versicherten werden nach ihrer Berufszugehörigkeit zu einer Risikogemeinschaft zusammengefasst und organisieren ihre Angelegenheiten durch gewählte Vertreter selbst. Da gibt es Entsendungen seitens der beruflichen gesetzlichen Interessenvertre­tungen. Seitens des ÖGB werden eben diese Organe beschickt, und die fassen Be­schlüsse im Rahmen der Gesundheitsversorgung.

Was passiert aber hiermit? – Sie können diese Beschlüsse nicht mehr fassen, weil sie jetzt diese Ausgabenbremse sozusagen aufoktroyiert bekommen. Das heißt, sie sind
in ihrer Beschlussfähigkeit massiv eingeschränkt und können ihre Aufgaben (Bundes­rat Rösch: Könnt ihr noch einschlafen bei so viel Angst?) so nicht wahrnehmen. So wird das Prinzip der Selbstverwaltung mit Füßen getreten! Das können wir natürlich nicht zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Noch dazu geht es da wirklich um wesentliche Aspekte der Gesundheitsversorgung: Es werden Bauprojekte, viele wichtige Projekte mehr oder weniger hintangestellt, auf Eis gelegt, gestoppt – wie man das auch immer nennen mag. Aus Zeitgründen – das wird dann vielleicht ohnehin noch angesprochen –, um mich einigermaßen kurz fassen zu können – ein Bild sagt mehr als tausend Worte –, zeige ich Ihnen dazu ein Bild. (Die Rednerin hält eine Landkarte Österreichs in die Höhe, die an mehreren Stellen Mar­kierungen aufweist.) Es sind wichtige Projekte in nahezu allen Bundesländern betrof­fen.

Das betrifft aber auch personelle Angelegenheiten, denn es können keine Verträge ab­geschlossen werden, zum Beispiel mit Ärztinnen und Ärzten oder auch mit leitendem Personal auf organisatorischer Ebene; es können eben nur befristete Verträge abge­schlossen werden. Bis 2019 können diese Verträge maximal gültig sein, und da kön­nen Sie sich vorstellen, wie „einfach“ – unter Anführungszeichen – es sein wird, ge­eignete Persönlichkeiten, gerade mit medizinischer Qualifikation, zu finden.

Das heißt, es droht auch ein medizinischer Versorgungsengpass, der letztendlich na­türlich die Patientinnen und Patienten trifft, wenn Versorgungslücken entstehen, aber selbstverständlich auch die Länder, die für die Gesundheitsversorgung verantwortlich sind.

Wir sind die Länderkammer, und deshalb haben wir auch die Verpflichtung, einseitige Belastungen von den Ländern fernzuhalten, weil diese dann in irgendeiner Art und Wei­se einspringen müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Das bedeutet dann einseitige Belastun­gen.

Deshalb bringe ich weiters noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstel­lung der Gesundheitsversorgung in allen Regionen Österreichs“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (191 d.B und 231 d.B. sowie 10001/BR d.B. und 10017/BR d.B.)

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen folgenden Entschließungs­antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der die Ausga­benbegrenzung für die Sozialversicherung aufgehoben, die Gesundheitsreform ge-


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meinsam mit den Ländern vorangetrieben und dadurch eine ausreichende, zukunfts­orientierte Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen durch die Krankenkassen sichergestellt wird.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung! Das ist nicht irgendetwas. Da droht wirklich große Gefahr, wenn Sie hier in dieser Art und Weise drüberfahren und die Umsetzung we­sentlicher Beschlüsse nicht zulassen. Es können die Primärversorgungszentren nicht in der geplanten Art und Weise in Betrieb gehen. Beim Mutter-Kind-Pass sind auch Leistungserweiterungen vorgesehen gewesen. Das alles kann nicht stattfinden! Es drohen vertragslose Zustände für die Ärztinnen und Ärzte. (Bundesrat Mayer: Das glaubst aber schon selber nicht!) Das heißt dann – Sie wissen das –, dass die Patien­tinnen und Patienten die Kosten vorstrecken müssen und dann einen Teil, wahrschein­lich nicht alles, rückerstattet bekommen. Es gibt also eine massive Mehrbelastung für Österreichs Patientinnen und Patienten, für die österreichische Bevölkerung, und das können wir nicht zulassen! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

19.45


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsord­nung, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli betreffend ein Erwachse­nenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsord­nung in seinen Kernpunkten von der Antragstellerin mündlich erläutert wurde, ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters: Der von den Bundesräten Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in allen Regionen Österreichs“ ist ebenfalls genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen weiter in der Debatte.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Wagner. Ich erteile es ihr.


19.46.08

Bundesrätin Andrea Wagner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Einen schö­nen Gruß an jene, die uns noch via Livestream zusehen! Das Erwachsenenschutz-Ge­setz ist ja seit 1. Juli in Kraft und ersetzt die bisherigen Regelungen zur Sachwal­terschaft. Dieses neue Erwachsenenschutz-Gesetz ermöglicht es den Betroffenen, so lange wie möglich ein halbwegs selbstbestimmtes Leben zu führen. Ihre Rechte sollen gestärkt werden. Die betroffene Person soll in ihren Angelegenheiten bestmögliche Un­terstützung finden. Dabei sind die vier Säulen der Erwachsenenvertretung mit unter­schiedlicher Eingriffsintensität ein wichtiger Punkt. Ich will das jetzt nicht näher aus­führen, Kollege Hammerl hat das gestern schon sehr gut erläutert. Ich möchte nur be­tonen, dass dieses Gesetz eine wichtige Errungenschaft ist. Es stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Danke dafür. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Beim heute zu beschließenden Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Ge­sundheits- und Sozialversicherungsbereich werden vor allem die notwendigen termino­logischen Änderungen in diesem Bereich vorgenommen. Im Zuge dieser Gesetzesän-


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derung werden auch Änderungen im Sozialversicherungsbereich vorgenommen. Im Hinblick auf die umfassende Reform der Sozialversicherung soll mit dieser sogenann­ten Ausgabenbremse sichergestellt werden, dass es nicht zu Ausgaben kommt, die dieser Reform entgegenstehen.

Es soll ein geordneter Übergang ins neue, schlankere System sichergestellt werden, und dazu sind Übergangsfristen mit klaren Regelungen notwendig. Sobald die Gremien beziehungsweise Überleitungsgremien entsprechend der Strukturreform der Sozialver­sicherungen handlungsfähig sind, treten diese Regelungen ja wieder außer Kraft.

Mir kommt das irgendwie so vor wie bei einer Betriebsübergabe. Was bringt es den Übernehmern, wenn die Übergeber noch große Investitionen in Um- oder Neubauten tätigen – ich sage es jetzt aus der landwirtschaftlichen Sicht –, zum Beispiel in einen Milchviehstall, und sie wissen genau, dass die Übernehmer Umstrukturierungen ge­plant haben, zum Beispiel einen Schafstall? (Bundesrat Schennach: Deshalb ver­schwindet ein Krankenhaus ja nicht!) Veränderungen bringen immer wieder Unsicher­heiten und Ängste mit sich. Diese sollen, bitte, nicht noch weiter geschürt werden be­züglich dieser Ausgabenbremse! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich denke, da sind wie überall Gespräche noch zielführend (Bundesrat Stögmüller: Die hat es im Vorfeld nicht gegeben!), um die Unsicherheiten und Unklarheiten zu be­seitigen und auszuräumen, um ans Ziel zu kommen. Eines ist klar: Die Menschen be­grüßen die Reform der Sozialversicherung. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich fasse zusammen und stelle klar: Für die Patienten hat dieses Gesetz keinerlei ne­gative Auswirkungen. Ärzte für die Versorgung der Patienten können weiterhin einge­stellt werden. Ab Anfang 2019 werden die Überleitungsgremien etabliert, die eben über die zukünftige Struktur und die notwendigen Verträge entscheiden, und die Regelun­gen sind bis Ende 2019 befristet. Es ist, wie gesagt, beabsichtigt, die Regelungen an­zupassen beziehungsweise außer Kraft zu setzen, sobald die neuen Überleitungsgre­mien eingesetzt sind. Ein schlankes und effizientes Sozialversicherungssystem kann somit zügig etabliert werden.

Ich bitte euch, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, von jeglichen Verunsicherungen Abstand zu nehmen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Gebt der Reform der Sozialversicherung die Chance, die sie sich verdient und die sich die Menschen schon lange wünschen! Ich bitte da um einen Vertrauens­vorschuss (Heiterkeit bei der SPÖ) und bitte, auf das Spiel, das wir heute schon einmal gespielt haben, zu verzichten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Ich bin zwar einen 12-Stun­den-Arbeitstag gewöhnt, aber derzeit kommt mir der daheim produktiver vor! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und ÖVP.)

Ich weiß, warum ich da um einen Vertrauensvorschuss bitte. Diese Situation ist für mich gefühlsmäßig damit zu vergleichen, wenn ein Sohn oder eine Tochter gerade in den Besitz des Führerscheins gekommen ist. Wenn man da nur danebensitzen kann und nicht die Möglichkeit hat, auf die Bremse beziehungsweise auf das Gas zu steigen, wo man das eigentlich tun würde, und das Fahrzeug nicht auf dem Wege, den man selber als den richtigen erachtet, ans Ziel lenken kann, ist ins Steuer zu greifen kein guter Rat, genauso wenig wie ewig lange Belehrungen. Besser ist meiner Meinung nach, wie gesagt, ein Vertrauensvorschuss. Besser ist es, während der Fahrt im ge­meinsamen Gespräch eventuell notwendige Wegkorrekturen miteinander vorzuneh­men, um auch alle Mitfahrenden sicher ans Ziel zu bringen. Ich denke, uns hier he­rinnen sind die Menschen in Österreich wichtig, und sie stehen im Mittelpunkt! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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19.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.


19.52.16

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Zuerst einmal, bevor ich auf das Thema eingehe, weil es auch meine letzte Rede vor der Sommerpause ist - - (Heiterkeit.) – Kei­ne Vorfreude! Keine Vorfreude, nein, nein! Ich wollte die Spannung ein bisschen anhe­ben.

Lieber Edgar, auch von meiner Seite: Vielen Dank für die Zusammenarbeit! Ich war ja der Grund dafür, dass du einen Ordnungsruf bekommen hast, es tut mir nach wie vor leid. Es steht mir aber ab und zu zu, dass du mich auch ein bisschen als die Rotzpipn siehst – ich beleidige mich selber, Herr Präsident! Vielleicht bin ich es ab und zu, das gebe ich auch zu; aber das soll uns als Opposition meiner Meinung nach auch ein biss­chen zustehen.

Trotzdem, lieber Edgar, wünsche ich dir wirklich eine schöne wohlverdiente Pension. Ich kann mich noch – ich habe zuerst die Fotos durchgeschaut – sehr gut an die Über­gabe in einer großen Feier mit dem Sepp erinnern, auch der Ferdl war dabei und so weiter. Da haben wir das erste Mal so richtig gefeiert und Spaß gehabt. (Bundesrat Mayer: Keine Details!) – Keine Details, ich erzähle auch nichts über die Weihnachts­feiern. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Nichtsdestotrotz wirklich vielen Dank für die Zusammenarbeit! Das war immer sehr kol­legial, auch wenn wir uns hart ausgetauscht haben. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.) – Ja, danke. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic sowie bei ÖVP und SPÖ.) Du warst immer sehr korrekt, auch wenn es hart zur Sache ging.

Jetzt aber zurück zum Gesetz, zu dem, was mich an diesem Gesetz massiv ärgert: Es ist schon wieder verfassungswidrig! Diese Regierung ignoriert das Parlament und igno­riert die österreichische Verfassung, und das schon wieder – das ist eigentlich das Un­glaubliche. Ich habe meine Unterlage, in der das steht, jetzt leider vergessen und dort auf dem Tisch liegen, aber: Von der JKU Linz gibt es einen Beitrag, in dem Öhlinger, der Verfassungsrechtler, ganz klar sagt, dass es ein Verfassungsgesetz ist, das geän­dert wird, und dass das verfassungsrechtlich relevant ist. – Das wird ignoriert!

Das Gesetz, das wir heute beschließen, ist nicht einmal durch den Ausschuss gegan­gen – keine Begutachtung! –, sondern wurde als Abänderungsantrag an das prinzipiell gute Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz angehängt. Das ist nämlich der Wahn­sinn an der ganzen Sache. Man hat das ganz bewusst gemacht, damit ja nicht die So­zialversicherungsträger, damit ja nicht die Opposition, damit ja nicht die Zivilgesell­schaft sich irgendwie kritisch zu Wort melden kann.

Das ist das ganz große Problem. Das ist eine Vorgehensweise, die eigentlich unglaub­lich ist. Das ist in einer Demokratie, einer Republik wie Österreich eigentlich unpassend und ihrer nicht würdig. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic und bei der SPÖ.) Aber es ist nichts Ungewöhnliches. Wir wissen es ja noch von anderen Gesetzen, die heute schon beschlossen worden sind.

Frau Ministerin! Liebe Regierung! Stehen Sie doch zu Ihren Entscheidungen, auch wenn es noch so grauenhaft ist! Das kann es doch nicht sein, dass man Kritik einfach totschweigen und ignorieren will. Das ist doch keine demokratische Vorgehensweise. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Dieser Abänderungsantrag hat massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung der Menschen, und das muss ja diskutiert werden.

Ich habe das vor zwei Wochen hier im Hohen Haus schon einmal gesagt: Ich und wir sind gerne bereit, Änderungen im Gesundheitsbereich durchzuführen. Ich glaube, das ist auch notwendig. Das müssen wir angehen, das muss endlich einmal in Angriff ge­nommen werden, das ist sogar ganz wichtig, aber so ein unkoordiniertes und unprofes-


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sionelles Vorgehen, wie es diese Bundesregierung zur Schau stellt, ist eigentlich un­glaublich und wirklich der Gesetzgebung nicht würdig.

Wenn man sich diesen Gesetzentwurf hinsichtlich der Praxis durchdenkt, dann kann man nur noch den Kopf schütteln. Dieser Abänderungsantrag der Regierungsparteien ist so wenig durchdacht, wie etwas nur wenig durchdacht sein kann. Es gibt einen massiven Eingriff in die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger. Damit sind die Sozialversicherungen im Rahmen der Landeszielsteuerung nicht mehr handlungs- und vereinbarungsfähig. Das heißt dann, man sitzt mit der Gesundheitslandesrätin oder mit dem Gesundheitslandesrat in den Bundesländern am Tisch und kann de facto nicht steuern.

Gemeinsame Projekte und Initiativen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens, wie zum Beispiel die Primärversorgung, der hausärztliche Notdienst und so weiter und so weiter, sind in Zukunft infrage gestellt. Schauen wir, ob es diese Projekte in Zukunft noch in irgendeiner Form oder überhaupt noch geben wird! Diese Projekte, gerade der hausärztliche Notdienst, sind Leuchtturmprojekte. Bei uns im Oberösterreichischen Landtag wird er immer als das Leuchtturmprojekt überhaupt beschworen. Ab heute steht aber ein großes Fragezeichen über der Zukunft dieses Projekts.

Sozialversicherungen dürfen bis Ende 2019 keine Beschlüsse in Bau- und Liegen­schaftsangelegenheiten mehr treffen. Ganz besonders für meine oberösterreichischen Kolleginnen und Kollegen habe ich mir ein paar Beispiele herausgesucht, denn es wer­den heute auch einige von ihnen zustimmen.

Freistadt: In Freistadt wurde ein Grundstück von der Oberösterreichischen Gebiets­krankenkasse gekauft. Das wird jetzt wohl nicht bebaut werden können, das liegt jetzt brach.

Das Zahngesundheitszentrum in Linz, das rund ein Fünftel – ein Fünftel! – der gesam­ten Zahnversorgung im Großraum Linz trägt, müsste eigentlich neu gebaut werden, weil das alte Gebäude schon am Ende seines Lebenszyklus angekommen ist. Das wird jetzt gestoppt werden müssen, mit massiven Folgen für die Zahnversorgung in Linz. Ein Fünftel der gesamten Versorgung!

In Eferding würde eine Kundenservicestelle neu gebaut werden müssen, da die in der Stadtgemeinde bestehende geräumt werden muss.

Auch viele weitere Projekte in Schärding, Steyr, Rohrbach und so weiter werden stor­niert oder, wenn es gut geht, weiter nach hinten verschoben werden.

Das waren nur einige Projekte allein aus Oberösterreich. Viele mehr sind es in öster­reichweit, und das ist das Problem. Das alles geschieht aufgrund Ihrer Entscheidung und Ihrer Zustimmung heute! Das muss jedem auch bewusst sein.

Dieser Abänderungsantrag hat auch massiven Einfluss auf die Attraktivierung des Ver­tragsarztberufes. Insbesondere der Bereich der Allgemeinmedizin wird ebenso unter­bunden wie die Verlagerung aus dem Spitals- in den Ambulanzbereich. Auch im Perso­nalbereich gibt es massive Eingriffe in die Selbstverwaltung der Gebietskrankenkas­sen, denn die Personalhoheit wird deutlich eingeschränkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie stimmen heute diesem Abänderungsantrag und diesem Gesetz zu und verschlechtern damit ganz bewusst die Servicequalität und Be­handlungsqualität der Gebietskrankenkassen – zulasten der Versicherten und der Pa­tientInnen und ohne irgendeine Begutachtung durch das Parlament, durch die Aus­schüsse, durch irgendjemanden. Das ist die ganz große Kritik.

Ganz ehrlich: Das ist ein ganz unkoordinierter Angriff auf die Gesundheit der Bevölke­rung, der auch noch verfassungswidrig durch das Parlament geboxt wird. Es ist un-


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glaublich, wie Sie mit der Demokratie in Österreich, in dieser Republik umgehen und wie Sie mit der Gesundheitsversorgung der Menschen umgehen.

Nach Ceta wissen Sie es ja ganz genau; das war auch wieder super, die Kollegen ha­ben es gestern schon erwähnt. Das ist nach Ceta wieder ein Gesetz, von dem die Ex­perten sagen, dass es verfassungswidrig ist. Ceta wurde jetzt von Van der Bellen, vom Bundespräsidenten, gestoppt. Hierzu bereiten wir – hoffentlich auch die SPÖ – eine Verfassungsklage, eine Verfassungsüberprüfung vor, das muss sein. Ich kann das nur unterstützen, denn es ist von Expertinnen und Experten ganz klar bestätigt worden, dass es sich da um eine Verfassungswidrigkeit handelt. (Bundesrat Längle: Parteiex­perten!) – Nicht meine Experten! Fragen Sie den Kollegen, der ist an der JKU, der kennt die Kolleginnen und Kollegen sehr wohl! (Bundesrat Raml: Öhlinger ist jedenfalls nicht von uns!) Und deswegen hier keine Zustimmung zu diesem Gesetz. – Danke schön. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

20.00


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


20.00.32

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Dass sich die SPÖ mit den Grünen plötzlich in den Klub der Ahnungslosen hineinbegibt, das wundert mich schon sehr. Die Panikmache und was ihr alles daraus machen wollt, das ist ja ein völliger – wie sagt Kern? – Vollholler. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Ihr wisst ganz genau, oder wenn ihr zumindest in den Gebietskrankenkassen oder sonst irgendwo rückgefragt hättet, es besteht ein Versorgungsauftrag für diese Gre­mien, und dieser Versorgungsauftrag steht sogar über dem finanziellen Auftrag. Ich weiß das deswegen, weil ich einmal vor vielen, vielen Jahren im Ministerium nachge­fragt habe, nicht im jetzigen Ministerium, sondern im vorigen Ministerium, als es darum gegangen ist, das Budget zu überziehen. Als Vorstand habe ich natürlich auch die Kos­tenverantwortung, wenn wir überziehen. Ich habe gesagt, ich kann mir das nicht leis­ten. Es ist um ein paar Millionen Euro gegangen; ich habe das durchgerechnet, und herausgekommen ist, dass wir da alle in Konkurs gehen. Dann ist vom Ministerium die Mitteilung gekommen: Ihr habt einen Versorgungsauftrag; in erster Linie habt ihr das zu machen. Dieser Versorgungsauftrag wurde nicht storniert, in Frage gestellt oder sonst irgendetwas. Die Versorgung wird es also geben.

Angesichts einer Zusammenlegung ist es in allen Firmen, die fusioniert werden, ganz logisch, dass man sagt: Die großen Ausgaben werden einmal hintangehalten. Dabei geht es um die großen Bauten. Das heißt ja nicht automatisch, dass das nicht auch dort wieder hinkommt, aber es kann eben sein, dass es noch irgendeine bessere Lö­sung gibt, weil man irgendetwas fusionieren kann oder nur zu vergrößern braucht. Dann fängt man nicht das Ganze noch einmal von vorne an, denn das kostet die Ver­sicherten viel Geld.

Einem guten Manager – und die Regierung scheint ein sehr guter Manager zu sein – ist es ganz wichtig, dass man zuerst einmal schaut, wo die Synergieeffekte sind, um die Kosten in Schach zu halten.

Bei der SPÖ will man es so halten wie unter Minister Stöger – ich habe das nur gehört und weiß nicht, ob es wirklich wahr ist –, der zum Schluss noch in sein Ministerium 40 Leute hineingedrückt haben soll, die keiner braucht. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ich brauche auch nicht noch schnell irgendwelche Leute in oberen Funktionen, die dann als weiße Elefanten herumlaufen. (Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.) – Nein, das braucht man nicht, um das geht es ja! Es ärgert ja in Wirklichkeit, dass man da nicht


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noch schnell irgendetwas drehen kann. Ja, ja, diese Kostenbremse zielt nicht darauf ab, und da könnt ihr sicher sein – diese Regierung will ja auch ein zweites Mal gewählt werden, und damit ist sie auch dem Bürger verpflichtet. (Bundesrat Weber: Gott behü­te!) – Gott sei Dank wählt der Bürger und nicht ihr. (Neuerlicher heftiger Widerspruch bei der SPÖ.) Eure Performance ist etwas, das ununterbrochen runtergeht. Wenn man nur Panik erzeugt und keine Antworten hat, wenn man nichts weiterbringt, nur politi­scher Hooligan spielt, weil man seine Oppositionsrolle fachlich noch nicht gefunden hat, dann muss man sich einfach einmal zusammenreißen, umlernen und die Sachen lesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Solche Sachen rauszubringen, das ist richtig schändlich! (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Längle: Bravo, Bernhard!)

20.03


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Krusche: Der Herr Pro­fessor!)


20.03.55

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Lieber Bernhard Rösch! Ich frage mich, wer hier den Hoo­ligan-Tonfall draufhat. Ich meine, die Opposition nicht. Der kommt leider heute schon den ganzen Tag über von der Regierungsseite. Da solltet ihr euch einmal selbst an der Nase nehmen und in den Spiegel schauen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das macht bes­ser ihr!)

Zweitens: Frau Wagner hat hier vom Vertrauensvorschuss gesprochen. – Es gibt kei­nen Vertrauensvorschuss, wenn man ein Parlament in einer Nacht- und Nebelaktion overrult. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Wir haben bei der Europäischen Ermittlungsanordnung gezeigt, dass man, wenn man es korrekt macht, auch ein Ergebnis findet. Wenn man etwas unter einem ganz an­deren Gesetz versteckt und glaubt, es wird niemand die Auswirkungen merken, dann stimmt das nicht. Was Kollege Rösch gesagt hat, stimmt ja nicht. Es gibt einen Ver­sorgungsauftrag, aber der ist massiv eingeschränkt und er betrifft ja nicht all die Be­reiche. (Bundesrat Rösch: Wo?) – Wart ein bissel! Versuche es einmal ein bisschen relaxter! Okay? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Durch diesen Husch-Pfusch-Antrag, der da gestellt wurde, sind 42 Bauvorhaben, neun Personalent­scheidungen und 21 Versorgungsverträge gestoppt worden.

Was bedeutet das? – Das bedeutet zum Beispiel einmal für Frauen in Tirol – du redest da ja immer so lustig –, dass sie weiterhin für eine Ultraschalluntersuchung beim Gynä­kologen zahlen oder den Umweg über die Radiologie machen und dann wieder zum Gynäkologen zurückkehren müssen. Das bedeutet das zum Beispiel. Was das für ein Fünftel der Bevölkerung von Linz in der Zahnversorgung bedeutet, das hat schon der Kollege ausgeführt.

Wenn wir uns das zum Beispiel in Wien anschauen, geht es da um die Neuerrichtung des Pavillons 6 im Hanusch-Krankenhaus, weiters um die Renovierung der 2. Medizi­nischen Abteilung im Pavillon 2 im Hanusch-Krankenhaus. Das sind nicht Dinge, die man auf die lange Bank schieben kann, weil dort täglich Hunderte Patienten und Pa­tientinnen sind. Ebenso die Errichtung einer Hämatologischen Ambulanz für die 3. Me­dizinische Abteilung im Hanusch-Krankenhaus. Weiters im Hanusch-Krankenhaus: der derzeit nicht umwehrte Wirtschaftshof, was ja nicht ganz unwichtig ist. Nächster Punkt: die Lungenambulanz im Pavillon 4 gestoppt. Die Lungenambulanz gestoppt! Weiters: die Psychotherapieambulanz gestoppt. Die dient vor allem dazu, Schäden von der Wie­ner Bevölkerung abzuwenden.


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Weiters gibt es – das ist ein besonderes trauriges Kapitel und diese Verantwortung tragt jetzt ihr – die Kinderambulanz. Die Kinderambulanz in einem Bezirk, einem wach­senden Bezirk mit einer dramatischen Unterversorgung an Kinderärzten und Kinderärz­tinnen zu stoppen, ist fahrlässig! Und diese Fahrlässigkeit habt ihr zu verantworten. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrat Rösch: Das heißt ja nicht, dass es das dann nicht gibt!) – Warte ein bissel! Ich meine, ich weiß, es tut dir weh. Ich weiß es. (Bundesrat Rösch: Das hat ja auch die SPÖ zu verantworten!)

Du kannst ja auch in andere Bundesländer gehen: das Zahnambulatorium in Völker­markt, ebenso in Gänserndorf, in Neunkirchen, alle Zahnambulatorien stoppen. Stop­pen! Zum Beispiel ist eine Versorgung für die Neuropatienten in Großgmain ganz drin­gend notwendig. Gestoppt!

Die Kollegin hat von einem Vertrauensvorschuss gesprochen und auf 2019 verwiesen. Wisst ihr, wie viel im Jahr 2018 ausläuft, was damit gestoppt wird? Zum Beispiel die Verträge betreffend CTs und der MR-Gesamtvertrag. Man kann das zwar fortsetzen, aber man darf die Frequenz nicht erhöhen, weil es ja gestoppt ist. Das bedeutet eine Reduzierung der Leistung für Patienten und Patientinnen, obwohl sie dringend notwen­dig wäre.

Der Gesamtvertrag für Tirol läuft 2018 aus, aber die Kollegin hat gesagt: Habt Vertrau­en, wartet auf 2019 und so weiter! Auch für die Heeresspitäler läuft der Gesamtvertrag jetzt aus, in diesem Jahr. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Heeresspitäler wolltet ihr ja im­mer zusperren!) Weiters läuft die Suchthilfe Salzburg aus, jetzt, in diesem Jahr.

Und wenn wir jetzt noch nach Wien gehen, weil Frau Mühlwerth wieder einmal etwas herausruft, muss man sagen: Bei den spezialisierten Zentren, der Schmerzambulanz Wien – (in Richtung Bundesrat Rösch) da kannst du gleich die Verantwortung überneh­men, weil du mich so lieb anschaust (Bundesrat Rösch: Das tu ich auch!) –, ist der Behandlungsansatz gefährdet. Das Diabeteszentrum in Wien kann nicht umgesetzt werden. (Bundesrat Rösch: Die gehen alle ins Krankenhaus Nord!) Dem Netzwerk Wundversorgung ist die Verbesserung der Versorgung von chronischen Wunden nicht möglich. Und noch einmal: Das Kindermedizinische Zentrum, das ein breites Versor­gungsangebot im Augarten sein sollte, ist nicht möglich.

In diesem Sinne: So geht das nicht! So gibt es kein Vertrauen. Das sind Nacht- und Nebelaktionen, Anschläge auf die Gesundheit, auf die Leistungen für die Bevölkerung. (Bundesrat Rösch: Das stimmt so nicht!)

Allein im psychotherapeutischen Bereich sollten durch die Aufstockung der Psychothe­rapieplätze rund 17 000 Menschen in den Genuss einer Therapie kommen, davon drei­einhalbtausend Kinder. Ist gestoppt! So schaut diese Politik nämlich aus, für die ihr euch rühmt (Bundesrat Rösch: Das stimmt so nicht! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) und die ihr mit einem nicht diskutierten, nicht behandelten Abänderungs­antrag zu einem ganz anderen Gesetz hineinschummelt, hineinschwindelt, und glaubt, niemand kommt da drauf. Die Auswirkungen sind massiv.

Die Krankenanstalten sollten eigentlich das Geld für die medizinische Versorgung ein­setzen, aber jetzt müssen sie zu den Verwaltungsgerichtshöfen gehen. Natürlich muss man sich dagegen wehren, und zwar bei den Verwaltungsgerichtshöfen. Beim Perso­nal wird es eine Verfassungsfrage. Dass zum Beispiel Chefärztinnen und Chefärzte nicht nachbesetzt werden können, ist ein Eingriff in die Autonomie, und das ist eine Sa­che, die irgendwann vor den Verfassungsgerichtshof kommen wird. Das ist die Situa­tion, in die ihr die Kassen zwingt, in der ihr die Gesundheitsversorgung zu einem Schiff­bruch bringt. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)


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Und deshalb sagen wir dazu mit Entschiedenheit Nein. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

20.11


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile es ihr.


20.11.34

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich setze mich natürlich weniger mit dem eigentli­chen Gesetz, dem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz auseinander. Diese Reform der Vertretungsrechte für Personen mit psychischer Beeinträchtigung ist aus meiner Sicht unstrittig.

Es hat eine breite Diskussion im Nationalrat zum Gesetzesbeschluss zum § 716 ASVG geführt, mit dem ein Ausgabenstopp für Sozialversicherungsträger und Hauptverband normiert wird. Dieser Ausgabenstopp betrifft die Themenbereiche Liegenschafts-/Bau­angelegenheiten, Personalbestellungen im gehobenen Dienst sowie Personalaufnah­men und Höherreihungen von Ärzten, Honorarabschlüsse mit Ärzten und sonstigen Gesundheitsdienstleistern. Die Vorgaben werden für den Zeitraum ab Kundmachung bis zum Ablauf des Jahres 2019 festgelegt. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass es konfliktfreier gewesen wäre, für diesen Zeitraum Bestimmungen einfach unter einen er­weiterten Genehmigungsvorbehalt der Frau Minister zu stellen, denn es wird genügend Maßnahmen geben, bei denen die individuelle Entscheidung ganz einfach zu einem anderen Ergebnis führen wird. Mir ist auch wichtig, dass dieses Gesetz im Rahmen der Möglichkeiten sinnvoll und zielführend interpretiert wird, denn bei Liegenschafts-/Bau­angelegenheiten sind laufende Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten weiter­hin möglich. Außerdem gibt es die Möglichkeit von Beschlüssen, die zur Abwendung eines drohenden Schadens unbedingt notwendig sind.

Wir wissen, dass Verzögerungen in der Fertigstellung von Gebäuden immer einen wirt­schaftlichen Schaden bedingen, und deshalb werden nach meinem Verständnis Fertig­stellungsarbeiten weiterhin durchgeführt und beschlossen werden. Dafür ein Danke.

Wir haben alle von unserer Gebietskrankenkasse einen Brief bekommen, in dem auf diesen Stopp von Baumaßnahmen hingewiesen wird. Ich bin selbst im Vorstand der Gebietskrankenkasse, wir haben einen sehr guten Kontakt, wir diskutieren das immer wieder aus. Ich habe es heute schon einmal gesagt, ich würde mir wünschen, dass das Klima von Niederösterreich auch in den anderen Bundesländern herrschen würde. Na­türlich hat der Herr Generaldirektor darauf hingewiesen, aber ich muss sagen, dass zum Beispiel das Servicecenter in Pöchlarn nicht in Gefahr ist. Das wird gebaut. Bei den anderen beschlossenen Baumaßnahmen geht es ganz einfach um Barrierefreiheit, also das müssen wir auch tun, und das wird auch geschehen. Darum habe ich gesagt: Das wird auch gemacht werden.

Vielleicht noch eines: Wenn man sich mit Briefen an eine Personengruppe wendet, ist es immer wichtig, dass alles, was drinnen steht, auch stimmt. Das wird es bei uns nicht spielen, dass es einen Aufnahmestopp geben wird. 50 junge Menschen, die ihr Fe­rialpraktikum bei der Gebietskrankenkasse zugesagt bekommen haben, werden es im August auch machen. Ich möchte das nur in aller Deutlichkeit sagen. Das ist bei uns in Niederösterreich so: Wir haben das gesagt, und sie werden das Praktikum auch ab­solvieren. (Ruf bei der SPÖ: Und die Lehrlinge?)

Die Gebietskrankenkasse hat Lehrlinge, wir haben auch sehr viele integrative Lehrlin­ge. Daran wird sich gar nichts ändern, denn es geht ja einfach um die Höhergestellten. Ich denke, dass unsere Ministerin alles unternehmen wird, damit die Mitarbeiterinnen


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und Mitarbeiter bei den Trägern nicht verunsichert werden, und ich denke auch, dass das gilt, was die Bundesregierung gesagt hat, nämlich dass niemand um seine Be­schäftigung bangen muss.

Die Befristungen für den gehobenen Dienst sind wiederum nicht so problematisch, weil Befristungen in diesem Ausmaß für derartige Jobs nicht ungewöhnlich sind, nicht im öffentlichen Sektor und schon gar nicht in der Privatwirtschaft.

Der zentrale Punkt, an dem man vorsichtig sein muss, sind die Honorarvereinba­rungen. Bisher waren nämlich die Zielsetzungen einer qualitativ hochwertigen Versor­gung und einer nachhaltig ausgeglichenen Gebarung des Trägers, der Krankenversi­cherung bei der Honorarentwicklung gleichwertig zu beachten. Mit der vorliegenden Änderung ist bis zum Ablauf des 31. Dezembers 2019 die nachhaltig ausgeglichene Gebarung gegenüber den Zielen einer qualitativ hochwertigen Versorgung und einer angemessenen Honorarentwicklung vorrangig zu prüfen. Konkret sind Honorarab­schlüsse dann unzulässig, wenn durch sie das Honorarvolumen stärker ansteigt als die prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung des Trägers. Das ist aus rein betriebs­wirtschaftlicher Sicht ein vollkommen legitimes Ziel.

Dieser Passus kann natürlich aus regional- und gesundheitspolitischer Sicht durchaus einige Fragen aufwerfen. Ich erwähne da nur das Problem der ausreichenden Versor­gung mit Landärzten und die Verhandlungen mit den Ländern zur Gesundheitsziel­steuerung. Ich erwarte mir da als Vertreterin der Landespolitik bei Bedarf ganz einfach unmittelbare Gegensteuerung, denn mir ist wie der Bundesregierung eine qualitativ hochwertige Versorgung wichtig, und die wird auch gewährleistet sein.

Entscheidend wird sein, dass sich diese Regelung mit der bereits vereinbarten Harmo­nisierung verträgt. Da müssen noch vielfach Beschlüsse gefasst werden. Ihr kennt die Thematik. Mit positiver Zustimmung der Bundesregierung ist es dem Hauptverband ge­lungen, mit allen Krankenkassen eine Harmonisierung zentraler Leistungen zu verein­baren. Das gemeinsame Ziel war und ist: Alle Versicherten sollen einheitliche Leistun­gen bekommen.

Wenig überraschend wurde im Sinne einer qualitativ hochwertigen Versorgung jeweils auf dem höchsten Niveau harmonisiert, was in Summe österreichweit Kosten von 84 Millionen Euro zusätzlich verursacht. Eine Harmonisierung mit anderen Trägern, vor allem mit den Beamten und Eisenbahnern ist nicht möglich, weil das wesentlich teurer käme. Eine 100-prozentige österreichweite Harmonisierung über alle Träger hinweg würde Mehrkosten von 1 Milliarde Euro pro Jahr verursachen. Das ist ganz einfach nicht finanzierbar.

Im letzten Jahr sind für den Bereich der Krankenkassen schon die Zahlungen für Roll­stühle, Transportkosten, Zahnspangen oder die Zeckenimpfung vereinheitlicht worden. Nun geht es um den letzten Schritt, um die Psycho- und Physiotherapie, Ergotherapie und um Hörgeräte.

Am teuersten kommt die Kassen eine Leistung, die für die meisten neu ist: Kinder zwischen zehn und 18 Jahren erhalten künftig einmal im Jahr eine Mundhygiene beim Zahnarzt, und zwar gratis, und bei einer festsitzenden Zahnspange zweimal im Jahr. Das verursacht Kosten von 30 Millionen Euro. Das ist die teuerste Maßnahme im Zuge der Harmonisierung, das wird aber aus gesundheitspolitischen Gründen getan. Wa­rum? – Weil mehr als 50 Prozent der Kinder in Österreich Karies haben. Bei der Psy­chotherapie steigt der Zuschuss nur leicht auf 28 Euro pro Stunde. Trotzdem soll es in dem Bereich eine wesentliche Verbesserung für die Patienten geben; es soll künftig deutlich mehr Psychotherapeuten mit Kassenvertrag geben.

Derzeit ist die Situation regional stark unterschiedlich. Während in Salzburg 23 Prozent aller Therapien als Sachleistung angeboten werden, also ohne Zuzahlung des Patien-


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ten, sind es in den anderen Bundesländern nur 5 Prozent. Ab 2020 sollen Therapien in jedem Bundesland zu mindestens 50 Prozent Sachleistung sein.

Das, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, sind alles Maßnahmen, die ich un­eingeschränkt unterstütze, und diese Maßnahmen müssen auch in der vorliegenden Änderung erfasst sein. Auch da wird es bei Bedarf ganz einfach eine Gegensteuerung geben.

Aus all diesen Überlegungen heraus ersuche ich Sie um Zustimmung, ersuche ich euch um Zustimmung zu diesem Gesetz. Gleichzeitig versichere ich, dass ich mich auch im Sinne des Gesagten einsetze. Wir alle haben unsere Funktionen in den Ge­bietskrankenkassen, und auch dort können wir gemeinsam etwas dazu beitragen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.20


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste hat sich Frau Bundesminis­tern Mag. Beate Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


20.21.06

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Hohes Haus! Mit so einem Abände­rungsantrag so ein Schreckensszenario darzustellen, wäre mir als Oppositionspartei nicht im Traum eingefallen. Das sind wirklich Schreckensszenarien, die überhaupt kei­ner Realität entsprechen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Hahn hält zwei Tafeln mit Grafiken in die Höhe.)

Ich garantiere, diese Punkte, die Sie aufgezählt haben – der Kollege ist jetzt nicht da, er hat eine Liste gehabt (Zwischenruf bei der SPÖ), Entschuldigung, da sind Sie, ver­zeihen Sie! –: Da gebe es einen Stopp? – Bitte, ich habe da keinen Stopp gemacht! Diese Anträge sind noch nicht einmal in den einzelnen Gremien gestellt worden. Ich verstehe Ihre Aufregung überhaupt nicht.

Es wird kein Gesamtvertrag infrage gestellt. Es wird keine Untersuchung infrage ge­stellt. Ich weiß nicht, welche Schreckensszenarien Sie da sehen – die gibt es nicht! Ich garantiere, dass die Patientenversorgung gesichert ist (Beifall bei FPÖ und ÖVP), und zwar qualitativ, und dass die Versichertengelder effizient eingesetzt werden – das ist auch unsere Aufgabe. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Meine Damen und Herren, ich habe mich schon gefragt, was eigentlich Ihre Motivation dafür ist, das so anzugehen. Ich habe mir dann gedacht, dass Sie wissen, dass die neun Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse zusammen­gelegt werden und künftig natürlich keine neun Generaldirektoren und keine neun ver­schiedenen Gremien vorhanden sein werden. Vielleicht liegt da irgendwo der Hund be­graben.

Wenn nun Wiederbestellungen anstehen, und es gibt manche Wiederbestellungen, und diese Wiederbestellungen sind, wie ich gesagt habe, bis Ende 2019 befristet, dann kann ich mir schon vorstellen, dass das manchen vielleicht nicht passt. Was ist Ihre Vorstellung? – Dass die auf fünf Jahre wiederbestellt werden und wir, wenn es dann eine Fusion der Gebietskrankenkassen gibt, sogenannte weiße Elefanten haben, die mit hohem Gehalt herumlaufen? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ist das Ihr Ziel – auf Kos­ten der Versicherungsgelder? (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das kann es wirklich nicht sein! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf des Bun­desrates Novak. – Bundesrat Längle – in Richtung Bundesrat Novak –: Ruhig blei­ben!)

Doch auch das haben einige Funktionäre in der Sozialversicherung einfach nicht zur Kenntnis gekommen. Sie verbreiten auch da wieder Unwahrheiten in den Zeitungen.


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Wir haben eine Gesetzesordnung vorgelegt, die solche Personalbestellungen während der Reformvorhaben nur befristet bis Ende 2019 zulässt. Das dient vor allem dem Zweck, weiße Elefanten zu verhindern.

Dann kommt die SPÖ – der Herr Klubobmann der SPÖ im „Kurier“ – und kündigt eine Verfassungsklage an, weil diese Regierung angeblich verhindern will, dass zukünftig et­liche Sozialversicherungsfunktionäre drei Jahre lang mit einem fünfstelligen Monatsge­halt spazieren gehen. Deswegen überlegt die SPÖ eine Verfassungsklage (Zwischenrufe bei der SPÖ) – das ist auch ein Zugang. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Meine Damen und Herren, ich bin von ganzem Herzen davon überzeugt, dass unser Gesetz verfassungskonform ist, vor allem deshalb, weil es den geringstmöglichen Ein­griff angesichts der bevorstehenden Reformschritte darstellt. Das haben mir auch un­sere Juristen bestätigt. Ich gebe aber gerne zu, dass man sich beim Verfassungsge­richtshof nie völlig sicher sein kann – das ist schon richtig. Trotzdem sehe ich der Ent­scheidung des Verfassungsgerichtshofes gelassen entgegen, denn entweder hält das Gesetz oder es wird als Robin-Hood-Gesetz in die Geschichte der Sozialversicherung eingehen. (Zwischenruf des Bundesrates Koller.)

Dieses Gesetz dient den Menschen und es dient einer gerechten Sache. (Bundesrat Stögmüller: Warum haben Sie es dann nicht in Begutachtung ...!) Es ist mir ein Rätsel, warum sich die SPÖ da vor den Karren spannen lässt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Ohne Begutachtung!)

20.25


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile es ihm.


20.25.29

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Frau Minister, wenn Sie von grauen Elefanten sprechen (Bundesministerin Hartin­ger-Klein: Weißen!) – von weißen Elefanten sprechen (Ruf bei der FPÖ: Müssten rote sein!) –, dann sieht man, wer nun im ehemaligen Gesundheitsministerium die weißen Elefanten sind, denn die haben Sie nun in den Abteilungen geschaffen.

Als Kärntner komme ich natürlich bei diesem nun initiierten Baustopp nicht am Thema Traumazentrum, AUVA und Kabeg vorbei. Kärnten will dieses Projekt zum Wohle der Kärntner Bevölkerung schnellstmöglich umsetzen. Alle im Kärntner Landtag vertrete­nen Parteien – alle – haben am vergangenen Freitag einen entsprechenden Beschluss gefasst, einstimmig und gemeinsam.

In der letzten Sitzung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger stand ein for­meller Beschluss zum notwendigen Ankauf der Liegenschaft in Klagenfurt, auf dem dieses geplante Traumazentrum errichtet werden sollte, auf der Tagesordnung. Das Kärntner Projekt ist das in Österreich am weitesten gediehene und geplante. Es erfüllt alle erforderlichen Maßnahmen und könnte morgen im Hauptverband – eine Formsa­che – umgesetzt werden, nachdem bei der vorausgehenden Bedarfserhebung grünes Licht gegeben worden war. Allerdings sollte es nicht so sein. Durch eine Beamtin ver­treten legten Sie in Ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde Einspruch gegen diesen posi­tiven Beschluss im Hauptverband ein.

Dazu darf ich zwei Zitate bringen. Das erste kommt vom ÖVP-Klubobmann des Kärnt­ner Landtages, Malle: „,Schluss mit lustig! Spitals-Ehe darf nicht mehr blockiert wer-
den [...] Damit muss jetzt Schluss sein. Hartinger-Klein soll die Blockade-Politik been­den und die notwendigen Verträge endlich unterzeichnen‘ [...]. Die Kärntnerinnen und Kärntner verdienen die beste medizinische Versorgung, das Projekt muss raschest-


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möglich umgesetzt werden. ,Die Devise lautet: Kärnten zuerst! Polit-Geplänkel auf Kos­ten der Kärntnerinnen und Kärntner hat hier keinen Platz!‘, so Malle weiter.“

Das zweite Zitat stammt von Ihrem Parteikollegen in der Kärntner FPÖ, Frau Minister, von Gernot Darmann – es findet sich in einer Parteimeldung mit dem Titel „Neues Trau­mazentrum im Klinikum ist alternativlos“ –: „Die FPÖ Kärnten hat das Projekt immer unterstützt und auch die zuständige Gesundheitsministerin Mag. Beate Hartinger-Klein bekennt sich hundertprozentig dazu!“

Doch auf jede Beteuerung für das Projekt folgt postwendend ein Rückzieher von Ih­nen – damit muss nun Schluss sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Minister, es geht dabei doch nicht um Parteipolitik und auch nicht um persönliche Befindlichkeiten einer Ministerin gegenüber der AUVA (Zwischenruf bei der FPÖ), son­dern es geht um die beste medizinische Versorgung für die Kärntner Bevölkerung und die von Ihnen so vehement eingeforderten Einsparungen in Millionenhöhe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Ruf bei der FPÖ: Märchenstunde!)

Verwehren Sie sich nicht dem Dialog mit der zuständigen Landesrätin, der Landes­hauptmannstellvertreterin Beate Prettner! Diese wartet seit zwei Wochen vergeblich auf Ihren Rückruf.

Arbeiten für den Menschen, sparen im System: Wir in Kärnten setzen das um, was die Bundesregierung verspricht. Ein Scheitern des Projektes wäre ein Eingeständnis zu Klientelpolitik und persönlichen Befindlichkeiten – das kann nicht unser Auftrag sein. (Ruf bei der FPÖ: Das habt ihr erfunden!)

Schluss mit der Blockade, Frau Minister! Unterzeichnen Sie jetzt die Verträge für die Kooperation zwischen dem UKH Klagenfurt und dem Klinikum Klagenfurt! Es geht um das Wichtigste, nämlich die Gesundheit aller Kärntnerinnen und Kärntner. Die Gesund­heit der Menschen in Österreich muss für Sie als Gesundheitsministerin an erster Stel­le stehen. Verzögern Sie dieses sinnvolle Projekt nicht länger! (Ruf bei der FPÖ: Ver­zögern tut eh ihr!) Frau Minister, es fehlt nur Ihre Unterschrift, unterschreiben Sie zum Wohle aller unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Schöne Märchenvorlesung!)

20.30


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste hat sich Frau Bundesminis­terin Mag. Beate Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


20.30.15

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesräte! Herr Bundesrat, ich stehe zum Traumanetzwerk in Kärnten, in der Steiermark und in Salz­burg. Sie wissen ganz genau, worum es da geht. Es geht um einen Kaufvertrag zwi­schen der AUVA und der Kabeg. Bei diesem Kaufvertrag geht es um ein seit sieben Jahren leer stehendes, altes Gebäude. Dieses sollte die AUVA um 1,5 Millionen Euro kaufen. Das ist das Thema.

Ich behindere überhaupt nichts. Es geht um ein Gesamtkonzept, das mir die AUVA noch nicht vorgelegt hat. Auf dieses Gesamtkonzept warte ich im Sinne der Patienten für Kärnten – das steht im Mittelpunkt.

Und sorry, Frau Landesrätin Prettner hat bei mir nicht um ein Telefonat angesucht. Ich bin jederzeit für einen Dialog bereit. (Beifall und Oh-Rufe bei FPÖ und ÖVP.)


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20.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


20.31.31

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja nun schon viel darüber gehört, darum beschränke ich mich auf die wesentlichen Punkte, die das Burgenland betreffen. Wie alle haben wir ein Schreiben von der Gebietskrankenkasse bekommen – in diesem Falle von der Burgenländischen –, darüber, welche Bedeutung und welche Aus­wirkungen dieses Gesetz hat.

Wir sind der ländliche Raum pur. Welche Auswirkungen das für uns hat, liegt, glaube ich, auf der Hand. Konkret bedeutet dieser Beschluss im Ärzte- und Versorgungsbe­reich: nur mehr Sparverträge, einen Stopp aller Bauvorhaben – das haben wir schon ge­hört – und Einschränkungen im Personalbereich. Die Auswirkungen auf das Burgen­land wären verheerend. Durch den Zwang zum Abschluss von Sparverträgen im Ärzte- und Versorgungsbereich werden Bestrebungen zur Verbesserung der Qualität – Leis­tungsausbau, Reduktion von Wartezeiten oder Attraktivierung des Berufs des Hausarz­tes – auf Eis gelegt.

Wir haben schon jetzt einen Hausärztemangel. Die Krankenkasse hat gute Kontakte zum Land, es wird ständig an Verbesserungen gearbeitet. Das wäre nun für eineinhalb Jahre zerschlagen. Zudem ist erwähnenswert, dass der Ausbau der Primärversorgung und die Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Versorgung gefährdet wäre. Müh­same Verhandlungen in diesem Bereich im Interesse der Versicherten wären mit ei­nem Schlag zunichtegemacht.

Auch im Bau- beziehungsweise Liegenschaftsbereich gibt es ein Projekt, das nicht um­gesetzt werden kann, nämlich die Außenstelle in Oberwart. Es gibt da eine sehr alte und nicht barrierefreie Außenstelle, bei der auch die Privatsphäre der Versicherten und Patienten nicht gewährleistet werden kann. Es gibt ein fertiges Projekt – die Übersiede­lung in ein neues Mietobjekt –, das nun auf Eis liegt.

Summa summarum kann man als Vertreter des Burgenlandes mit dieser Lösung na­türlich nicht zufrieden sein – von der Herangehensweise möchte ich gar nicht sprechen.

Wenn die Regierungsparteien heute von Vertrauensvorschuss sprechen und Sie (in Richtung Bundesministerin Hartinger-Klein) hier Garantien abgeben, diese Garantien aber gleichzeitig wieder in andere Aussagen ummünzen, dann könnte ich jetzt auch folgende Garantie abgeben: Wenn Sie Garantien dafür abgeben, was in eineinhalb Jahren sein könnte, dann könnten diese Garantien auch nichts mehr wert sein; ich weiß nämlich nicht, ob Sie in eineinhalb Jahren noch Ministerin sein werden. Deshalb ist, glaube ich, der Vorschuss nicht gerechtfertigt; wenn es nämlich eine große Schwach­stelle in dieser Bundesregierung gibt, dann sind Sie es, Frau Minister. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Hallo! Unerhört! – Bundesrat Samt: Das ist eine Frechheit! – Bundesrat Rösch: Das Niveau ist so weit unten ...!)

20.34


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Doris Hahn zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


20.35.09

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Ruf bei der FPÖ: Unwürdi­ges Schauspiel!) – Vielleicht hören Sie zuerst zu und werfen erst dann etwas ein, wenn etwas gegeben ist! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich habe heute schon zu früherer Stunde einmal darauf hingewiesen (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), dass ich es für bedenklich halte, dass es mittlerweile gängige Praxis in der Regierung ist, solche Husch-Pfusch-Aktionen ohne Begutachtungsverfahren, ohne Einbindung der Betroffenen in die Verhandlungen durchzuführen. (Bundesrat Rösch: Weil die SPÖ schläft, da geht nix weiter!)


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Bei diesem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz ist schon wieder etwas ganz tief drinnen versteckt, das man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so erkennen kann. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir haben nun schon aus einigen Bundesländern gehört, was da drohen und auf uns zukommen kann. Als Vertreterin Niederösterreichs muss ich mir natürlich auch die Auswirkungen auf mein Bundesland ganz genau anschauen. Ich muss sagen, dass das, was da zutage tritt, mehr als gravierend ist.

Ich nehme an, Sie alle haben den Brief (besagten Brief in die Höhe haltend) genauso gut und ausführlich gelesen wie ich. Ich glaube nicht, dass sich die NÖGKK diese Sor­gen und Ängste irgendwie zusammenreimt, sie sich aus den Fingern saugt, sondern ich habe die Befürchtung, dass das, was die NÖGKK da anspricht und aufzeigt, ganz, ganz konkrete Auswirkungen sind.

Das wird, nehme ich einmal an, ganz klassisch mit dem Nichtnachbesetzen von Stellen bei Pensionierungen beginnen. Das bedeutet dann natürlich eine sukzessive Einspa­rung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. (Bundesrat Bader: Das ist nicht wahr!) Das wird letztendlich auch zu Service- und Qualitätseinbußen in den Servicestellen in den Bezirksaußenstellen führen. Und ja: Das sind Aussagen von entsprechenden Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern. (Bundesrat Samt: Bewusste Unwahrheit! – Bundesrat Rösch: Versteht man nicht!) – Wenn Sie den Betroffenen zuhören würden, dann würden Sie das genauso wissen wie ich.

Was unterm Strich dabei herauskommen wird, sind Schließungen von Zweigstellen. Dazu kommt nun mittlerweile auch noch die Befristung für Nachbesetzungen beim Ver­waltungspersonal bis 2019. Ich glaube, man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass qualifizierte Fachkräfte aufgrund dieser Befristung auf einen Zeitraum von maximal 1,5 Jahren dann nicht unbedingt Schlange stehen werden. Wenn der pot­enzielle Arbeitsplatz von Haus aus ein Ablaufdatum hat, wird das Interesse von quali­tativ hochwertigen Bewerberinnen und Bewerbern eher enden wollend sein.

Was droht uns nun noch ganz konkret aufgrund dieser Ausgabenbremse, dieses Aus­gabenstopps? – Es geht da eben um das Aus für anstehende Neubauten. Es geht da zum Beispiel um Horn und Waidhofen an der Ybbs. Das bereits beschlossene Ser­vicecenter in Pöchlarn ist in Gefahr. (Bundesrat Bader: Das stimmt ja nicht!) Wir haben nun zwar von Kollegin Zwazl gehört, dass das nicht der Fall ist, aber die Befürchtung ist da. (Bundesrat Bader: Wenn du zugehört hättest, bräuchtest du das jetzt nicht mehr zu sagen!) Das Problem ist, dass diese Garantie nicht im Gesetz steht. Das heißt, wer garantiert uns, dass das dann auch nicht so sein wird? (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Es geht um die Außenstelle in Neunkirchen, die saniert werden sollte (Bundesrat Ba­der: Das steht auch nicht im Gesetz!), und um das Projekt in Gänserndorf. Es geht da um das Rehazentrum in Alland, das Rehazentrum in Hochegg und vieles mehr. Es geht um die angesprochenen Praktikumsplätze, um diese 50 jungen Menschen, die dann möglicherweise, was das Ferialpraktikum betrifft, in der Luft hängen. Meines Wis­sens sind die Absagen bereits durch- und rausgegangen (Zwischenruf des Bundesra­tes Bader) – das ist ja auch in den Medien bereits so kolportiert worden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Unterm Strich wird diese Ausgabenbremse nicht nur Verschlechterungen für die So­zialversicherungen selber bringen (Zwischenrufe bei der FPÖ), sondern es wird zu massiven Verschlechterungen für die Menschen – in meinem Fall auch in Niederöster­reich – kommen. Dann sind nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozial­versicherungen betroffen, sondern auch die Vertragspartner der Sozialversicherungen und – das ist das Beängstigende an der Geschichte – natürlich in ganz besonderem Maße auch die Patientinnen und Patienten. (Bundesrat Samt: Im Schüren von Ängsten seid ihr Weltmeister!)


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Die Sozialdemokratie fragt sich: Können Sie als Regierungsparteien das wirklich ver­antworten und, vor allen Dingen, wollen Sie das auch verantworten?

Führen wir uns noch einmal vor Augen, was die Sozialversicherungsträger eigentlich für die Versicherten – abgesehen vom Versicherungsschutz – tagtäglich an Leistungen erbringen: Therapien – Physiotherapien, Ergotherapien –, Ultraschall, MR, CT, medizi­nische Behelfe – Brillen (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), Rollstühle –, Medika­mente, den Mutter-Kind-Pass – haben wir heute schon gehört – und so weiter und so fort.

Da geht es auch um verschiedene soziale und mobile Dienste, und dann dürfen wir auch die großartige Arbeit, die im Bereich der Vorsorge geleistet wird, nicht vergessen. Die NÖGKK hat beispielsweise Projekte wie Bewegt im Park, Rücken fit, Kinderbewe­gungstage und so weiter; diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Fakt ist, dass diese große Reform der Sozialversicherungsträger ein riesengroßes Spar­paket ist, das zulasten von Patientinnen und Patienten geht. (Bundesrat Hammerl: Das stimmt ja nicht!) Jetzt liegt ein Entschließungsantrag meiner Fraktion auf dem Tisch, jetzt können Sie zeigen, ob Sie auf der Seite der Menschen stehen oder nicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrat Hammerl: Das glaubt ihr ja selber nicht, was ihr da sagt!)

20.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich erteile es ihm.


20.40.57

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten)|: Herr Präsident! Frau Ministerin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Mayer: So viele Zettel! Das geht bis morgen früh!) – Locker! Frau Ministerin, Sie haben gemeint, dass die SPÖ nervös und aufgeregt ist und gefragt, wo die Motivation liegt. (Bundesrat Köck: Ist eh klar!)

Wenn man die Zahlen, die Professor Schennach heute vorgelesen und vorgetragen hat, sieht, kann einem schon angst und bange werden, was hier so vor sich geht. Ich meine, dass es gerade auch hier im Hohen Haus doch die Möglichkeit der Diskussion geben sollte, da sie ja sonst nicht geführt wurde. (Bundesrat Rösch: Das sind alles Märchen!) – Wenn du, lieber Herr Kollege, gesagt hast, dass das Niveau tief unten ist, meine ich, dass du durch deine Zwischenrufe einen wesentlichen Beitrag dazu leistest. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat heute eine Pressekonferenz von Ge­werkschaft, Ärztekammer und Sozialversicherung gegeben, und alle drei Körperschaf­ten haben appelliert, auch an die Frau Ministerin, die Ausgabenbremse zu lösen. Herr Generaldirektor Biach ist ja nicht irgendwer. (Bundesrat Weber: Ein Schwarzer!) Er ist Generaldirektor, er leitet den Hauptverband, er ist politisch der eher konservativen Rich­tung zuzuordnen und er hat gesagt, dass in Österreich 33 Projekte gestoppt werden müssen, dass Ärzteverträge warten müssen, dass der Primärversorgungsvertrag, für den wir alle gekämpft haben, nicht abgeschlossen werden kann. (Zwischenruf des Bun­desrates Seeber.) Ich bin auch Funktionär der Kärntner Gebietskrankenkasse (Bun­desrat Ofner: Ahh!), und wir haben alle darum gekämpft und kämpfen noch immer, und jetzt steht man hier mehr oder weniger im Leeren. Ich glaube, es gibt bei den vie­len, vielen anderen, die in Österreich angedacht wurden, nur ein funktionierendes PHC-Zentrum, und zwar in Enns.

Weil immer wieder von den Hausärzten gesprochen wird: Man muss – erstens – schau­en, dass man welche bekommt. Zum Zweiten habe ich schon den Eindruck, dass die Länder dann die Bezahlung dieser Leute übernehmen werden müssen. (Bundesrat We­ber: Ein Chaos!)


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Das (ein Schriftstück zeigend), Frau Ministerin, ist ein Schreiben der Kärntner Gebiets­krankenkasse, das die Bundesräte aus Kärnten gestern erreicht hat. Es sind drei Sei­ten voller Sorgen, die sicherlich auch sehr gerechtfertigt sind. Ich werde heute nicht al­le Zettel vorlesen, Herr Kollege, sondern ich werde mich relativ kurz fassen. (Zwischen­ruf des Bundesrates Hammerl.) Einige Dinge sind aber zu sagen, weil man sonst keine Gelegenheit dazu hat.

Das Prinzip der Bundesregierung im Hinblick auf die Selbstverwaltung heißt Sparen, Sparen und Ausbau der politischen Macht und der politischen Einflussnahme. (Bun­desrat Samt: Das Wort sparen kennt die SPÖ überhaupt nicht!) Es ist gegen ein sinn­volles Sparen nichts einzuwenden, das derzeitige Vorhaben, die Organisationsstruktur neu zu gestalten, zeigt jedoch ein deutlich anderes Bild: Man will die Kosten in der Verwaltung und auch sogenannte Privilegien durch Zusammenlegung nachhaltig redu­zieren beziehungsweise abschaffen. (Zwischenruf des Bundesrates Schuster. – Bun­desrätin Mühlwerth: Lass ihn reden!)

Was wollen Sie eigentlich mit diesem zentralistischen Vorgehen erreichen? Es soll das Aufsichtsrecht des Bundes nachhaltig gestärkt werden, die bestehenden Selbstverwal­tungsgremien sollen in ein einziges Selbstverwaltungszentrum übergeführt und deutlich verschlankt werden, und es ist vorgesehen, eine Österreichische Gesundheitskasse einzurichten, die durch Dienstgeber und Dienstnehmer paritätisch besetzt werden soll. Frau Ministerin, das ist natürlich eine Hintanstellung der Interessen anderer Gruppen, zum Beispiel der Pensionistinnen und Pensionisten (Bundesrat Schuster: Vollpensio­nisten!), die doch ein Drittel der Beiträge zahlen und in solchen Gremien nicht mitein­bezogen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird im Sozialversicherungsbereich eklatant gespart. Es ist dies ein unschätzbares Gut, das sich in den letzten Jahrzehnten in Österreich hervorragend entwickelt hat und auch eine besondere Geltung hat. Es ist festzustellen, dass das derzeitige, dieses ho­he Niveau der Versorgung in Österreich in dieser Form und unter diesen Vorausset­zungen nicht aufrechterhalten werden kann. Die derzeitige Selbstverwaltung wird mit der Zielsetzung, die Sozialversicherung zu einer politisch verwalteten Institution zu ma­chen, öffentlich schlechtgemacht. Politisch besetzte Generaldirektoren würden weit, weit mehr kosten als die gesamte heutige Selbstverwaltung in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schuster: Ein echter Klassenkampf!) Heute erhalten die Funk­tionärinnen und Funktionäre eine reine Aufwandsentschädigung und Weggelder.

Ich möchte noch etwas sagen, weil man immer sagt: die SPÖ. Ich zitiere einen be­kannten Unfallchirurgen, nämlich Wolfgang Schaden, der zu dieser Vorgehensweise gesagt hat: „Der Angriff auf die Selbstverwaltung ist ein riesiger Skandal, die Art und Weise, wie ein funktionierendes System beschmutzt wird, ist völlig unangemessen und demokratiepolitisch bedenklich.“ (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich werde jetzt dem Wunsch entsprechen und einige Dinge auslassen, aber etwas scheint mir schon noch ganz wichtig zu sein. (Zwischenruf des Bundesrates Raml.) Ich schließe mich den Ausführungen meines Kollegen Bürgermeister Appé natürlich vollin­haltlich an. Auch du, lieber Freund, warst bei der Sitzung der Landesregierung mit da­bei, du hast gehört, wie die FPÖ hier mitgestimmt und gesagt hat: Jawohl, das muss al­les geschehen. Herr Darmann hat gesagt: selbstverständlich Einstimmigkeit – er kämpft. Die Ministerin hat zugesagt, dass sie unterschreiben wird. Na ja, sie hat in der Zwi­schenzeit durch eine Mitarbeiterin ausrichten lassen, dass sie jetzt einmal nicht unter­schreiben wird. (Bundesrat Ofner: Das ist Unfug, Herr Kollege!) Es ist dies für mich ein besonderes Verhalten einer Ministerin, gnädige Frau, wenn zuerst beteuert wird, dass ein Projekt durchgeführt wird, mündliche Zusagen gemacht werden und dann ein Rück­zieher kommt.


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In der neuen Gesetzesvorlage ist zu lesen, dass bei den Selbstverwaltungskörpern In­vestitionen nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich sind. Das gilt auch für die Nachbesetzung von Führungskräften, welchen nur mehr Verträge bis zum Jahr 2019 gegeben werden. In der KGKK, Frau Ministerin, ist die Stelle eines Chefarz­tes zu besetzen. Nach der Arbeitsbeendigung des früheren leitenden ärztlichen Ange­stellten wurde die Stelle neu ausgeschrieben und auch von den hausinternen Gremien, dem Verwaltungsausschuss, dem Vorstand und der Generalversammlung, ein neuer Mitarbeiter vorgesehen. Da eine GKK als Selbstverwaltungskörper über einen Chefarzt verfügen muss, ist die Frage zu stellen, wer als Führungskraft einen Vertrag mit einer Dauer von nur eineinhalb Jahren unterschreiben wird. Chefarzt kann nur ein Arzt mit einer entsprechenden Qualifikation sein. Er würde sich bei der Unterzeichnung eines Vertrages, der nur eineinhalb Jahre gilt, natürlich selbst disqualifizieren. Ich würde sa­gen, ein Arzt, der dies tut, braucht dann selbst einen Arzt. (Beifall bei der SPÖ.) – Es ist dies, Frau Ministerin, natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Es ist die Frage zu stellen, wer dann eigentlich die legistische Verantwortung über­nimmt. Ein solch widersprüchliches Gesetz wie das vorgelegte kann und darf von ei­nem verantwortungsvollen Bundesrat nicht beschlossen werden. Hier müsste vorerst die Frage der gesetzlichen Haftung eindeutig geklärt sein.

Der Mensch, in diesem Fall die Patientin und der Patient, müssen im Fokus unseres Überlegens und Handelns stehen. Dazu ist die Politik aufgerufen. Schnellschüsse und Ruck-zuck-Handlungen können dabei nicht das Wesenselement und der Garant für einen positiven Weiterbestand des heutigen, an sich weltweit einzigartigen und positi­ven Sozialsystems in Österreich sein. Ein System, das wir noch haben, welches jedoch zunehmend ausgehöhlt und zum Nachteil der Menschen in unserem Lande verändert wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Michael Lindner. Ich erteile es ihm.


20.50.09

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Samt: Abschiedsrede?) – Nicht zu früh freuen! – Wenn du glaubst, das gibt es nicht mehr, dann kommt die Bun­desregierung daher. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Raml: Schlechter Reim!) – Ja, der Kickl hat ein bisschen nachgelassen, der kümmert sich jetzt um die Pferde und reimt weniger, jetzt müssen wir das übernehmen. (Bundesrat Raml: Reimen kann er besser! – Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Und täglich grüßt der Schnell­schuss, könnte man vielleicht zu diesem Thema auch sagen. (Bundesrat Mayer: Redet nur Stuss!)

Wenn ich Ihnen zuhöre, Frau Ministerin, erhalte ich den Eindruck, es ist im Zusammen­hang mit diesem durchgepeitschten versteckten Gesetz eigentlich noch weit dramati­scher. Es gibt für mich zwei Möglichkeiten: Entweder Sie sprechen nicht mit den Be­troffenen, mit dem Hauptverband und den Gebietskrankenkassen, und kennen deswe­gen die Auswirkungen nicht – schlimm genug! –, oder Sie haben sich inhaltlich nicht damit beschäftigt und kennen die Auswirkungen auf die Versicherten und die Sozial­versicherung nicht. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.) Bei­des ist wirklich dramatisch! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist bemerkenswert, wenn sich heute drei Partner zusammensetzen und gemeinsam eine Pressekonferenz abhalten, die sonst nicht immer einer Meinung sind, nämlich der Hauptverband, die Ärztekammer und die Gewerkschaft; die führen sonst auch durch­aus spannende Diskussionen. Alle drei haben sich heute hingesetzt und gemeinsam


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eine Pressekonferenz abgehalten, über die Auswirkungen berichtet und referiert, die Sie jetzt eindrücklich von meinen Kolleginnen und Kollegen gehört haben. Ich werde Ihnen die Unterlagen mitgeben, da dürfte es Defizite geben. (Bundesministerin Hartin­ger-Klein: Ich kenne es, danke!)

Das ist in den Bundesländern schon dramatisch. Als Oberösterreicher darf ich sagen: Es erledigt sich damit für die nächsten eineinhalb Jahre in Oberösterreich eine ganz wichtige gemeinsame Basis. Die oberösterreichischen Kollegen und Kolleginnen wer­den mir recht geben, dass bei der Landeszielsteuerung im Gesundheitsbereich in Oberösterreich sehr gut zusammengearbeitet wird. Die Gebietskrankenkasse versucht gemeinsam mit dem Gesundheitsreferat und der Ärztekammer, das Gesundheitssys­tem weiterzuentwickeln. Mit Ihrer Ausgabenbremse ist die Gebietskrankenkasse in Ober­österreich aber ganz ordentlich gefesselt, da es für den Ausbau der Primärversorgung in Oberösterreich keinen Spielraum mehr gibt – da sind wir mit Haslach und Enns ja Vorreiter – oder auch für die Weiterentwicklung des hausärztlichen Notdienstes, Kolle­ge Stögmüller hat das angesprochen.

Wir kämpfen in den Regionen – ich komme aus dem Mühlviertel – händeringend dafür, dass wir die Stellen der Hausärzte nachbesetzen können. Da muss man sich auch als Gebietskrankenkasse schon manch kreative Lösung einfallen lassen, auch manches fi­nanzielle Zuckerl anbieten. Diese Dinge sind im ländlichen Raum mit dieser Ausgaben­bremse nicht mehr möglich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Über den Baubereich haben meine Kollegen schon gesprochen. Das Zahngesund­heitszentrum in Linz ist dringend sanierungsbedürftig. Die Bezirksstelle in Eferding ist eine besonders interessante Geschichte: Die Stadt hat 2016 den Mietvertrag gekün­digt, die müssen Ende 2021 hinaus und können bis Ende 2019 nicht beginnen. (Bun­desministerin Hartinger-Klein: Das ist schon geregelt!) In meinem Bezirk Freistadt ist dasselbe: Grundstück gekauft, Ausschreibungen fertig. Die MitarbeiterInnen haben letz­tens sogar eine Klausur gehabt, im Rahmen derer ihnen schon präsentiert worden ist, wie die Arbeitsplätze und die Servicebereiche in Zukunft ausschauen. Das ist ebenfalls gestoppt, genau wie das Eltern-Kind-Zentrum in Bad Ischl. Das ist wirklich dramatisch. Nicht umsonst haben sich die drei heute öffentlich hingesetzt und das präsentiert. Ich würde mich an Ihrer Stelle sehr, sehr schnell mit den Betroffenen zusammensetzen und für Klarheit sorgen. Die Verunsicherung betreiben nicht wir, wir zeigen nur auf, was die Folgen sein werden. Da sind Sie jetzt gefordert, Frau Ministerin! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich möchte, wenn ich schon hier stehe, nach dem Kollegen Oberlehner, der sich schon heute am Vormittag verabschiedet hat, auch die Gelegenheit nützen, mich heute bei meiner letzten Rede hier im Bundesrat bei sehr vielen Menschen zu bedanken, die ich nicht alle namentlich erwähnen möchte. (Bundesrat Krusche: Da wirst du keinen Ap­plaus kriegen!) Das ist heute meine letzte Sitzung, ich werde im Oktober mein Bundes­ratsmandat zurücklegen und in den Oberösterreichischen Landtag wechseln. (Bundes­rat Krusche: Der arme Landtag!) Das freut mich. Ich werde meine Reden inhaltlich nicht wirklich verändern müssen, weil wir im Land eine ähnliche Konstellation und ähn­liche Herausforderungen haben.

Ich bin vor drei Jahren mit einer sehr undefinierten Erwartungshaltung in den Bundes­rat gekommen. Sehr viele, gerade auch junge Menschen haben mich angeredet und gefragt: Was tust du in dem Alter im Bundesrat? – So ungefähr war die Aussage. Ich war sehr gespannt darauf, was mich hier herinnen erwartet, und muss ganz ehrlich sagen, dass ich den Bundesrat als Gremium kennen und schätzen gelernt habe, in dem man, auch wenn es gerade wie heute sehr kontroversielle Diskussionen gegeben hat, wirklich auf einer sachlichen Ebene diskutieren konnte, wo man in die Tiefe gehen konnte. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Krusche: Der war gut! – Ruf bei der


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FPÖ: Sie sind zu Späßen aufgelegt, Herr Kollege!) Ich war immer von den Diskussio­nen im EU-Ausschuss beeindruckt. Dafür wollte ich mich, auch wenn er gerade nicht anwesend ist, bei Edgar Mayer bedanken. Es waren tolle und interessante Sitzungen mit vielen spannenden und wichtigen Ergebnissen. Davon nehme ich auch für meine weitere Arbeit sehr, sehr viel mit.

Ich möchte mich bei den MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion und auch der Minis­terien bedanken. Ich war in den Ausschüssen immer tief beeindruckt, mit welcher Qua­lität, mit welchem enormen Wissen und Know-how die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Sitzungen kommen und uns inhaltlich sehr viele Ezzes geben können. Das ist beeindruckend! Ich möchte mich beim SPÖ-Parlamentsklub insgesamt, aber vor allem bei Claudia Peska bedanken, die für uns immer eine wichtige Stütze im SPÖ-Klub ist. Danke, Claudia! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt in Oberösterreich große Herausforderungen, auf die ich mich freue, da wird es auch spannende Diskussionen geben.

Es gibt drei Menschen in meinem Leben, die sich freuen, dass ich jetzt nicht mehr so oft nach Wien fahren muss. Das sind keine FPÖler, sondern meine zwei Buben und meine Frau. Insofern freue ich mich auf die Herausforderungen in Oberösterreich.

Herzlichen Dank für die schönen, interessanten Diskussionen. Ich wünsche euch alles, alles Gute! (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der Bundes­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

20.56


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Lieber Michael! Wir wünschen natürlich auch dir – so wie Kollegen Peter Oberlehner – alles Gute im Oberösterreichischen Land­tag. Auf gute Diskussionen dort, in einem anderen Gremium! Ihr könnt euch dann dort austauschen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile es ihm.


20.57.19

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Wenn man Gesetze so durchpeitscht, wie wir es heute schon miterleben mussten – ohne Begutachtung, mit Fallstricken –, dann darf man sich nicht wundern, wenn man einem Sturm der Empörung entgegensieht. Das ist nicht nur in einem Bundesland der Fall, sondern es ist österreichweit so. (Ruf bei der ÖVP: Aber nur bei der SPÖ!)

Eineinhalb Jahre Verunsicherung durch diese Ausgabenbremse! Herr Kollege Rösch, ich habe bei der Gebietskrankenkasse angerufen, habe mich bei der Ärztekammer und beim Hauptverband erkundigt. Ich nenne Ihnen jetzt nur ein paar Dinge, die aufgrund dieser Ausgabenbremse in Salzburg kommen beziehungsweise nicht kommen werden. Ich hoffe, dass meine Kolleginnen und mein Kollege aus Salzburg gut aufpassen, denn sie müssen das bei uns dann auch vertreten, wenn sie hier mitstimmen.

Der Kooperationsvertrag zwischen AUVA, dem Unfallkrankenhaus und der Salk ist auf Eis gelegt. Das heißt, dass die Zusammenlegung, die Verschlankung bei Kranken­häusern nicht gemacht werden wird, weil das Geld nicht vorhanden ist. Der Neubau der PVA-Landesstelle Salzburg, der dieses Jahr geplant werden sollte, liegt auf Eis. (Bundesrat Krusche: Tintenburg!) Die Psychotherapie hätte um 10 Prozent erweitert werden sollen – das liegt auf Eis. Die Auswirkungen sind längere Wartezeiten und eine Verteuerung der Behandlung, denn wenn ich keinen Vertragsarzt, -therapeuten bekom­me, muss ich zu einem privaten gehen. Das sind Auswirkungen für uns in Salzburg.

Es sollte eine Info-Hotline für einen niederschwelligen Zugang eingeführt werden, da­mit man nicht gleich zum Arzt rennen muss, wenn man ein bisschen Fieber hat, wo


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man anrufen und fragen kann: Mein Kind liegt da mit Fieber, was soll ich jetzt tun? Aber gut, wir rennen halt auch in Zukunft wieder zum Arzt, diese Hotline kann und wird nicht eingeführt werden, weil das Geld dafür nicht vorhanden ist.

Die Vertragsverhandlungen mit der Ärztekammer zur Honoraranpassung sind einge­froren, das heißt, dass die geplanten zusätzlichen Ärzte für den Lungau nicht kommen.

Auch in Mittersill wird kein neuer Arzt kommen, und das Psychotherapiezentrum im Pongau kommt auch nicht. Von der Suchthilfe Salzburg haben wir schon gehört, dass die Tarife nur bis 2018 laufen. Was ganz eigenartig ist: Laut Gesundheitsreformumset­zungsgesetz müssen bis 2020 fünf neue medizinische Erstversorgungszentren errich­tet werden – die können aufgrund der fehlenden Finanzmittel natürlich ebenfalls nicht kommen! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Gestern habe ich in einer Zeitung gelesen: „Regierung bremst die Krankenkassen aus“. – Die Bundesregierung bremst das Gesundheitssystem aus, die Bundesregierung bremst die Gesundheitssicherheit aus, die Gesundheitsvorsorge, den Ausbau. Das bremst die Bundesregierung aus. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Ruf bei der FPÖ: Lächerlicher geht es nicht mehr!)

21.01


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile es ihr.


21.01.25

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Minister Hartinger-Klein! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuse­her! (Bundesrätin Mühlwerth: Das glaube ich nicht, dass noch wer zusieht! – Ruf: Es wird nichts mehr übertragen!) – Es sind noch welche da! Da oben auf der Galerie ste­hen Menschen, die sehe ich. Auch nach 12 Stunden noch, wenn auch so mancher hier schon zu schlafen beginnt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das sind die, die ihr nicht heimgehen lässt!)

Zum Thema Abänderungsantrag betreffend § 716 Allgemeines Sozialversicherungsge­setz ist schon so viel gesagt worden (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, leider!), dass ich nun auf einige vorige Ausführungen eingehen will. Da möchte ich Kollegin Andrea Wagner doch sagen, dass man jemandem nicht nur ins Steuer greifen soll, sondern sogar muss, bevor das Auto an die Wand gefahren ist oder gar Menschen zu Schaden kommen. Dafür hat man die Verantwortung! (Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt wird es richtig dramatisch!)

Ich möchte mich auch bei Kollegin Sonja Zwazl sehr dafür bedanken, dass sie ganz deutlich gesagt hat, dass sie – und ich denke, auch ihre Fraktion – nicht damit einver­standen ist, dass in Niederösterreich im August 50 junge Menschen ihr Ferialpraktikum bei der Gebietskrankenkasse nicht antreten werden. (Bundesrätin Ecker: Sie hat ge­sagt, es passiert nicht!) – Es passiert nicht, und ich denke, das ist sehr gut, dass das hier gesagt wurde und wir jetzt wissen, dass die türkise ÖVP-Fraktion dazu stehen wird, und ich denke, auch Frau Minister Hartinger-Klein, da war nämlich auch ein zu­stimmendes Nicken zu sehen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Ecker.)

Ich bin auch sehr dankbar, dass Herr Bundesrat Andreas Spanring gestern ganz deut­lich gesagt hat, dass er die Neubauten der Versicherungsträger befürwortet. (Bundes­rat Rösch: Tun wir ja alle!) Er hat nämlich beim Tagesordnungspunkt 13 ein Plädoyer für Barrierefreiheit gehalten, und diese Neubauten sind wegen Barrierefreiheit notwen­dig – da haben wir auch wieder einen Unterstützer, das freut mich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Das sind also Neubauten von Versicherungsträgern, die aufgrund der Barrierefreiheit notwendig


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sind – zuhören, auch nach 12 Stunden! (Bundesrat Spanring: Ihr seid ein bisschen ei­ne Pippi-Langstrumpf-Partie!)

Es ist unverantwortlich, dass diese Neubauprojekte auf Eis gelegt werden, gerade für Neunkirchen kann ich das sagen: Das ist ein Zuzugsgebiet, das erhöhten Bedarf hat, ein Servicecenter und ein Zahnambulatorium sind dringend notwendig. Wenn Sie, Frau Minister, jetzt sagen, Sie hätten da nichts gestoppt, weil das noch gar nicht eingebracht wäre, dann schafft dieser Gesetzentwurf aber eindeutig den Rahmen dafür, dass nichts geschehen wird. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.) Das steht da, ich will es jetzt nicht noch einmal vorlesen. (Ruf bei der FPÖ: Ist eh geschei­ter!)

Noch niemand ist auf einen Punkt eingegangen, der aber auch in diesem Gesetzent­wurf enthalten ist, nämlich die Strafdeckelung. Ich bin selbst Unternehmerin, und das nicht erst seit einem Jahr, sondern seit beinahe zwei Jahrzehnten, und ich sage: Diese Strafdeckelung entbehrt jeder Fairness! Wenn man eine Strafdeckelung in Höhe von 855 Euro einführt, nützt das nämlich den Großen. Es nützt den Großen, die ohnedies Personalabteilungen und Lohnverrechnungsabteilungen haben, denn einem Kleinun­ternehmen mit wenigen Mitarbeitern tut auch der Deckelbetrag von 855 Euro weh – und die werden dort hoffentlich gar nicht hinkommen.

Auch dazu möchte ich ein Beispiel bringen: Wenn ein Unternehmen 5 000 Mitarbeiter hat und bei einer Fluktuation von 10 Prozent 500 Mitarbeiter nicht zeitgerecht abmel­det, musste es bisher mit einer Strafe von 500 mal 100 Euro, also von 50 000 Euro, rechnen – jetzt sind es 855 Euro! Ich denke, es ist ganz klar, für wen diese Regelung geschaffen wurde, wir brauchen nicht noch einmal darüber zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß, dass die meisten jetzt wollen, dass endlich nicht mehr gesprochen wird. Nach 12 Stunden sind nämlich alle müde, und deshalb tue ich euch jetzt diesen Gefallen. (Bundesrat Rösch: Reden Sie nur, Frau Kollegin! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte aber abschließend noch einmal unterstreichen, dass all jene, die hier vorhin doch Bedenken zum Ausdruck gebracht haben, diese bei der Abstimmung im Kopf be­halten sollten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

21.07


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Sonja Zwazl zu Wort gemeldet. – Bitte.


21.07.50

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Dr. Elisabeth Schaffler von der Aufsichtsbehörde war gestern in der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und hat gesagt, die 50 Praktikanten werden aufgenommen und in der Gebietskranken­kasse im Rahmen eines Praktikums beschäftigt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravorufe bei der ÖVP.)

21.08


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrätin Mühlwerth: Ja!) – Bitte, Frau Bundes­rätin Mühlwerth.


21.08.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin Hartinger-Klein! Sehr geehrter Herr Präsident! (Ruf bei der FPÖ: Jetzt spielen wir das Spiel um­gekehrt! – Ruf bei der SPÖ: Kein Problem!) – Nein, Frau Kollegin von der SPÖ, diese Art der Obstruktionspolitik liegt uns nicht. Resümee des heutigen Tages: ganz schwa­che Argumente! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)


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Es gab sehr viele falsche Behauptungen, sehr viele Unwahrheiten und sehr viele Be­hauptungen (Ruf bei der SPÖ – in Richtung FPÖ-Bankreihen –: Da!), wo Sie das Gras wachsen hören und Dinge behaupten, von denen noch nicht einmal die Ministerin et­was weiß, wo Sie aber schon sagen, was nicht alles passieren wird! (Bundesrat We­ber: Das ist ihr Problem, wenn sie es nicht weiß!)

In Wirklichkeit ist bei Ihnen halt die Trauer groß, weil mit einem Umbau im Sozial­versicherungssystem natürlich viele der sogenannten selbstverwalteten SPÖler nicht mehr zum Zug kommen werden. Das tut Ihnen halt weh, und das verstehe ich in ei-
ner gewissen Weise ja auch. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)

Ich bin aber wirklich sehr erstaunt darüber, dass Kollegen aus dem Bundesrat plötzlich alles glauben, was in der Zeitung steht. Weil es in der Zeitung steht, stimmt das so – das ist jetzt so das neue Wahrheitsblatt für die SPÖ!

Das Gesetz ist es also nicht mehr, denn das lesen Sie ja offensichtlich nicht – sonst könnten Sie ja gar nicht zu jenen Schlussfolgerungen kommen, die Sie heute getroffen haben, sowohl beim Tagesordnungspunkt 2 als auch jetzt beim Tagesordnungspunkt 10. Ihre neue Informationsquelle ist also nicht eine Regierungsvorlage, sondern die Zei­tung, und wenn es da drinnen steht, wird es ja wohl stimmen. (Bundesrat Koller: Auf Seite 1 der „Krone“ ist es gestanden!)

Eines kann ich Ihnen aber heute am Ende des Tages mitgeben, Kollegen von der SPÖ: Dank Ihrer Aktionen heute haben nämlich die Parlamentsbediensteten hier mehr als 12 Stunden arbeiten müssen, und diese Parlamentsbediensteten können heute ihre Kinder nicht mehr sehen! (Ruf bei der SPÖ: Dann niedersetzen bitte!)

Diese Parlamentsbediensteten verbringen heute keinen gemütlichen Abend mit ihren Familien oder Freunden! Danke, SPÖ – sie werden sich bei Ihnen auch sehr dafür be­danken, dass Sie ihnen einen 14-Stunden-Arbeitstag ermöglicht haben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

21.11

21.11.37


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen vor, ge­gen den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu er­heben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erhe­ben, ist somit abgelehnt.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.


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Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“, das heißt kein Einspruch, oder „Nein“, Einspruch. Ich bitte um deutliche Stimmabgabe.

Ich ersuche nunmehr den Schriftführer um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Oberlehner geben die BundesrätInnen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche für die Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 21.16 Uhr unterbrochen und um 21.17 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Ausschussantrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz keinen Einspruch zu erheben, bei 58 abgegebenen Stimmen 36 „Ja“-Stimmen und 22 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Bader, Bernard, Brunner, Buchmann;

Ecker, Eder-Gitschthaler;

Forstner;

Gfrerer;

Hackl, Hammerl;

Köck, Krusche;

Längle;

Mayer, Mühlwerth;

Neurauter;

Oberlehner, Ofner;

Pfurtscheller, Pisec, Preineder;


BundesratStenographisches Protokoll883. Sitzung, 883. Sitzung des Bundesrates am 12. Juli 2018 / Seite 194

Raggl, Raml, Rösch;

Samt, Schulz, Schuster, Seeber, Spanring, Sperl, Steiner, Steiner-Wieser;

Tiefnig;

Wagner;

Zeidler-Beck, Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer;

Dziedzic;

Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kahofer, Koller;

Leitner, Lindinger, Lindner;

Novak;

Prischl;

Schabhüttl, Schennach, Schumann, Stögmüller;

Todt;

Wanner, Weber;

Zaggl.

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Es liegt ein Antrag der Bundesräte Rein­hard Todt, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Si­cherstellung der Gesundheitsversorgung in allen Regionen Österreichs“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.18.53Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Kinderrechte zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfen für jun­ge Erwachsene“ eine Frist bis zum 11. Oktober 2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stög­müller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Unterricht, Kunst


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und Kultur zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt von Integrationsklassen an Sonderschulen“ eine Frist bis zum 11. Oktober 2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

21.20.09Einlauf


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung die Anfragen 3555/J-BR/2018 bis 3561/J-BR/2018 eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 11. Oktober, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 9. Oktober, 14 Uhr, vorgesehen.

Allen ein gutes Heimkommen und einen schönen Abend!

Die Sitzung ist geschlossen.

21.20.54Schluss der Sitzung: 21.20 Uhr

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