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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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807. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Freitag, 13. April 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

807. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 13. April 2012

Dauer der Sitzung

Freitag, 13. April 2012: 9.03 – 20.08 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Ver­schwindenlassen

2. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Usbekistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Ur­kunden von der Beglaubigung

3. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Anti-Korruptionsakademie (IACA) über den Amtssitz der Internationalen Anti-Korruptions­akademie in Österreich

4. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2010 der Bundesregierung

5. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2012; Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bil­dungsdokumentationsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Privatschulgesetz und das Religionsunter­richtsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundestheaterorganisationsgesetz geändert wird

8. Punkt: Strategische Jahresplanung 2012 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der polnischen, dänischen und zypriotischen Präsidentschaften

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Bilanz­buchhaltungsgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Akkreditierungsgesetz 2012 erlassen wird und das Maß- und Eichgesetz und das Kesselgesetz geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird

12. Punkt: Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 2

13. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend EU Vorhaben Jahresvorschau 2012

14. Punkt: Abkommen über die Errichtung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens, unterzeichnet in Brüssel am 15. Dezember 1950 (Welt­zollorganisation), und die Änderung des Abkommens über die Errichtung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens

15. Punkt: EU-Jahresvorschau 2012 des Bundesministeriums für Finanzen

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 und
das Maklergesetz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2012 – VersRÄG 2012)

17. Punkt: Übereinkommen über Computerkriminalität

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Baurechtsge­setz, das Urkundenhinterlegungsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden (Grund­buchs-Novelle 2012 – GB-Nov 2012)

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsge­setz 1972 und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden

21. Punkt: Bundesgesetz über die Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises beim Verkauf und bei der In-Bestand-Gabe von Gebäuden und Nutzungsobjekten (Energie­ausweis-Vorlage-Gesetz 2012 – EAVG 2012)

22. Punkt: Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatspro­gramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes

*****

Inhalt

Bundesrat

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 27

Mag. Gerald Klug .......................................................................................................... 27

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung eines österreichischen Mitgliedes in den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ............... 31

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Aktuelle Stunde (13.)

Thema: „Wachstum und Innovation in Europa“ ...................................................... 10

Redner/Rednerinnen:

Günther Köberl ............................................................................................................. 10

Stefan Schennach ........................................................................................................ 13


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 3

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 15

Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger ................................................................  18, 28

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 22

Edgar Mayer .................................................................................................................. 24

Mag. Gerald Klug .......................................................................................................... 25

Peter Mitterer ................................................................................................................ 27

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union                                                              31, 32, 32

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 33

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Interna­tionales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlas­sen (1637 d.B. und 1690 d.B. sowie 8691/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 33

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 34

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Us­bekistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1671 d.B. und 1691 d.B. sowie 8692/BR d.B.)                     33

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 34

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Anti-Korruptionsaka­demie (IACA) über den Amtssitz der Internationalen Anti-Korruptionsakademie in Österreich (1672 d.B. und 1692 d.B. sowie 8693/BR d.B.)                33

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 34

Redner/Rednerinnen:

Günther Köberl ............................................................................................................. 35

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 37

Johann Ertl .................................................................................................................... 38

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 40

Martin Preineder ........................................................................................................... 42

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 43


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 43

4. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2010 der Bundesregierung (III-440-BR/2011 d.B. sowie 8694/BR d.B.) ................................................................................................................. 44

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch ...................................................................... 44

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 44

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 46

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 48

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 51

Günther Köberl ............................................................................................................. 52

Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger ....................................................................... 55

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-440-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 57

5. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2012; Bericht des Bundesministers für europäi­sche und internationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament (III-458-BR/2012 d.B. sowie 8695/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 58

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch ...................................................................... 58

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 58

Edgar Mayer .................................................................................................................. 60

Stefan Schennach ........................................................................................................ 62

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 66

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner ....................................................................... 67

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-458-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 72

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgen­land, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Privatschulgesetz und
das Religionsunterrichtsgesetz geändert werden (1631 d.B. und 1683 d.B. sowie 8703/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 72

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling .......................................................................... 72

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 73

Ana Blatnik .................................................................................................................... 76

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 77

Notburga Astleitner ..................................................................................................... 79

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 81

Christian Füller ............................................................................................................. 84

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................... 85

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 87


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 5

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundestheaterorganisationsgesetz geändert wird (1586 d.B. und 1721 d.B. sowie 8704/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 87

Berichterstatter: Johann Schweigkofler ...................................................................... 88

Redner/Rednerinnen:

Marco Schreuder .......................................................................................................... 88

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 89

Notburga Astleitner ..................................................................................................... 90

Franz Pirolt ................................................................................................................... 91

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 93

8. Punkt: Strategische Jahresplanung 2012 des Bundesministeriums für Unter­richt, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der polnischen, dänischen und zypriotischen Präsidentschaften (III-456-BR/2012 d.B. sowie 8705/BR d.B.)                       94

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling .......................................................................... 94

Redner/Rednerinnen:

Johann Schweigkofler ................................................................................................. 94

Franz Wenger ............................................................................................................... 96

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 98

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-456-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 99

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Bilanzbuchhal­tungsgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden (1870/A und 1713 d.B. sowie 8698/BR d.B.) .................................................... 99

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 99

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................. 100

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 101

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 102

Michael Lampel ........................................................................................................... 103

Peter Mitterer .............................................................................................................. 103

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 104

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 107

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Akkreditierungsgesetz 2012 erlassen wird und das Maß- und Eichgesetz und das Kesselgesetz geändert werden (1687 d.B. und 1712 d.B. sowie 8699/BR d.B.) .............................................. 107

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 107


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 6

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (1686 d.B. und 1714 d.B. sowie 8700/BR d.B.) .........              107

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 107

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend Freihan­delsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits (1635 d.B. und 1715 d.B. sowie 8701/BR d.B.) .................................................................................... 107

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 107

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ....................................................................................................  108, 115

Dr. Magnus Brunner, LL.M ........................................................................................ 109

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 110

Johann Kraml ............................................................................................................. 110

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 112

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................  113, 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............. 117

13. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend EU Vorhaben Jahresvorschau 2012 (III-450-BR/2012 d.B. sowie 8702/BR d.B.) ............................. 117

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................. 117

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 117

Friedrich Reisinger .................................................................................................... 120

Mag. Gerald Klug ........................................................................................................ 121

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 123

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-450-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 126

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend Ab­kommen über die Errichtung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Ge­biete des Zollwesens, unterzeichnet in Brüssel am 15. Dezember 1950 (Weltzoll­organisation), und die Änderung des Abkommens über die Errichtung eines Ra­tes für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (1653 d.B. und 1706 d.B. sowie 8696/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 126

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 126


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M ........................................................................................ 127

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 128

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 129

15. Punkt: EU-Jahresvorschau 2012 des Bundesministeriums für Finanzen (III-461-BR/2012 d.B. sowie 8697/BR d.B.) ............................................................................................................... 129

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 129

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................. 130

Edgar Mayer ................................................................................................................ 133

Mag. Gerald Klug ........................................................................................................ 135

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 136

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 138

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-461-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 142

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 und das Mak­lergesetz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2012 – VersRÄG 2012) (1632 d.B. und 1696 d.B. sowie 8706/BR d.B.)                          142

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 142

Redner/Rednerinnen:

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 142

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 143

Marco Schreuder ........................................................................................................ 143

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 145

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Überein­kommen über Computerkriminalität (1645 d.B. und 1697 d.B. sowie 8707/BR d.B.)                                 145

Berichterstatter: Christian Füller ............................................................................. ... 145

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................. 146

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................. 148

Marco Schreuder ...............................................................................................  149, 153

Michael Lampel ........................................................................................................... 151

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 151

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 3 B-VG die Ar­tikel 1 bis 22 und 35 bis 48 des gegenständlichen Staatsvertrages durch Erlas­sung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben .................................................... 155

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchs-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 8

umstellungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Baurechtsgesetz,
das Urkundenhinterlegungsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2012 – GB-Nov 2012) (1675 d.B. und 1698 d.B. sowie 8708/BR d.B.) .................................................................................... 156

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 156

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1676 d.B. und 1699 d.B. sowie 8689/BR d.B. und 8709/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 156

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 156

Redner/Rednerinnen:

Josef Saller ................................................................................................................. 156

Monika Kemperle ........................................................................................................ 157

Hermann Brückl ......................................................................................................... 158

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 161

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 161

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden (1677 d.B. und 1700 d.B. sowie 8690/BR d.B. und 8710/BR d.B.) .............................. 161

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 161

Redner/Rednerinnen:

Josef Saller ................................................................................................................. 161

Monika Kemperle ........................................................................................................ 162

Johann Ertl .................................................................................................................. 163

Marco Schreuder ........................................................................................................ 165

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 168

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz über die Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises beim Verkauf und bei der In-Bestand-Gabe von Gebäuden und Nutzungsobjekten (Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 – EAVG 2012) (1650 d.B. und 1701 d.B. sowie 8711/BR d.B.) ............................................................................................................... 168

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 168

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 169

Martin Preineder ......................................................................................................... 171

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 171

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 172

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................. 173

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 174


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 9

22. Punkt: Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmo­natsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes (III-451-BR/2012 d.B. sowie 8712/BR d.B.) .................... 174

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 174

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 175

Mag. Christian Jachs ................................................................................................. 176

Werner Stadler ............................................................................................................ 177

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 178

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-451-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 180

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend WKR-Ball, Umgang mit der rechtsradikalen Szene (2885/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „verschollene“ Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft (2886/J-BR/2012)

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend einseitige Beeinflussungsversuche der SPÖ bei Ermittlungen der Polizei im Zusammenhang mit dem Niederschlag des Albrecht Konecny am 27. Jänner 2012 (2887/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Georg Keuschnigg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausschreibung und Vergabe der digitalen Dividende (2664/AB-BR/2012 zu 2874/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brun­ner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Situation der Zollabfertigung an der österreichischen EU-Außengrenze zur Schweiz und Liechtenstein (2665/AB-BR/2012 zu 2877/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brun­ner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Situation der Zollabfertigung an der österreichischen EU-Außengrenze zur Schweiz und Liechtenstein (2666/AB-BR/2012 zu 2876/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend weltweite Staatsanleihen im Besitz österreichi­scher Banken (2667/AB-BR/2012 zu 2878/J-BR/2012)


 


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 10

09.02.38Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Gregor Hammerl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 807. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 806. Sitzung des Bundesrates vom 30. März 2012 sind aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gelten daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung sind die Mitglieder des Bundesrates Lugsteiner, Greiderer und Junker als verhindert gemeldet.

09.03.25Aktuelle Stunde

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Wachstum und Innovation in Europa“

mit dem Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vi­zekanzler Dr. Michael Spindelegger, den ich somit herzlich willkommen heiße. (Allge­meiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt ein Redner/eine Rednerin der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner/eine Rednerin der Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnah­me des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht über­schreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


9.04.31

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister und Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber auch geschätzte Zuseher und Zuseherinnen zu Hause an den Fernseh­geräten! „Wachstum und Innovation in Europa“, das ist das Thema der heutigen Ak­tuellen Stunde. „Österreich: Vorbild für ganz Europa“, diesen Slogan möchte ich ganz an den Anfang meiner Ausführungen stellen. Warum? – Österreich ist dabei, notwen­dige und nachhaltige Reformen umzusetzen. Unser Land steht heute besser da als vie­le Länder Europas, ja man könnte behaupten, als viele Länder der Welt.

Einige Fakten dazu: die höchste Lebensqualität. Wien gilt international als die lebens­werteste Stadt überhaupt. Die niedrigste Arbeitslosigkeit in Europa, überdurchschnitt­liches Wirtschaftswachstum. Dazu wurden Offensivmaßnahmen und Zukunftsinvesti­tionen im Ausmaß von 6,4 Milliarden € auf den Weg gebracht, damit Österreich auch in Zukunft vorne bleibt. Wenn unser Land auch in Zukunft seinen Platz an der Spitze behaupten will, dann muss es den wichtigsten Ressourcen des Landes einen großen Stellenwert zuordnen.

Was sind nun die wichtigsten Ressourcen unseres Landes?, werden sich einige fra­gen. Laut Daten der Weltbank besteht der Reichtum Österreichs zu 1 Prozent aus den natürlichen Ressourcen, Bodenschätzen und Ähnlichem, zu 15 Prozent aus Maschinen und Gebäuden und zu 84 Prozent, also zu einem sehr, sehr hohen Prozentsatz, aus Wissen, aus Know-how und aus Humankapital. Die Menschen sind es also, die mit


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ihrer Leistung die Grundlage Österreichs, den Wohlstand erwirtschaften. Obwohl Ös­terreich heute in vielen Bereichen weltweit Spitzenpositionen hält, dürfen wir bei der Wettbewerbsfähigkeit, vor allem aber auch bei der Bildung, Forschung und Innovation und auch besonders bei der Standortattraktivität und der staatlichen Bonität den An­schluss an die Spitze nicht verlieren.

Gerade was die staatliche Bonität betrifft, so zeigen die von uns getroffenen Be­schlüsse bereits Wirkung. Trotz des Verlusts des sogenannten Triple A-Ratings und auf Basis des Reformpakets stellen sich bereits erste Erfolge ein. So titelt die „Presse“ am 12. April im Economist-Teil: „Österreichische Zinsen auf Rekordtief“. Noch nie seit 1945 zahlte der Staat bei der Geldaufnahme so wenig an Zinsen. Konkret heißt das: für fünfjährige Staatsanleihen 1,73 Prozent, für zehnjährige Staatsanleihen 2,7 Pro­zent. Das bedeutet einen Zinsvorteil im dreistelligen Millionenbereich im Jahr.

Vielleicht, weil es heute aktuell dazu passt, von vielen angezweifelt und vage in Abrede gestellt: das Steuerabkommen mit der Schweiz, das heute über die Bühne gehen wird. Man hat gesagt, es wird nicht kommen, und jetzt freuen sich, glaube ich, doch alle, dass dieses Abkommen so rasch unterzeichnet werden kann.

Wie in jedem Unternehmen müssen wir uns aber im Staat auch folgende Fragen stel­len: Wie müssen wir uns mittelfristig positionieren, um in Zukunft weiter erfolgreich zu sein, an welchen Schrauben müssen wir drehen?

Auf deine Initiative, geschätzter Herr Vizekanzler, startet dazu im Mai das Projekt „Un­ternehmen Österreich 2025“, wo gemeinsam mit Experten Antworten auf die Fragen und Herausforderungen der Zukunft erarbeitet werden. Starke Wirtschaft heißt starke Klein- und Mittelbetriebe, das ist klar. Die besten Köpfe des Landes, Experten, Prak­tiker, Wissenschafter, werden eingeladen, einen innovativen Visionen- und Strategie­prozess zu starten. Ziel ist dabei eine weitere Stärkung der heimischen Klein- und Mittelbetriebe, also der wichtigsten Säule unserer Wirtschaft, denn darüber sind sich alle Experten und wohl auch in diesem Haus alle einig: Lebensqualität, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit hängen maßgeblich von einem starken, das heißt vor allem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort ab.

Für 2012 wird vom Wifo beziehungsweise vom IHS ein moderates Wirtschaftswachs­tum in Österreich erwartet. Eine Null vor dem Komma darf jedoch nicht das Ziel sein, auch wenn die Prognosen für Österreich besser sind als für viele Länder der Eurozone. Mehr Wachstum braucht mehr Investition! Für entsprechende Anreize und Rahmenbe­dingungen muss die Wirtschaft sorgen, zur Verbesserung der österreichischen Stand­ortattraktivität gilt nach wie vor die Devise „Erneuern, um zu wachsen“. Mit der enor­men Summe von 6,4 Milliarden € an Investitionen werden bis 2016 auch für die heimi­sche Wirtschaft Investitionsanreize geschaffen und die privaten Haushalte gestärkt.

Mit der Fortsetzung des Programms der thermischen Sanierung – rund 100 Millionen € sind dafür jährlich vorgesehen – wurde auch ein ökologischer Schwerpunkt gesetzt. Wie wir wissen, wurden in den vergangenen Jahren fast 20 000 Wohnungen und Häu­ser beziehungsweise fast 1 000 Betriebsgebäude thermisch saniert. Besonderes Au­genmerk soll in Zukunft auch auf den altersgerechten Wohnbau gelegt werden. Da soll es Förderungen für altersgerechte Sanierungen geben.

Wir wissen aber auch, wer in die Zukunft investieren will, der muss in Jugend und Bil­dung investieren. Für den Ausbau der Kinderbetreuung sind bis 2014 rund 55 Mil­lionen € an Investitionen vorgesehen. Damit sollen rund 20 000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden. Zirka 750 Millionen € fließen in die Neue Mittelschule beziehungs­weise in den Ausbau der Ganztagsbetreuung. Dazu kommt die Hochschulmilliarde, die zwischen 2013 und 2015 neue Finanzmittel für die Universitäten bringt und zu einer verbesserten Situation für die Studierenden und für die Hochschulen führen wird.


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Aber nun zur europäischen Dimension von Wachstum und Innovation. Im Vorwort zu „Europa 2020“, einer Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachs­tum, hält José Manuel Barroso fest:

Auf kurze Sicht ist es unsere wichtigste Aufgabe, die Krise erfolgreich zu überwinden. Wir werden zwar noch für einige Zeit durch schweres Fahrwasser steuern, aber es wird uns gelingen.

Um aber in Zukunft nachhaltig wirtschaften zu können, müssen wir über die kurzfris­tigen Aufgaben hinausdenken. Europa muss wieder auf Kurs kommen und dann auf dem richtigen Kurs bleiben. Wir müssen Vertrauen in unsere Fähigkeiten haben, uns ambitionierte Ziele setzen und uns dann aufmachen, diese Ziele zu verwirklichen. Es handelt sich um Ziele in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Innovation, Kli­maschutz und Energie, Bildung und – das ist auch wichtig – Armutsbekämpfung.

In „Europa 2020“ werden drei sich gegenseitig verstärkende Prioritäten vorgeschlagen: Erstens: intelligentes Wachstum, das heißt die Entwicklung einer auf Wissen und In­novation gestützten Wirtschaft. Zweitens: nachhaltiges Wachstum, das heißt die För­derung einer ressourcenschonenden, ökologischeren und wettbewerbsfähigeren Wirt­schaft. Drittens: integratives Wachstum, das heißt die Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und ausgeprägtem sozialem und territorialem Zusammenhalt.

Die EU muss festlegen, was sie bis 2020 erreichen will. Dazu schlägt die Kommission folgende EU-Kernziele vor: 75 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren sollen in Arbeit stehen. 3 Prozent des BIP der EU sollen für Forschung und Entwicklung aufgewendet werden. Und hier darf ich als Steirer nicht zu Unrecht mit Stolz sagen, dass die Steiermark bei 4 Prozent liegt und damit österreichweit führend ist. Die 20-20-20-Klimaschutz-/Energieziele sollen erreicht werden. Das heißt konkret: minus 20 Prozent CO2-Ausstoß, der Ausbau der erneuerbaren Energie auf 20 Prozent und 20 Prozent mehr Energieeffizienz. Der Anteil der Schulabbrecher soll auf unter 10 Prozent gesenkt werden, und mindestens 40 Prozent der jüngeren Generation sol­len einen Hochschulabschluss haben. Die Zahl der armutsgefährdeten Personen soll um 20 Millionen sinken; das ist eine enorme Zahl.

Mit der Schaffung eines europaweiten Wachstumsfonds aus EU-Geldern sollen vor al­lem Klein- und Mittelbetriebe zu noch mehr Investitionstätigkeit angeregt werden. Dazu hast du, geschätzter Herr Vizekanzler, ja schon vorbereitende Gespräche und Ver­handlungen mit führenden EU-Vertretern geführt. Die Zustimmung in der EU dazu wächst, dass wir klare Signale in Richtung Wachstum und Innovation zur Stärkung klei­nerer und mittlerer Unternehmen brauchen.

Die globalen Probleme nehmen zu, das wissen wir alle. Während Europa seine eige­nen strukturellen Schwächen in den Griff bekommen muss, entwickelt sich unsere Welt rasch weiter. Unsere Volkswirtschaften sind zunehmend miteinander verzahnt. Europa wird weiterhin davon profitieren, dass es zu den weltweit offensten Wirtschaftssys­temen gehört. Doch wird der Wettbewerb mit den sich weiterentwickelnden Schwel­lenländern täglich härter. Länder wie China und Indien investieren stark in Forschung und Technologie, um höherwertige Produkte herzustellen und an die Weltspitze vorzu­dringen.

Eines wird immer deutlicher: In einer globalisierten Welt gibt es kein Land, das seine Probleme im Alleingang lösen kann. Europa steht vor klaren, schwerwiegenden Ent­scheidungen. Stellen wir uns gemeinsam der Herausforderung des wirtschaftlichen Aufschwungs und auch der längerfristigen Probleme wie Globalisierung, Ressourcen­knappheit und Alterung, damit wir in Europa nicht nur die jüngsten Verluste ausglei­chen, unsere Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen und unsere Produktivität steigern können! Unser wichtigstes Ziel – und da sind wir uns hoffentlich einig – muss es sein,


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den Spitzenplatz Österreichs zu halten und den Menschen in unserem Land, vor allem der Jugend, eine gute Zukunft zu sichern. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.16


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


9.16.13

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Außenminister! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundes­rat hat immer eine große Nähe zu Gemeinden und zu Städten, deshalb darf ich auch ganz herzlich von dieser Stelle aus eine Gruppe von Gemeinderäten und -rätinnen aus Micheldorf in Oberösterreich begrüßen und hoffen, dass ihr direkte Eindrücke einer De­batte des Bundesrates mit nach Oberösterreich nehmt. (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Gespenst geht wieder einmal um in Europa, das Gespenst der Angst vor einer drohenden Rezession, das Gespenst der Angst vor einer drohenden Deflationsrate. Tatsache ist, dass verschiedene wichtige Akteure das Wort „Rezession“ auch in den Mund nehmen. Kommissionspräsident Barroso erwartet eine milde Rezession. Jean-Claude Juncker, Premierminister Luxemburgs, spricht von ei­ner technischen Rezession, die zu erwarten ist. Spannende Ökonomen und Ökono­minnen sprechen von einer Bilanzrezession. Was immer diese drei Begriffe vonein­ander trennt, das mag vielleicht wissenschaftlich sein, aber eines ist klar, das Wort „Rezession“ verändert sich zu keinem dieser Begriffe. Eine Rezession ist gefährlich, vor allem für den Arbeitsmarkt, aber auch für den Wohlstand einer Gesellschaft und nicht zuletzt für die Sicherung unseres Sozialstaates.

Und in diesem Zusammenhang bin ich froh darüber, dass es seit dem Beginn der Wirt­schaftskrise, der Finanzkrise in Österreich wieder ein echtes Sozialministerium gibt, wo es genau darum geht, in einer Krise auch aus dem Blick der Verteidigung eines Sozial­staates zu reagieren.

Das Thema dieser Aktuellen Stunde „Wachstum und Innovation“ ist die große Heraus­forderung, vor der wir stehen. Denn wenn wir eine überzogene europäische einseitige Ausrichtung der Budgetkonsolidierungspolitik haben, das heißt, wenn alle gleichzeitig rigide sparen – man nennt das Austeritätspolitik –, das heißt, wenn alle öffentlichen Haushalte zurückgefahren werden, dann ist das ebenfalls Gift, nämlich Gift für Wachs­tum und Gift für Innovation.

Denken wir auch daran, wenn heute schon Gemeinderäte und Gemeinderätinnen da sind, dass wir in Österreich alles daransetzen müssen, dort, wo wirkliche Innovationen geschehen, unmittelbar wirksam für die lokale Wirtschaft, für den lokalen Arbeitsmarkt, dass wir die Gemeinden und Städte Österreichs in der wirtschaftlich und budgetären Situation einer Innovationskraft halten müssen, damit nicht jene gefährlichen Spiralen eintreten.

Es ist völlig klar, dass wir die dynamischen Ausgabentrends brechen müssen, es ist auch klar, dass wir Staatsausgaben durchforsten müssen, aber Österreich – das hat auch mein Vorredner gesagt – steht nicht so schlecht da. Wir haben 200 Milliarden € öffentliche Schulden, denen 290 Milliarden € privates Sparvermögen gegenüberstehen. Österreich ist kein armes Land. Österreich ist gut aufgestellt.

Österreich ist gut aufgestellt, auch wenn wir, jetzt sage ich einmal, aus politisch-phi­losophischen Gründen – möglicherweise waren es mehr politische Gründe – ein „A“ verloren haben. Aber das soll uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Wohl­stand sehr ungleich verteilt ist. Bei den Sparguthaben in Österreich haben nämlich nur


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2 Prozent der Sparer ein Sparbuch über 50 000 €. Das zeigt, es gibt eine große Un­gleichheit in unserer Gesellschaft. Und wenn wir schauen und wenn wir zurückblicken, wer denn am meisten unter der Wirtschaftskrise gelitten hat, dann waren das nicht die großen Vermögenden, das waren die kleinen Gehalts- und Einkommenszahler, die da einen sehr großen Teil getragen haben.

Und die Bundesregierung hat mit dem Stabilitätspakt, auch wenn die Opposition das nicht so sieht, drei ganz wichtige Dinge gemacht.

Der populistische Druck lag darauf, was das Bausparen betrifft. Wenn wir eine Re­zession bekämpfen müssen, so müssen wir die Nachfrage – die öffentliche Nachfrage, aber auch die private Nachfrage – und die Investitionsbereitschaft des privaten Sektors stimulieren. Und deshalb macht es keinen Sinn – es gibt über 5 Millionen Bausparver­träge in Österreich –, das Bausparen zu fördern, wenn es jetzt darum geht, eine sol­che, ich bleibe bei dem Ausdruck, drohende Bilanzrezession – und die hat es ganz sel­ten gegeben, die hat es in Japan gegeben, die hat es in den USA in den dreißiger Jah­ren gegeben – zu bekämpfen. Deshalb war das eine kluge Entscheidung.

Es war weiters eine sozial kluge Entscheidung, nicht die Massensteuern zu erhöhen, weil dann wiederum die kleinen und mittleren Einkommen überproportional zur Bewälti­gung der Krise aufgerufen wären.

Und der nächste Schritt: Es war richtig, Investitionspakete in diesen Stabilitätspakt hi­neinzusetzen, die da heißen: investieren in Bildung, investieren in Forschung und in­vestieren in die wissenschaftliche Entwicklung.

Und: Gibt es ein einziges Land in Europa, das derzeit 750 Millionen € bewusst dafür ausgibt, ältere Menschen am Arbeitsmarkt zu halten? – Das gibt es nicht, und das ist eine Besonderheit Österreichs! Wir sind ein Staat, der, und da gebe ich meinem Vor­redner recht, in vielen Dingen eine Vorbildfunktion hat. Aber es ist so wie mit dem Flü­gelschlag des Schmetterlings: Wenn ein Schmetterling in Brasilien einen Flügelschlag macht, dann kann das auf der anderen Seite der Welt einen Tornado auslösen. Wir sind Europameister bei der Jugendarbeitslosigkeit. So niedrig wie in Österreich ist sie nirgendwo sonst in Europa. Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen, es kann uns nicht egal sein, wir sind eine gemeinsame Einheit: 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Spa­nien sind ein Horror! Es ist ein Horror, wenn jungen ausgebildeten Menschen nichts anderes übrig bleibt als die Arbeitslosigkeit.

Die Situation der jungen Menschen in Griechenland ist ein Horror! Wir sind eine Ein­heit! Wir sind keine Vereinigung von verschiedenen Zwergenrepubliken, die sich Euro­pa nennt, sondern wir haben hier in großer Solidarität gemeinsam eine Krise zu bewäl­tigen.

Auch betreffend die Arbeitslosigkeit ist Österreich generell bei den Zahlen sehr gut, aber auch da müssen wir in Europa gemeinsam solidarische Aktionen setzen. Und da ist es wichtig, dass bei den Mitteln des Struktur- und Kohäsionsfonds gerade die südli­chen Länder beziehungsweise jene, die nicht so im Zentrum sind, entsprechende Un­terstützung erhalten.

Die Vertiefung der Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union ist ein Muss, die Bändi­gung der Finanzmärkte ist ein Muss, und die Einführung der Finanztransaktionssteu­er – aber das sage ich hier ohnedies zu Menschen, die alle dafür sind, denn das ist ein nationales Ziel – ist ein Muss.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Der Nationalrat hat sich gestern einmal mehr mit Kor­ruption und Skandalen befasst; der Bundesrat hat sich gestern in einem EU-Ausschuss unter anderem ausführlich über die Harmonisierung und Verbesserung der Wertpapier­aufsicht in Europa unterhalten. Da geht es darum, dass wir eine neue Ethik in Europa


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brauchen, aber wir brauchen auch die Hereinholung der Verantwortung der Finanz­märkte. Und wir müssen eines verhindern: Wir müssen verhindern, dass es zu einer Liquiditätsklemme kommt, denn reine Geldpolitik, das hat sich gezeigt, ist unwirksam. Was wir brauchen, ist eine Verbindung: eine Verbindung von Fiskalpolitik und Geld­politik. Nur das kann tatsächlich dazu führen, dass auch klug investiert wird, dass wie­der investiert wird – dass zum Beispiel in thermische Sanierung investiert wird.

Thermische Sanierung bedeutet – wiederum an die Gemeinden gedacht – lokale Wirt­schaft, und thermische Sanierung bedeutet – denn das muss man mit den Händen ma­chen – Jobs. Und Jobs, Jobs, Jobs, das ist eines der wichtigen Dinge, das ist eine der ganz großen Herausforderungen.

Ein gemeinsames Europa, liebe Kollegen und Kolleginnen, kann nur wirklich funktio­nieren, und zwar auch in den Herzen der Menschen, wenn die soziale Dimension in Europa denselben Stellenwert hat wie die Freiheit der Wirtschaft und der Dienst­leistungen. Ohne soziale Standards in ganz Europa kann diese Akzeptanz und diese Solidarität, die jetzt notwendig ist, um zum Beispiel eine Rezession, um zum Beispiel eine Deflation abzuwehren, nicht gelingen. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

9.28


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt kommt die Erkennt­nis!)

 


9.28.05

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gleichfalls sehr geehrte Da­men und Herren an den Fernsehgeräten! Ja, die EU hat mit der 2020-Strategie natür­lich sehr hehre Ziele. – Ich merke jetzt schon, dass meine Vorredner und ich uns auf dieselben Zahlen konzentriert haben.

Ja, die Anhebung der Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen auf 75 Prozent ist ein hehres Ziel, ebenso wie die Verringerung der Schulabbrecherquote auf unter 10 Prozent, weil Schulabbrecher auch immer der Wirtschaft entgehen und auch selbst immer ein großes Problem haben, weil sie dann ja meistens ohne Arbeit sind.

Den Anteil der Uni-Absolventen oder vergleichbarer Bildungseinrichtungen auf mindes­tens 40 Prozent zu heben, ist aber zum Beispiel schon ein Thema, das zwar sehr ambitioniert ist, wozu ich aber immer sage, man kann auch darüber diskutieren, ob das wirklich so sein muss, denn Europa leidet an einem Fachkräftemangel – und das müs­sen nicht zwangsweise Uni-Absolventen sein.

Das ist etwas, was mich ja beim Bildungsthema generell stört: dass der Fokus aus­schließlich auf Matura und Universitätsabschluss liegt; dass der Lehrling und der Fach­arbeiter, der vorher eine Lehre absolviert hat, zwar immer in Sonntagsreden gelobt werden, sich das aber in der Realität leider nicht niederschlägt. – Also das wäre ein Punkt, über den man diskutieren kann.

Die Zahl der Armutsgefährdeten oder der in Armut Befindlichen auf unter 20 Millionen zu senken, ist ebenso ein hehres Ziel. Aber wie schaut jetzt die Wirklichkeit aus? – Im Februar gab es in der Euro-Zone 17 Millionen Arbeitslose. 17 Millionen in der Euro-Zone! Mit 10,8 Prozent Arbeitslosigkeit ist das der höchste Stand seit 15 Jahren. Ja, Österreich ist gut aufgestellt mit 4,2 Prozent, der Wert ist aber auch schon gestiegen und keinesfalls ein Grund, sich niederzusetzen und zu sagen: Wir sind gut und es kann nicht viel passieren. – Ebenso gut aufgestellt sind die Niederlande, Luxemburg und Deutschland.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 16

Wenn wir aber nach Süden schauen, sehen wir: Portugal mit 15 Prozent, Spanien mit 23,6, also fast 24 Prozent und Griechenland mit 21 Prozent Arbeitslosigkeit.

Und noch schlimmer ist – und da ist natürlich auch die soziale Dimension zu sehen – die Jugendarbeitslosigkeit, sprich: die Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen.

Da haben wir einen sensationellen Negativwert von über 50 Prozent in Spanien, von über 50 Prozent in Griechenland, in der gesamten Euro-Zone einen von fast 22 Pro­zent, in Italien einen von fast 32 Prozent, und Holland hat 9,4 Prozent. Österreich steht mit 8,3 Prozent gut da, aber auch das ist ein nicht so geringer Wert, denn man muss sich ja immer vorstellen, dass hinter den 8,3 Prozent in der Statistik Menschen stehen. Dahinter stehen Jugendliche, die keine Perspektive haben und die nicht das Gefühl ha­ben, dass es ihnen gelingt, morgen oder übermorgen einen entsprechenden Arbeits­platz zu bekommen.

Portugal hat ebenfalls 35 Prozent und auch die Slowakei hat 34 Prozent Jugendar­beitslosigkeit, weil, wie auch erst gestern oder vorgestern in der Zeitung zu lesen war, sich in der Slowakei der Wirtschaftsraum ausschließlich um Pressburg konzentriert. Im Osten des Landes haben die ihre Arbeitslosen, da ist von der Wirtschaftskraft, die Pressburg ausstrahlt, keinerlei Spur.

Das heißt, in absoluten Zahlen sind das in ganz Europa 5,5 Millionen Jugendliche, die keinen Job haben und die auch keine Aussichten haben, einen solchen in absehbarer Zeit zu bekommen. Was heißt also der schöne Titel der heutigen Aktuellen Stunde „Wachstum und Innovation in Europa“? – Von Wachstum ist hier keine Rede, auch nicht wirklich von Erneuerung – das bedeutet Innovation ja eigentlich.

Wir sind seit 2008 in einer veritablen Finanzkrise. Das spiegelt sich natürlich auch in den genannten Zahlen wider, aber, wie ich es schon bei der Sondersitzung zum Belas­tungspaket gesagt habe, ist das alles ja nicht nur auf die Finanzkrise zurückzuführen, sondern vieles davon ist auch hausgemacht – und das ist jetzt nicht nur die Meinung der Freiheitlichen, ich habe Ihnen das ja schon das letzte Mal gesagt, sondern auch der steirische Landeshauptmann Voves, SPÖ, hat das in seiner Rede hier im Bundes­rat ebenfalls so gesehen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

In der Zwischenzeit hat es in Europa Krisengipfel um Krisengipfel gegeben. Einer hat den anderen gejagt, ohne dass sich die Lage wirklich gebessert hätte. Und auch das viele Geld, das zuerst in den EFSF und jetzt in den ESM gepumpt wurde – wir sind jetzt bei 800 Milliarden €, die da drinnen sind! –, hat jetzt auch nicht die Rettung ge­bracht, von der man sich versprochen hat, dass sie helfen wird, zum Beispiel bei Grie­chenland. (Bundesrat Mag. Klug: Weiß das die Opposition schon wieder? Wie bei der Tobin-Steuer?)

Und auch wenn wir wissen, dass diese Gelder vor allem Haftungen sind – ein Teil da­von ist allerdings auch bar geflossen, auch wenn der Großteil Haftungen sind –, wissen wir nicht, ob diese nicht doch irgendwann einmal schlagend werden. Und ich muss im­mer wieder betonen, weil Sie das zu vergessen scheinen, dass das das Geld des Steu­erzahlers ist. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Wir haften mit Geld des Steuerzahlers. Das ist nicht das, was sich die Finanzminister der EU aus der Tasche gezogen haben und von dem sie gesagt haben: Wir legen das jetzt auf den Tisch und hinterlegen das quasi als Bankgarantie!, sondern wir reden im­mer vom Geld des Steuerzahlers. Das machen sich aber die Minister, vor allem die Fi­nanzminister, in der EU ja einfach so aus – es ist ja nicht so, dass das jetzt demokra­tisch legitimiert ist, weil das Parlament damit befasst ist, wenn man von der Bundes­republik absieht, sondern das wird da auf einem Gipfel ausgemacht und dann geht man nach Hause und sagt: Es ist einfach so und wir haften dafür.


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Und wohin hat jetzt das Rezept geführt, das mit viel Geld unterbuttert ist? – Der Fi­nanzmarkt ist nicht konsolidiert, die Finanztransaktionssteuer liegt in weiter Ferne, und vor allem stellt sich die Frage, wie sie kommt, weil die meisten Euro-Länder abgewun­ken haben und man nicht weiß, ob sie kommt und wenn ja, wie sie kommt und ob das dann überhaupt noch etwas bringt. Denn das erleben wir ja nicht zum ersten Mal, dass dann irgendein Kompromiss zustande kommt, der bei Weitem nicht das bringt, was er sollte. Und Sparen ist angesagt, insgesamt ... (Bundesrat Mag. Klug: Und was kommt jetzt zur Schweiz? Kommt zur Schweiz auch etwas? – Rufe bei der ÖVP: Schweiz!)

Das Schweizer Abkommen, weil das jetzt Ihr Einwurf ist, ... (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt bricht das ganze Kartenhaus zusammen!) – Nein, aber überhaupt nichts bricht zusammen! Erstens einmal kann man das Schweizer Abkommen sehr wohl kritisch hinterfragen, weil es ja überhaupt nicht einzusehen ist, dass der kleine Greißler seine Steuern zahlt, und dann gibt es die Steuersünder, und die kriegen dann zwischen 15 und 38 Prozent Steuerermäßigung. Das ist wirklich nichts, worauf Sie stolz sein dürfen! (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

Und zum Zweiten ist überhaupt nicht gesagt, ob diese Milliarde, die sich die Frau Fek­ter davon erhofft, auch tatsächlich in das Budget einfließen wird (Zwischenruf des Bun­desrates Mayer), also bleiben Sie am Boden! Es ist noch nicht aller Tage Abend! (Bundesrat Mag. Klug: So bricht das alles zusammen! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Dieses Abkommen ist noch nicht unterzeichnet. Wir wissen noch nicht, wie es wirklich ausschauen wird. (Bundesrat Mag. Klug: Ihr glaubt ja selber schon nicht mehr daran!)

Daher bleibe ich bei dem, was ich schon einmal gesagt habe: Im Moment ist es nur auf Vermutungen aufgebaut – aber die Hoffnung stirbt zuletzt. (Bundesrat Mag. Klug: Die Kritik auch! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sparen ist angesagt in der ganzen Euro-Zone, wobei Spanien ja einmal gar nicht so schlecht war– die waren Maastricht-mäßig ja gar nicht so schlecht unterwegs. Und auch jüngst erst, damit man sieht, was der Sparzwang bringt – da gebe ich ja dem Kol­legen Schennach durchaus recht –, muss man sagen: Die Spanier sind willens zu spa­ren – was man bei den Griechen nicht so ohne Weiteres sagen kann, denn die Grie­chen kaufen sich Flugzeuge, um die sie andere, finanzkräftigere Staaten beneiden wür­den. Also die Spanier sind willens zu sparen und trotzdem steigt ihr Defizit. Also man kann auch kaputtsparen, da muss man wirklich aufpassen. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, machen wir das? Sparen wir kaputt?)

Und bei einer so hohen Jugendarbeitslosigkeit ist auch die soziale Dimension nicht au­ßer Acht zu lassen. Denn überlegen Sie doch einmal: Was heißt denn das in der Reali­tät, dass die Hälfte aller Jugendlichen perspektivenlos ist? Ja, was glauben Sie, was die machen werden? – Die sitzen nicht daheim und bejammern und betrauern ihr Schicksal, sondern die werden sich irgendwann einmal auf die Füße stellen und wer­den sagen: Gebt uns Arbeit! – So ähnlich wie die Frau Innenministerin gesagt hat: Her mit dem Zaster!, werden die sagen: Her mit den Jobs!, und das wird leider nicht kon­fliktfrei abgehen. – Das heißt, hier gibt es einen Sprengsatz, einen veritablen sozialen Sprengsatz.

Ganz Europa, und das behaupte ich jetzt, hat kein wirkliches Rezept, und die Regie­rung hat auch kein wirkliches Rezept (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Mag. Klug), denn Sie nicken im Großen und Ganzen alles ab, was Ihnen Brüssel vorgibt. Die Schuldenbremse ist nicht aus eigener Intention entstanden. Die Schulden­bremse, wo es halt dann mit dem Verfassungsrang nicht geklappt hat, weil die Opposi­tion durchaus gute Gründe hatte, dem nicht zuzustimmen (Bundesrat Mag. Klug: Gu­te? Gute? Welche?! – Zwischenrufe bei der ÖVP), war einerseits diktiert aus Brüssel, andererseits durch die Ratingagenturen. (Bundesrat Kneifel: Sehr bedauerlich, dass die Opposition nicht mitgestimmt hat!)


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Und wenn Sie jetzt sagen, dass wir so wenig Zinsen zahlen, dann ist das zwar richtig, aber ich sage Ihnen auch: Das ist nicht, weil Österreich so gut ist, sondern das ist, weil die anderen so schlecht sind. Deswegen zahlen wir zurzeit so wenig Zinsen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Auch das Sparpaket ist nicht auf Ihrem eigenen Mist gewachsen, weil Sie gesagt hät­ten: Eigentlich sollten wir einmal sparen!, sondern auch da gab Brüssel vor, dass die Staaten zu zahlen haben, und dann haben Sie sich halt dazu bequemt, irgendwo an dieser Schraube zu drehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher sage ich Ihnen, der Titel der Aktuellen Stunde „Wachstum und Innovation in Eu­ropa“ ist zwar nett (Bundesrat Kneifel: Weil es stimmt! – Bundesrat Mag. Himmer: Kommt jetzt noch ein Vorschlag?) und ich verstehe das ja auch, dass vor allem die ÖVP, die eigene Partei, dem Minister ein gutes Thema geben will, mit dem er sich möglichst gut präsentieren kann, aber dank Ihrer Politik, aber auch der Politik von Brüssel, ist von Wachstum und Innovation in Europa nichts zu spüren. (Beifall bei der FPÖ.)

9.39


Präsident Gregor Hammerl: Meine Damen und Herren! Zu einer einleitenden Stel­lungnahme hat sich der Herr Bundesminister für europäische und internationale Ange­legenheiten Dr. Spindelegger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Rede­zeit soll 10 Minuten nicht unterschreiten. (Heiterkeit.) – Bitte.

 


9.39.33

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundes­räte! Meine Damen und Herren! „Wachstum und Innovation in Europa“, das ist nicht nur ein Thema, über das man philosophieren kann, mit dem man etwas vorstellen kann, sondern das ist ein ganz entscheidendes Thema, auch für die Psychologie in un­serem Land.

Wie wollen wir denn Arbeitslosigkeit bekämpfen? – Ja wohl nur dadurch, dass wir auch junge Unternehmen, dass wir Unternehmerpersönlichkeiten animieren, sich Investitio­nen zuzutrauen, um Arbeitsplätze zu schaffen und damit den Aufschwung in diesem Land nach vorne zu bringen. Darum ist das ein gutes und richtiges Thema, und ich bin dankbar, dass es heute im Bundesrat eine Aktuelle Stunde dazu gibt.

Wir haben, was Europa betrifft, in den letzten Monaten eine Fülle von Krisenmaßnah­men setzen müssen. Ich denke, dass diese ziemlich erfolgreich waren. Wir zahlen nicht deshalb wenig Zinsen, weil die anderen so schlecht sind, sondern weil Geldgeber sich trauen, gut investiertes Geld auch mit niedrigen Zinsen in Staaten wie Österreich fließen zu lassen. (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau! Ganz genau! Das ist der Punkt!) Das ist der Punkt, meine Damen und Herren, und nichts anderes. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber diese Krisenmaßnahmen, die innerhalb kürzester Zeit gesetzt wurden, haben auch dazu geführt, dass wir angesichts der Probleme, die wir in Europa haben, nämlich weil nicht alle 27 an einem Strang ziehen, zwei separate Wege bei den Rechtsmaterien haben beschreiten müssen – einen Fiskalpakt auf der einen Seite und einen Europäi­schen Stabilitätsmechanismus auf der anderen Seite. Und dass wir das innerhalb we­niger Monate in der Europäischen Union – nicht mit der Zustimmung aller, aber der meisten – durchgebracht haben, zeigt, dass man sehr wohl auf Krisen reagieren kann und die richtigen Maßnahmen setzt.

Wir haben auch sechs neue Rechtsvorschriften – die Sixpack-Regelungen – in der Eu­ropäischen Union geschaffen, die die wirtschaftspolitische Steuerung erleichtern. Das


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ist notwendig, wenn wir alle miteinander abhängig sind, in einem Binnenmarkt leben. Auch wenn wir davon abhängig sind, ob wir uns in Europa in Richtung Innovation nach vorne trauen und damit wettbewerbsfähiger werden, ist es notwendig, das wirtschafts­politisch gemeinsam zu steuern.

Ich glaube daher, dass es richtig ist, nach diesen Krisenmaßnahmen jetzt über Vor­wärtsstrategien zu diskutieren. Dazu möchte ich heute vier Punkte vorschlagen.

Erster Punkt: Es ist notwendig, dass wir uns überlegen, ob das Regelwerk auch nach dem Vertrag von Lissabon noch zeitgemäß ist. Darum beginnt eine Diskussion darü­ber: weil es verschiedene Konstruktionsmängel in diesen Vorschriften gibt. Wir müssen effizienter werden, schneller. Die Union wächst. Wir werden bald das 28. Mitglied, Kro­atien, begrüßen. Das bedeutet dann aber auch, dass wir schneller zu Entscheidungen kommen müssen. Wir können nicht in einer Union mit 28 Mitgliedstaaten – vielleicht werden es in einigen Jahren noch mehr sein – die gleichen Regeln anwenden wie bis­her. Da haben wir Konstruktionsmängel.

Wir haben auch solche, die die Raschheit der Verfahren betreffen. Auch dort müssen wir straffen, schneller werden. Gerade diese Krisen haben uns ja gezeigt, wie notwen­dig es ist, in der Europäischen Union rasch zu reagieren.

Wir werden auch neue Wege beschreiten müssen. Diese beiden neuen Verträge –Fis­kalpakt auf der einen Seite und ESM auf der anderen Seite – sind notwendig, um zu reagieren. Sie zeigen aber auch, dass man diesen Krisen mit neuen Instrumenten be­gegnen muss. Daher werde ich nächste Woche mit einigen meiner Außenministerkol­legen auf eine Initiative des deutschen Außenministers hin in Brüssel zusammentref­fen, damit wir uns über diesen nächsten Schritt einer Vertragsänderung in Europa Ge­danken machen. Wir werden diese Gruppe im Mai nach Wien einladen, damit wir auch in Österreich diesen Diskussionsprozess fortsetzen.

Zweiter Punkt – das wurde heute auch in der Debatte gesagt –: Ist es richtig, dass man spart, oder sollte man nicht nur investieren und die Sparzwänge de facto beiseiteschie­ben? – Meine Damen und Herren, man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen. Es ist notwendig, zu sparen, aber auch richtig zu investieren.

Wer glaubt, dass er den Sparkurs aufschieben kann, dass wir weiter Schulden in der Dimension machen können, wie das heute der Fall ist, ist völlig auf dem Holzweg, denn jedes Jahr, in dem wir nicht andere Maßnahmen setzen, schränkt unsere Bewegungs­fähigkeit ein. Man darf sich nicht einen Mühlstein um den Hals hängen, der so schwer wird, dass man nicht mehr schwimmen kann. Darum ist es richtig, dass wir auch in Ös­terreich ein Sanierungspaket in der Größenordnung von 27 Milliarden € aufgestellt ha­ben, das uns wieder auf gesunde Beine stellt.

Ich unterstreiche das und möchte auch bestätigen, dass wir uns in der Bundesregie­rung lange genug über die Detailmaßnahmen unterhalten haben, dass das aber ein Paket ist, um das uns andere – wie mein holländischer Kollege, wie der slowenische Kollege, wie die Außenministerin von Kroatien – nicht nur beneiden, sondern fragen, wie wir das gemacht haben, meine Damen und Herren. Das ist nämlich die Realität. Da brauchen wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Das haben wir gut ge­macht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Daher muss gespart, aber auch richtig investiert werden. Ansätze dazu sind in unse­rem Sanierungspaket enthalten – Universitätsmilliarde, die Frage der thermischen Sa­nierung, des altersgerechten Bauens; gerade in einer älter werdenden Gesellschaft ist das ein Zukunftsthema –, aber wir müssen natürlich auch auf europäischer Ebene In­novationsimpulse setzen. Um die geht es. Wir müssen nicht nur Wachstum kreieren, Wettbewerbsfähigkeit forcieren, sondern wir müssen natürlich auch für Beschäftigung in Europa sorgen. Das ist angesichts der heutigen Konkurrenz durch die sogenannten BRICS-Staaten nicht gerade einfach.


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Wer heute in diesen Ländern versucht, sich einen Überblick zu verschaffen, sieht ja, wie hungrig man dort danach ist, dass man in diesen Wettbewerb einsteigt, dass man ausländischen Aufträgen nachfragt, dass man versucht, Investitionen in diesen Län­dern zu kreieren – und dass das einen Erfolg zeitigt, der in China jetzt schon seit 20 Jahren ein Wirtschaftswachstum unglaublicher Art bewirkt. Damit zu konkurrenzie­ren ist nicht einfach.

Daher kann die Antwort nur in Innovation liegen, darin, dass wir gerade mit unserem Know-how besser sind, dass wir auf neue Energieträger, auf nachhaltiges Wachstum in Europa setzen. Das ist auch unsere Herausforderung. Daher brauchen wir das und werden uns in beiden Materien nach vorne bewegen: die Schulden eindämmen und herunterfahren, auf der anderen Seite richtig investieren, gerade in Innovation in Eu­ropa.

Dritter Punkt: Wachstumsstrategie – die gibt es in Europa mit der Strategie „Euro­pa 2020“. Es wurde schon darauf hingewiesen, und ich unterstreiche die Ziele, die dort festgehalten sind: krisenfeste Arbeitsplätze schaffen – das geht nur, indem wir neue Wege beschreiten, indem wir innovativ sind –; die Bedingungen für Forschung und Ent­wicklung verbessern – da gibt es in Österreich noch Aufholbedarf, aber auch in ganz Europa einen besonders großen.

Wir müssen uns einfach stärker auf diesen neuen Feldern bewegen, und da haben wir gerade mit unserem Verständnis des Umweltschutzes ganz andere Voraussetzungen als andere Ländern. Andere werden auch nicht ewig davon leben können, dass man Ölimporte von überall in der Welt zu horrenden Preisen als Zukunftsstrategie verwen­det, sondern wir werden alle auf nachhaltige Energieträger setzen müssen. Wenn wir da Vorreiter sind, wird uns das große Vorteile bringen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bun­desräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Die Energieziele müssen erreicht werden. Wir haben uns nicht nur dazu verpflichtet, 20 Prozent mehr an Energieeffizienz einzubringen, sondern auch, dass wir in Öster­reich statt der 20 Prozent aus erneuerbaren Energien, die man in Europa bis 2020 er­reichen will, 34 Prozent erreichen. Das ist ein hehres Ziel. Daher werden wir auch fort­setzen müssen, was wir mit dem Ökostromgesetz begonnen haben.

Wir werden das Bildungsniveau zu verbessern haben – darum ist es auch richtig, in Österreich die Universitätsmilliarde in die Tat umzusetzen –, und wir werden die sozia­le Eingliederung fördern müssen. Auch dieses Lebensmodell Europa ist eines, das durchaus große Chancen hat. Das möchte ich nicht kleinreden, ganz im Gegenteil: Auf diesen Traditionen und Werten müssen wir weiter aufbauen. Dazu brauchen wir aber Voraussetzungen, die wir durch entsprechende Programme schaffen müssen.

Vierter Punkt: Wir haben einen mehrjährigen Finanzrahmen, der Ende des Jahres in den Verhandlungen entschieden wird, der de facto die Politik in Europa von 2014 bis 2020 in ihren Grundzügen bestimmen wird. Ich glaube, dass wir dort auch Innovation brauchen, und zwar Innovation, indem wir ein neues Programm aufsetzen – nicht mit neuem Geld, sondern ein neues Programm mit der Idee, dass wir einen Schwerpunkt auf Wachstum setzen.

Wir haben das derzeit in vielen verschiedenen Programmen der Union, aber nicht ge­bündelt und nicht in einem Fonds zusammengefasst – und das ist ein Fehler. Ich habe das meinen europäischen Kollegen vorgeschlagen. Ich habe mittlerweile mit den Pre­mierministern von Italien und Spanien dazu Gespräche geführt. Ich habe das Barroso bei seinem Besuch in Wien mitgegeben.

Die Idee lautet folgendermaßen: Fördern wir doch aus einem Fonds – und zwar mit ei­ner ordentlichen Dotierung von vielen Milliarden Euro – kleinere und mittlere Unterneh­men, die innovativ sind. Warum? – Diese Innovation, die dort geschaffen werden kann,


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hat unmittelbare Auswirkungen auf die großen Ziele, die wir haben. Das, was ich vor­her beschrieben habe, kann nämlich nur verwirklicht werden, wenn es bei kleineren und mittleren Unternehmen diese Tatkraft und diese Bereitschaft zur Investition gibt.

Darum möchte ich, dass wir einen solchen neuen Fonds nicht nur schaffen, sondern dass wir ihn auch anders als die bisherigen aufsetzen, nämlich: dass wir nicht eine Wissenschaft daraus machen, aus einem solchen Fonds überhaupt Geldmittel zu schöpfen. Heute ist es bei vielen Programmen, die wir in der Europäischen Union ha­ben, dermaßen kompliziert, einen Antrag einzubringen, sich der ganzen Bürokratie zu unterwerfen, dass wenige sich dem überhaupt unterziehen. Das müssen wir auf ande­re Beine stellen.

Wir brauchen daher erstens eine viel einfachere Möglichkeit, solche Mittel zu beantra­gen, und wir brauchen mehr Mittel, um sie kleineren und mittleren Unternehmen zur Verfügung zu stellen – in Richtung Innovation. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Wir brauchen diese Unterstützung zum Zweiten auch dort, wo bei kleineren und mittle­ren Unternehmen die Erfindung an der Werkbank gemacht wird, aber das Geld dazu fehlt, das zu einem Produkt auf dem Weltmarkt zu machen. Wir kennen das von vielen Betriebsbesuchen – die ich auch mache –, wie schwierig das für Unternehmen in einer kleinen Größenordnung ist. Man macht eine gute Erfindung an der Werkbank, aber die Mittel dafür aufzubringen – auch durch Kredite, die für Unternehmen schwierig zu be­kommen sind –, dass man sie zu einem wirklich serienreifen Produkt macht, das ist eine außerordentliche Hürde. Und da muss ein Wachstumsfonds eingreifen. Dort brau­chen wir die Unterstützung – auch einer Europäischen Union –, weil das für die ganze Union ein sehr großer Vorteil sein kann.

Und zum Dritten: Ich will keine zusätzliche Bürokratie und auch keine neuen Mittel, sondern ich will die Mittel, die wir in der Europäischen Union haben, darauf konzen­trieren, dass wir diese Innovation an der Werkbank fördern und zu einem Erfolgsrezept für Europa machen.

Ich bin überzeugt davon, dass mit diesen vier Maßnahmen, die wir in der Europäischen Union jetzt aufsetzen, tatsächlich eine Möglichkeit gegeben ist, dass wir diesen Sprung in Richtung bessere Wettbewerbsfähigkeit, in Richtung mehr Wachstum in Europa schaffen. Aber das geht nur, wenn alle mitziehen, nicht nur die Mitgliedsländer. Auch die Diskussion in den nationalen Parlamenten muss wieder auf Zukunftsthemen fokus­siert werden und nicht nur auf Vergangenheitsbewältigung. Das sage ich ganz bewusst auch in diesem Haus, weil es nicht notwendig ist, dass wir selbst uns immer nur mit der Nabelschau beschäftigen.

Wir brauchen auch wieder Ideen für die Zukunft, Impulse, damit wir auch unsere Mit­bürger überzeugen, dass eine gute Zukunft möglich ist – und da bitte ich Sie, Ihren ent­sprechenden Beitrag zu leisten. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Zangerl.)

9.51


Präsident Gregor Hammerl: Meine Damen und Herren! Ich darf Frau Bundesrätin außer Dienst Herta Wimmler begrüßen. Sie ist mit einer großen Delegation aus der Steiermark zu uns gekommen. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Ak­tuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm. – Bitte.

 



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9.52.32

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte ZuhörerInnen aus der Steiermark, ein herzliches Willkommen! Auch an die Bürgermeister aus Oberösterreich ein herzliches Willkommen!

Das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde ist Wachstum und Innovation. Schauen wir uns diese Thematik etwas genauer an: Innerhalb des Euroraums gibt es große Pro­duktivitätsunterschiede. Diese entstehen durch Unterschiede des Klimas, der Frucht­barkeit des Bodens, der Verfügbarkeit von Süßwasser, der zu überwindenden Entfer­nungen, der natürlichen Hindernisse für den Transport, der Verfügbarkeit von Energie­quellen, des Ausbildungsstands der Erwerbstätigen sowie der heranwachsenden Ge­neration, welche europaweit – wie es Kollegin Mühlwerth schon angesprochen hat – im Schrumpfen begriffen ist.

Diese und weitere Faktoren bestimmen in einem hohen Maße den Erfolg oder den Misserfolg wirtschaftlicher Unternehmungen. Die bisherigen Wachstumsstrategien und Innovationskonzepte der EU haben die langfristigen Probleme wie Klimawandel und andere Umweltgefahren zumeist ausgeblendet. Durch die Zunahme der steigenden Ungleichheit in den eigenen Ländern und zwischen den EU-Ländern ist die Lage noch ernster geworden. In vielen EU-Ländern ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, die Löhne wurden gedrückt und die Armut gesteigert.

Welche Lösungsvorschläge haben die politisch Verantwortlichen erarbeitet? – Noch mehr sparen. Es braucht kein ExpertInnenwissen, um zu erkennen, dass diese angeb­lichen Lösungsvorschläge den Weg in die Rezession ebnen, dieser Weg ist vorpro­grammiert und zeichnet sich bereits ab. Kollege Schennach hat das auch schon skiz­ziert.

An dieser Stelle möchte ich auch einige Zahlen aus den unterschiedlichen EU-Ländern erwähnen. Spanien hat – wie es Kollegin Mühlwerth schon angesprochen hat – mittler­weile 24 Prozent Arbeitslosigkeit. Jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos. 1,6 Millionen Arbeitslose kriegen derzeit vom Staat keinen einzigen Cent. Etwa 1 Million Spanier können die Raten für ihre Wohnungskredite nicht mehr bezahlen. Voriges Jahr wurden deshalb täglich – täglich! – bis zu 170 Hausbesitzer von ihrer Bank vor die Tür gesetzt.

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit möchte der spanische Ministerpräsident Minijobs mit einem Lohn von 400 € im Monat einführen. Alle Ministerien wurden angehalten, 16,9 Prozent ihrer Budgets zu kürzen, die Förderungen für Museen, Theater und so weiter wurden auch zusammengestutzt

In Griechenland schaut es nicht sehr viel anders aus: Drei Mal wurden seit 2011 die Pensionen gekürzt, zuletzt um 30 Prozent. In manchen Städten sammeln die Bürger­meister mittlerweile Lebensmittelkonserven, um sie an die Hungernden zu verteilen. Der Mindestlohn, der vor der Krise 876 € betrug, liegt heute bei 586 €. Das Arbeitslo­sengeld sank von 461 € auf 322 € und wird nur mehr ein Jahr lang ausbezahlt. Bis 2015 möchte die Regierung 150 000 Beamte des Staatsapparates entlassen. In der Hauptstadt Athen leben heute – nach der Krise – um 20 Prozent mehr Obdachlose. Vor den zwei Krankenhäusern von „Ärzte ohne Grenzen“ in Athen, die eigentlich für il­legale Flüchtlinge gedacht waren und eröffnet wurden, stellen sich mittlerweile tagtäg­lich 1 500 Griechen an.

In Ungarn ist es zu Massenentlassungen von kritischen JournalistInnen gekommen, Gewerkschaften wurden weitgehend entmachtet, das Arbeitslosengeld wurde auf nur 90 Tage beschränkt – es gibt 270 € –, und der Kündigungsschutz wurde gelockert. Wer obdachlos ist, wird von Orbáns Regierung auch noch mit einer Strafe in der Höhe von 340 € „bedacht“. (Bundesrat Mag. Himmer: Deshalb machen wir ja jetzt was! Deshalb machen wir ja jetzt was! Das ist ja die Begründung!)


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Das geht so weiter. Wenn Sie, geschätzter Herr Vizekanzler, sagen, es brauche An­reize und Strategien, dann bin ich vollkommen bei Ihnen, und ich unterstütze diese Aussage. Wir müssen in nachhaltige Energieträger investieren, da bin ich vollkommen bei Ihnen. Nur, sehr geehrter Herr Minister, wenn ich mir dann die Realität anschaue, was das denn bedeutet: Österreich – unter Federführung der Bundesregierung und der OMV – investiert in und forciert massivst das Projekt Nabucco. Nabucco dient dazu, Gas ins Land zu importieren. Wir sind wieder abhängig. (Beifall des Bundesrates Schreuder sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Wenn wir diese Milliardenbeträge in unsere heimische Wirtschaft investieren würden, in Forschung und Lehre, in die Gemeinden, dass dort die bestehenden Gebäude sa­niert werden, dann würde das der regionalen Wertschöpfung zugutekommen. Die Wert­schöpfung bliebe im Land. Wir würden diese wahnsinnigen Systeme, die mit brutalsten Mitteln ihre eigenen Staatsbürger unterdrücken, nicht mehr unterstützen und so weiter. Es wäre eine Win-win-Situation.

Nur: Wenn Sie sich hier herstellen, sehr geehrter Herr Minister, und sagen, ja, wir sind für Nachhaltigkeit, und man dann aber, wenn man ein bisschen die Zusammenhänge erkennt, sieht, welches Programm die Bundesregierung fährt, dann ist das meines Er­achtens nicht besonders glaubwürdig.

Leider blinkt schon das Licht, es gäbe noch sehr, sehr viel zu sagen. Auch was den Bereich der Investitionen in Forschung und Lehre betrifft, bin ich vollkommen bei Ihnen: Wir müssen hier investieren. Die Frage ist aber: In was investieren wir? Und wenn ich mir ansehe, dass Millionen aus Österreich in die Forschung und Weiterentwicklung von Atomenergie fließen, dann ist das das Geld, das wir nicht in diese Forschung inves­tieren möchten. Wir möchten raus aus der Atomenergie und nicht Gelder, die für die Wissenschaft und Forschung vorgesehen sind, für diesen Bereich verwenden. Das ist nicht unser Weg. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Und zu guter Letzt – wie Sie das auch angesprochen haben, und das unterstreiche ich vollkommen –: sparen, wo es notwendig ist, und investieren, wo es sinnvoll ist. Wenn wir uns gesamteuropäisch – und auch in Österreich – anschauen, wo gespart wird, dann betrifft das leider Gottes immer die unteren Schichten, die ArbeitnehmerInnen, die Ar­beitslosen  (Beifall des Bundesrates Schreuder. – Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Klug und Mag. Himmer.)

Man sieht das an den nackten Zahlen. Europaweit haben wir 25 Millionen Arbeitslose. Sparen bei denen, die  (Bundesrat Mag. Himmer: Du weißt, dass das nicht stimmt!) Wieso soll das nicht stimmen, bitte?

Das, was ich zitiert habe, ist eine Zusammenfassung in der Zeitschrift „Falter“, die eu­ropäische Länder verglichen haben, wo Arbeitslosenzahlen erhoben wurden und so weiter. Also das sind keine Gerüchte und auch nicht etwas, was ich mir aus den Fin­gern gesogen habe, sondern das entspricht der Realität, auch wenn Sie es nicht hören möchten. Wir sind zwar im europäischen Vergleich  (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) – Das kritisiere ich ja. – Wir stehen europaweit sicher am besten da oder gut da (Beifall und Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer), aber dass wir so gut daste­hen, ist nicht das Verdienst der Politik, sondern der Leute, die tagtäglich hart arbeiten. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Mag. Himmer: Natürlich!)

Wenn wir diesen Weg fortsetzen, dann Servus Gott. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

10.01


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt kommt wieder Sachargumentation!)

 



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10.01.12

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Herta Wimmler! Schön, dass wir dich wieder einmal sehen bei uns im Bundesrat. Ich hoffe, du nimmst wichtige Impulse mit in die Steiermark. Bisher war es auf jeden Fall nicht so der Fall. Wenn man die Rede von Kollegen Dönmez gehört hat, dann muss man schon einiges relativieren. (Bundesrat Schreuder: Die war hervorragend, die Rede! Das war vollkommen richtig!)

Herr Kollege Schreuder! Ich meine, wenn wir das alles so unkommentiert stehen las­sen – es würde natürlich jetzt einer Redezeit von 20 Minuten bedürfen, angesichts des­sen, wie du das Ganze überzogen hast.

Wir wollen einfach einmal Folgendes festhalten – zum Schweizer Abkommen ein Satz. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Das ist völliger Blödsinn, Kollege Schreu­der! Eben, genau das ist es. Zuerst habt ihr geschrien (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!), dieses Abkommen wird nie kommen, ihr habt von einer Mogelpackung ge­sprochen. Und jetzt wird es umgesetzt. Es ist natürlich logisch, dass sich jetzt Blau und Grün grün und blau ärgern, weil das eben kommt. (Bundesrat Mag. Klug: Genau!) Ge­nau so schaut es aus. So schaut es aus. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Und was die Finanztransaktionssteuer anbelangt, da sind wir auch in Verhandlungen. Wir werden dann wieder mit euch sozusagen ins Gericht gehen und, wenn diese Steu­er kommt, sagen, dass wir das auch entsprechend umgesetzt haben. Dann gibt es na­türlich wieder etwas anderes zu kritisieren und andere Ausreden.

Frau Kollegin Mühlwerth! Kein einziger Satz heute über Konzepte der Freiheitlichen Partei, nur Kritik. Kein einziger Anhaltspunkt, was man anders machen könnte oder was man ändern könnte. Auf das blaue Wunder von euch warten wir wahrscheinlich noch viele Jahrzehnte, Frau Kollegin Mühlwerth. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bun­desräten der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Herr Kollege Dönmez, unser Land steht wirklich sensationell da. Wir haben in Europa ein besonderes Standing. Wir haben eine hohe Lebensqualität. Wir haben eine nied­rige Arbeitslosigkeit, die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU. Wir sind Europameister, was das anbelangt. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit, und das ist ein entscheidender Faktor und das kann man nicht oft genug wiederholen, denn da geht es um junge Menschen, die eine Perspektive haben. So wie es in Spanien oder in Griechenland ist, ist es natürlich desaströs. Das kann ich unterstreichen. Und auch deine Vorlesung aus dem „Falter“ kann ich irgendwie nachvollziehen. Das ist etwas, was uns tatsächlich große Sorgen macht.

Aber wenn wir das Revue passieren lassen, wie wir aus der Krise gekommen sind, und uns anschauen, wie Österreich dasteht, dann muss man sagen, wir müssen auch mit Europa solidarisch sein und müssen beim europäischen Finanzpakt mitmachen, beim Stabilitätspakt mitmachen, beim ESM mitmachen.

Frau Kollegin Mühlwerth, wenn Sie sagen, dass das das Geld des Steuerzahlers ist, dann meine ich, das ist eine „sensationelle“ Aussage. Welches Geld soll es denn sonst sein als das Geld des Steuerzahlers? Das ist ja logisch. (Bundesrätin Mühlwerth: , wie wenn es euer eigenes Geld wäre!) – Ja, ja, genau, unser eigenes Geld, das Geld der ÖVP wahrscheinlich, das wir hier auf den Tisch legen, um den ESM zu dotieren. Das ist eine Farce, Frau Kollegin. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth.) Darüber kann man überhaupt nicht diskutieren.

Wir, unser kleines Österreich, wollen unser Know-how, das wir in besonderer Art und Weise aufgebaut haben, auch nach Europa exportieren, was Wachstum und Beschäf­tigung anbelangt. Die EU ist einfach auch in der Situation, dass sie von diesem kleinen


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Österreich auch lernen kann. Das ist ein ganz wichtiger und springender Punkt bei der derzeitigen Wirtschaftslage. Ich sehe das nicht so dramatisch wie Kollege Schennach, was die Rezessionssituation anbelangt, sondern wir müssen auch schauen, dass wir die Arbeitslosigkeit senken, und darauf achten, was die Bevölkerung macht.

Die Alterung der Bevölkerung ist ein wichtiges Thema, ebenso zunehmende globale Konkurrenz und rascher technologischer Wandel. Das sind alles Themen, die man an­gehen muss. Dies ist in dieser Wachstumsstrategie 2020 auch mit beinhaltet.

Wenn unser Vizekanzler in seiner bescheidenen Art vom Wachstumsfonds gesprochen hat – es ist eine Idee von ihm, klein- und mittelständische Unternehmen in Europa zu supporten –, dann ist dies ein ganz wichtiger Punkt. Hier sind in etwa 60 Milliarden in diversen Fonds, die man heranziehen könnte. Mit diesem Geld setzen wir einfach wichtige Impulse in Richtung Wachstum und Beschäftigung. Das heißt, Österreich und der österreichische Außenminister blicken hier über den Tellerrand hinaus, weil eben Europa auch diese Impulse braucht. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Mühlwerth, wenn Sie ansprechen, dass wir einen Fachkräftemangel ha­ben, dann muss ich sagen, das stimmt, ja, wir haben einen Fachkräftemangel in Euro­pa. Hier gibt es aus Österreich den Impuls, dass wir unser duales Lehrlingsausbil­dungssystem exportieren. Das wird in Europa als Best-Practice-Beispiel gesehen. Die­ses Best-Practice-Beispiel haben wir letztes Mal im Rahmen des Sozialberichts diskutiert. Das wird von Europa übernommen. Ein sensationelles Projekt, das in ausge­zeichneter Manier von unseren Unternehmungen, insbesondere auch von KMUs ent­sprechend gefördert wird. Die duale Ausbildung ist ein Zukunftsprojekt für Europa. Das exportieren wir auch sehr gerne. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ein Satz darüber hinaus, was die Situation in Kroatien anlangt. Der Herr Minister hat das angesprochen, Österreich hat den Beitritt von Kroatien in besonderer Art und Wei­se unterstützt. Österreich ist auch im Westbalkan sehr aktiv, weil wir diese Länder als unsere Nachbarländer auch historisch gesehen sozusagen mit unter die Fittiche ge­nommen haben. Kroatien ist uns auch sehr dankbar dafür, dass dies funktionieren wird, und wird nächstes Jahr im Juli der EU beitreten. Auch die anderen Länder am Westbalkan wie zum Beispiel Bosnien-Herzegowina oder Serbien – der Staatssekretär war gerade in Serbien – werden von uns unterstützt. Das sind auch Wachstumsmärkte für österreichische Firmen, wo Österreich weitere Möglichkeiten für Wachstum findet. Da sind wir auch sehr unterstützend unterwegs.

Abschließend: Österreich bemüht sich um Innovation und Wachstum in Europa und für Europa. Diese Wachstums- und Innovationspolitik im Bereich des Außenministeriums wird von einem sehr umsichtigen Außenminister, unserem Vizekanzler Michael Spin­delegger getragen. Ich bedanke mich dafür. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.08


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile es ihm.

 


10.08.28

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe gerne zu, dass ich jetzt etwas überrascht bin. Aber zum Thema unserer Aktuellen Stunde habe ich mich deshalb doch noch zu Wort gemeldet, weil natürlich das Thema Wachstum und Innovation in Europa an sich ein sehr breit angelegtes Thema ist und man geneigt ist, auch leicht philosophische Ansätze in die politische Debatte einzubringen.

Ob wir in Europa tatsächlich zwangsläufig von einem nachhaltigen und immerwähren­den Wachstum ausgehen können und ausgehen sollten, darüber streiten sich nicht nur


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die Expertinnen und Experten, sondern das würde wohl auch unsere heutige Aktuelle Stunde überfordern, weil wir uns natürlich über sehr viele wirtschaftspolitische Grund­satzfragen der Europäischen Union im engeren Sinn gegenüber dem Weltmarkt letzt­lich unterhalten müssen. Da sind wohl noch viele Fragen offen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir aber bei dieser Gelegenheit, doch auf das eine oder andere zu replizieren im Zusammenhang mit dem Wachstum und damit, welche Maßnahmen und Beiträge ein kleines, aber doch sehr engagiertes Mit­gliedsland wie Österreich in der Europäischen Union leistet.

Wenn von der Opposition in diesem Zusammenhang kritisiert wird, dass es hier zu Kaputtsparen und ähnlichen Maßnahmen kommt, dann, liebe Kolleginnen und Kolle­gen, muss ich sagen, wir haben bei unserer Sondersitzung zum Stabilitätspaket diese Vergleichsfragen schon angesprochen. Jawohl, es gibt europäische Länder, die mit der Frage der Konsolidierung des öffentlichen Haushaltes ganz anders umgehen als Öster­reich. Jawohl, es ist richtig, dass einzelne Mitgliedstaaten Maßnahmen setzen – Spa­nien, Portugal, Griechenland –, die letztlich dazu führen, dass der Sozialstaat zurück­gebaut wird, dass Leistungen zurückgenommen werden und dass definitive Wachs­tumsbremsen eingebaut werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da uns der Vergleich sicher macht und wir in einer Sondersitzung inklusive einem Expertenhearing festgestellt haben, dass es der öster­reichischen Bundesregierung und den beiden Koalitionsparteien in einem 27-Mil­liarden-Konsolidierungspaket gelingt, einerseits Sparmaßnahmen und andererseits Wachstumsinitiativen zu setzen, die nach Meinung der Expertinnen und Experten für den gesamten Zeitraum 0,15 Prozentpunkte wachstumshemmend sind – 0,15 Prozent­punkte bei 27 Milliarden € Stabilisierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen! –, muss ich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, in diesem Zusammen­hang von Kaputtsparen zu reden ist wirklich schizophren. Das tut mir wirklich leid. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

Da es Kollege Mayer angesprochen hat, kann ich mich darauf beschränken, die we­sentlichen Eckpunkte noch einmal in den Vordergrund zu stellen. Ja, wir sind auch schockiert, welche Maßnahmen und Entwicklungen es auf den Arbeitsmärkten der ein­zelnen Mitgliedstaaten gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 4,2 Prozentpunkte Arbeitslosigkeit in Österreich, 8,2 Prozentpunkte Jugendarbeitslosigkeit, Rekordbeschäftigung und Maßnahmen zur Hebung der Beschäftigung und der Ausbildung von jungen Menschen in Österreich – auch wenn jeder Arbeitslose in Österreich einer zu viel ist, muss ich sagen, vor diesem Hintergrund und mit diesen Zahlen können wir alle sehr entspannt in Österreich leben.

Ein letzter Punkt, auf den ich doch noch aufmerksam mache, denn das ist ja de facto, Hand aufs Herz, Kolleginnen und Kollegen, der wahre Hintergrund: Die Opposition ver­sucht verständlicherweise Maßnahmen der Regierungsparteien zu kritisieren und in ein schlechtes Licht zu rücken – vor dem Hintergrund, dass wir jetzt April 2012 haben und aller Voraussicht nach, wenn sich alles plangemäß entwickelt, im Herbst 2013 wählen werden.

Hand aufs Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei einem 27-Milliarden-€-Paket habt ihr euch hier hergestellt und gesagt: Das hält alles nicht! Sehenden Auges beschließt ihr Dinge, die eine Mogelpackung sind. Eine Finanztransaktionssteuer wollen der Bun­deskanzler und die Bundesregierung, und eigentlich haben wir einen Fünf-Parteien-An­trag beschlossen, aber das wird auch alles nicht so werden, und die Abgeltungssteuer aus der Schweiz wird auch nicht kommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Eingestellt haben wir es für 2013. Da wir ja alle wissen, dass das Jahr 2013 wie alle anderen Jahre auch bis Dezember geht, fliegt jetzt die zuständige Ressortministerin


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schon in die Schweiz und wird heute die maßgeblichen Eckpunkte fixieren. Damit sage ich noch nicht, es ist abgeschlossen, aber klar ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, vie­les von der Kritik der Opposition bricht wieder einmal wie ein Kartenhaus zusammen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.14

*****

 


Präsident Gregor Hammerl: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.14.10

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Gerade die Regierungsparteien und die SPÖ im Besonderen, die sonst immer so übersensibel bei jedem von uns verwendeten Wort reagieren, ver­wenden das Wort „schizophren“ im Zusammenhang mit einer Debatte. Dafür verlange ich einen Ordnungsruf, denn Schizophrenie ist ein Krankheitsbild. Widersprüche oder vermeintliche Widersprüche in einer Rede aufzuzeigen, ist in Ordnung, aber schizo­phren ist krank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsident Gregor Hammerl: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


10.14.44

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Frak­tionsvorsitzende Mühlwerth! Da es immer wieder vorkommt, dass einem in einer hitzi­gen Debatte das eine oder andere Wort, das einem auf der Zunge liegt, nicht sofort über die Lippe kommen will, habe ich überhaupt kein Problem damit, verstehe natürlich diesen Einwand und ziehe diesen Ausdruck mit Bedauern zurück. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

10.15


Präsident Gregor Hammerl: Somit ist das, glaube ich, erledigt.

*****

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


10.15.19

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wachstum und Innovation in Europa – „Europa 2020“ wurde vom Herrn Vizekanzler schon angesprochen. Es wurde also ein Strategiepapier erarbeitet, das aber unserer Meinung nach größtenteils aus Fragen, Festschreibungen, vielen Floskeln und leeren Worthülsen besteht. Konkreter wird die Europäische Union bei einer so epochalen Angelegenheit wie dem Verbot des Namens „Krainerwürstl“ außerhalb von Slowenien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach so viel Lob durch die Bundesräte der Koalition und den Herrn Vizekanzler muss es auch die Möglichkeit zur Kritik geben, und ich möchte Ihnen darstellen, wo wir Freiheitliche glauben, dass die Europäische Union teilweise auf dem falschen Weg ist. Ich möchte nur vier kleine Beispiele dafür bringen.

Mit „Europa 2020“ soll eine „nachhaltige, inklusive soziale Marktwirtschaft“ ermöglicht werden. Dabei werden drei Prioritäten gesetzt:


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intelligentes Wachstum, das heißt Entwicklung einer auf Wissen und Innovation grün­denden Wirtschaft,

nachhaltiges Wachstum, das heißt Förderung einer emissionsarmen, ressourcenscho­nenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft, und

integratives Wachstum, das heißt Förderung einer Wirtschaft mit hohem Beschäfti­gungsniveau sowie sozialem und territorialem Zusammenhalt.

Allein die Fokussierung auf die „green economy“ wird nicht reichen, um die Wettbe­werbsfähigkeit des Produktionsstandorts Europa zu sichern. Es kommt daher unwei­gerlich – und das ist heute von einigen Rednern bereits betont worden – zu einem be­schleunigten Verdrängungswettbewerb. Die EU darf dem bestehenden Verdrängungs­wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt nicht neuen Vorschub leisten. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Europäische Wirtschaftsregierung – Finanzkuratel à la Griechen­land? Wenn die EU-2020-Strategie Erfolg haben soll, müssen die Mitglieder ihre öffent­lichen Finanzen unter Kontrolle bekommen. Spätestens bei Floskeln wie der „Notwen­digkeit, die Nachfrage in der EU auszugleichen,“ sollten jedoch die Alarmglocken läu­ten. Wenn wirtschaftlich erfolgreiche Länder, wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland, die als Exportnation erfolgreich ist und von der Nachfrage anderer Län­der profitiert, leise kritisiert werden, spätestens dann sollte jedem klar sein, wohin die Reise geht. Da steht einmal mehr unter dem Deckmantel der „Solidarität“ ein Abbau nationaler Kompetenzen und Rechte im Raum.

Der dritte Punkt: Es kommt zu einer Aushöhlung der nationalstaatlichen Restsouve­ränität. Anstatt den Zentralismus weiter auszubauen, sollte es endlich zu Renationa­lisierungen kommen, etwa im Bereich des Förderwesens. Das ist auch von vielen in diesem Raume, auch von Koalitionsabgeordneten zu hören gewesen.

Der letzte Punkt: Wir steuern einer „Planwirtschaft neu“ zu, denn sinnvoll kann eine eu­ropäische Wirtschaftsstrategie nur sein, die realistische Zielvorgaben beinhaltet. An einigen Stellen jedoch bewegt sich das Strategiepapier gefährlich nahe an planwirt­schaftlichen Ansätzen.

Diese kritischen Feststellungen sollen aufzeigen, dass das Friedensprojekt Europa, aus dem auch Österreich seine Vorteile zieht, auch viele Schwächen und Fehlentwick­lungen zeigt. Diesen müssen wir als Oppositionspartei kritisch begegnen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.19


Präsident Gregor Hammerl: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für europäische und internationale Angelegen­heiten zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


10.20.10

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf nun noch auf einige Bemerkungen eingehen, die im Rahmen dieser Debatte gefallen sind.

Zunächst darf ich eines noch einmal global festhalten, einige Redner haben das ja an­gesprochen: Die Richtung „Sparen führt zu einer Rezession“ ist nur ein Teil der Wahr­heit, der zweite Teil der Wahrheit muss dazugesagt werden, nämlich „Schuldenmachen führt zum Schicksal von Griechenland“, und das möchte ich Österreich ersparen. Da­her ist es absolut notwendig, dass man ein Konsolidierungspaket, wie wir es in Öster­reich geschnürt haben, in allen Ländern der Europäischen Union macht, denn sonst haben wir auch mit dem Finanzausgleich, den es in Europa gibt, ein größeres Problem.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 29

Daher kann man das so isoliert nicht stehen lassen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Das Zweite: Herr Bundesrat Dönmez hat auf das Nabucco-Projekt hingewiesen. Auch das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Auch wenn wir uns hier in Österreich zum Ziel gesetzt haben, besser zu sein als die Europäische Union mit dem „Ziel 2020“, nämlich bis 2020 in Österreich den Anteil bei erneuerbaren Energien auf 34 Prozent zu stei­gern, bleiben immer noch zwei Drittel Restbedarf, die nicht aus erneuerbaren Energien kommen.

Jetzt frage ich Sie: Wenn das schon ein sehr ambitioniertes Ziel ist, was uns alle sagen, wie wollen Sie denn dann die zwei Drittel Restbedarf an Energie decken, wenn es dann nur von einem Anbieter, nämlich von Russland, Gaslieferungen nach Öster­reich gibt? Meine Damen und Herren, in die völlige Abhängigkeit Russlands möchte ich mich als Österreich nicht begeben! Deshalb ist es richtig, dass wir auch das Nabucco-Projekt forcieren. Selbstverständlich! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zum Dritten: Gespart werde nur bei den Kleinen. – Meine Damen und Herren! Wir ha­ben uns in den 10 Wochen unserer Verhandlungen auf Maßnahmen geeinigt, die je­dem etwas abverlangen, und wir haben sorgsam darauf geachtet, dass es nicht nur einen Teil der Bevölkerung trifft. Ganz egal, wo man ist – ich bin jetzt in ganz Öster­reich unterwegs in Bezug auf das Konsolidierungspaket –, bei den betroffenen Grup­pen gibt es immer ein Geschrei. Selbstverständlich!

Wenn ich beim Wirtschaftsbund bin, dann heißt es: Ihr habt eine Solidarabgabe ein­geführt, schrecklich! Wenn ich bei den Pensionisten bin, sagt man: Ihr habt die Pen­sionserhöhungen für zwei Jahre nicht im Ausmaß der Inflationsrate gegeben! Und bei den Bauern heißt es: Wir haben soundso viel und mehr beigetragen als alle anderen! Und, und, und.

Das ist eine relativ gleichmäßige Aufteilung. Herr Kollege Dönmez, wenn der „Falter“ Ihre Bibel ist, okay, das muss ich zur Kenntnis nehmen. Ich habe eine andere, und die heißt, dass man alle gleichmäßig zu einem Beitrag für Österreich bitten muss. Das ist, glaube ich, gewährleistet. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Boden und Mag. Klug.)

Ich darf noch auf zwei Bemerkungen eingehen, die Herr Bundesrat Mitterer gemacht hat. – Geteilte Zuständigkeiten sind auch der Grund dafür, dass es auch in einer „Stra­tegie 2020“ in der Europäischen Union eben auch allgemeine Floskeln gibt. Da haben Sie völlig recht.

Man kann aber doch nicht auf der anderen Seite verlangen, dass wir jetzt alle unsere Zuständigkeiten an eine Gemeinschaft abgeben, sondern wir sind gemeinsam dafür zuständig, das zu verwirklichen, was wir uns gemeinsam ausgemacht haben. Das ist ja der eigentliche Inhalt dessen, dass man eine Strategie europäisch und national um­setzt. Dazu gibt es ja auch die nationalen Aktionsprogramme. Auch wir haben eines gestaltet, wie wir diese Ziele umzusetzen versuchen.

Wir haben ein Ökostromgesetz gemacht, damit wir bis 2020 auf den Anteil von 34 Pro­zent erneuerbarer Energie kommen. Und wir machen unsere Programme, damit wir eben auch Beschäftigung in Österreich gewährleisten. Und ich will nicht die Sozialpoli­tik an Brüssel abgeben, um das ganz klar zu sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn wir eine neue Aufteilung von Kompetenzen diskutieren, dann muss es in beide Richtungen gehen. Da haben Sie völlig recht! Da kann man auch etwas wieder auf nationalstaatliche Ebene zurückbringen – selbstverständlich! –, aber diese Diskussion beginnen wir jetzt erst. Und klar ist schon, dass Nationalstaaten – auch Österreich – in


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 30

der Zukunft einen Spielraum brauchen, aber dass man gemeinsame Strategien fahren muss.

Letzte Bemerkung. – Sie haben auch davon gesprochen, dass man Finanzen in den Griff bekommen muss. Da stimme ich Ihnen völlig zu. Ich glaube, die Herausforderung liegt jetzt nicht mehr bei uns, denn wir haben unseren Teil geleistet, sondern die He­rausforderung liegt jetzt bei allen anderen Staaten in der Euro-Zone, nämlich ihre Fi­nanzen so in den Griff zu bekommen, dass die europäische Währung nicht nur stabil bleibt, sondern dass wir auch einen Vorteil in der Richtung einer Leitwährung für einen großen Teil im Wirtschaftssystem der Welt haben.

Das ist möglich! Wir sehen ja, dass mittlerweile wieder viele Vertrauen in den Euro ha­ben. Das gehört genährt und fortgesetzt, damit wir, weil das eine wesentliche Voraus­setzung ist, die Wachstums- und Innovationsstrategie für die Zukunft erfolgreich gestal­ten können.

Das ist aus meiner Sicht die größte Herausforderung, vor der wir stehen, der wir uns widmen müssen. Wir haben dafür als Österreich eine gute Grundlage und gute Pläne für die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.24


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Bundesminister.

Herr Bundesminister, ich möchte mich auch persönlich bedanken für deine Unterstüt­zung für die Europa-Konferenz zu Kroatien in Graz am 9. Mai. Ich möchte festhalten, dass der Bundesrat fast vollzählig mit dabei ist. Und ein großes Danke an dich persön­lich, du bist ja auch mit dabei als Außenminister.

Meine Damen und Herren! Das ist eine große Veranstaltung, ich glaube, fast die größ­te in den letzten 20 Jahren bei uns in der Steiermark.

Nochmals danke für deine Mithilfe, Herr Vizekanzler! (Allgemeiner Beifall.)

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.25.32Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Gregor Hammerl: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteil­ten Anfragebeantwortungen 2664/AB-BR/2012 bis 2667/AB-BR/2012 beziehungsweise jenes

Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG betreffend die Nomi­nierung von Dr. Ferdinand Maier als österreichisches Mitglied im Wirtschafts- und So­zialausschuss sowie der

Mitteilungen des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer von 11. bis 13. Ap­ril 2012 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates und den

Aufenthalt des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töch­terle am 12. und 13. April 2012 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates bei gleichzeitiger Wahrnehmung seiner Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Artikel 73 Abs. 3 B-VG durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 31

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                  „Bundeskanzleramt Österreich

                                                                                                                                              Werner Faymann

                                                                                                                                                   Bundeskanzler

Herrn Präsidenten des Bundesrates

Gregor Hammerl

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                         Wien, am 26. März 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG teile ich mit, dass die Bundesregierung im Rahmen der 135. Sitzung des Ministerrates am 20. März 2012 Herrn Dr. Ferdinand Maier anstelle von Herrn DI Johann Költringer zum österreichischen Mitglied des WSA nominiert hat.

Diese Nominierung erfolgte, nachdem Herr DI Johann Költringer sein Mandat im WSA zurückgelegt und die Landwirtschaftskammer Österreich mit Schreiben vom 28. Feb­ruar 2012 mitgeteilt hatte, Herrn Dr. Ferdinand Maier als Nachfolger zu benennen.

Die formelle Ernennung von Herrn Dr. Ferdinand Maier wird gemäß Art. 302 des Ver­trags über die Arbeitsweise der EU, nach Einholung einer Stellungnahme der Euro­päischen Kommission, mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU erfolgen. Mit der Ernennung ist im Mai zu rechnen.

Ich verbleibe mit der Bitte um Kenntnisnahme und freundlichen Grüßen

Beilagen: Lebenslauf Dr. Maier; Auszug aus dem Beschlussprotokoll des MR“

„BUNDESKANZLERAMT – BUNDESKANZLER

351.000/0011-I/4/12

Pkt. 15 des Beschl.Prot. 135

135. Sitzung des Ministerrates am 20. März 2012

15. Bericht des Bundeskanzlers, Zl. 405.828/0004-IV/5/12, betr. Wirtschafts- und So­zialausschuss (WSA); Nominierung von Dr. Ferdinand Maier an Stelle von DI Johann Költringer als österreichisches Mitglied.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

Wien, 20. März 2012

Mag. LEITNER“

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

Bundeskanzleramt Österreich

Mag. Stephan Leitner

Ministerratsdienst                                                                    Geschäftszahl: 350.200/0035-I/4/12


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 32

An den                                                                                                                                   Abteilungsmail:

Präsidenten des Bundesrates                                            Sachbearbeiterin: Gabriele Munsch

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

Parlament                                                                                                          Telefon: 01/531 15/2264

1017 Wien                                                                                                              Datum: 26. März 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf HUNDSTORFER innerhalb des Zeitraumes vom 11. bis 13. April 2012 in Portugal aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Bundeskanzleramt Österreich

Mag. Stephan Leitner

Ministerratsdienst                                                                    Geschäftszahl: 350.200/0029-I/4/12

An den                                                                                                                                   Abteilungsmail:

Präsidenten des Bundesrates                                            Sachbearbeiterin: Gabriele Munsch

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

Parlament                                                                                                          Telefon: 01/531 15/2264

1017 Wien                                                                                                                 Datum: 9. März 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bundesminis­terin für Finanzen Dr. Maria FEKTER innerhalb des Zeitraumes vom 1. bis 9. April au­ßerhalb des EU-Raumes bzw. vom 11. bis 13. April 2012 in Portugal aufhalten wird. Sie hat für den Zeitraum 1. bis 9. April 2012 den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.lng. Nikolaus BERLAKOVICH mit ihrer Vertretung beauftragt.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Bundeskanzleramt Österreich

Mag. Stephan Leitner

Ministerratsdienst                                                                    Geschäftszahl: 350.200/0042-I/4/12

An den                                                                                                                                   Abteilungsmail:

Präsidenten des Bundesrates                                            Sachbearbeiterin: Gabriele Munsch

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

Parlament                                                                                                          Telefon: 01/531 15/2264

1017 Wien                                                                                                                  Datum: 5. April 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz TÖCHTERLE am 12. und 13. April 2012 in Deutschland bzw. innerhalb des Zeitraumes vom 25. (abends) bis 27. April 2012 in


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 33

Bukarest aufhalten wird. Seine Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG lässt er am 13. April 2012 durch Bundesminister Dipl.lng. Nikolaus BERLAKOVICH wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Gregor Hammerl: Überdies gebe ich bekannt, dass ein Schreiben des Bun­deskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundesministerin für Finanzen Dr. Ma­ria Fekter am 13. April 2012 in der Schweiz bei gleichzeitiger Beauftragung der Bun­desministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner mit ihrer Vertretung eingelangt ist.

*****

Des Weiteren ist der 35. Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat eingelangt, der dem Ausschuss für Bürgerrechte und Petitionen zur Vorbe­reitung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlos­sen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Gregor Hammerl: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 und 10 bis 12 sowie 18 und 19 jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher so vorgehen.

10.28.171. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Internationales Über­einkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (1637 d.B. und 1690 d.B. sowie 8691/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Erklärung der Repu­blik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Usbekistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (1671 d.B. und 1691 d.B. sowie 8692/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Anti-Korruptionsakademie (IACA)


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 34

über den Amtssitz der Internationalen Anti-Korruptionsakademie in Österreich (1672 d.B. und 1692 d.B. sowie 8693/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Berichterstatter zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird, ist Herr Bundesrat Kainz. – Bitte um die Berichte.

 


10.29.30

Berichterstatter Christoph Kainz: Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte zuerst den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass das Verschwindenlassen von Personen ein Mittel staatlicher Repression ist, das in den ver­schiedensten Erscheinungsformen auftritt und in der Regel eine Vielzahl von Men­schenrechten verletzt. Die Praxis des Verschwindenlassens hat insbesondere im welt­weiten Kampf gegen den Terrorismus und im Umgang mit Terrorismusverdächtigen neue Aktualität gewonnen.

Den Familien der Opfer wird ein eigenes Informationsrecht zugestanden. Hinsichtlich der internationalen Zusammenarbeit sind Regelungen zu Auslieferung, Rechtshilfe und der Begründung von Gerichtsbarkeit nach dem Grundsatz der stellvertretenden Straf­rechtspflege enthalten.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Usbekistan zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Ur­kunden von der Beglaubigung. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vor­sitz.)

Die Republik Usbekistan ist dem Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentli­cher Urkunden von der Beglaubigung vom 5. Oktober 1961 beigetreten. Aufgrund der hohen Urkundenunsicherheit in der Republik Usbekistan ist das Wirksamwerden des Beitritts im Verhältnis zur Republik Österreich nicht wünschenswert.

Der gegenständliche Beschluss hat daher die Einbringung eines Einspruchs gegen den Beitritt der Republik Usbekistan zum Inhalt.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zuallerletzt erstatte ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Inter­nationalen Anti-Korruptionsakademie über den Amtssitz der Internationalen Anti-Kor­ruptionsakademie in Österreich.

Mit dieser Einrichtung rückt Österreich – und da vor allem das Bundesland Niederös­terreich, weil die Internationale Anti-Korruptionsakademie ihren Sitz in Laxenburg hat – noch stärker in die internationale Mitte.

Wir haben diesen Beschluss im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ausführlich diskutiert.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 35

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile ihm dieses.

 


10.32.04

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister und Vizekanzler! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte im ersten Dreierblock der außenpolitischen Themen auf den ersten Punkt ein­gehen, wo es um das Verschwindenlassen von Personen geht.

Wohl alle von uns haben schon Situationen erlebt, sei es mit Kindern, sei es mit ande­ren Familienangehörigen oder sei es mit Freunden oder Bekannten, wo diese kurz­zeitig nicht auffindbar waren. Erinnern wir uns gemeinsam, wie es uns dabei ergangen ist! Diese Fälle sind in der Regel alle gut ausgegangen und haben sich aufgeklärt. Aber in der momentanen Situation erlebt man eine persönliche Betroffenheit, und man kann erahnen, wie es Menschen geht, die Familienangehörige, Freunde oder Bekannte für immer verschwunden wissen.

Viele siedeln dieses Thema „Verschwindenlassen von Personen“ in den siebziger oder achtziger Jahren bei diversen süd- oder lateinamerikanischen Diktaturen oder Schre­ckensregimen wie den Roten Khmer an, wo es gang und gäbe war, Menschen syste­matisch verschwinden zu lassen, Menschen zu ermorden oder einfach ihre Identität zu vernichten.

Wenn man sich damit aber näher befasst, dann wird man anhand der vorliegenden Zahlen feststellen, dass es erschreckend und erschütternd ist, was in den letzten Jah­ren und heute noch weltweit passiert. Laut einer UN-Statistik sind in den letzten zehn Jahren unter diesem Titel etwa 30 000 bis 50 000 Menschen verschwunden. Das muss man sich vorstellen! – Man wird es kaum glauben – und das in über der Hälfte der Mit­gliedsländer der Vereinten Nationen! Dies bedeutet, dass sich dieses Problem nicht auf einige Länder oder auf ein Land konzentriert, sondern sehr viele Länder weisen solche Fälle auf.

Demokratische Länder wie Mexiko zeigen alarmierende Zahlen. Allein in den letzten fünf Jahren gab es dort rund 3 000 bis 5 000 Fälle, wo Personen einfach verschwun­den sind. Erst auf Druck und aufgrund der öffentlichen Diskussion hat sich die Regie­rung jetzt bereit erklärt, diese Fälle zu untersuchen.

Aus Ländern wie China, Weißrussland und Tschetschenien gibt es dazu erst gar keine offiziellen Zahlen und Angaben.

Aber auch der selbsternannte „Hort der Demokratie“ – ich möchte das so formulieren –, die Vereinigten Staaten von Amerika, spielen dabei eine unrühmliche Rolle. In den letz­ten Jahren ist es mehr und mehr gängige Praxis geworden, dass unter dem Vorwand der sogenannten Terrorbekämpfung terroraktverdächtige Menschen, wie es heißt, ver­schleppt wurden, in Geheimgefängnissen gehalten oder gefoltert wurden oder einfach verschwunden sind.

Dass da auch Mitgliedsländer der Europäischen Union mitgespielt haben, indem Ver­höre in sogenannten Geheimgefängnissen stattgefunden haben, ist besonders bedau­erlich und zu kritisieren.

Der internationale Schutz der Menschenrechte ist traditionell ein Schwerpunkt der ös­terreichischen Außenpolitik und ist dir, geschätzter Herr Bundesminister, immer ein be-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 36

sonderes Anliegen, und dafür möchte ich mich bei dir im Namen vieler Betroffenen sehr, sehr herzlich bedanken.

Im Sinne des aktiven Engagements in den Vereinten Nationen und des konsequenten Eintretens für Menschenrechte wurde Österreich am 20. Mai 2011 mit großer Mehrheit von der Generalversammlung der UNO in den Menschenrechtsrat der Vereinten Natio­nen in Genf gewählt. Dies ist ein großer Vertrauensbeweis auf der einen Seite und auf der anderen Seite sicherlich auch eine Anerkennung einer konsequenten Außenpolitik und eines persönlichen Engagements. Das, glaube ich, muss man hier auch betonen.

Aber jetzt zum Übereinkommen selbst und zu seinem Inhalt: Insgesamt haben bisher 88 Länder dieses Übereinkommen unterzeichnet. Österreich hat es im Jahr 2007 ge­tan. Fast 30 haben es durch Parlamentsbeschlüsse ratifiziert.

Dieses Übereinkommen gliedert sich im Wesentlichen in drei Teile, wobei sich der erste Teil mit den eigentlichen Verpflichtungen zum Schutz vor dem Verschwindenlas­sen befasst.

So heißt es im Artikel 1:

„(1) Niemand darf dem Verschwindenlassen unterworfen werden.

(2) Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für das Verschwindenlassen geltend gemacht werden.“

Artikel 2 lautet:

„Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet ‚Verschwindenlassen‘ die Festnahme, den Entzug der Freiheit, die Entführung oder jede andere Form der Freiheitsberaubung durch Bedienstete des Staates oder durch Personen oder Personengruppen, die mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates handeln, gefolgt von der Wei­gerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen, oder der Verschleierung des Schick­sals oder des Verbleibs der verschwundenen Person, wodurch sie dem Schutz des Gesetzes entzogen wird.“

Der zweite Teil enthält Verfahrensbestimmungen zur internationalen Überwachung der Verpflichtungen und Handhabung in der Praxis. Das dient dazu, die Praxis von Inhaf­tierungen an geheimen Orten, zum Beispiel in Geheimgefängnissen, sowohl präventiv als auch repressiv zu bekämpfen.

Das Übereinkommen sieht eine Unterwerfung unter alle Kontrollmechanismen vor, ins­besondere auch eine fakultative Individualbeschwerde und eine fakultative Staatenbe­schwerde.

Der dritte Teil enthält wie gewöhnlich die Schlussbestimmungen.

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass dieses Abkommen, dessen Ratifizierung wir heute hier im Bundesrat beschließen, ein notwendiges und wichtiges Zeichen in der Staatengemeinschaft ist. Es ist auch ein Druckmittel gegenüber Regierungen und Re­gimen, sich mehr an die Menschenrechte zu halten und die Menschenrechte mehr zu respektieren.

Ich hoffe, dass möglichst viele Länder dieses Abkommen ratifizieren, und gehe von ei­ner einstimmigen Beschlussfassung in unserem Gremium aus. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Ich erteile ihr dieses.

 



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 37

10.39.23

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister! Kollege Köberl ist ja schon sehr ausführlich auf das Inter­nationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen eingegangen. Ich möchte das jetzt nicht alles wiederholen.

Es geht bei diesem Abkommen vor allem um die Stärkung des Menschenrechts­schutzes innerhalb der internationalen Gemeinschaft, denn auch wenn es manchmal schwer zu glauben ist, so haben die Menschenrechte selbst auf dem europäischen und amerikanischen Kontinent in den letzten zehn Jahren auch Rückschritte verzeichnet. Wir waren in den neunziger Jahren schon einmal weiter.

Kollege Köberl ist hier auch auf die Vereinigten Staaten eingegangen, denn von der Bush-Administration wurde ja nach dem 11. September 2001 der sogenannte Krieg ge­gen den Terror verkündet. Und unter diesem Deckmantel sind eben viele Dinge pas­siert, von denen man in Europa gedacht hatte, dass sie schon längst der Vergangen­heit angehören.

Rechtsstaatliche Prinzipen wurden außer Kraft gesetzt, das Völkerrecht wurde gebro­chen, es wurden Folter und verschiedenste andere Methoden eingesetzt und Men­schen ohne rechtliche Grundlage in vielen Ländern festgenommen und in Geheimge­fängnisse gesteckt. Viele endeten ohne Anklage in Guantánamo, einem Ort fern von rechtsstaatlichen Prinzipien. Und obwohl US-Präsident Obama versprochen hat, Guan­tánamo zu sperren, zu schließen, werden weiterhin Gefangene ohne Anklage und oh­ne Urteil festgehalten und umstrittene Militärprozesse geführt, die meines Erachtens ei­ner Demokratie unwürdig sind.

Gerade in dieser Ära hat es einen österreichischen Sonderberichterstatter für Folter gegeben, nämlich Professor Manfred Nowak, welcher diese Entwicklung der Zurück­drängung der Menschenrechte schön dargelegt hat.

Ein erheblicher Rückschritt in diesem Bereich bestand ja vor allem auch im Versuch der Bush-Administration, mittels Rechtsgutachten und juristischer Spitzfindigkeiten Fol­ter und bestimme Foltermethoden zu legitimieren und zu rechtfertigen, um im „Krieg gegen den Terror“ eine leichtere Handhabe zu haben.

Der österreichische Sonderberichterstatter hat damals gesagt, dass es nicht sein kann, dass die Menschenrechtskonvention aufgeweicht wird, dass laut internationalem Recht Folter durch nichts zu rechtfertigen und jedenfalls illegal ist und dass sich eine Re­gierung, die sie billigt oder fördert, strafbar macht. Es ist heute – auch nach Manfred Nowak – historisch belegt, dass vonseiten der Bush-Administration Folter angeordnet wurde. Das UN-Abkommen, das wir heute beschließen, versucht, Entwicklungen die­ser Art einen Riegel vorzuschieben.

Nach einem Bericht im Europarat eines Abgeordneten des Schweizer Parlamentes soll es ja auch in Europa Geheimgefängnisse gegeben haben und geben. Mit diesem Ab­kommen sollen erstmals Gefängnisse dieser Art sowie auch die Überbringung von Ge­fangenen in andere Länder verboten werden.

Zehn Jahre später muss mit internationalen Rechtsschutzmaßnahmen verhindert wer­den, dass selbstverständlich gedachte Menschenrechte durch politische Vorhaben in irgendeiner Form aufgeweicht werden.

Gemäß diesem Abkommen sollen in Hinkunft alle Vertragspartner verpflichtet werden, das Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen und Opfern Wiedergutmachung und Entschädigung zu leisten. Damit schaffen die Vereinten Nationen erstmals auch einen Kontrollmechanismus, um die Umsetzung dieses Abkommens zu überwachen und all­fällige Verstöße dagegen zu ahnden.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 38

Nachdem vom Kollegen Köberl schon vieles gesagt wurde, möchte ich meinen Rede­beitrag ganz kurz halten. Dieses Abkommen ist ja von der österreichischen Regierung bereits 2007 unterzeichnet worden. Heute gilt es, dieses Abkommen hier zu beschlie­ßen und in Kraft treten zu lassen. Und gerade angesichts der Kandidatur Österreichs für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ist ja die Ratifikation ein wichtiges Signal Österreichs im Rahmen seines Engagements zur Stärkung des internationalen Menschenrechtsschutzes.

Meine Fraktion wird diesem Abkommen natürlich wohlwollend zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

10.44


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


10.44.16

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Kollege Köberl und Kollegin Duzdar haben schon alle Punkte angesprochen, aber ich finde doch noch einige Worte dazu.

Von der Straße entführt, von zu Hause abgeholt, während einer Demonstration festge­nommen, wahrscheinlich gefoltert, keine Angaben über den Verbleib, für immer ver­schwunden, weltweit lassen repressive Regime ihre politischen Gegner verschwinden. Zwangsweises Verschwindenlassen von Personen bedeutet die Festnahme, den Ent­zug der Freiheit oder die Entführung von Personen, durchgeführt, unterstützt oder ge­billigt durch einen Staat oder eine politische Organisation, gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen oder Auskunft über das Schicksal oder den Verbleib dieser Person zu erteilen, in der Absicht, sie für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen.

Nachdem die UN-Menschenrechtskommission bereits 1980 eine Arbeitsgruppe einge­richtet hat, um die Problematik von vermissten und verschwundenen Personen anzu­gehen, und die Generalversammlung 1992 eine Erklärung zum Schutz aller Perso-
nen gegen das Verschwindenlassen verkündete, betraute die Menschenrechtskommis­sion 2002 – also zehn Jahre später – eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines Konventionsentwurfes. Die Arbeitsgruppe erfüllte ihr Mandat mit der Übergabe eines Entwurfs an die Menschenrechtskommission im September 2005. Der im Juni 2006 erstmals zusammenkommende Menschenrechtsrat hat während seiner ersten Ses­sionsperiode den Entwurf einstimmig gutgeheißen und an die Generalversammlung überwiesen. Diese hat dem Konventionsentwurf am 20. Dezember 2006 zugestimmt.

Unter dem Ausdruck „Verschwindenlassen“ wird die Festnahme, Haft, Entführung oder jede andere Form von Freiheitsentzug durch Staatsagenten oder durch eine Person oder Personengruppe verstanden, die mit der Erlaubnis, Unterstützung oder Duldung – billigende Inkaufnahme – des Staates handelt, gefolgt von einer Weigerung, den Frei­heitsentzug zu bestätigen oder von einer Verheimlichung des Schicksals oder des Auf­enthaltsortes der verschwundenen Person, was der betroffenen Person jeden rechtli­chen Schutz entzieht.

Die Vertragsstaaten werden verpflichtet, das Verschwindenlassen von Personen durch die Gesetzgebung zu verbieten und unter Strafe zu stellen. Außerdem werden ihnen Verpflichtungen zwecks Prävention auferlegt: die geheime Haft wird verboten, Frei­heitsentzug darf nur in offiziell anerkannten Gefängnissen stattfinden, in denen alle Ge­fangenen registriert sind, das absolute Recht auf Habeas Corpus – das ist das Recht jedes Häftlings, die Verfassungs- oder Gesetzmäßigkeit seiner Festnahme vor Gericht anzufechten – wird garantiert sowie das Recht, Informationen über Gefangene zu er­halten.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 39

Weiters sichert die Konvention das Recht auf Wahrheit und auf Wiedergutmachung für Opfer und deren Angehörige sowie das Recht, Vereine und Organisationen für den Kampf gegen das Verschwindenlassen zu bilden.

Die Konvention regelt auch die unrechtmäßige Entführung von Kindern, deren Eltern Opfer der Praxis des Verschwindenlassens wurden, sowie die Fälschung der Identität dieser Kinder und deren Adoption.

Der Vertrag wurde bisher, wie Kollege Köberl schon mitgeteilt hat, von 88 Staaten un­terzeichnet, 29 davon haben ihn bereits ratifiziert.

Für die Überprüfung der Umsetzung der vereinbarten Rechte und Pflichten ist ein Überwachungsausschuss vorgesehen. Der Ausschuss verfügt über weitreichende Kompetenzen und kennt neben der Entgegennahme von Individualbeschwerden und Staatenbeschwerden auch ein dringliches Verfahren sowie die Berechtigung, Feldun­tersuchungen durchzuführen. Außerdem kann er Vorfälle von verbreitetem und syste­matischem Verschwindenlassen vor die UNO-Generalversammlung bringen. Der Aus­schuss hat die Ermächtigung, dringliche Maßnahmen zu empfehlen. Unter bestimmten Umständen kann das Verschwindenlassen von Personen als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet werden und eine internationale Strafverfolgung nach sich ziehen. Dabei stehen der internationalen Gemeinschaft die Organe der Vereinten Na­tionen zur Verfügung.

Nun zu TOP 2: Die Republik Usbekistan hat ihren Beitritt zum Übereinkommen zur Be­freiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung vom 5. Okto­ber 1961 erklärt. Die Republik Österreich erhebt bezugnehmend auf Artikel 12 Ab­satz 2 des Übereinkommens einen Einspruch gegen den Beitritt der Republik Usbekis­tan. Diesem Einspruch werden wir vollinhaltlich zustimmen.

Noch einige Worte zur Anti-Korruptionsakademie: Die Anti-Korruptionsakademie, IACA, ist eine internationale wissenschaftliche Einrichtung mit dem Standort Palais Kaunitz in der niederösterreichischen Gemeinde Laxenburg.

Im Rahmen der im September 2006 abgehaltenen 75. Generalversammlung der Inter­pol in Rio de Janeiro wurde entschieden, eine Anti-Korruptionsakademie als Ausbil­dungseinrichtung für Korruptionsbekämpfer der 186 Mitgliedstaaten der internationalen Polizeiorganisation zu gründen. Als Standort entschied man sich in weiterer Folge für das in Laxenburg gelegene Palais Kaunitz, das 2007 vom Land Niederösterreich ge­kauft und adaptiert wurde.

Die Gründungskonferenz der IACA fand am 2. September 2010 in der Hofburg in Wien statt. Seit 8. März 2011 ist die IACA eine internationale Organisation mit 58 Mitglie-
dern, davon sind 55 Staaten und drei internationale Organisationen – laut Stand Feb­ruar 2012.

Die IACA versteht sich als internationales Center of Excellence and Competence und soll in Korruptionsfragen Anlaufstelle und Ansprechpartner sein. Sie basiert auf einer Kooperation des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämp­fung und der Republik Österreich, unterstützt unter anderem vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, OLAF.

Die Gründung der Akademie resultierte aus dem Bedürfnis, Wissen und Praxis in Be­zug auf Korruptionsbekämpfung zu vereinen und an Praktiker und Studenten weiter­zuvermitteln. Darüber hinaus bietet die IACA technische Assistenz bei der Implemen­tierung der UN-Konvention gegen Korruption an.

Richter, Ermittler, Staatsanwälte und andere an der Korruptionsbekämpfung beteiligte Personen sollen im Bereich der Korruptionsprävention und -bekämpfung ausgebildet werden, wobei ein umfassender holistischer, interdisziplinärer, -regionaler, -kultureller


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 40

und -sektoraler Ansatz verfolgt wird. Soziologische, politologische, kriminologische, volkswirtschaftliche, juristische und andere Aspekte sollen ebenso berücksichtigt wer­den wie soziokulturelle und -historische Gegebenheiten.

Entscheidungsträgern aus dem privaten und öffentlichen Bereich, von internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft soll die IACA ein internationales Forum zum Ideen- und Gedankenaustausch bieten. Neben zugeschnittenen Trainings- und For­schungsprogrammen wird die IACA ab 2012 ein Masterprogramm für seine Studenten anbieten.

Die Anti-Korruptionsakademie trägt dazu bei, den internationalen Standort Österreich weiter auszubauen. Den Ausbau des historischen Palais Kaunitz in Laxenburg hat zu 50 Prozent das Land Niederösterreich getragen und zu 50 Prozent das Innenministe­rium zur Verfügung gestellt. Von dieser Anti-Korruptionsakademie geht ein Impuls aus, der dazu führt, dass über 150 Studenten aus der ganzen Welt hier in Österreich unter­richtet werden können.

Wir werden dieser Gründung natürlich gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

10.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


10.54.56

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuhörerIn­nen – sie werden zur späten Stunde immer jünger, wie man sieht –, ein herzliches Will­kommen! (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Na ja, stimmt. (Anhaltende Zwischenrufe.) Spaß beiseite.

Zu den drei Tagesordnungspunkten  (Bundesrat Kneifel: Dauert es dir vielleicht schon zu lange?) – Nein, nein, das habe ich damit nicht angedeutet.

Zum Punkt des Verschwindenlassens, vieles wurde von den Vorrednern und Vorred­nerinnen schon gesagt. Erlauben Sie mir aber, eines noch ganz kurz anzumerken: Es ist sehr erfreulich, dass fünf Jahre nach der Unterzeichnung dieses wichtigen inter­nationalen Übereinkommens gegen das Verschwindenlassen von Personen die Ratifi­zierung erfolgt. Wir sind sehr erfreut darüber und werden das natürlich auch unter­stützen.

Hervorstreichen möchte ich aber, dass das – wie soll ich sagen? – mit einer ein bisschen komischen Optik verbunden ist, denn bereits im Jahre 2009 haben unsere grünen KollegInnen aus dem Nationalrat, genauer gesagt Kollege Albert Steinhauser und Kollegin Alev Korun, diesen Antrag eingebracht, und dieser ist danach im Men­schenrechtsausschuss mehr oder weniger versumpert, bis dann die Regierung drauf­gekommen ist, dass das eigentlich doch nicht so schlecht und eine gute Idee ist, und sie hat das dann aufgegriffen. Mir ist es lieber später als gar nicht.

Aber was bedeutet das? – Das bedeutet, dass Österreich in einer solch wichtigen The­matik nicht die federführende Rolle, keine Vorreiterrolle einnehmen konnte – wir hätten eine solche einnehmen können –, und das ist meines Erachtens bedauernswert.

Ich lade die Bundesregierung ein, nicht nur ihre eigenen Ideen umzusetzen, sondern auch gute Ideen, die von der Opposition kommen, aufzugreifen und umzusetzen.

Wir haben von den VorrednerInnen schon gehört, dass erst dann, wenn 20  (Bun­desrat Kneifel: Die beste Idee ist für Österreich gerade gut genug, egal, von wem sie kommt!) – Das ist sehr staatstragend, Herr Kollege.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 41

Erst dann, wenn 20 Länder dieses Abkommen ratifiziert haben, tritt es in Kraft. 2009 war es noch nicht so weit, mittlerweile ist das aber der Fall. Mit dieser Ratifizierung, mit diesem Übereinkommen wird eine Strafbarkeitslücke geschlossen. Wir in Österreich können uns nicht vorstellen, dass man einfach Menschen verschwinden lässt, die politisch nicht opportun sind oder der Opposition angehören. Aber es gibt leider Gottes Länder, die VorrednerInnen haben das auch angesprochen, lateinamerikanische Län­der oder auch die Türkei, wo die Militärjunta tätig war, wo insbesondere in den acht­ziger Jahren Tausende Menschen verschwunden sind.

In der Türkei tut sich diesbezüglich gegenwärtig sehr viel. Bis vor Kurzem war es un­vorstellbar, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Diese wurden nun vor Gericht gestellt, Kenan Evren wurde angeklagt, vor einigen Jahren war das noch unvorstellbar. Deshalb finde ich es auch so wichtig, sehr geehrter Herr Vizekanzler, dass man Ländern, mit denen man bezüglich eines EU-Beitritts im Gespräch ist, auch die Ratifizierung eines derartigen Vertrages nahelegt oder sogar als Bedingung aufer­legt, denn dadurch stärkt man meines Erachtens die Zivilgesellschaft in diesen Län­dern, die mit aller Kraft versucht, das Unrecht, das in dieser Zeit passiert ist, aufzuar­beiten.

Natürlich gibt es dort eine schützende Hand. Die Verantwortlichen laufen nach wie vor frei herum, die Folterer, die Mörder, während die Angehörigen demonstrieren. Und wenn man den potenziellen EU-Beitrittskandidaten nahelegte beziehungsweise als Be­dingung auferlegte, dass sie diesen Vertrag ratifizieren, würde man die Zivilgesellschaft in diesen Ländern bezüglich der Aufarbeitung und auch der präventiven Wirkung des Verschwindenlassens sicher stärken.

Man braucht aber, sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte KollegInnen, gar nicht so weit zu schauen, verschwinden lassen kann man auch in Österreich jemanden. Es ist noch nicht lange her, dass Umar Israilov, ein tschetschenischer Asylwerber, auf of­fener Straße in Wien zum Schweigen gebracht wurde – in Österreich, vor noch nicht langer Zeit.

Und da, Kollege Johann Ertl, muss ich die Freiheitlichen wirklich sehr scharf kritisieren. Ihre Partei beziehungsweise einige selbsternannte außenpolitische Sprecher – ohne Legitimation und Absprache mit dem Außenministerium, so wie ich das aus den Me­dienberichten richtig verstanden habe – besuchen den Rambo-Präsidenten Kadyrow und bieten ihm eine Kooperation bei der Zurücknahme, Übernahme von Flüchtlingen an. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Das ist nicht der Weg, den das offi­zielle Österreich gehen möchte und, wie ich hoffe, auch nicht gehen wird. Der ge­schätzte Herr Vizekanzler hat diesbezüglich sehr klare Worte gefunden.

Kollege Günther Köberl hat das auch angesprochen, dass unter dem Deckmantel der Terrorismusprävention Menschen verschleppt werden, in den geheimen Gefängnissen verschwinden – nicht nur in Afghanistan, sondern auch auf europäischem Territorium. Das ist höchst bedenklich für eine Demokratie und einen Rechtsstaat! Es ist nicht allzu lange her, dass ein deutscher Staatsbürger, ein Bremer türkischer Abstammung, Murat Kurnaz, fünf Jahre lang in Guantánamo angehalten worden ist und dort qualvolle Dinge über sich hat ergehen lassen müssen. (Bundesrat Ertl: Wo ist denn der festgenommen worden?) – Das weiß ich nicht, aber nicht in Afghanistan, wenn du darauf anspielst. (Bundesrat Ertl: Aber sicher auch nicht in Deutschland!) Ich weiß nicht, wo er festge­halten worden ist, Faktum ist, er ist nach Guantánamo verschleppt worden.

Diese Praktiken gehören auf das Schärfste verurteilt, egal, von welchem Land, egal, von welchem politischen System. Das hat nichts mit einer Kritik an dem Land, an der Kultur oder an der Religion zu tun, sondern das ist die Kritik am Handeln. Es ist mir egal, ob das Israel ist, ob das die USA sind oder irgendein anderes Land, derartige Verstöße gegen die Menschenrechte sind absolut inakzeptabel und gehören auf das


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 42

Schärfste verurteilt. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Mag. Duzdar und des Bundesrates Zangerl.)

Diese Ratifizierung bedeutet auch, dass, wenn sich Menschen in Österreich aufhalten, die des Verschwindenlassens beschuldigt werden oder deren Schuld feststeht, wir als Republik verpflichtet sind, diesen Untaten, diesen Verbrechen nachzugehen und für ei­ne gerechte Bestrafung zu sorgen.

In diesem Sinne werden wir TOP 1 natürlich zustimmen. Ich bedanke mich bei der Bundesregierung noch einmal für diese Initiative.

Ganz kurz zum zweiten Tagesordnungspunkt, zum Übereinkommen mit Usbekistan. Auch dem stimmen wir zu, denn wir alle wissen, dass in Usbekistan keine Urkun­densicherheit vorherrscht. Selbst Transparency International hat Usbekistan an die 173. Stelle unter 176 Ländern gereiht, die korrupt sind. Es wäre grob fahrlässig, dem nicht zuzustimmen. Insofern unterstützen wir dieses Vorhaben.

Zum dritten und letzten Verhandlungspunkt, zur Anti-Korruptionsakademie, die nun er­richtet wird. Dazu gäbe es einen Vorschlag der Grünen: Wir treten dafür ein, dass alle, die ein politisches Mandat in diesem Land innehaben, von der Gemeindeebene bis zur EU-Ebene, diese Akademie verpflichtend besuchen müssen, ebenso alle Lobbyisten, die im Lobbyistenregister verzeichnet sind – egal, ob sie in Österreich oder auf EU-Ebene tätig sind –, um derartigen Zuständen, wie wir sie bisher haben, über die wir lei­der Gottes immer wieder in negativer Hinsicht aus den Zeitungen lesen müssen und die letztendlich uns allen, allen Politikern auf den Kopf fallen, weil die Menschen leider Gottes nicht differenzieren, entgegentreten zu können.

Hier, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gibt es genug anständige Politiker, egal, aus welchem politischen Lager. Wir müssen uns nicht wegen einiger schwarzer Schafe alle in einen Topf werfen lassen. Deshalb wäre es im präventiven Sinne gut, wenn alle, die ein politisches Mandat innehaben oder vielleicht innehaben werden, in Zukunft die­se Anti-Korruptionsakademie besuchen würden, damit derartige Entwicklungen hintan­gestellt werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


11.04.25

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werter Herr Bürgermeister Templ aus Oberösterreich! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal! Werte Damen und Herren! Am 8. März 2011 entstand die Anti-Korruptionsaka­demie mit Inkrafttreten eines Internationalen Übereinkommens, dem auch Österreich als Gründungsmitglied angehörte.

Interpol, der 186 Länder angehören, fasste im Jahr 2006 den Beschluss, eine Bil­dungsakademie für Korruptionsbekämpfung zu schaffen. Österreich hat sich von Be­ginn an für diesen Standort beworben, und wir schaffen heute mit dem Beschluss des Amtssitzabkommens die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass der Anti-Korrup­tionsakademie der Status einer internationalen Organisation eingeräumt wird.

Es geht darum, dass der Sitz der Akademie einen Unverletzlichkeitsstatus erhält, dass diese Akademie von der österreichischen Gerichtsbarkeit befreit wird, dass die Archive unverletzlich sind, dass Steuer- und Zollbefreiungen herrschen und dass auch der De­kan und die Mitarbeiter Immunität haben. Das gewährleisten wir. Dafür bekommen wir im Gegenzug eine internationale Einrichtung. Es freut mich als Niederösterreicher be­sonders, dass diese Akademie in unser Bundesland, nämlich nach Laxenburg, geholt werden konnte.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 43

Das zeigt, dass das Land Niederösterreich immer wieder bemüht ist, nationale, inter­nationale Organisationen, Institutionen in unser Land und auch aufs Land zu holen, ob das jetzt das Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg ist, ob das MedAustron, ein Strahlentherapie- und Forschungszentrum in Wiener Neustadt, ist oder eben die Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg.

Das ist ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, wenn Bund und Land zusammenarbei­ten, internationale und nationale Institute regional anzusiedeln. Ich glaube, es sollte uns hier im Bundesrat immer wichtig sein, weil wir Vertreter der Regionen sind, dass zentrale Stellen, dass Headquarters auch dezentral im gesamten Bundesgebiet plat­ziert werden können, dass wir diese Regionalisierung der Zentralstellen entsprechend forcieren und fördern. Das Land Niederösterreich und der Bund gehen gemeinsam diesen Weg, internationale Institutionen nach Österreich zu holen. Bitte, unterstützen wir diesen Weg gemeinsam! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesra­tes Zangerl.)

11.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Perso­nen vor dem Verschwindenlassen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Usbekistan zum Übereinkommen zur Befreiung auslän­discher öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der In­ternationalen Anti-Korruptionsakademie (IACA) über den Amtssitz der Internationalen Anti-Korruptionsakademie in Österreich.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Ar­tikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 44

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßi­ge Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

11.09.324. Punkt

Außen- und Europapolitischer Bericht 2010 der Bundesregierung (III-440-BR/2011 d.B. sowie 8694/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen somit zum 4. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. Ich bitte um den Bericht.

 


11.09.42

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Ich brin­ge den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2010 der Bundesregierung.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, den Außen- und Europapolitischen Bericht 2010 der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen. – Herzlichen Dank.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte in.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


11.10.28

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zunächst einen aufrichtigen Dank an die Autorinnen und Autoren dieses Berichtes, er ist sehr informativ. Wenn man sich die Mühe macht, ihn entsprechend zu studieren, dann erfährt man wirklich sehr viel darüber, was zum Tätigkeitsfeld des Herrn Außenministers gehört. Dass die außenpolitischen Leistungen Österreichs und somit natürlich des zuständigen Ministers hauptsächlich in einem positiven Licht dar­gestellt sind, liegt in der Natur der Sache. Es wäre aber trotzdem interessant gewesen, wenn jene paar negativen Dinge, die im Jahr 2010 österreich-, europaweit außenpoli­tisch doch geschehen sind, darin mehr reflektiert worden wären. Es wäre interessant gewesen, Fehlentwicklungen, insbesondere in Bezug auf die Europäische Union, auf Krisensituationen und so weiter, mehr zu beleuchten. Das hätte das Gesamtbild ein bisschen besser abgerundet.

Noch ein kleiner Vorschlag am Rande: Wenn man die Berichte der Vorjahre nicht nur besitzt, sondern auch gelesen und aufbewahrt hat, weil sie ja eigentlich Nachschlage­werke sind (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), dann stellt man natürlich fest, dass großteils diese  – Nicht unterm Kopfkissen, Kollege Mayer! Ich schlafe so gut, ich brauche keinen Bericht unterm Kopfkissen. Ich habe auch ein reines Gewissen, des­halb schlafe ich wahrscheinlich so gut.

Ich möchte den Vorschlag machen, dass nicht nur – so wie Kollege Marco Schreuder das gerne sagt – Copy and Paste stattfindet, dass nicht nur doch ziemlich große Be­reiche aus den Vorjahren einfach in den neuen Bericht kopiert werden, weshalb dann lediglich kurze Neuerungen nachlesbar sind. Vielleicht gibt es in Zukunft eine neue Va-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 45

riante, wie man diese tatsächlichen Neuerungen interessanter erscheinen lassen und gestalterisch in ein besseres Licht stellen kann, damit das Konvolut nicht unbedingt 515 Seiten – ohne Sachregister – hat, sondern sich vielleicht doch interessanter und für mehrere lesbar gestaltet. – Soweit einfach nur mein persönlicher Hinweis, was die Gestaltung dieses Berichtes betrifft.

Abschnitt G hat mich persönlich sehr stark interessiert. Ich begrüße ganz besonders den Einsatz Österreichs bei der weltweiten Umsetzung internationaler Menschenrechts­standards. Insbesondere zum Schwerpunkt „Menschenrechte von Kindern“ beschäftigt sich eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Thema Kinder in bewaffneten Konflikten. Auf Initiative Österreichs hin konnte in einer eigenen thematischen Debatte eine substan­zielle Stärkung des Schutzes von Kindern in bewaffneten Konflikten erreicht werden.

Auch beim Thema „Menschenrechte von Frauen“ hat sich Österreich maßgeblich für die Schaffung eines eigenen Überwachungsmechanismus von sexueller Gewalt in be­waffneten Konflikten eingesetzt. Dies ist eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und unterstützt Programme zur aktiven Einbindung von Frauen in Friedensprozesse.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Konvention gegen Gewalt an Frauen, die in Istanbul unterzeichnet wurde, hinweisen. Diese Konvention führt dazu, dass in Österreich und in der EU gleiche Standards hinsichtlich der Menschenrechtsverletzung Nummer 1, nämlich Gewalt an Frauen, herrschen.

Da es sich ja nicht nur um einen außenpolitischen, sondern auch um einen europa­politischen Bericht handelt, möchte ich noch einmal ein bisschen auf die Europaebene zurückkommen. 2010 war ja bekanntlich das Jahr der Tragödie des Euro, der Fall Grie­chenland, aber auch Irland, Spanien, Portugal und Italien waren im Brennpunkt. Mitte September 2010 stand das europäische Bankensystem wieder einmal kurz vor dem Zusammenbruch. Es wurde ein 750-Milliarden-€-Rettungsschirm aufgespannt, der da­mals auf drei Jahre begrenzt wurde.

Frau Merkel hat damals, im Oktober 2010, Folgendes gesagt:

„Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine ein­fache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil der Ret­tungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaa­ten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert. Er fördert die Erwartungshaltung, dass Deutschland und andere Mitgliedstaaten und damit auch die Steuerzahler dieser Länder im Krisenfall schon irgendwie einspringen und das Risiko der Anleger übernehmen können.“ – Eine bemerkenswerte Aussage.

Aber trotz dieser Merkel-Aussage hat sich zwei Monate später, nämlich im Dezember, der Europäische Rat bereits auf den permanenten Rettungsschirm geeinigt. Also über Rettungsaktionen, Schuldenbremsen und Sparpakete streiten bekanntlich nicht nur wir, sondern auch die Fachleute.

Fakt ist – und das hat sich auch bei den kürzlich stattgefundenen Gesprächen über den mehrjährigen Finanzrahmen in Brüssel, zu denen ich eingeladen war, gezeigt –, dass die EU mit dem Spargedanken nicht sehr viel anfangen kann. Wir Österreicherin­nen – es waren lauter Damen, die dort anwesend waren – waren eigentlich die Einzi­gen der NationalparlamentarierInnen der 27 Mitgliedstaaten – Frau Kerschbaum konn­te leider unfallbedingt nicht daran teilnehmen –, die dazu Stellung genommen haben, und wir waren eigentlich auch die einzigen nationalen Vertreter, die meinten, dem Steuerzahler keine weiteren Erhöhungen für eine höhere Budgetausstattung für Euro­pa zumuten zu können und auch zu wollen.

Außerdem haben wir auch die Sparpotenziale in der EU aufgezeigt, die irgendwann angegangen werden müssen, insbesondere in solchen Krisenzeiten. Eine Steigerung


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 46

der Ausgaben um rund 30 Prozent ist für uns eindeutig zu viel. Auch der Herr Vize­kanzler hat darauf hingewiesen, dass für ihn Erhöhungen eigentlich kein Thema sind, sondern dass mit dem vorhandenen Geld auszukommen wäre. Diese Steigerungen sind aber natürlich auch auf Verwaltungsausgaben zurückzuführen, die in den Jah­ren 2014 bis 2020 um 10 Prozent ansteigen sollen; dies, obwohl laut Kommission ge­plant ist, den Personalstand um 5 Prozent zu senken, die Kosten im Bereich Gehalts­ausgleich nicht anzuheben, das Pensionsantrittsalter von 63 auf 65 Jahre hinaufzu­setzen und die Mindestarbeitszeit von derzeit 37,5 auf 40 Stunden zu erhöhen. Also ir­gendwie geht sich die Rechnung nicht aus. Es müssen offensichtlich erhebliche Ge­haltssteigerungen eingeplant sein, ansonsten würde es nicht eine 10-prozentige Stei­gerung geben.

Ein Bonmot möchte ich noch am Rande erwähnen. Anlässlich dieser Konferenz gab es einen Abendempfang, und bei diesem Empfang hat EU-Parlamentspräsident Schulz gesprochen. In seiner Eröffnungsrede hat er ganz klar zu verstehen gegeben, dass sich die Entscheidungsträger natürlich nicht den Vorschlägen aus den nationalen Par­lamenten beugen und sich von den Vorschlägen nicht beeinflussen lassen werden.

Dies hat mich dann doch dazu bewogen, das Wort zu ergreifen und darauf hinzu­weisen, dass dieser bereits zweite Teil der Konferenz – wir waren ja schon einmal da –, zu der alle NationalparlamentarierInnen der 27 Mitgliedstaaten plus dieses Mal Kroa­tien eingeladen waren, ihre Ideen und Meinungen zu äußern, nicht nur eine Farce sein sollte. Wenn die Entscheidungen nämlich bereits gefallen sind und alles einbetoniert ist – so hat es sich zumindest für mich angehört –, dann ist diese Konferenz auf gut Deutsch hinausgeschmissenes Geld. Nur so zu tun, als ob, ist nicht ausreichend. Aber die Machtausübung ist bezeichnend. Dem von Österreich vorgeschlagenen Einspa­rungspotenzial bei den Nettobeiträgen, der Einführung einer Transaktionssteuer et ce­tera wird und wurde anlässlich zumindest dieser Konferenz kein Gehör geschenkt.

Mehr Europa – wie sich das Kollege Kneifel auch immer gerne wünscht – bedeutet je­doch nicht gleichzeitig, auch mehr Geld auszugeben.

Die Frage: Was muss Europa regeln, und was ist in den Mitgliedstaaten besser aufge­hoben?, muss erlaubt sein. Der Großteil der an der Konferenz teilhabenden Mitglied­staaten hat sich dezidiert für die Beibehaltung oder sogar die Erhöhung des Struktur- und Kohäsionsfonds ausgesprochen. – So viel zu den Förderungen. Die werden also nicht weniger, sondern mehr werden. Europa wird somit teurer und nicht günstiger.

Weitere Probleme in diesem Bericht reichen vom auswärtigen Dienst und dort dezidiert der Mehrwertsteuerbefreiung aller Personen, die sich dem diplomatischen Dienst zu­rechnen, über die Sache mit den Diplomatenpässen – darüber möchte ich jetzt nicht im Detail diskutieren – bis hin zu den Annäherungsbemühungen der Türkei bezüglich ei­nes EU-Beitritts. Die FPÖ beharrt nach wie vor auf einem Abbruch der Beitrittsver­handlungen mit der Türkei zugunsten einer privilegierten Partnerschaft.

Die Punkte, die ich hier genannt habe, sind nur einige. Es gäbe noch mehr Punkte im Bericht, die die FPÖ dazu veranlassen, diesen Bericht nicht kommentarlos zur Kennt­nis zu nehmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubvorsitzender Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


11.21.11

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Außen­minister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die Zukunft Österreichs ist sehr eng mit der Entwicklung der Europäischen Union und mit Europa


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verbunden. Das spiegelt auch dieser Außenpolitische Bericht ganz klar wider, und wir erkennen beim Lesen dieses Berichtes – aber nicht nur aus diesem Bericht –, dass Ös­terreich ein sehr dynamischer Wirtschaftsraum im gesamten Netzwerk der Europäi­schen Union ist.

Das geht schon daraus hervor, dass Österreich ein sehr starkes Exportland ist. Mehr als 100 Milliarden € beträgt die Exportleistung unseres Landes. Österreichische Unter­nehmen investieren in aller Welt, vor allem in den europäischen Staaten, sind in vielen Staaten Europas – besonders im Osten – als Hauptinvestor, Hauptproduzenten und Hauptdienstleister unterwegs. Auf der anderen Seite beobachten wir und lesen das auch aus dem Bericht, dass immer mehr junge Österreicherinnen und Österreicher im Ausland studieren oder Lehrlinge im Ausland ihre Ausbildung und ihre Qualifikation verbessern. Das lässt den Schluss zu, dass Europa und das Netzwerk, in dem wir uns mit Europa verbinden und eng verknüpft sind, kein Selbstzweck sind, sondern immer den Menschen dienen müssen. Denen, die draußen sind, denen, die in den anderen Ländern unterwegs sind, Österreichern, die im Ausland studieren, Österreichern, die im Ausland arbeiten, all diesen Menschen soll unsere Außenpolitik dienen.

Ich habe mit großer Genugtuung auch diesen Verbesserungsvorschlag von Ihnen, Frau Kollegin von der FPÖ, gehört, dass man vielleicht den Bericht noch verbessert und vielleicht noch etwas lesbarer macht; ein Register ist genannt worden. Das kann man alles machen. Ich glaube, das ist ein sehr konstruktiver Ansatz.

Was mich eigentlich stört an der Argumentationslinie der Freiheitlichen Partei – und damit komme ich auf Ihre Kritik zu sprechen –, ist, dass Europa immer schlechtge­macht wird. Europa wird schlechtgemacht, an Europa ist fast nichts Gutes daran, und alles, was mit Europa zusammenhängt, hat schon einen gewissen Geruch. (Bundesrä­tin Mühlwerth: Nein, das ist ein Irrtum! Wir reden von der EU, nicht von Europa! Das ist nicht dasselbe!)

Deshalb stimmen Sie ja auch diesem Bericht nicht zu. Das hat ja alles eine gewisse Vorgeschichte und einen Verlauf, den wir auch in diesem Haus immer beobachten können.

Ich glaube, dass gerade die hohe Außenorientierung unseres Landes ganz wichtig ist, auch für die Wettbewerbsfähigkeit, und da brauchen wir ein großes Netz, ein Netz auch mit Europa, eine Verwobenheit, weil einer alleine in dieser Welt ja nichts mehr be­wirken kann, wenn er konstruktiv etwas verändern will. Das ist doch ganz wichtig und elementar für die Existenz unserer Betriebe und unserer Menschen in Österreich. Und das gelingt sehr gut durch dieses tolle internationale Netzwerk.

Das ist für mich auch aktive Außenpolitik: Für die Menschen dieses Netz einsetzen. Und das gelingt unserer Regierung und unserem Außenminister sehr gut. Deshalb sind diese europapolitischen und weltweiten Netzwerke für Österreich so wichtig.

Aber ich verhehle nicht, dass es auch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Mich stört auch etwas an diesem Europa. Das ist immer wieder verbesserungsfähig. Mich stören zum Beispiel diese ständigen Feuerwehr- und Notchirurgiemaßnahmen, die oft in der Nacht getroffen werden, und dann lesen Abgeordnete der nationalen Parlamente in den Zeitungen, was beschlossen wurde. – Das muss besser werden, das muss ausge­baut werden.

Deshalb halte ich auch den heute in der Aktuellen Stunde bereits betonten Ansatz, dass wir unsere Regeln verbessern sollen – wie der Herr Außenminister heute gesagt hat –, unsere Regeln der Zusammenarbeit, damit wir besser werden in diesem euro­päischen Netzwerk, dass wir unbürokratischer werden, dass wir noch näher zum Men­schen hinkommen, für den richtigen Ansatz. Deshalb ist auch die Initiative des Außen­ministers zu begrüßen, mit dem Europagedanken bis in die Gemeinden zu gehen. Wir


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dürfen die Verbreitung und die Weiterentwicklung Europas nicht nur den Europaabge­ordneten in Brüssel überlassen. Das muss eigentlich bis in die unterste Ebene der De­mokratie, in die Gemeinden, gehen, und diese Initiative halte ich für sehr wertvoll.

Aus dem Bericht lese ich auch heraus – und das ist ja bereits gängige politische Mei­nung –, die Außenpolitik Österreichs ist nicht neutral. Wer kann denn neutral sein ge­genüber den Menschenrechtsverletzungen, die es auf der ganzen Welt gibt? Wer kann denn neutral sein, wenn Hunderte und Tausende im Südsudan geschlachtet werden? Wer kann denn neutral sein, wenn ich an die Verbrechen von Milošević denke und vie­le andere? – So etwas kann uns doch nicht kaltlassen! Solchen Ereignissen gegenüber kann man nicht neutral sein. Deshalb glaube ich, dass die Neutralität sicherlich for­meller Bestandteil unserer Verfassung ist, aber seit dem Kalten Krieg hat sie ihre große Bedeutung weitgehend verloren. Das muss man auch einmal festhalten.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn ich an die Verbesserung unseres europäischen Systems denke, glaube ich, ist es wichtig, dass auch die nationalen Par­lamente rechtzeitig über entsprechende Maßnahmen, wenn diese auf uns Auswirkun­gen haben, informiert werden. Das steigert den Zusammenhalt Europas, wenn die na­tionalen Parlamente und die Menschen bei diesen Prozessen möglichst vom ersten Moment an mitgenommen werden. Da besteht sicherlich ein Demokratiedefizit. Das kann man auch so nennen, und das ist für uns inakzeptabel. So kann man sicherlich nicht weitermachen!

Ziel muss es sein, das Europäische Parlament und die nationalen Kammern – ich nen­ne hier beide, auch den Bundesrat – in diese Entscheidungen einzubinden. Wir bemü­hen uns ja auch, durch den EU-Ausschuss unsere Stellungnahmen entsprechend ab­zugeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass dieser Bericht eine wertvolle Grundlage ist, die darüber Aufschluss gibt, wie wir unser europäisches Netzwerk ver­bessern können. Ich glaube, wir sollten auch eine Grundsatzdebatte beginnen, wie wir den Vertrag von Lissabon verfeinern und optimieren können. Das ist, glaube ich, durchaus legitim, dass wir uns hier auch auf Ebene unseres Hauses Gedanken ma­chen, wie wir uns einbringen können. Nur durch mehr Engagement wird dieses Europa weiterentwickelt werden können, damit wir dann auch die Früchte ernten können, näm­lich: in einem Kontinent und in einer Welt zu leben, in der Frieden, Freiheit und De­mokratie herrschen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


11.30.02

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Außenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich recht herzlich bei Ihnen, Herr Bundesminister, für den sehr umfangreichen, aufschluss­reichen Außenpolitischen Bericht, auch bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Außenministeriums.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute hier im Bundesrat wieder die Gelegenheit ha­ben, über österreichische Außenpolitik zu diskutieren. Es ergibt sich ja nicht so oft die Möglichkeit, über internationale Entwicklungen zu sprechen. Gerade jetzt, wo Europa seit der Finanzkrise große Probleme und Herausforderungen zu bewältigen hat und leider sehr stark mit sich selbst beschäftigt ist, ist der auf weltpolitische Belange ge­richtete Fokus ein bisschen in den Hintergrund getreten.

Europa wächst zusammen, und es werden auch immer mehr Bereiche auf EU-Ebene entschieden. Insofern ist natürlich die Wichtigkeit und die Notwendigkeit, Europa und


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die Europäische Union hervorzuheben, klar und selbstverständlich. Und das passiert ja auch permanent, und es vergeht auch keine Bundesratssitzung, ohne dass dieses Thema mehrfach angeschnitten wird.

In der internationalen Politik hingegen ist Europa ein kleiner Teil dieser Welt, und wir sind weit davon entfernt, behaupten zu können, dass wir in einer Welt leben würden, in der es keine Kriege, Konflikte, Vertreibungen, keine Flucht von Millionen Menschen gäbe. In dieser globalisierten Welt sind Auswirkungen dieser genannten Phänomene ja auch global, und das Interesse für internationale Politik muss demnach auch größer sein, weil sich in einer kleiner werdenden Welt heute kein Staat dieser Welt mehr aus der Weltpolitik herausnehmen kann, weil jeder Staat von diesen weltpolitischen Ent­wicklungen viel stärker betroffen ist als noch vor ein paar Jahrzehnten. Die Zeiten des Kalten Krieges, als die Welt in zwei Blöcke geteilt war, sind vorbei. Die weltpolitische Situation ist heute weitaus komplexer und schwieriger zu durchblicken, und es ist beim besten Willen nicht immer einfach, die politischen Zusammenhänge zu verstehen.

Umso wichtiger ist es heute, direkte Beziehungen und Kontakte zu Staaten zu unter­halten, um auch nicht immer auf fremde Information und Berichterstattung angewiesen zu sein. Es gibt sehr, sehr viele Staaten auf dieser Welt, die das außenpolitische En­gagement Österreichs sehr schätzen und für die Österreich außenpolitisch ein Name ist. Viele würden sich wünschen, dass es gerade Länder wie Österreich und die skan­dinavischen Staaten sind, die sich außenpolitisch einbringen, und nicht Länder mit ei­ner kolonialen Vergangenheit, wo die Beziehungen schon aufgrund der Geschichte his­torisch vorbelastet sind. Es gibt sehr viele Länder, die sich wünschen, dass es Staaten wie Österreich sind, die politisch vermitteln, und nicht Staaten, denen man im Vorfeld politische Voreingenommenheit, Einseitigkeit, einseitiges wirtschaftliches Interesse at­testiert.

Österreich gilt in der Welt als ein kleines Land, als ein neutrales Land, und hier muss ich meinem Vorredner leider widersprechen, denn ich sehe das nicht so, dass die Neu­tralität heute als überholt gilt, denn Neutralität hieß in Österreich nie, dass man keine politischen Positionen einnehmen kann, sondern, ganz im Gegenteil, Österreich hat sich besonders hervorgetan durch eine aktive Neutralitätspolitik, nämlich dadurch, eine sehr stark vermittelnde Rolle einzunehmen und vor allem auch vorzubringen, dass man nicht mit Krieg und Militärinterventionen Probleme lösen kann. Dadurch hat sich Öster­reich sehr stark ausgezeichnet. Ich meine, dass das Vertrauen der Welt in die österrei­chische Außenpolitik, nämlich eine faire, ausgewogene, vermittelnde zu sein, weitaus größer ist als in jene anderer Staaten.

Ich glaube, dass es angesichts der Vielzahl der Konflikte auf dieser Welt, angesichts eines Wettbewerbs atomarer und militärischer Aufrüstung eben Staaten ohne imperiale und postkoloniale Ambitionen – wie Österreich – bedarf, Staaten, die sich für Abrüs­tung und Frieden auf der Welt engagieren. Und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Rolle vor allem Österreich zukommt.

Daher ist es für mich auch wichtig, dass wir uns in der internationalen Politik nicht nur auf Europa beschränken. Es ist ja nicht so, dass wir international nichts herzuzeigen hätten. Österreich war Mitglied des Sicherheitsrates, Mitglied des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen. Die Resolution 1894 zum Schutz der Zivilbevölkerung in be­waffneten Konflikten ist genannt worden, auch die Resolution 1325 zur Stärkung der Frauen in Krisenregionen. Die Anerkennung hat sicherlich dazu beigetragen, dass es 2011 gelungen ist, in die wichtigsten Gremien des US-Menschenrechtsrates und in den Exekutivrat der UNESCO gewählt zu werden.

Mit Blick auf die UNESCO möchte ich hier noch einmal ausdrücklich die Entscheidung des österreichischen Außenministeriums begrüßen, für die Aufnahme Palästinas in die UNESCO gestimmt zu haben. Das war bestimmt keine einfache Entscheidung. Das hat


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politischen Mut bewiesen in einer sehr schwierigen Frage und ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität und Anerkennung. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

Ich möchte an dieser Stelle auch gleich sagen, dass wir im nächsten Außenpolitischen Ausschuss vorhaben, einen Antrag einzubringen, der die Gefangennahme von Abge­ordneten des palästinensischen Parlaments behandeln wird. Es ist ja seit einem Monat auch der Parlamentspräsident in Gefangenschaft. Mittlerweile sind es 27 Abgeordnete, davon 24 in Administrationshaft. Das ist der Grund, weshalb der Palästinensische Le­gislativrat auch nicht zusammenkommen und wichtige Gesetze beschließen kann. – Dies nur zur Ankündigung.

Österreich ist auch in der Parlamentarischen Versammlung der Mittelmeer-Union aktiv und gut vertreten mit Stefan Schennach als Vorsitzendem des Umweltausschusses. Ich denke, dass Österreich in der Mittelmeerregion sehr viel tun hat und zum Demokra­tisierungsprozess beitragen kann, gerade was den Aufbau der rechtsstaatlichen Institu­tionen und was das demokratische Know-how betrifft.

Ich war letzte Woche in Tunesien und habe versucht, mir ein politisches Bild von dieser postrevolutionären Phase Tunesiens zu machen. In unseren Medien ist leider – ich kann mich erinnern, wie die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung war – fast ausschließlich darüber berichtet worden, dass die Islamisten dort gewonnen haben. Aber dass die Wahlbeteiligung zum Beispiel dort bei 50 Prozent gelegen ist, dass 120 Parteien zugelassen wurden, dass es 1 200 Wahllisten gab, dass auch sozialde­mokratische Parteien gewonnen haben und dass die Leute vor lauter Vielzahl an po­litischen Parteien nicht gewusst haben, wen sie wählen sollen, hat leider niemand da­zugeschrieben.

Dass natürlich jene Parteien gewonnen haben, die in einem derartigen politischen Chaos gut organisiert sind und sehr stark mobilisiert haben, ist logisch. Dass ein Land, in dem jahrzehntelang ein autokratischer Polizeistaat geherrscht hat, ohne dass es je­mals demokratische Wahlen gegeben hat, natürlich Probleme hat mit Wahlvorberei­tungen, ist auch klar. Woher sollten die Menschen auch die politische Erfahrung neh­men, Wahlen durchzuführen? Im Bereich des Wahlsystems hat es auch Probleme ge­geben, weil Reststimmenmandate beispielsweise nicht national zugeordnet wurden, sodass vermutet wird, dass über 1 Million Stimmen sich nicht in Mandaten ausgewirkt haben.

Ich möchte das jetzt nicht in Details ausführen. Was ich damit aber sagen möchte, ist, dass es so vieles gäbe, wo Österreich mit geringen Mitteln die demokratische Ent­wicklung in Staaten mit Fachwissen unterstützen könnte.

Natürlich ist es so, dass mit Entwicklungspolitik sehr viel zu Demokratie, sozialer Si­cherheit und Stabilität beigetragen werden kann, aber in letzter Zeit wird mir ehrlich gesagt die Entwicklungspolitik zu sehr mit anderen Politikbereichen vermengt, und die­se Entwicklung gefällt mir persönlich nicht. Genauso wie ich der Meinung bin, dass man Entwicklungspolitik nicht mit Sicherheitspolitik vermischen darf, finde ich auch, dass man Entwicklungspolitik nicht unter den Primat der österreichischen Außenwirt­schaft stellen sollte. Es soll nicht nach dem Motto gehen: „Wir geben dann etwas her, wenn wir auch etwas davon haben“. Das ist nicht Entwicklungspolitik! Und es ist na­türlich politisch sehr zu bedauern, dass die Entwicklungshilfeleistungen drastisch zu­rückgeschraubt und viele Projekte eingestellt wurden, dass es hier einen Rückzug aus bestimmten Regionen, wie Westafrika und Lateinamerika, gegeben hat.

Ich hoffe, dass sich das ändern wird. Ich hoffe, Herr Außenminister, dass ich bald von Ihnen hören darf, dass es wieder neue Projekte Österreichs in der Welt gibt, vor allem natürlich auch in der Mittelmeerregion, die das jetzt, gerade jetzt angesichts dieser Aufbrüche und Revolutionen, angesichts dieser Unsicherheit sehr stark bräuchte.


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Auch wenn es natürlich notwendig ist, sich mit den EU-Staaten abzustimmen und, was die EU-Außenpolitik anbelangt, sich zu koordinieren, so hindert uns niemand daran, abseits des europäischen Mainstreams auch eigene politische Wege zu gehen. – Dan­ke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


11.39.21

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Vieles wurde von den VorrednerInnen schon gesagt, aber eines noch nicht, und ich sage das in Ihrem Namen auch – so unverschämt bin ich –: Einen herzlichen Dank an die VerfasserInnen des sehr übersichtlichen Berichtes. (Bun­desrat Boden: Da hast du wieder nicht aufgepasst! Da hast du wieder geschlafen! – Weitere Zwischenrufe.) Doch? – Verzeihung! Dann nehme ich das zurück. Dann ma­che ich das nur im Namen meiner Partei: Herzlichen Dank für den Bericht!

Was für mich nicht ganz nachvollziehbar ist, ist Folgendes: Dass wir den Bericht von 2010 erst jetzt diskutieren, liegt, nehme ich einmal an, daran, dass er recht lange beim Präsidium gelegen ist, oder auch daran, dass er zu spät zugeschickt worden ist. Auf jeden Fall würde ich mir, würden wir uns wünschen, dass wir den Bericht von 2010 vielleicht spätestens 2011 diskutieren. Dann ist zumindest eine zeitliche Nähe gegeben.

Nichtsdestoweniger zum Inhalt: – Was ich aus diesem Bericht herauslese oder auch an der österreichischen Außenpolitik etwas kritisiere, ist, dass sie zu sehr wirtschaftsorien­tiert ist. Am besten wird das daran deutlich, dass wir zum Beispiel fast nur dort neue Botschaften und Vertretungsbehörden errichten, wo es auch große Projekte abzuwi­ckeln gibt. Zum Beispiel „Nabucco“: In Aserbaidschan haben wir eine Vertretungsbe­hörde errichtet. Die gesamte Außenpolitik ist zu sehr – auch wenn es ein wichtiger Aspekt ist – von Wirtschaftsinteressen dominiert; das ist etwas zu kritisieren.

Ich werde nicht alle Punkte ansprechen können, aber ein zweiter Punkt, den ich her­vorheben möchte, ist folgender. Sehr geehrter Herr Vizekanzler, ich weiß jetzt nicht, ob ich Sie als Vizekanzler ansprechen soll, als Außenminister oder als Parteichef; es ist alles sehr schwierig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber das Engagement, das Sie bei der Installierung des saudi-arabischen Zentrums in Wien an den Tag gelegt haben, ist wirklich nicht nachvollziehbar!

Unter dem Deckmantel des interreligiösen Dialoges und der Integration kann man an­scheinend wirklich alles, was Gott verboten hat, in Gang setzen. Ich bin nicht gegen den Dialog, ich bin für den Dialog – aber wenn wir den Dialog suchen, dann bitte mit jenen, die in Österreich ansässig sind! Da gibt es die Islamische Glaubensgemein­schaft in Österreich, die von 10 Prozent der in Österreich lebenden Muslime gewählt worden ist. Es gibt die Initiative der liberalen Muslime, die gerade auch für die österrei­chische Integrationspolitik sehr wichtige Beiträge leistet. Es gibt auch eine nicht zu ver­nachlässigende Gruppe von mindestens 50 000 Aleviten/Alevitinnen, die in Österreich leben. All diese Gruppierungen werden kaum oder fast nicht in diesen vermeintlichen Dialog einbezogen.

Warum es aus meiner Sicht noch sehr kritisch zu betrachten ist: Wir wissen, welche Form des Islams aus Saudi-Arabien exportiert wird; ich sage ganz bewusst: „exportiert wird“. Wir wissen aus Ländern, in denen diese Institutionen gegründet werden, welche Probleme es damit gibt. Wir brauchen den Blick nur nach Bosnien-Herzegowina zu richten: Das Erste, was nach dem Krieg gestanden ist, waren die Moscheen, finanziert von den Saudis; und wir wissen, welches Gedankengut dorthin exportiert worden ist und welche Auswirkungen das auf die Gesellschaft hat.


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Das sage ich in aller Deutlichkeit: Kein falsch verstandener Dialog, keine falsch ver­standene Toleranz – wir haben in Österreich österreichisches Recht und nicht die Scharia! (Allgemeiner Beifall.) Und: Wir haben universal gültige Menschenrechte und nicht islamische Menschenrechte, die gültig sind.

All diese Institutionen dienen dazu, dieses geistige Gut, das dort vertreten wird, zu ex­portieren. Das ist einer meiner schärfsten Kritikpunkte. Ich verstehe es nicht – ich ver­stehe es schon, aber vielleicht können Sie es wirklich noch einmal von sich aus er­klären –: Sie selbst sind Mitglied eines katholischen Ordens, und da gibt es doch be­stimmte Werte, die Sie vertreten, für die Sie eintreten. Ich weiß nicht, warum gerade je­mand wie Sie als Außenpolitiker, als Vizekanzler und als Mitglied eines katholischen Ritterordens derartige Strömungen unterstützt und in Österreich salonfähig macht! Es ist ein riesengroßes Fragezeichen. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Die Wikileaks-Depeschen haben Folgendes zutage gebracht, und zwar in einer Korrespondenz unter den US-Diplomaten. Insgesamt bescheinigen die US-Diplomaten ihrem Gastland, also Österreich, eine Kluft zwischen dem Bild, das Ös­terreich sich selbst von seiner Rolle in der Welt macht, und seiner tatsächlichen, zu­nehmend bescheidenen Leistung. Es ist begrüßenswert, wenn in der EU zu außenpo­litischen Fragen einheitliche Positionen eingenommen werden, und es ist begrüßens­wert, wenn wir aktiv diese Außenpolitik betreiben. Aber man gewinnt den Eindruck, dass gerade Österreich, mit so vielen Institutionen, die auf internationaler Ebene ver­treten sind, UNO, IAEO und all den Vertretungsbehörden der anderen Länder, hier ei­ne immer passivere Rolle einnimmt.

Ich weiß jetzt nicht, woran das liegt. Liegt es vielleicht daran, dass Sie so viel mit ande­ren Themenbereichen beschäftigt sind? Oder ist es generell die österreichische Posi­tion zur Außenpolitik? – Hier würde ich mir von Österreich, gerade weil wir – Kollege Kneifel hat es angesprochen – ein neutrales Land sind, viel klarere Positionierungen in bestimmten Themenbereichen wünschen. Zum Beispiel im Israel-Palästina-Konflikt: Da hat es gerade Kritik seitens israelischer PolitikerInnen gegeben, dass Österreich eine sehr passive Rolle einnimmt.

Man könnte noch sehr, sehr vieles anmerken. Im Großen und Ganzen: noch einmal ei­nen herzlichen Dank an die VerfasserInnen! Ich hoffe, sehr geehrter Herr Minister, dass Sie diese Fragen, die ich aufgeworfen habe, nicht persönlich nehmen, aber ich bin wirklich brennend daran interessiert, warum Sie sich für ein saudisches Zentrum in Österreich einsetzen, obwohl wir wissen, welches Gedankengut dort exportiert wird, obwohl dort Menschen, die eine andere Meinung oder andere sexuelle Orientierung haben, hingerichtet werden. Man kann den Dialog suchen, aber es gibt genügend Gruppierungen in Österreich, mit denen man ihn suchen kann; da muss man nicht die Wahnsinnigen aus dem Ausland importieren! – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

11.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


11.47.18

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu meinem Vorredner: Lieber Efgani Dönmez, du hast etwas angesprochen, worauf unser Herr Bundesminister, Vizekanzler und Parteiobmann sicherlich noch persönlich eingehen wird. Aber eines ist mir schon aufgefallen: Du hast das Wikileaks zitiert und nimmst das alles wahrscheinlich ernst. Ich habe jetzt nachgeschaut, was Wikileaks über Angela Merkel geschrieben hat (Bun­desrat Schreuder: Nein, das hat nicht Wikileaks geschrieben! Das sind diplomatische Dokumente der USA! – Ruf bei der ÖVP: Bitte, lasst ihn ausreden!): Reagiert unter


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Druck schwach, ist wenig kreativ, und es gleitet alles ab wie Teflon. (Ruf bei der FPÖ: ... stimmt ja!)

Wenn man die Entwicklung der letzten Wochen gesehen hat, dann hat man in Europa klar gesehen, wer eine Führungsrolle übernommen hat – unter Druck! Also insoweit ist dieser Vergleich und dieses Zitieren von gewissen gewünschten Papieren immer sehr gefährlich, weil man die andere Seite auch hören möchte. (Beifall bei der ÖVP. – Bun­desrat Schreuder: Das hat nicht Wikileaks geschrieben! Hat nicht Wikileaks geschrie­ben!) – Sie können sich gerne noch zu Wort melden, Herr Kollege. (Bundesrat Schreu­der: Nein, das hat nicht Wikileaks geschrieben, das haben US-Behörden geschrieben!)

Ich möchte gerne auf den Außen- und Europabericht des Jahres 2010 noch einmal ein­gehen, und zwar von der allgemeinen Situation her. Wie definiert man eigentlich die österreichische Außenpolitik? – Die Eigendefinition lautet: Die primäre Aufgabe der ös­terreichischen Außenpolitik ist es, Beziehungen Österreichs zu allen Ländern der Welt zu pflegen und die Interessen Österreichs in internationalen und regionalen Organisa­tionen zu vertreten. Eine besondere Rolle kommt – und deswegen auch der Name „Au­ßen- und Europapolitischer Bericht“ – seit 1995 der Mitwirkung Österreichs an der Ge­meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zu. In diesem Rah­men nimmt Österreich an der Entwicklung von gemeinsamen Positionen, Aktionen und Strategien und der Ausarbeitung von Erklärungen aktiv teil.

Was sind die regionalen Schwerpunkte? – Sie wurden bereits angesprochen. Es sind dies primär die Beziehungen zu Nachbarstaaten, einschließlich der Entwicklung einer regionalen Partnerschaft mit den Nachbarn in Mittel- und Osteuropa: Polen, Slowakei, Slowenien, Tschetschenien, Ungarn, Moldawien. Ich möchte nur diese Donaustrategie auch in diesem Zusammenhang ansprechen.

Das Verhältnis zu den Ländern Südosteuropas: Österreich unterstützt die europäische Perspektive dieser Staaten auch im Interesse der regionalen Stabilität. Besonderes Au­genmerk wird gegenwärtig, wie wir gehört haben, dem EU-Beitritt Kroatiens, woran Ös­terreich einen großen Anteil hatte und sehr viel im Vorfeld auch im positiven Sinne auf­bereitet hat, und der weiteren Entwicklung der westlichen Balkanländer gewidmet. In einer gemeinsamen Initiative mit Griechenland wurde ein Westbalkanimpuls gesetzt, um den Staaten der Region dabei zu helfen, sich der EU anzunähern, mit dem Ziel, dass alle diese Staaten bis etwa 2020 als Mitglieder der EU dastehen. Dazu kommt noch die Unterstützung von Initiativen zur Schaffung von Frieden, Stabilität und Wohl­stand in der Mittelmeerregion und in den benachbarten Ländern des Nahen und Mittle­ren Ostens.

Wenn man sich aber heute tagesaktuell die Schlagzeilen ansieht, dann weiß man, dass täglich und überall auf der Welt neue Krisenherde entstehen können, neue Ent­wicklungen und Strömungen da sind. Sudan-Schlagzeile: Droht erneut eine kriegeri­sche Auseinandersetzung? – Wir kennen die Vorgänge in Syrien, wo sich tagesaktuell die Ereignisse überschlagen. Und ein kleines Land in Westafrika ist heute ebenfalls in den Medien: Guinea-Bissau.

Was sind die thematischen Schwerpunkte in der österreichischen Außenpolitik? – Es war klar die starke Rolle der Vereinten Nationen sowie die Nutzung der Möglichkeiten der OSZE und des Europarates. Der Respekt für das Völkerrecht, die universelle Gül­tigkeit von Menschenrechten und die Rechte von Minderheiten sind für Österreich von großer Bedeutung: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, so könnte man das zusammenfassen.

Die bahnbrechenden Entwicklungen im Nahen Osten und in Nordafrika in den vergan­genen Wochen und Monaten zeigen die Aktualität der Schwerpunkte, die Österreich in seiner Außenpolitik seit vielen Jahren verfolgt. Dazu gehören vor allem die Stärkung


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der Herrschaft des Rechts, der Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten und – es wurde bereits von Kollegin Duzdar erwähnt – die Rolle von Frauen in der Be­wältigung von Konflikten und im Wiederaufbau.

Meine Damen und Herren! Genau diese Themen waren auch die großen Schwerpunk­te, die Österreich während seiner Mitgliedschaft und seines Vorsitzes im UN-Sicher­heitsrat in den letzten beiden Jahren gesetzt hat. Hier ist es wirklich großartig gelun­gen, sozusagen in der Auslage der internationalen Welt eine gute Rolle zu absolvieren. (In Richtung Vizekanzler Dr. Spindelegger:) Ich möchte dir noch einmal sehr, sehr herzlich für dein Engagement danken! Ich glaube, es war sehenswert und beispiellos, wie sich auch hier Österreich positiv präsentiert hat. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn man sich den umfassenden Bericht durchliest, dann braucht man viel Zeit. Es ist viel Interessantes drinnen, und es wäre nicht möglich, auf all diese Details hier und heute einzugehen. Ich habe mir ein Kapitel herausgesucht, das die Menschen betrifft: Österreicherinnen und Österreicher, die im Ausland sind oder dort auch leben. Welt­weit für sie da ist die rechtliche und konsularische Dimension der österreichischen Au­ßenpolitik.

Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Die Österreicherinnen und Österreicher wer­den immer mobiler! Mehr als die Hälfte, rund 60 Prozent, reisen zumindest einmal im Jahr ins Ausland. Insgesamt wurden 2010 mehr als zehn Millionen Urlaubs- und Ge­schäftsreisen von Österreicherinnen und Österreichern durchgeführt. In Österreich le­ben über 8 Millionen Menschen. Wir wissen aber auch, dass rund 400 000 Österreicher und Österreicherinnen im Ausland leben; auch für sie sind unsere Botschaften und unsere Generalkonsulate oft Ansprechpartner. Dabei geht es oft, ja meistens um per­sönliche Ausnahmesituationen wie Dokumentenverlust, Krankheit, Unglücks- oder so­gar Todesfälle.

2010 war ein relativ normales Jahr ohne gravierende Naturkatastrophen oder brisante politische Entwicklungen. Das war, wie wir alle wissen, im Jahr 2011 ganz anders. So hat das Außenministerium im Jahr 2011 seinen konsularischen Einsatz in vielfacher Weise verstärkt. Zehntausende Anfragen allein im Zusammenhang mit der Krisenre­gion in Nordafrika und im Nahen Osten oder mit Japan wurden rund um die Uhr be­antwortet. Es wurden eigene Krisenunterstützungsteams nach Tunesien, nach Ägypten und nach Libyen entsandt, an denen auch das Innen- und das Verteidigungsministe­rium beteiligt waren.

Bis dato wurde eine vierstellige Zahl von Menschen evakuiert. Wie schnell so etwas gehen kann und wie tagesaktuell so etwas sein kann, hat eine Meldung vom Dienstag dieser Woche gezeigt, in der es um ein Erdbeben vor Sumatra, einer schon einmal betroffenen Region, gegangen ist. Da hat eigentlich keiner gewusst: Kommt es wieder zu einer Tsunami-Warnung, kommt es wieder zu einer Naturkatastrophe?

Das ist etwas, was hier abgedeckt wird und was, glaube ich, auch großartig gelingt. Dazu stehen 1 277 Personen mit einem Frauenanteil von 48,5 Prozent und 36 Verwal­tungspraktikanten und -praktikantinnen im Einsatz. Österreich unterhält 82 bilaterale Botschaften und 11 Generalkonsulate mit umfangreichen Serviceeinrichtungen zur Ab­wicklung der international notwendigen diplomatischen Beziehungen.

Als Visitenkarte Österreichs könnte man die Auslandskulturpolitik bezeichnen, die im Kapitel K zusammengefasst ist. Sie ist ein wesentlicher Teil des Außenministeriums und ein zentrales Instrumentarium, das Österreich über seine Botschaften, Kulturforen und Konsulate weltweit mit Erfolg einsetzt. 5 400 Veranstaltungen in über 100 Ländern und 800 Städten mit fast 8 Millionen Besuchern und Besucherinnen weltweit – damit trägt die Auslandskultur maßgeblich zum internationalen Erscheinungsbild und der Po­sitionierung Österreichs bei.


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Die Visitenkarten Österreichs in aller Welt leisten ausgezeichnete Arbeit. Ich möchte dir als zuständigem Minister zu deinem Team gratulieren, das seine Arbeit auch in Kri­senzeiten hervorragend erledigt. Stellvertretend für alle möchte ich dazu Generalsekre­tär Dr. Johannes Kyrle namentlich erwähnen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.57


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanz­ler. – Bitte.

 


11.57.20

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanz­ler Dr. Michael Spindelegger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möch­te auf einige Fragen eingehen, die im Zuge der Debatte vorgebracht wurden, darf Ih­nen aber zunächst einmal Folgendes sagen: Dieser Außenpolitische Bericht wird je­weils in meinem Haus aus allen Abteilungen zusammengetragen, aber von einem re­digiert, der heute auch hier ist, das ist Herr Kollege Weidinger. Er hat sich jedes Jahr die Arbeit zu machen, das alles zusammenzustellen. (Allgemeiner Beifall.)

Der Bericht besteht aus verschiedenen Teilen, und ich darf jetzt auf das eingehen, was für uns im Jahr 2010 bestimmend war.

Nummer eins war das Engagement im UNO-Sicherheitsrat, das war der beherrschen­de Teil des Jahres 2010 in der Außenpolitik. Wir haben Initiativen gesetzt zum Sudan, die bis heute anhalten, wo wir jetzt auch wieder aktiv werden, denn ein Krieg zwischen Sudan und Südsudan kann nicht das Ziel sein. Darum werden wir uns da auch wieder aktiv einbringen. Wir haben gemeinsam mit Hillary Clinton zum Thema Frauen eine Reihe von Initiativen gesetzt, die im November 2010 in einer gemeinsamen Sitzung des Sicherheitsrates geendet haben. Ich selbst habe an zehn Sitzungen des Sicher­heitsrates teilgenommen. Das war und ist also ein bestimmender Teil.

Wir haben uns immer zum Ziel gesetzt, dass die zwei Jahre im Sicherheitsrat der Ver­einten Nationen dazu führen müssen, dass Österreich wieder stärker zur Drehscheibe zwischen verschiedenen Konfliktparteien wird. Das haben wir geschafft! Wir haben das International Peace Institute von New York nach Österreich gebracht. Das ist ein ganz bedeutender Think Tank, der zukünftig in Wien seinen Hauptsitz haben wird. Meine Damen und Herren, New York und Wien standen da in Konkurrenz – wir haben dieses IPI nach Wien gebracht! Ich weiß schon, jemand, der sich mit Außenpolitik nicht be­schäftigt, weiß das nicht. Aber das ist eine gute Entscheidung gewesen, und wir wer­den zukünftig mit dem IPI jährlich viele verschiedene Initiativen starten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben zum Zweiten auch dazu beigetragen, dass es eine neue Abrüstungsinitiative gibt. Wir haben gemeinsam mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Drehscheibe in Österreich etabliert, nämlich ein Abrüstungszentrum einerseits, das die Koordinierung der verschiedenen Teile der Vereinten Nationen hier zusammenführt. Das haben wir mit dem Generalsekretär im Februar dieses Jahres eröffnet.

Andererseits haben wir auch die NGOs, die ja so bedeutend tätig waren, um gemein­sam eine Antiminenkonferenz aufzubauen, um diese Streumunitioninitiative zu starten, zusammengefasst in einer österreichischen Institution, wo sie auch zukünftige Aktivitä­ten setzen werden. Auch das ist eine Initiative, die aus dieser Zeit des Sicherheitsrates kommt.

Und – ja, ich bekenne mich ganz ausdrücklich dazu – wir haben uns auch gefragt: Was ist denn einer der großen Punkte für die zukünftige Entwicklung? – Das ist die Unter­schiedlichkeit der verschiedenen Religionen, die dazu führt, dass es immer mehr Hass gibt, immer mehr Konflikt gibt, gerade im Nahen Osten, gerade jetzt, was den Arabi-


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schen Frühling anlangt, wo wir sehen, was dort aufkommt. Darum haben wir in Wien ein Dialogzentrum für Religionen geschaffen.

Herr Kollege Dönmez, das ist kein wahhabitisches Zentrum (Bundesrat Dönmez: Na ja!), sondern eine internationale Organisation – im letzten Ministerrat habe ich dazu die Beschlüsse vorgelegt, die jetzt im Hohen Haus liegen –, eine internationale Organisa­tion zum Dialog verschiedener Religionen, nicht des Islam untereinander, sondern zwi­schen Christentum und Islam. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Initiative, meine Damen und Herren, ist nämlich grundgelegt in einem Treffen, das viele Jahre zuvor stattgefunden hat, nämlich zwischen dem saudi-arabischen Kö­nig und dem Papst. Von beiden Institutionen wurde der Beschluss gefasst, wir gründen ein solches Zentrum, die Frage war, wo. Österreich hat sich dafür angeboten, weil wir auch da eine Drehscheibe sein wollen. In diesem Zentrum, das jetzt eine internationale Organisation wird, in der drei Staaten verantwortlich sind, nämlich Saudi-Arabien, Ös­terreich und Spanien, werden wir den Dialog zwischen Islam, Christentum, Judentum, dem Buddhismus und dem Hinduismus mit überall gleichberechtigten Teilnehmern füh­ren. Dort wird es genau um den Inhalt gehen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Religion Interesse daran haben kann, dass aus einem religiösen Grund he­raus Gewalt gesät wird, dass dadurch Kriege begonnen und geführt werden. Ganz im Gegenteil! Das muss anders werden, und darum ist es auch gut, dass wir dieses Zen­trum in Wien angesiedelt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben, Kollege Dönmez, auch die Frage angesprochen, dass Israel uns kritisieren würde, dass wir zu wenig aktiv sind. Ich weiß nicht, was Sie lesen, offenbar nur den „Falter“ (Heiterkeit bei der ÖVP), aber nicht das, was für uns in der Außenpolitik rele­vant ist.

Lieber Herr Kollege Dönmez, wir sind gerade zweimal massiv von Israel kritisiert wor­den. Eines hat die Frau Kollegin angesprochen, nämlich unsere Entscheidung, dass wir die Palästinenser als vollberechtigtes Mitglied in die UNESCO aufnehmen – starke Kritik Israels war die Folge. Eine zweite Kritik kam erst in den letzten Tagen, weil wir nämlich im Menschenrechtsrat dafür eingetreten sind, auch die israelische Siedlungs­politik in den Palästinensergebieten zu kritisieren. Und ich stehe dazu. Auch dort muss man die Medaille immer von beiden Seiten betrachten.

Ich stehe auch dazu, dass man auch dieses Vorgehen Israels in den palästinensischen Gebieten mit ständiger Provokation und ständig neuen Siedlungen durchaus zu kriti­sieren hat. Das haben wir dort gemacht, und wir sind von Israel stark kritisiert worden. Also ich glaube nicht, dass Ihre Informationen – ich weiß nicht, woher Sie die haben – ein wirklich umfassendes außenpolitisches Bild ergeben. Aber okay.

Ich möchte zu dem Punkt kommen, der auch im Bericht besonders ausgeführt wird. Im Jahr 2010 hatten wir 300 000 Konsular-Fälle. Jeder, der mich heute fragt, ob wir denn hier und dort eine Botschaft brauchen, vergegenwärtigt sich nicht, dass dann, wenn eine Österreicherin, ein Österreicher im Ausland in Not gerät, sie beziehungsweise er möglichst schnell zum österreichischen Botschafter, zu einem Mitarbeiter unseres Hau­ses kommen möchte, um gerettet zu werden, um Hilfestellung zu bekommen, um einen neuen Pass ausgestellt zu bekommen, nach Hause geflogen zu werden, und, und, und. Die Palette ist groß, und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – es sind nur 1 300 an der Zahl – leisten im Ausland wie im Inland ganze Arbeit. Das möchte ich heute auch ganz besonders betonen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrä-
tin Michalke.)

Sie sind diejenigen, die auch um Mitternacht oder in den frühen Morgenstunden bereit sind, wenn es darum geht, jemandem zu helfen. Da gibt es so viele positive Beispiele.


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Ich kann Ihnen von vielen Briefen und Mails berichten, worin sich Österreicher bei die­sen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, weil sie wirklich tolle Arbeit leisten.

Ich komme zu einem Punkt, der für mich wichtig ist, das ist die Nachbarschaftspolitik. Was haben wir als Österreicher getan? – Wir haben im Jahr 2010 grundgelegt, dass wir eine Donauraumstrategie beschließen können. Das ist eine völlig neue Entwicklung einer makroregionalen Strategie in der Europäischen Union, die mit Mitteln ausgestat­tet wird. Wir waren die Federführenden. Gemeinsam mit Rumänien haben wir das aus der Taufe gehoben. Wir können heute sagen, diese Donauraumstrategie, die von un­ten, von Bottom up, mit Projekten ausgestattet wird, wird uns dazu bringen, dass das auch Benefits hat. Von Oberösterreich mit dem Hafen Linz, wo Kollege Kneifel beson­ders engagiert ist (Bundesrat Kneifel: Enns!) – Entschuldigung, Enns (Heiterkeit – Bundesrat Kneifel: Aber die Linzer sind auch nicht schlecht!) –, bis hinunter zur Mün­dung der Donau ins Schwarze Meer ist das eine großartige Initiative. Das heißt, die Donaurauminitiative, die -strategie, die daraus geworden ist, ist ein Projekt Österreichs, auf das wir stolz sein können.

Wir werden auch beim Westbalkan nach wie vor aktiv bleiben. Ich finde die Initiative des Bundesrates und des Präsidenten Hammerl, dass wir Anfang Mai auch zum The­ma Kroatien als dem 28. Mitgliedsland der Europäischen Union eine große Konferenz abhalten, eine sehr gute Initiative. Sie zeigt, dass auch die zweite Parlamentskammer in Österreich entsprechende Initiativen setzt. Ich begrüße das sehr und unterstütze das. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Michalke.)

Lassen Sie mich mit einem Projekt schließen, das wir auch 2010 vorangetrieben ha­ben: die Initiative, in Österreich den Dialog der Bevölkerung zu Europa auf andere Bei­ne zu stellen. Wir haben begonnen, „EU-Gemeinderäte“ zu gewinnen, das heißt sol­che, die in einem Gemeinderat tätig sind und sich auch in den Dienst dieses gemein­samen Dialoges stellen. Mittlerweile haben wir 280 solche Gemeinderäte in ganz Ös­terreich, die wir einmal im Jahr zusammenholen. Sie sind diejenigen, die die aktive Dia­logarbeit mit dem Bürger leisten, und ich möchte mich bei allen bedanken, die dabei mitwirken. Sie kommen aus allen Parteien, und ich freue mich sehr, dass sie Begeis­terung mitbringen. Wir haben sie auch eingeladen, Institutionen zu besuchen, diesen Dialog auch mit Kommissaren zu führen, die ihnen, wenn sie in Wien sind, zur Verfü­gung stehen. Ich kenne viele dieser besonderen Aktivisten, die in den Gemeinderäten tätig sind, die sich intensiv mit den Bürgern auch zu den schwierigen Europafragen auseinandersetzen. Auch dafür ein herzliches Danke an alle, die dort engagiert sind.

Meine Damen und Herren! Der Außen- und Europapolitische Bericht 2010 ist ein um­fassendes Werk, aber ein wichtiges, das dokumentiert, dass wir eine strategisch ge­plante, gute professionelle Außenpolitik in diesem Land machen, und das seit vielen Jahren. Ich möchte das gerne auch in Zukunft fortsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Herr Vizekanzler.

Ich darf nun auch Herrn Staatssekretär Dr. Waldner ganz herzlich bei uns im Bundes­rat begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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12.07.495. Punkt

EU-Arbeitsprogramm 2012; Bericht des Bundesministers für europäische und in­ternationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament (III-458-BR/2012 d.B. sowie 8695/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte um den Bericht.

 


12.08.03

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für aus­wärtige Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2012 im Bericht des Bundes­ministers für europäische und internationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament liegt in schriftlicher Form vor, und ich komme daher sogleich zum Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen. – Danke schön.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


12.08.36

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Wir haben ja heute schon sehr viel zum Thema österreichische Außen­politik gehört. Im letzten Punkt dieses Blockes werden wir uns jetzt ein wenig mit der europäischen Außenpolitik auseinandersetzen und über das EU-Programm für das lau­fende Jahr diskutieren.

Es gibt ja durchaus einige positive Punkte, die ich nicht verschweigen möchte, bei­spielsweise die EU-Erweiterung um Kroatien. Breiter Raum ist auch der Donauraum- und Schwarzmeerstrategie gewidmet, wie wir ja gerade vorhin bereits gehört haben. Das ist äußerst positiv zu beurteilen.

Es gibt aber auch sehr viele Punkte in diesem Bericht, die wir kritisch sehen, und ich möchte den einen oder anderen im Rahmen dieser Debatte ansprechen.

Gleich der erste Punkt widmet sich dem Fiskalpakt, der ja mittlerweile – das ist ja schon überholt – Anfang März vom Europäischen Rat unterzeichnet wurde. Ich brau­che mich hier nicht besonders zu verbreitern, ich glaube, unsere Haltung, die Haltung der FPÖ, zu diesem Fiskalpakt ist hinlänglich bekannt. Wir haben zu diesem Pakt immer eine Volksabstimmung verlangt, und wir fragen uns, warum das, was für Irland möglich ist, nicht auch beispielsweise für Österreich möglich sein sollte. Wir sind eben einfach gegen diese zwanghafte Gleichschaltung unterschiedlicher Volkswirtschaften, die schlussendlich nur einen weiteren Schritt zu einem zentralistischen europäischen Bundesstaat darstellt und zu einer Entmachtung der souveränen Staaten in Europa führen wird. Auch wenn das mein Landeshauptmann Voves in der Steiermark befür­wortet – ich tue es nicht.

Ähnlich verhält es sich mit dem permanenten Stabilitätsmechanismus, der Mitte 2012 in Kraft treten soll. Auch hier haben wir ja unsere kritischen Positionen bereits mehr­fach geäußert und dargelegt.

Ein wichtiger Punkt in diesem Vorhabensbericht sind die Erweiterungskandidaten. Un­ter anderem wird hier auch vom Sonderfall Türkei gesprochen. Es wird in diesem Be­richt zugegeben, dass in den Erweiterungsverhandlungen de facto Stillstand herrscht, es wird aber auch gesagt, ein Einfrieren wäre kontraproduktiv, das Ergebnis soll offen bleiben.


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Bei diesem Bericht stellt man fest, dass er sich eigentlich fokussiert auf die Zypern-Fra­ge. Das ist irgendwie verständlich, wenn man weiß, dass Zypern als nächstes Land den Vorsitz führt, aber es gäbe, so glaube ich, durchaus noch einige andere Punkte anzusprechen, etwa Religionsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit, Völkermord. Zu Armenien, das wissen wir, hat es in der Vergangenheit ja heftige Diskussionen mit Frankreich gegeben. Ich stelle hier einfach mangelnden Mut der Europäischen Union fest, dass man sagt, die Türkei ist kein europäischer Staat.

Ich glaube, wir alle, sowohl die Europäische Union als auch die Türkei, wären besser beraten, wenn die Türkei sich auf ihre große osmanische Tradition besinnen würde, die sie in der Vergangenheit hatte, in der Geschichte hatte, wenn sie ihre zentrale Rolle mit all den Turkvölkern, die bis weit in die asiatische Steppe hinein angesiedelt sind, bis an die Grenze Chinas reichen, wahrnehmen würde, wenn sie dort ihre geopolitische und strategische Verantwortung verstärkt wahrnehmen würde und so als Partner auf Au­genhöhe zur Europäischen Union behandelt werden könnte. (Vizepräsident Mag. Him­mer übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, niemandem ist damit gedient, hier nicht und schon gar nicht der türkischen Bevölkerung. Man liest es ja auch in den Medien, dass eigentlich die Stimmung in der Türkei gar nicht so EU-freundlich ist, weil man sagt, ihr werdet irgendwann vielleicht einmal in ferner Zukunft ein ungeliebtes Anhängsel der EU sein. Wir haben auch in der EU andere Assoziierungsabkommen, andere Partner, denen wir auf Augenhöhe gleich­berechtigt begegnen. Ich glaube, damit wäre allen wesentlich mehr gedient. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit ganz besonderem Erstaunen habe ich den Bericht unter der Überschrift „Europa als Akteur in der Welt“ gelesen. Und was ist da der erste Unterpunkt? – Der Arabische Frühling! Er wurde heute ja bereits mehrmals angesprochen. Nur, meine Damen und Herren, ich kann in der europäischen Außenpolitik nichts erkennen, keine Strategie er­kennen, die diesen Arabischen Frühling in entsprechend geregelte und gelenkte Bah­nen führen würde.

Es ist hier die Rede von einem Prozess des Demokratieaufbaus. Es ist sicherlich gut, wie es die Frau Kollegin Duzdar heute schon angesprochen hat, wenn wir als Öster­reicher durch Beratung Hilfestellung leisten beim Aufbau von demokratischen Prozes­sen und Strukturen, aber eine europäische Politik kann ich hier fürwahr nicht erkennen.

Und wenn man sagt, die EU ist bereit, sich am Wiederaufbau Libyens zu beteiligen, so muss ich schon feststellen: Bis jetzt hat sie sich in erster Linie am Zusammenbomben der Infrastruktur beteiligt gehabt – mit Frankreich an vorderster Front. Ich bin bei Gott keiner, der Gaddafi verteidigen will, der ein korrupter, undemokratischer Tyrann war, aber eines ist politisches Faktum: Vor diesem Prozess hat Libyen, hat die libysche Be­völkerung den höchsten Lebensstandard in ganz Afrika gehabt. Nun steht man vor ei­nem Trümmerfeld, und Libyen ist in akuter Gefahr einer Spaltung. Am Beispiel der Tuareg, die Teile Libyens und Malawis als ihren eigenen Staat ausrufen, sehen wir es ja bereits. Und das kann nicht das Ziel einer europäischen Außenpolitik sein!

Zu Syrien will ich gar nichts sagen, denn hier schaut Europa mehr oder weniger zu und schweigt.

Meine Damen und Herren! Die ganze Problematik der Islamisierung auch in diesen Ländern mit den Begleiterscheinungen wie Frauenfeindlichkeit und Menschenrechts­verletzungen wird in diesem Vorhabensbericht eigentlich überhaupt nicht angespro­chen.

Es wird auch kein Wort zur Flüchtlingsproblematik gefunden. Da sehe ich keinen Lö­sungsansatz. Wie will man verhindern, dass weiterhin gerade auch aus den afrikani-


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schen Ländern so viele Flüchtlinge, vor allem Wirtschaftsflüchtlinge, nach Europa drin­gen und dann eigentlich auch hier ein menschenunwürdiges Dasein zu fristen haben?

Zur europäischen Außenpolitik – mein letzter Punkt – und zu den strategischen Part­nern, die auch ein Kapitel in diesem Vorhabensbericht sind, muss ich schon sagen, wenn hier die USA angesprochen werden, so haben wir es oder hat die Europäische Union es bis jetzt nicht einmal zustande gebracht, dass alle EU-Länder am Visa Wai­ver Program teilnehmen können. Und wie sieht es aus? Wer sich diesen datenschutz­rechtlich bedenklichen Bedingungen der USA unterwirft, der wird dann gnadenhalber aufgenommen werden. Das ist keine starke europäische Außenpolitik, bei der man ei­nem strategischen Partner – wie es heißt – auf Augenhöhe begegnet!

Wenn man sich das so summa summarum anschaut, dann drängt sich bei mir der Ver­gleich mit einem Haustyrannen auf, der zwar in seinen eigenen vier Wänden und in seiner Familie den „wilden Hund“ spielt und alles reglementiert – vom Glühbirnenverbot angefangen –, aber sich gegenüber den Nachbarn, wenn sie renitent sind, nicht traut, den Mund aufzumachen oder klar Stellung zu beziehen.

Hier fehlt mir eine klare europäische Strategie in der Außenpolitik. Ich kann auch keine besonders aktive Außenpolitik, wie sie der Kollege Kneifel hier angesprochen hat, erkennen. Deshalb werden wir diesem Vorhabensbericht unsere Zustimmung nicht er­teilen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


12.19.15

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Mi­nisterin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht immer ganz einfach, nach dem Kollegen Krusche das Wort zu ergreifen, weil er immer alles so dä­monisiert und verteufelt, so wie die Freiheitlichen allgemein bei all ihrem EU-kritischen Verhalten eigentlich nie etwas vorzuweisen haben, was denn nun eine Strategie sein könnte, wie man ihrer Meinung nach die EU dazu bringen könnte, Strategien im Be­reich der Außenpolitik zu gestalten. Dazu hört man keinen einzigen Satz. Es wird ein­fach immer alles verteufelt, und das scheint mir der falsche Weg zu sein.

Lösungen anbieten, Lösungen aufzeigen, dann gibt es vielleicht eine freiheitliche Au­ßenpolitik in Europa. Das wäre doch einmal etwas Sensationelles, Herr Kollege Kru­sche! Da freuen wir uns schon sehr auf diese Impulse, wirklich sehr.

Ich möchte aus diesem wichtigen Bericht einige Punkte herausgreifen, weil das auch bei dem bereits zitierten Fiskalpaket angesprochen wurde. Das haben wir wirklich aus­reichend diskutiert, und wir haben ja heute noch einen Bericht vom Finanzministerium, was die EU anbelangt. Da wird das noch einmal zur Sprache kommen.

Ich möchte deshalb einen Satz zur Vertragsänderung und zur Einrichtung eines per­manenten Krisenmechanismus sagen, denn der Stabilitätsmechanismus des Europäi­schen Rates wurde im Wege einer einfachen Vertragsänderung eingeleitet. Kollege Krusche hat gemeint, ihr stimmt nicht zu, weil wir bei uns keine Volksabstimmung ge­macht haben. Wir haben auch eine andere Verfassungslage als in Irland. In Irland ist es eben verfassungsrechtlich vorgesehen, dass man darüber zwingend eine Volksab­stimmung abzuhalten hat. Das ist in Österreich eben nicht so. Wir haben handlungs­fähige Politiker aus allen Parteien, die sich einbringen können und in einer guten Dis­kussion dann auch eine Beschlussfassung herbeiführen können. Das ist eben beim Stabilitätsmechanismus und auch beim Fiskalpakt entsprechend geschehen.

Es gibt einige wichtige Punkte, die im Rahmen des Rates noch zu diskutieren sind. So hat es ja bereits die Verlängerung der Amtsperiode des Ratsvorsitzenden Herman Van


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Rompuy gegeben, der für weitere zweieinhalb Jahre gewählt wurde. Bei der euro­päischen Bürgerinitiative hat die freiheitliche Fraktion natürlich mitgestimmt, weil es für euch auch ein wichtiges Anliegen war. Man kann sagen, dass mit etwas gutem Willen, Verstand und Hausverstand derartige Beschlüsse auch einstimmig möglich sind. (Bun­desrätin Mühlwerth: Mit Verstand !) – Ja, Verstand gehört schon dazu, Frau Kollegin Mühlwerth. Das ist ein wesentliches Faktum, das man als Politiker auch mitbringen sollte. Man sollte nicht immer nur irgendetwas nachplaudern, sondern eigenen Ver­stand walten lassen. Das ist eine ganz wichtige Funktion, die jeder Politiker haben soll­te. (Bundesrätin Mühlwerth: Das könntet ihr euch auch einmal auf die Fahnen schrei­ben! – Ruf bei der ÖVP: Seid nicht so charmant zueinander!)

Zu den Szenarien, die heute schon angesprochen wurden, was die EU-Erweiterung anbelangt: Kroatien konnte, wie gesagt, im Dezember nach sechs Jahren Verhand­lungen erfolgreich diesen Vertrag unterzeichnen und wird dann im Juli 2013 beitreten, sofern alle innerstaatlichen Beschlüsse herbeigeführt werden. Das nehmen wir mit be­sonderer Freude zur Kenntnis, weil Österreich sich sehr um diesen Prozess bemüht hat und dabei sehr initiativ war.

Auch die Europakonferenz des Bundesrates wurde angesprochen, die Präsident Ham­merl am 9. Mai in Graz abhalten wird. Der kroatische Staatspräsident wird dabei sein, unser Außenminister wird dabei sein, der EU-Kommissar wird dabei sein. Das ist also eine sehr wichtige und entsprechend hochwertige Konferenz, die wir abhalten werden.

Die übrigen Länder des Westbalkans – das wurde heute schon kurz angesprochen – sind auch hier im Maßnahmenpaket mit dabei. Da gibt es Strategiepapiere zur Finali­sierung des Beitrittsvertrages mit Kroatien, zum Beitrittsantrag von Serbien sowie Fort­schrittsberichte zu Mazedonien, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Montenegro. Der Herr Staatssekretär war ja in Serbien zu Besuch, und ich denke, wir werden darüber heute noch den einen oder anderen Satz hören.

Österreich ist sehr bemüht und initiativ, diesen Ländern unter die Arme zu greifen, denn diese Länder des Westbalkans sind natürlich auch ein Innovations- und Wachs­tumsbereich – das haben wir heute schon diskutiert – für unsere hervorragende öster­reichische Wirtschaft. Wir sind in diesem Bereich auch schon sehr initiativ und haben auch sehr viel investiert.

Zu anderen Beitrittsverhandlungen: Island ist auch auf sehr gutem Wege, hier gibt es aber kein abgekürztes Verfahren. Die Türkei wurde angesprochen. Man kann da durchaus kritisch sein, Herr Kollege Krusche, da möchte ich Ihnen in gewisser Weise sogar recht geben. Es hängt aber auch nicht mit mangelndem Mut zusammen. 23 von 35 Kapiteln wurden verhandelt, und es stockt eben. Die Türkei hat sich da selbst hi­nausmanövriert durch die Situation mit Zypern. Natürlich gibt es jetzt wieder eine weitere Stresssituation, wenn Zypern im Juli den Ratsvorsitz übernimmt. Man wird se­hen, wie sich das dann entwickelt. Aber ich denke, die Situation ist momentan sehr ver­fahren, und es kann auch nicht an eine weitere Abarbeitung von Kapiteln gedacht wer­den. Das ist also eine schwierige Situation, die sich wahrscheinlich mit Juli noch ver­schärfen wird.

Zum Binnenmarkt: Der Binnenmarkt hat 2012 ein besonderes Jubiläum – 20 Jahre Bin­nenmarkt. Es gibt zwölf Initiativen, welche im Rahmen der Binnenmarktakte als prioritär definiert wurden. Ich möchte da jetzt nicht unbedingt zu sehr ins Detail gehen.

Es gibt auch die Donau- und Schwarzmeerraum-Strategie. Der Bundesrat hat sich im letzten Jahr in einer Enquete unter dem Vorsitz von Präsident Kneifel sehr intensiv da­mit auseinandergesetzt. Zusammen mit Rumänien wurde ein gemeinsames Projekt umgesetzt, das die Europäische Kommission auch entsprechend befürwortet und dem sie zugestimmt hat. Das ist also eine ausgezeichnete Initiative im Rahmen der Strate­gie für den Donauraum.


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Kollege Krusche hat zum Punkt „Europa als Akteur in der Welt“ den Arabischen Früh­ling angesprochen. Man kann schon kritisieren, wie sich die EU in Bezug auf die arabi­schen Staaten, in denen es zu großen Konfliktsituationen gekommen ist, verhalten hat. Man muss aber auch sagen, dass die EU aktiv auf die Demokratisierung, auf die neuen Prozesse zugeht und Unterstützungen leistet. Das muss man auch entsprechend in den Vordergrund stellen. Tunesien, Ägypten, Libyen und Jemen befinden sich in un­terschiedlichen Graden, was den Demokratieaufbau et cetera anbelangt. Dabei geht es natürlich nicht nur um Demokratieaufbau, sondern es sind mehr oder weniger alle Strukturen neu aufzubauen. Ich denke, da leistet die EU eine besondere Arbeit.

In Bezug auf Syrien wissen wir alle: Das ist desaströs! Seitens der EU wurde einiges mit Sanktionen in die Wege geleitet. Die Welt steht dem Ganzen mehr oder weniger machtlos gegenüber, weil Russland im Sicherheitsrat nach wie vor blockiert. Es ist also höchst an der Zeit, dass man aktiv auf diesen Prozess zugeht. Der Herr Staatssekretär ist auch bei der Konferenz der „Freunde des syrischen Volkes“ mitinvolviert. Man könn­te uns vielleicht kurz informieren, wie hier der derzeitige Stand ist. Der Waffenstillstand, der ausgehandelt wurde, wird kaum oder wenig umgesetzt. Er ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Es herrscht eine schwierige Situation in Syrien, wo Menschen, die sich für Demokratie einsetzen, mehr oder weniger abgeschlachtet werden – desaströs!

Abschließend zu den Menschenrechten: Die EU setzt sich weiterhin für einen glaub­würdigen Menschenrechtsrat und dafür ein, dass rasch, effizient und effektiv auf Men­schenrechtssituationen und -fragen weltweit reagiert wird und diese diskutiert werden. Österreich wird dabei als Mitglied des Menschenrechtsrates 2011 bis 2014 verstärkt beitragen, wobei die Themen Religionsfreiheit, Schutz religiöser Minderheiten, Medien­freiheit und Schutz von Journalisten, Kinderrechte, Schutz vor Gewalt und Ausbeutung besondere Schwerpunkte bilden werden.

Zum Schutz religiöser Minderheiten sage ich auch als christlicher Politiker, dass sich religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, zunehmend mit Intoleranz und Gewalt konfrontiert sehen. Zahlreiche Gläubige wurden 2011 und auch 2012 Opfer von schwe­ren Übergriffen, Mordanschlägen, Sprengstoffanschlägen. Das ist schon einhellig ver­urteilt worden. Österreich wird also weiterhin darauf drängen, dass auf die Religions­freiheit und den Schutz religiöser Minderheiten besonderes Augenmerk gelegt wird und wird sich jetzt im Rahmen der EU insbesondere dafür einsetzen.

Das sind nur einige Themenbereiche aus einem sehr umfassenden Bericht. Ich bedan­ke mich beim Außenministerium und bei unserem Staatssekretär Dr. Waldner für die­sen sehr informativen Bericht. Wir werden sehr gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort ist Herr Bundesrat Schennach gemel­det. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.29.43

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Staatssekretär! Als besonderen Gast begrüße ich die Frau Bildungsmi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte am Anfang eine kleine Replik auf den ÖVP-Fraktionsvorsitzenden Gottfried Kneifel machen, weil es auch wichtig ist. Wir sprechen über das außenpolitische Pro­gramm der EU. Die Neutralität Österreichs hier von diesem Rednerpult aus als überholt darzustellen, war heute bisher das Einzige, das wehgetan hat. Unsere Verfassung fußt auf der Neutralität. Nach wie vor, ganz egal in welcher Altersgruppe, hat die Akzeptanz der Neutralität als ein Identitätsmerkmal Österreichs eine 70 bis 85-prozentige Zustim­mung. Ich halte es für beeindruckend, wie sehr die Neutralität auch im Herzen der jun­gen Menschen verankert ist.


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Zu sagen, der kalte Krieg ist vorbei, die Neutralität ist obsolet, das halte ich für, gelinde gesagt, schockierend. Die Neutralität, so wie wir sie heute leben, ist etwas ganz Jun­ges, Dynamisches. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich erinnere an die Beitrittsakte – die Sie, Kollege Perhab, vielleicht nicht mehr im Kopf haben – zur EU, wo seitens der Eu­ropäischen Union festgehalten wird, dass die Neutralität Österreichs der unverwech­selbare und einmalige Beitrag Österreichs für Frieden und Sicherheit in Europa ist. Ich finde, das ist ein Riesen-Kompliment, das die EU seinerzeit der österreichischen Neu­tralitätspolitik ausgestellt hat. Deshalb hat sie sich auch nie als eine im Kalten Krieg geborene Neutralitätspolitik, sondern immer als eine aktive außenpolitische Variante verstanden.

Kollege Perhab, auch wenn Sie das jetzt so ein bisschen lächerlich zu machen ver­sucht haben: Hätten wir die Neutralität nicht, müssten wir sie eigentlich erfinden. So wichtig ist diese außenpolitische Variante, die es Österreich ermöglicht, sowohl in Friedensinitiativen tätig zu werden als auch in Vermittlungsinitiativen. Gerade das, was wir heute aus dem Außenpolitischen Bericht gehört haben, zeigt, wie aktiv Österreich ist und wie stolz wir darauf sein können. Die Schweiz hatte einen viel längeren Weg, die Schweiz hat viel länger gebraucht. Heute sind sie mit uns in derselben Kaserne, zum Beispiel im Camp Casablanca im Kosovo. Da sitzen dann die Soldatinnen – es sind sehr viele Soldatinnen aus der Schweiz – und Soldaten, die deutschen und auch die österreichischen Soldaten unter türkischem Oberkommando. Das ist etwas, worauf wir alle miteinander stolz sein können – egal, ob das auch in Polizeimissionen ist.

Aber nun zum vorliegenden 18-Monate-Programm, das ein sehr ambitioniertes ist. Kol­lege Krusche! Sie haben in Ihrer Aufregung und in der allgemeinen Ablehnung ein bisschen  (Bundesrätin Mühlwerth: Also aufgeregt war er nicht!) – Nein, aber er hat es ein bisschen durcheinandergebracht. Die versprengten Rebellen Libyens destabi­lisieren nicht Malawi. Das wäre zu weit unten. Sie haben eher Niger gemeint.

Aber trotzdem muss ich sagen: Guten Morgen, Herr Krusche! Wachen Sie langsam im Binnenstaat Europa auf! Wir sind in einem Binnenstaat. Die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, der mehrjährige Finanzrahmen – das ist so wichtig und notwen­dig! Sie können nicht sagen: Wir haben den Euro und übersehen, was dafür alles not­wendig ist. Wir müssen unsere Budgetpolitiken anpassen. Kollege Mayer hat es schon gesagt. Wie wichtig ist es auch für die Rückkehr der Parlamente, dass es eine Einrich­tung eines permanenten Krisenmechanismus gibt, damit wir auch in eine Situation kommen, wo wir nicht ständig über Nacht irgendwelche Nachrichten bekommen, die die Parlamente nachzuvollziehen haben!

Zum Punkt EU-Erweiterung: Ich kann mich erinnern – das war eines meiner schönsten Erlebnisse hier in diesem Hohen Haus –, dass der Bundesrat für das Welcome von Slowenien zuständig war. Damals haben wir unter Präsident Jürgen Weiss die Nacht des Beitritts Sloweniens an der österreichisch-slowenischen Grenze gemeinsam ge­feiert. Zum Zeitpunkt 1. Juli 2013 ist Reinhard Todt der Präsident dieses Hauses, viel­leicht sollten wir in Richtung Kroatien eine ganz spezielle Überlegung anstellen, wie seinerzeit bei Slowenien.

Ich bin sehr froh darüber, dass der Beitritt Kroatiens nächstes Jahr kommen wird. Ich hoffe und nehme an, dass Griechenland nun ein paar andere Sorgen hat, als ständig die Aufnahme der offiziellen Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien zu blockieren, auf­grund eines für uns Mitteleuropäer nahezu obskuren Namensstreits. Denn das bedeu­tet auch – und das ist auch für Österreich sehr wichtig –, dass auch die Beitrittsver­handlungen mit Montenegro endlich ins Laufen kommen. Ich glaube, es ist wichtig, dass das jetzt kommt und dass das jetzt auch geschieht.

Die Fortschritte mit Island und vor allem auch – und das sage ich hier ganz bewusst – mit Serbien sind ermutigend. Serbien hat eine unglaubliche Leistung erbracht. Ich bin


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froh, dass das seitens der Europäischen Union auch in der Weise anerkannt wird und dass sich das demokratische Gefüge in Serbien auf einem wirklich beeindruckenden Weg festigt.

Zur Türkei: Die Türkei ist genauso ein europäischer wie ein asiatischer Staat. Die Tür­kei hat eine europäische, wie eine asiatische, wie eine afrikanische Geschichte. Derzeit sind 23 von 35 Kapiteln abgeschlossen. Wir haben aber jetzt eine beidseitige Einfrie­rung. Das ist immer schlecht. Dialoge einzufrieren ist immer schlecht. Nur: Europa, die Europäische Union, braucht die Türkei, ein Land mit diesem Wirtschaftswachstum, wesentlich mehr denn umgekehrt. Was Herr Krusche vielleicht nicht weiß, ist, dass die Türkei in der gesamten Kaukasusregion die finanzpolitische, wirtschaftspolitische Ord­nungsmacht ist. Die Türkei hat eine unglaubliche Wirtschaftskraft, eine unglaubliche Ausstrahlung.

Man kann es wenden und drehen, wie man will: Es sind bedeutend mehr türkisch­stämmige Menschen Mitglied der Europäischen Union als Österreicher, Holländer und Schweden. Das heißt, wie immer man es wendet und dreht, das Verhältnis der Euro­päischen Union zur Türkei wird immer ein besonderes sein müssen.

Man kann nicht sagen: Begreift euch jetzt endlich als asiatischer Staat und kümmert euch um den Kaukasus! Das wird es nicht sein. Zuletzt ist mit dem Beitritt Bulgariens ja eine sehr große türkischstämmige Volksgruppe von über 10 Prozent der bulgarischen Bevölkerung aufgenommen worden. Ich denke, wir müssen diesen Tiefstand an Ge­sprächen überwinden, denn es ist wichtig, die Demokratisierung, die Menschenrechts­lage, die Bildungsfrage, die Frauenfrage mit der Türkei positiv zu besprechen, und es hat sich schon sehr vieles gewandelt. Dass das jetzt von beiden Seiten eingefroren ist, ist schlecht.

Ein paar Worte noch zur Energiepolitik, die meine bisherigen Vorredner nicht ange­sprochen haben. Energiepolitik ist ein sehr großes Vorhaben der Europäischen Uni­on – im Bereich der erneuerbaren Energie, im Bereich der Energieeffizienz. Vielleicht für alle, die nicht im EU-Ausschuss waren: Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat sich in sehr kritischen Worten zum Beispiel mit dem Energiepaket 2020 und 2050 be­fasst, wo noch immer die Atomkraft als eine der wichtigen Säulen der europäischen Energie vorkommt. Der Bundesrat hat in gleicher Weise kritisiert, dass CO2-Einlage­rung im Boden extrem gefährlich sei.

Zur Donauraum-Strategie sage ich jetzt nur so viel: Dass ich noch immer rätsle, dass der Wald in Dänemark eine Quelle sei. Aber eines weiß ich: Die Donau ist die Quelle des Zusammenlebens, der Begegnung für 14 Staaten in Europa, wo Mobilität, Handel, Austausch erfolgen. Österreich liegt hier nahezu im Herzen, und nun ist der Aktions­plan mit Beginn 2012 umzusetzen.

Ich bin einerseits dem Außenministerium dafür, dass die Entwicklungshilfe für Molda­wien weitergeht und andererseits dem Sozialminister dafür, dass er einen seiner zwei Sozialattachés in Moldawien hat, sehr dankbar.

Nun muss ich ganz kurz zu einem ganz wichtigen Kapitel Stellung nehmen, das ist der Arabische Frühling. Ich bin froh, dass der Arabische Frühling in diesem Bericht so ausführlich behandelt wird. Seit Romano Prodi sein Dokument über das weitere Eu­ropa vorgelegt hat und damit klargemacht hat, dass das Mittelmeer nicht ein Grenz­meer ist, sondern der Raum ist, in dem unsere gemeinsame Kultur geschaffen wor­den ist, seither gibt es vom Barcelona-Prozess über die EMPA bis hin heute zur Union für das Mittelmeer diese Zusammenarbeit in vielfältigster Form in ENP-Abkommen, in Nachbarschaftsverträgen. Zum Beispiel hat die Europäische Union ihre Verantwortung angenommen im Bereich Palästina, im Bereich der Polizeireform, im Bereich der Grenzüberwachung. Die Europäische Kommission ist für die Umsetzung des Mediter-


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ranen Solarplans mit 96 Leuten in Kairo, mit ungefähr 90 Leuten in Marokko. Und Marokko hat sich in dieser Zusammenarbeit mit Europa zu einem Solarland Num­mer 1 in der arabischen Welt entwickelt, und heute schon exportiert Marokko Solar­strom nach Spanien. Das sind ganz große Fortschritte.

Aber: Revolutionen und Demokratie kann man nicht verordnen, und man kann in ei­ner Gesellschaft, egal ob Königreich, ob Diktatur – das ist so wie in Russland –, in der man das demokratische Leben nicht gewohnt ist, nicht einfach sagen: So, jetzt habt ihr eine Revolution gehabt, und morgen fangen wir mit der Demokratie an! Das ist ein Prozess, und ich bitte alle zu bedenken, dass der Arabische Frühling noch Jahre an­dauern wird.

In Bezug auf eines müssen wir wachsam sein – die Frauenbewegung im arabischen Raum sagt: Und jetzt brauchen wir eure Solidarität! Denn jetzt, in einem Umbruch, in einem Transmissionsraum, verlieren gerade die Frauen. Deshalb ist diese Partner­schaft so wichtig.

Und wir haben auch eine historische Verantwortung in diesem Raum. Unsere Kon­zerne haben mit den früheren Machthabern beste Geschäfte gemacht. Heute müssen wir in Form von Solidarität, in Form von Nachbarschaftspolitik, in Form von gegenseiti­gem Verständnis ein wenig zurückgeben. Deshalb bin ich froh, dass zum Beispiel die Europäische Union im Programm für Inneres die Visaregime-Frage zu den Staaten des Arabischen Frühlings runterfahren wird, das heißt, es leichter macht.

Herr Staatssekretär! Ganz zum Schluss von unserer Fraktion ein Appell an das Au­ßenministerium: Die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit auf einem so tiefen Ni­veau, und das noch weiter abnehmend, das geht nicht! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Das ist in Europa eine Schande! Selbst jetzt, wo wir Fiskalpakte haben, Luxemburg hat erhöht, Schweden, alle skandinavischen Länder sind sehr hoch, und wir sind auf einem Niveau, das man sich mittlerweile in Europa nicht mehr zu nennen traut, denn in Kürze sind wir an allerallerletzter Stelle. Wir müssen nur aufpassen, dass die Grie­chen hinter uns bleiben, denn sonst schaut es ganz bitter aus. Das geht nicht! Eine entsprechende Dotierung in dieser Verantwortung für Entwicklungszusammenarbeit ist – und die Europäische Union fordert das auch von ihren Mitgliedstaaten – die Krone in jedem Budget. Deshalb, Herr Staatssekretär: Bitte tragen Sie das an Ihr Haus weiter!

Abschließend: Zehn internationale Mandate laufen 2012 aus, ESVP-Mandate. Ich hof­fe, dass viele dieser Mandate, wie zum Beispiel die EUBAM, Grenzüberwachung in Pa­lästina, EUPOL COPPS, Polizeireform Palästina, EULEX Kosovo, EUMM Beobachter­mission in Georgien, EUFOR in Bosnien verlängert werden. Das sind ganz wichtige Missionen.

Herr Staatssekretär, Ich bin durchaus dafür, dass man zum Beispiel in Palästina die beiden verschiedenen Missionen zusammenlegt, das macht Sinn, und dass Österreich auch weiterhin aktiv dabei ist. Ich bin auch dafür, dass man sich überlegt, die Battle­group – und Österreich übernimmt in diesem Jahr erstmals die logistische Führung einer Battlegroup, der Deutschland, Tschechien, Kroatien, Irland, Mazedonien angehö­ren – nun auch in diese Programme zu implementieren. Das macht Sinn.

Dieses 18-Monate-Programm ist ein sehr engagiertes, ein sehr positives Programm ei­ner gemeinsam getragenen Außenpolitik, in der die Neutralität Österreichs, die Nicht­mitgliedschaft zu einem Militärpakt, sich selbst treu bleibt. Deshalb stimmen wir mit großer Freude zu. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Zwazl und Mayer.)

12.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort ist Herr Bundesrat Dönmez gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 



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12.46.24

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer schwierig, als letzter Redner noch Neues herauszuholen. Vieles wurde gesagt.

Auf einige Punkte möchte ich ganz kurz eingehen. Nichtsdestotrotz wirft dieser sehr gute Bericht dennoch einige Fragen auf, die ich Ihnen gerne stellen würde, Herr Staatssekretär. Auch den VerfasserInnen dieses Berichtes herzlichen Dank, er ist sehr übersichtlich und gut verfasst.

Was den Punkt „EU-Beitritt der Türkei“ betrifft, kann ich jeden Satz, den Kollege Schennach gesagt hat, unterstreichen.

Kollege Krusche, als ich dir zugehört habe, habe ich mir gedacht: Spricht da jetzt ein österreichischer Politiker oder ein türkischer der MHP?, weil das sind genau die Worte, die ein Politiker der MHP, also der türkischen Rechten, der Ultrarechten, verwendet, wenn sie sozusagen die Türkei in Richtung Turkvolk und so weiter vereinzeln möchten.

Das ist nicht die Türkei, die ich sehen möchte! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Die Türkei ist, wie Kollege Schennach richtig gesagt hat, sowohl ein europäisches als auch ein asiatisches Land. Es ist ein Land, und das möchte ich herausstreichen, in dem sich sehr viel bewegt. Es ist sehr viel im Umbruch. Das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten passiert ist, ist gerade in Aufarbeitung. Es wäre ein strategisch rie­sengroßer Fehler, wenn wir ihnen die Türe vor der Nase zuknallen, denn all diese zivilen Bewegungen, die jetzt im Entstehen sind, sei es im Energiebereich, sei es im Umweltbereich, sei es im Menschenrechtsbereich, sei es in der Frauenpolitik, würde man im Keim ersticken. Die brauchen unsere Unterstützung und Solidarität – was nicht bedeutet, dass wir ihnen einen Persilschein ausstellen zu einem EU-Beitritt.

Unsere Partei, die Grünen, waren von Anfang an die Einzigen, die sich dezidiert ganz klar für einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen haben. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen, und es hat sich einiges verändert, und es bedarf sozusagen auch ei­ner Neubewertung. Ich würde heute keinen Blankoscheck mehr unterschreiben, aber ich bin auch nicht Ihrer Meinung, die sozusagen die Türkei außerhalb der EU haben will. Das würde all diese Reformbewegungen im Keim ersticken. Ich glaube nicht, dass das das Ziel Europas und schon gar nicht der österreichischen Außenpolitik sein kann und sein wird.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte – du hast es auch ganz kurz angespro­chen –, betrifft die Asylpolitik. Hier skizziert sich ein sehr skurriles Bild. Einerseits sind die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten jene, die zu Recht vehement Men­schenrechte einfordern und Menschenrechtsverletzungen thematisieren. Aber wenn wir den Blick an unsere Grenzen richten, wenn wir den Blick in so manche Mitglied­staaten richten, wie sie mit AsylwerberInnen und deren Rechten und deren Schutz um­gehen, dann sollte man nicht mit Steinen um sich werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Wir betreiben eine Abschottungspolitik. Die EU entwickelt sich immer mehr zu einer Festung, wo es ganz schwierig ist, auf legalem Wege in die Europäische Union in Si­cherheit zu gelangen. Diese Menschen sind auf die Schlepper angewiesen, und dass die Schlepper diese Menschen doppelt und dreifach ausnehmen, wissen wir.

Präventiv passiert da viel zu wenig. Das, worauf wir bauen, ist, die Zäune zu erhöhen, FRONTEX mit noch mehr Mitteln auszustatten, sich noch mehr militärisches Überwa­chungsgerät und Abhörgeräte anzueignen und verschiedenste Techniken einzusetzen, wodurch noch mehr Menschen an den EU-Außengrenzen zu Tode kommen. Das ist schon eine Doppelbödigkeit, die ich auch unterstreichen möchte.

Weitsichtiger wäre es, wenn wir das Geld, das wir in die Abwehr investieren, auch in präventive Maßnahmen investieren, in Aufklärungsarbeit, aber auch in eine Politik, die


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die Menschen nicht ihrer Existenzgrundlage beraubt. Unsere Art, wie wir wirtschaften, unsere Art, wie wir unsere Agrarpolitik betreiben und subventionieren, ruiniert zum Teil diese Märkte. Wir sind mit unserer Art und Weise, wie wir Wirtschaftspolitik und Agrar­politik betreiben, mitverantwortlich an dem Elend in diesen Ländern und an den da­raus folgenden Flüchtlingsströmen.

Dieser Bericht wirft auch einige Fragen auf. Was den Punkt der EU-Erweiterung betrifft, sehr geehrter Herr Staatssekretär, würde mich interessieren, welche Maßnahmen Ös­terreich vorsieht, um Bosnien-Herzegowina bei den nötigen Reformen für eine Annähe­rung an die EU zu unterstützen. Sie wissen, dass es die Kritik gibt, dass Bosnien sich unter den Balkanländern eher stiefmütterlich behandelt fühlt. Es werden immer wieder Stimmen laut, wonach das sozusagen auf die mehrheitlich muslimisch geprägte Bevöl­kerung zurückzuführen ist. Das gleiche Argument führen auch die Türken zeitweise an. Hier würde es mich interessieren, mit welchen Maßnahmen wir gedenken, einem Nachbarland von Österreich bei der Annäherung an die EU diese Unterstützungsleis­tung zukommen zu lassen.

Was auch nicht unspannend ist, ist, welche Position Österreich einnehmen wird, wenn Zypern in der zweiten Jahreshälfte den EU-Vorsitz übernimmt und die Türkei wie ange­kündigt die restlichen, wenigen offenen Kapitel auf Eis legt. Welche Position werden wir einnehmen?

Das führt mich zu einem weiteren Punkt, zur Energiepolitik. Österreich lehnt dezidiert Nuklearszenarien als Wegskizze zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ab. Das ist zu begrüßen, dafür haben Sie auch unsere vollste Zustimmung. Allerdings steht das im Widerspruch zu Österreichs Mitgliedschaft bei Euratom und der Zustimmung zum Zwei-Jahres-Budget von Minister Töchterle. Österreich zahlt weiterhin Millionen Euro für Nuklearforschung, die vor allem dazu gedacht ist, um Laufzeiten von bestehenden AKW zu verlängern sowie zur Erforschung neuer Technologien im Bereich der Atom­kraft, hier vor allem im Bereich der Kernfusion.

Arabischer Frühling, nordafrikanische Länder sind angesprochen worden. Die EU will ein Freihandelsabkommen mit Marokko, Jordanien, Ägypten und Tunesien verhandeln. Wie wird sich Österreich aktiv dafür einsetzen, dass diese Freihandelsabkommen an strenge Auflagen, an Menschenrechte, Frauenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und so weiter gebunden sind?

Letzte Frage: Wie nutzt Österreich sein diplomatisches Kapital als IAEO-Standort, um im Gespräch mit den entsprechenden Botschaftern oder auf einem anderen Weg auf eine friedliche Lösung im Atomstreit mit dem Iran zu drängen?

Dieser Konflikt, der sich gegenwärtig abspielt, ist, glaube ich, wirklich einer, der den ge­samten Weltfrieden bedroht. Umso wichtiger ist es, dass wir mit dem Standort und mit unserer Neutralität einen wesentlichen Beitrag leisten als Konfliktvermittler, als Me­diator auftreten. Da würde mich interessieren: Gibt es Szenarien, Konzepte, wie wir hier einen Beitrag dazu leisten können?

Nochmals herzlichen Dank an die KollegInnen des Außenamtes, die an diesem Bericht mitgewirkt haben. Wir werden natürlich auch diesem Bericht unsere Zustimmung ertei­len. – Danke (Beifall bei den Grünen sowie bei SPÖ und ÖVP.)

12.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Wald­ner. – Bitte.

 


12.55.19

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Wolfgang Waldner: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis-


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terin! Meine Damen und Herren! Danke für die Einladung, und danke, dass ich die Ge­legenheit habe, hier nach meinem Chef zu sprechen. Sie haben sich schon drei Stun­den über Außenpolitik unterhalten, und ich weiß nicht, was vorher schon alles diskutiert wurde, ich bin ja erst vor kurzem dazugestoßen.

Dieser Tagesordnungspunkt hat als Auslöser für die Diskussion die Vorschau auf das EU-Arbeitsprogramm. Jetzt sind dort in der Systematik alle Themen angeführt, die auch im Außenpolitischen und im Europapolitischen Bericht über die Arbeit der Bun­desregierung angeführt werden. Das heißt, das führt notwendigerweise zu Wiederho­lungen. Ich möchte mich daher nur auf einige Punkte beschränken und Ihre Geduld nicht zu lange strapazieren und dann natürlich auch auf einige Ihrer Wortmeldungen eingehen.

Es wurde sehr viel gesagt – wahrscheinlich auch in der vorhergehenden Debatte – zum Fiskalpakt, zu institutionellen Fragen, zur Behandlung der Wirtschaftskrise und zum Binnenmarkt und zur Energiepolitik. Ich möchte mich auf die Dinge beschränken, die jetzt in der Diskussion gekommen sind, aber vorher noch vielleicht kurz auf die Ziele der Präsidentschaft eingehen, die, wie Herr Bundesrat Schennach gesagt hat, sehr ambitioniert sind, gleichzeitig auch „down to earth“.

Sie haben gesprochen von einer „Rye bread presidency“, also einer Brot- und Was­serpräsidentschaft, wenn ich das etwas salopp übersetzen darf, das heißt, ohne Schnörksel, und das merkt man auch bei der Abwicklung. Es ist das jetzt auch schon meine zweite Präsidentschaft, die ich erlebe. Die einen machen das in Verbindung mit etwas mehr Feiern, die anderen machen das etwas trockener. Die Dänen sind etwas trockener in dieser Sache zugange und mit weniger Protokoll; auch sehr erfrischend.

Der Fokus liegt aber eindeutig auf der Bewältigung der Finanz- und der Wirtschafts­krise und auf dem kommenden EU-Finanzrahmen. Das ist der Punkt, in den auch ich ziemlich eingebunden bin, weil ich in all diesen Räten vertreten bin, wo der Finanz­rahmen derzeit vordiskutiert wird und wo es schön langsam ans Eingemachte geht. Es gibt dazu laufend Berichte, auch im Ministerrat. Der letzte Bericht war vor zwei Wo­chen, und es ist natürlich auch in den Medien kommentiert worden.

Unsere Position im Finanzrahmen – und Sie wissen, da geht es um 1 000 Milliar­den € –: Das Parlament will 5 Prozent mehr als beim früheren Finanzrahmen, die Kom­mission will 3 Prozent mehr, und die Mitgliedstaaten versuchen, alles unter einen Hut zu bringen und es ungefähr gleich zu halten, wobei die Nettozahler, zu denen wir ge­hören, sagen: Wir wollen mindestens 100 Milliarden € weniger. Das ist die Position von ungefähr sechs, sieben, acht Ländern, die jetzt in den Verhandlungen versuchen, das einzubringen und zu verfolgen.

Die dänische Präsidentschaft hat sich vorgenommen, eine sogenannte negotiating box zu füllen, wie es auch schon bei früheren Verhandlungen zum Finanzrahmen ge­macht wurde. In diese negotiating box werden jetzt bei den Vorverhandlungen – es gibt noch mehrere Meetings auf allen Ebenen, drei oder vier Ministertreffen noch bis zum Juni, bis zum Ende der dänischen Präsidentschaft – diese Elemente eingebracht, die dann später die Basis sind für die Verhandlung auf Regierungschef-Ebene und für die endgültige Verhandlung, die dann Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres erfol­gen muss.

Ich werde nicht auf die einzelnen Kapitel, auf die einzelnen Rubriken eingehen. Wichtig für unsere Position ist, 100 Milliarden € sollen es weniger sein, mit dem Argument, wenn in den einzelnen Mitgliedstaaten Austeritätsprogramme und Budget- und Spar­programme gefahren werden müssen, muss das auch in der EU sein.

Bei der Verwaltung scheint es einen Konsens zu geben. Es sind alle dafür, dass bei der EU-Verwaltung gespart werden muss. Bei der Außenpolitik, bei der Nachbar-


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schaftspolitik, da ist es ungefähr ausbalanciert. Dort, wo es sich spießt, ist bei der Agrarpolitik und der Kohäsionspolitik, und da wird es noch sehr viele Verhandlungen in den nächsten Monaten geben, über die Sie auch laufend informiert werden.

Das nächste Meeting ist schon in zehn Tagen. Ich weiß nicht, wie sehr die Schwer­punktsetzung Wachstumsförderung sein wird, die ja in der dänischen Präsidentschaft ganz stark vorkommt. – In der dänischen und in der zyprischen Präsidentschaft üb­rigens, das ist ja das Rahmenprogramm, die Vorschau für 18 Monate. Daher ist es schwierig, über die einzelnen Kapitel zu reden und Rechtfertigung abzulegen über die Vorschau einer Politik, die zum Teil noch gar nicht umgesetzt ist. Dieselbe Debatte hat­ten wir auch bereits im Nationalrat im Plenum und im Außenpolitischen Ausschuss.

Schwerpunkt, wie gesagt: Wachstumsförderung – dazu gab es heute einen eigenen Tagesordnungspunkt mit dem Herrn Vizekanzler in der Aktuellen Stunde, glaube ich, genau zu diesem Thema – und die Vervollständigung und Vertiefung des Binnenmark­tes; auch das ist heute von einigen Rednern schon erwähnt worden.

Ich möchte jetzt den Bereich EU-Erweiterung herausgreifen, denn das ist ein Bereich, der mich natürlich in der täglichen Arbeit sehr stark betrifft, und vielleicht auf die Aus­führungen einiger Kollegen und Kolleginnen eingehen.

Herr Bundesrat Krusche, ich danke, dass Sie die Erweiterung hinsichtlich Kroatiens sowie die Donauraum- und die Schwarzmeer-Strategie so positiv beurteilen. Das fin­den wir natürlich auch. Die Fiskalpakt-Volksabstimmung-Frage wurde schon ausführ­lich diskutiert und auch kommentiert.

Sonderfall Türkei: Dazu ist unsere Position ja bekannt. Wir sind für eine maßgeschnei­derte Partnerschaft als Ziel dieser Verhandlungen. Die Verhandlungen sind ergebnisof­fen, das ist unsere Position.

Die Verhandlungen laufen seit 15 Jahren, und ich darf daran erinnern, dass Österreich in diesem Prozess bis jetzt das einzige Land war, unter dessen Vorsitz in diesen Ver­handlungen ein Kapitel zumindest provisorisch abgeschlossen werden konnte, nämlich das Kapitel Wissenschaft und Forschung. Wir sind auch das Land, um dem Herrn Schennach zu antworten, das dafür ist, dass weitere Kapitel eröffnet werden, vor allem das Energiekapitel, das Sie in Ihren Ausführungen angesprochen haben.

Zum West-Balkan: Das ist eine Sache, die mir auch sehr am Herzen liegt. Es wurde erwähnt, dass ich jetzt gerade in Serbien war. Ich kann nur bestätigen, was in den einzelnen Reden hier schon gesagt wurde: Wir haben eine enorm wichtige Rolle in Südosteuropa und am Westbalkan.

Hier zeigt sich – ich habe das heute Früh bei einer Diskussion wieder gesehen – an den Reaktionen, dass man das Projekt und das Konzept der EU vermitteln kann. Das ist ja eine unserer großen Schwierigkeiten: dass wir die Zielsetzungen und die Nütz­lichkeit der EU für die Bürger eigentlich nicht kommunizieren können. Das tatsächlich Nützliche wird „for granted“ genommen, also als selbstverständlich angesehen, und die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, werden natür­lich kritisiert, da wird man nicht so positiv beurteilt.

Beim West-Balkan sieht man aber, was die EU wirklich für Funktionen hat. Vor 20 Jah­ren haben sich dort die Menschen gegenseitig getötet, wie es im Zweiten Weltkrieg, am Beginn der ursprünglichen Idee, dieses Friedensprojektes EU war. Am Balkan ist es in wenigen Jahren gelungen, nicht nur zwei Mitglieder der früheren Föderation Ju­goslawien zu solchen für die EU zu machen, nämlich einerseits Slowenien und ande­rerseits, im nächsten Jahr, Kroatien hereinzubringen, sondern auch den anderen eine Perspektive zu geben.

Bei jedem Besuch, bei jedem Gespräch kann man miterleben, wie wichtig unsere Rol­le, die Rolle Österreichs, in diesem Zusammenhang in diesen Staaten ist. Bei jedem


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einzelnen Arbeitsgespräch kommt heraus, wie sehr die Unterstützung, die Österreich diesen Ländern über Jahrzehnte gibt, geschätzt wird, und gleichzeitig kann man daran demonstrieren, dass die EU tatsächlich eine Funktion für Europa hat, nämlich für die Erweiterung im Sinne der Friedens- und der Stabilitätssicherung, aber vor allem auch für die Wirtschaft.

Ich war, wie gesagt, in Belgrad. Da geht es natürlich in erster Linie um die Frage des Datums. Der Kandidatenstatus wurde ja nach einiger Verzögerung verliehen, das Da­tum ist natürlich die nächste Etappe, und da sind die Erwartungen auf serbischer Seite sehr hoch.

Wir signalisieren jetzt schon, genauso wie in dem Prozess, der zum Kandidatenstatus geführt hat: Es geht nicht ohne den nächsten Schritt auch im Dialog Belgrad – Priština. Manche glauben natürlich, dass sie sich jetzt ausruhen können, dass sie ihren Beitrag geleistet haben und dass jetzt die EU wieder am Zug sei. – Dem ist nicht so.

Dasselbe Signal wird natürlich auch an Priština, an den Kosovo gesendet. Das ist ein Signal, das sich an alle Länder richtet: nämlich dass alle die Perspektive haben sollen, sich diese Perspektive aber erarbeiten und Schritt für Schritt die Bedingungen umset­zen müssen.

Das gilt übrigens auch, weil Sie es genannt haben, Herr Bundesrat, für Bosnien und Herzegowina. Sie wollten wissen, welche konkreten Schritte Österreich in diesem Zu­sammenhang unternimmt. Wir warten auf Bosnien und Herzegowina, dass es die „5+2“- Kriterien erfüllt, die zur Abschaffung der internationalen Aufsicht und zur Annäherung und zum Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen führen. Das ist eine Roadmap, die vorgegeben ist. Wir sind bereit und unterstützen den Prozess. Es geht, wenn auch langsam und mühsam, weiter, gerade in Bosnien und Herzegowina, wo nach 18 Mona­ten endlich eine Regierung gebildet werden konnte.

Gleiches gilt für Mazedonien. Herr Schennach hat von einem grotesken Namensstreit gesprochen. Es ist, von außen gesehen, tatsächlich grotesk und geradezu obskur; aber man kann nicht von der EU erwarten, dass sie diese bilateralen Probleme löst, genauso wie im Kosovo.

Wir wollen uns ja kein zweites Zypern einhandeln, sondern wir wollen, dass die bila­teralen Probleme zwischen funktionierenden Staaten selbst gelöst werden und dass alle die Bedingungen erfüllen, damit sie dann in die EU aufgenommen werden können.

Österreich hat eine etwas differenzierte Haltung, die sich sehr bewährt hat, siehe Kan­didatenstatus. Wir haben gesagt: Wir sind dafür, dass der Status verliehen wird, na­türlich bevor das Problem gelöst ist; aber es wird sicher keinen Abschluss von Ver­handlungen geben, wenn das Problem nicht gelöst ist.

Dasselbe gilt für den Namensstreit. Wir sind dafür, dass die Verhandlungen mit Maze­donien begonnen werden, weil wir glauben, dass das der ganzen Geschichte einen positiven Spin gibt; aber es wird keine Mitgliedschaft geben, es kann keine geben, wenn das bilaterale Problem nicht gelöst wird, weil wir kein „Zypern 2“ haben wollen. Diese klare Haltung wird dort sehr positiv aufgenommen.

Zum Thema EURATOM – ich kann jetzt nur noch ein paar Punkte herausnehmen –: Wir können nicht so einfach aus EURATOM austreten, wie Sie wissen. Wir müssten aus der EU austreten – das geht nicht.

Wir unterstützen EURATOM nach anfänglichem Zögern. Sie haben die Abläufe sicher in Erinnerung, aber wir haben es natürlich verbunden mit der Bedingung, dass mehr Budget in Sicherheit und in Sicherheitsmaßnahmen investiert wird. Wir bleiben im Grundsatz natürlich bei dieser Politik, dass wir gegen Atomkraftwerke und gegen Nu­klearenergie sind.


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Da es immer wieder heißt, ein kleines Land könne nichts beitragen: Ich finde, dass es sehr wohl etwas bringt, wenn man so eine konsequente Politik fährt, wie wir es zum Beispiel mit den Stresstests gemacht haben. Das wurde in Europa aufgegriffen. Ich weiß, es gibt einen Urheberstreit, wer das als Erster genannt oder verfolgt hat. Tatsa­che ist, dass die Stresstests durchgeführt wurden.

Tatsache ist, dass selbst in Frankreich bei der nationalen Prüfung der Atomkraft­werke – wir sind noch gar nicht bei der internationalen Prüfung – bereits ein Bedarf an Upgrading von Sicherheitsmaßnahmen im Ausmaß von mehr als 15 Milliarden € fest­gestellt wurde, und das ist genau das Ergebnis dieser Politik. Tatsache ist, dass es in Deutschland eine 180 Grad-Wende gegeben hat, in Italien ein Referendum. Tatsache ist, dass es auch noch viele andere Kraftwerke im Umfeld von Österreich gibt; aber Sie können uns nicht vorwerfen, dass nichts passiert.

Zur Frage IAEO, das war, glaube ich, auch noch die Frage: was Österreich als Stand­ort, als Amtssitz oder Gastland der IAEO in Richtung einer friedlichen Lösung des Atomstreits mit dem Iran unternimmt. – Wir machen das, was wir immer gemacht ha­ben. Wir sind ein Ort des Dialogs. Es wird uns von anderen manchmal vorgeworfen, dass wir mit den Iranern reden. Wir reden mit dem iranischen Außenminister oder mit anderen Vertretern, wenn sie hierher kommen, eben weil sie zu dem Amtssitz kom­men, zu den Board Meetings oder zu den Konferenzen. Wir sagen aber ganz klar, was wir dort sprechen, auch unseren Partnern, und wir geben die Messages weiter. Das ist unsere Rolle, und das ist eine sehr positive Rolle, die von den anderen auch geschätzt wird.

Wir verfolgen im Übrigen dieselbe Politik gemeinsam mit der EU, das ist die sogenann­te Dual track policy. Das heißt, einerseits Sanktionen, an denen wir uns beteiligen, die wir unterstützen, und andererseits Verhandlungen. Das vorläufige Ergebnis ist, dass man sich in ein paar Tagen in Istanbul wieder zusammensetzt. Was herauskom­men wird, ist eine andere Frage.

Zum Arabischen Frühling könnte ich noch lange sprechen. Ich habe, bevor ich hier­hergekommen bin, ein Gespräch mit dem tunesischen Staatssekretär abkürzen müs­sen, den ich vorher in Tunis bei der „Friends of Syria“-Konferenz getroffen habe.

Von einem freiheitlichen Bundesrat wurde ja gesagt, dass in Libyen Europa keine Rolle gespielt hat, wir nur die Infrastruktur zerbombt hätten und im Übrigen das alles so schlimm sei. Natürlich haben auch wir Skepsis, wie es dort weitergeht. Wir haben auch nicht immer alle Informationen. Der Nachbar aus Tunesien sagt mir heute mehrmals: Sie glauben, dass Libyen auf sehr gutem Weg ist. Er ist Anthropologe, er kennt die Menschen dort sehr gut. Er sagt, das Ganze hat auch mit der Kultur zu tun. Das hat mit den Menschen zu tun. Man kann natürlich nicht alles vorhersagen, man kann nur ver­trauen, dass es in diese Richtung geht.

In Tunesien scheint es besser zu klappen, weil sie schon vorher andere Strukturen hat­ten, in Libyen soll es angeblich nicht so schlimm ausschauen, auch weil das Land be­achtliche Ressourcen hat, und weil es dort nicht an Geld mangelt.

Ägypten erfüllt uns natürlich mit großer Sorge, da ist der Prozess noch lange nicht ab­geschlossen. Das größte Problem ist natürlich Syrien, und da komme ich vielleicht ab­schließend zur „Friends of Syria“-Konferenz.

In Syrien ist es tatsächlich dramatisch. Die Informationen ändern sich ja von Stunde zu Stunde. In der Früh hat es so ausgeschaut, als ob die Waffenruhe halten wird. In der Zwischenzeit weiß man es auch nicht mehr so genau. Jedenfalls verdient der Kofi- Annan-Plan eine Chance, bis zum Letzten verfolgt zu werden, denn alle Alternativen sind dort weiterer Bürgerkrieg, weiteres Leid, Unsicherheit und Instabilität in der gan-


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zen Region. Und das wird von allen gefürchtet, mit wenigen Ausnahmen, die tatsäch­lich diese Instabilität fördern.

Die Europäische Union hat sich dort sehr konstruktiv verhalten und versucht eben eine Lösung, einen Weg mit friedlichen Mitteln. Wir sind im Rahmen der EU dabei und kon­zentrieren uns vor allem auf die humanitären Aktionen. Das kommt auch bei den Part­nern dort sehr gut an. Wir machen es mit unseren Mitteln und hoffen, dass es wenigs­tens einen kleinen Beitrag leistet, dass nicht zu viele Menschen noch mehr leiden müs­sen.

Ich habe mich in Istanbul bei dieser Follow-up-Konferenz mit Vertretern des Syrian National Council getroffen. Da gibt es sieben Exekutivmitglieder, ich habe mich mit drei von ihnen getroffen. Sie waren sehr frustriert von der laufenden Konferenz, erwarten sich natürlich viel mehr Unterstützung, sind in laufendem Kontakt mit der Bevölkerung, verlangen eine Bewaffnung der oppositionellen Kräfte und noch mehr Eingreifen der internationalen Gemeinschaft.

Sie wissen, dass die Positionen dazu verschieden sind. Europa hält sich bei dem Ruf nach militärischen Mitteln natürlich zurück, und das ist auch unsere Linie. Aber das ist eine Situation, die im Gange ist und noch lange nicht vorbei ist.

Ich hoffe, ich habe einige Fragen beantwortet, und darf mich damit hinsetzen. – Danke für die Gelegenheit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.13.356. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schul­pflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitge­setz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bildungs­dokumentationsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Privatschulgesetz und das Religions­unterrichtsgesetz geändert werden (1631 d.B. und 1683 d.B. sowie 8703/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte um den Bericht.

 


13.13.51

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schul­pflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitge­setz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bildungsdoku­mentationsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Minderhei­ten-Schulgesetz für Kärnten, das Privatschulgesetz und das Religionsunterrichtsgesetz


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geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor. Daher verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. April 2012 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.15.32

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Diese Regierungsvorlage hat vor allem den Zweck, den Schulver­such Neue Mittelschule, den es seit 2008 gibt, in das Regelschulwesen überzuleiten. Ab 2018 sollen alle Hauptschulen Neue Mittelschulen werden.

Jetzt muss ich sagen: Ich finde es wirklich erstaunlich, wie schnell so ein Schulversuch ins Regelschulwesen übergeleitet wird. Ich kenne vor allem aus Wien eine ganze Reihe von Schulversuchen, die sich zu Dauerschulversuchen entwickelt haben – das heißt, die bestehen ewig und es wird wahrscheinlich ewig so weitergehen. Sie wurden einerseits nie ins Regelschulwesen übergeleitet, andererseits wurden sie aber auch nicht abgeschafft, weil sie sich vielleicht doch nicht bewährt haben. Daher ist es wirk­lich ganz toll, in welch kurzer Zeit ein ideologisch behaftetes Projekt umgesetzt wird. (Bundesrat Mag. Klug: Bravo!)

Es ist ja kein Geheimnis: Ich bin kein Freund der Neuen Mittelschule! – Und wie kom­men wir denn zur Neuen Mittelschule? Die Hauptschule auf dem Land ist ja noch voll funktionsfähig, das wissen wir ja. Kaputt gemacht worden ist sie vor allem in den Bal­lungszentren.

Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre hat die SPÖ verkündet, alle müssen Matu­ra haben – egal, ob sie die geistige Leistungsfähigkeit oder den Willen dazu haben oder nicht. Die Folge war, dass alle in die Mittelschule, sprich in die Gymnasien ge­zogen sind, und die Hauptschule ist als eine Art „Restschule“ zurückgeblieben.

Mit dem großen Strom der Zuwandererkinder, die nicht ausreichend Deutsch konnten, hat sich das natürlich noch extrem verschärft. In Wien haben wir heute an den Volks­schulen über 50 Prozent Zuwanderkinder. Da geht es nicht darum, dass sie Zuwande­rerkinder sind, sondern darum, dass sie nicht ausreichend Deutsch können. An den Hauptschulen sind sie über 60 Prozent, und ähnlich ist es beim Polytechnikum.

Ich hätte gar kein Problem damit, dass man sagt: Wenn der Begriff „Hauptschule“ vor allem in den Ballungszentren kaputt ist, nennen wir ihn um! – Das wäre nicht mein Problem. Dahinter steht aber die Einführung der Gesamtschule, und gegen die wehre ich mich vehement.

Ich bedaure es sehr, dass sich bei diesem Thema die ÖVP, die zuerst eine ähnliche Li­nie gefahren ist wie wir, Stück um Stück von der SPÖ auf ihre Seite hat ziehen lassen und jetzt auch bei dieser Neuen Mittelschule, die in die Gesamtschule münden wird, mitmacht. Das finde ich bedauerlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja nicht immer alles schlecht, auch nicht in der Neuen Mittelschule. (Bundesrat Mag. Klug: Na hallo!) Ich begrüße es durchaus, wenn man sagt: In der Neuen Mittel­schule wird es geben: Die „Individualisierung des Unterrichts“ – gut; „differenzierter Un-


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terricht in der Klasse“, „Begabungs- und Begabtenförderungen sowie Maßnahmen der inklusiven Pädagogik“, „Unterrichten im Lehrerteam (Teamteaching)“.

Toll, ja! Und warum hat man das bis jetzt noch nicht gemacht? Warum brauche ich ei­nen neuen Schulversuch, wenn ich das mache? – Ja, es sind mehr Ressourcen, das weiß ich schon. Dieses Mehr an Ressourcen hätte man aber auch den Hauptschulen geben können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dazu muss man nicht das Türschild aus­wechseln. Das ist, was jetzt erst mal vorläufig passiert, aber wir wissen, wohin die Rei­se gehen wird.

Sie glauben, dass Sie damit alle Probleme, die es jetzt an den Schulen gibt, beseitigen werden. Ich sage Ihnen etwas: Es gibt schon eine Gesamtschule, und zwar seit Jahr­zehnten, die heißt bei uns Volksschule. Wenn das jetzt alles so wunderbar wäre, wie Sie sich’s einbilden oder wie Sie es behaupten, dann dürfte es nicht möglich sein, dass von der Volksschule österreichweit – Wien natürlich wie immer am stärksten betrof­fen – 20 Prozent der Schüler, die in weitere Schulen gehen, nicht ausreichend lesen und schreiben können.

Wenn das Modell Gesamtschule so toll ist, dann müsste das ja in der Gesamtschule Volksschule funktionieren. – Tut es aber nicht!

Aber Sie halten weiterhin an der Gesamtschule fest, geben sich dem berauschenden Gefühl hin, dass Sie damit Bildungsgerechtigkeit schaffen und dass Sie die Unter­schiede, die es zweifellos gibt, von jenen, die von zu Hause aus mehr gefördert wer­den, von denen wo das überhaupt nicht passiert, von jenen Familien, wo Kinder noch erzogen werden, beseitigen. Ich bleibe bei dem Wort „Erziehung“, und ich finde das auch richtig, auch wenn auch das mittlerweile so einen bisschen einen Hautgout be­kommen hat. Bei manchen darf man das schon gar nicht mehr sagen, weil Erziehung – das sagen ja die Psychologen – heißt Ziehen in eine Richtung.

Ich bekenne mich dazu: Ich habe gewisse Vorstellungen, wie meine Kinder aufwach­sen sollen, ohne dass ich sie jetzt behindern will, aber ich habe schon gewisse Vor­stellungen, wie man sich benimmt, was man tut, was man nicht tut, et cetera. Das nenne ich Erziehung; das möchte ich auch leben und habe es auch gelebt.

Aber man glaubt, dass diese Bildungsungerechtigkeit mit einer Gesamtschule eliminiert wird. In Deutschland weiß man, dass das nicht so ist. Die sozialen Unterschiede sind in der Gesamtschule nicht eliminiert worden. Und ich verstehe nicht, warum man an dem jetzt festhält und glaubt, die Defizite der Gesellschaft lösen sich in Luft auf, nur weil man eine andere Schulform hat. Daher prophezeie ich Ihnen – und das durchaus mit Verstand, um auf den Kollegen Mayer einzugehen –, dass das genau so nicht pas­sieren wird.

Es kommt noch dazu, dass wir ja vor allem Zuwanderer aus bildungsfernen Schichten haben, die wir ja schon in der Volksschule nicht mit ins Boot holen können. Es ist ein­fach nicht gelungen. Und es ist nicht immer die Schuld des Lehrers, wenn ein Schüler nichts lernt. Es wird zwar so zwangsweise gesagt – es gibt auch so ein Lehrer-Bashing –, dass immer der Lehrer Schuld ist, aber das ist auch nicht immer der Fall. Mittlerweile kommt es dazu, dass Schulen Aufgaben übernehmen müssen, für die sie gar nicht gedacht sind. Wofür eigentlich die Schule da sein sollte, da kann man sich an Finnland ein Beispiel nehmen. In Finnland ist die Schule dafür da, dass dort unter­richtet wird. Die haben aber natürlich auch Psychologen, Sozialarbeiter, Kranken­schwestern, Leute aus dem Elternbereich, die quasi als Assistenten auch fungieren. Da sind Sie ja alle nicht bereit, das zu machen. Und daher hat die Schule neben dem Unterrichten ein ganzes Konvolut an gesellschaftlichen Mängeln – das muss man ja sagen – auszugleichen. Und damit ist auch das beste Personal überfordert.

Was aus freiheitlicher Sicht ganz dringend gebraucht wird, ist die Nachhaltigkeit des Lernens. Da bleibe ich dabei, das fordere ich jedes Mal wieder. Die Ausbildung der


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Lehrer muss meiner Meinung nach verbessert werden, und zwar auch dahingehend, dass nur jene Lehrer werden, die auch dafür geeignet sind. Damit meine ich nicht nur jene, die gerne Lehrer werden möchten, aus welchen Gründen auch immer – und es ist nicht nur immer wegen dem Juli und dem August –, sondern es sind ja auch durchaus Leute dabei, die ein Ideal haben und trotzdem nicht für den Beruf geeignet sind. (Bun­desrat Kneifel: Das stimmt!) Das ist einer der wenigen Berufe, bei dem man wirklich eine echte Eignung haben muss, denn nirgends wirkt es sich so fatal aus, wie wenn Leute auf unsere Kinder losgelassen werden, die dafür absolut ungeeignet sind. Das heißt, es muss bei der Lehrerausbildung ein Hebel eingebaut werden oder eine Schie­ne eingezogen werden, die zu 99 Prozent, denn 100 Prozent gibt es nicht, garantiert, dass wirklich nur jene Lehrer werden, die dafür geeignet sind.

Dann aber fordere ich, dass man diese Lehrer auch ihren Job machen lässt. (Zwi­schenruf des Bundesrates Perhab.) Ich bin kein Fan der Mitsprache der Eltern. Ich habe es selbst – nicht nur einmal, sondern öfter – in der Schulzeit meiner Kinder erlebt, dass die Eltern Aufstände gemacht haben, und zwar nicht deswegen, weil der Lehrer irgendwie sehr ungerecht war oder sich wirklich etwas hat zuschulden kommen lassen, wo man als Elternteil sagt: Da muss man ja eingreifen, da kann man nicht zuschauen!, sondern wegen ganz trivialer Dinge, etwa: zu streng, hat zu oft Vokabel geprüft oder zu viel geprüft oder was auch immer. Und das war interessanterweise bei Lehrern, die bei den Schülern, auch bei den der Oberstufen, absolut anerkannt waren. Denen ist der Ruf vorausgeeilt, sie seien zwar streng, aber sie seien sehr gute Lehrer. Trotzdem ha­ben sich die Eltern der Unterstufe permanent beschwert. Das finde ich nicht gut. Das ist keine gute Entwicklung.

Es geht auch keiner her und erklärt dem Elektriker, wie er den Schaltkasten anbringen soll. Daher kann ich davon ausgehen, dass ein Pädagoge, der eine sehr gute Ausbil­dung hat und geeignet ist, auch in der Lage ist, den Job zu machen. Und es funk­tioniert wunderbar, wenn sich die Schüler mit den Lehrern gewisse Dinge ausmachen – unabhängig von den Eltern! Also man muss wirklich nicht bei – ich sage es jetzt etwas salopp – jedem „Käse“ als Elternteil hergehen und dem Lehrer erklären, was er wie zu tun hat.

Eines ist mir auch noch wichtig – und das ist immer wieder zu sagen, denn es geht ja, wenn wir von Schule sprechen, auch um Bildung –: Es geht bei Bildung vor allem darum, die jungen Menschen zu kritischen Menschen zu erziehen: zu Menschen, die Dinge hinterfragen und nicht einfach alles glauben, was man ihnen serviert, die sich auch Wissen aneignen. Bildung ist dann letzten Endes auch ein Selbstzweck.

Und da kommt zu den Lehrern noch eines dazu: Bei aller guten pädagogischen Ausbil­dung ist auch das Wissen gefragt. Und es ist beileibe nicht immer garantiert, dass die Lehrer auch wirklich ein solides Fachwissen haben. Da weiß ich wirklich, wovon ich spreche, ohne dass ich jetzt pauschal alle Lehrer verurteile und sage, die können alle miteinander nichts. Aber wir wissen, auch da gibt es sehr große Unterschiede. (Bun­desrat Kneifel: Was man nicht weiß, muss man glauben!) Und der Respekt der Schü­ler fußt auch darauf, dass sich der Lehrer in seinem Fach auch wirklich „1a“ auskennt.

Ich glaube, es muss – auch das sei noch einmal wiederholt von mir, und davon bin ich überzeugt – ein gleichberechtigtes Miteinander von Maturanten, von Akademikern und von solchen geben, die „nur“ – unter Anführungszeichen eine Lehre gemacht haben. All das, muss ich jetzt leider sagen, Frau Minister, finde ich in dieser Regierungs­vorlage nicht. Wir sind nicht für die Gleichmacherei und für den Einheitsbrei, sondern für eine Vielfalt der Schulen, aber auch der Schüler gemäß ihrer Begabungen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.27



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 76

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Blatnik. – Bitte.

 


13.27.15

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Ich möchte als Lehrerin zu diesem Gesetz Stellung beziehen. Ich sehe es selbstverständlich als meine Aufgabe als Lehrerin, einerseits – und da gebe ich dir recht, liebe Kollegin Mühlwerth – Wissen zu vermitteln, denn Wissen schafft Kompetenz. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist aber, dass ich die Schüler und Schülerinnen fit fürs Leben machen will. Was heißt das „fit fürs Leben machen“?

Ich sehe dieses „Fit-fürs-Leben-machen“ so, dass ich sie erziehe und motiviere und un­terstütze, dass Schüler und Schülerinnen zu selbstbewussten, kreativen, eigenverant­wortlichen Menschen werden, die mitbestimmen, die mitentscheiden, die mitgestalten. Und ich kann sagen: Das funktioniert! Es funktioniert, wenn man es zulässt. Die Schule muss aufs Leben vorbereiten. Das Leben fordert Selbstständigkeit und Kompetenz. (Bundesrätin Mühlwerth: Leistungsbereitschaft!) Ich glaube, genau diese zwei Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir in den Vordergrund stellen, wenn wir von einer Schule der Zukunft sprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube auch, dass wir unser Bildungssystem nicht immer so „verschulen“ – unter Anführungszeichen – sollen, dass Frontalunterricht vorherrscht (Bundesrätin Mühl­werth: Frontalunterricht ist auch nicht immer schädlich!), dass auswendig gelernt wird, sondern ich glaube, dass wir dieses Bildungssystem ein bisschen entschulen müssen und Selbstständigkeit und Kreativität in den Vordergrund stellen müssen und ermögli­chen müssen, dass dieses Wissen, das vermittelt worden ist, in der Praxis innovativ angewandt wird.

Ich meine, wir müssen Schüler und Schülerinnen dazu erziehen und motivieren, dass sie fähig sind, kritisch zu denken, dass sie auch einmal nachfragen, dass sie Proble-
me erkennen und auch in der Praxis für die Probleme eine Lösung anbieten können. Ich glaube auch, wir brauchen eine Schule, die Spaß macht, die Freude macht. Wir brauchen auf keinen Fall eine Schule, wo Angst und Zittern vorherrschen. (Bundesrä-
tin Mühlwerth: Eh nicht!)

Ich meine auch, dass wir eine Schule brauchen, wo Talente gefördert werden, wo Be­gabungen durch Zusatzangebote gefördert werden. Ich glaube auch, dass das Mitein­ander in der Schule zwischen Lehrern und Lehrerinnen, zwischen Lehrern und Schü­lern und Schülerinnen einfach stattfinden muss.

Ich glaube auch, dass wir eine Schule brauchen, wo die Kinder nicht schon mit zehn Jahren getrennt werden. Warum ganz einfach nicht? – Weil sich eine Trennung mit zehn Jahren pädagogisch und gesellschaftlich als nicht wettbewerbsfähig erwiesen hat. Mit zehn Jahren wissen sehr viele Kinder nicht, welche Talente, welche Begabun­gen sie haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Stimmt ja gar nicht! Die Eltern entscheiden das!) Was passiert? – Die Eltern entscheiden nach ihren Vorstellungen und ihren Ge­fühlen, und dabei gehen sehr viele Talente und Begabungen verloren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, jede Veränderung kann nur erfolgreich sein und kann nur gelingen, wenn wir es auch wollen, und da spreche ich Lehrer und Leh­rerinnen an. Ja, ich appelliere auch an die Lehrer und Lehrerinnen, dass sie Verän­derungen zulassen sollen, dass sie es sich nicht auf dem Stuhl bequem machen und sich zurücklehnen, sondern dass sie Veränderung zulassen. Es zahlt sich wirklich aus!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Qualitätsoffensive, neue Lernkultur, neue Lehrkultur, Kultur des Miteinander, das soziale Lernen, gezielte Förderung bei Schwächen und


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Stärken, mehr Ressourcen, Chancengleichheit, Unterrichtsformen, die auf individuelle Förderung und erlebnisorientiertes Lernen setzen, Teamteaching, Differenzierung, Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler, Vielfalt, inhaltliche Schwerpunk­te, die autonom gesetzt werden können, Zusammenarbeit: All das, alle diese Punkte sind in der Neuen Mittelschule integriert. – Und das ist, bitte, kein Etikettenschwindel, das ist kein Austauschen des Namensschildes, sondern das ist viel, viel mehr! Und die Ergebnisse von Elternbefragungen beweisen ja, dass es positiv ist, dass 91 Prozent der Schüler und Schülerinnen gern in die Schule gehen und Freude und Spaß an der Schule haben. (Präsident Hammerl übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Neue Mittelschule ist eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen und wird durch das Gesetz flächendeckend ins Regelschulwesen übernommen. Die Frau Kolle­gin Mühlwerth hat ja schon gesagt, bei einigen Gesetzen kritisiert die FPÖ oder die Op­position zu spät, bei den anderen zu früh, in diesem Fall Gott sei Dank früh.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Reform ist meiner Ansicht nach eine beachtli­che Reform auf der Sekundarstufe. Es ist für mich ein ganz wichtiger Schritt, weil durch diese Reform der Schüler und die Schülerin in den Mittelpunkt gestellt werden. Deswe­gen werden wir selbstverständlich und gerne diesem Gesetz zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Astleitner und Wenger.)

13.34


Präsident Gregor Hammerl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.34.53

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ziel der Modell­versuche der NMS war die Verschiebung der Bildungslaufbahnentscheidung nach hin­ten. Aus diesem Grund wurde in den Modellschulen der umfassende und vertiefende Lehrplan der AHS-Unterstufe angewendet.

Im jetzigen Gesetzentwurf für die Neue Mittelschule ist jedoch ein eigener Lehrplan vorgesehen. Dieser wird in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik und Eng­lisch differenziert in vertiefende und grundlegende Allgemeinbildung, vergleichbar mit dem A- und B-Zug in der Hauptschule Alt. Damit ist die Gleichwertigkeit zwischen NMS und AHS nicht mehr gegeben. Erst ab der dritten Klasse wird den Zeugnisnoten der Hinweis, ob nach den Anforderungen der grundlegenden oder vertieften Allgemeinbil­dung beurteilt worden ist, hinzugefügt. Bis dahin sind die Zeugnisnoten nicht aussage­kräftig und können sogar irreführend sein. Die LehrerInnen entscheiden, nach welchem Lehrplan SchülerInnen beurteilt werden. Auch da gibt es meines Erachtens leider nach wie vor sehr viel Konfliktpotential.

Für einen Übertritt aus einer NMS in eine weiterführende Schule gelten strenge Auf­lagen. So müssen SchülerInnen, die eine AHS oder BHS besuchen möchten, in allen differenzierten Pflichtgegenständen nach dem vertieften Lehrplan beurteilt worden sein. Wurde auch nur in einem Fach nach der grundlegenden Allgemeinbildung beur­teilt, ist ein Übertritt in eine höhere Schule fast unmöglich. An den bestehenden Modell­schulen stehen sechs zusätzliche Förderstunden pro Klasse zur Verfügung, welche von AHS- oder BHS-LehrerInnen im Teamteaching mit den FachlehrerInnen abgehal­ten werden. Im Gesetzentwurf zur NMS ist der Unterricht durch AHS- und BHS-Lehre­rInnen jedoch nicht mehr vorgesehen. Damit ist die Verschränkung und Kooperation zwischen NMS und weiterführenden Schulen nicht mehr gegeben.

Bestehende Modellschulen werden durch die neue gesetzliche Regelung der NMS ge­zwungen, alle Grundlagen des Schulversuches vom Lehrplan über den Einsatz von


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AHS- beziehungsweise BHS-LehrerInnen, die Aufstiegsberechtigungen, bis hin zu schulautonomen Schwerpunktsetzungen, modernen Unterrichtsformen wie Mehrstu­fenklassen, alternativen Beurteilungen et cetera aufzugeben. Dies führt zu massiver Kritik durch die Modellstandorte.

Was den Punkt der Evaluierung betrifft: Es war für das kommende Jahr eine Evaluie­rung vorgesehen. Diese Evaluierung hätte oder wird vom Bundesinstitut für Bildungs­forschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens durchge­führt, aber sie wird nicht, wie vorgesehen, nächstes Jahr stattfinden, sondern erst 2015, wenn dieses System schon implementiert und installiert ist. Dann ist es eben schwierig, zu evaluieren, ob Übertritte von SchülerInnen der NMS in weiterführende Schulen erfolgreich waren oder nicht. Vorher lässt sich das nicht sagen. Daher wäre es aus unserer Sicht gut gewesen, wenn die Evaluierungen, sehr geehrte Frau Ministerin, nicht 2015, sondern schon nächstes Jahr stattgefunden hätten.

Erlauben Sie mir noch, sehr geehrte KollegInnen, einige Zitate aus den Stellungnah­men zum Begutachtungsentwurf zu zitieren. Das Amt der Tiroler Landesregierung – das wird die Tiroler KollegInnen interessieren – sagt Folgendes: „Unter Berücksichti­gung der Tatsache, dass die Neue Mittelschule außerhalb der Ballungsgebiete, in de­nen oft keine AHS-Unterstufe angeboten wird, meist die einzige Schulform für Schüler im Alter von zehn bis 14 Jahren ist, werden die aufstiegs- und berechtigungsrelevanten Bestimmungen als bedenklich angesehen.“

Ein Zitat der Industriellenvereinigung – das dürfte auch die geschätzte Frau Präsidentin Zwazl interessieren –:

„Vor allem in Hinblick auf die Herausforderungen zur Sicherung des Fachkräfteman­gels muss in der Sekundarstufe 1 eine optimale Bildungs- und Berufswegentscheidung ermöglicht werden. Wir bedauern feststellen zu müssen, dass diese wichtige Aufgabe durch die NMS nicht gewährleistet ist.“

Weiter: „Die Einteilung des Lehrstoffs in den differenzierten Pflichtgegenständen in ei­nen grundlegenden und einen vertiefenden Lehrgang ist diskriminierend und kann das Ziel, nämlich möglichst viele Kinder nach der Pflichtschule ihren Fähigkeiten entspre­chend zur Erreichung gemeinsamer Bildungsziele zu führen, wahrscheinlich nicht si­cherstellen.“

„Es ist unverantwortlich, die duale Ausbildung und damit die Lehrausbildung als ‚Aus­weichlaufbahn‘ beziehungsweise als ‚letzte Möglichkeit‘ zu sehen, die die niedrigsten Voraussetzungen vorsieht.“

Und ein vorletztes Zitat – von der Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen und Pflicht­schullehrer –:

„Da im vorliegenden Gesetzentwurf der flächendeckende Zweitlehrereinsatz in den dif­ferenzierten Pflichtgegenständen nicht festgeschrieben ist, besteht die Gefahr, dass die Landesschulbehörden, wie in den vergangenen Jahren auch, das Grundkontingent aus dem FAG weiter reduzieren und daher der flächendeckende Zweitlehrereinsatz un­möglich gemacht wird.“

„Die mit Abschluss einer Klasse der Neuen Mittelschule oder der mit dem Bildungs­gang erworbenen Berechtigungen dürfen zu keiner Benachteiligung für die Schüler/in­nen führen.“

„Da die Bestimmungen massive Verschlechterungen gegenüber den Modellversuchen bringen, können die neuen Bestimmungen, sollten sie nicht abgeändert werden, aus unserer Sicht nur für Klassen gelten, die im Schuljahr 2012/2013 neu eintreten.“

Als oberösterreichischer Bundesrat möchte ich das letzte Zitat – vom Landesschulrat für Oberösterreich – bringen. Dieser schreibt:


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„Für die Erstellung der Lehrpläne sind die Begriffe der ,grundlegenden‘, der ,vertieften‘ und der ,umfassenden und vertieften‘  Allgemeinbildung zu klären. () Ein Unter­schied zwischen ,vertiefter‘ und ,umfassend und vertiefter‘ Allgemeinbildung in der Se­kundarstufe I ist abzulehnen.“

„Die mit Abschluss einer Klasse der Neuen Mittelschule oder mit dem Bildungsgang er­worbenen Berechtigungen und die zu erstellenden Lehrpläne dürfen zu keiner Benach­teiligung für die Schüler/innen der NMS führen. () Keineswegs sollen die Ziele einer ,grundlegenden‘ und ,vertiefenden‘ Allgemeinbildung indirekt zu einer Wiedereinfüh­rung des ,A- bzw. B-Zuges‘“ – der Hauptschule, der Hauptschule-alt – „führen.“

Unsere grünen Forderungen – die Kollegen des Nationalrats, vor allem Kollege Walser, haben einige Abänderungsanträge eingebracht – wurden kaum bis überhaupt nicht be­rücksichtigt. Was wir fordern, das sind: eine echte gemeinsame Schule für alle 10- bis 14-Jährigen, Durchlässigkeit von der Sekundarstufe I in die weiterführende Bildung, Chancengerechtigkeit auch über regionale Unterschiede hinweg, Individualisierung des Unterrichts statt Differenzierung des Lehrplans und eine Evaluierung der Modellversu­che, bevor ein neues System implementiert und manifestiert wird.

Da diese Forderungen nicht berücksichtigt worden sind, werden wir Grüne diesem Ge­setz unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.42


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Astleitner. – Bitte.

 


13.43.09

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zu­seher zu Hause! Es hat jetzt eine Reihe von Aufzählungen gegeben, was in der Neuen Mittelschule alles verändert wird. Es hat unter anderem auch einen Vorwurf Richtung ÖVP-Fraktion gegeben, wir würden der Gemeinsamen Schule Tür und Tor öffnen. Ich möchte nur festhalten: Die ÖVP hat immer gesagt, das Gymnasium bleibt, die Neue Mittelschule kommt.

Zu den entsprechenden Inhalten darf ich – jetzt ist Kollege Dönmez leider hinausge­gangen (Ruf bei der SPÖ: Nein, er sitzt da!); wo ist er?, aha, da sitzt er! – ein paar Punkte erwähnen, die wir gestern auch bei unserer Dienstbesprechung der Schulauf­sicht in Oberösterreich eingehend beraten haben.

Die Weiterentwicklung der Hauptschule zur Neuen Mittelschule stellt tatsächlich eine große inhaltliche Veränderung dar. Ich möchte drei Punkte aufzählen. Erstens: Diffe­renzierung und individuelle Förderung. Das ist schon gesagt worden. Aufgrund der besseren Ressourcen – immerhin werden im Vollausbau 230 Millionen € jährlich mehr in die Sekundarstufe I investiert – bietet das Bildungskonzept der Neuen Mittelschule eine noch gezieltere Förderung von Talenten. Das ist ein wichtiger Punkt!

Markus Hengstschläger hat gesagt: Talent ist eine nicht messbare Größe. Für mich hat jeder Mensch Talent. Diese Talente müssen durch harte Arbeit entdeckt und durch harte Arbeit in besondere Leistungen umgesetzt werden.

Dazu bieten uns jetzt die neuen Lehrpläne viele Möglichkeiten. Besonders in den di­daktischen Grundsätzen sind viele Möglichkeiten enthalten, diese Talente zu fördern, Begabungen zu fördern. Im Förderunterricht können wir diesbezüglich auch viel ma­chen.

Für mich geht es gar nicht so sehr um Lehrpläne, die stark verändert werden, sondern eigentlich sind das ja Lebenspläne für die jungen Menschen. Es ist schon angespro-


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chen worden, dass Pädagoginnen und Pädagogen eine große Rolle bei der Umset­zung spielen.

Ich muss sagen – und das möchte ich ganz dezidiert festhalten; du hast es auch schon gesagt; ich bin auch Lehrerin –: Es gibt in Österreich gute Pädagoginnen und Pädago­gen, die wissen, wovon sie reden! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Sie sind in Zukunft stark gefordert, denn neben den benoteten Zeugnissen wird es auch differenzierte Leistungsbeschreibungen geben müssen, die die Leistungen, Stär­ken sowie Fähigkeiten und Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern besser dar­stellen. Es ist eine verpflichtende differenzierte Leistungsbeschreibung zu erstellen. Das hat es bisher nicht gegeben, und das ist auch – man könnte es fast so sagen – eine alternative Form der Leistungsbeurteilung, nämlich viel breiter gestreut. Man kann zum Beispiel Kompetenzraster machen, es können Portfolios angelegt werden. Somit werden die Schule und auch die Leistungsbeurteilung wirklich stark weiterentwickelt.

Es gibt Gespräche mit den Eltern – dies wurde auch schon angesprochen –, in denen darauf eingegangen wird, was die Schüler können, was sie nicht können, wo sie sich noch weiterentwickeln können und müssen und wie es mit der Berufswahl aussieht. Richtung Berufsorientierung wird ein starker Akzent in der Neuen Mittelschule gelegt werden.

Die Beurteilung – Kollege Dönmez, du hast es angesprochen – stellt tatsächlich auch eine Herausforderung dar. Das sehe ich auch so. Ich spüre das in meinen Gesprächen mit den Lehrerinnen und Lehrern als Bezirksschulinspektorin. Es gibt jetzt in der 5. und 6. Schulstufe eine fünfteilige Notenskala, in der 7. und 8. eine siebenteilige Notenskala. Bisher hat es eigentlich in jeder Leistungsgruppe fünf Noten gegeben. Das heißt, es wird hier schon zu starken inhaltlichen Veränderungen kommen und gleichzeitig natür­lich auch zu großen Herausforderungen. (Bundesrätin Blatnik: Aber das ist ja posi­tiv!) – Das ist auch positiv, ja.

Allerdings muss man sagen, weil dieser grundlegende und vertiefende Lehrplan ange­sprochen wurde: Es war auch ein großes Anliegen der Eltern, das an mich herange­tragen wurde, dass Schülerinnen und Schüler, die möglicherweise nicht dem AHS-Lehrplan entsprechen, auch in der 5. und 6. Schulstufe bestens gefördert werden und mit in der Gemeinschaft bleiben können. Ich sehe in der Aufhebung der Leistungsgrup­pen den großen Vorteil, dass alle Kinder beisammen sind, die weniger Guten von den Guten lernen können und die Guten auch beispielgebend vorangehen können.

Wichtig war mir – weil das angesprochen wurde, dass es sehr viele Einwände gegeben hätte –, dass das Fach „Ernährung und Haushalt“ in den Pflichtgegenstandkatalog hi­neingekommen ist, denn gerade in Zeiten, wo wir darüber sprechen, dass wir gesunde Schuljausen, gesunde Schulküchen benötigen, Kinder zu dick sind, brauchen wir die­sen Gegenstand sehr dringend. Das finden auch viele Betroffene sehr positiv.

Ein bisschen skeptisch wird beurteilt – das möchte ich schon auch sagen –, dass der Gegenstand „Werkerziehung“ nur mehr als ein Gegenstand geführt wird. Da gibt es starke Bedenken seitens der Lehrerschaft, gerade auch, was das Textile Werken be­trifft, wo jetzt Buben und Mädchen Gleiches lernen. Natürlich ist das gender-mäßig be­grüßenswert, aber von der Organisation her ist das vielleicht doch nicht so leicht. Übertrieben formuliert: Gestern hat jemand gesagt, dass Burschen auch in der 4. Klas­se Hauptschule Stricken lernen müssen. Davon kann natürlich keine Rede sein. Der Lehrplan wird entsprechend offen gestaltet werden.

Es gibt also eine Reihe von Veränderungen: Team-Teaching, neue Lehrpläne, neue Formen der Leistungsbeurteilung, neue Stundentafeln. Das sind gewaltige Herausfor­derungen, diese brauchen natürlich auch entsprechende Veränderungen – das ist auch schon angesprochen worden, da stimme ich überein – in der LehrerInnenausbildung, aber auch, was das neue Lehrerdienstrecht betrifft.


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Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, den ich sehr positiv hervorheben möchte. Das ist die Stärkung der Schulautonomie. Gerade mit diesen neuen Stundentafeln und dem neuen Lehrplan können Schulen jetzt sehr viel autonom entscheiden. Wir haben gestern gehört: an die 35,5 Stunden in den vier Jahren der Neuen Mittelschule! Das ist eine große Herausforderung. Das ist einerseits sehr positiv, aber Autonomie heißt auch viel Kompetenz, heißt auch viel Verantwortung. Also von einem Schilderaustauschen oder Etikettenschwindel kann keinesfalls die Rede sein.

Günther Jauch hat einmal gesagt: „Bildung kann man nicht downloaden. Sie hat mit Menschen und Prozessen zu tun.“ – Wir haben wirklich einen wichtigen Prozess vor uns. Und das möchte ich noch einmal betonen: Begleiten wir die Schulen positiv! Stel­len wir ihnen die entsprechenden Ressourcen – auch langfristig; das ist ja auch eine Befürchtung, die immer wieder kommt – zur Verfügung! Machen wir ihnen Mut! Geben wir ihnen gute Rahmenbedingungen und stärken wir sie durch unsere Wertschätzung und unsere Anerkennung!

Wir haben gute Lehrerinnen und Lehrer, die diese Entwicklungen mittragen, aber sie brauchen sicherlich große Wertschätzung und nicht, so wie heute überliefert bekom­men, die Beurteilung, dass sie eigentlich dort oder da nicht wissen, wovon sie reden. Das tun sie ganz sicher. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundes­rates Zangerl.)

13.52


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


13.52.28

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich kann für mich sagen, dass es heute mit der, so hoffe ich, Beschlussfassung des Gesetzespaketes zur Neuen Mittelschule ein besonderer Tag ist. Es war im Jahr 2007, als die ersten Gespräche begonnen hatten – damals mit meinem Ministerkollegen Gio Hahn –, das war damals, wenn Sie so wollen, die „Geburtsstunde“ – unter Anführungszeichen – des § 7a, mitt­lerweile in Schulkreisen bekannt, und der Ausgangspunkt für eine Großserie von Schulversuchen, so wie Sie, Herr Bundesrat Dönmez, das auch richtig beschrieben ha­ben; von Schulversuchen, die es in einer derartigen Form bis dato in Österreich – das sage ich jetzt voll Selbstbewusstsein – noch nie gegeben hat.

Österreichweit koordiniert, österreichweit begleitet, nicht nur wissenschaftlich, sondern auch durch ein Team von engagierten Lehrern und Lehrerinnen, begleitet von den Pä­dagogischen Hochschulen. Es gab regelmäßige Vernetzungstreffen der jeweiligen Di­rektoren und Direktorinnen, der Verantwortlichen in den Schulen, der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Schulaufsicht, sodass hier etwas gelungen ist, nämlich das, was meiner Meinung nach Claus Otto Scharmer so gut in seinem Buch „Theorie U“ be­schreibt: eine Idee, eine Innovation vom Prototyp serienreif zu gestalten, also die kriti­schen Größenordnungen zu erreichen, um aus punktuellen Erfahrungen Bewegungen zu gestalten.

Und so ist in meiner Wahrnehmung – und sie mag zugegebenermaßen eine sehr op­timistische sein, weil ich ja von meinem Projekt auch zutiefst überzeugt bin – aus dem Schulversuch Neue Mittelschule mittlerweile eine Bewegung geworden. Dass wir heu­te, so hoffe ich, die Übernahme in das Regelschulsystem beschließen, ist etwas ganz, ganz Besonderes. Zuletzt haben wir vor 50 Jahren eine neue Schulart in das Regel­schulsystem eingeführt. Daher auch diese lange Liste an Novellen, die notwendig sind, um diese Schulreform durchzuführen.


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Ich möchte mich ganz besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses bedanken – da war sehr, sehr viel Detailarbeit notwendig – und beim Regie­rungspartner, der in diesen Prozess eingestiegen ist. Es hat auch einen sehr inten­siven – Herr Bundesrat Dönmez, Sie haben ja aus einigen Stellungnahmen zitiert – Be­gutachtungsprozess gegeben, dem noch viele Detailgespräche gefolgt sind, in die noch sehr, sehr viele Meinungen, auch der Praktiker, eingeflossen sind.

In einem Punkt unterscheidet sich der Zugang des Regierungspartners von meinem Zugang und jenem meiner Regierungsfraktion. Wir sehen die Neue Mittelschule als Schritt des Machbaren, des derzeit Machbaren auf dem Weg zur gemeinsamen Schule. Ich sehe die Neue Mittelschule aber auch als einen Baustein einer ganzen Pa­lette von Maßnahmen, die notwendig sind, vom Kindergarten als Bildungseinrichtung, von weiteren Investitionen auch in die Volksschule, die Neue Mittelschule und dann die ausdifferenzierte Oberstufe. Das ist für mich die Kette einer Entwicklung, setzt aber natürlich innere Differenzierung voraus. Wenn man bezüglich der Neuen Mittelschule jetzt vielleicht den Vorwurf der Gleichmacherei bringt, so ist das einfach falsch und oberflächlich betrachtet.

Es setzt voraus, dass jeder einzelne Schüler, jede einzelne Schülerin individuell betreut wird, gefördert wird, aber natürlich auch individuell beurteilt wird. Es hilft ja nichts, wenn es unterschiedliche persönliche Neigungen, einen unterschiedlichen Arbeitseinsatz und Arbeitseifer gibt – um jetzt Markus Hengstschläger, den ich sehr schätze, zu folgen –, so gibt es auch unterschiedliche Ergebnisse. Und unterschiedliche Ergebnisse müssen wir auch differenziert bewerten, differenziert abbilden, letztlich auch differenziert beur­teilen.

Das Ergebnis ist klar: eine Bildungswegentscheidung mit 14 Jahren. Das setzt eindeu­tige Berechtigungen voraus, die man mit Abschluss der Neuen Mittelschule erwirbt. Da braucht es Klarheit und Transparenz.

Daher – wir haben lange über diesen Punkt diskutiert, Sie haben es ausgeführt –: „grundlegend“ und „vertiefend“. Aus meiner Sicht ist das nahezu eine Ideallösung, um hier in der Beurteilung noch mehrere Kriterien zu öffnen, in der Motivation und in der Wertschätzung zu bleiben, wenn Einzelne – und das betrifft ja drei Gegenstände – das AHS-Niveau nicht erreichen, da eben in der Beurteilung ein Stück aufzumachen. Natür­lich muss sich das dann auch in der Bildungswegentscheidung und Berufsentschei­dung niederschlagen.

Was mir in diesem Zusammenhang aber wichtig ist, ist, dass „grundlegend“ und „ver­tiefend“ nicht der Überraschungsakt bei der Übergabe des Zeugnisses ist, sondern dass es hier zwei Mal im Jahr verpflichtend Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche gibt. Das ist für mich überhaupt ein Schlüssel zum Erfolg, ein Weg, das Drama-Dreieck, um in der Sprache der Psychologie zu reden, aufzulösen: Täter-Retter-Opfer, Schüler-Eltern-Lehrer. Da finden Gespräche zwischen Eltern und Lehrern statt und der Hauptbetrof­fene, der Schüler, ist gar nicht dabei. Das kann ja gar nicht gut gehen!

Das heißt, hier sitzt die Schulpartnerschaft wirklich gleichberechtigt am Tisch. Eine Vereinbarungskultur wird wahrgenommen; das ist für mich auch von der Kultur und von der Haltung her ein großer Fortschritt dieses pädagogischen Konzepts, wie über­haupt – und das haben wir gestern in Niederösterreich bei einem Schulpartnerdialog diskutiert – die Änderung der Pädagogik, die Änderung der Herangehensweise das Neue und die Neuerung an der Neuen Mittelschule ist. Wenn das ausstrahlt, jetzt auch auf die Schulkultur davor und danach, dann ist das ja nur wünschenswert.

Ich möchte hier auch sehr gerne Markus Hengstschläger zitieren, der ausdrücklich be­tont: Vielfalt ist die Überlebenschance einer Gesellschaft. Es gilt Vielfalt zu fördern.


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Auch das Menschenbild, das dahinter steht, gefällt mir natürlich besonders gut, näm­lich dass jeder von uns irgendetwas ganz besonders gut kann, und damit auch jeder in Kombination aus individueller Leistungsvoraussetzung und aus harter Arbeit erfolgreich sein kann – eben auf unterschiedlichen Gebieten. Und das auch ein Stück besser in der Schule zu entwickeln und zu begleiten, sehe ich als großes Ziel und Herausfor­derung.

Ungeachtet dessen – und ich glaube, es ist vorhin ja auch das Wort „Erziehung“ gefal­len – dürfen wir die Bedeutung der Familie im Kontext der Bildung nicht vernachläs­sigen. Es gibt beispielsweise ganz, ganz viele Studien, die uns belegen, dass die An­zahl der Bücher, die es im Elternhaus gibt, einen direkten Einfluss auf die Lesekom­petenz der jungen Menschen hat. Und in diesem Sinn – das mag jetzt ein bisschen wie ein Appell klingen – ist es mir auch ein Anliegen, dass wir bildungspolitische Themen nicht nur schulpolitisch diskutieren, nicht nur unter Ausbildungsaspekten und unter dem Blickpunkt des ökonomischen Nutzens, sondern dass wir uns ganz stark auch der gesellschaftspolitischen Dimension von Bildung bewusst werden. Da geht es – und da kann ich der Frau Bundesrätin Mühlwerth nur zustimmen – um Identität, Selbstwertge­fühl, Zuversicht, Selbständigkeit, Mündigkeit, Zivilcourage, um Werte, die es auch im Sinne der gelebten Werte hier zu vertreten gilt.

Was mir noch wichtig ist zu erwähnen, ist vor allem der Punkt mehr Verantwortung am Schulstandort, bewusste Schwerpunktsetzung an den Schulstandorten, wobei sich die vier Schwerpunkte, die im Gesetz angeführt sind, nicht auf den gesamten Schulstand­ort beziehen müssen, sondern das kann auch klassenweise umgesetzt werden. Das heißt, auch hier sind Differenzierungen möglich. – Ich glaube, dass das ein sehr, sehr wichtiger Schritt ist.

Die Berechtigungen habe ich schon angesprochen. Für mich persönlich ist die Neue Mittelschule dann ein Erfolg, wenn es uns gelingt, dass mehr Menschen entlang ihrer persönlichen Interessen, Neigungen und Begabungen ihren zukünftigen Bildungsweg gehen und ihre zukünftige Berufsentscheidung treffen können, und wenn es gleicher­maßen gelingt, mit der Kultur des Ernstnehmens der Schüler und Schülerinnen, mit der Motivation der Lehrer und Lehrerinnen auch einen Schritt zu mehr Identität und Selbst­verantwortung zu leisten.

In Summe ist diese Reform eingebettet in ein ganzes Maßnahmenbündel – verpflich­tendes Kindergartenjahr, Bildungsstandards, neue Matura, Neue Mittelschule, Ganz­tagsschule, Nachholen von Bildungsabschlüssen –, und die große Aufgabe, die ab morgen vor uns liegt, ist die Umsetzung dieses Reformvorhabens in ganz Österreich. Da gilt es auch, sehr, sehr achtsam zu sein: Gerade die Überleitung vom Prototypen in die Serie birgt auch noch einiges an Risiko. Pioniere sind meistens diejenigen, die auch ein bisschen herausragen. Jetzt gilt es, das wirklich vom Neusiedler See bis zum Bodensee mit Engagement umzusetzen.

Es ist mir wichtig, dass die Lernbegleitung, dass die Ressourcensicherung, dass vor allem die Budgetsicherheit auch im Finanzrahmengesetz gegeben ist, dass wir also all diese Elemente fixiert haben, und dass wir die Standorte mit der Schulaufsicht, mit den Pädagogischen Hochschulen gut in der Entwicklung begleiten, denn mit dem Hissen der Fahne, der Montage des neuen Türtaferls und der neuen Lernkultur allein ist es nicht getan – das muss jeden Tag gelebt werden.

Ich kann das nur unterstreichen, was Sie, Frau Bundesrätin, gesagt haben: Arbeiten wir gemeinsam an einer Kultur des Gelingens und freuen wir uns auch gemeinsam, wenn es Erfolge gibt! Ich glaube, das braucht gerade der Bildungsbereich und alle, die in der Schule arbeiten, ganz, ganz dringend. – Vielen, vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.04



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 84

Präsident Gregor Hammerl: Als nächster Redner gelangt Herr Bundesrat Füller zu Wort. – Bitte.

 


14.04.58

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Kolleginnen Blatnik und Astleitner, aber auch Sie, Frau Bundesministerin, haben hier schon We­sentliches zum Inhalt ausgeführt.

Wie wir gehört haben, haben bereits im Jahr 2007 die Vorarbeiten für das Projekt Neue Mittelschule begonnen. Viele Verhandlungsrunden, viele Vorgespräche später konnten die Schulversuche der Neuen Mittelschule erst möglich gemacht werden und starten.

Heute, rund fünf Jahre später, können wir uns über die Beschlussfassung zur Einfüh­rung dieser neuen Schule in das österreichische Regelschulwesen freuen. Mit dieser Beschlussfassung ist ein beachtlicher, ein großer Schritt in der Bildungsreform gelun­gen – ich sage das wohl wissend, dass noch viele weitere werden folgen müssen.

Dies ist ein großer Schritt hin zur gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen. Bei der Gesamtschule der Sechs- bis Zehnjährigen, wie wir heute schon gehört ha­ben – der Volksschule –, würde auch niemand auf die Idee kommen, diese zu teilen, weil sie sich alles in allem bewährt hat.

Die Frau Bundesministerin hat diesen heutigen Beschluss auch bereits als die Schul­reform des Machbaren bezeichnet – und recht hat sie. Langfristig muss die Entwick­lung der weiter vor uns liegenden Bildungsreformen auf eine Schule der Sechs- bis Vierzehnjährigen hinauslaufen.

Ich verstehe die Argumentationslinie des Herrn Kollegen Dönmez nicht, den ich an und für sich für sehr professionell und sachlich halte, wenn er heute hier lauter Stellung­nahmen bringt vonseiten derer, die jetzt nicht unbedingt die Förderer und großen Un­terstützer im Bereich der Frage der Neuen Mittelschule waren. – Aber trotzdem, ich weiß, du musst das ein bisschen argumentieren. Ich verstehe nur eines nicht, nämlich dass man, wenn man zwei Schritte zu machen hat bei einem Wunsch, dessen Ver­wirklichung man selbst anstrebt, beim ersten Schritt dann Nein sagt und das so begründet: Weil ich den zweiten Schritt nicht gleich machen kann, unterstütze ich den heutigen Beschluss nicht.

Da in der Bildungsdebatte immer wieder die ideologische Keule ausgepackt und ge­schwungen wird, möchte ich nur als Beispiel anführen, dass in Südtirol mit dem Modell der Mittelschule bereits seit Jahrzehnten große Erfolge gefeiert und erzielt werden – und Südtirol ist wahrlich keine Hochburg der Sozialdemokratie. Mich persönlich würde es freuen, aber man kann es nicht als solche bezeichnen, denke ich. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Dem neuen Schultyp wird im Vollausbau die Summe von 230 Millionen € jährlich zu­sätzlich zur Verfügung stehen. Besonders freut es mich, dass zur besseren finanziellen Ausstattung auch eine neue Kultur des Lernens, eine neue Haltung und ein neues Klima Einzug halten werden. In den Hauptfächern wird es in Zukunft zwei PädagogIn­nen geben, die unterrichten. Die Nachhilfe wird bereits in der Schule stattfinden und muss von den Eltern nicht im Nachhinein teuer zugekauft werden.

Die gezielte Förderung von Stärken und das Beseitigen von Schwächen bei den Schü­lerInnen im Alter zwischen zehn und 14 wird deren Berufschancen verbessern oder ihnen anschließend einen besseren Start an den weiterführenden höheren Schulen ermöglichen, da das Erkennen von Talenten und Begabungen im Alter von zehn Jah­ren einfach noch zu früh ist, wie Experten immer wieder erwähnen. – Mehr Individua­lisierung, mehr Ressourcen, mehr Mittel, mehr gezielte Förderung für die einzelnen Schülerinnen und Schüler werden sich letztendlich auszahlen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 85

Die Untersuchung der Schulversuche ergab zum Beispiel für das Burgenland, dass jetzt 76 Prozent der Schülerinnen und Schüler AHS-Reife erlangen, während es im al­ten System der Hauptschule nur rund 56 Prozent gewesen sind, ich gebe aber der Kol­legin Mühlwerth, weil sie das gebracht hat, insofern recht, als dass für uns die Gleich­wertigkeit der Berufsausbildung im Rahmen der Lehre genauso wichtig ist und nicht hintangestellt werden darf und soll.

Was, wenn nicht dieses positive Ergebnis für die vielen Schülerinnen und Schüler könnte uns heute mehr ermutigen, diesen Schritt zu setzen? Daher freut es mich, dass eine große Mehrheit in beiden Kammern diesen Beschluss unterstützt, damit dieser in Kraft gesetzt werden kann.

Seitens der SPÖ-Bundesratsfraktion geht ein großer Dank an die Frau Bundesministe­rin für ihre Beharrlichkeit. Wir unterstützen diesen Beschluss vollinhaltlich. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.09


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


14.09.44

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute wird es also ernst mit der Neuen Mittelschule. Aus einem Versuch, aus einem Modell wird die Regel und die Neue Mittelschule soll ins Regelschulwesen übernommen werden.

Es wurde viel diskutiert, wir haben auch heute noch einmal viele Standpunkte gehört, und es ist ein Kompromiss entstanden, der naturgemäß mit Abstrichen, auch mit Ab­weichungen von Maximalpositionen verbunden ist. Je nachdem, von welcher Perspek­tive man das heute betrachtet, mag das Glas halb leer sein oder halb voll. Ich jeden­falls werde diesem Beschluss heute – gemeinsam mit meiner Fraktion – zustimmen, weil ich denke, dass das Glas mehr als halb voll ist im Sinne der Schülerinnen und Schüler.

Vieles stand im Mittelpunkt und war Grundlage für den heutigen Vorschlag und damit Beschluss, das den Schülerinnen und Schülern helfen und eine bessere Bildung für sie möglich machen wird.

Die Suche und die Förderung individueller Talente und Begabungen steht im Mit­telpunkt; motivierte Lehrerinnen und Lehrer sind einmal mehr im Fokus – Lehrerinnen und Lehrer, die Lernbegleiter werden sollen und Schülerinnen und Schüler in ihrer Weiterentwicklung unterstützen und selber auch von Fachleuten immer mehr begleitet werden sollen.

Neue Lernformen stehen im Fokus und die Weiterentwicklung der Methoden. Und es geht auch darum, die Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler zu erweitern und zu forcieren. Schule, und davon bin ich überzeugt, muss aufs Leben vorbereiten – die­ses ist sehr bunt und besteht aus vielen Facetten –, nicht nur auf die Matura, sondern auf all das, was auf einen im Leben zukommt in der Bildung, im Privatleben, im Beruf. Und ich glaube, das gelingt besser – das glaube ich nicht nur, sondern ich bin über­zeugt davon –, wenn wir heute diesen Beschluss fassen. Es wird sich aber dann in der Praxis zeigen, wie viel dieser Beschluss wert war, wie viel die Schülerinnen und Schü­ler tatsächlich davon haben, wenn es darum geht, das umzusetzen.

Vielleicht noch ein paar Gedanken zu dem, was vorher gesagt wurde: Helfen wir alle zusammen, dass das gelingt! – Was braucht es, dass Bildung funktioniert, unabhängig von allen Gesetzen und Vorgaben? Es braucht Verlässlichkeit, Wertschätzung und Vertrauen, denn es geht immer um das Zusammenspiel von Menschen an einer Schu-


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le, in einer Schulklasse, an einem Schulort, in einer Schulgemeinde. Es braucht Wert­schätzung der Lehrerinnen und Lehrer gegenüber den Schülern und Schülerinnen und deren Eltern, es braucht aber auch Wertschätzung des Dienstgebers gegenüber sei­nen Bediensteten.

Der wichtigste Garant, davon bin ich überzeugt – und ich stehe hier nicht als Lehrer­vertreterin, keine Sorge, sondern schon als Vertreterin der Schülerinnen und Schüler, aber genau um diese geht es –, der wichtigste Garant also für den Erfolg einer Schule und das Wohl auch der Schülerinnen und Schüler ist der motivierte Lehrer/die motivier­te Lehrerin, der und die ihren Job gut machen kann und darin nicht behindert, sondern umso mehr unterstützt wird. Dafür setzen wir heute ein Zeichen.

Es braucht nicht nur Wertschätzung, sondern es braucht auch Verlässlichkeit, das ist für mich das Entscheidendste, wenn es jetzt an die Umsetzung geht: Es müssen sich die Lehrinnen und Lehrer auf uns, auf die politisch Verantwortlichen, verlassen können, es müssen sich die Eltern auf die Kompetenzen derer verlassen können, die die Schüler unterrichten, und es müssen sich die Schülerinnen und Schüler auch auf die Lehrpersonen verlassen können.

Vereinbarungen können – das war im Bildungswesen in der Vergangenheit sehr oft so, wir können uns erinnern – beziehungsweise sollen nicht alle paar Monate neu disku­tiert, neu aufgeschnürt werden. Das verunsichert und irritiert die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und auch die Eltern und verbraucht viel unnötige Energie bei den Betroffenen. Daher freue ich mich, wenn wir das heute beschließen und dann auch in die Umsetzung gehen und das auch Vertrauen schaffen kann, wenn wir hier gemeinsam allen Beteiligten gegenüber Wort halten.

Natürlich wurde vor dem heutigen Beschluss auch in den Schulen – und viele von Ih­nen waren sicher auch damit konfrontiert – viel darüber diskutiert, wie das in der Praxis ausschaut. Da hat es da und dort schon viel Verunsicherung gegeben, Hektik, aber auch ganz viel Zuversicht und ganz viel Engagement.

Was ich erlebe, wenn ich unterwegs bin, auch in Kontakt bin, ist, dass es viele hoch motivierte Lehrerinnen und Lehrer gibt, die diese Veränderung mittragen, die schon jetzt in der einen oder anderen Modellschule viel Kraft investiert haben für diese Ver­änderung, die Zeit und Energie einbringen, auch viel Freizeit, weil ihnen wichtig ist, dass in der Schule etwas weitergeht.

Ich erlebe Eltern, die im Vertrauen, dass es jetzt ein Mehr an Zuwendung für ihre Kin­der gibt und ein Mehr an Unterrichtsqualität, ihre Kinder bewusst der Neuen Mittel­schule anvertrauen wollen, und ich erlebe Kinder, das kann man in dem Alter sehr wohl sagen, also Schülerinnen und Schüler, die voller Neugier, Wissbegier sind, die in ihr Leben starten und die sich sehr wohl eine gute, die beste Ausbildung verdienen und er­warten dürfen.

Wenn wir nun von der Qualität in der Umsetzung reden, noch drei Bereiche zum Schluss, die ich besonders betonen möchte:

Was uns gelingen muss – und das sind auch Wünsche, die mir aus den Schulen mitge­geben wurden –, ist, dass diese Verschränkung durch den Einsatz von Bundeslehrerin­nen und Bundeslehrern an den Neuen Mittelschulen funktioniert. Noch gibt es da und dort den Eindruck, dass diese Lehrerinnen und Lehrer nicht zur Verfügung stehen. Da bitte ich auch die Frau Ministerin, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, dass da auch die entsprechende Sicherheit gegeben und auch die Organisation möglichst ein­fach ist und den Schulablauf nicht unnötig behindert.

Auch das Teamteaching – es ist heute angesprochen worden – als zentraler Punkt muss umgesetzt werden in allen Stunden, aus meiner Sicht, und auch in allen Haupt-


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fächern. Und es darf dabei nicht zu Einsparungen in anderen Gegenständen oder Frei­gegenständen kommen, das ist für mich ganz entscheidend. Da gibt es auch noch die eine oder andere Unsicherheit.

Wenn wir schon sparen müssen, dann sage ich ganz klar: Sparen wir bei der Büro­kratie und reduzieren wir die Bürokratie! Schule muss aus meiner Sicht auch immer mehr – und das ist, hoffe ich, auch eine gemeinsame Kraftanstrengung – von Büro­kratie befreit werden. Lehrer gehören zu den Kindern, zu den Schülern in die Klasse, die Schulleitung gehört zu den Lehrerinnen und Lehrern auch als Begleitung, als Coa­ching, als Berater, und die Beschäftigung mit der Bildung, mit den Schülerinnen und Schülern, muss auf jeden Fall mehr wert sein, mehr Gewicht haben und viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als das Ausfüllen von Fragebögen und Formularen, das heute ganz, ganz viel Zeit in Anspruch nimmt.

Zum Abschluss: Wie gelingt Schule? – Schule gelingt vor allem deswegen, weil Men­schen vor Ort gut und gerne miteinander arbeiten und sich vor Ort engagieren. Das trägt viel mehr dazu bei als jedes Engagement einer Institution oder jede Entschei­dung, die wir treffen können.

Daher noch einmal zum Abschluss die große Betonung der Schulautonomie. Schul­standorte sollen weiterhin autonom entscheiden können, welche Schwerpunkte sie setzen. Auch da bin ich mit Verunsicherung konfrontiert worden, was denn die neue Stundentafel so bringt. Manche haben gemeint: Ist das nicht mehr ein Rückschritt als ein Fortschritt? – All das wird sich in der Praxis zeigen. Ich bitte auch da die Frau Bundesminister – und das erwarten viele von Ihnen –, sehr gut darauf zu schauen, dass die Schulautonomie erhalten bleibt.

Wir brauchen in der Bildung immer mehr Eigenverantwortung, wohin wir ja auch die Schülerinnen und Schüler begleiten wollen. Wir müssen Eigeninitiative fördern und individuelle Schwerpunkte zulassen. Dann, davon bin ich überzeugt, gelingt die Neue Mittelschule.

Ich werde dem Entwurf heute zustimmen mit der Zuversicht, dass damit die im Sinne der Schülerinnen und Schüler in Österreich richtige Bewegung ins Bildungswesen kommt. Ich werde – und ich denke, da sind viele von Ihnen mit an Bord – im Dialog mit den Schulpartnerinnen und Schulpartnern weiterhin darauf schauen, dass in der Praxis das heute gut Gemeinte auch gut umgesetzt wird. – Alles Gute der Neuen Mittelschule! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.17


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Somit gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.18.027. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundestheaterorganisationsgesetz geändert wird (1586 d.B. und 1721 d.B. sowie 8704/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Damit kommen wir zum 7. Punkt der Tagungsordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schweigkofler. – Bitte um den Bericht.

 


14.18.15


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 88

Berichterstatter Johann Schweigkofler: Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundestheaterorganisationsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


14.18.52

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehschirmen! Wir besprechen jetzt das Bundestheaterorganisationsgesetz, und ich muss die Geschichte, die ich zu erzählen habe, zwei Mal erzählen.

Es gab einen Entschluss, sich die Organisation der Bundestheater einmal evaluieren zu lassen und man gab 550 000 € aus. Ernst & Young hat die Bundestheater durch­leuchtet und einen Evaluierungsbericht erstellt. Dieser Bericht liegt vor – ich werde Ih­nen später sagen, wem er vorliegt.

Aufgrund dieses Evaluierungsberichts – und es wurde von der APA kolportiert, dass ein Einsparungs- beziehungsweise Optimierungspotenzial von etwa 12,4 Millionen € möglich wäre – beschließen wir jetzt eben diese Reform.

Dem könnte man prinzipiell doch zustimmen, weil das an und für sich eine richtige Vor­gehensweise ist. Wir Grünen könnten jetzt aufstehen und sagen: Ja, wir stimmen zu. – Tun wir aber nicht.

Jetzt drücke ich den Rewind-Knopf und fange die Geschichte noch einmal von vorne an. Es wurde entschieden, Steuergelder – 550 000 € – für einen Bericht, für eine Über­prüfung, für eine Evaluierung der Bundestheater auszugeben. Ernst & Young hat diese Evaluierung durchgeführt und einen Evaluierungsbericht vorgelegt. Wir als Parlamen­tarier und Parlamentarierinnen – egal, ob im Nationalrat oder im Bundesrat – sollten dem hier zustimmen – oder auch ablehnen – und wissen, auf welcher Grundlage diese Neuorganisation stattfindet.

Dieser Evaluierungsbericht von Ernst & Young liegt uns allerdings nicht vor. Er liegt auch der Öffentlichkeit nicht vor, obwohl diese 550 000 € vom Steuerzahler – also von der Öffentlichkeit – finanziert worden sind.

Vor allem mein Kollege Wolfgang Zinggl im Nationalrat hat sich sehr darum bemüht, diesen Evaluierungsbericht von Ernst & Young zu sehen, weil wir wirklich wissen woll­ten: Was sind denn die Vorschläge? Werden die Gesetze auch dementsprechend ge­ändert? – Dann würden wir auch jubeln. Wir könnten heute einen einstimmigen Be­schluss fassen und alle jubeln und alle glücklich sein, aber unter diesen Umständen ist es nun einmal schwierig: wenn man die Summen, die angeblich Optimierungspotenzial wären, einfach nur zufällig aus der APA erfährt.

Mehrere Versuche, diesen Bericht zu bekommen, wurden ganz klar mit einem Njet be­antwortet; nein, ihr bekommt diesen Bericht nicht, weder die Öffentlichkeit, noch die Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die über dieses Gesetz abstimmen müssen. Und dann hat es geheißen, einer der Gründe, warum Abgeordnete diesen Bericht nicht


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 89

sehen dürfen, sei der Datenschutz. Jetzt frage ich mich, warum die beiden im Natio­nalrat tätigen Kultursprecherinnen der SPÖ und der ÖVP nicht diesem Datenschutz un­terliegen und sie diesen Bericht sehr wohl bekommen.

Also wir hätten heute einen einstimmigen Beschluss fassen können, aber aus demo­kratiepolitischer Hygiene, sage ich hier ganz klar: So nicht! Würde man die Abgeord­neten ernst nehmen  Mir wäre es ja sowieso am liebsten, es wäre öffentlich, im Inter­net, für jeden sichtbar; aber darüber haben wir schon diskutiert, das brauchen wir heu­te nicht zu wiederholen. Aber nicht einmal den Parlamentarierinnen und Parlamen­tariern, die heute hier abstimmen sollen, diesen Bericht zur Verfügung zu stellen, auf dessen Basis das heute beschlossen wird: So geht das nicht, und deswegen müssen wir heute ablehnen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

14.23


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


14.23.13

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ja heute ganz gerne etwas sagen, aber wir haben es schon im Ausschuss diskutiert. Marco, ich halte dich für zu intelligent, ich mag jetzt gar nicht; vielleicht können wir das dann ein­mal unter vier Augen  (Bundesrat Schreuder:  auf der Bühne!) – Nein, nein, nein. (Heiterkeit und Zwischenrufe. – Bundesrat Schreuder: Bitte! Bitte!)

Die Novelle des Bundestheaterorganisationsgesetzes, die wir im Rahmen dieses Ta­gesordnungspunktes diskutieren, ist in doppelter Hinsicht ein Erfolg für die österreichi­sche Kulturpolitik.

Erstens: Sie unterstreicht die Verantwortung des Bundes für seine Kultureinrichtungen. Zweitens: Sie gewährleistet, dass das Flaggschiff unseres Kulturlebens auch künftig eine führende Rolle im internationalen Vergleich einnimmt.

Zur Verantwortung des Bundes: Bundesministerin Dr. Claudia Schmied hat die Zukunft der Bundestheater nicht nur durch die Erhöhung der Basisabgeltung gesichert, son­dern auch durch die Schaffung zeitgemäßer Rahmenbedingungen. Zwei Schritte waren dabei wesentlich: eine umfassende wirtschaftliche und rechtliche Evaluierung der Bun­destheater, die sicherstellt, dass die verfügbaren Mittel noch fokussierter für das künst­lerische Programm eingesetzt werden können; eine auf den Ergebnissen dieser Eva­luierung basierende Novelle des Bundestheaterorganisationsgesetzes; keine finanziel­len Mehrbelastungen, sondern die verbesserte Nutzung vorhandener Ressourcen.

Wie Bundesministerin Dr. Claudia Schmied bereits mehrfach betont hat, bedeutet Pub­lic Governance nicht nur eine moderne, effektive öffentliche Verwaltung, sondern auch eine klare Festlegung und Abgrenzung der einzelnen Verantwortungsbereiche. Das war eines der wesentlichen Ziele der Gesetzesnovelle, um die Arbeit der Bundesthea­ter auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf hohem Niveau zu gewährleisten und ihre führende Position im internationalen Vergleich abzusichern.

Fünf Zielsetzungen spielen dabei eine zentrale Rolle. Erstens: eine strikte Aufgaben­verteilung innerhalb der Bundestheatergruppe. Die Kompetenzen der Aufsichtsräte
bei zustimmungspflichtigen Geschäften wurden klargestellt, und damit eine lückenlose Verantwortungskette geschaffen.

Zweitens: Die Abberufungsklausel für Mitglieder des Aufsichtsrates wurde durch eine Anpassung an die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes zeitgemäß gestaltet.

Drittens: Das Dirimierungsrecht wurde deutlicher definiert. Gibt es in Angelegenheiten, die von kaufmännischem und künstlerischem Geschäftsführer gemeinsam zu entschei-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 90

den sind, keine Einigung, so überwiegt das Wort des künstlerischen Geschäftsführers. Inhaltliche Qualität hat Vorrang vor rein wirtschaftlichen Überlegungen.

Viertens: Anstelle des bisherigen Publikumsforums werden öffentliche Publikumsge­spräche eingeführt. Das Forum hat sich in der Praxis nicht bewährt, wie die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt hat. So haben zuletzt von rund 1,3 Millionen Besucherinnen und Besuchern nur 217 von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

Fünftens: Die Theaterservice GmbH wird in ART for ART umbenannt. Der knappere und griffigere Name soll den internationalen Bekanntheitsgrad steigern.

Nicht zuletzt unterstreicht die Vorgehensweise bei der Vorbereitung und Umsetzung der Gesetzesnovelle die Professionalität der Verantwortungsträger sowohl auf politi­scher Ebene als auch aufseiten der Bundestheater. Die Neuregelungen machen die gesetzliche Basis der Bundestheater tragfähig für künftige Herausforderungen.

Ich schlage daher vor, der Bundesrat möge der vorliegenden Novelle zustimmen. Von unserer Fraktion kommt eine Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.28


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Astleitner. – Bitte.

 


14.28.48

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher zu Hause! Grundsätzlich möchte ich zu Beginn meiner Rede festhalten, dass mir als Trägerin der Kulturmedaille des Landes Oberösterreich die Kul­tur ein großes Anliegen ist und dass wir eigentlich alle die Kultur in unserem schönen Österreich schätzen und wertschätzen sollten.

Kunst und Kultur kostet Geld – so sagt es unser Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer, der selber Kulturreferent ist, immer wieder –, Kunst und Kultur kostet Geld, Unkultur kostet noch viel mehr.

Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Budgetdiskussion und -situation ist es wichtig, dass die Mittel für Kunst und Kultur möglichst effizient eingesetzt werden. Mit der Novelle zum Bundestheaterorganisationsgesetz und der Evaluierung der Bundes­theater wurde ein sehr positiver und in dieser Branche nicht alltäglicher Schritt gesetzt und Prozess gestartet.

Es geht um Unternehmensführung, und es war ein gemeinsamer Beschluss der Regie­rungsparteien. Sie waren auch – Kollege Schreuder, das ist im Ausschuss auch gesagt worden – die Auftraggeber dieser Evaluierung.

Die rechtlichen Änderungen, die sich da ergeben haben, bedingen, dass es jetzt mehr Klarheit in den Abläufen gibt. Das ist schon sehr wichtig. Es geht um die Klarheit der Aufgaben, um Kompetenzen, um Verantwortungsbereiche, Pflichten und Zuständigkei­ten. Genaueres wurde ja bereits ausgeführt. Es geht darum, wer was in welcher Funk­tion und Rolle verantwortet und für seine Verantwortung welches Maß an Information und Wissen braucht.

Daher danke ich Ihnen, Frau Bundesministerin. Meine Partei, die ja nicht unwesentlich am Zustandekommen dieses Berichtes und dieser Evaluierung beteiligt war, gibt gerne ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.31


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pi­rolt. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 91

14.31.31

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Werte Frau Minister! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Herr Kollege Schreuder, das unterscheidet uns: Wir werden diesem Blankoscheck, der uns da heute mit dieser neuen Gesetzes­novelle vorgelegt ist, zustimmen.

Die Bundestheater insgesamt sind ein Riesenbetrieb: 2 500 Mitarbeiter, liest man da; 1,3 Millionen Besucher pro Jahr – das sind immerhin 15 Prozent aller Österreicherin­nen und Österreicher; 90 Prozent Sitzplatzauslastung – das ist durchaus eine sehr stol­ze Zahl; 230 Millionen € Jahresbudget, davon 145 Millionen € Subventionen der öster­reichischen Bürger – das sind immerhin 65 Prozent des Gesamtbudgets, das heißt, 112 € je Besucher sind dazuzuzahlen.

Dass daraus resultierend eine Evaluierung notwendig geworden ist, versteht sich von selbst, denn die Kostenstrukturen sind ja seit der Ausgliederung vor ungefähr zehn Jahren dieselben geblieben. Das heißt, man hat damals nicht den Sparstift angesetzt, sondern die Budgets einfach fortgeschrieben. Eigentlich hätte Direktor Georg Springer von sich aus bereits Sparvolumina evaluieren sollen – und nicht, dass jetzt mehr oder weniger der österreichische Bürger dafür zur Kasse gebeten wird.

Die Evaluierung an sich ist aber zu begrüßen. Wir werden sehen, was dabei heraus­kommt. Wenn es nach Frau Aufsichtsratsvorsitzender Viktoria Kickinger geht, die sagt, Theater ist für mich ein Kurzurlaub, dann werden wir darauf achten und schauen müs­sen, dass der österreichische Bürger nicht über Gebühr diese Kurzurlaube zu finan­zieren hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.33


Präsident Gregor Hammerl: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.33.54

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Herr Bundesrat Schreu­der, Sie haben es geschafft, mich zu motivieren, Ihnen jetzt so richtig zu widerspre­chen. Ich erzähle auch zwei Geschichten; ich möchte nämlich einfach meine Stellung­nahme in zwei Teile gliedern. Das eine ist, glaube ich, relativ rasch erklärt, weil Frau Bundesrätin Grimling das schon erläutert hat, das ist die Novelle zum Bundestheater­organisationsgesetz mit fünf Punkten. Diese fünf Punkte sind sehr rasch erklärt, und nach der Kultur der Begründbarkeit wird auch klar, warum wir dies machen.

Das sind Maßnahmen, mit denen man nicht unbedingt Furore macht, das sind aber wichtige Schritte im Sinne einer korrekten Public Governance, dass wir Klarheit in den Spielregeln, in einzelnen Punkten nachschärfen. Das sind Punkte, die die Organisa­tion, vor allem den Ablauf der Bundestheater regeln, und hier vor allem das Zusam­menspiel der Organe, also zwischen Geschäftsführern und Aufsichtsrat.

Wir haben es ja bei den Bundestheatern mit ausgegliederten Unternehmen zu tun. Das ist für mich ein Bereich, der besonders interessant, aber gleichzeitig auch besonders sensibel ist, weil wir da einzelne Aufgaben aus dem unmittelbaren Hoheitsbereich aus­gegliedert haben, trotzdem natürlich in der klaren öffentlichen Verantwortung sind, also in der Wahrnehmung öffentlicher Interessen. Gleichzeitig aber nutzen wir – wenn Sie so wollen – privatwirtschaftliche Spielregeln, die bei Unternehmen, die sich gleichzeitig auch auf dem Markt bewegen, durchaus zu einem Befreiungsschlag führen, was längerfristige Planung betrifft, was das Bewegen auf dem Markt betrifft, was Preispolitik betrifft et cetera.

Jetzt kommt es aus meiner Sicht darauf an, eine gute Governance, eine gute Leitung, Steuerung, Verantwortung für diese ausgegliederten öffentlichen Unternehmen zu eta-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 92

blieren, und da passen Spielregeln der Privatwirtschaft nicht immer eins zu eins, weil es eben auch die öffentlichen Interessen gibt und weil es auch die öffentlichen Zielset­zungen sind. Da ist es nicht – vereinfacht gesagt – die Gewinnmaximierung, sondern da sind noch ganz andere Aufträge im Bereich der Kulturinstitutionen zu beachten, vor allem der kulturpolitische Auftrag.

Die einzelnen Punkte: Kompetenzkatalog des Aufsichtsrats – da geht es einfach um ein Stück noch mehr Klarheit, was kontrolliert werden muss, was die Aufgabe des Auf­sichtsrats ist, auch um die eindeutige Klärung Bestellung/Abberufung von Aufsichtsrä­ten, wobei völlig klar ist – da habe ich zum Beispiel eine ganz andere Meinung als Ab­geordneter Zinggl –: Der Aufsichtsrat ist kein unabhängiges Gremium. Der Aufsichtsrat nimmt im Interesse des Eigentümers Kontrollfunktionen wahr. Die Eigentümerfunktion ist in diesem Fall mir als Kulturministerin übertragen, und daher ist es sonnenklar – und da brauchen wir gar nicht darüber zu diskutieren –, dass es da ein Vertrauens­verhältnis zwischen der Ministerin und den Aufsichtsräten, die die Kontrollfunktion wahrnehmen, geben muss. Ich wollte das nur klarstellen, weil das auch Teil einer De­batte im Nationalrat war.

Drittens ist mir wichtig – wir haben ja in Österreich die Freiheit der Kunst seit 1988 auch im Verfassungsrang verankert –, noch einmal klar zu unterstreichen, dass der künstlerische Leiter ein Dirimierungsrecht hat. Das heißt bei Doppelgeschäftsführun­gen, dass die Nummer 1 im Team der künstlerische Leiter ist beziehungsweise im übertragenen Sinn bei den Museen der wissenschaftliche Leiter. Auch das ist mir sehr, sehr wichtig.

Der vierte Punkt umfasst die Publikumsgespräche. Der fünfte Punkt ist rein redaktio­neller Natur. – So weit die Änderungen, die das Regelwerk betreffen.

Nun zum zweiten Teil, der zumindest bislang die politische Debatte fast überwogen hat, nämlich der Diskussion zum Evaluierungsbericht. Da möchte ich ein paar Klarstel­lungen treffen, denn wenn man jetzt nur Ihnen, Herr Bundesrat Schreuder, zugehört hat, hätte man den Eindruck gewinnen können: Da sitzt Ernst & Young, schreibt einen Bericht, die Ministerin arbeitet dann etwas aus, zeigt das gerade noch den Regierungs­kollegen, und das war es dann. Also wenn das Ihr Informationsstand ist, dann darf ich den hier und jetzt korrigieren.

Wir haben diesen Evaluierungsbericht in Auftrag gegeben, und jetzt muss man genau unterscheiden, worum es hier geht, was die Zielsetzung ist. Die Zielsetzung ist: ef­fektives Wirtschaften in den Bundestheatern, nämlich mit dem Ziel, dass – ich darf es jetzt einfach formulieren – möglichst jeder Euro auf der Bühne ankommt, also für den künstlerischen Bereich verwendet wird. Genauso lautet ja unsere Zielsetzung im Schul­bereich: All unsere Anstrengung muss im Klassenzimmer ankommen.

Das heißt, es geht darum, zu schauen: Wie effektiv sind die Bundestheater ausge­stattet? Wie sind die Schwerpunktsetzungen? Wie ist die Relation administrativer Be­reich, künstlerischer Bereich, technischer Bereich? Et cetera, et cetera. Also es geht sehr stark ins Detail, bis hin zu den Gagen von Künstlern, bis hin zu Ensemblegrößen, bis hin zur Ausstattung des Orchesters – also lauter Einzelheiten, die in diesem Zu­sammenhang wichtig sind. Das sollte ja auch keine oberflächliche Betrachtung und Un­tersuchung sein.

Diese Details wurden mit den Betroffenen, in erster Linie Bühnengesellschaften, um­fassend diskutiert, und dann wurde dieser Bericht verfasst und natürlich den zustän­digen und verantwortlichen Geschäftsführern sowie den jeweils verantwortlichen Auf­sichtsräten zur Verfügung gestellt, damit sie ihren Pflichten, ihrer Verantwortung nach­kommen können und dann auch die Umsetzungsschritte setzen, wobei es ja nicht da­rum geht zu sparen. Die Bühnen – ich glaube, Sie kommen ja aus dem Kunstbereich –


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 93

unterliegen ja einem enormen Kostendruck: 80, 90 Prozent Personalausgaben. Allein das Einfrieren der Budgets erfordert schon sehr viel – jetzt unter Anführungszeichen – an „Konsolidierungsmaßnahmen“, damit das für uns auf der Bühne nicht sichtbar wird.

Also all diese Details sind den Verantwortlichen zur Verfügung gestellt worden und na­türlich auch mir in meiner Rolle als Eigentümervertreterin.

Und jetzt ist der entscheidende Punkt – und das ist ja auch ein wesentlicher Unter­schied zwischen Wirtschaften in der Privatwirtschaft und Agieren im öffentlichen Sek­tor –: Auf der einen Seite gibt es ein berechtigtes Interesse der Parlamentarier, ein öf­fentliches Interesse an einer öffentlich finanzierten Studie zu öffentlichen Unterneh­men, und auf der anderen Seite gibt es die berechtigten Interessen und eine zu schüt­zende Sphäre der Unternehmen in ihrem Betrieb, in ihrer – unter Anführungszeichen – „Geschäftstätigkeit“. Und da muss man einen guten Weg finden, und wir haben sehr in­tensiv darüber diskutiert.

Ich möchte nicht, dass wir damit beginnen, einander die Bühnengagen von Künstlern über die Boulevardmedien mitzuteilen oder die Bundestheater zu diskreditieren, wenn hier Detaildaten in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Ich möchte auch nicht, dass andere Theater Einblick in die „Eingeweide“ der Bundestheater nehmen und dann im Wettbewerb um Sänger und Dirigenten etwa der Staatsoper, ich nehme ein Beispiel, Konkurrenz machen. Das gilt es abzuwägen.

Ich habe den Kultursprechern angeboten – weil ich ja auch erkenne, dass es natürlich Interessen der Parlamentarier gibt, aber gleichzeitig auch die schutzwürdigen Interes­sen der Institution Bundestheater –, wenn Sie sich dazu bereit erklären, eine Vertrau­lichkeitserklärung zu unterzeichnen, Einblick zu nehmen in diesen 550 Seiten starken Detailbericht, weil ich ja auch nicht den Mythos entstehen lassen will, wer weiß, was auf den 550 Seiten alles steht, und es haben alle bis auf den Herrn Abgeordneten Zinggl mein Angebot auch angenommen.

Also das Angebot ist da, aber ich bitte hier wirklich um Verständnis, dass es abzuwä­gen gilt die berechtigten Interessen einer Institution auf Basis eines Evaluierungsbe­richtes und die Möglichkeiten der parlamentarischen Einsichtnahme. Selbstverständlich hat der Rechnungshof den Detailbericht. Aber, wie gesagt, ich möchte nicht, dass den Bundestheatern und vor allem den Künstlern und Künstlerinnen durch eine Debatte in den Medien auch nur in irgendeiner Weise Schaden zugefügt wird. Ich habe mich da auch rechtlich beraten lassen und festgestellt, dass das ein gangbarer Weg ist.

Wir haben vor zwei Tagen zu dieser ganzen Themenstellung Public Governance auch eine Tagung abgehalten, weil ich es für ganz wichtig halte, dass da sorgsam und acht­sam umgegangen wird und die jeweiligen Interessen gewahrt werden.

Also das Angebot steht. Wenn es um das Wohl der Bundestheater geht, glaube ich, ist das ein vertretbarer Weg, und da lade ich wirklich auch den Kultursprecher Ihrer Partei ein, sich das vielleicht noch einmal zu überlegen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.45


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 94

14.45.28 8. Punkt

Strategische Jahresplanung 2012 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der polnischen, dänischen und zypriotischen Präsidentschaf­ten (III-456-BR/2012 d.B. sowie 8705/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Nun gelangen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. – Ich bitte um den Bericht.

 


14.45.53

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über die Strategische Jah­resplanung 2012 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der polnischen, dänischen und zypriotischen Präsidentschaften liegt Ihnen schriftlich vor. Daher verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 den Antrag, die Strategische Jahresplanung 2012 des Bundesminis­teriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der polnischen, dänischen und zyprio­tischen Präsidentschaften zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schweigkofler. Ich erteile es ihm.

 


14.47.11

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Vorhabensbericht der EU-Kommission für das heurige Jahr steht unter dem großen Dach der Europa 2020-Strategie. Darin gibt es die zwei großen Hauptziele, die wir heute schon gehört haben, und zwar von unserem Vizekanzler und Außenminister.

Das erste große, wichtige Ziel der EU ist eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung im EU-Raum und das zweite die Sicherung und Schaffung von neuen Arbeitsplätzen in Europa. Unter diesem großen Dach findet sich natürlich auch der Punkt Bildung, der einen Schwerpunkt darstellt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die allgemeine Bildung, aber auch die berufliche Bildung, denn Investitionen in die Bildung sind langfristig ge­sehen wirtschaftsfördernde Maßnahmen.

Die EU schlägt in erster Linie jetzt neu vor eine EU-Benchmark für Beschäftigungs­nachhaltigkeit und Beschäftigungsfähigkeit. Das soll den Übergang der jungen Men­schen von der Schule, von der Ausbildung in den Arbeitsprozess darstellen. Hier möchte also die EU in den nächsten Jahren eine Erhöhung der Berufstätigkeit von jun­gen Menschen in den ersten drei Jahren, nachdem sie die Ausbildung verlassen ha­ben. Diese soll europaweit um 5 Prozent gesteigert werden, wobei wir – und auch das haben wir heute schon gehört – sagen können, dass Österreich bei der Jugendbe­schäftigung Europameister ist, wir sind also hier im Spitzenfeld. Umgekehrt nehmen die europäischen Staaten Anleihe bei uns und schauen, wie Österreich das so erfolg­reich schafft.

Der größte Schwerpunkt des Programms 2012 ist „Erasmus für alle“. Das ist ein EU-Programm für Jugend, Bildung und Sport. Hier ist eine neue Untergruppe, ein neues Unterprogramm geschaffen worden, und zwar das Unterprogramm Sport. „Erasmus für alle“ vorangegangen ist das EU-Programm „Lebenslanges Lernen“ und „Jugend in


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 95

Aktion“. Dieses Programm ist auf sieben Jahre angelegt. Welchen Wert dieses Pro­gramm für die EU hat, sieht man daran, dass in den nächsten sieben Jahren 19 Milliar­den € investiert werden sollen.

Dieses Programm baut auf drei thematischen Schwerpunkten auf, einerseits auf der transnationalen Bildungsmobilität. Das hat es in den Jahren, seit Österreich in der EU ist, ja längst gegeben, und wir alle wissen, wie erfolgreich diese Programme sind. Ös­terreichische Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten studieren an anderen Schulen, studieren an ausländischen Universitäten. Wie oft höre ich, wenn ich mit Studenten rede, ich war jetzt ein halbes Jahr in Madrid, ich war ein halbes Jahr in Stockholm und wie erfolgreich wir da waren. Hier kann man nur eines sagen: Gra­tulation, dass es ein solches Programm überhaupt gibt. Da sollen in den nächsten Jah­ren weitere 5 Millionen € investiert werden.

Weitere Punkte sind die Unterstützung für Partnerschaften und Kompetenzen und die Unterstützung für politische Maßnahmen. Zielgruppe sind, wie immer, Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, aber auch Lehrkräfteausbildner und ‑ausbildne­rinnen.

Ich kenne das aus eigener Erfahrung beziehungsweise aus der eigenen Schule, wenn eben Lehrer in den Sommerferien 14 Tage, also zwei Wochen, nach England zur Auf­frischung ihrer Englischkenntnisse fahren beziehungsweise dann dort auch 14 Tage studieren. Es gibt da auch den Lehreraustausch, den wir schon mit schwedischen be­ziehungsweise estnischen Schulen gemacht haben. Die Vorteile für die eigene Schule sind sehr groß, dies ist also sehr zu begrüßen. Meine Kolleginnen und Kollegen be­grüßen vor allem immer, dass sogar 80 Prozent der Kosten des Englandaufenthaltes gezahlt werden.

Wie antwortet unser Bundesministerium darauf? – Unser Bundesministerium will das österreichische Schulwesen weiter internationalisieren, und es will auch die Qualitäts­merkmale unseres Schulsystems erhöhen.

Was diese Internationalisierung anbelangt, denke ich an die große Aktion, die es be­reits seit vielen Jahren vom Unterrichtsministerium gibt, die Wien-Aktion: Die österrei­chischen Schülerinnen und Schüler lernen ihre Bundeshauptstadt kennen. Vielleicht eine Anregung: Da wir seit 1995 in der EU sind, wäre es gut, wenn Österreichs Schü­lerinnen und Schüler auch die EU-Hauptstadt Brüssel kennenlernen würden. Vielleicht wäre es möglich, ein Programm ähnlich jenem für Wien auch für Brüssel zu machen.

Ich kann auch hier wieder aus eigener Erfahrung sagen, ich fahre als Bürgermeister schon seit Jahren mit Jungbürgerinnen und Jungbürgern nach Brüssel, damit diese die EU-Hauptstadt und das EU-Parlament kennenlernen und dort auch mit Politikerinnen und Politikern sprechen können. Gerne erinnere ich mich an das wirklich beeindru­ckende Gespräch mit dem damaligen Kommissar Franz Fischler.

Welche Schwerpunkte gibt es noch? Es gibt die Förderung von grundlegenden Schreib- und Lesefähigkeiten. Die Frau Ministerin hat heute schon beim Beschluss zur NMS aufgezählt, was Österreich bisher getan hat, um die Lesefähigkeiten und die grundle­genden Schreibfähigkeiten zu fördern. Dann geht es weiters um die Förderung von Schlüsselkompetenzen. Damit werden Wissen und Kompetenz gesteigert, wodurch es, wie wir wissen, auch zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Wachs­tum in der EU kommt.

Im Kultur- und audiovisuellen Bereich gibt es ein neues EU-Programm „Kreatives Europa“. Das ist ein Dachprogramm zur Förderung der Kultur-, Film- und Kreativbran­che. In den nächsten Jahren sollen da 1,8 Milliarden € investiert werden. Das ist im­merhin ein Plus von 54 Prozent.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 96

Ein weiteres Programm ist „Europa für Bürgerinnen und Bürger“. In diesem Programm ist ein Schwerpunkt die Förderung des Geschichtsbewusstseins in Europa und auch die Förderung der Bürgerpartizipation. Hiefür will die EU in Zukunft 229 Millionen € ausgeben.

Dann gibt es weiters ein Programm zur Beschleunigung der Digitalisierung von kultu­rellen Inhalten. Das ist die Digitalbibliothek „Europeana“, die bis jetzt 20 Millionen Ein­träge hat. Diese Zahl soll bis 2015 auf 30 Millionen erhöht werden.

Zum Schluss noch die Fortführung des wohl sehr erfolgreichen Projektes „Kulturhaupt­stadt Europa“ ab 2019. Ein sehr erfolgreiches, sehr ambitioniertes Programm, das von­seiten des österreichischen Ministeriums absolut unterstützt wird. Somit unterstützen wir von der sozialdemokratischen Fraktion das selbstverständlich auch und nehmen diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.54


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Wenger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.55.00

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Mein Vorredner ist bereits sehr detailliert auf den vorliegenden Bericht einge­gangen. Auch in der heutigen Aktuellen Stunde ist mehrmals auf wesentliche Kapitel dieses Berichtes Bezug genommen worden. Diese wurden auch ausführlich dokumen­tiert und kommentiert.

Dabei kam zum Ausdruck, dass Österreich innerhalb der Europäischen Union einen er­folgreichen Weg beschreitet und auch keinen Vergleich zu scheuen braucht, ganz im Gegenteil, Österreich ist in vielen Bereichen Vorbild.

Aus meiner Sicht daher nur noch einige Ergänzungen. Bereits 2010 wurden im Rah­men der „Europa 2020“-Strategie Kernziele in den Bereichen, die mein Vorredner be­reits erwähnt hat, definiert. Fünf messbare Leitziele, die bis 2020 verwirklicht und in na­tionale Ziele umgesetzt werden sollen. Es sind sicherlich ambitionierte, aber erreich­bare Ziele.

Es geht auch darum, die Fortführung des Begonnenen gleichermaßen als Inhalt dieses Berichts zu sehen, wie auch den Hinweis darauf, wo die gesetzten Ziele nicht zur Gän­ze erreicht worden sind.

Vom Kollegen wurde bereits das Programm „Erasmus für alle“ erwähnt. Dazu nur er­gänzend, dass sich auch das Bundesministerium sehr stark dafür einsetzt, dass das EU-Bildungsprogramm in Zukunft gezielter zur Internationalisierung und Qualitätsent­wicklung der Bildungseinrichtungen beiträgt und in Zukunft noch mehr Schülerinnen und Schüler sowie auch Lehrkräfte die Chance auf Mobilität und länderübergreifende Kooperation haben.

Es ist schon erwähnenswert, dass zurzeit im Rahmen des laufenden EU-Bildungspro­grammes „Lebenslanges Lernen“ über 10 000 Österreicherinnen und Österreicher jähr­lich einen Lern- oder Arbeitsaufenthalt in einem anderen EU-Staat verbringen. Öster­reich liegt damit im europäischen Spitzenfeld. Vom Bundesministerium werden zur Un­terstützung österreichischer Projekte und Auslandsaufenthalte dementsprechende na­tionale Mittel zur Verfügung gestellt.

Durch die Steigerung der Lern- und Arbeitsmobilität gewinnt die Frage der Anerken­nung von nicht formalem und informellem Lernen immer mehr an Bedeutung. Ein ganz wichtiger Bereich, der letztendlich die Mobilität auch begründet, nämlich Erfahrungen


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 97

auch in der Praxis zu sammeln. Dies ist speziell im Bereich der Wirtschaft eine ganz wichtige Voraussetzung.

Für den Sport, das wurde auch bereits erwähnt, gilt das Gleiche. Auch da sind die Pro­gramme so gestaltet, dass in allen Sektoren nicht formale Lebenserfahrungen und Tä­tigkeiten gefördert werden.

„Kreatives Europa“ wurde erwähnt. Dazu ergänzend und auch erwähnenswert, dass der Betrag, der zur Verfügung gestellt wird, immerhin 1,8 Milliarden € ausmacht, also eine Steigerung von 54 Prozent bedeutet.

Auch die Donauraum-Strategie der Union ist ein wichtiger Teil und umfasst neben den Mitgliedstaaten des Donauraumes auch Staaten, die nicht Mitglieder der Europäischen Union sind. Es wurde heute bereits mehrmals auf diese Donauraum-Strategie Bezug genommen. Sie soll die langfristige Zusammenarbeit der beteiligten Länder unterstüt­zen. Österreich begrüßt diese europäische Zusammenarbeit.

Die Kooperation bildet zudem einen wesentlichen Schwerpunkt der Auslandsarbeit des Bundesministeriums. Vor allen Dingen auch deshalb, weil in diesem Bereich auf eine erfolgreiche Tradition und Zusammenarbeit mit den Ländern in Ost- und Südosteuropa verwiesen werden kann.

Auch die Einbeziehung von Kunst und Kultur in die soziale und wirtschaftliche Entwick­lung der Donauregion und die Entwicklung geeigneter Fördermechanismen für Kunst- und Kulturprojekte sind ein wesentlicher Teil der Zusammenarbeit und ein großes An­liegen des Ministeriums.

Die Tätigkeit im Rahmen des Kopenhagen-Prozesses wurde schon erwähnt. Öster­reich liegt im Bereich der Berufsausbildung absolut im europäischen Spitzenfeld. Die berufliche Bildung trägt maßgeblich zur Erreichung beider Aspekte des Kernzieles Bil­dung bei, nämlich 40 Prozent Hochschul- oder gleichwertiger Abschlüsse und Reduzie­rung der Schulabbrecherquote auf unter 10 Prozent. Da liegen wir zwischenzeitlich bei 8,3 Prozent.

Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion im vorigen Jahr, die sehr emotional war, wo es hieß: Vergesst bei der Mobilität die Lehrlinge nicht! Vergesst sie nicht, denn nur so kann europäische Integration funktionieren! Wir wissen, dass der Teil Lehrlinge eine wichtige Säule nicht nur des Bildungssystems, sondern auch unserer Wirtschaft ist.

Die österreichische Position zu den einzelnen Kapiteln ist klar formuliert. In den Stel­lungnahmen bekennt sich das Ministerium zur gemeinsamen Vorgangsweise, zu ge­meinsam erarbeiteten europäischen Standards und zur Umsetzung der Maßnahmen innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens.

Wir leben nun einmal in einem gemeinsamen Raum, und dementsprechend haben wir unseren Beitrag zur Gestaltung dieses gemeinsamen Raumes zu leisten. Österreich bringt sich nicht nur ein, sondern Österreich profitiert auch von der gesamteuropäi­schen Entwicklung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Insgesamt liegt ein positiver Bericht vor, der mit den darin formulierten Zielen und Maßnahmen die Aufgabenstellungen der kommen­den Jahre aufzeigt. In diesem Sinn wird der gegenständliche Bericht des Bundesminis­teriums von der ÖVP-Fraktion zustimmend zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.01


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 98

15.01.42

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich darf kurz anschließen an die Worte, die Herr Staatssekretär Waldner getroffen hat, und sagen: Dieser Bericht ist noch kein Rechenschaftsbericht im eigentlichen Sinn, ist auch noch kein Bericht dahin gehend: Was ist uns gelungen?, sondern ist eine Vorausschau auf unsere poli­tischen Schwerpunkte im Bereich Bildung und im Bereich Kunst und Kultur vis-à-vis der Europäischen Union. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Da darf ich jetzt ein paar Punkte herausstreichen – Sie haben, Herr Bundesrat, schon wunderbar die einzelnen Themenfelder dargestellt –, und zwar darf ich nun jene Punk­te herausarbeiten, auf die ich politisch besonders achten werde und auf die ich beson­ders schauen werde.

Wir befinden uns gerade jetzt in einer sehr entscheidenden Phase, was die Gestaltung der Politik der Europäischen Union betrifft. Es wird nämlich der mehrjährige Finanzrah­men 2014 bis 2020 in den nächsten Wochen vorbereitet. Wir haben bereits am 10. und 11. Mai in Brüssel wieder EU-Ministerräte. Es gibt Vorbereitungen mit der Europäi­schen Kommission. Also es ist jetzt wichtig, die Budgetsteigerung, die für Bildung, aber auch für Kunst, Kreativität in den EU-Programmen vorgesehen ist, auch tatsächlich umzusetzen.

Und was natürlich auch besonders wichtig ist: Die EU-Förderung basiert ja in wesent­lichen Bereichen auf der Kofinanzierung. Wir müssen auch aufpassen, dass mit dem österreichischen Budget nichts passiert. Das heißt, wir müssen schauen, dass sich diese Steigerungen auch im Bundeshaushalt entsprechend abbilden lassen.

Ich freue mich, dass es zu diesem Gesamtkomplex schon einen grundsätzlichen Mi­nisterratsbeschluss im Jahr 2011 gegeben hat, wonach sich die österreichische Bun­desregierung darauf geeinigt hat, das EU-Budget zugunsten der „Europa 2020“-Stra­tegie nicht nur mitzutragen, sondern die Investitionsprioritäten auch im nationalen Budget in den Zukunftsbereichen Bildung, Kultur, Kreativität und Innovation klar abzu­bilden.

Wenn die Europäische Union als wichtige Themen „Die Qualität des Bildungssystems“ und „Lebensbegleitendes Lernen unterstützen“ nennt, dann sehe ich mich durch die EU-Politik oder – ich glaube, ich darf ins „Wir“ gehen – dann sehen wir uns durch die Politik der Europäischen Union auch bei unseren nationalen Bemühungen unterstützt und bestärkt.

Wichtig sind die grenzüberschreitenden Programme für die jungen Menschen. Herr Ab­geordneter Wenger, das, was Sie zum Thema „Berufsbildung“ gesagt haben, möchte ich noch einmal unterstreichen, nämlich auch dahin gehend, dass wir da international beachtet werden. Ich möchte fast sagen, dass wir da international beneidet werden. Es vergeht kaum eine Woche, wo nicht internationale Delegationen nach Österreich kommen, um sich das berufsbildende Schulsystem, um sich die berufsbildende Ausbil­dung, auch die duale Ausbildung, in Österreich anzuschauen und sich diese zum Vor­bild zu nehmen.

Im Kultur- und Filmbereich sind uns schon bisher sehr, sehr hohe Rückflüsse auch für österreichische Projekte gelungen. Ich freue mich, dass das neue Programm „Kreati­ves Europa“ auch wieder deutliche Schwerpunktsetzungen im Bereich Kunst und Kul­tur vorsieht. Zwei Punkte sind mir da wichtig: darauf zu achten, dass es nicht zu einer Ökonomisierung von Kunst und Kultur kommt, wenngleich ich im selben Atemzug sa­ge: Kunst und Kultur braucht die ökonomische Debatte nicht zu scheuen!

Wenn ich mir die Transformationsprozesse in alten Industriegebieten anschaue – Stichworte: Ruhrgebiet, dynamische Entwicklung in Berlin –, dann stelle ich fest: Es ha­ben Kunst und Kultur an diesen Entwicklungen einen hohen Anteil.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 99

Und es geht natürlich auch darum, für Kulturinitiativen, für kleinere Projekte entspre­chende Abwicklungsmodalitäten zu schaffen. Ich habe jüngst bei meinem Besuch im Europäischen Parlament die Einrichtung eines Kleinprojektefonds vorgeschlagen, da­mit auch kleinere Projekte eine Chance haben, EU-Mittel in Anspruch zu nehmen.

Abschließend darf ich eine Bitte an Sie richten, meine sehr geehrten Damen und Her­ren Bundesräte: Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, Kunst- und Kulturprojekte auch in den Europäischen Fonds zu verankern. Ich will, dass in Zukunft Kunst- und Kulturpro­jekte auch im Europäischen Regionalfonds kofinanziert werden, denn es haben regio­nale Kulturprojekte eine immense Bedeutung für die Regionalentwicklung, für die Hei­matkultur, für die Kulturinitiativen, und es ist mir ein großes Anliegen, dass wir hier die­se Projekte auch durch EU-Mittel kofinanzieren. Das hat zwei Effekte: einmal den Li­quiditätseffekt und Finanzierungseffekt und natürlich auch den Effekt der Kunst- und Kulturvermittlung im Sinne einer selbstbewussten Wahrnehmung von Kunst- und Kul­turpolitik auch als Teil der Europäischen Union.

Ich möchte Sie bitten, mich dabei zu unterstützen. Ich führe diesbezüglich Gespräche mit dem Herrn Kommissar Hahn. Aber es beginnen gerade jetzt in Ihren Bundeslän­dern, in jedem einzelnen Bundesland in Österreich, die Vorbereitungen für die soge­nannten operationellen Programme, wo festgelegt wird, welche Projekte eingereicht werden können und welche nicht. Ich würde Sie ersuchen, ich möchte Sie bitten, einen Blick darauf zu werfen, dass Kunst und Kultur nicht irgendwo zwischen den Zeilen vorkommt, sondern deutlich und klar formuliert als Politikfeld, aber natürlich auch als Finanzierungsobjekt. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.09.159. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Bilanzbuchhaltungsgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden (1870/A und 1713 d.B. sowie 8698/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Dr. Mitterlehner bei uns hier im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte um den Bericht.

 


15.09.46

Berichterstatter Franz Perhab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Wirtschaftsausschus­ses vom 11. April 2012 über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Bilanz­buchhaltungsgesetz und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verle­sung; ich komme sogleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 100

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. Ich erteile ihm dieses.

 


15.10.26

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein österreichischer KMU-Betrieb weiß natürlich die Trias der Steuerberatung – beginnend mit Bilanzbuchhalter, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfer – zu schätzen. Gerade im komplexen System des österreichischen Steuersystems und Rechnungslegungswesens (der Redner ver­spricht sich beim letzten Wort) – das ist auch so kompliziert, dass ich es gar nicht aus­sprechen kann – muss man schon ein Wissenschaftler sein, dass man sich da den Durchblick verschaffen kann, dass man da Vertrauen finden kann und vor allem einen verlässlichen Ansprechpartner in einer Steuerberatungskanzlei oder eine Bilanzbuch­haltung im eigenen Betrieb beziehungsweise outgesourct beim Steuerberater, weil das ziemlich schwierig ist. Es gibt eine große Nachfrage nach Bilanzbuchhaltern, die sich überhaupt bei diesen Gesetzestexten auskennen.

Es gibt auch eine wechselseitige Kontrolle zwischen Bilanzbuchhalter und Steuerbe­rater, die eigentlich einander bedingen, um eine Rechnungslegung nach den internatio­nalen Accounting Standards oder im nationalen Recht beim Firmenbuch überhaupt ein­reichen zu können. Warum jetzt der Bilanzbuchhalter auf der Ebene des Steuerbera­ters mit steuerberatender Tätigkeit Verantwortung übernehmen muss oder soll, habe ich zu verstehen versucht, aber es ist mir nicht ganz gelungen. Herr Minister, vielleicht könnten Sie mir dann eine Erklärung geben. Ich nehme nicht an, dass der Grund bei der Wirtschaftskammer liegt, weil die Bilanzbuchhalter ja derzeit in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sind und ein Teil der WKO werden, damit der Wirtschaftsbund dann wieder mehr Mitglieder hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Ich nehme nicht an, dass das der Grund dafür ist, dieses Gesetz durchzuziehen, weil es eine ver­antwortungsvolle Tätigkeit ist und Österreich seit vielen Jahren mit dieser Tetrarchie lebt.

Das Steuerdickicht mit Belastungen und dem viel zu komplizierten Rechnungslegungs­wesen ist ein Problem für die Wirtschaftstreibenden als solche, denn wir haben alle an­deres zu tun, als uns permanent mit dem österreichischen Steuersystem auseinander­zusetzen. Das ist viel zu komplex, viel zu intensiv. Ich kann mich noch erinnern an die Antrittsrede der jetzigen Frau Minister Fekter hier im Hause, die ein vereinfachtes System versprochen hat, die sogar selber herausgefunden hat: Wir brauchen eine Ver­einfachung, wir brauchen ein geradliniges Konzept! Doch da sind Sie noch immer säu­mig, dieses sind Sie bis heute schuldig geblieben. Wir Freiheitliche fordern das und er­suchen Sie, dass Sie hier Ihre Vorbildwirkung als Wirtschaftsminister an den Tag le­gen.

Zwei Kuriositäten aus Wien möchte ich noch kurz berichten.

Erstens: Die U-Bahn-Steuer wird ab 1. Juni 2012 um 177 Prozent erhöht. Das ist ein europäischer Rekordwert. So eine hohe einmalige Erhöhung hat es überhaupt noch nie gegeben.

Zweite Kuriosität: Die Umsatzsteuervoranmeldung wird seit 1. Jänner 2012 im Querfor­mat zugeschickt, weil sich das bei einem Längsformat einfach nicht mehr ausgeht, weil der Erklärungstext so lang sein muss, dass man da überhaupt einen Durchblick hat.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 101

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Sie den Bilanzbuchhaltern eine Steuerbera­tertätigkeit zuweisen, denn rein vom Angebot und von der Nachfrage her ist es nicht nachvollziehbar. Österreich hat die größte Steuerberaterdichte, bereits eine der höchs­ten in ganz Europa. Da findet ein Verdrängungswettbewerb statt. Aber ich nehme an, dass Sie den Unternehmern helfen wollen, dass sie da den Durchblick bekommen, denn als Wirtschaftstreibender kann man den einfach nicht mehr haben.

Was sind die Forderungen einer freiheitlichen Steuerpolitik?

Kurz im Detail:

Wenn man jetzt nur die Lohnverrechnung anspricht: Wir bräuchten eigentlich auch ei­nen vierten Stand für Personalverrechner, denn auch da gibt es eine langwierige Aus­bildung, um bei den Gesetzen überhaupt den Durchblick zu finden.

Wir fordern eine Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage. Wir haben es derzeit mit Dutzenden Bemessungsgrundlagen zu tun, sodass da der Lohnverrechner allein über­fordert ist.

Wir fordern eine zusammengefasste Lohnabgabe – eine statt 14, die derzeit zu be­rechnen sind! Derzeit muss das alles der Unternehmer/die Unternehmerin und müssen das alle Wirtschaftsbetreibenden zahlen. Der Staat putzt sich ja da bei den Wirtschafts­treibenden ab.

Europäisch gedacht, weil heute das Thema „Europa“ oft genannt wird: Wir fordern eine Vereinheitlichung der Umsatzsteuer und gleichlautende Umsatzsteuergesetze zwi­schen Unternehmen. Am besten wäre das Reverse Charge System. Dies ist auch ein dringendes Anliegen, um den europäischen Umsatzsteuerbetrug, Vorsteuerbetrug ein­zudämmen.

Es sind auch Opportunitätskosten, die oft nicht gerechnet werden, die man als Wirt­schaftstreibender hat. Diese sind zwar nicht in Zahlen zu nennen, aber liegen einfach im Zeitaufwand. Ein Unternehmer/eine Unternehmerin ist nicht dazu da, seine/ihre Zeit für die Auseinandersetzung mit diesem viel zu komplizierten Rechnungslegungswesen aufzuwenden. Da bedarf es einer Vereinfachung. Da bedarf es der Hilfe seitens des Gesetzgebers. Das ist eine Aufgabe des Gesetzgebers, des Staates, des Bundes – aber sicher nicht die Aufgabe eines Gewerbetreibenden!

Der Unternehmer benötigt einfache, transparente und klar strukturierte Steuergesetze, um eine schnelle Bilanzierung und Steuerberechnung zu ermöglichen, die weniger Be­ratung erforderlich macht, und nicht das Gegenteil, wie es mit diesem Gesetz gegeben ist. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


15.16.15

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich beschränke mich jetzt auf die Novelle und nicht auf die Forderungen, denn die Änderungen im Wirtschaftstreuhand­berufsgesetz, im Bilanzbuchhaltungsgesetz und in der Gewerbeordnung 1994 bringen Verbesserungen für die Bilanzbuchhalter und Personalverrechner sowie eine Klarstel­lung für die Zahntechniker.

Zum einen werden die Umsatzgrenzen bei der Bilanzierung auf die Werte der kleinen GesmbHs in Entsprechung zum Unternehmensrecht dynamisiert, das heißt, die Bilanz­summe bis 4,84 Millionen € und die Umsatzsumme bis 9,68 Millionen angehoben. Bi­lanzbuchhalter dürfen wie auch Personalverrechner künftig auch Arbeitnehmerveranla­gungen durchführen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 102

Die Praxiszeiten für die Zulassung zur Fachprüfung „Steuerberater“ werden für Bilanz­buchhalter von 9 auf 5 Jahre gekürzt. Außerdem – das ist vorhin auch schon gesagt worden – werden alle Bilanzbuchhalter Mitglieder der Wirtschaftskammer Österreich.

Letzter Punkt: In der Gewerbeordnung wird nochmals klargestellt, dass Zahntechniker­meister im Einzelfall und im Auftrag des Zahnarztes sowie in dessen Ordination Abfor­mungen und notwendige Bissnahmen im Mund des Patienten vornehmen sowie An- und Einpassungsarbeiten am Zahnersatz durchführen können.

Es ist sicherlich ein Kompromiss – das wurde schon angedeutet –, aber ich glaube, dass es trotzdem eine Verbesserung ist. Deshalb wird unsere Fraktion dieser Geset­zesänderung zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.18.16

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Pisec, über eine Vereinfachung des Steuersystems kann man denken, wie man will, aber ich meine, das Steuersystem muss auch sinnvoll sein und nicht nur einfach. So wie Sie das zuvor geschildert haben, könnte man glauben, dass die österreichischen Gewerbetreibenden noch eine Durchschreibebuchhaltung machen und sich Steuersät­ze einzeln berechnen müssen. Das macht inzwischen die EDV. Das ist, glaube ich, nicht mehr das große Problem!

Steuerberater braucht man meines Wissens in erster Linie dafür – vielleicht kann mich da die Präsidentin (in Richtung der Bundesrätin Zwazl) ein bisschen unterstützen –, dass man möglichst alle guten Dinge herausholt, die die Gesetze zu bieten haben (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), dass man sich möglichst alle Verbesserungen heraussucht. Es geht nicht unbedingt darum, dass man verschiedene Bemessungs­grundlagen in einer EDV nicht unterbringt.

Aber zurück zu dem, worum es eigentlich wirklich geht.

Der Herr Kollege Steinkogler hat vorhin gemeint, es gebe sehr viele Verbesserungen in diesem Gesetz. – Keine Frage, die gibt es! Es ist aber so wie bei dem Spielchen: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Es gibt eben auch Verschlechterungen, zumindest unserer Meinung nach.

Wir sehen die Anhebung der Umsatzgrenzen in diesem Ausmaß auch sehr kritisch, denn man kann gleich von null auf hundert gehen oder man kann irgendwie zwischen­durch auch einen Kompromiss suchen.

Die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung ist positiv – keine Frage.

Zur Verkürzung der Praxiszeiten: Ich weiß nicht, wessen Anliegen das war. Unseres je­denfalls nicht!

Die Eingliederung in die Wirtschaftskammer ist kein dezidiertes Anliegen unsererseits gewesen. Aber es ist nicht das Problem, das wir bei diesem Gesetz haben.

Unser größtes Problem mit diesem Gesetz ist eigentlich das Zustandekommen, näm­lich dass zuerst irrsinnig lange diskutiert und verhandelt wurde, letztendlich dann aber ein Initiativantrag gekommen ist und es keine Diskussion und keine öffentliche Stel­lungnahme gegeben hat, sondern eine Gesetzesvorlage, die, wie gesagt, ein Kompro­miss ist, bei der die Opposition aber nicht mehr in die Diskussion eingebunden war.


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Das ist das, was wir kritisieren, das hätte man besser machen können. Und wir sind, wie gesagt, gegen die Anhebung der Umsatzgrenzen, die wir in diesem Ausmaß nicht für notwendig erachten. Deshalb werden wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

15.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


15.20.50

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute die Änderun­gen des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, des Bilanzbuchhaltungsgesetzes und der Gewerbeordnung. Es war, wie schon gesagt wurde, im Vorfeld sicher nicht leicht, einen entsprechenden Konsens beziehungsweise entsprechende Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen zu finden. Aber ich glaube, das Ergebnis – ein guter Kompromiss – kann sich sehen lassen, da diese Novelle wesentliche Verbesserungen bringt, nicht nur für die Berufsgruppen, sondern auch für die Konsumenten.

Mit dieser Gesetzesänderung werden Maßnahmen beschlossen, die die unterschiedli­chen Buchhaltungsberufe in einen einheitlichen Rechtsrahmen und eine einheitliche In­teressenvertretung überführen.

Auf die Verbesserungen durch dieses Gesetz möchte ich nicht näher eingehen, da die­se Punkte schon genannt wurden, wie die Verkürzung der Praxiszeiten, die Erweite­rung der Befugnisse, die Erhöhung der Umsatzgrenzen, die Rechte der BuchhalterIn.

Es sind sehr wichtige Punkte, die diese Gesetzesänderung mit sich bringt. Man hat dabei sicher auch auf die wirtschaftliche Situation der KMUs Rücksicht genommen. Und eines kann man schon sagen: Die Steuerberatungskanzlei ist keinesfalls dadurch abgewertet worden.

Ich möchte noch kurz auf die Änderung der Gewerbeordnung betreffend die Berufs­gruppe der Zahntechniker eingehen. Ich glaube, diese Änderungen beziehungsweise Erweiterungen der Befugnisse von Zahntechnikern sind unbedingt erforderlich, damit die gesetzlichen Rahmenbedingungen an die Realität der Behandlungstätigkeit im Zu­sammenhang mit prothetischen Maßnahmen angepasst werden, damit endlich Rechts­sicherheit hergestellt wird.

Diese Erweiterung der Befugnisse für Zahntechniker bringt vor allem auch für Patien­tinnen und Patienten wesentliche Vorteile, wie kürzere Wartezeiten, geringere Kosten et cetera.

Insgesamt bin ich überzeugt davon, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die rechtli­chen Rahmenbedingungen den Veränderungen der verschiedenen Berufsgruppen an­gepasst werden müssen und diese Anpassung daher notwendig ist. Daher wird meine Fraktion dieser Gesetzesänderung zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mit­terer zu Wort. – Bitte.

 


15.23.22

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Nur ein paar kurze Anmerkungen, weil ja schon vieles zu dem Thema ge­sagt wurde.

Die Änderung betrifft eine große Berufsgruppe, die selbständigen Bilanzbuchhalter, die gewerblichen Buchhalter, selbständige Buchhalter, Buchhalter und Personalverrech-


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ner. Nach Meinung dieser Berufsgruppe ist die im Nationalrat beschlossene Gesetzes­änderung ein Erfolg, auch in diesem Umfang bereits ein Erfolg. Allerdings wird massiv kritisiert, dass es aufgrund des Druckes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur He­rausnahme des Passus gekommen ist, was die Abfassung und Abgabe von Steuer­erklärungen anlangt. Das ist der Knackpunkt der Geschichte.

Nachdem Matznetter und Steindl den Antrag in vollem Umfang eingebracht haben, also mit der Abfassung und Abgabe von Steuererklärungen, wurde dieser im Wirt­schaftsausschuss einstimmig, von allen Parteien, auch von den Grünen, beschlossen. Allerdings ist es dann vor der Gesetzwerdung – wie gesagt, durch den Druck der Kammer der Wirtschaftstreuhänder – zu dieser Änderung gekommen. Und das ist ein Wermutstropfen für diese Berufsgruppe, weil sie eine wesentliche Einschränkung bringt.

Die Buchhalter sind bestens ausgebildet, sie sind sehr wohl auch für die Abfassung von Steuererklärungen ausgebildet und haben eine Fortbildungsverpflichtung, jedes Jahr 30 Stunden, was zum Beispiel die Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder nicht haben. Das heißt, sie sind aufgrund des Gesetzes up to date.

Wie gesagt, das Gesetz bedeutet eine wesentliche Verbesserung, aber nach der He­rausnahme der Abfassung und Abgabe der jährlichen Steuererklärungen fehlt uns etwas. Das ist auch der Grund dafür, dass wir dieser Gesetzesnovelle nicht zustimmen werden.

Ein Mitglied dieser Berufsgruppe hat treffend gemeint: Treffen wir uns in der Mitte! Das wäre schon ein Erfolg gewesen, das heißt, wenn die Abfassung und Abgabe von Steu­ererklärungen nur für jene Betriebe Gültigkeit hätten, die nur Ein- und Ausgabenrech­ner sind. Das wäre ein Vorschlag in die richtige Richtung. Vielleicht kann auch die Wirt­schaftskammer, die ja letztlich auch die Buchhalter zu vertreten hat, maßgebend mit­wirken, dass es bei einer weiteren Novelle da zumindest eine Ausweitung gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

15.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Präsi­dentin Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


15.26.26

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Dem einen ist es zu viel, dem anderen ist es zu wenig. Faktum ist, dass die vorliegende Änderung des Wirtschaftstreuhandbe­rufsgesetzes, des Bilanzbuchhaltungsgesetzes und der Gewerbeordnung die teilweise unklare Situation, die jetzt im Buchhaltungsbereich herrscht, wesentlich verbessert.

Über die Erhöhung der Bilanzierungsgrenzen und über die Übermittlung der Arbeitneh­merveranlagung haben wir schon gesprochen. Es ist da auch zu berücksichtigen, dass wir sehr viele Klein- und Mittelbetriebe haben. Wir dürfen nicht vergessen, 86 Prozent unserer Betriebe haben nur bis zu zehn Mitarbeiter, und für die ist es schon sehr wich­tig, dass sie da Unterstützung haben. Die brauchen nicht unbedingt einen Steuerbera­ter, sondern da sind wirklich gut ausgebildete gewerbliche Buchhalter, die jetzt Buch­halter haben, eine wesentliche Unterstützung; das ist auch ein Kostenfaktor.

Natürlich wünschen wir von der Wirtschaft uns, dass man in der Lage ist, selbst seine Steuer- und Personalverrechnung korrekt und ordentlich zu machen, aber aufgrund der vielen Vorschriften ist das oft nicht möglich. Deshalb ist das sehr wichtig.

Ich meine, dass wir damit jetzt eine Auswahlmöglichkeit haben, die für uns in der Wirt­schaft notwendig ist.


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Wir haben auch schon im Finanzausschuss darüber gesprochen, und ich glaube, du, Reinhard Pisec, hast gesagt, dass du denkst, dass die Steuerberater durch diese Mög­lichkeiten weniger Geschäft machen werden. Ich glaube, das wird nicht der Fall sein.

Ich habe mir auch angeschaut, wie die Umsatzentwicklung in den letzten zehn Jahren aussieht. Das ist eine Unterlage (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe), die von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist. Und im Jahr 2000 waren es nach die­ser 1 000 200 000 €, im Jahr 2010 waren es 1 000 920 000 €. Es gibt da also immer Umsatzsteigerungen, vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 hat die Umsatzsteigerung 7,68 Prozent betragen, von 2009 auf 2010 waren es 3,14 Prozent. Ich denke, wir brau­chen uns diesbezüglich keine Sorgen zu machen, es ist Platz für alle.

Ich meine, dass es wichtig und gut ist, dass wir das jetzt für die Klein- und Mittelbe­triebe machen, dass wir diese Änderung vornehmen beim gewerblichen Buchhalter, der jetzt eben nur Buchhalter ist.

Dass man auch weiß, wovon wir reden: 1989 haben wir den Beruf des gewerblichen Buchhalters ins Leben gerufen, seit 2007 ist es nicht mehr möglich, einen gewerblichen Buchhalter anzumelden, da gibt es jetzt die Bilanzbuchhalter.

Über die Grenzen haben wir schon gesprochen.

Mir ist es auch wichtig, dass diese Erweiterung der Berufsrechte für mehr als 3 000 Personen – es sind zum Großteil weibliche Bilanzbuchhalterinnen – für die Frau­en auch sehr gute Karrierechancen bedeutet. Für Frauen ist da auch eine gute Verein­barkeit von Familie und Beruf gegeben. Hervorgehoben werden muss aber auch – und darauf lege ich großen Wert –, dass unsere Bilanzbuchhalterinnen und -buchhalter bestens ausgebildet sind.

Weiters haben wir endlich einmal, und das ist mir auch wichtig, eine Bereinigung der Bezeichnungsvielfalt. Die selbständigen Buchhalter werden ab 1. Jänner 2013 aus­schließlich als „Bilanzbuchhalter“ bezeichnet und fallen unter die Bestimmungen des Bilanzbuchhaltungsgesetzes, gewerbliche Buchhalter gelten ab 1. Jänner 2013 als Buchhalter und Personalverrechner gemäß den Bestimmungen des Bilanzbuchhal­tungsgesetzes. Und da ist es so, dass die zum Großteil Einnahmen-Ausgaben-Rech­nung machen, und da ist die Bemessungsgrundlage: Umsatz 700 000 €. Ich denke, das ist schon ein Betrag, bis zu dem man es gut ausgebildeten Leuten zutrauen kann, dass sie es ordentlich machen.

Da gesagt wurde, dass die Wirtschaftskammer sozusagen geschaut hat, dass sie jetzt neue Berufsgruppen bekommt, und es auch geheißen hat, dass das ein großer Erfolg des Wirtschaftsbundes ist, weil alle neuen Mitglieder jetzt auch Mitglieder des Wirt­schaftsbundes sind: Das weiß ich nicht, denn bei uns in der Kammer wird nicht gefragt, wenn sich jemand anmeldet, wohin er gehört, sondern wir betreuen alle gleich.

Meiner Überzeugung nach ist es in Ordnung, dass jetzt alle selbständigen buchhalten­den Berufe nicht mehr teilweise in der Wirtschaftstreuhänderkammer und teilweise in der Wirtschaftskammer sind, sondern zur Gänze in der Wirtschaftskammer integriert werden. Es war ja auch der Wunsch der Wirtschaftstreuhänder, dass wir diese Berufs­gruppe übernehmen. Die Initiative ist nicht von der Wirtschaftskammer ausgegangen.

Wir freuen uns auf die neuen Mitglieder und werden sie auch gut betreuen.

Wir haben heute noch einen zweiten Punkt, darüber bin ich auch sehr froh, denn das ist auch ein Thema, das wir schon sehr lange behandelt haben: die Zahntechniker­meister. Diese können in Zukunft unter Aufsicht des Zahnarztes, also im Auftrag des Zahnarztes, in der Ordination die Abdrucke machen.

In der Diskussion im Ausschuss ist auch die Frage angesprochen worden, warum der Zahnarzt dabei sein muss oder sich das anschauen muss, bevor die den Abdruck


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machen: Das ist zur Sicherheit unserer Zahntechnikermeister. Es gibt sehr viele Er­krankungen im Kiefer, und das würde keine Versicherung übernehmen, da gäbe es keine Haftung.

Ich glaube, es sind alle Beteiligten mit diesen Änderungen zufrieden, und ich bitte Sie, hier zuzustimmen, weil ich glaube, dass es da wirklich darum gegangen ist, dass die Beteiligten an einem Tisch gesessen sind und eine Lösung gefunden haben, die wir alle mittragen können. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


15.32.48

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon betont wor­den, dass es sich da um einen Initiativantrag handelt und um keine Regierungsvorlage. Wir können aber seitens unseres Ministeriums den hier vorliegenden Initiativantrag nicht nur bestens unterstützen, sondern haben das auch in den Vorbereitungsarbeiten getan.

Ich erinnere mich daran, dass ich in anderer Funktion mit dem schon im Zusammen­hang mit diesem Initiativantrag apostrophierten Kollegen Matznetter den ersten Schritt vorbereitet habe, was die gewerblichen Buchhalter anlangt, der sich bewährt hat.

Es ist angesprochen worden, dass da de facto eine schon bestehende Praxis in Rich­tung Legalisierung umgewandelt wurde. Das hat vielen, vor allem Frauen, entspre­chende Rechte und natürlich auch Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben, das hat aber insbesondere auch den Kunden Sicherheit hinsichtlich dessen, was vorher im Graubereich abgewickelt wurde, gegeben.

Daher ist das, was hier vorliegt, ein Schritt in Richtung weiterer Verbesserung, was mehrfach auch bestätigt wurde. Die Frage ist immer, wer profitiert wovon. Das ist natürlich ein intensives Ringen um Berufsrechte. Zu bemessen ist das Ganze vor allem aus der Sicht des Kunden, des Konsumenten, und ich glaube, das ist ein eindeutiger Fortschritt, der hier vorliegt.

Die Anhebung der Grenzen entspricht einfach der betrieblichen Praxis und den Gege­benheiten, die sich entwickelt haben, was die Umsatzentwicklung insgesamt anlangt.

Das ist der eine Bereich, wir sehen das positiv, und der eine Abänderungsantrag, der angesprochen worden ist: Es ist immer so, manchmal geht es nach vor und manchmal zurück. In Wirklichkeit werden wir das Ende der Fahnenstange jetzt auch noch nicht er­reicht haben, es wird weitere Bemühungen geben.

Die Zuordnung zur Wirtschaftskammer bedeutet eine eindeutige Klärung, die im In­teresse der Kammer der Wirtschaftstreuhänder erfolgt ist, denn das, was vorher war, war eine Art Schlichtungs-, Schiedsstelle, Verwaltungsstelle mit enorm hohen Kosten, die beide Teile administrativ belastet hat. Das wird sich dann in Richtung Vereinfa­chung bewegen.

Auch bei den Zahntechnikern und Zahnärzten geht dieser Zuordnungs- und Rege­lungsstreit schon über Jahre. Ich würde sagen, mindestens 20 Jahre lang hat sich das einmal in diese Richtung, einmal in die andere Richtung bewegt. Das, was hier vorliegt, ist wiederum ein Kompromiss, der aber doch die Rechte der Zahntechniker entspre­chend ausweitet, ohne die anderen wirklich einzuschränken.

Daher können wir zu beiden Vorlagen insgesamt sagen, dass das eine positive Weiter­entwicklung ist, die hoffentlich – das ist ja hier angedeutet worden; nicht von allen – möglichst breite Zustimmung erfahren wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.35



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 107

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.36.2010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Akkreditierungsgesetz 2012 erlassen wird und das Maß- und Eich­gesetz und das Kesselgesetz geändert werden (1687 d.B. und 1712 d.B. sowie 8699/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (1686 d.B. und 1714 d.B. sowie 8700/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend Freihandelsabkom­men zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits (1635 d.B. und 1715 d.B. sowie 8701/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 10 bis 12 ist Herr Bundesrat Perhab. – Ich bitte um die Berichte.

 


15.36.51

Berichterstatter Franz Perhab: Hohes Präsidium! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erstatte zunächst den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Akkreditierungsgesetz 2012 erlassen wird und das Maß- und Eichge­setz und das Kesselgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters erstatte ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermes­sungsgesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; somit komme ich sogleich zur An­tragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 108

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Drittens erstatte ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea ande­rerseits.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. April 2012 in Verhandlung genommen.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Kollege, beim letzten Antrag gibt es noch einen 2. Punkt. Ich darf Sie darum bitten.

 


Berichterstatter Franz Perhab (fortsetzend): Auch dieser Beschluss unterliegt Arti­kel 50 Absatz 2 B-VG, daher noch der Antrag:

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


15.39.03

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben es ja gehört: drei Gesetzesmaterien in einer Debatte. Maß- und Eichgesetz, Vermessungsgesetz, da kann ich noch eine gewisse Conclusio herstellen, es hat sich mir bis jetzt aber noch nicht erschlossen, ganz ehrlich gesagt, was das Freihandels­abkommen mit Korea mit dem Vermessungsgesetz und dem Maß- und Eichgesetz zu tun hat, die wir in einer Debatte abhandeln. Aber vielleicht wird es mir einer der Nach­redner erklären.

Vorweg, meine Damen und Herren, der erste Verhandlungsgegenstand jetzt, das Maß- und Eichgesetz, und auch das Freihandelsabkommen finden unsere Zustimmung. Beim Vermessungsgesetz haben wir unsere Bedenken.

Vielleicht kennt das hier (der Redner hält ein „Amtsblatt für das Vermessungswesen“ in die Höhe) nicht jeder der hier anwesenden Grundstücksbesitzer: Das ist das „Amtsblatt für das Vermessungswesen“. Kennt das jemand nicht? – Alle kennen es, da bin ich froh. Ich hoffe nur, dass auch die Zuseher zu Hause, die ein Grundstück besitzen, alle dieses „Amtsblatt für das Vermessungswesen“ kennen. Es erscheint in unregelmäßi­gen Abständen; in den letzten Jahren zwischen vier und sieben Mal pro Jahr.

Daran entzündet sich jetzt auch unsere Kritik. Der neue Absatz 9 des § 57 stellt eine Reparatur eines Versäumnisses dar. Wie auch in den Erläuterungen steht, ist es in der Novelle 2008 unterlassen worden, eine Bestimmung analog zu § 2 des allseits be­kannten GUG – das ist das Grundbuchsumstellungsgesetz – einzuführen und aufzu­nehmen. Das soll jetzt repariert werden, um eine Lücke zu schließen, die Fälle betrifft, die eigentlich seit 1969 angefallen sind. Der Gesetzgeber macht es sich aber sehr ein­fach und sagt, mit der Veröffentlichung in erwähntem Amtsblatt ist das für alle Anrainer rechtsbindend, gibt es keine Einspruchsmöglichkeiten mehr nach Ablauf von sechs


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Monaten nach Erscheinen in diesem Amtsblatt. Also man hätte sich schon die Mühe machen können – ich glaube nicht, dass die Kosten überaus hoch gewesen wären –, festzulegen, dass alle, nämlich die Grundstücksbesitzer und die Anrainer, über solche Grundbuchseintragungen in den neuen Grundbuchskataster benachrichtigt werden.

Ich will niemandem etwas unterstellen, aber es gibt Heimatromane, die sich mit Grenz­steinverrückungen beschäftigen, und auch unsere Bezirksgerichte sind zu einem guten Teil mit Grenzstreitigkeiten befasst. Man will die Bürger offensichtlich vor vollendete Tatsachen stellen – wenn sie nicht mindestens alle sechs Monate im Amtsblatt nach­schauen.

Aus diesem Grund werden wir diesem Vermessungsgesetz nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

15.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


15.42.49

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Kollege Krusche, ich verstehe die Aufregung nicht so ganz, und ich kann Sie auch beruhigen: Sie können zustimmen, weil die von Ihnen angespro­chenen Punkte auf Initiative des Herrn Bundesministers abgeschwächt worden sind, nämlich die Kommunikation mit den Gemeinden. Dafür sind wir sehr dankbar, weil wir als Ländervertreter hier im Bundesrat auch den Anspruch stellen, die Gemeinden zu vertreten. Das haben wir, glaube ich, alle schon öfters festgestellt. Der Hinweis von dir, Herr Kollege, war natürlich richtig, aber die Kommunikation wird nunmehr über die Städte und Gemeinden sichergestellt, über Gemeindezeitungen, über Zuschriften der Städte, der Gemeinden und über andere Maßnahmen. Ich gebe schon zu, das „Amts­blatt für das Vermessungswesen“ ist vielleicht nicht gerade eine regelmäßige Lektüre oder ein Gassenhauer oder Bestseller, zumindest nicht für die meisten Menschen, da haben Sie schon recht.

Ich verstehe deshalb die Aufregung nicht ganz, weil es beim Vermessungsgesetz im Prinzip darum geht, dass die Grundstücksdatenbank einer technischen Neugestaltung zugeführt wird, damit auch Grundbuchsgerichte und Vermessungsbehörden einfach ein besserer Zugriff auf Dokumente ermöglicht wird.

Es kommt zu einer Verfahrensbeschleunigung in verschiedenen Bereichen, zu einer Reduktion von drei auf zwei Instanzen. – Also was man gegen eine Verfahrensverein­fachung haben kann, weiß ich jetzt, muss ich ehrlich gestehen, auch nicht.

Beim Akkreditierungsgesetz kommt es ebenfalls zu einer Vereinfachung. Es wird eine EU-Richtlinie umgesetzt, es kommt zu einer einheitlichen Konzentration auf Bundes­ebene. Man sieht dabei, dass wir als Länder durchaus bereit sind, Kompetenzen abzu­geben, wenn es Sinn macht.

Zu diesem Thema würde ich auch noch gerne drei, vier Sätze anmerken, sinnvolle Re­formen auch in diesem Bereich. – Wir Vorarlberger Bundesräte haben immer wieder den Vorschlag eingebracht – von dem wir übrigens immer noch der Meinung sind, dass er sinnvoll ist –, dass Parallelitäten in der Verwaltung, insbesondere im Bereich der un­mittelbaren Bundesverwaltung, durchforstet werden. In Österreich gibt es eine Vielzahl von unmittelbaren Bundesbehörden in den Ländern, die parallele Aufgaben erledigen wie die Landesverwaltungen, das Amt der Landesregierung oder die Bezirkshaupt­mannschaften, und sich zum Teil komplementieren.

Im Wirtschaftsministerium – und deshalb möchte ich das erwähnen – betrifft das das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Der Herr Präsident schmunzelt schon,


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wir haben die Anfragen schön öfters eingebracht; interessanterweise auch schon mein Vorgänger, der ehemalige Bundesratspräsident Jürgen Weiss, dessen ehemaliger Ka­binettchef jetzt als Sektionschef dafür zuständig ist. Also die Geschichte ist interessant und wiederholt sich. Wir glauben, dass gewisse Synergien möglich wären.

Es gibt – man muss sich das vorstellen – 64 Dienststellen des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen in Österreich. Wir wollen nicht das Bundesamt in Frage stel­len, um Gottes willen, das würden wir nie tun, aber wir glauben, dass es doch Syner­gien gibt, die hier zu heben sind. Wenn wir jetzt mit diesen Gesetzesnovellen schon ei­ne Verfahrens- und Verwaltungsvereinfachung beschließen, so könnte man sich zu­mindest auch Reformvorschläge der Länder etwas genauer ansehen.

Ungeachtet dessen werden wir natürlich diesen drei Gesetzesvorlagen gerne zustim­men. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.46.48

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Brunner, jetzt hast du mich etwas irritiert und überrascht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Brunner.) – Er muss mir jetzt ganz kurz etwas erklären.

Ich habe im Ausschuss nachgefragt, wie das denn mit der Kommunikation ist. Dort hat es nur geheißen, das geht über die Gemeinden. Wenn ich jetzt von Minister Mitterleh­ner – vielleicht hört er mir auch zu – erfahre, dass den Gemeinden daraus keine Kos­ten erwachsen, werden wir unsere Meinung neu überdenken. Meine Angst bei diesem § 57 ist nämlich schon, dass die Gemeinden, wenn sie die Information bekommen, dass die Eingaben im Amtsblatt veröffentlicht sind, und sie den Leuten mitteilen müs­sen, auch Porto zahlen müssen oder wie auch immer, also dass ihnen auch Kosten entstehen. Wenn den Gemeinden daraus keine Kosten erwachsen, nach dieser neuen Information, dann bin ich gerne bereit, mich entgegen der Meinung des Nationalrats zu einer Zustimmung bewegen zu lassen.

Vielleicht können Sie uns das noch mehr im Detail erläutern, denn genau dieser § 57 Absatz 9 ist der Grund dafür, dass wir diesem Gesetz nicht zustimmen wollen. Alle anderen Verwaltungsvereinfachungen haben im Prinzip unsere volle Zustimmung.

Selbiges gilt für das Akkreditierungsgesetz, dem wir auch gerne zustimmen wollen.

Zu dem Abkommen mit Korea wird dann der Effi noch etwas sagen.

Wenn Sie uns zur Änderung des Vermessungsgesetzes, wie gesagt, noch mehr De­tails übermitteln, denken wir gerne noch darüber nach bis zur Abstimmung. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

15.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


15.48.25

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wie gesagt, Tagesordnungspunkt 10 betrifft die Neufassung des Akkreditierungsgesetzes 2012 so­wie die Änderungen im Maß- und Eichgesetz und im Kesselgesetz – alles spannende Themen. Der vorliegende Beschluss enthält Bestimmungen für den Akkreditierungsbei­rat, regelt Auswahl und Tätigkeit von Sachverständigen, ermöglicht weiters die Ausset-


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zung der Akkreditierung und schafft auch die Überführung der bisherigen Zertifizie­rungsstellen per Bescheid.

Insgesamt ist das alles sehr positiv, ich weiß aber natürlich auch, dass man immer noch ein bisschen mehr machen könnte. Ich glaube aber, dass das Schritt für Schritt gehen muss, auch in diesen Bereichen.

Mit Tagesordnungspunkt 11 liegt die Vermessungsgesetznovelle 2012 vor. Dabei geht es vor allem darum, dass die Grundbuchsgesetznovelle aus 2008 und die Erneuerung der Grundbuchsdatenbank rechtliche Anpassungen und Klarstellungen im Vermes­sungsgesetz notwendig machen.

Das Adressregister wird auf Wunsch der Städte und Gemeinden künftig auch den Zu­stellort enthalten – eine begleitende Maßnahme zu Errichtung der Grundstücksdaten­bank –, und auch eine Verfahrensvereinfachung ist dadurch gegeben.

Bei Tagesordnungspunkt 12 geht es um das Freihandelsabkommen zwischen der Eu­ropäischen Union und der Republik Korea. Das Freihandelsabkommen soll die Grund­lagen für die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen bilden. Korea ist ein Markt, der für Österreich und auch für die anderen EU-Länder mit Sicherheit sehr interessant ist. Zur­zeit hat Österreich, wie ich gelesen habe, bei der Handelsbilanz eine positive Seite.

Das Abkommen regelt 98,7 Prozent des Marktes, es liegen nur noch 1,3 Prozent im geschützten Bereich. Der vorliegende Gesetzentwurf schafft meiner Meinung nach Si­cherheit in den Wirtschaftsbeziehungen zu Korea.

Meine Fraktion wird diesen drei Gesetzesvorlagen die Zustimmung geben.

Lassen Sie mich nun noch ein, zwei, drei Sätze anfügen, da das heute für mich die letzte Bundesratssitzung ist! – Nach 19 vollen Jahren und 39 Präsidentschaften ist für mich jetzt Schluss im Bundesrat. Es passt ganz gut. Wenn ich die mediale Diskussion verfolge, sehen muss, wie der Bundesrat wieder einmal im Fokus steht, und wenn ich dann daran denke, wie oft ich in den letzten 19 Jahren gehört habe, wie man den Bun­desrat verbessern kann, wie man ihn stärken kann, wie man ihn auflassen kann oder soll, muss ich sagen: All das hat es in diesen 19 Jahren immer in gewisser Regelmä­ßigkeit gegeben.

Ich denke, dass das jetzt eine sehr ernste Diskussion ist und dass jetzt, auch im Zuge der Spar-Diskussionen, eine der letzten Chancen besteht, den Bundesrat dorthin zu bringen, wo man ihn wirklich haben will. Genau darum geht es mir.

Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie erfolgreich sein und den Bundesrat genau in dieses Fenster hineinbringen werden, das sich vielleicht irgendwann in den nächsten Wochen noch öffnen wird. – Ich verabschiede mich mit einem „Glück auf!“ dem Bundesrat!“ (An­haltender allgemeiner Beifall.)

15.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich die Gelegenheit ergreifen, mich im Namen von uns allen von unserem Kollegen Bundesrat Johann Kraml offiziell zu ver­abschieden. Er hat selbst darauf hingewiesen, dass er seit mehr als 19 Jahren diesem Haus angehört, und ich glaube, es gibt niemanden hier im Raum, der noch länger da ist als er. Das ist eine wirklich ganz, ganz lange Zeit.

Er ist schon sehr lange für die SPÖ Bereichssprecher für Budget und Finanzen, und sein Wissen und seine Kompetenzen in diesem Bereich haben ihn auch zu einem sehr versierten Ausschussvorsitzenden im Finanzausschuss gemacht.

Ich möchte aber nicht verhehlen, dass er nicht nur im Bereich Finanzen ein wirklicher Experte unserer Fraktion war, sondern dass es auch andere Initiativen gegeben hat –


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ich erinnere an die Linzer Autobahn oder an die Milchmarkt-Krise – und Themen, für die er sich stets eingesetzt hat, auch wenn sie anderen nicht ganz so wichtig waren.

Politisch war Kollege Kraml 30 Jahre lang Bezirksparteivorsitzender der SPÖ-Rohr­bach. Er ist Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens für die Republik Österreich.

Ich möchte mich ganz offiziell bei dir, lieber Hans, im Namen von uns allen bedanken für deine langjährige Tätigkeit hier in diesem Hause und für alles, was du im Haus, aber auch für das Haus nach außen und insbesondere für den Bundesrat gemacht hast. Ich wünsche dir für deinen bevorstehenden „Unruhestand“ Gesundheit, viel Erfolg und alles Gute! (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

*****

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.54.12

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Republik Südkorea – also nicht mit jenen, die vor Kurzem eine Rakete ins Weltall schießen wollten, um den Weltraum zu beschallen mit den Klängen des Führers – ist das umfassendste Abkommen mit der EU, das es jemals gegeben hat. Das Abkommen hat einen Liberalisierungsgrad von fast 99 Prozent. Es beseitigt damit nicht nur fast alle Zölle auf Warenimporte im Bereich der Industrie- und Agrarwaren, sondern beinhaltet auch eine weitgehende Liberalisierung des Dienstleistungshandels und des öffentli­chen Beschaffungswesens und Begünstigungen für Direktinvestitionen.

Das Freihandelsabkommen ist am 1. Juli 2011 provisorisch in Kraft getreten. Das Euro­päische Parlament hat bereits im Februar 2011 seine Zustimmung gegen die Stimmen der Grünen und der Linken gegeben. Die Zustimmung einer Vielzahl an nationalen Parlamenten ist noch ausständig. Es wird aber wohl zu keinen Änderungen mehr kom­men.

Die Gründe dafür, dass wir es ablehnen, lassen sich in zwei Punkten zusammenfas­sen. Der erste Punkt ist die Unterminierung der südkoreanischen Emissionsziele. Die EU hat im Laufe der Verhandlungen einen immensen Druck auf Südkorea ausgeübt, um weitreichende Konzessionen für die europäische Autoindustrie in das Freihandels­abkommen durchzuboxen. Konkret schaut es jetzt so aus, dass sich europäische Auto­hersteller bei Neuwagenexporten nach Südkorea nicht an die im Vergleich zur EU strengeren CO2- und Emissionsgrenzwerte für Neuwagen halten müssen. Aus ökologi­scher Sicht ist das natürlich sehr bedenklich. Unsere Kollegen aus dem Europäischen Parlament haben das als sehr skandalös bezeichnet, dass die Südkoreaner dermaßen unter Druck gesetzt worden sind, ihre eigenen Emissionsziele so zu unterminieren.

Der zweite Punkt, warum wir dagegen sind, ist der Bereich der Internet- und Informa­tionsfreiheit.

Ähnlich dem Anti-Piraterie-Abkommen ACTA enthält das Freihandelsabkommen mit Korea sehr vage gehaltene weitreichende Bestimmungen zum Schutz des geistigen Ei­gentums. Die mögliche Strafverschärfung bei Urheberrechtsverletzungen bringt Rechts­unsicherheit für Betroffene. Man stößt hier somit auf ähnliche Probleme wie bei ACTA, bei dem weiterhin umstritten ist, ob es überhaupt geltendem EU-Recht entspricht.

Das Freihandelsabkommen geht in seinem Geltungsbereich weit über ACTA hinaus. Es erfasst nicht nur Urheber- und verwandte Rechte, sondern auch Marken- und De­signrechte, Patente und Halbleiter-Layouts, geographische Herkunftsbezeichnungen und nicht veröffentlichte Informationen. Wir Grüne befürchten, genau wie bei ACTA, in-


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direkte Einschnitte in die Informationsfreiheit. Zumindest so lange, bis die juristische Überprüfung von ACTA durch den EuGH nicht abgeschlossen ist, sollten auch die Be­stimmungen zum Schutze des geistigen Eigentums in diesem Freihandelsabkommen ausgesetzt werden.

Aufgrund dieser zwei Kritikpunkte werden wir diesem Tagesordnungspunkt sicherlich nicht unsere Zustimmung erteilen.

Wenn uns zur Änderung des Vermessungsgesetzes – wie Kollegin Kerschbaum schon angesprochen hat – Minister Mitterlehner noch schlüssige Argumente liefert beziehungs­weise das, was in den Raum gestellt worden ist, klärt, dann werden wir dieser Vorlage ebenso wie der dritten jetzt in Verhandlung stehenden zustimmen, aber diesem Frei­handelsabkommen dezidiert nicht! – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

15.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Mit­terlehner. – Bitte.

 


15.58.24

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte auch ich dem Kollegen Hans Kraml alles Gute wünschen – auch aus einem besonderen Ge­sichtspunkt heraus. Es ist apostrophiert worden, dass er 30 Jahre lang im Bezirk Rohrbach der Bezirksvorsitzende der SPÖ war. Ich bin das seit rund zehn Jahren sei­tens der ÖVP und muss sagen, er hat es angesichts der dortigen Konstellation im Kon­kurrenzkampf sicherlich nicht immer einfach gehabt. Wir waren Konkurrenten, ich darf aber dazusagen, dass wir uns persönlich wirklich sehr gut verstanden haben und im­mer fair miteinander umgegangen sind. Dafür möchte ich mich auch hier im Plenum bedanken und ihm wirklich alles Gute wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren, es ist bereits angesprochen worden, es stehen jetzt drei Materien in Verhandlung, und was den sachlichen Zusammenhang zwischen dem Frei­handelsabkommen und den beiden anderen technischen Gesetzesvorhaben anlangt, ist wirklich zu sagen, dieser ist nicht ganz einfach herzustellen. Aber das liegt nun ein­mal in einem Paket vor – und daher wird es so abgehandelt.

Ich möchte sagen, es waren relativ wenig kritische Stimmen zu hören, was das Akkre­ditierungsgesetz 2012 anlangt. Im Endeffekt geht es dabei um die Kompetenzde­ckungsklausel und um die Herstellung eines EU-konformen Zustandes. Man fragt sich, zumindest der Laie fragt sich: Was wird eigentlich mit diesem Gesetz geregelt? – Das ist ganz interessant, vielleicht haben Sie sich das im Detail angeschaut: Das ist die Basis für die Akkreditierungen im Bundesbereich von Konformitätsbewertungsstellen, wie zum Beispiel TÜV, Schweißtechnische Zentralanstalt, Quality Austria – Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs GmbH und so weiter.

In diesem Zusammenhang werden die Konformitätsbewertungen nach ÖNORMEN und ISO-Normen durchgeführt. Insgesamt gibt es aktuell in Österreich 469 Konformitätsbe­wertungsstellen, 127 Inspektionsstellen, 60 Zertifizierungsstellen, 282 Prüf- und Kali­brierstellen. – Technisch ist hier einiges los. Das wird administrativ mit dem vorliegen­den Gesetz vereinfacht.

Ich halte sonst sehr viel von dem, was der Kollege Brunner sagt, aber heute, glaube ich, dass die Anregungen in Richtung BEV, die zum zweiten Punkt oder auch generell vorgebracht wurden, nicht unsere Unterstützung finden.

Ich glaube, der umgekehrte Weg wäre genau das Richtige. Das ist ja ein Beispiel, wo die Länder Kompetenzen an den Bund abgeben. Ich könnte mir gerade in einem The­menbereich wie etwa Bundes-Kinder- und Jugendhilfe vorstellen, dass hier auch die Kompetenzen so geordnet werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)


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Dann hätten wir – das passt zwar nicht zu diesem Tagesordnungspunkt – wenigstens eine klare Regelung. Denn so entsteht der Eindruck, dass hier der Bund seinen Ver­pflichtungen nicht gerecht wird. Es geht wirklich nur darum, dass das Land die Ver­pflichtung hat. Wenn wir hier finanzielle Mittel zur Unterstützung bereitstellen, dann ist das eine Übergangslösung. Das ist leider noch nicht so nachvollzogen worden, aber ich hoffe, wir kommen auch dort noch zu einem so guten Ende wie hier beim Akkre­ditierungsgesetz 2012.

Anders verhält es sich bei dem zweiten Themenpunkt. Das war die Frage, was die Grundstücksdatenbank anbelangt. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass es hier eigentlich nur darum geht, die entsprechende Umsetzung zu machen, die wir ein­fach aus technischen Gründen notwendig haben, weil die österreichische Grundstücks­datenbank einer umfassenden technischen Neugestaltung unterzogen wird, und das ermöglicht im Zuge dieser Neuordnung einen rascheren Zugriff auf die jeweils relevan­ten Dokumente.

Mit dieser Inbetriebnahme der neuen Datenbank erfolgt natürlich auch ein entspre­chender Datentransfer, das heißt, durch eine Umschreibung der alten Grundstücke auf die neue Datenbank. In diesem Zusammenhang, wenn so etwas geschieht, ist es na­türlich möglich, dass auch Fehler entstehen können, dass möglicherweise etwas nicht so ist, wie es sein sollte, und daher ist es notwendig, dass eine Einschaumöglichkeit, eine Korrekturmöglichkeit besteht.

Jetzt ist in diesem Zusammenhang kritisiert worden, dass das Amtsblatt für Vermes­sungswesen, das immer auf der Homepage des BEV ersichtlich ist und das auch ei­nige Male im Jahr erscheint, nicht das Medium ist, das allen Österreichern entspre­chend zugänglich ist. – Das wird stimmen.

Daher: Dank dem BEV, dass man diesen Fehler – oder besser gesagt: diese nicht opti­male Möglichkeit der Information – insofern verbessert hat, als dass man hergegangen ist und mit dem Gemeindebund und mit dem Städtebund eine Informationsmöglichkeit vorbereitet hat, die eben den einzelnen Grundstückseigentümern ermöglicht, entspre­chende Einschau zu halten und auf Basis dieser Einschau beim jeweiligen Vermes­sungsamt eventuell Korrekturmöglichkeiten anzumerken.

Warum ist das nicht individuell durchgeführt worden und jeder, der betroffen ist, ange­schrieben worden? – Weil die individuelle Information über die Umschreibung des Ka­tasters an jeden Grundeigentümer Kosten verursacht hätte. Und zwar: Es gibt rund 3 Millionen Einlagen im Allein- beziehungsweise Miteigentum. Das würde Kosten von rund 15 Millionen € verursachen, wenn jetzt jeder nach dem Motto: Hier wird umge­stellt, schauen Sie bitte nach, ob alles in Ordnung ist, und machen Sie eventuell Ihren Einspruch geltend!, angeschrieben wird.

Daher ist die Frage, die gestellt worden ist, welche Kosten auf die Gemeinden zukom­men, eine Frage, die ganz einfach zu beantworten ist: Gar keine Kosten kommen auf die Gemeinden zu, weil das in entsprechenden Mitteilungs- und Informationsorganen der Gemeinden sichergestellt wird.

Das heißt, derjenige, der – ich nehme da schon an, dass Gemeinde- und Städtebund-Informationen von den jeweiligen Bürgern gelesen werden – auf diese Information stößt, kann mit der entsprechenden Telefonnummer beziehungsweise Internetverbin­dung dann den Kontakt herstellen und kann entsprechende Einwendungen erheben, wenn solche notwendig sind.

Das haben wir ja an sich im Nationalrat und im Wirtschaftsausschuss schon entspre­chend aufgeklärt. Ich hätte gedacht, dass damit diese Vorbehalte ausgeräumt worden sind. Teilweise war die Diskussion so, als ob das nicht stattgefunden hätte. Von den Grünen ist es so angemerkt worden, dass man das durchaus mitvollzogen hat, dass es


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hier Verbesserungen gibt. Daher hoffe ich, dass man hier die entsprechende Unterstüt­zung bei der Abstimmung finden kann.

Ich glaube, dass das im Großen und Ganzen ausgeräumt ist, und danke dafür auch dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und seinen Mitarbeitern.

Damit kommen wir zur dritten Konstellation, das ist das Freihandelsabkommen EU mit Südkorea. Im Endeffekt ist bei jedem Freihandelsabkommen die Frage zu stellen, wie mit den Standards umgegangen worden ist.

Da ist richtig, dass im Bereich des KFZ-Wesens, was diese Standards anbelangt, of­fensichtlich ein Entgegenkommen da war. Auf der anderen Seite, wenn es um andere Standards im Umwelt- und Naturschutz, aber auch im Sozialbereich ging, hat es diese Einigung nicht gegeben. Da hat sich Südkorea entsprechend mit sehr hohen Standards durchgesetzt.

Es sei angemerkt, dass das Abkommen schon in Geltung ist und dass die Probleme, die Sie genannt haben, in der Praxis offensichtlich nicht aufgetreten sind – in der Pra­xis wird es schon vollzogen – und Österreich mit einem Plus von zirka 31 Prozent bei den Exporten auch mit 1 Milliarde € davon profitiert. Sie dürfen nicht unterschätzen, dass die Symmetrie bei solchen Abkommen schon relativ stark gegeben ist. Es ist nicht mehr so asymmetrisch wie früher, dass das eine Art Gnadenakt der EU gegenüber anderen Ländern ist, sondern das ist eine sehr starke symmetrische Konstellation, wo die eine Seite Forderungen hat, die andere Seite Forderungen hat und es auch für die EU gar nicht einfach ist, zu einem Abschluss zu kommen.

Wir glauben, dass ein gutes Verhandlungsergebnis vorliegt, das auch Ihre Zustimmung finden sollte. In diesem Sinn: Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. – Doch, es gibt noch eine Wortmeldung von Herrn Kollegem Krusche. – Bitte. (Bundesrat Mag. Klug: Da ist jetzt die Erkenntnis gereift! Jetzt kommt die Zustim­mung! – Jetzt kannst du, Kollege Krusche, gewinnen!)

 


16.07.03

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Nein, die Zustimmung kommt nicht, weil die grundsätzlichen Bedenken nicht ausgeräumt worden sind. Das ist zwar nett und mag in den Einzelfällen durchaus eine Verbesserung zur Folge haben, wenn in Koope­ration mit Gemeindebund und Städtebund hier ein Informationsaustausch stattfindet. Aber es steht nirgends geschrieben, in welcher Form und ob die Gemeinden das über­haupt in irgendwelchen Organen zu veröffentlichen haben. Das ist im Gesetz nicht drinnen.

Wenn drinnen stehen würde, die Gemeinden haben das zu veröffentlichen, zumindest halbjährlich, dann würden wir zustimmen. Das ist aber nicht der Fall. Das ist eine außergesetzliche nette Geste, aber löst das Problem grundsätzlich nicht.

Wenn eine Gemeinde das nämlich nicht macht, dann sind wir genau bei dem, was im Gesetzestext steht, das heißt: erlangt Rechtskraft. Aus, fertig. (Beifall bei der FPÖ.)

16.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt noch einmal Herr Bundes­minister Mitterlehner. – Bitte.

 


16.08.00

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Ich bedauere, dass Sie der Auffassung sind, dass das eine Darstellung ohne irgendwelche Verbindlichkeit seitens Gemeinde- und Städtebund ist.


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Tatsache ist, dass genau das Gegenteil vorliegt, nämlich eine Vereinbarung zwischen einerseits dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und andererseits dem Gemeinde- und Städtebund.

Es wurde vereinbart, dass die Informationen über die Umstellung über die verfügbaren Medien in den jeweiligen Gemeinden und Städten, etwa Internet, offizielle Magazine und dergleichen, publiziert werden. Dafür brauche ich keine gesetzestechnische Grund­lage, sondern es genügt eine privatrechtliche Vereinbarung.

Die Gemeinden werden aber, um auch ganz sicherzugehen, ab dem Zeitpunkt der Kundmachung direkt angeschrieben, um hier weiterführend informieren zu können.

Das heißt, es ist eine doppelte Absicherung. Wenn man das da und dort in der Weiter­gabe übersieht, erfolgt auch die direkte Kontaktaufnahme mit der Gemeinde, um zu informieren, dass das stattfindet. Darüber hinaus gibt es da noch eine Reihe anderer Ansprechrichtungen, um sicherzustellen, dass das in der Form jetzt durchgeführt wird.

Daher glaube ich, dass das nach menschlichem Ermessen – man muss ja sagen, da geht es um keine substanziellen inhaltlichen Änderungen, sondern um technische Da­tentransfers – eigentlich genügen sollte, um hier wirklich sicherzugehen, dass das Gan-
ze stimmt.

Deswegen wundere ich mich, dass man die weiterführende Verbesserung nicht ak­zeptieren kann. Aber sei es darum. Wenn Sie nicht wollen, dann nehmen Sie die Ver­besserung nicht zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nun nicht mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Akkreditierungsgesetz 2012 erlassen wird und weitere Gesetze geändert werden.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsge­setz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Be­rücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 117

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Uni­on und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf auch dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.12.3413. Punkt

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend EU Vorhaben Jahresvorschau 2012 (III-450-BR/2012 d.B. sowie 8702/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Damit kommen wir zum 13. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Bitte um den Bericht.

 


16.12.45

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend EU Vorhaben Jahres­vorschau 2012 liegt in schriftlicher Form vor.

Ich darf daher den Antrag stellen, den Bericht des Bundesministers zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


16.13.22

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schennach hat heute schon eine Replik auf die Rede des Kollegen Kneifel gegeben, und ich möchte noch gerne kurz auf das replizieren, was Kollege Edgar Mayer zur Unterschrift von Frau Bundesminister Fekter heute in der Schweiz gesagt hat.


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Ich habe schon in meiner letzten Rede darauf hingewiesen, was die Arbeiterkammer Vorarlberg dazu gesagt hat. Damals hat Bundesminister Hundstorfer gemeint: Ja, ja, nur die in Vorarlberg und die in Tirol. – Das war sein Hinweis. Auch auf andere Wirt­schaftskammerinformationen hatte ich hingewiesen.

Aber es ist schon interessant: Nachdem heute dieses Papier in der Schweiz unter­schrieben wurde, gibt es doch tatsächlich sofort eine Meldung von unserem AK-Prä­sidenten in Vorarlberg, Hämmerle, der sagt: „Strafe statt Amnestie“. Und das möchte ich Ihnen schon gerne mitteilen:

„Als ungerechte und kurzsichtige Schwarzgeld-Weißwasch-Aktion bezeichnet AK-Prä­sident Hubert Hämmerle das neue Steuerabkommen mit der Schweiz.“

Er „sieht darin eine ,völlige Legalisierung von Steuerhinterziehung gegen eine kleine Bezahlung‘.“

Er nennt das auch einen „Schlag ins Gesicht“:

„,Während jeder kleine Steuerzahler wiederholt zur Sanierung der Finanz- und Wirt­schaftskrise in die Pflicht genommen wird werden mit dem Schweiz-Abkommen Steu­erhinterzieher im großen Stil reingewaschen‘, ärgert sich Hämmerle. Und das, obwohl in Österreich ohnehin Geldvermögen sehr niedrig, Arbeit hingegen sehr hoch besteuert werde. Dies sei zutiefst ungerecht und ein ,Schlag ins Gesicht für die ehrlichen Steu­erzahler‘, kritisiert Hämmerle das Abkommen. Noch dazu hätten jene, die weiterhin anonym bleiben, noch bis 2013 die Möglichkeit, ihre Millionen in ein anderes Land zu verschieben.

‚Österreich blockiert vernünftige Besteuerung‘

Hämmerle kritisiert weiters, dass Österreich auf EU-Ebene mit dem Hinweis auf das Bankgeheimnis eine vernünftige Besteuerung von ausländischen Geldern bei österrei­chischen Banken blockieren würde. ,Das Bankgeheimnis war aber zu keiner Zeit dafür vorgesehen, Schwarzgelder und Gelder aus kriminellen Quellen zu schützen. Wenn es nur noch dafür dient, kann es getrost abgeschafft werden‘, so Hämmerle abschlie­ßend.“

Das wollte ich Ihnen nur zur Kenntnis bringen, weil Sie ja vielleicht vol.at nicht alle im­mer lesen. (Bundesrat Mag. Klug: Wir wollten Ihnen nur sagen, dass der Wirtschafts­minister da ist! – Weitere Zwischenrufe.)

Nein, es geht nur darum, dass man auch genau weiß, wie man sich im Prinzip von Vor­arlberg bis hierher unterschiedlich verhalten kann. Es war einfach auch nur ein biss­chen ein Zurückwerfen von den Meinungen, wenn hier heraußen gesagt wird, wir seien nur gegen  (Bundesrat Mayer: Aber das ist jetzt einfach nicht zum Bericht! Man kann auch zur Sache reden! Das ist einfach ein Topfen!)

Ja, das war jetzt einfach eine Replik. Meine Ausführungen zum Bericht kommen erst. Sie werden doch nicht so aufgeregt sein wegen nicht viel mehr! Also, was soll denn das? Wir halten doch das leicht aus! (Zwischenruf des Abg. Perhab.) – Nein, er nimmt einen anderen. Ist überhaupt kein Problem.

Aber jetzt zum Punkt 12 und somit zum Bericht. – Die EU-Vorhaben sind, wie es auch schön drinnen steht, geprägt von der gegenwärtigen Finanz- und Schuldenkrise (Bun­desrat Mag. Klug: Jetzt kommen wir zur Tagesordnung!) – richtig, Herr Klug! – in Eu­ropa, und da setzt das dänische Arbeitsprogramm vier Schwerpunkte: einmal ein ver­antwortungsvolles Europa, ein dynamisches Europa, ein grünes Europa und ein siche­res Europa.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die Staatsschuldenkrise sollen durch strikte Haushaltspolitik und wirtschaftspolitische Steuerung bekämpft werden, was eine der


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Prioritäten ist. Diese Haltung der dänischen Präsidentschaft ist, glaube ich, auch tat­sächlich bei den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmenplan deutlich gewor­den. Es geht, so wie es der Herr Vizekanzler schon gesagt hat, bei der dänischen Prä­sidentschaft eher um eine nicht verschnörkelte Angelegenheit, sondern um eine sehr nüchterne und geradlinige.

Mehr Wachstum durch mehr Binnenmarkt ist eine weitere Priorität. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum sind meiner Meinung nach unsere Unternehmen und die Industrie zuständig. Die Politik kann dafür höchstens die Rahmenbedingungen schaffen.

Im Bericht ist auch der Punkt „Lehrlinge und Jugend“ ein aus meiner Sicht sehr, sehr wichtiger Punkt. Wir haben heute schon mehrfach darüber gesprochen. Der Schlüssel für die Bewältigung einer standortpolitischen Herausforderung liegt nämlich in der Bil­dung – das haben wir, glaube ich, alle gemeinsam unterstrichen – und vor allem auch in der Ausbildung der jungen Menschen. Und hier ist das angesprochene Mobilitäts­programm „Erasmus für alle“ sehr positiv zu erwähnen.

Ganz besonders möchte ich aber auf die offenbar auch als Exportschlager von Öster­reich bekannte duale Ausbildung hinweisen. Es gibt auch die verbesserte duale Ausbil­dung, nämlich die duale Ausbildung mit modularem Aufbau. Ich bin davon überzeugt, dass mit einer solchen Facharbeiterausbildung junge Menschen nicht nur aussichts­reichere Zukunftsperspektiven bekommen, sondern dass auch der gesellschaftspoli­tische Stellenwert, der zurzeit leider immer noch sehr leidet, ganz stark angehoben wird. Ich glaube, das ist einer der ganz, ganz wichtigen Punkte, den wir uns auf die Fahnen heften müssen, dass der gesellschaftspolitische Stellenwert dieser Facharbei­ter wertgeschätzt wird und damit auch die Facharbeiter von morgen tatsächlich die entsprechende gesellschaftspolitische Wertigkeit bekommen.

Der Wirtschaftsstandort in der Globalisierung kann lediglich von diesen ausgebildeten Facharbeitern gesichert werden, und somit natürlich auch der Wohlstand unserer Gesellschaft garantiert werden. Eine weitere und wichtige Herausforderung wird aber auch der Bereich Forschung und Entwicklung sein. Österreich braucht Forschung und Innovationen, um auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Hier tut sich meiner Meinung nach ein gewaltiges Loch auf, denn zum Jahreswechsel erkannte unsere Regierung schlagartig, dass sie auf die Schuldenbremse treten und gleichzeitig ein Sanierungsprojekt und -paket schnüren müsse.

Wenige Wochen zuvor aber hatte dieselbe Regierung knapp 1,3 Milliarden € relativ locker ausgegeben! Zum Beispiel waren das 1 Milliarde für die Pensionserhöhung und 280 Millionen € für die Beamtenlohnrunde. Die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Interessenvertretern waren kurz und freundlich, die beiden Gruppen konnten jedoch nicht ernsthaft zu einem Verzicht bewegt werden. Aber ohne nun gegen Be­amte oder Pensionisten auftreten zu wollen (Bundesrat Mag. Klug: Dann wird man nicht mehr gewählt!), frage ich tatsächlich nach: Wann hat die Regierung zuletzt derart großzügig, vor allem so schnell und unbürokratisch, Geld für jüngere Menschen aus­gegeben, zum Beispiel für den Ausbau der Schule und die Finanzierung der Universi­täten?

Wir haben heute schon gehört, dass es die Uni-Milliarde geben soll. Diese ist auch un­bedingt notwendig, es ist aber schade, dass sie offensichtlich erst kommen soll und nicht längst schon da ist. Wir nehmen – das ist allerdings ein bisschen provokant ge­sagt – fast achselzuckend zur Kenntnis, dass ein erheblicher Teil der Schulabgänger nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen kann. (Bundesrat Mag. Klug: Na geh, nicht!) Wir haben aber zu wenig Platz an den Universitäten, daher produzieren wir zu wenige Akademiker, und die erforderlichen Ärzte, Wissenschafter und Techniker fehlen uns.


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Das hat nichts damit zu tun, dass wir gegen Europa sind, sondern wir brauchen die Anstrengungen, die im Vorwort des Berichts des Bundesministers drinstehen, auch auf nationaler Ebene. Wenn dies auf EU-Ebene – so wie es im Vorwort steht – zur Be­wältigung der Finanz- und Staatsschuldenkrise bedeutet, dass weiterhin nur Geld in Länder wie Griechenland gepumpt werden soll, anstatt über geordnete Insolvenzen nachzudenken, dann ist das ein Weg, der Milliarden, Hunderte Milliarden an Euro aller beteiligten Mitgliedstaaten verschlingt. Diese Milliarden benötigen wir aber dringendst für nationale Maßnahmen!

Ich glaube nicht, dass man mit diesen Milliarden die 20-Prozent-Arbeitslosigkeit in Griechenland direkt bekämpfen kann. Es sind vielleicht eher die Banker-Boni der in­ternationalen Geldinstitute damit bedient. Ein weiterer Ablehnungsgrund zu diesem Be­richt liegt für uns in der Tatsache, dass wiederum Geld für die Kernenergie, jedoch nicht für den endgültigen Atomausstieg in die Hand genommen wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisinger. – Bitte.

 


16.23.24

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Der vorliegende Bericht befasst sich zwar vorwiegend mit der Staatsschulden- und Finanzkrise und den notwendigen Maßnahmen, damit diese nicht auf die Realwirtschaft durchschlagen, ich möchte aber im Besonderen auf jenen Teil des Berichtes eingehen, welcher sich mit der Ausrichtung der zukünftigen Energiepoli­tik befasst.

Namhafte Experten prophezeien, dass nach der Staatsschulden- und Finanzkrise eine Energiekrise kommen könnte, wenn wir nicht rechtzeitig Maßnahmen setzen. Es ist auch so, dass der Energieverbrauch jährlich um zirka 2 Prozent steigt, nicht zuletzt auch deshalb, weil es hier eine sehr direkte Verbindung zum Wirtschaftswachstum gibt. Wir wissen auch, dass sich viele der bisher üblichen Energieträger dem Ende zunei­gen. Öl, Gas und Kohle sind nur begrenzt vorhanden, und in der Nutzung der Atom­energie ist es, nicht zuletzt aufgrund der Zwischenfälle in Tschernobyl und Fukushima, Gott sei Dank zu einem weltweiten Umdenken gekommen.

Es gibt in Deutschland nach wie vor einen aufrechten Beschluss und auch die ernst­hafte Absicht zum Ausstieg aus der Kernenergie. Das wird nicht ganz einfach werden, weil man in Deutschland doch sehr stark auf die Atomenergie gesetzt hat. Ohne Über­heblichkeit kann man sagen, dass wir hier in Österreich durchaus eine Vorbild- und auch Vorreiterrolle haben, weil wir, nicht zuletzt aufgrund einer Volksabstimmung, schon vor 25 oder 30 Jahren auf die Atomenergie verzichtet haben, auf diese Weise den Ausstieg eigentlich schon vor dem wirklichen Einstieg beschlossen haben und uns damit heute viele Sorgen ersparen. (Bundesrätin Kerschbaum: ... Import von Atom­strom!)

Wir sind aber auch Vorbild, wenn es um die Nutzung erneuerbarer Energieträger geht. Rund 80 Prozent des elektrischen Stromes gewinnen wir schon heute aus der Was­serkraft, diesbezüglich haben wir einen sehr hohen Grad des Ausbaues erreicht.

Es wurde in den letzten Jahren aber auch die energetische Nutzung von Biomasse massiv ausgebaut und vorangetrieben. Zahlreiche größere und kleinere Fernwärmean­lagen auf Biomassebasis sind entstanden – Biomasse, welche zum Großteil aus der Forstwirtschaft und aus der Sägeindustrie kommt, aber in zunehmendem Maße auch aus sogenannten Energiewäldern, in denen rasch wachsende Baumarten im Kurzum­trieb angebaut werden. So wird auch ein positiver Beitrag zur CO2-Bilanz geleistet.


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Es gibt – nicht zuletzt auch aufgrund eines soliden und zukunftsweisenden Ökostrom­gesetzes – einen regelrechten Boom bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen und Windrädern. Leider sind aber auch diese nicht immer ganz unumstritten; wir haben in der Steiermark derzeit eine recht heftige Diskussion darüber, dass man diese verhin­dern möchte. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass nicht auf jedem Berg und vor jeder Schutzhütte ein Windrad stehen muss, aber persönlich sind mir hundert Wind­räder schon zehnmal lieber als ein Atomkraftwerk! Es geht hier auch um diese Grund­satzentscheidung: Wollen wir Strom aus Atomkraftwerken oder Strom aus Sonne und Wind?

Wir werden uns aber auch mit der Frage der besseren und effizienteren Nutzung der uns zur Verfügung stehenden Energie intensiv beschäftigen müssen. Auch hier gibt es seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend eine Reihe an vorgeschlagenen Maßnahmen. Es gibt von dir, Herr Minister, einen Zehn-Punkte-Plan zur Steigerung der Energieeffizienz, der unter anderem eine großzügige Förderung der Maßnahmen zur thermischen Gebäudesanierung vorsieht. Auch in diesem Bereich sind wir europaweit Vorbild.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit den vorliegenden energiepolitischen Maßnah­men drei wesentliche Ziele erreichen werden: erstens eine gesicherte energetische Versorgung, zweitens die Schonung und einen sorgsamen Umgang mit unserer Um­welt sowie drittens – und das ist, glaube ich, in dieser Zeit besonders wichtig – auch wichtige Impulse für die Wirtschaft und damit für die Absicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Nur wenn wir neben den unbedingt notwendigen Sparmaßnahmen im Staatsbudget auch die richtigen beschäftigungspolitischen Akzente setzen, so wie sie in diesem Bericht aufgezeigt werden und großteils auch schon in Umsetzung sind, kön­nen wir die derzeitige Krise möglichst unbeschadet bewältigen.

Meine Fraktion wird daher diesen Vorhabensbericht nicht nur zur Kenntnis nehmen, wir erwarten uns auch eine erfolgreiche Umsetzung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist der Fraktionsvorsitzende Mag. Klug. – Bitte.

 


16.29.22

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich zuerst im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion bei Ihnen, sehr geehrter Herr Mi­nister, und Ihrem Team für die Übermittlung und die Zusammenstellung des Berichts und des Überblicks in der EU-Vorschau für die nächsten zwölf Monate recht herzlich bedanken.

Aufgrund der Kritik der Freiheitlichen habe ich mich bemüht, noch einmal schnell durchzusehen, auf welcher Seite beziehungsweise in welchem Kapitel die Abgeltungs­steuer für die Schweiz thematisiert wurde. Aber man kann natürlich von vornherein nie wissen, wofür so eine Jahresvorschau in der politischen Debatte letztlich herhalten muss. Wir sind eher davon ausgegangen, dass wir das dann vielleicht unter Tagesord­nungspunkt 15 diskutieren. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Aber nichtsdestoweniger freue ich mich darüber, werte Kolleginnen und Kollegen, dass seitens der Bundesregierung – ich darf in dem Zusammenhang sagen – insbesondere die beiden Spiegelressorts im Bericht für das Wirtschaftsministerium das duale Lehr­lingsausbildungswesen, die Jugendbeschäftigung und die Jugendausbildung als Best-Practice-Beispiel auch für die Europäische Union in diesem Zusammenhang unterstüt­zen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 122

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klar ist – und insofern überschneiden sich natürlich unsere politischen Debatten am heutigen Tag –, dass wir schon in der Aktuellen Stun­de mit dem Außenminister zu Wachstum, Beschäftigung und Europa einige Schwer­punkte skizziert haben. Klar ist auch – das darf ich wohl für alle im Bundesrat sagen –, dass es schockierend ist, festzustellen, dass es einzelne Mitgliedstaaten gibt, die eine sehr, sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit haben.

Insofern freuen wir uns in Österreich darüber, dass es gelungen ist, mit sehr vielen Präventivmaßnahmen, und zwar rechtzeitigen Präventivmaßnahmen, die Jugendar­beitslosigkeit im europäischen Vergleich auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau zu hal­ten. Mit 8,2 Prozentpunkten darf man zwar die Hände nicht in den Schoß legen, aber wir haben zumindest einmal eine Ausgangssituation, die ein beruhigtes Arbeiten am Thema ermöglicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang sind einschlägige Schwer­punktprogramme, die auch national gesetzt werden, eine sehr wichtige Angelegenheit. Daher freue ich mich darüber, dass es von beiden Ministern ausgeht, denn insofern se­he ich diese natürlich schon als politische kommunizierende Gefäße. Wir haben das letzte Mal die EU-Vorschau unseres Sozialministers zu den Jugendbeschäftigungs­maßnahmen, Lehrlingsausbildungsfragen und so weiter diskutiert. Wenn ich meine, dass das politische kommunizierende Gefäße sind, dann betrachte ich das natürlich als gemeinsame Aktivität. Das hat nicht nur den Vorteil, dass zwei Minister in der Re­gierung gut miteinander arbeiten können, sondern wenn sie aus dem weiten Bereich der Sozialpartnerschaft kommen, dann hat das auch den Vorteil, dass man weiß, was man in diesem Gebiet zu tun hat und wo die einschlägigen Probleme und Schwer­punktsetzungen zu liegen haben.

Daher freut es uns, dass da viel an Gemeinsamem nach Europa getragen, aber auch national gemeinsam umgesetzt wird, ob das jetzt Fragen der Ergänzungsmaßnahmen zur betrieblichen Lehrlingsausbildung, die Produktionsschulen, überbetriebliche Lehr­werkstätten, Qualifizierungsbeihilfen oder Ähnliches sind, als ergänzende Maßnahmen zur betrieblichen Lehrlingsausbildung, aber natürlich auch, wenn man – Exportschlager hin oder her – ein erfolgreiches Modell der dualen Lehrlingsausbildung gemeinsam, mit einer Sprache, aus Österreich nach Europa trägt.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen – wir haben das schon einmal diskutiert –, wenn wir uns den Vergleich anschauen: Nur der Vergleich macht uns in diesem Zusammen­hang sicher. Sehr viele, ja die meisten europäischen Mitgliedstaaten kennen das Sys­tem nicht, und die meisten europäischen Mitgliedstaaten haben daher auch eine ande­re Ausgangssituation. Insofern möchte ich mich noch einmal recht herzlich dafür be­danken, dass in diesem Zusammenhang eine gemeinsame Sprache nach Europa ge­tragen wird, Lehrlingsausbildung als Best-Practice-Beispiel in Europa auch von beiden Ministern unterstützt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir vielleicht doch noch zu dem Punkt abschließend einen Satz zu sagen: Hier eint die Bundesregierung meiner Meinung nach ein sehr, sehr wichtiges Anliegen, und es ist nicht sehr sportlich, wenn das an­dauernd mit zum Teil falschen Zahlen, mit zum Teil gar keinen Zahlen von der Oppo­sition – meines Erachtens politisch nicht seriös – madig gemacht wird. 50 Prozent der aktiven Arbeitsmarktpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, 600 Millionen € werden der­zeit in die Frage der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit, in Jugendausbildungs­maßnahmen und Jugendbeschäftigungsmaßnahmen investiert. Das sind letztlich prä­ventive Maßnahmen, um weiter den erfolgreichen Weg Österreichs zu gehen und Ju­gendarbeitslosigkeit zu vermeiden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.34



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 123

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.35.00

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht 2012 ist geprägt von der internationalen Staatsschulden- und Finanzkrise sowie deren Fol­gen für die Realwirtschaft. So setzen sowohl die Europäische Kommission als auch die Ratspräsidentschaft in ihrem Arbeitsprogramm Schwerpunkte und Maßnahmen gegen die Krise mit dem Ziel, nachhaltige öffentliche Finanzen zu erzielen, Arbeitsplätze zu schaffen, den Binnenmarkt zu stärken sowie die Wettbewerbs- und Innovationsfähig­keit Europas zu forcieren.

Zur Überwindung der Krise seien neben den Maßnahmen der einzelnen EU-Mitglied­staaten gemeinsame Anstrengungen auf EU-Ebene wichtiger denn je. Nur so könnten wieder solide makroökonomische Rahmenbedingungen etabliert werden, wie sie für Wachstum und Innovation der Unternehmen entscheidend sind.

Besonders wichtig seien daher aus Sicht des Ministeriums die Vorhaben der EU im Rahmen der Binnenmarkt- und Industriepolitik sowie in den Bereichen Energie, Außen­wirtschaft und Handelspolitik. Die aktive Mitgestaltung und politische Einflussnahme in Europa sei dabei für den Standort Österreich und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Landes von zentraler Bedeutung.

Eine Schlüsselrolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum weist der Bericht der Ankurbelung des Binnenmarkts zu. Unter den vorgesehenen Maßnahmen der Binnenmarktakte, die bis Jahresende verwirklicht werden sollen, begrüßt Öster­reich vor allem die Vorschläge zum Normierungspaket: die Überarbeitung der Verga­berechtsvorschriften, die Erleichterung der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Risiko­kapitalfonds sowie die Überarbeitung der Berufsanerkennungsrichtlinie.

Der Bereich der Energieeffizienz – neben der Industriepolitik bekennt sich der Bericht unter anderem zur Entwicklung von Technologien mit geringeren CO2-Emissionen und setzt in der Automobilbranche auf die Elektromobilität – wird auch hervorgehoben und bekommt natürlich unsere vollste Zustimmung. Es wird neben der Industriepolitik auch der Energiepolitik eine Priorität eingeräumt.

So sieht ein Energieeffizienzplan der Kommission verbindliche Maßnahmen vor, die darauf hinauslaufen, einen erheblichen Beitrag zum EU-weiten Energieeffizienzziel von 20 Prozent bis 2020 zu leisten. Demnach sollen ab 2014 mindestens 3 Prozent der Fläche von im Besitz öffentlicher Einrichtungen befindlichen Gebäuden auf den gesetz­lich vorgeschriebenen Mindeststandard saniert werden, um die Vorbildwirkung des öf­fentlichen Sektors zu unterstreichen. Zusätzlich sollen Energieversorger jährlich 1,5 Pro­zent an Energie sparen und soll die öffentliche Hand energieeffizient einkaufen.

Was nun die Zukunft des europäischen Energiesystems betrifft, bleibt das Ziel einer Reduktion von Treibhausgasen um 80 Prozent bis 2050 aufrecht. Österreich wird sich, wie der Bericht betont, an der Diskussion weiterhin aktiv beteiligen und an der Umset­zung der Ziele arbeiten.

Eines sei hier angemerkt: Bis 2050 80 Prozent weniger an Treibhausgasemissionen bedeutet aber gleichzeitig auch, dass die Erderwärmung voranschreiten wird, mit all ih­ren vollen Konsequenzen. Auch dagegen müsste man Strategien entwickeln, denn so, wie wir und wie gewisse Regionen in der EU wirtschaften – insbesondere diejenigen, die ans Meer grenzen, oder auch Spanien, wo zurzeit noch fleißig das angebaut wird, was dort eigentlich nicht wachsen könnte –, werden wir ein massives Problem be­kommen. Aber diesbezüglich gibt es noch keine Überlegungen; zumindest sind sie mir nicht bekannt.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 124

Bei der Wahl des Energie-Mixes bleibt es weiterhin jedem Staat selbst überlassen – so heißt es ausdrücklich –, wie er das bewerkstelligt. Auf dem Gebiet der Energietech­nologien soll der im Aufbau befindliche Strategieplan für Energietechnologien, also der SET-Plan, angesichts der energie- und klimapolitischen Ziele für 2020 und 2050 aus­geweitet werden. Die finanziellen Mittel dazu – der Bericht geht von einer Größenord­nung von 70 Milliarden € über insgesamt zehn Jahre aus – sollen sowohl aus EU-Gel­dern als auch von den Mitgliedstaaten kommen.

Die gemeinsamen Förderaktivitäten und Programmplanungen sollen dabei auf Basis der Freiwilligkeit erfolgen. Aber wenn in dem Bereich etwas auf Freiwilligkeit beruht, dann wissen wir, wie lange es dauert und wie schwierig es wird, dass man hier auf ei­nen grünen Zweig kommt.

Das Ministerium stellt dazu weiters klar, dass eine Ausweitung des Betrages für Kern­spaltung aus Gemeinschaftsmitteln von Österreich strikt abgelehnt wird, an allen ande­ren Initiativen wie Wind-, Solar-, Bioenergie, Smart Grids und Smart Cities aber grund­sätzliches Mitwirkungsinteresse besteht. Das begrüßen wir natürlich und unterstützen diese Schritte, die überwiegende Ausrichtung des SET-Plans auf Großprojekte und der mangelnde Fokus auf Energieeffizienz werden allerdings als problematisch gesehen.

Der Bericht weist in diesem Zusammenhang auf die österreichische Position hin, Hei­zen und Kühlen mit erneuerbaren Energien als weitere SET-Plan-Initiative zu veran­kern. Gerade in diesem Bereich – ich komme selber auch aus der Technik und stehe mit der Fachhochschule in Oberösterreich in engem Kontakt – gibt es in Oberösterreich ganz intensive Bemühungen, dieses zukunftsträchtige Feld auszubauen. Da sind wir wirklich zurzeit noch – das muss ich unterstreichen – Know-how-Marktführer. Wenn wir hier Produkte auf den Markt bringen, die konkurrenzfähig sind und sich auch über ei­nen längeren Zeitraum in der Praxis bewähren, dann wird es einen massiven Win-Win-Effekt bringen, denn zurzeit besteht ja eines der größten Probleme in vielen, vielen asiatischen, afrikanischen, aber auch mitteleuropäischen Ländern darin, dass die Ge­bäude so konstruiert sind, dass sie sich im Sommer aufheizen wie ein Backrohr, und dann stopfen wir noch Energie hinein, damit das wieder heruntergekühlt wird. Mit der­artigen Technologien würden wir die Umwelt entlasten und auch sehr viel Geld ein­sparen. Insofern ist das auf jeden Fall zu begrüßen und zu unterstützen.

Einen Punkt, den der Kollege Klug erwähnt hat, möchte ich explizit nochmals heraus­streichen, weil ich selber als ehemaliger Lehrling dieses Musterbeispiel Österreich mit der dualen Ausbildung gar nicht oft genug herausstreichen kann. Nicht nur europäische Länder nehmen sich ein Vorbild daran, sondern auch Länder außerhalb des europäi­schen Raumes. Die Türkei hat zum Beispiel das WIFI, das bfi und auch andere Er­wachsenenbildungseinrichtungen zu einem großen Symposium nach Istanbul eingela­den, um sich genau dieses Modell anzusehen. Das heißt, dieses Modell ist, in Kombi­nation mit der Matura, wirklich ein Erfolgsmodell. Es ist super, dass wir das haben. Man müsste es neu erfinden, wenn es das nicht gäbe.

Nicht zuletzt einen herzlichen Dank Ihren Mitarbeitern im Ministerium, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben. Natürlich werden wir unsere Zustimmung hiezu erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


16.42.58

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits dargestellt wor­den ist, haben wir hier weniger ein EU-politisches Statement, sondern eine Darstellung,


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 125

was an Arbeitsvorhaben im Bereich der Europäischen Union vorgesehen ist. Es geht um das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2012, es geht insbesondere um das Arbeitsprogramm der jetzt amtierenden dänischen Präsident­schaft und zum Dritten um das 18-Monatsprogramm der drei Präsidentschaften Polen, Dänemark und Zypern, also der Trio-Präsidentschaft, die hier aktiv ist.

Im Wesentlichen zieht sich durch alle drei Programme und Arbeitsschwerpunkte, wie schon dargestellt, die Problematik, dass wir auf der einen Seite die Entschuldung der Staaten voranzutreiben haben, auf der anderen Seite mit Wachstumsproblemen kon­frontiert sind, und wenn dieses Wachstum entwickelt werden soll, dann soll es mög­lichst nachhaltig sein. Daher dienen de facto alle Punkte, die hier angesprochen wer­den, genau diesen Zielsetzungen und dieser Balance.

Ich finde am interessantesten und weiterführendsten und auch am politischsten das Arbeitsprogramm der dänischen Präsidentschaft – alle anderen haben natürlich An­knüpfungspunkte und Ähnlichkeiten sowieso –, und zwar auch hinsichtlich der Gliede­rung.

Der erste Punkt betrifft ein verantwortungsvolles Europa. Da liegt der Schwerpunkt, wie angesprochen, bei Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen, durchaus auch mit dem Aspekt der dualen Ausbildung, strikterer Haushaltsdisziplin, genau die von mir auch er­wähnte Budgetsanierung de facto in allen Staaten, ohne das Wachstum abzuwürgen.

Der zweite Punkt ist das dynamische Europa. Hier ist auch von Vorrednern schon der Binnenmarkt als eigentlicher Grundpfeiler eines dynamischen Europas angesprochen worden, der noch bestimmte Probleme und Unvollständigkeiten aufweist. Denken Sie etwa daran, dass es beim Patentrecht jetzt erst mit viel Mühe möglich war, es endlich umsetzen. Es gilt aber auch, den Fokus noch mehr auf Bildung, Forschung und Inno­vation zu legen und die Wettbewerbsfähigkeit Europas insgesamt zu steigern.

Wir haben da folgendes Problem: Denken Sie daran, dass die Weltbevölkerung bald 10 Milliarden Menschen umfassen wird – in Europa glauben wir, dass 550 Millionen viel sind; im Endeffekt sind es 5 Prozent der Weltbevölkerung, die wir hier sozusagen abdecken –, daher brauchen wir auch eine besonders innovative Kraft, um auf der glo­balen Ebene erfolgreich zu sein.

Ein weiterer Punkt in dem Zusammenhang ist ein sicheres Europa. Europas internatio­naler Einfluss muss weiter gestärkt werden, auch was die Handelsabkommen anbe­langt. Eines haben wir heute beschlossen, aber es ermöglicht einfach mehr, wenn wir hier weitere Abkommen gut ausverhandelt beschließen.

Es geht um eine sinnvolle und gut organisierte Asyl- und vor allem Migrationspolitik. Ih­nen ist vielleicht aufgefallen, dass sich gerade in diesem Themenbereich in den letzten zwei Jahren auch bei uns vieles geändert hat. Integration, Migration haben einen ande­ren, einen qualitativ höheren Stellenwert – erfreulicherweise.

Der vierte Punkt, der ebenfalls mehrfach apostrophiert worden ist, war das grüne Eu­ropa, im Endeffekt nicht als parteipolitische Ausrichtung gemeint (Bundesrat Dönmez: Da hätten wir auch nichts dagegen!) – da hätten Sie auch nichts dagegen –, sondern als Green Technology, das heißt, dass wir uns aus der Investmentgüterproduktion, die auch wichtig bleiben wird, hin zur Kreativwirtschaft und anderen Themen im Nachhal­tigkeitsbereich bewegen.

In diesem Zusammenhang ganz wichtig und auch angesprochen: die Energieeffizienz. Sehr attraktiv ist es, erneuerbare Energie zu forcieren, aber wichtiger eigentlich die Energieeffizienz, das Erreichen der Klima- und Energieziele und natürlich der schonen­de Umgang mit Ressourcen. Denken Sie daran, früher haben rund 20 Prozent der In­dustriestaaten über 80 Prozent der Ressourcen verfügt, jetzt ist es bereits umgekehrt,


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 126

dass 80 Prozent aller Länder um 20 Prozent kämpfen. Wichtig ist natürlich auch das Verbraucher- und Produktionsverhalten.

All das ist genau in Korrelation zu den Problemen, die ich angesprochen habe. Ich möchte, da das im Bericht festgehalten ist, nicht detaillierter darauf eingehen.

Wir haben in dem Zusammenhang die Interaktion, bringen uns in den Räten und auch in der Kommission entsprechend ein, und ich hoffe, dass damit auch ein Beitrag ge­leistet werden kann zu einerseits mehr Wettbewerbsfähigkeit Europas insgesamt und andererseits auch zur Problemlösung in Richtung Schuldenpolitik.

Und da Frau Bundesminister Fekter heute angesprochen worden ist: Das Abkommen passt nicht zum Thema, so scheint es, aber im Endeffekt ist das ein Beitrag zur Bud­getkonsolidierung auch in unserem Bereich. Wissen Sie, das Problem ist schon, dass man mit Strafen eigentlich wenig erreicht. Es geht um die richtige Compliance. Da geht es um Beratung, da geht es um Servicemöglichkeiten und nicht unbedingt nur um die Strafkeule. Die wird manche wahrscheinlich nur dazu bewegen zu versuchen, das, was man da in Österreich der Finanz entzogen hat, irgendwo anders auf einer Insel anzu­legen.

Das war ein kleiner Seitenblick auf diese Problematik. Das Wichtigere in dem Zusam­menhang ist der Gesamtaspekt der EU-Programme, und ich danke für die Möglichkeit, das darstellen zu dürfen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.48.5014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend Abkommen über die Errichtung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens, unterzeichnet in Brüssel am 15. Dezember 1950 (Weltzollorganisation), und die Änderung des Abkommens über die Errichtung eines Rates für die Zusammen­arbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (1653 d.B. und 1706 d.B. sowie 8696/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um den Bericht.

 


16.49.23

Berichterstatter Michael Lampel: Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2012 betreffend Abkommen über die Errichtung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens, un­terzeichnet in Brüssel am 15. Dezember 1950 (Weltzollorganisation) und die Änderung des Abkommens über die Errichtung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Ge­biete des Zollwesens.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 127

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Zur Debatte über diesen und den nächsten Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich Herrn Staatssekretär Mag. Schieder bei uns begrüßen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen sowie des Bundesrates Mitterer.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


16.50.39

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! – Ich will jetzt nicht Ihre Unterhaltung unterbrechen (da Staatssekretär Mag. Schieder etwas in Richtung des Vizepräsidenten sagt), aber vielleicht kann man später weitermachen. Werte Kolleginnen und Kollegen! (Heiterkeit.) – Entschuldigung! Ich wollte nicht unhöflich sein.

Durch dieses Abkommen auf dem Gebiete des Zollwesens wird eine internationale Or­ganisation eingerichtet. Das Abkommen existiert schon längere Zeit, wir setzen es heu­te im Parlament um. Ich möchte Sie jetzt auch nicht mit technischen Details zu diesem Abkommen langweilen, aber ich möchte in diesem Zusammenhang im Zollbereich auf ein sehr großes Problem für unser Bundesland Vorarlberg hinweisen, insbesondere für die Wirtschaft in Vorarlberg, und bitte Sie auch um Unterstützung bei diesem Problem, Herr Staatssekretär, und auch alle Kolleginnen und Kollegen. Wir haben dazu auch ei­ne Anfrage an die Frau Bundesministerin eingebracht. Die Antwort ist jetzt erfolgt, und die stimmt uns etwas optimistischer.

Es geht darum, dass die Grenzen zur Schweiz und nach Liechtenstein die letzten EU-Außengrenzen Österreichs sind. Nach dem Beitritt dieser beiden Staaten zum Schen­gener Übereinkommen sind zwar die Personenkontrollen weggefallen, nicht aber die Zollkontrollen. Im unteren Rheintal, das eine sehr wirtschaftskräftige und sehr export­orientierte Gegend ist, hat der Güterverkehr, hat der Transitverkehr in den letzten Jah­ren stark zugenommen. Die Verkehrsbelastung ist sehr stark geworden. Von 2003 bis 2010 gab es eine Zunahme um 64 Prozent. Man hat durch diverse Maßnahmen in den letzten zehn Jahren versucht, dieses Problems Herr zu werden. Man hat die Zollabferti­gung zentralisiert, hat dort einige Maßnahmen gesetzt, aber die EU-Osterweiterung und andere Dinge haben das Thema natürlich noch weiter verschärft, und die positiven Effekte sind leider verpufft.

Neben der verkehrsgeplagten Bevölkerung – man muss sich vorstellen, dass sich da von früh um sieben bis spät am Abend kilometerlange LKW-Kolonnen teils stauen, teils langsam durch die Gemeinden schlängeln – leidet eben auch die sehr stark export­orientierte Wirtschaft in Vorarlberg, für die die Schweiz als wichtigster Handelspartner und natürlich auch als Transitland nur mit immer größerem Aufwand und mit großem Zeitverlust erreichbar ist.

Stellen Sie sich vor, dass in Ihrem Bundesland auch ein Weltmarktführer tätig ist, des­sen Betrieb direkt an der Grenze liegt – an der Schweizer Grenze eben in diesem Fall –, der Tausende Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, und dass dieser Weltmarktfüh­rer, der seine Güter in die ganze Welt zu verschicken hat, ab 16 Uhr keine Ware mehr aus dem Land herausbringt. Ich meine, das ist eine mittlere Katastrophe für dieses Un­ternehmen, und das eigentlich nur aufgrund von Personalmangel und aufgrund von nicht genehmigten Überstunden im Zollbereich.

Das ist eine Katastrophe für die Exportwirtschaft, bei allem Verständnis für den Spar­druck, der gegeben ist. Es werden Einfuhr und Ausfuhr, wie gesagt, extrem erschwert, und es werden zusätzlich auch noch Verkehrsprobleme in diesem Bereich erzeugt. Es würde als erste Maßnahme schon ausreichen, wenn Überstunden für die Mitarbeiter im


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 128

Zollbereich genehmigt würden. Die Beantwortung unserer Anfrage durch die Frau Fi­nanzministerin ist ein, ich würde einmal sagen, vorsichtig positives Signal, und so neh­men wir das auch auf in Vorarlberg. Sie hat für Zollaufgaben acht zusätzliche Mitar­beiter zugesagt. Da hoffen wir natürlich, dass die Rekrutierung auch so schnell wie möglich erfolgen kann.

Man könnte ja beispielsweise auch von anderen ehemaligen EU-Außengrenzen Zollbe­amte nach Vorarlberg verpflanzen. Wir würden sie natürlich auch sehr gut behandeln in Vorarlberg. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Interessanterweise hat die Anfragebeantwortung ja auch zutage gebracht, dass bei anderen ehemaligen EU-Außengrenzen der Perso­nalstand gleichgeblieben ist, obwohl die EU-Außengrenze weggefallen ist. Nicht über­all, aber in manchen Bereichen.

Die Gewährung von Überstunden wurde auch in Aussicht gestellt; auch das ist ein sehr positives Signal.

Wir hoffen, dass diese Maßnahmen jetzt auch zügig umgesetzt werden können, und im Sinne der Vorarlberger Wirtschaft und natürlich auch der verkehrsgeplagten Bevölke­rung bitte ich auch Sie, Herr Staatssekretär, um Ihre Unterstützung in diesem Bereich. Lassen Sie die Zollbeamten ihre Arbeit machen und lassen Sie auch die Vorarlberger Exportindustrie, die Vorarlberger Wirtschaft weiter arbeiten! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


16.56.06

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht vor, zu sprechen, weil das Thema Weltzollorganisation aus meiner Sicht mit einem Debattenbeitrag ab­gehandelt war. Ich möchte Ihnen aber trotzdem antworten auf die Sachlage, die Sie angesprochen haben, und zwar dahin gehend, wie es auch schon in der Anfragebe­antwortung steht.

Natürlich bemühen wir uns, weitere Zollmitarbeiter aufzunehmen, und es gibt auch das Übereinkommen mit dem Innenministerium, das bessere Kooperation, bessere Arbeits­aufteilung mit der Exekutive in diesen Bereichen vorsieht. Mir ist schon klar, dass Vor­arlberg als jenes Bundesland mit den Außengrenzen hier eine spezifische Situation hat, man muss nur auch darauf hinweisen, dass der Zoll mit dem Wegfall der staatli­chen Grenzen, also mit der Einführung von Schengen und dem EU-Beitritt, nicht aufga­benlos geworden ist, sondern die ZollbeamtInnen und MitarbeiterInnen auch in den Bundesländern, wo wir keine Außengrenze haben, trotzdem sehr wichtige Aufgaben zu erfüllen haben.

Natürlich ist da an vorderster Front der Flughafen Wien-Schwechat zu erwähnen, wo sie nicht nur den Personenverkehr, den wir alle von den Urlaubsreisen oder anderen Reisen kennen, kontrollieren, sondern vor allem diesen immensen Güterverkehr und in diesen Bereichen ja auch sehr viel, was Produktpirateriebekämpfung, Schmuggel von artengeschützten Tieren und, und, und betrifft, zu leisten haben.

Wir haben auch einmal im Jahr diese Berichte hier im Hohen Haus zu diskutieren. Ich erwähne nur gefälschte Arzneimittel, deren Handelsvolumen inzwischen größer gewor­den ist als der Drogenhandel weltweit. Da werden über Internet und über andere Kanä­le die haarsträubendsten Dinge angeboten. Und „haarsträubend“ ist noch die beste Auswirkung, die solche Mittel haben. Oft fallen die Haare aus, oft gibt es schwere Er­krankungen. Es gibt Filme, in denen man sieht, wie diese angeblichen Arzneimittel er-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 129

zeugt werden, wobei es, wenn sie nur aus Dreck bestehen, oft noch die beste Form ist. Sehr oft sind sie auch noch schwerstens gesundheitsschädlich und, und, und.

Natürlich haben jetzt auch Zollbeamte in Kärnten zum Beispiel spezifische Aufgaben, weil dort sehr viel abgewickelt wird.

Auch in Tirol zum Beispiel ist im Zollausschlussgebiet bei Ischgl sehr viel zu tun, weil dort sehr viel geschmuggelt wird, das heißt, dass dort unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr viel zu tun haben, den Schmuggel zu bekämpfen. Das ist ein sehr ro­mantisches Zollgebiet, weil es im Winter nur mit Schiern zu erreichen ist, aber die Ro­mantik hört sich sehr schnell auf, wenn man mitkriegt, was dort an Schmuggelunterbin­dung auch quasi im Ameisenweg zu tun ist.

Daher haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesamten Zollwesen, und damit auch die in Vorarlberg, meine volle Unterstützung. Auch unser volles Bemühen geht dahin, uns weiter zu verbessern, weil sich leider auch die wirtschaftlichen Gegebenhei­ten verändern, zum einen im Guten – sprich Export, Geschwindigkeit, Öffnungszeiten, wenn man so will, und all diese Fragen, die da eine Rolle spielen –, genauso wie im Negativen, also Schmuggel, Produktpiraterie, gefälschte Waren, deren Bekämpfung auch eine wichtige Aufgabe für unseren Wirtschaftsstandort ist.

In dem Sinne kann ich Ihnen jetzt auch nicht mehr versprechen, als die Anfragebeant­wortung schon versprochen hat, aber doch die vollste Unterstützung und das Bemühen meinerseits auch für den Zollbereich hier zusagen.

Ich wollte nur noch eines sagen: Das kurze Geflüstere mit dem Herrn Präsidenten vor­hin war nur darüber, weil Tagesordnungspunkt 14 quasi auch mit meinem Geburts- und politischen Heimatbezirk in Wien identisch ist. Und das war nur der Hinweis dazu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Er ist auch identisch mit seiner fußballerischen Einstellung, obwohl die möglicherweise am Wochenende vor einer entscheidenden Niederlage stehen. (Heiterkeit.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.00.4315. Punkt

EU-Jahresvorschau 2012 des Bundesministeriums für Finanzen (III-461-BR/2012 d.B. sowie 8697/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. – Ich bitte um den Bericht.

 


17.01.02

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschus-
ses über die EU-Jahresvorschau 2012 des Bundesministeriums für Finanzen (III-461-BR/2012 d.B.).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 130

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 den An-
trag,
die EU-Jahresvorschau 2012 des Bundesministeriums für Finanzen (III-461-BR/2012 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


17.02.08

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute schon viel über Europa gehört. Europa ist keine Erfindung der Bundesregierung. Europa gibt es seit über 1 000 Jahren, Europa wird es noch weitere 1 000 Jahre geben. Es ist be­kanntlich nach der Halbgöttin Europa benannt, also diesbezüglich mache ich mir keine Sorgen.

Europa bedarf aber 2012 einer differenzierten Betrachtung, denn es ist nicht alles gut, was hier geschieht, es ist aber natürlich auch nicht alles schlecht, was hier geschieht. Europa sollte man einmal differenziert betrachten – wenn man das ökonomisch einmal fokussiert – und in den Binnenmarkt, in die Legislative und in die Eurozone der EU-17 teilen.

Ich beginne mit dem Binnenmarkt der EU-27: Das war sicherlich ein Fortschritt, denn das war der Freihandel, die Verwirklichung des Freihandels, der Wegfall des Protektio­nismus, die Basis jeder Marktwirtschaft, denn mit Protektionismus ist kein Freihandel möglich.

Aber ich würde das trotzdem relativieren, denn mittlerweile gibt es ja die WTO, und Russland ist ja vor Kurzem der WTO als über hundertstes Land beigetreten. Diesbe­züglich brauche ich also nicht unbedingt den Binnenmarkt, um den Freihandel abzubil­den.

Was das Budget betrifft, kann sich die österreichische Bundesregierung eigentlich an Brüssel ein Vorbild nehmen, denn dort sind Eingaben gleich Ausgaben. Die dürfen gar keine Staatsanleihen emittieren. Diesbezüglich bin ich beruhigt, dass das Geld in Brüs­sel, was das Budget anlangt, besser aufgehoben ist als in Österreich. (Bundesrat Mag. Klug: Das sind ja ganz neue Töne! Ist das eine Trendumkehr?)

Was Maastricht betrifft, ist es seitens der Bundesregierung  (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Bitte, ich beginne erst, du hast noch genügend Zeit für deine Wortmel­dung!

Was Maastricht betrifft: Warum werden permanent EU-Gesetze gebrochen? Jahrein, jahraus werden die Maastricht-Kriterien seitens der österreichischen Bundesregierung nicht eingehalten. Wenn man sich zur EU bekennt, dann bitte in voller Länge und nicht mit Abstrichen, so, wie es der österreichischen Bundesregierung gerade obliegt. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Was die Legislative betrifft, wird es schon etwas düsterer, denn die Legislative ist viel zu langsam. Wenn Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär, wie Sie immer vermelden, den Finanzmarkt in den Griff bekommen wollen, dann ist das viel zu langsam.

Ich darf kurz ein paar Beispiele erwähnen: Wir haben die strengen Eigenkapitalvor­schriften für die Asset Backed Securities, das sind bekanntlich die verschachtelten Wertpapiere, die die Krise im Herbst 2008 verursacht haben, ausgehend von den USA. Erst mit 1. Jänner 2012, bitte, wurden da die Eigenmittelbestände, die Eigenmittelerfor­dernisse erhöht. Viel zu spät, der Finanzmarkt floriert, Sie wissen es selbst, Sie haben es letztes Mal angesprochen, der Hochfrequenzhandel ist sicherlich ein Problem für al­le Beteiligten.


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Insolvenzordnung der Banken gibt es keine, hinsichtlich EU-Ratingagenturen ist heute noch nichts fix, gibt es noch nichts Exaktes. Die Finanztransaktionssteuer ist ein Ge­murkse, das haben wir alles mitbekommen. Dass Brüssel den Finanzmarkt in den Griff bekommt, davon sind wir weit entfernt. (Beifall bei Bundesräten der FPÖ. – Bundesrat Stadler: Auch in der FPÖ herrscht Uneinigkeit!)

Jetzt darf ich zum dritten Punkt, dem Hauptpunkt, kommen. Jetzt wird es etwas dunkel, denn ich komme zur Eurozone der EU-17, zu dem Euro-Desaster, das uns alle be­langt. Darunter leiden am meisten – wie du schon gesagt hast, liebe Kollegin Mühl­werth – die österreichischen Steuerzahler, denn sie werden am meisten zur Kasse ge­beten.

Dieser europäische Instabilitätsmechanismus, wenn ich ihn so nennen darf, ist ein Fass ohne Boden. Die Hälfte des jährlichen österreichischen Steueraufkommens wird Österreich aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten fünf Jahren verlieren, denn es wird nicht bei Griechenland bleiben. Es geht leider weiter mit Portugal, es geht lei­der weiter mit Spanien und es geht hoffentlich nicht weiter mit Italien, denn Italien brauchen wir als Außenhandelsland. (Bundesrat Mag. Klug: Ihr wisst schon wieder al­les!)

Ich möchte mich jetzt dem Euro widmen und in diesem Zusammenhang als Beispiel Polen anführen. Die Außenhandelsstatistiken Österreichs zeigen, dass unter den ers­ten zehn Hauptaußenhandelsländern Österreichs nur drei Länder vertreten sind, die den Euro als Währung haben, Deutschland und Italien. Und es gibt Länder, die den Euro nicht notwendig haben – viele Länder, allen voran Schweden und Polen, wie ge­sagt, die Schweiz möchte ich jetzt nicht nennen, denn die ist nicht Mitglied der EU, obwohl sie zahlreiche Assoziierungsabkommen hat –, die mit ihrer Währung besser zu­rechtkommen als mit dem Euro. Warum? – Weil bei der Krise im Herbst 2008 – Polen hat 2009 bekanntlich als einziges europäisches Land keine Rezession gehabt – der Zloty um 50 Prozent abgewertet wurde. Der Sinn einer Währung ist ja, dass sie sich flexibel im Außenhandel darstellt. Und mit dieser Abwertung haben es die Polen ge­schafft, die Exportquoten zu halten, den Export zu stabilisieren, und das war für das Wirtschaftswachstum förderlich. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Klug.)

Wenn man sich heute die polnischen Umfragen ansieht, sind 80 Prozent der polni­schen Bevölkerung für Europa, aber 80 Prozent gegen den Euro. Das hat ja seinen Sinn. Polen hat Vorbildwirkung, wie man mit einer eigenen Währung für die eigene Volkswirtschaft sehr wohl positive Ergebnisse erzielen kann. (Ruf bei der ÖVP: Das glauben Sie aber selbst nicht! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wenn ich mir die österreichische Außenhandelsstatistik anschaue, zeigt sich, dass vor allem Asien ein florierender Markt ist, vor allem China mit 30 bis 40 Prozent jährlichen Wachstumsraten österreichischer Exporte. Und wenn man genau schaut, sieht man, in China hat man mit dem Euro keine Chance. In Asien wird mit dem US-Dollar gehan­delt, der US-Dollar ist dort die Währung schlechthin. Sie haben vor der europäischen Staatswirtschaftskrise Ängste par excellence, das muss man einmal sagen. Dass ge­rade in diesen Ländern, wie China, Schweden, Polen – die Schweiz lasse ich, wie ge­sagt, jetzt außen vor –, die Exporte steigen, ist sicherlich auch ein Zeichen dafür, dass österreichische Exporteure andere Währungen benötigen, die sie stabilisieren, die ihre Firmen stabilisieren, die sie als Asset verbuchen können, denn allein auf den Euro kann man sich nicht verlassen.

Ein weiterer Punkt ist – und das ist in Gesamteuropa interessant festzustellen –, dass, wenn man die Länder miteinander vergleicht, Korrelationen betreffend Wachstum fest­zustellen sind. Wir haben heute oft von Wachstum und Innovation gehört. Was ist Wachstum? – Wachstum hängt stark mit Steuerpolitik, mit Abgabenpolitik, mit Schul-


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denpolitik zusammen. (Bundesrat Mag. Klug: Steuerwettbewerb, oder?) Je höher die Abgaben, desto niedriger das Wachstum. Je höher die Schulden, desto geringer das Wachstum, und je höher der öffentliche Sektor im Sinne der Staatsquote, desto gerin­ger das Wachstum. Damit sollte sich die Bundesregierung endlich einmal auseinander­setzen. Das sind Punkte, die wesentlich sind.

Ich darf auf Kollegen Schennach replizieren: Das mit der Neutralität hat mir sehr gut gefallen von dir. Ich war auch überrascht, dass innerhalb einer halben Minute die Neu­tralität in Österreich für obsolet erklärt wird. Das ist sie definitiv nicht. Aber der Fehler wurde schon Mitte der neunziger Jahre begangen, als sich Österreich Hals über Kopf praktisch an diesen Euro verkauft hat. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Hals über Kopf war das aber nicht!) Da hätte es sicherlich andere Möglichkeiten gegeben. (Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.) – Das weiß ich, aber du hast es positiv geheißen, sicher in einer anderen Argumentation. Aber ich darf das jetzt dafür verwenden, ja? Sorry. (Bundesrat Schennach: Okay!)

Zweitens darf ich dich aber kritisieren: Du hast gesagt, wir hätten Ängste vor Deflation. Also das, bitte, ist definitiv nicht der Fall! In Österreich haben wir mit Inflationsschwie­rigkeiten zu kämpfen, mit Inflationsängsten, die vor allem die Bevölkerung betreffen, weil sie darunter leidet. Warum leidet sie darunter? – Da müsste man sich die genaue Sparquote anschauen, die erst vor Kurzem von der Statistik Austria publiziert wurde. Die sollte sich die Bundesregierung wirklich zu Herzen nehmen, vor allem angesichts des Sparpaketes, wo jetzt gerade die Prämien für die Bausparer reduziert wurden. (Bundesrat Mag. Klug: Das war in der Aussendung schon falsch! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Nein, Deflation.

Das ist eine eminente Frage, denn die Sparquoten sind von 2007 bis 2011 von 11,7 auf 7,5 Prozent gesunken. Die nominellen Einkommen sind um 2,6 Prozent gestiegen. Aber wir haben bekanntlich eine Inflation von 3,3 Prozent. Wer zahlt die Differenz? – Die Bevölkerung durch eine negative Saldierung des Einkommens. Das heißt, die Be­völkerung wird immer ärmer und ärmer auf Kosten des Staates, der seine Schulden damit weginflationieren möchte. Dem muss man Einhalt gebieten. (Bundesrätin Kersch­baum: Wie ist das in Polen?)

Es leiden darunter aber auch die Firmen, weil sie von Investitionen leben. Investitionen werden bekanntlich über Kredite der Banken ermöglicht. Investition ist ein Teil des Sparverhaltens, des Sparvolumens. (Bundesrat Mag. Klug: Also Bankenpaket!) Je ge­ringer das Sparvolumen wird, desto geringer werden die Investitionen und desto mehr leiden die Klein- und Mittelbetriebe in Österreich. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bun­desrat Mag. Klug: Bankenpaket! Jeder zweite Satz stimmt nicht!) – Von Wirtschaft, Kollege Klug, hast du noch nie etwas verstanden! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug.) Da mache ich mir keine Sorgen. Ich bitte um zahlreiche Zwi­schenrufe, damit man dich perfekt widerlegen kann. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ihnen ein bisschen zu hoch ! – Bundesrat Mag. Klug: Bei dem volkswirtschaftlichen Einmaleins von dir mache ich mir auch keine Sorgen! – Heiterkeit.) – Du hast jede Menge Zeit, deine Argumente zu liefern. Wenn du mir die Sparquote erklärst, wäre ich dir sehr dankbar, wenn du sie anders interpretierst. Das solltest du machen. (Zwi­schenrufe der Bundesräte Mag. Klug und Mühlwerth.)

Eine zweite Kritik, die ich anführen darf, betrifft Herrn Vizekanzler Spindelegger, der heute hier im Bundesrat über das Thema „Wachstum und Innovation“ referiert hat. Wachstum ist ein Problem, sobald der Euro mitspielt – das muss man einfach einmal sagen –, und zwar nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Firmen, die sich im Außenhandel damit beschäftigen. Herr Vizekanzler Spindelegger sagt hier: Der Eu­ro ist eine Hartwährung!, das ist er aber nicht.


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Es gibt genügend Statistiken, die besagen – das habe ich letztes Mal gesagt –, dass, wenn eine andere Währung eingeführt wird, diese Währung um 50 Prozent in der Se­kunde aufgewertet wird. (Bundesrat Mag. Klug: Drachme!) Daher sind das Vertrauen und die Stabilität in die eigenen Assets das Wichtigste, was die Bundesregierung letzt­lich verspielt hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Unternehmern kann man nur anraten – du bist Unternehmerin –: Nimm einen Kredit in der schwächeren Währung, nimm einen Kredit in Euro, lege ihn in einer anderen Währung an, in Schweizer Fran­ken, in US-Dollar, und du wirst dabei sicherlich jede Menge Geld verdienen! Das nur am Rande. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist höchst an der Zeit, dass wir die Mär ablegen, dass der Euro für die Wirtschaft förderlich ist. Nicht einmal für das Vermögen der privaten Bürger ist das förderlich. Nein, das ist abzulehnen! (Bundesrat Mag. Klug: Kommt da noch etwas?)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es ist wichtig, Vertrauen zu schaffen und zu be­halten. Das ist das Um und Auf, denn Sie wissen genau, dass es Jahre dauert, bis sich Investitionen rechnen. Das geht nicht von heute auf morgen. Deswegen müssen Sie Garantien für die Firmen, für die Wirtschaft setzen – nicht für die nächsten ein, zwei Jahre, sondern für das nächste Jahrzehnt –, dass hier Stabilität garantiert wird. Sie können es vielleicht für den Binnenmarkt, vielleicht für die Legislative in Brüssel, aber bitte nicht für den Euro. Von diesem Europäischen Stabilitätsmechanismus, wo man Milliarden verliert, will ich heute nicht reden. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, ja, sowieso! Wissen schon wieder alles!)

Das Licht am Rednerpult leuchtet, ich halte mich an die Richtlinien, ich überziehe nicht so lange wie Herr Kollege Schennach, obwohl mir seine Rede irgendwie gefallen hat.

Zum Schluss: Ich darf Frédéric Bastiat, der ein Verfechter des Freihandels – das einzig Gute in Europa – war (Bundesrat Mag. Klug: Ja, ja! Aha!), zitieren – das Wort „Staat“ ist durch das Wort „Eurozone“ zu ersetzen –: „Der Staat ist die große Fiktion“ – im Sin­ne von Eurozone (Bundesrat Mag. Klug: Aja! Zitatende!) –, „nach der sich jedermann bemüht, auf Kosten jedermanns zu leben.“

Das ist heute das Euro-Desaster, mit dem wir uns hier auseinandersetzen müssen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Mag. Klug: Kollege Edgar Mayer, schone dich!)

 


17.14.56

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Ich bin begeistert, Kollege Pisec, ich bin echt begeistert! Deine Qualitäten, dich hier als Wirtschaftsprofessor oder Finanzexperten darzustellen, haben sogar bei deiner eigenen Fraktion für ungläubige Gesichter gesorgt. Auch der Applaus war sehr zärtlich, muss ich sagen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, das hat jetzt kaum jemand verstanden. Ich möchte wirklich empfehlen, das Protokoll noch einmal nachzulesen, und dann gehen wir noch einmal sozusagen in medias res. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Gleich, bevor ich es vergesse: Der polnische Vergleich war Weltklasse – der hinkt wie ein dreibeiniger Hund.

Auch der Währungsschmäh war epochal. Was wäre Österreich ohne den Euro, bitte? – Man muss in aller Deutlichkeit sagen, dass wir massiv der Spekulation zum Opfer ge­fallen wären (Ruf bei der FPÖ: Genauso wie Schweden!), wenn wir nicht in einem gro­ßen europäischen Wirtschaftsraum mit 17 Euro-Ländern wären, wo man sich massiv dafür eingesetzt hat, dass dieser Stabilitätspakt funktioniert. Wir wären massiv unter


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Druck geraten. Und das ist jetzt nur eine gelinde Replik auf Ihre Aussagen, Herr Kol­lege.

Im Prinzip geht es heute um den Bericht, was Finanzen anlangt, den Finanzbericht der EU. Da haben wir ja schon viel verpackt. Kollegin Michalke, die inzwischen die Flucht ergriffen hat, zitiert auch den Arbeiterkammerpräsidenten Vorarlbergs immer wieder. Er freut sich sicher über die Werbeeinschaltungen, die sind gratis und österreichweit. Da kommt schon einiges dazu. Wenn man dann mich noch damit in Verbindung bringt: Ich habe eine eigene Meinung. Der Vorarlberger Arbeiterkammerpräsident hat eine eigene Meinung. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir haben auch eine eigene Meinung!) Er hat eine eigene Meinung zu diesem Paket, das wir mit den Schweizern geschlossen haben.

Ich bin jetzt in der Lage, zu sagen: Wir haben ein Abkommen, das uns Geld bringen wird. Das gehört zum Konsolidierungspaket mit dazu. Wenn wir dieses Abkommen nicht gemacht hätten, käme kein Geld aus der Schweiz. Damit amnestieren wir nicht die Steuersünder und die Steuerflüchtlinge. Das ist nicht der Fall. (Bundesrätin Mühl­werth: Nicht?)

Genau eure Fraktion, Frau Kollegin Mühlwerth, hat über dieses ganze Paket sehr ge­spottet, insbesondere über die Finanztransaktionssteuer und das Abkommen mit der Schweiz: Das wird niemals kommen! – Binnen Wochenfrist ist es jetzt gekommen und bringt Österreich ab 2013 doch einiges an zusätzlichen Einnahmen, die wir dringend brauchen, um unsere Staatsfinanzen zu sanieren. Genau so schaut es aus! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe gesagt, es ist die Frage, ob es kommt! Eine Milliarde ist budgetiert!)

Ich bitte darum, Kollegin Michalke auch zu sagen, dass wir uns über Werbeeinschal­tungen für den Arbeiterkammerpräsidenten freuen. Da sind wir sehr dankbar. Wenn sie das jede Woche und bei jeder Sitzung macht, kommt Freude auf, auch in ihrer Frak­tion.

Jetzt wirklich zu einigen Themen, die die Kommission auch vorgeschlagen hat, denn es geht auch um die Förderung von nachhaltigen arbeitsplatzintensiven Geschichten, wirtschaftliche Erholung als Strategie. Man hat Vorschläge für Stabilität und Wachstum gemacht, zur Lösung des Griechenland-Problems – da sind wir massiv dabei –, zur Verbesserung der Governance, zur Sicherstellung eines effizienten Stabilitätsmecha­nismus, zur Verbesserung der Stabilität des Bankensystems und zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung – auch eine ganz wesentliche und wichtige Strategie in diesem Programm.

Wir haben diese Thematik in den letzten Wochen und Monaten und auch in den letzten Sitzungen des Öfteren und sehr intensiv diskutiert, wiedergekäut, könnte man sagen. Es gibt bereits einige vielversprechende Lösungsansätze in diesen Bereichen. Seitens des Finanzministeriums, von Finanzministerin Fekter und auch vom Staatssekretär, wurde hervorragende Arbeit geleistet. Das muss man in aller Deutlichkeit zu diesem Thema anmerken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben mit der Vorlage des Jahreswachstumsberichts auch das sogenannte Euro­päische Semester zum zweiten Mal eingeleitet. Dabei kommen zum ersten Mal auch Rechtsvorschriften zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung, das soge­nannte Sixpack, zur Anwendung. Das hat der Herr Vizekanzler heute schon erwähnt. Außerdem hat die Kommission zwischenzeitlich zwei weitere Vorschläge für Verord­nungen vorgelegt, durch die die Überwachung der Haushaltspläne der Eurostaaten ge­stärkt werden soll.

Ferner ist die Kommission bestrebt, die Reform des Finanzsektors weiter voranzutrei­ben. Im Mittelpunkt sollen dabei insbesondere die bereits vorgelegten Legislativvor­schläge in Bezug auf Derivate, Ratingagenturen – auch ein Thema, das wir seit langer


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Zeit sehr intensiv auch im Ausschuss diskutieren –, Eigenkapitalanforderungen, solide­re und transparentere Wertpapiermärkte und die Bekämpfung von Marktmissbrauch.

Was die steuerlichen Komponenten anlangt, verweist die Kommission auf diverse Le­gislativvorschläge, die sie dem Rat bereits im Jahre 2011 unterbreitet hat. Diese betref­fen unter anderem die Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie und die Einführung der Finanztransaktionssteuer – auch ein Thema, das wir von österreichischer Seite sehr intensiv diskutiert haben. Wir sind diesbezüglich momentan bei keinem guten Stand. Auf jeden Fall werden wir aber weiter dranbleiben, denn da liegt, wie wir im Ausschuss schon gehört und im EU-Ausschuss auch diskutiert haben, das Geld buch­stäblich auf der Straße. Die Nationalstaaten, die europäischen Staaten sind wirklich schlecht beraten, wenn sie dieses Geld nicht aufklauben. All die Spekulationen und Machenschaften im Bereich der Finanzen gehören einfach auch einer steuerlichen Komponente zugeführt – in aller Deutlichkeit!

Außerdem wird sich die Kommission der Modernisierung des Mehrwertsteuersystems und dem Kampf gegen Steueroasen widmen.

Also wichtige Punkte. Ich möchte das jetzt nicht weiter ausführen, möchte aber am Schluss noch etwas zum EU-Budget 2014–2020 sagen: Die Kommission hat bereits 2011 ihre Mitteilungen „Ein Haushalt für Europa 2020“ auf die Reihe geschickt und ver­öffentlicht. Angesichts der Sparzwänge – und diese sind auch aus österreichischer Sicht wichtig – ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten die Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen diesmal besonders schwierig werden. Bereits bei den bishe­rigen Diskussionen haben sich zahlreiche Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, für eine deutliche Reduktion des von der Kommission vorgeschlagenen Volumens der Gesamtausgaben ausgesprochen.

Gleichzeitig sprechen sich die Mitgliedstaaten auch dafür aus, dass der Schwerpunkt des EU-Haushaltes stärker auf die Förderung von Wachstum und Beschäftigung – Stichwort: Strategie Europa 2020 – gelegt wird, dass also wirklich verstärkt darauf ge­achtet wird und das auch entsprechende Änderungen in der Ausgabenstruktur erfor­derlich macht.

Wichtige Themenbereiche, wie gesagt, die wir heute und auch in den letzten Sitzungen sehr intensiv diskutiert haben. Deshalb erspare ich mir hier weitere Ausführungen.

Ich darf mich, Herr Staatssekretär, noch einmal für die Bemühungen des Finanzminis­teriums um die Stabilitätskriterien bedanken. Unsere Fraktion wird diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Klug. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.23.20

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem es dem Kol­legen Mayer wieder in vortrefflicher Art und Weise gelungen ist, zu Sachinformation in Verbindung mit dem vorliegenden Bericht zurückzukommen, darf ich mich auch auf ei­nige wesentliche Kernelemente beschränken.

Zum Ersten, sehr geehrter Herr Staatssekretär, möchte ich mich bei dir und deinem Team recht herzlich nicht nur für die Übermittlung, sondern auch für die Zusammen­stellung des Berichts der Jahresvorschau 2012 aus deinem Ressort bedanken, weil er eine sehr detaillierte Gesamtübersicht hinsichtlich der anstehenden aktuellen Probleme im Finanzsektor auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch zu den Weiter­entwicklungen auf der europäischen Ebene mit Unterstützung der Mitgliedstaaten gibt.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausführungen des Kollegen Pisec seitens der Op­position und warum dieser Bericht nicht zur Kenntnis genommen wird, bieten an sich eine hervorragende Möglichkeit, um zu grundsätzlichen Wirtschafts- und volkswirt­schaftlichen Fragen zurückzukehren.

Es könnte doch nichts schöner sein als die Unterschiede, die sich in politischen, auch in wirtschaftspolitischen, volkswirtschaftlichen und finanzpolitischen Themenstellungen zu den aktuellen Problemen ergeben, wie sie heute wieder deutlich zu Tage getreten sind. Es unterscheiden uns nicht Meilen, Herr Kollege Pisec, sondern uns unterschei­den Lichtjahre im Zugang. Sie haben offensichtlich noch immer nicht bemerkt – das zeigt auch die Hervorhebung Ihres Zitates –, dass sämtliche Liberale ohne Grenzen, sämtliche Monetaristen in Europa nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch einen volkswirtschaftlichen Bauchfleck hingelegt haben – in Reinkultur, Herr Kollege!

Folgt man Ihrer Theorie, dann landet man dort: private Ausgaben rauf, öffentliche Aus­gaben runter, bis 70 Jahre arbeiten, Sozialsysteme zurückfahren, europäische Ein­heitswährung weg, Wirtschaftswachstum weg – kurz zusammengefasst.

Insofern unterscheiden uns Lichtjahre, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn es steht fest, für uns stehen andere Themen ganz oben auf der Tagesordnung, die da lauten: Jawohl, Wachstum ja, Investitionen fördern ja, Beschäftigungsförderung ja, Finanz­marktregeln ja, aber auch ein deutliches Signal für einen starken Staat, weil dieser bei all den Krisensituationen deutlich gezeigt hat, dass er Garant für eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung einer kleinen Volkswirtschaft ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Pisec.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich daher auf die uns politisch wichtigen kleinen Punkte kurz zurückziehen. Für die sozialdemokratische Fraktion darf ich sagen, dass wir uns freuen, dass auch im Bericht deutlich angeführt wurde, dass die weitere Regulierung der Finanzmärkte als eine der zentralen Aufgaben in den nächsten zwölf Monaten auf der Tagesordnung und der Agenda ganz oben steht, letztlich haben diese die Krise verursacht. Und wir werden auch dafür sorgen, dass weitere Regulierungen in diesem Marktsegment voranschreiten.

Einiges ist geschehen, das ist richtig. Es gibt neue Aufsichtsstrukturen, Regulierungen von Ratingagenturen und Hedgefonds bis hin zu Basel III. Klar ist auch, dass es in Zu­kunft weitere Verschärfungen der Eigenkapitalvorschriften brauchen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mag sein, dass im Moment die Zugänge zur Finanz­transaktionssteuer sehr unterschiedlich sind. Für uns ist klar: Kommt die Finanztrans­aktionssteuer in der derzeit diskutierten reinen Form nicht, dann werden wir uns bemü­hen und dafür Sorge tragen, dass aus diesem Sektor ein geeignetes Äquivalent auf die Tagesordnung kommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fasse daher zusammen: jawohl, wachstumsscho­nende Budgetkonsolidierung – auch das haben wir gemeinsam versucht auf die Beine zu stellen, und ich bin der Meinung, wir sind auf einem guten Weg –, eine klare und deutliche Prioritätenverteilung hin zu neuen Ausgaben im Bereich Bildung, Forschung und Innovation, letztlich um auch Wirtschaftswachstum zu ermöglichen, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Stabilität des Finanzsektors zu garantieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.28.22

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Pisec!


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Wenn du sagst, Brüssel bekommt den Finanzmarkt nicht in den Griff, dann frage ich mich, wozu du als Politiker überhaupt noch stehst. Ich denke, es ist eine ganz wichtige Aufgabe der Politik, dass es ein Gegengewicht zum Markt gibt und dass es jemanden gibt, der diesen Finanzmarkt reguliert. Und wenn nicht Brüssel, dann bitte wer? Öster­reich? – Danke. (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!)

Es klingt supertoll, aber das Vertrauen habe ich nicht. Da sind wir doch etwas zu klein. (Bundesrat Mag. Pisec: Stimmt!) – Danke für die Übereinstimmung. (Beifall bei Grü­nen, SPÖ und ÖVP.)

Es geht zu langsam, ja, das sehe ich auch so. Aber im Prinzip ist es unsere Aufgabe, dass wir genau da weiterkommen.

Ich wollte ursprünglich eigentlich in erster Linie zum Stabilitätsmechanismus sprechen, weil ich schon auch der Meinung bin, dass wir in Europa auch eine Lösung finden müssen dafür, wie wir mit instabilen Mitgliedstaaten umgehen. Und „instabil“ würde ich dabei jetzt nicht nur auf den Finanzmarkt oder auf die finanzielle Ebene heben, son­dern auch auf die demokratiepolitische Ebene.

Wir brauchen jedenfalls vernünftige und gute europäische Stabilitätsmechanismen. Das ist dringend notwendig, das wäre eilig. Es ist uns klar, es wird nicht alles so laufen, wie die österreichischen Grünen sich die Gestaltung dieser Stabilitätsmechanismen vorstellen, und es ist auch klar, dass Kompromisse geschlossen werden müssen und dass es eben, weil es eilig ist, viele Kompromisse geben muss. Wir waren immer be­reit, Kompromisse einzugehen.

Auch die Regierung ist auf europäischer Ebene bereit, Kompromisse einzugehen. Nur irgendwann einmal ist es auch für uns genug mit Kompromissen. Wenn es dann For­derungen gibt, die Österreich stellt, die mehr oder weniger die Kleinen stellen, die in­zwischen auch auf europäischer Ebene schon mehrheitsfähig sind, nämlich eine Fi­nanztransaktionssteuer, und die Forderungen werden blockiert und hintangehalten, und es geht einfach nichts weiter, dann, denke ich, ist es wirklich an der Zeit, dass wir ein Zeichen setzen. Unser Zeichen in dem Sinn ist, wenn auf der einen Seite, nämlich beim Eingriff in den Finanzmarkt, nichts weitergeht, dann muss man auch beim euro­päischen Stabilitätsmechanismus möglicherweise etwas zurückhaltender sein.

Deshalb haben wir unsere Zustimmung zu der Änderung des Art. 36 des EU-Vertrages auch gekoppelt an einen Fortschritt bei der Finanztransaktionssteuer. Ich denke, das ist in unser aller Sinn, denn im Prinzip ist es so, dass die Grünen die Finanztrans­aktionssteuer seit vielen, vielen Jahren fordern, die österreichische Bundesregierung inzwischen auch schon seit einigen Jahren beziehungsweise eigentlich alle politischen Kräfte hier. Auch auf europäischer Ebene ist man sich großteils einig, und es gibt nur ein paar, die blockieren können. Ich denke, das können wir einfach nicht zulassen, da müssen wir Handlungen setzen, auch wenn es vielleicht manchmal etwas unpopuläre sind.

Ein zweiter Punkt, den ich kurz nach dem Ausschuss auch noch ansprechen wollte, betrifft die Änderung der Verordnung über Ratingagenturen. Ich habe im Ausschuss nachgefragt, wie das eigentlich mit dieser ursprünglichen Idee einer europäischen Ratingagentur ist, und das war dann so ein bisschen in die Richtung: Wir geben w.o., weil das geht eh nicht, wir werden ja nicht wirklich anerkannt werden, und es ist schwierig, und Unabhängigkeit müssen wir beweisen et cetera. Deshalb bauen wir jetzt eher auf mehr Transparenz, mehr Konkurrenz und eine Möglichkeit der Schadener­satzforderung.

Das klingt prinzipiell gut und schön. Nur, wie das mit der rechtlichen Durchsetzungs­möglichkeit dieser Absichten ist, sei dahingestellt. Das ist auch im Ausschuss, glaube ich, so besprochen worden, dass das einfach noch nicht klar ist. Meiner Meinung nach


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ist es auch schwer möglich, internationalen Ratingagenturen Druck zu machen und zu sagen, sie müssen Schadenersatz zahlen und dieses und jenes. Ich fürchte, dass das nicht möglich sein wird oder juristisch nicht machbar sein wird, und dann stehen wir wieder vor dem Null.

Es wäre mir schon ein wichtiges Anliegen, dass man auch den Gedanken einer euro­päischen Ratingagentur nicht ganz vom Tisch wischt, sondern dass man überlegt, wie man dazu kommen kann, zumindest eine europäische unabhängige Ratingagentur zu schaffen.

Ich verstehe auch nicht ganz, warum immer die Rede davon ist, dass das unbedingt eine privatwirtschaftliche Ratingagentur sein muss und dass Behörden nicht das Ver­trauen genießen. Ich denke schon, dass es zumindest in Österreich schon noch so ist, dass das Vertrauen in die Behörden doch noch etwas größer ist als in eine privat­rechtliche Ratingagentur. Wie gesagt, mein Anliegen wäre – auch wenn es momentan bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene nicht so besonders gut damit aus­schaut –, dass wir diesen Gedanken nicht ganz aufgeben und uns auch in diese Rich­tung noch weiter engagieren.

Zum Bericht selbst: Es gibt zwar übersichtlichere als diesen, aber er ist übersichtlich. Es gibt überall einen österreichischen Standpunkt dazu, und deshalb werden wir ihn natürlich gern zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

17.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


17.34.05

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich herzlich für diese Diskussion, weil sie die Diskussion, die wir schon öfters gemeinsam geführt haben, natürlich widerspiegelt, aber auch zeigt, worum sich die wirtschafts- und europapolitischen Fragestellungen in diesen Tagen drehen.

Es geht um die wirtschaftspolitische Koordinierung in Europa, es geht um den „Six-Pack“, den Fiskalpakt, jene Regeln, die auch für uns in Teilbereichen hart sind, auch Anforderungen stellen, um sie zu erfüllen. Ich sage nur Schuldenbremse, ausgegli­chener Haushalt. Das ist ja alles keine Aufgabe, die leicht zu erfüllen ist, aber die not­wendigerweise zu erfüllen ist. Aus der Krisensituation in Europa ist auch entstanden, dass man festgestellt hat, eine gemeinsame Währung braucht auch mehr Transparenz, mehr Information, mehr Glaubwürdigkeit der Länder untereinander, ein schnelleres Re­agieren, mehr europäische Ebene als alleiniges Staatliches.

Natürlich, und das ist der einzige Punkt, in dem ich Ihnen recht geben möchte, auch mir geht es zu langsam mit dem Punkt „Finanzmarktregulierung“. Auch ich könnte mir in vielen Bereichen Schnelleres vorstellen. Auch ich bin der Meinung, dass ich in vielen Punkten weiß, was zumindest ich für notwendig erachte. Nur, in einer Europäischen Union müssen es auch 27 Staaten für notwendig erachten. So wie wir hier in Öster­reich mit dem Parlament die Diskussion zu führen haben, Mehrheiten zu suchen ha­ben, muss es 27-mal geschehen. Allein daraus entsteht eine längere Diskussion und auch nicht eine von vornherein gegebene einheitliche Meinung, weil 27 EU-Staaten auch 27 verschiedene Meinungen und Realsituationen einbringen können. Diese Dis­kussion braucht manchmal leider auch länger, manchmal meiner Meinung nach auch unnötig lang.

In vielen Bereichen ist aber auch schon etwas geschehen. Ich sage nur europäische Bankenaufsicht, Versicherungsaufsicht, Kapitalmarktaufsicht. Ich sage auch, die Dis­kussion um Basel III ist schon relativ weit. Es ist auch Österreich gelungen, beides zu


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vereinen, was uns wichtig war, nämlich mehr Eigenkapital durch Basel III als Vorschrift, aber gleichzeitig auch das zu verhindern, was unsere Banken schlechter gestellt hätte als andere beziehungsweise was noch wesentlich wichtiger ist, nämlich auch zu er­möglichen, dass zum Beispiel Kreditvergaben an kleine und mittlere Unternehmen mit einem Abschlag beim Eigenkapital zu berechnen sind, das heißt gefördert werden im Vergleich zu anderen Vergaben.

Bei den Ratingagenturen – weil sie angesprochen worden sind – geht es meiner Mei­nung nach weiterhin um die Frage nach mehr Transparenz: Wie berechnen die über­haupt ihre Ratings, mit wem stecken die unter einer Decke? Wie können sie es auch begründen? Wie haften sie dafür, wenn sie etwas sagen, wenn nachher dann quasi die Folgen eintreten bis hin auch zur Schadenersatzfrage?

Das Problem bei Ratingagenturen ist, dass nicht nur die Politik allein verordnen kann: Bitte, privater Investor glaube dieser Ratingagentur!, sondern der Privatinvestor glaubt, was er glauben will; ob es jetzt die Ratingagentur ist, ein Zeitungsartikel, ob das richtig oder falsch ist, hat leider, wie wir gesehen haben, Auswirkungen, und das muss man auch in diesem Zusammenhang bedenken.

Ein Punkt, der jetzt auch noch diskutiert wird in Europa, ist Körperschaftsteuer, Bemes­sungsgrundlage harmonisieren, auch die Buchhaltungskriterien, die dahinterstehen, mitunter zu harmonisieren; auch kein leichtes Unterfangen, weil wir wissen, dass die Unternehmenssteuern in Europa sehr unterschiedlich sind. Die Finanztransaktions­steuer haben wir schon das letzte Mal hier ausführlich diskutiert – ein ganz, ganz wich­tiger Punkt.

Ich gebe Ihnen auch recht, die Wachstumsstrategie für Europa, wie sie in EU 2020 festgelegt ist, ist wichtig, ist notwendig. Es ist uns auch hier vieles gelungen. Auch hier soll man das Licht nicht unter den Scheffel stellen, vor allem nicht, wenn wir einen ös­terreichischen Kommissar haben, der zum Glück auf die großen Mittel der Regional­förderung quasi nicht zugreifen kann, aber politisch gestalten kann, wie sie verwendet werden. Es ist uns gelungen, eine Ausrichtung dieser Mittel viel stärker auf Beschäfti­gung, moderne Jobs, Green Jobs, Nachhaltigkeit zu ermöglichen, was ein wichtiger Punkt ist.

Es ist auch Aufgabe der österreichischen Bundesregierung, zum Beispiel darauf zu schauen, dass in Europa das Thema „Beschäftigung und Jugendbeschäftigung“ noch viel stärker diskutiert wird und aufs Tapet kommt.

Zur Euro-Situation: Es wird immer verglichen mit anderen Ländern – ja, man kann je­des Land mit jedem Land vergleichen. Man muss sich nur auch klar sein, die Dis­kussion in Schweden wird geführt vor dem Hintergrund der schwedischen Realität, und die Diskussion in Österreich wurde geführt vor dem Hintergrund der österreichischen Realität. Hier auch eine kleine historische Bemerkung: Es war übrigens ein FPÖ-Fi­nanzminister, der Ja gesagt hat, dass Griechenland und all diese Länder auch dem Euro beitreten, nämlich Ihr Karl-Heinz Grasser, der das damals auch beschlossen hat. Aber es war aus österreichischer Sicht der EU-Beitritt richtig und auch der Euro richtig, weil wir liegen im Herzen Europas. Wir haben Handelsverflechtungen hauptsächlich mit Euro-Ländern, mit Deutschland. Wir sind eine Exportnation, jetzt noch viel stärker als damals. Ich kann mich noch gut erinnern: 90er Jahre, Italien wertet von 100 auf 75 ab; ein Viertel über Nacht. Was das geheißen hat für die Exportindustrie, für die Importindustrie, für den Fremdenverkehr, für all diese Faktoren – Holz war damals noch das große Thema –: Es war eine dramatische Situation. Daher muss man sagen: Der Euro hat sich bewährt.

Wir wären vor zwei Jahren von den internationalen Spekulanten weggefegt worden, wenn wir nicht in einer großen Währung gewesen wären. Den Schilling hätten die weg-


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geblasen, der Herr Soros hätte den Schilling in einer halben Stunde weggeblasen, wenn er gewollt hätte. Da hat uns der Euro vor unglaublich Schlimmerem bewahrt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Aber auch, wenn Sie sagen: Hartwährung? – Wir haben in dem Jahrzehnt, wo wir den Euro als Bargeld haben, eine niedrigere Inflation als in dem Jahrzehnt davor, ohne Euro! Das ist volkswirtschaftlich eindeutig nachrechenbar, das gilt bei uns für den Euro-Schilling-Vergleich genauso wie bei den Deutschen für den Euro-D-Mark-Vergleich. Al­le haben profitiert in dieser Situation.

Ich möchte abschließend noch die Gelegenheit nutzen, aus aktuellem Anlass noch et­was anzumerken. Ich bin nämlich ein fleißiger Fernsehschauer, was die Übertragungen von Parlamentssitzungen und damit auch der Bundesratssitzung betrifft. Ich habe ge­merkt, Sie haben heute schon ausführlich über das Abkommen mit der Schweiz dis­kutiert. Ich möchte hier trotzdem noch einmal die Gelegenheit nutzen, weil das Ab­kommen ja erst seit wenigen Minuten, wenn man so will, unterzeichnet ist.

Ich möchte erstens erinnern an unsere gemeinsame Diskussion hier vor Kurzem, als wir uns sagen haben lassen müssen: Das wird überhaupt nichts, auf Sand gebaut, auf Luft gebaut, ihr habt ja noch nicht einmal geredet mit denen, das schauen wir uns an, ob die das überhaupt wollen!

Ich habe Ihnen damals schon gesagt: Wir haben vorgefühlt beziehungsweise auf Be­amtenebene gute Gespräche, sie laufen gut. Sie sind so gut gelaufen, dass heute unsere Finanzministerin Fekter und ihre Schweizer Kollegin Widmer-Schlumpf gemein­sam das Abkommen unterzeichnen konnten.

Ich möchte aber auch kurz erklären, was die Grundlage oder das Ergebnis dieses Ab­kommens ist.

Erstens geht es darum: Es liegen geschätzte 20 Milliarden € österreichisches Geld in der Schweiz. Wir wissen nicht, ob das alles illegales Schwarzgeld ist, oder ob ein Teil davon legales Geld ist. Man muss nicht immer vom ganz Schlechten ausgehen, aber wir werden natürlich davon ausgehen, dass ein Großteil der Besitzer nicht alle Steu­ervorgaben, die es in Österreich gegeben hat, erfüllt hat.

Es geht im Wesentlichen um drei Nichterfüllungen, nämlich Kapitalertragsteuer, Um­satzsteuer und Einkommenssteuer. Das sind die Steuern, die jetzt quasi abgegolten werden können.

Das Verfahren wird so sein, dass die Schweizer Bank ihrem Kunden schreibt, dass er sich jetzt zwischen zwei Dingen entscheiden kann: entweder die Abgeltungssteuer zu bezahlen und damit die nicht abgeführte Steuer jetzt nachzuzahlen, und zwar laut dem Steuersatz gemäß dem Abkommen; oder es werden seine Daten an die österreichi­sche Finanz gemeldet, sodass quasi entweder hier zu versteuern ist oder nachzuwei­sen ist, dass sowieso schon in Österreich versteuert wurde. Das ist ganz wichtig.

Es gibt keine dritte Möglichkeit für den Kunden, nämlich die, zu sagen, weder meldet ihr mich, noch zahle ich gerne. Es heißt, entweder zahlen oder gemeldet werden. – Punkt eins.

Punkt zwei: Zu welchem Steuersatz? Der beträgt 15 bis 38 Prozent. Wenn wir uns erinnern: In der deutschen, ursächlichen Diskussion ging es um 20 bis 34 Prozent. Wir liegen auch hier etwas über dem ursprünglich angedachten Steuersatz. Ja, es gibt einen Unterschied zum deutschen Steuersatz. Warum? Weil die Deutschen in ihrem Steuersystem erstens eine progressive Kapitalertragsteuer haben, zweitens ein paar andere Steuern mitabgegolten haben, unter anderem Erbschaftssteuer und noch ein paar andere Steuern. Das macht daher technisch Sinn.


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Im Wesentlichen ist es so: Je nach Dauer wird diese Steuer abgegolten; es wird nicht abgegolten das rechtswidrige Zustandekommen des Vermögens. Sprich: Ist der Hin­tergrund Geldwäsche oder noch ärgere Sachen, so ist das nie abgegolten, sondern nur die abgabenrechtliche Dimension.

Noch ein Detail: Es werden übrigens der Wert zum Ende 2010 und jener zum En­de 2012 verglichen, der jeweils höhere auf dem Konto wird dann der Besteuerung unterzogen. Damit wird verhindert, dass Leute jetzt noch in der Zwischenzeit quasi die Hälfte ihres Kontos abräumen; es wird automatisch der höhere Wert herangezogen.

Ein Rechenbeispiel: Wenn einer oder eine 8 Millionen € in der Schweiz liegen hat, dann muss er oder sie 38 Prozent davon an Abgeltungssteuer zahlen. Das sind bei 8 Millionen € ungefähr 3 Millionen € Steuern an Österreich.

Wir wissen jetzt nicht, ob es wenige große oder viele kleinere Vermögen sind. Es ist eher davon auszugehen, dass auch einige große dabei sind, und daraus errechnet sich das Potential.

Ich sage noch einmal: Die eine Milliarde €, die wir steuertechnisch eingestellt haben, die wir budgetiert haben, ist damit gesichert. Wenn es wesentlich mehr ist und die tatsächlichen Gelder in der Schweiz höher sind als unsere Schätzungen, dann wird es auch mehr sein. Allerdings: Wir bewegen uns hier im Bereich von Schätzungen, aber ich gehe davon aus, dass diese eine Milliarde € kommt.

Eine technische Anmerkung noch und dann noch eine politische dazu. – Der zweite Punkt ist: nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. Jedes Kapital­einkommen auf einem Schweizer Konto wird in Zukunft 25 Prozent KESt zahlen, so wie jedes Kapitaleinkommen in Österreich. Hier ist absolute Gleichheit. Daher besteht von diesem Steuerpunkt aus für das Schweizer Konto im Vergleich zu österreichischen Konten auch kein Vorteil mehr.

Am Schluss noch zu der moralischen Diskussion. Ich habe jetzt nachgelesen, was Kol­lege Hämmerle heute gemeint hat, nämlich dass es am gescheitesten wäre, das Bank­geheimnis abzuschaffen. – Das würde uns nichts nützen, denn es geht um das Schweizer Bankgeheimnis! Wir können bei aller Macht des Bundesrates hier in Ös­terreich nicht das Schweizer Bankgeheimnis abschaffen! (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Wir können nur international weiter darauf dringen, dass Steueroasen trocken­gelegt werden. Solange die Schweizer dieses Bankgeheimnis haben, brauchen wir die­sen Umweg. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wir können weiterhin sagen, wir machen nicht dieses Abkommen, sondern wir dringen auf vollständige Verfolgung. Nur: Mit dem Schweizer Bankgeheimnis wer­den wir nichts erfahren; und der, der sein Schwarzgeld in der Schweiz liegen hat, wird all denen, die sagen: Macht nicht das Abkommen!, auf die Schulter klopfen und sagen: Danke dir, dann brauche ich weiterhin nichts zu zahlen.

Bei der Frage, ob einer mit 8 Millionen € 3 Millionen € an den österreichischen Staat – endlich Steuergerechtigkeit vollziehend – zahlen muss oder weiterhin nichts zahlt, ha­be ich entschieden: Lieber 3 Millionen € von dem Steuerhinterzieher als weiterhin nichts.

Das ist die Entscheidung aus Gerechtigkeit und für das Budget. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 142

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.47.2816. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 und das Maklergesetz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2012 – VersRÄG 2012) (1632 d.B. und 1696 d.B. sowie 8706/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich die Frau Justizmi­nisterin bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte um den Bericht.

 


17.47.52

Berichterstatter Christian Füller: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 und das Maklergesetz geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. April 2012 in Verhandlung genommen.

Ich komme zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.48.35

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Das vorliegende Versi­cherungsvertragsgesetz beinhaltet und regelt neu den Datenaustausch für Gesund­heitsfragen beziehungsweise für Gesundheitsdaten. Wir wissen, dass die Versiche­rungen immer mehr Untersuchungen und Gesundheitsdaten benötigen. Deshalb ist es wichtig, zwischen den Versicherern, den Versicherten, den Versicherungsunterneh­mungen und den Gesundheitseinrichtungen bei der Direktverrechnung entsprechende Regelungen zu treffen.

Das ist im Sinne der Versicherten, aber auch der Versicherungsunternehmen.

Zum Zweiten: Keine Angst, durch dementsprechende Einschränkungen ist auch der Datenschutz entsprechend gesichert und gewahrt. Das ist das eine.

Weiters ist es in Zukunft möglich, dass das Versicherungsunternehmen und der Versi­cherte einander entsprechend elektronische Daten übermitteln können, dass man aus­machen kann, welche Erklärungen und Informationen in Zukunft elektronisch übermit­telt werden können. Auch das ist eine Erleichterung, eine Verbesserung zwischen den Versicherungsunternehmen und den Versicherte

Zum Dritten ist es auch für die Verbraucher in Zukunft leichter, von den Versicherungs­verträgen innerhalb einer gewissen Zeitspanne zurückzutreten. Auch das ist im Sinne der Konsumenten, der Versicherten.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 143

Deshalb stimmen wir dieser Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes zu. – Dan­ke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


17.50.26

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Mit der heutigen Novelle des Versicherungsrechtes werden wir mehr Klarheit und Transparenz für die Konsumentinnen und Konsumenten schaffen. Vielen Versi­cherten war es oft nicht klar, welche Folgen der Abschluss eines Versicherungsvertra­ges für sie hat. Viele von uns haben oft über Jahrzehnte einen Versicherungsbetreuer oder -makler. Den kennt man, der ist einem vertraut. Zu dem baut man auch ein per­sönliches Vertrauen auf. Ich glaube, in diesen Fällen und in den meisten Fällen ist der Versicherungsnehmer gut beraten und wird nach Abschluss eines Vertrages nicht wie­der von diesem zurücktreten. Wir kennen diese Fälle: Jeder hat sicher so eine ver­traute Person, der man wirklich alles anvertraut.

Aber das ist der Idealfall und der häufigste Fall bei Abschluss eines Vertrages. Leider gibt es nicht immer vertraute Personen, sondern auch Verträge, die ohne Beratung – ich verweise nur auf die sogenannte Schalterpolizze – oder gar über Internet abge­schlossen werden. Da wird in Zukunft der Konsument auch ohne Angabe von Gründen innerhalb einer Frist von 14 Tagen vom Vertrag zurücktreten können.

Ein weiterer Bereich für die Konsumentinnen und Konsumenten, der weitreichende Fol­gen haben kann, ist der Datenschutz bei der Versicherung. Wie wird mit meinen Ge­sundheitsdaten umgegangen? Wie werden diese verwendet? Zum Beispiel ermittelt und speichert eine Krankenversicherung Diagnose- und Gesundheitsdaten von Versi­cherten. Diese dürfen nur mehr mit der Zustimmung des Versicherten ermittelt werden. Diese Vollmacht kann auch jederzeit widerrufen werden.

Dies ist ein Erfolg im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten. Die Bedingun­gen wurden neu definiert und an die Anforderungen des Datenschutzes angepasst. Es ist klar im Gesetz festgehalten, welche Daten die Versicherungen auch ohne Zustim­mung des Betroffenen ermitteln dürfen. Klarheit ist Sicherheit für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Darum begrüßen wir diese Novelle und stimmen dieser zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


17.53.20

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich mache es ganz kurz. Wir stimmen der Gesetzesvorlage zu. Es ist ja auch einmal schön, so etwas zu sagen. (Demonstrativer Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte auch ganz kurz begründen, warum, weil uns ja das Thema Datenschutz hier im Bundesrat in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv beschäftigt hat – auch in diesem Fall wieder. Das wird ein Thema sein, das uns in Zukunft noch viel stär­ker beschäftigen wird. Aber – und das ist ja das Gute daran – dieses Gesetz in Sachen Datenschutz ist eine Verbesserung. Das ist begrüßenswert.

Wir sind aus drei Gründen dafür; ich möchte sie kurz nennen.


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Erstens: Eine unbefriedigende Situation wird ganz klar verbessert. Die Daten wurden ja bis jetzt zum Teil ohne Selektion an private Versicherungsteilnehmer übermittelt, jetzt wird aber der Datenschutz verstärkt.

Zweitens – das finden wir wichtig und bemerkenswert, und wir bedanken uns auch dafür –: In den Stellungnahmen, die zu diesem Gesetz abgegeben wurden, war auch eine Stellungnahme der Datenschutzkommission und des Datenschutzrates. Diese Stellungnahmen wurden eingearbeitet, berücksichtigt, und das finden wir wunderbar.

Drittens: Dass es jetzt ein Rücktrittsrecht gibt, das finden wir hervorragend. Das ist tat­sächlich ein unfassbar großer Fortschritt in Sachen Konsumentenschutz. Deswegen finden wir das gut.

Wir stimmen sehr gerne zu. – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Dönmez sowie bei SPÖ und ÖVP.)

17.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


17.55.05

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Ich freue mich sehr über die positiven Rede­beiträge bereits im Plenum des Nationalrates und auch heute hier bei Ihnen. Die Re­gierungsvorlage beruht ja schon auf sehr umfangreichen und vor allem auch jahrelan­gen Verhandlungen, die mit der Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Übermittlung von Gesundheitsdaten begonnen haben. Das ist natürlich eine sehr sen­sible Frage: Die Übermittlung von Daten ist per se schon sensibel, aber ganz besonde­re Sensibilität liegt natürlich vor, wenn es um Gesundheitsdaten geht.

Aber man kann im Zusammenhang mit dieser Reform auch sagen: Gut Ding braucht Weile. Schon im Jahr 2010 wurde der Ministerialentwurf begutachtet. Die darauffolgen­den Diskussionen haben sich als sehr schwierig und langwierig erwiesen. Erst ab dem Sommer 2011 gelang es, in sogenannten Beichtstuhlgesprächen mit allen Interessen­vertretern und durch weitere Verhandlungen zwischen der Versicherungswirtschaft, dem Daten- und Verbraucherschutz, der Ärztekammer und dem Gesundheitsministe­rium Kompromisse zu erzielen.

Ich möchte an dieser Stelle auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Jus­tizministerium, die damit betraut waren, allen voran Herrn Sektionschef Dr. Georg Kathrein, ganz herzlich für die Arbeit danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Es ist ihnen zu verdanken, dass diese Reform heute so aussieht, wie sie aussieht, vor allem ist es auch ein sehr schönes Beispiel dafür, dass sich Fachkompetenz und Beharrlichkeit tat­sächlich auszahlen. Danke schön.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Vorhaben beruht auf drei Säulen. Zum Ersten schafft es einmal ganz klare gesetzliche Grundlagen für die elektronische Kom­munikation zwischen dem Versicherer und seinen Kunden. Hier sind wir bemüht, recht­liche und wirtschaftliche Nachteile des Versicherungsnehmers aus der Verwendung der neuen Kommunikationstechnologien zu vermeiden. Quasi als Vorbedingung dieses Teils war es notwendig, das Versicherungsvertragsgesetz insgesamt daraufhin zu durchforsten, wo das Gesetz für Erklärungen, Anträge oder Mitteilungen Schriftlichkeit verlangt. Zum größten Teil wurden diese Regelungen, in denen Schriftlichkeit verlangt wird, dahingehend geändert, dass nun neben der Schriftlichkeit auch die geschriebene Form per Fax oder per E-Mail zugelassen wird. Und das entspricht natürlich den heu­tigen Lebensrealitäten viel mehr.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die heute bereits mehrfach angesprochenen Da­tenschutzregeln. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass hier tatsächlich eine Reihe


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von Verbesserungen enthalten ist. Im Allgemeinen sollen nämlich Gesundheitsdaten nur mit vorheriger Zustimmung des Versicherungsnehmers übermittelt werden. Die An­forderungen an diese Zustimmung werden nunmehr noch verschärft. Der Versiche­rungsnehmer soll vorweg aufgeklärt werden und soll auch die Möglichkeit bekommen, der konkreten Übermittlung zu widersprechen.

Für die Direktverrechnung in der Krankheitskostenversicherung sollen bestimmte, für die Verrechnung wichtige Daten kraft Gesetzes übermittelt werden. Aber natürlich hat auch hier der Betroffene ein Widerspruchsrecht. Darüber hinaus schränken wir die Da­tenarten, die kraft Gesetzes zu übermitteln sind, sehr stark ein. Der Versicherer soll nämlich nur jene Daten bekommen, die er für die Abrechnung auch tatsächlich benö­tigt, und sonst natürlich keine Daten.

Zum Dritten verbessert das Gesetz auch den Schutz der Verbraucher. Das kommt ja bereits in den Regelungen die elektronische Kommunikation betreffend zum Ausdruck. Darüber hinaus sieht eben die Vorlage auch ein allgemeines Rücktrittsrecht vor. Auch darauf wurde bereits von Vorrednern hingewiesen.

Letztlich werden die Regelungen über den sogenannten Frühstorno bei Lebensversi­cherungen verschärft. Hier hat nämlich der Gesetzgeber schon im Jahr 2006 Regelun­gen geschaffen, die die finanziellen Verluste der Versicherungsnehmer bei einer früh­zeitigen Auflösung des Vertrages in Grenzen halten sollen. Diese Bestimmungen sol­len auch für die sogenannte Nettopolice gelten, bei der der Versicherungsnehmer die Provision direkt an den Makler oder an einen sonstigen Vermittler zahlt.

Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sie sehen also, wir haben wirklich eine Rei­he von Vorteilen für die Versicherten und damit für viele Bürgerinnen und Bürger die­ses Landes vorgesehen. Ich freue mich über die große Zustimmung zu dieser wich­tigen Reform. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.00.0617. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Übereinkommen über Computerkriminalität (1645 d.B. und 1697 d.B. sowie 8707/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte um den Bericht.

 


18.00.18

Berichterstatter Christian Füller: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend Übereinkommen über Computerkriminalität.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. April 2012 in Verhandlung genommen.


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Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmen­mehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 3 B-VG die Artikel 1 bis 22 und 35 bis 48 des gegenständlichen Staatsvertrags durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


18.01.11

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Lassen Sie mich vorweg eine ganz kurze persönliche Bemerkung zu Ihnen machen: Sie haben zuerst, ich glaube, vor zwei Tagesordnungs­punkten, gesagt, am Sonntag wird eine Vorentscheidung stattfinden. Ich glaube, die wird in der Bundesliga stattfinden, aber nicht so, wie Sie sich das wünschen.

Aber nun zum eigentlichen Thema. Wir sprechen heute hier über ein Übereinkommen, über einen Staatsvertrag, den die Republik bereits am 23. November 2001 unterzeich­net hat. Es ist insofern interessant, dass das jetzt, zehn Jahre später, hier zur Be­schlussfassung gelangt, da wir ja seit 1. April die Vorratsdatenspeicherung als gelten­des Gesetz in Österreich haben. (Präsident Hammerl übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wenn man sich diesen Staatsvertrag ein bisschen näher ansieht und sich vor allem den Artikel 16 näher zu Gemüte führt, der da lautet: „Umgehende Sicherung gespei­cherter Computerdaten“, dann kommt man drauf, dass es sich bei diesem Gesetz, das ja ohnehin schon in Österreich ratifiziert ist, um eine weitere Verschärfung und vor allem auch um eine weitere Aufweichung des Datenschutzes handelt. Und das Einzige, was dieser Beschluss heute bewirken wird, ist: Es geht darum, dass die Rechtshilfe an das Ausland und das Auslieferungsbegehren vereinfacht werden und dass man ver­einfacht vermeintliche Brecher von Urheberrechten an Konzerne ausliefern kann. Das ist nicht in unserem Sinne, und das kann auch nicht in unserem Sinne sein.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen gestern die „ZiB 2“ gesehen hat, wo ein relativ inter­essanter Bericht gebracht wurde, wo ein ORF-Team im MuseumsQuartier mit der Ka­mera durchgegangen ist und die jungen Leute, die dort die Frühsommersonne ge­nossen haben, gefragt hat, was sie sich da eigentlich gerade anhören und ob diese Musik gekauft ist oder ob sie vielleicht nicht gerade legal erworben wurde. Und wenn Sie sich das dann anschauen, werden Sie draufkommen, dass da wahrscheinlich 95 Prozent jener, die interviewt wurden, gesagt haben, na ja, so ganz sauber ist das wahrscheinlich nicht gelaufen.

Ich möchte das nicht beschönigen. Ich glaube, wir sind uns hier alle einig darüber, dass sämtlicher Gesetzesbruch, egal, in welcher Form, schlecht ist, nicht in Ordnung ist, geahndet werden muss. Was ich allerdings ablehne und was die FPÖ auch ab­lehnt, ist, dass man hier eine gesamte Generation von Internet-Usern pauschal krimi­nalisieren möchte, beziehungsweise mit einem Fuß ins Kriminal drängen würde.

Und genau das passiert derzeit. Ich weiß, es geht hier heute nicht um ACTA, ich weiß, es geht hier auch nicht um die Vorratsdatenspeicherung. Trotzdem ist es notwendig, das zu erwähnen. Denn auch da bröckelt ja Gott sei Dank mittlerweile die Front der zu­stimmenden Personen in ganz Europa, auch innerhalb der österreichischen Regie­rungsparteien, die noch vor Kurzem gesagt haben, na klar, ACTA wird durchgezogen, das ist ein internationaler Beschluss, das ist notwendig.


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So schaut es heute nicht mehr aus. Wir werden sehen, ob wir am Ende des Tages die­ses Gesetz überhaupt bekommen, ob es dieses überhaupt schafft, im Nationalrat durchzukommen, oder ob es überhaupt in den Nationalrat kommt.

Prinzipiell sehe ich hier schon ein großes Problem. Wir nähern uns mit der derzeitigen Gesetzeslage und mit der derzeitigen durchaus sehr motivierten Form der Überwa­chung einem System, das wir schon einmal hatten, nämlich im 18. Jahrhundert. Es erinnert sehr stark an ein Metternich’sches System, wo man ebenfalls Briefe geöffnet hat, hineingeschaut hat. Wenn etwas Interessantes drinnen stand, hat man vielleicht Abschriften angefertigt.

Heute ist es wesentlich einfacher. Heute braucht man nur einmal zu klicken, und das Ganze ist abgespeichert. Es hat eigentlich der Endverbraucher keine Möglichkeit nach­zuvollziehen, ob seine Kommunikation, die er vielleicht per E-Mail oder über Foren oder über Blogs tätigt, noch vertraulich ist, ob das wirklich nur für den Empfänger be­stimmt gelesen werden kann, oder ob da zwei, drei andere vielleicht mitlesen. Was mit seinen Daten passiert, das hängt alles in der Luft. Das ist alles nicht geklärt.

Ich möchte hier auch noch ganz kurz zitieren, wo wir heute in Österreich schon ange­langt sind. Es ist ja nicht so, dass wir uns da irgendetwas aus den Fingern saugen. Vor ein paar Wochen hat man in diversen Zeitungen die Aussagen des Herrn Schieszler – für jene, die es nicht wissen: das ist der Kronzeuge im Zuge der Telekom-Ermittlun­gen – vernehmen können, dass die Ermittler, sprich die Staatsanwaltschaft von der Te­lekom abgehört wurde. Und zwar ist das deshalb passiert, weil ja die Telekom durch ihre ehemalige Verbindung als staatsnaher Betrieb sämtliche Staatsanwälte und staatsnahe Betriebe mit ihren Telefonen ausgestattet hat und mithören konnte. Und die Folge war, dass die Staatsanwaltschaft auf Wertkartenhandys umsteigen musste. – Sagt der Herr Schieszler.

So weit sind wir heute gekommen. Das ist schon eine Form von Überwachung und von Überwachungsstaat, wo wir sagen, irgendwo muss auch Schluss sein. Man verkauft das Ganze dann immer sehr gern als Initiative zur Bekämpfung des Terrorismus, als Initiative zur Bekämpfung von kriminellen Handlungen, wie zum Beispiel der vielen un­appetitlichen Kinderporno-Seiten, die natürlich auch im Netz zu finden sind, keine Fra­ge. Aber hier hätte man natürlich auch schon in der Vergangenheit tätig werden kön­nen, nämlich ohne darauf zu warten, dass man da neue gesetzliche Bestimmungen macht und pauschal in Bausch und Bogen den Internet-Usern quasi die Luft zum At­men nehmen möchte.

Ich darf daran erinnern, dass der Kollege Brückl am 17. Dezember 2010 einen Ent­schließungsantrag zur Offline-Stellung von kinderpornographischen Seiten hier im Bun­desrat eingebracht hat. Dieser Antrag war bislang zweimal im Ausschuss: einmal am 1. Feber 2011 und einmal am 4. Oktober 2011. Beide Male ist er vertagt worden. Da la­viert man dann ein bisschen herum.

Es wäre heute überhaupt kein Problem, einen Gesetzentwurf ausarbeiten zu lassen, mit dem man staatsfeindliche Seiten, mit dem man kinderpornographische Seiten ein­fach von Staats wegen offline stellen lassen kann.

Ich denke auch, wenn man hier zum Beispiel eine Ethik-Kommission einsetzen würde, in der wirklich Vertreter nicht nur aus der Politik, sondern Vertreter aus dem gesell­schaftlichen Leben ihre Meinung, ihre Wohlmeinung abgeben könnten, dass man das durchaus transparent gestalten könnte. Ich denke auch, dass man hier durchaus im Plenum eine große Mehrheit dafür finden könnte.

Wogegen wir allerdings sind, ist, dass man unter dem Deckmantel der Terrorismusbe­kämpfung und dass man unter dem Deckmantel der Kriminalitätsprävention sämtlichen


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Internet-Usern von Haus aus einmal die Rute ins Fenster stellt und ihnen sagt: Passt nur ganz genau auf, was ihr macht, denn wir schauen da mit! Und wehe, es passiert irgendetwas! – Man kommt da sehr leicht in Verdächtigungen. Man kommt da sehr leicht in ein schiefes Licht. Das ist etwas, was wir nicht wollen. Das sagen wir auch klar und deutlich.

Darum werden wir diesem Staatsvertrag heute auch unsere Zustimmung verwehren. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

18.08


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


18.08.30

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute ein Übereinkommen über Computerkriminalität, welches das erste völkerrechtliche Instrument auf dem Gebiet der Computerkriminalität überhaupt ist. Es dient als Leitlinie für jeden Staat, der eine umfassende nationale Gesetzgebung gegen Computerkriminalität ausarbeiten möchte, und bietet einen Rahmen für die internatio­nale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens.

Das Abkommen wurde, wie mein Vorredner schon gesagt hat, im Jahr 2001 von Öster­reich unterzeichnet. Zwischenzeitlich haben 32 Staaten dieses Abkommen, dieses Übereinkommen ratifiziert, und 15 weitere Staaten haben es unterzeichnet. Wir haben in den letzten Sitzungen des Bundesrates immer wieder in verschiedenen Diskus­sionen gehört, dass die fortschreitende Nutzung von Informationstechnologien und Kommunikationstechnologien unsere Gesellschaft vor immer größere Herausforderun­gen stellt. Diese Herausforderungen machen auch vor einer Staatsgrenze nicht halt. Daher ist es auch erforderlich, bereits bestehende internationale Rechtsinstrumente zu verändern beziehungsweise wirksamer zu gestalten.

Herr Kollege Jenewein, ich glaube, dass hier keine gesamte Generation kriminalisiert wird, der Datenschutz auf der einen Seite sehr wohl seine Berechtigung und seinen Niederschlag findet, aber auf der anderen Seite auch die Mittel zur vorbeugenden Be­kämpfung vorhanden sein müssen.

Das Übereinkommen beinhaltet einerseits materielle Straftatbestände, die in nationales Recht umzusetzen sind, und andererseits strafprozessuale Vorschriften, die der Durch­setzung des Strafanspruches dienen sollen. Die Straftatbestände reichen vom Hacking und von Urheberrechtsverstößen bis hin zu den abscheulichsten Tatbeständen im Zu­sammenhang mit der Kinderpornographie. Zur Verfolgung und Bekämpfung sind not­wendige spezielle Befugnisse der zuständigen Behörden vorzusehen.

Alles in allem soll durch diese internationale Zusammenarbeit der Auslieferungs- und Rechtshilfeverkehr im Hinblick auf das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit er­leichtert werden. Da dies ein sehr wichtiger Punkt ist, hat Österreich anlässlich der Ratifizierung des Übereinkommens den Vorbehalt erklärt, Rechtshilfe durch Sicherung von Computerdaten dann nicht zu leisten, wenn die Voraussetzung der beiderseitigen Strafbarkeit nicht erfüllt ist.

Österreich hat wesentliche Bestimmungen des Übereinkommens bereits umgesetzt. Trotz laufender Bemühungen – und denken wir zurück, wie viel Positives wir in letzter Zeit auf diesem Sektor verabschiedet haben – werden auch zukünftig vereinzelte Be­stimmungen notwendig sein. So befindet sich das 24/7-Netzwerk derzeit im Aufbau. Dieses bestimmt eine Kontaktstelle, die rund um die Uhr unverzüglich in den ver­schiedensten Bereichen in qualifizierter und fachlicher Form vorhanden sein muss und für notwendige Maßnahmen zu sorgen hat.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 149

Alles in allem ist dies wieder ein wichtiger Schritt, um die internationalen Auswüchse moderner Kriminalitätsformen wirksam bekämpfen zu können. Wir geben diesem Über­einkommen gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

18.11


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.

 


18.11.51

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Auch wir werden dieses Abkommen ablehnen. Wenn man bedenkt, dass dieses Abkommen wirklich zehn Jahre alt ist – also erinnert euch jetzt einmal: Wir alle waren 2001 auch schon online, aber wenn wir heute online sind, dann ist das tatsächlich eine andere Welt. Mittlerweile hat da eine Revolution stattgefunden, und auch die öffentliche Diskussion und die öffentliche Debatte sind mittlerweile ganz woanders, als dieses Abkommen ist und auch ACTA war.

Das Hauptproblem, das wir bei diesen Abkommen immer haben, ist, dass alles in ei­nen Topf geschmissen wird. Es werden schwere Verbrechen und Downloads in einem Abkommen in einen Topf geworfen. Und es gibt die Diskussion, die wir derzeit haben – und es findet derzeit nicht nur eine Diskussion, sondern fast schon ein Kampf statt, kann man sagen –, und zugleich eine unfassbare Verunsicherung, und zwar von allen Seiten. Die Künstler und Künstlerinnen, die Kunstschaffenden, haben berechtigterwei­se die Frage zu stellen: Wie werde ich in Zukunft bezahlt?, das ist eine berechtigte Frage, aber wenn man die Künstlerinnen und Künstler fragt: Seid ihr dann dafür, dass deswegen die Bürgerrechte ausgehebelt und dass alle überwacht werden sollen, wer wann welches Lied downloadet?, dann sagen sie auch alle Nein.

Wir sind da in diesem Dilemma, und gleichzeitig haben wir tatsächlich eine ganze Generation – ich kenne auch schon ältere Leute, die das gleichfalls machen, also das machen nicht nur Junge –, wir haben tatsächlich unfassbar viele Menschen, die jetzt teilweise auch nicht mehr wissen, was jetzt eigentlich noch legal, was illegal ist, und es herrscht völlige Ahnungslosigkeit, völlige Ratlosigkeit. Dann gibt es dieses Recht auf Privatkopie: Gilt das jetzt für diesen einen Download, ja oder nein?

Es wird auch von keiner Institution, von keiner Regierung irgendwie aufgeklärt. Jeder stellt sich diese Fragen, aber in den Schulen wird keine Medienkompetenz vermittelt. Dort wird auch nicht erklärt, was sein darf und was nicht und wie es derzeit ausschaut.

Jeder, der sich nur irgendwie mit dem Thema Netzpolitik beschäftigt, weiß, dass wir al­le jetzt nicht sofort die Lösung haben, aber dass wir die Lösung gemeinsam, demo­kratisch und partizipativ suchen müssen – und zwar gemeinsam, alle zusammen: die Künstler und Künstlerinnen und die NetzaktivistInnen, nennen wir sie einmal so, die Datenschutzmenschen und so weiter, die gegen Bürgerüberwachung sind.

Wir hatten jetzt laufend solche Sachen, die wir hier zu besprechen haben: Das war mit ACTA so, wir hatten die Vorratsdatenspeicherung, wir hatten – nicht zu vergessen – das Sicherheitspolizeigesetz, und jetzt haben wir dieses Abkommen. Und ich habe wirklich den Eindruck, die Politik wurschtelt sich noch irgendwie durch, nur eines pas­siert nicht: Es wird nicht demokratisch gemeinsam diskutiert, es werden keine neuen gesetzlichen Grundlagen geschaffen, weder in Österreich noch in der Europäischen Union im Übrigen. Da muss man auch im Europaparlament – dort fallen ja doch sehr wichtige Entscheidungen in dieser Frage – sagen: Bitte den Druck erhöhen, da muss dringend etwas geschehen!

Nebenbei bemerkt: Dass Österreich das Urheberrecht neu überdenken muss, das ist ja sowieso klar, weil es jetzt ein EuGH-Urteil gibt. Wir wissen, dass das österreichische Urheberrecht gegen EU-Recht verstößt. Der Grund ist folgender: Nach der derzeitigen


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Rechtslage liegen Verwertungsrechte von Filmurhebern und -urheberinnen bei ge­werbsmäßig hergestellten Filmwerken in der Hand der ProduzentInnen, nicht der Re­gisseurInnen.

Durch diese sogenannte cessio legis müssen mit den Filmschaffenden keine Verträge bezüglich des Rechteerwerbs geschlossen werden. Das ist eine Benachteiligung der RegisseurInnen und das widerspricht dem EU-Recht. – Das heißt, wir müssen ohnehin das Urheberrecht neu diskutieren.

Und es gibt Vorschläge! Es gibt unfassbar viele Initiativen, Menschen, die darüber nachdenken, wie man das neu regeln könnte. Da gibt es den Vorschlag der Kultur-Flatrates, da gibt es Vorschläge und alle möglichen Überlegungen, wie man einerseits die Rechte der Künstlerinnen und Künstler wahren und andererseits den Überwachungs­staat verhindern kann.

Ich muss jetzt auch kurz über die Vorratsdatenspeicherung reden; das gehört thema­tisch dazu. Man stelle sich vor, man würde der Post sagen: Bitte notiert bei jedem Brief und bei jedem Paket, der oder das an irgendjemanden zugestellt wird, wann, von wo und an wen dieses Paket oder dieser Brief geschickt worden ist. Bitte behaltet das ein halbes Jahr, und wenn wir es einmal brauchen, dann kommen wir auf euch zurück.

Genau das passiert bei E-Mails und bei SMS und bei Telefonaten, und wenn ich die­sen Briefvergleich bringe, versteht jeder, warum das nicht geht. Deswegen nehme ich jetzt auch diese Gelegenheit wahr und appelliere an die Menschen, die sich gegen diesen Überwachungsstaat richten: Gehen Sie bitte auf www.verfassungsklage.at! Un­terstützen Sie uns bei unserer Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung! Es ist wichtig, dass sich hier jetzt – denn die Politik scheint das offensichtlich nicht zu machen, zumindest unsere Regierung nicht – eine starke Zivilgesellschaft zu Wort mel­det und sagt: Liebe Regierung, so nicht! (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Und es gibt diesen Aspekt, dieses Abkommen heute, das wirklich zehn Jahre alt ist, das aber übrigens sogar besser ist als ACTA, weil es nicht so schwammig formuliert ist. Es ist ein bisschen besser formuliert, aber es ist auch nicht mehr zeitgemäß.

Nebenbei bemerkt, wenn ich noch eine kleine Bitte äußern darf. – Es gab auch ein Zusatzprotokoll zu diesem Abkommen. Es gibt, wie wir wissen, eine unterschiedliche Auffassung in den USA und in Europa, was mit rassistischen, verhetzenden Texten und Webseiten passieren soll: Die USA sieht da die Meinungsfreiheit als wichtiger, wir sagen, Verhetzung ist ein Verbrechen. Viele wirklich verhetzende, furchtbare Web­seiten, auch österreichische Webseiten, das wissen wir, liegen auf Servern in den USA.

Jetzt nehme ich einmal bewusst keine Nazi-Webseite, jetzt nehme ich einmal eine an­dere Webseite, zum Beispiel „kreuz.net“. Das ist eine ganz furchtbar hetzerische, ultrafundamentalistische katholische Website, die alles, was nur irgendwie ansatzweise ein bisschen liberal ist, mit unfassbaren Worten ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist genauso ...demokratisch!) – Na, das ist nicht Meinungsfreiheit! Wissen Sie, der Unter­schied zwischen eine Minderheit Verhetzen und eine Mehrheit gegen sie Loslassen, das ist ein Verbrechen – und keine Meinungsfreiheit, es tut mir leid. (Beifall bei den Grünen.) Das verwechselt die FPÖ seit Jahren, es tut mir leid.

Aber da gibt es ein Zusatzprotokoll – Deutschland hat das bereits unterschrieben –, dass diese Sachen, wie verhetzende und rassistische Dinge, auch darunter fallen. Das sollte Österreich auch ratifizieren. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

18.19


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 151

18.19.22

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die immer größer werdende Nutzung der verschiedenen Informations- und Kommunikationstechnologien bietet auf der einen Seite enorme Chancen, birgt aber auf der anderen Seite auch Ge­fahren und stellt daher die Gesellschaft von heute vor große Herausforderungen.

Deshalb ist es auch erforderlich, entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen beziehungsweise diese den heutigen Anforderungen anzupassen. Österreich hat ja das in Diskussion stehende Übereinkommen, das haben wir vorhin schon gehört, im Jahr 2001 in Budapest unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

Computerkriminalität, auch Cybercrime genannt, ist kein Kavaliersdelikt, sondern hat schlimme Folgen, die manchmal bis zur Existenzbedrohung gehen. Das Datennetz bie­tet viele Möglichkeiten für das weltweite Verbrechen.

Viele Anwender vernachlässigen oft die Sicherheit in der Informationstechnik, sodass Hacker und andere Computerkriminelle einen enormen Schaden verursachen können und das Vertrauen der Menschen in die moderne Kommunikationstechnik erschüttern. Kriminelle können an allen Orten der Erde sitzen und sozusagen per Mausklick Schä­den überall in der Welt anrichten.

Wie eine Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, die beim Sicherheitskon­gress 2011 des Innenministeriums vorgestellt wurde, ergab, ist Cyberkriminalität auch in Österreich sehr weit verbreitet. Alle Befragten in dieser Studie hatten entweder be­reits selbst negative Erfahrungen mit Internetkriminalität oder kennen jemanden, der davon betroffen war. Daher ist es unbedingt erforderlich, eine strafrechtliche Verfol­gung krimineller Handlungen im Bereich der Computerkriminalität zu ermöglichen.

Die neuen strafbaren Tatbestände umfassen zum Beispiel den unbefugten Zugang zu einem Computersystem, sogenanntes Hacking – es waren ja auch politische Parteien dieses Hauses bereits Ziel von diversen Hackerangriffen –, die Fälschung von Compu­terdaten sowie bestimmte Handlungen im Zusammenhang mit Kinderpornografie und Urheberrechtsverstöße.

Das Urheberrecht, da gebe ich meinem Vorredner, Kollegen Schreuder, recht, gehört hinkünftig geändert, da die technischen Verbreitungsmöglichkeiten für Werke völlig an­dere geworden sind, damit dieses Urheberrecht auch den heutigen Anforderungen ge­recht wird.

Meine Partei wird diesem Übereinkommen, das die Bedeutung der konsequenten straf­rechtlichen Verfolgung auf dem Gebiet der Computerkriminalität unterstreicht und so­wohl materielle Straftatbestände als auch umfassende strafprozessuale Vorschriften enthält, zustimmen und damit die Regelung im Bereich der internationalen Zusammen­arbeit, insbesondere des Auslieferungs- und Rechtshilfeverkehrs im Hinblick auf das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit erleichtern. (Beifall bei der SPÖ.)

18.22


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Beer zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


18.22.33

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Wir befinden uns wieder auf einer Gratwanderung zwischen Datenschutz und Maßnahmen gegen Verbrecher. Wir haben das schon oft getan und werden das auch immer wieder diskutieren, wenn wir uns nicht endlich einmal dazu entschließen,


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ein gesamtes Regelwerk genau für diesen Internetbereich, für den Bereich der neuen Medien zu schaffen, um diese ewigen Diskussionen über Datenschutz zu beenden.

Es regt sich kein Mensch auf, wenn in einigen Social Networks die Daten der Nutzer, der User weiterverkauft werden können. Wenn Daten von Firmen – wenn auch illegal (Bundesrat Schreuder: Da wird geklagt! In Irland!) – abgefragt und bei Einstellungs­gesprächen verwendet werden, regt sich wirklich niemand mehr auf.

Bei einigen Suchmaschinen ist es so, dass auch da die Daten der Nutzer weiterhin ver­arbeitet werden und auch weiterverwendet werden können. Hat sich schon irgendwann einmal einer der Nutzer Gedanken darüber gemacht? – Aber wir stehen immer da und reden über eine Verschärfung oder Aufweichung des Datenschutzes. Wir haben so vie­le Möglichkeiten, ungeschützte Daten selbst weiterzugeben, und machen uns keine Gedanken darüber.

Wenn ich auch höre, dass im 18. Jahrhundert Metternich ein System errichtet hat und dieses mit diesem Gesetz verglichen wird, das wir hier heute beschließen, dann finde ich das ein bisschen komisch.

Und wenn das Argument verwendet wird – wenn das wirklich stimmen sollte –, dass die Telekom Staatsanwälte abgehört hat, dann ist das nicht ein Argument gegen das Gesetz, sondern dann ist es genau ein Argument für dieses Gesetz, denn es darf Kon­zernen oder Firmen und auch Privatpersonen nicht gestattet werden, abzuhören. Das ist illegal!

Wir können uns auch nicht aussuchen, von wem wir gehackt werden. Es ist mir im Prinzip wurscht, ob mich eine Vereinigung hackt, die irgendetwas aufzeigen möchte, oder ob mich ein Verbrecher hackt, der ganz einfach nur an meine Bankdaten kommen möchte. Es ist mir ganz wurscht – ich werde gehackt. Das soll nicht sein. Sicher ist das eine ein wesentlich anderer Tatbestand, da mit meinen Daten nichts Böses passieren soll. Im anderer Fall nimmt man mir aber mein Geld weg, nimmt man mir möglicher­weise auch meine Identität weg. Es kommt immer wieder und immer öfter auch zu Identitätsdiebstählen. Bei uns in Europa oder in Österreich ist das noch nicht so aus­geprägt, aber in Amerika ist das immer mehr verbreitet.

Ich glaube also, wir sollten in diesem Bereich sehr genau abwägen, was jetzt möglich ist und was nicht möglich ist. Und wenn wir die Briefe heranziehen: Es gibt auch Briefe, wo Rückscheine aufgehoben werden, zurückgesendet werden, und es gibt rekomman­dierte Briefe. Der Brief ist schon ein etwas älteres Medium, aber er ist rückverfolgbar und es werden auch dort Daten aufgehoben. Und die Staatsanwaltschaft hat auch die Möglichkeit, auf richterlichen Befehl in das Briefgeheimnis einzugreifen. Bei bestimm­ten begründeten Verdachtsfällen, auf richterlichen Befehl ist das auch möglich. (Bun­desrat Schreuder: Aber es wird nicht gespeichert, wer was wohin schickt und an wen! Das ist schon ein Unterschied!)

Es ist aber eigentlich wurscht (Bundesrat Schreuder: Nein, das ist nicht wurscht! Ent­schuldigung!), ob jetzt meine Daten sechs Monate aufgehoben werden oder ob auf richterlichen Befehl ein Brief von mir geöffnet wird. Im Endeffekt ist es das Gleiche. (Bundesrat Schreuder: Nein!) Es muss in beiden Fällen ein richterlicher Befehl da sein, um sich diese Daten ansehen zu können. Es wird nicht einfach so ein Datensatz von mir herausgenommen, den ich gerade verschickt habe, und den schaut sich dann irgendwer an. So ist es nicht!

Wir haben da eben verschiedene Betrachtungsweisen – sicherlich beide in einigen Be­reichen richtig, aber ich glaube nicht, dass es so ist, dass jeder von uns uneinge­schränkt recht hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.27



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 153

Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesrat Schreuder hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.28.04

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich möchte jetzt doch kurz, wenn Sie mir das erlauben und verzeihen, auf meinen Vorredner eingehen, weil ich nicht glaube, dass wir hier jetzt unterschiedliche Ansichten haben, ich glaube, dass hier einfach Missverständnisse vorliegen.

Der Briefvergleich, wie Sie ihn jetzt gebracht haben, war insofern nicht korrekt, weil ich ja mit der Vorratsdatenspeicherung gemeint habe, dass jede Briefsendung jeder Staatsbürgerin und jedes Staatsbürgers mit den Daten von wo an wen gespeichert wird.

Das ist etwas anderes, als wenn es einen begründeten Verdacht gibt und ein Staats­anwalt sagt: Jetzt wollen wir aber wissen, was der schreibt! – Das ist etwas anderes, denn bei der Vorratsdatenspeicherung wird das von jedem Staatsbürger und von jeder Staatsbürgerin sechs Monate gespeichert.

Jetzt nehmen wir wirklich einmal an, man würde das bei der Post verlangen und jeder Brief – jeder Brief! –, jede Postkarte, jede Postwurfsendung, alles muss sechs Monate gespeichert werden: Wo haben Sie es abgegeben? An wen haben Sie das geschickt?, um die Netzwerke herauszufinden.

Das andere Missverständnis, das ich auch aufklären möchte, ist folgendes: Es gibt auch einen Unterschied zwischen Daten, die ein User, ein Benutzer oder eine Benut­zerin – „Benutzerin“?, sagt man das, „Benutzerin“?; das klingt irgendwie komisch (Bun­desrätin Kerschbaum: Userin!); eine Userin, das klingt besser –, also eine Userin oder ein User selbst ins Netz stellt, und wenn der Staat überwacht. Entschuldigung, das sind ja zwei völlig verschiedene Paar Schuhe!

Mit einem haben Sie recht: Es wird sorglos damit umgegangen. Jetzt sind wir wieder bei dem vorigen Problem – ich habe es auch erwähnt –, nämlich dass wir keine Ver­mittlung von Medienkompetenz an den Schulen haben. Das ist ein Riesenproblem! (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Jenewein.)

Gleichzeitig – das muss man dazusagen – sammelt Google wirklich unfassbar viele Daten. Facebook und Google sind die größten Datensammler des Planeten. (Ruf bei der ÖVP: Die dürfen!) – Das ist keine Frage. Da gebe ich Ihnen ja recht.

Ich kenne allerdings auch keinen Missbrauch, das muss ich auch dazusagen. Ich ken­ne keinen Fall, wo diese Daten missbräuchlich verwendet worden wären. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Im Gegenteil, man kann ja auch sagen, wenn Google mein Surfverhalten kennt, dann weiß es auch, was ich eher suche, und dementspre­chend werden ja auch die Suchergebnisse an das Userverhalten angepasst. Das kann man jetzt gut oder schlecht finden.

Ich bin der Meinung – und deswegen unterstütze ich beispielsweise die Klage von Max Schrems in Irland gegen Facebook –, die Userinnen und User müssen mehr Hoheit be­kommen, um selbst entscheiden zu können: ich will, dass das öffentlich ist, oder: ich will, dass das privat ist; und nicht andersrum. – Das ist wichtig. Daran müssen wir ar­beiten.

Es gibt aber auch eine Generation von Leuten  Nicht, dass ich diese Meinung teile, aber es gibt das Buch: Wunderbar leben ohne Datenschutz. – Das sind die soge­nannten Post-Privacy-Anhänger, so nennen die sich. Das sind Menschen, die sagen: So what? Jeder darf wissen, wer ich bin. Ich stelle mich im Internet dar, und man darf


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 154

alles von mir wissen. – Ich bin der Meinung, diese Menschen sollen das dürfen; nur, sie sollen selbst die Hoheit darüber haben. Und ein Mensch, der das nicht will, sollte genauso die Hoheit darüber haben, die Einstellung zu ändern.

Was ich versuche, einfach zu erklären, das ist der Unterschied zwischen: User und Userinnen befähigen, selbst zu entscheiden – und dass ein Staat überwacht. Das sind wirklich zwei Paar Schuhe. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und FPÖ.)

18.31


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


18.31.37

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Strafrecht hat ja stets auch die Funktion, gesellschaftlichen Wandel und technischen Fortschritt mitzugestalten und zu begleiten. Der in unserer modernen Welt einfach nicht mehr wegzudenkende Einsatz elektro­nischer Kommunikation und von Computersystemen stellt uns natürlich auch vor neue Herausforderungen.

Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, ohne elektronische Kommunikation zu leben – sei es in der Wirtschaft, in der Verwaltung oder auch im privaten Lebensbe­reich. Aber natürlich bedeutet das auch für uns Rechtssystem neue Herausforderun­gen, und das ist ja in den Vorreden bereits angeklungen.

Der Einsatz elektronischer Kommunikation und von Computersystemen birgt natürlich viele Vorteile in sich. Das ist ganz klar. Wir profitieren ja alle davon. Er bringt aber auch Nachteile mit sich, und auf diese Nachteile muss das Strafrecht, muss auch die Straf­verfolgung und muss natürlich auch die internationale Zusammenarbeit reagieren. Da­bei geht es vor allem um die Gewährleistung der sicheren Nutzung von Computersys­temen und damit auch um die Wahrung der Freiheit des Einzelnen. Diese Freiheit des Einzelnen wird ja dann gefährdet, wenn man sich vor kriminellen Zugriffen auf Com­putersysteme oder vor Veränderungen der auf diesem Wege verarbeiteten Daten nicht schützen kann und damit eben nicht an diesen modernen Kommunikationsformen teil­nehmen kann.

Am 23. November 2001 hat Österreich gemeinsam mit 29 anderen Staaten das Über­einkommen über Computerkriminalität als erstes völkerrechtliches Übereinkommen auf diesem Gebiet unterzeichnet. Das Übereinkommen steht im Einklang mit der Men­schenrechtskonvention und dient als Leitlinie für jene Staaten, die eine umfassende nationale Gesetzgebung gegen Computerkriminalität ausarbeiten möchten. Schließlich bietet es auch einen ganz wesentlichen Rahmen für die notwendige internationale Zu­sammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten dieses Übereinkommens.

Das Übereinkommen über Computerkriminalität enthält eine ganze Reihe von Straftat­beständen, die sich im Wesentlichen in drei Kategorien einteilen lassen, nämlich uner­laubte Angriffe auf Computersysteme, strafbare Handlungen mit Hilfe von Computer­systemen sowie die Verbreitung strafbarer Inhalte über Computersysteme.

Darüber hinaus sieht dieses Übereinkommen auch eine Reihe von Regelungen im Strafprozessbereich beziehungsweise auch im Rechtshilfebereich vor. Dieses Überein­kommen ist zwar gesetzändernd und gesetzesergänzend, doch hat Österreich die Be­stimmungen des Übereinkommens bereits umgesetzt – deswegen ratifizieren wir erst so spät.

Es wurde angesprochen, dass wir ja bereits vor zehn Jahren unterzeichnet haben. Wieso ratifizieren wir erst jetzt? – Deshalb, weil schon alle Regelungen umgesetzt wor­den sind. Also wir haben jetzt unmittelbar keinen Umsetzungsbedarf mehr durch die


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 155

Ratifikation dieses Übereinkommens. So werden zum Beispiel heute schon Verhal­tensweisen, die man herkömmlich als sogenanntes Hacking bezeichnet – also der un­erlaubte Zugang zu einem Computersystem oder zu einem Teil eines solchen –, durch § 118a des Strafgesetzbuches unter Strafe gestellt.

Die widerrechtliche Überwachung nichtöffentlicher Übertragungen von Computerdaten zu und von Computersystemen oder innerhalb von Computersystemen wird durch die §§ 119 sowie 119a StGB erfasst. Das unbefugte Beschädigen, Löschen, Beeinträch­tigen, Verändern oder Unterdrücken von Computerdaten wird durch den Tatbestand des § 126a StGB unter Strafe gestellt. Erwähnen möchte ich auch noch die Tatbestän­de gegen betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch und gegen Kinderpornogra­phie. Also auch diese Tatbestände, die bei uns bereits existieren, komplementieren ganz einfach den Versuch, Sicherheit im elektronischen Datenverkehr zu schaffen.

Ich möchte aber auch wirklich Missverständnisse ausschließen und deshalb ganz klar auf eines hinweisen: Dieses Übereinkommen verpflichtet uns im Urheberrecht zu kei­ner weiteren Kriminalisierung. Das heißt, es kommt da auch nicht zu einer Kriminali­sierung ganzer Generationen von jungen Usern oder auch älteren Usern oder was auch immer – also es kommt hier zu keiner zusätzlichen Kriminalisierung.

Dieses Übereinkommen erlaubt uns, in der internationalen Zusammenarbeit auf den Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit zu bestehen. Das heißt, dass wir von be­stimmten prozessualen Zwangsmitteln nur dann Gebrauch machen, wenn die Anlass­tat auch im Inland eine strafbare Handlung darstellen würde, zu deren Aufklärung das betreffende Zwangsmittel auch nach unserem Recht eingesetzt werden darf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sinne darf ich Sie um Unterstüt­zung für unser Ziel bitten, Sicherheit im Cyberspace gewährleisten zu können, weil sich wirklich nur dadurch die Vorteile im Wirtschaftsleben und auch im privaten Lebensbe­reich, die wir durch die elektronische Kommunikation ganz einfach haben, voll entfalten können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zum Zusatzprotokoll: Sie haben gefragt, wieso wir dieses Zusatzprotokoll jetzt nicht ra­tifizieren. Wir sehen uns das gerade an. Wir wollen grundsätzlich auch das Zusatzpro­tokoll ratifizieren. Es wird aber im Ministerium gerade der Umsetzungsbedarf überprüft. Es wird geschaut: Haben wir noch einen Umsetzungsbedarf, oder haben wir da schon ausreichende Regelungen geschaffen? Grundsätzlich wollen wir es aber wirklich auch ratifizieren. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.37


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG die Artikel 1 bis 22 und 35 bis 48 des gegenständlichen Staatsvertrages durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 156

18.38.2618. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungs­gesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Baurechtsgesetz, das Urkunden­hinterlegungsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden (Grundbuchs-Novel­le 2012 – GB-Nov 2012) (1675 d.B. und 1698 d.B. sowie 8708/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1676 d.B. und 1699 d.B. sowie 8689/BR d.B. und 8709/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 und 19 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte um die Berichte.

 


18.38.50

Berichterstatter Christian Füller: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Na­tionalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Liegenschaftstei­lungsgesetz, das Baurechtsgesetz, das Urkundenhinterlegungsgesetz, das Wohnungs­eigentumsgesetz 2002, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und die Zivilprozessordnung geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. April 2012 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme gleich zum zweiten Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. April 2012 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


18.40.01

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst dir, Frau Bundes­ministerin, und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Büro sehr herzlich für die vor­liegenden Gesetzesnovellen danken, weil sie einen wichtigen Schritt zur verbesserten und schnelleren Kommunikation darstellen.

Es geht in erster Linie um die Anpassung der jeweiligen Materien an den aktuellen Stand neuer Informationstechniken. Dieser ausgeweitete Einsatz dient der Verwal-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 157

tungsvereinfachung und führt mit Sicherheit zu mehr Bürgerservice. Bei der Grund­buchs-Novelle wurde eine neue Datenbank – die Grundstücksdatenbank neu, geschaf­fen.

Neben der bereits vorhandenen Möglichkeit, im Grundbuchsverfahren Eingaben und Beilagen im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen, wurden elektronische Formu­lare für eine strukturierte Antragstellung entwickelt, die seitens der Grundbuchsgerichte leichter und schneller bearbeitet werden können. So wurde auch die grundbuchsrecht­liche Bestimmung der Rangordnung neu adaptiert. Das wird gelöst, indem das Einver­ständnis des Eigentümers zur Anmerkung der Rangordnung in Hinkunft nicht nur mehr im Grundbuch selbst, sondern auch in einer gesonderten Urkunde abgegeben werden kann.

Weiters werden bei dieser Novelle auch andere grundbuchsrechtliche Anliegen zur Lösung gebracht; ich nenne einige davon: Klarstellungen beim Verbesserungsauftrag im Grundbuchsverfahren, Möglichkeiten eines Verzichts auf Zustellung, Ausweitung der Definition gegenstandsloser Eintragungen, weiters Einschränkung der Zuständig­keit des Eisenbahngerichtes, erleichterte Berichtigung von Miteigentumsanteilen im Wohnungseigentumsrecht – und noch verschiedene andere sehr wichtige Dinge, die abgeschlossen wurden.

Bei der Novelle des Gerichtsorganisationsgesetzes geht es unter anderem um die Ein­führung einer Bestimmung zur systematischen Erfassung sicherheitsrelevanter Vorfäl­le. Sozialversicherungsträger werden in den elektronischen Rechtsverkehr miteinbezo­gen. Es wird Vorkehrung für eine bevorstehende technische Umstellung im elektroni­schen Rechtsverkehr geschaffen, die sicherstellt, dass geänderte Zustellungszeitpunk­te im Hinblick auf die durch die Zustellung ausgelösten Fristen nicht zu nachteiligen Folgen für den elektronischen Rechtsverkehr führen. Weiters wird die Regelung zur systematischen Erfassung von Angriffen und Drohungen gegen Organe der Gerichts­barkeit getroffen.

Alles in allem ist das eine gute Sache, und wir stimmen diesen Novellen sehr gerne zu. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Ebner.)

18.43


Präsident Gregor Hammerl: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


18.43.29

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Minister! Geschätztes Präsidium! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist schon sehr vieles über die nun zu beschließenden Gesetze gesagt worden. Das Grundbuch ist natürlich erwähnt worden mit all den Vorzügen, die es nunmehr mit sich bringen soll, nachdem es mittlerweile schon etwas in die Jahre gekommen ist. 30 Jahre ist, glaube ich, doch ein Alter, wo eine Neuerung auch ansteht. Es soll nutzbarer gemacht werden, und der Betrieb soll letztendlich auch Kosten sparen. Wenn es wahr ist, sollen durch die Modernisierung in etwa 80 Prozent der Kosten eingespart werden. Das wäre schon ein beträchtlicher Teil.

Sehr viel Inhaltliches hat ja bereits mein Vorredner erwähnt. Die Anpassungen im Sin­ne einer Verwaltungsvereinfachung durch Einsatz neuer Technologien sind nur zu be­grüßen. Die Neuerungen sollen dabei auch die Erstellung und Übermittlung von Anträ­gen und Entscheidungen im Grundbuchsverfahren erleichtern.

Was den Bereich des Gerichtsorganisationsgesetzes betrifft, steht auch hier eine Än­derung an, die natürlich schon mit sehr großen Diskussionen verbunden war und doch auch relevante Themen beinhaltet beziehungsweise manche Dinge klarstellt, aber manche Bereiche auch wieder aufwirft, wo es wahrscheinlich noch zu großen Diskus­sionen kommen wird. Wir hoffen, dass es mit der Umstellung beziehungsweise hin-


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 158

sichtlich der Einstellungen zu verschiedenen Themenbereichen doch zu Klarstellungen kommen wird.

Einen Punkt möchte ich dabei herausheben, um klarzumachen, worum es letztendlich dabei geht. In diesem einen besonderen Punkt geht es darum, dass der Streitwert von 10 000 auf 25 000 € angehoben wird und dass bei so hohen Beträgen deshalb auch bei den Bezirksgerichten verhandelt werden kann. Das entlastet natürlich die Landes­gerichte, und es kommt hoffentlich zu einer etwas anderen Verteilung der Belastung der Gerichte.

Allerdings ist mit der Streichung von Gerichtstagen und der Einbringungsmöglichkeit sogenannter Protokollarklagen et cetera schon auch ein Schritt dahin gehend unter­nommen worden, dass die Zugänglichkeit zu den Gerichten für manche, die keine so große Mobilität aufweisen, doch um einiges erschwert worden ist. Wir hoffen, dass die­se erschwerte Zugänglichkeit in Zukunft nicht dazu führt, dass ein verschlechterter Zu­gang für die Menschen zu einer positiven gerichtlichen Möglichkeit gegeben ist.

Das heißt, auf der einen Seite: positiv der Zugang, positiv die Entlastung der Justiz. Aber kritisch angemerkt sei letztendlich doch der Zugang – hinsichtlich der Streichung bestimmter Gerichtstage beziehungsweise bestimmter Bereiche dessen, wo die Zu­gänglichkeit notwendig wäre.

Daher ist unser Ansinnen, unser Anliegen, bei der Umsetzung dieser Novelle, dieser Gerichtsvorlage darauf zu achten, dass in der Realität nicht nur der Zugang zum Recht gewahrt bleibt, sondern auch auf den Identitätsbereich geachtet wird. Wir werden aber beiden Novellen die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.47


Präsident Gregor Hammerl: Nächster Redner: Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


18.47.45

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Damen und Herren dieses Hauses! Die öster­reichische Justiz ist weltweit bekannt dafür, dass sie zu den führenden Institutionen im Bereich der Informationstechnologie gehört. Gerade das österreichische Grundbuch ist hier ein Vorzeigeprojekt. Immer wieder kommen aus der ganzen Welt – nicht nur aus den Nachbarländern, sondern auch aus Korea und aus dem amerikanischen Raum – Delegationen zu uns, die sich dieses Grundbuch anschauen, die schauen, wie da in Österreich gearbeitet wird.

Das Grundbuch ist ja auch eine ganz wichtige Sache für die Wirtschaft, das muss man so sagen, da hier in Österreich rasch immer wieder für Rechtssicherheit gesorgt wer­den kann. Ein Vergleich mit Tschechien zeigt: Hier hinken die Nachbarn – was die Be­arbeitungszeit betrifft – der österreichischen Justiz und dem österreichischen Grund­buch wirklich Monate hinterher.

Im Jahr 2008 hat es die Grundbuchs-Novelle gegeben, Frau Bundesminister, und es wurden damals die gesetzlichen Voraussetzungen für die Umstellung der Grundstücks­datenbank auf das Grundbuch neu geschaffen. Und so Gott will – möchte ich sagen –, wird es am 7. Mai den sogenannten Big Bang geben. Es gibt ein paar Dinge, die man jetzt noch anpasst – Kollege Saller hat es schon angesprochen –, zum Beispiel die Rangordnung.

Bislang war es so: Es hat es eine Rangordnung gegeben; es hat einen Originalbe­schluss gegeben, und wer immer auch diesen Beschluss in Händen hatte, konnte so­zusagen diese Rangordnung ausnutzen. Der Nachteil an diesem System war eben, dass es nicht möglich war, diese Rangordnung oder dieses Gesuch dann elektronisch zu übermitteln. Das wird sich ändern, nämlich dahin gehend, dass es jetzt eine Rang-


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ordnung gibt, die auch auf eine namentlich genannte Person ausgestellt werden kann. Das bringt natürlich einen großen Vorteil, weil es Verfahrensvereinfachungen bringt und weil es im Verfahren natürlich auch schneller gehen wird.

Das ist auch schon angesprochen worden. Auch der § 190 Grundbuchsgesetz, wonach künftig die Möglichkeit auf den Verzicht auf die Zustellung von Beschlüssen besteht, stellt eine Vereinfachung dar.

Auf einen Paragraphen, nämlich auf § 83, möchte ich gesondert hinweisen. Da geht es darum, dass Grundbuchsgesuche in der Regel schriftlich einzubringen sind. Nur in ein­fachen Fällen können Gesuche auch zu Protokoll erklärt werden. Das, glaube ich, hat man vor zwei, drei Jahren einmal abgeschafft. Die Möglichkeit hat ja vorher bestanden. Jetzt führt man sie wieder ein. Das ist zwar sehr bürgernah, aber hier möchte ich an­merken, dass eine klare Regelung im Gesetz dahin gehend fehlt, was einfache Ge­suche sind. Es heißt zwar in den Erläuterungen, einfache Fälle seien solche, „bei de­nen der Antragsteller bereits über die notwendigen Urkunden in der gesetzlich vorge­schriebenen Form verfügt und deren Aufnahme zu Protokoll für das Gericht nur mit ei­nem vertretbaren Arbeitsaufwand verbunden ist“.

Ich denke, da wäre es, um künftig Schwierigkeiten besonders im Parteienverkehr zwi­schen Gericht und Bürger zu vermeiden, dringend notwendig, dass man eine taxative Aufzählung vornimmt, damit Klarheit besteht, was zu Protokoll zu nehmen ist, mit wel­chem Anliegen der Bürger zu Gericht kommen kann und womit eben nicht.

Aber grundsätzlich darf man sagen, dass hier alle Weiterentwicklungen zu begrüßen sind, die zu einem verstärkten IT-Einsatz führen, insbesondere dann, wenn dieser Fort­schritt auch zu wesentlichen Verbesserungen im Kontakt mit den Behörden beiträgt.

Das Gleiche gilt auch für die Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes. Wenn hier eine einheitliche Dokumentation von sicherheitsrelevanten Vorfällen geschaffen wird, wenn das also zur Vereinfachung und Klarstellung betreffend den elektronischen Rechtsverkehr führt und wenn die Pflicht zur Teilnahme am ERV erweitert wird, dann ist das zu befürworten, insbesondere auch deshalb, weil diese Maßnahme zu einer Verwaltungsvereinfachung beiträgt und auch Einsparungsmöglichkeiten in sich birgt.

Einen Satz noch zu den Ausführungen meiner Vorrednerin, der Kollegin Kemperle. Du hast die Gerichtstage angesprochen. Hier muss ich schon sagen, ich denke, es ist durchaus vernünftig, wenn man Gerichtstage so, wie sie jetzt bestehen oder bestanden haben – ich glaube, sie sind heute gar nicht Gegenstand dieses Punktes –, die von der Bevölkerung einfach nicht beansprucht werden, abschafft. Wir haben eine Anfrage an die Frau Minister gemacht. In der Beantwortung hat sich herausgestellt, dass es Ge­richte gibt, die 24 Mal im Jahr einen Gerichtstag abhalten, den allerdings nur 17 Perso­nen in Anspruch nehmen. Also dieser Aufwand steht einfach nicht dafür.

Aber noch einmal: Beiden Gesetzesvorschlägen, wie sie hier vorliegen, werden wir zu­stimmen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und ÖVP.)

18.52


Präsident Gregor Hammerl: Ich darf nun Frau Bundesministerin Dr. Karl das Wort er­teilen. – Bitte.

 


18.52.54

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Es geht ja hier um zwei Vorlagen, nämlich die Grundbuchs-Novelle 2012 und die Novelle zum Gerichtsorganisationsgesetz. Und bei beiden Vorlagen ist das Ziel, eine weitere Modernisierung und Digitalisierung der Justiz zum Wohle unserer Kundinnen und Kunden voranzutreiben.


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Österreich ist ja bei der Nutzung von neuen Technologien im Justizbereich tatsächlich führend. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass immer wieder Delegationen nach Österreich kommen, um sich unser sogenanntes E-Justice-System anzusehen, insbe­sondere auch was das Grundbuch betrifft. Also wir haben tatsächlich immer wieder Delegationen aus allen möglichen europäischen Ländern bei uns zu Gast, die sich an­sehen, wie das bei uns funktioniert, und sich auch ansehen, ob sie das bei ihnen viel­leicht auch so umsetzen können.

Auch bei der Umstellung des Elektronischen Grundbuchs auf die Grundstücksdaten­bank neu ist es so, dass dieses Projekt sehr wohl auch auf großes Interesse im inter­nationalen Bereich stößt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die dafür notwen­digen rechtlichen Rahmenbedingungen schon weitgehend durch die Grundbuchs-No­velle 2008 geschaffen wurden, die bereits mit 1. Jänner 2009 in Kraft getreten ist.

Mit dem nunmehr vorliegenden Entwurf für eine Grundbuchs-Novelle 2012 geht es jetzt einfach darum, hier noch den letzten Feinschliff sicherzustellen, damit die Umstellung auf die neue Datenbank auch problemlos erfolgen kann. Bundesrat Brückl hat bereits angesprochen, dass er hofft, dass am 7. Mai tatsächlich der Big Bang stattfindet. Also ich bin zuversichtlich, dass wir mit 7. Mai starten können. Ich weiß, wir haben schon zweimal verschieben müssen, aber es schaut jetzt wirklich sehr gut aus. Die Vorar­beiten laufen sehr gut. Und ich bin zuversichtlich, dass der von Ihnen angesprochene Big Bang auch am 7. Mai stattfinden wird.

Inhaltlich sieht der Entwurf eine Reihe von Neuerungen vor, die den IT-Einsatz bei der Erstellung und Übermittlung von Anträgen und Entscheidungen im Grundbuchsverfah­ren ganz einfach erleichtern sollen. Es wurde bereits auf die Rangordnung hingewie­sen. Ja, die Rangordnung wird derzeit noch in Papierform geführt, das wird sich eben in Zukunft ändern.

Auch dem Antrag auf Eintragung eines Baurechts kann in Zukunft viel rascher stattge­geben werden, wenn der Antragsteller entsprechende behördliche Bestätigungen vor­legt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch noch ganz kurz auf die Än­derungen des Gerichtsorganisationsgesetzes eingehen. Hier geht es vor allem um drei Säulen, die angesprochen sind. Und zwar geht es einerseits um die Schaffung einer Dokumentation sicherheitsrelevanter Vorfälle gegen Organe der Gerichtsbarkeit. Es geht auch um die Einbeziehung der Sozialversicherungsträger in den elektronischen Rechtsverkehr, und drittens geht es um die Änderungen bei den Zustellmodalitäten im elektronischen Rechtsverkehr. Ich möchte nur ganz kurz auf den erstgenannten Punkt eingehen.

Die systematische Erfassung von Angriffen und von ernstzunehmenden Drohungen gegen Organe der Gerichtsbarkeit ist eine Notwendigkeit, der wir durch die Schaffung dieser Dokumentation Rechnung tragen wollen. Leider nimmt nämlich Gewalt gegen Organe der Justiz zu. Allein im Jahr 2011 sind 86 Richter, Staatsanwälte und sonstiges Justizpersonal bedroht worden. Überdies wurden 403 Schuss- sowie 50 352 Hieb- und Stichwaffen bei den Sicherheitskontrollen unserer Gerichte abgenommen. Das heißt, wir versprechen uns natürlich von dieser neu geschaffenen Dokumentation auch, dass wir sehen, wie unsere Sicherheitsvorkehrungen funktionieren, ob es beim Gericht Ver­besserungsbedarf gibt oder ob sie sich wirklich als ausreichend erweisen. Das ist uns immer wichtig. Wir wollen natürlich die Sicherheit aller Personen, die sich an österrei­chischen Gerichten aufhalten, gewährleisten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen, diese beiden Vorlagen enthalten eine Reihe von wichtigen Neuerungen für das Justizsystem, und es freut mich sehr,


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dass beide Vorlagen auf so große Zustimmung stoßen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.57


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend eine Grundbuchs-Novelle 2012.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.58.0820. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafpro­zessordnung 1975 geändert werden (1677 d.B. und 1700 d.B. sowie 8690/BR d.B. und 8710/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte um den Bericht.

 


18.58.26

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Straf­registergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafprozessordnung 1975 ge­ändert werden.

Der Text über die neuen Änderungen des strafrechtlichen Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich kann daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


18.59.28

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch hier gehört allen gedankt, die diese Vorlagen auf Schiene gebracht haben, weil sie besonders wichtig sind und eine Beschleunigung und Verbesserung gerade beim Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen EU-Staaten bewirken.


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Derzeit erfolgt ja der strafrechtliche Informationsaustausch, ob regelmäßig oder auf Er­suchen, somit die Information des Herkunftsstaates über die in einem anderen Mit­gliedstaat erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen eines Verurteilten auf dem Post­wege. Es ist natürlich besonders wichtig, dass sich das gravierend ändert. Durch die Schaffung einer sicheren elektronischen Datenverbindung wird das beschleunigt. Wichtig ist auch, dass Vorstrafen aus einem anderen EU-Staat im Falle einer Verur­teilung in Österreich berücksichtigt werden.

Ein Staat wird in die Lage versetzt, anderen Mitgliedstaaten über entsprechendes Er­suchen vollständige Informationen über das Vorleben des Verurteilten zu übermitteln. Bei einer Verurteilung in einem Staat ist jedoch eine Aufnahme in das nationale Straf­register im Herkunftsland nicht zwingend vorgeschrieben.

Beim Tilgungsgesetz geht es unter anderem um die Vernetzung mit der Exekutive, den Gerichten und Jugendwohlfahrtseinrichtungen. Da ist der Handlungsbedarf besonders groß. Schutz von Kindern vor Gewalt und Missbrauch hat absoluten Vorrang, und dem müssen wir besondere Bedeutung beimessen. Eine Abfrage des Strafregisters, was Gewalttäter betrifft, ist daher eine unbedingte Notwendigkeit.

Bei der Strafprozessordnung gibt es eine Änderung, durch die die Beschlagnahme von Unterlagen entsprechend der neuen Behördenstruktur geregelt und eine Beschleuni­gung des Verfahrens bei Beschlagnahme von Unterlagen erreicht werden soll.

Also es geht etwas vorwärts, es geht rasch. Daher sind diese Vorlagen sehr zu begrü­ßen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.02


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrat Kem­perle. – Bitte.

 


19.02.13

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätzte Damen und Herren! Mein Vorredner hat bereits gesagt, worum es bei diesen Gesetzesvorlagen letztendlich geht. Sehr vieles dazu ist natürlich auch schon zwei Tagesordnungspunkte vorher bei der Behandlung des Themas Computerkriminalität gesagt und erwähnt worden.

Was mich doch dazu veranlasst, zu sagen, dass dies eine positive Regelung ist, ist, dass es hinsichtlich der Beschlagnahme von Unterlagen bei Trägern von Berufsge­heimnissen, zum Beispiel JournalistInnen, ÄrztInnen oder RechtsanwältInnen, eine breite Diskussion gegeben hat und letztendlich doch ein Kompromiss gefunden werden konnte, und zwar dahingehend, dass nach einem Einspruch der Betroffenen nach wie vor das Gericht und nicht, wie ursprünglich in der Vorlage vorgesehen war, der Staats­anwalt über die Sichtung und allfällige Verwendung von Dokumenten befindet, was letztendlich dem ursprünglichen Gedanken Rechnung trägt, dass weiterhin die Gerich­te zuständig sind und nicht die Staatsanwaltschaft.

Zur Computerkriminalität ist bereits erwähnt worden, dass es da doch einige Bereiche gibt, die kritisch angesprochen werden sollten. Auf den hin und wieder lockeren Um­gang mit dem Internet ist auch bereits hingewiesen worden.

Was die neuen Straftatbestände betrifft, glaube ich, dass das doch ein Weg ist, man­che Dinge hintanhalten zu können.

Ich bin nicht unbedingt eine Vertreterin der Arbeitgeber – wer mich kennt, der weiß, dass ich mit diesen doch auch Diskussionen in verschiedenen Bereichen austrage –, aber ich möchte schon darauf hinweisen, dass es bei manchen Dingen sehr hohe Ent­wicklungskosten gibt und dass, wenn das Urheberrecht verletzt wird, dies zu negativen Auswirkungen führt, was letztendlich auch Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zum


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Nachteil gereicht, weil dies unter Umständen Arbeitsplätze kostet beziehungsweise manche Dinge eben nicht mehr zum Tragen kommen.

Was die Novelle zur Strafprozessordnung betrifft, muss ich sagen, dass sie nun den Jugendämtern die Möglichkeit einräumt, bei Vorliegen eines konkreten Verdachtes der Gefährdung des Kindeswohles durch eine bestimmte Person unbeschränkte Auskunft aus dem Strafregister zu bekommen, was begrüßenswert ist. Im Wesentlichen sind die anderen Dinge ja schon erwähnt worden, was zum Beispiel den Online-Zugriff et cete­ra betrifft.

Ich möchte hier auch die Kritik an der Vorratsdatenspeicherung nicht außer Acht las­sen. In manchen Bereichen muss man wirklich darauf achten, dass mit den Daten be­ziehungsweise mit der Verwendung von Daten sorgsam umgegangen wird.

Im Großen und Ganzen können wir aber dieser Gesetzesvorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.05


Präsident Gregor Hammerl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


19.05.58

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um das Bundesge­setz, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafpro­zessordnung 1975 geändert werden.

Für mich stellt sich die Frage: Wer hat denn gegen diese Änderungen etwas einzu­wenden, und warum? Wer hat zum Beispiel etwas gegen die Abänderung des § 9a der Strafregisterauskunft, in welchem es um Sonderauskünfte über Sexualstraftäter geht, einzuwenden oder gegen den § 12, der das Löschen von Strafregisterauskünften re­gelt? – Das sind blind herausgenommene Punkte, die offenbar niemanden stören. Dennoch gab es schon im Nationalrat unverständlichen Widerstand gegen diese durch­aus sinnvollen Abänderungen.

Natürlich, ich habe vergessen zu erwähnen, dass es im Zuge dieser Aufregungen hauptsächlich um die Änderungen der Strafprozessordnung geht. Wieder stellt sich die Frage, warum einzelne Abgeordnete dagegen sind, dass aufgrund dieser Änderungen in der Strafprozessordnung Strafverfahren enorm verkürzt, effektiver und unkomplizier­ter abgehandelt werden können.

Da tauchen plötzlich arge Bedenken auf, dass die Berufsgeheimnisse von Rechtsan­wälten, Ärzten, Priestern, Journalisten und sonst noch jemandem aufgeweicht werden könnten. Das verstehe ich überhaupt nicht.

Darf es denn im Zuge von Erhebungen gegen allfällige Straftäter Geheimnisse geben, die eine Aufklärung von Straftaten verhindern können? – Ich denke nicht. Denn eigent­lich sollte die Überführung von Straftätern immer oberste Priorität haben. All die soge­nannten bedrohten Berufe sind der Wahrheit und der Wahrheitsfindung verpflichtet. Und zur Wahrheitsfindung zählt als enorm wichtiges Detail, dass man nichts ver­schweigen darf.

Wie sinnvoll kann es denn sein, wenn zum Beispiel ein Anwalt weiß, dass sein Man­dant oder seine Mandantin einen Mord begangen hat und der Anwalt sein Wissen hinter dem Berufsgeheimnis versteckt, weil er so vielleicht einen Freispruch erreichen kann? Was hat denn in solch einem Fall die höhere Priorität: ein sinnloses Berufs­ethos, das einen Mörder schützt und diesem zur Freiheit verhilft, oder die Wegsperrung eines Mörders?


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Apropos Ethos. Dieses griechische Wort wird ja übersetzt mit den Begriffen Gewohn­heit, Brauch oder Sitte. Dazu kann ich nur betonen, dass der missbräuchliche Einsatz von Ethos als Synonym für Sitte als absolut sittenwidrig zu bezeichnen ist.

Natürlich pocht jeder Berufsstand auf seine Standesehre, aber darf eine Standesehre die Justiz behindern? Und ist diese Standesehre dann noch ehrenhaft? – Ich denke nicht.

Wenn man diese Veränderungen in der Strafprozessordnung richtig zu lesen versteht, versteht man ja auch, dass es ja nur in besonders schweren und prekären Fällen um die schnelle, problemlose Öffnung und Einsicht von Akten und sonstigem Wissens­werten geht.

Aber so mancher Abgeordnete im Nationalrat hat offenbar große Probleme mit dem Verstehen absoluter Notwendigkeiten. Es geht ja hier nicht um die Aufdeckung von Eierdiebereien oder um einen Einbruch in die Kassa eines Sonntagszeitungsständers, sondern es geht dabei um Fälle und Sachlagen von oft nationaler Bedeutung. Wie schnell und lückenlos hätte man einen Fall BAWAG aufklären und abschließen kön­nen, hätte man in sämtliche Akten und Unterlagen von Banken im In- und Ausland un­gehinderten Einblick gehabt (Beifall bei der FPÖ) und hätten Spitzenanwälte nicht ge­mauert bis zum Gehtnichtmehr?!

Ist das wirklich immer wünschenswert? Es stehen noch viele ganz schlimme Malver­sationen an, die dringend einer Aufklärung bedürfen. Sollen die alle wieder auf ähnli­che Weise wie der BAWAG-Prozess und viele andere noch ausstehende behindert werden, und zwar durch diverse Verschleierungstaktiken, durch nicht auffindbare Akten und Unterlagen oder durch dubiose Kunstgriffe der Anwälte? Sollen sie alle wieder da­vonkommen, diese Pouillys und Grassers dieser Welt? – Nein, da muss ein Riegel vor­geschoben werden!

Um solchen Missverhältnissen sinnvoll gegenübertreten zu können, gibt es diese Ab­änderungen in der Strafprozessordnung. Nach meinem persönlichen Dafürhalten ist das noch viel zu wenig. Es sollte noch direktere, zielführendere Maßnahmen geben, um den sogenannten großen Verbrechern schnellstens auf die Spur zu kommen, denn es leiden meist nicht nur die direkt betroffenen Opfer an der schleppenden Führung von Untersuchungen an meist kapitalkräftigen Straftaten, sondern sehr häufig leidet das Volksvermögen an diesen mangelhaften Möglichkeiten der Strafverfolgung.

Das organisierte Verbrechen, das speziell in monetären Bereichen stark vertreten ist, wird durch schwache Gesetze effektiv begünstigt gegenüber den Strafverfolgungsbe­hörden. Und nicht anders ist es bei Fällen von Korruption, egal, ob in der Privatwirt­schaft oder in politischen Kreisen. Diese Täter sind nach wie vor ganz schwer zu fas­sen und zu überführen.

Und dann haben wir eine Justizministerin, die endlich den Mut dazu hat, Gesetze zu­gunsten der Gerichte und Staatsanwälte zu ändern, und schon schreien diverse Abge­ordnete laut dagegen auf. (Ruf bei der SPÖ: Wer denn?)

Niemand will den hier  (Ruf bei der SPÖ: Niemand!) Niemand will den hier angespro­chenen Berufsgruppen ihr Recht auf das Berufsethos beschneiden oder es ihnen gar absprechen. Mimositäten sind im Kampf gegen Großverbrechen und Korruption aber wohl fehl am Platz, denn es sollte ja wohl auch im Interesse dieser Menschen, die in diesen Berufen tätig sind, selbst liegen, dass derartigen Verbrechen und Malversa­tionen schnellstens Einhalt geboten wird.

Sind diese Menschen nicht oft genug auch selbst Opfer eben dieser Verbrecherorgani­sationen? Und dennoch versuchen sie (Ruf bei der SPÖ: Wer ist „sie“!), diese noch zu schützen mittels ihres Berufsethos – schützen vor einer oft dringend notwendigen


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Strafverfolgung, die hauptsächlich darum bemüht ist, die Weiterführung oder die Wie­derbegehung der begangenen Verbrechen zu verhindern, und das unter dem Deck­mäntelchen eines gesetzlich nicht existenten Berufsethos.

Das kann nicht richtig sein! Und so empfinden es auch unsere Bürger, die für all das, was da alles falsch läuft, schwer arbeiten müssen, damit es finanziert werden kann. Eher sollte man dringend die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Verschwiegen­heitspflicht überdenken und diese in eine gesunde Relation von Prioritäten stellen.

Aber diversen Abgeordneten ist das alles einfach egal. Es ist ihnen egal, wie es dem Bürger dabei geht, wie zum Beispiel dem Abgeordneten zum Nationalrat Gerald Grosz, welcher in seiner turbulenten Rede im Parlament klar und deutlich zum Ausdruck brachte, dass er gerne die Untersuchungsrichter wieder in Amt und Würden sehen würde. Das wäre natürlich wieder ein Faktum, das die Ablauflänge von Verfahren an­heben würde und sicher wieder ins Geld ginge, das der Bürger dann aufbringen müss­te. (Ruf bei der SPÖ: Zur Sache!) Untersuchungsrichter sind seit 2007 ad acta gelegt – und das sollte auch so bleiben!

Und was, bitte, gibt es denn, das man den Staatsanwälten oder Staatsanwältinnen vor­werfen will? – Dass sie von Arbeit erdrückt werden oder dass sie bemüht sind, schnel­ler und unkomplizierter an Informationen zu kommen, welche die Verfahren beschleu­nigen?

Die Staatsanwaltschaften machen einen guten Job. Und dass sie dabei nun durch die gegenständlichen Änderungen in der Strafprozessordnung unterstützt werden sollten, ist nur zu begrüßen.

Wir stimmen dieser Gesetzesänderung demnach rückhaltlos zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.15


Präsident Gregor Hammerl: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


19.16.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich würde ja jetzt gerne auf meinen Vorredner eingehen (Zwischenrufe), aber ich muss ehrlich gestehen: Ich habe den Punkt nicht verstanden! Ich habe wirklich nicht ver­standen, worum es jetzt gerade gegangen ist. Also ich rede jetzt über das, worüber zu reden ich mir vorgenommen habe, wenn das in Ordnung ist.

Die Genese dieses Gesetzes ist ja das wahre Interessante; das wissen Sie auch. Und ich werde jetzt etwas tun, etwas Unerfreuliches für Sie, Frau Ministerin, ich werde Sie jetzt kritisieren, und dann mache ich etwas Tolles, ich werde Sie loben, wenn es Ihnen recht ist.

Die Genese dieses Gesetzes – und wir alle können uns an den großen Aufschrei der Journalisten und Journalistinnen und der Anwälte und Anwältinnen erinnern, dass ihr Berufsgeheimnis plötzlich nicht mehr gewahrt wäre –, also die Vorgangsweise, wie die­ses Gesetz zustande kam, war tatsächlich sehr problematisch.

Es war so: Dieses Gesetz war bereits in Begutachtung, es gab Stellungnahmen. Dann war die Begutachtungsfrist zu Ende. Und dann wurde am Gesetz etwas verändert. Plötzlich war tatsächlich das Berufsgeheimnis von Anwälten und Anwältinnen und Journalisten und Journalistinnen ausgehebelt. Aber sie hatten überhaupt nicht mehr die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben.

So macht man nicht Gesetze! Jetzt weiß ich nicht: War es ein Versehen? War es feh­lende Sensibilität? War es einfach ein technischer Fehler? Was auch immer, ich weiß es nicht.


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Aber – und jetzt kommt das Lob – Sie, Frau Ministerin, haben verstanden, dass da et­was schiefgegangen ist. Es gab dann ein Treffen – ein sehr konstruktives, wie mir mei­ne Kollegen gesagt haben – zwischen allen Fraktionen – allerdings nicht mit dem BZÖ! Sie haben ja gerade den Kollegen Grosz genannt, der war nicht dabei. Warum sich das BZÖ aus der demokratischen Debatte herausnimmt, das muss das BZÖ erklären. Aber die sitzen ja eh nicht hier.

Und dann wurde eine Lösung gefunden, und zwar gilt wieder die alte Regelung mit ei­nigen Änderungen. Und der Sturm hat sich dann sozusagen sehr bald wieder gelegt.

Für diese Kooperation, Frau Ministerin, möchten wir uns bedanken!

Es haben sich viele Menschen aufgeregt, darunter waren auch die Grünen. Wir haben uns zusammengesetzt, und wir haben etwas erreicht. Und jetzt stimmen wir dem Gan­zen einfach mal zu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.18


Präsident Gregor Hammerl: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Dr. Karl. – Bitte.

 


19.18.52

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Bei diesem Tagesordnungspunkt möchte ich auch hier im Bundesrat darauf hinweisen, dass ich angetreten bin, um sachorientierte Justizpolitik zu machen, und das bedeutet für mich, Justizpolitik zu machen, die sich auch der öffentlichen Diskussion stellt und die damit natürlich auch offen für Kritik ist.

Als überzeugte Demokratin bin ich der Meinung, dass das Hohe Haus, also der Natio­nalrat und der Bundesrat, der Ort der Auseinandersetzung und der eingehenden Dis­kussion von Legislativvorschlägen sein soll, ja in Wahrheit sein muss. Ich scheue mich daher auch nicht, Ideen und Kritik in diesem legislativen Entscheidungsprozess aufzu­greifen und in meine Vorlagen auch einzubauen, vor allem dann, wenn wir, so wie in diesem Fall – ich komme dann noch darauf zu sprechen –, sehen, dass wir dann zu ei­nem noch besseren Ergebnis kommen können, das wir gemeinsam erzielen können.

Aber ich möchte, bevor ich auf die Änderungen der Strafprozessordnung zu sprechen komme, auf einige andere Änderungen dieser Vorlage eingehen, weil nämlich Folgen­des interessant war: In der öffentlichen Diskussion hat sich alles auf diese Änderung der Strafprozessordnung fokussiert, und das ist eigentlich ja nur ein Detailbereich bei all diesen Vorlagen, um die es hier geht. Es geht nämlich in Wirklichkeit noch um viele andere Punkte, die mir auch sehr wichtig sind und die ich deshalb voranstellen möchte, weil sie in der öffentlichen Diskussion leider immer untergegangen sind, was aber nichts mit mangelnden Bedeutung zu tun hat.

Wichtig erscheint mir nämlich, auch angesichts der Reise- und Bewegungsfreiheit in­nerhalb der europäischen Mitgliedstaaten, die Beschleunigung und die Verbesserung des Austausches von Informationen aus dem Strafregister. Auch das ist Teil dieser Vorlage. Es geht ganz einfach darum, Informationen aus dem Strafregister zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu beschleunigen und auch zu verbessern.

Da geht es etwa darum, ob verhindert werden soll, dass die Vorstrafen aus einem an­deren EU-Mitgliedstaat bei einer Verurteilung in Österreich unberücksichtigt bleiben. Das soll eben in Zukunft nicht mehr der Fall sein. Deswegen brauchen wir einfach Ver­besserungen beim Informationsfluss, beim Austausch von Informationen aus dem Straf­register zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten.

Auch sind in Hinkunft im EU-Ausland im Zusammenhang mit Verurteilungen wegen Se­xualstraftaten an einer minderjährigen Person ausgesprochene Tätigkeitsverbote in das Strafregister einzutragen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 167

Im Sinne meiner Politik, zum Schutz von Kindern vor Gewalt und sexuellem Miss­brauch vorhandene Gesetzeslücken zu schließen, soll den Jugendwohlfahrtsträgern auch eine unbeschränkte Abfrage des Strafregisters über einen potenziellen Gewalttä­ter ermöglicht werden, um den konkreten Verdacht einer Kindeswohlgefährdung bes­ser prüfen und entsetzliche Fälle von Kindesmissbrauch wirklich hintanhalten zu kön­nen und vor allem verhindern zu können. Denken Sie etwa an den Fall Cain! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Damit wird auch einer Forderung der Landeshauptleutekonferenz entsprochen.

Darüber hinaus sollen Jugendwohlfahrtsträger auch zur Beurteilung der Eignung von Pflege- und Adoptiveltern die Möglichkeit haben, Auskünfte aus der Sexualstraftäterda­tei zu erlangen.

Nun komme ich zum Punkt der Kritik, zu dem Punkt, der für Aufregung und für heftige Diskussionen gesorgt hat. Es haben eben die Erfahrungen in Wirtschaftsstraffällen gezeigt, dass die lange Verfahrensdauer auch von der Dauer der Entscheidung, ob in bestimmte Unterlagen Einsicht genommen werden darf oder nicht, abhängt. Und es wird ja immer wieder die Kritik – die durchaus berechtigte Kritik – an mich herangetra­gen, dass manche Verfahren einfach zu lange dauern. Da wird natürlich die Bevölke­rung ungeduldig. Ich verstehe diese Ungeduld. Und ich sehe es auch als meine Ver­pflichtung an, dafür zu sorgen, dass es bei solchen Verfahren einfach schneller geht.

Da habe ich folgende zwei Möglichkeiten:

Erstens: mehr Personal. – Das ist natürlich in Zeiten wie diesen, wo wir ein Konsolidie­rungspaket schnüren, schwierig. Ich konnte ja durchsetzen, dass Richter und Staatsan­wälte vom Aufnahmestopp ausgenommen sind, aber zusätzliches Personal wird es in Zeiten wie diesen schwerer geben.

Das heißt, die zweite Variante, die ich dann zur Verfügung habe, ist, im Verfahren für Vereinfachungen zu sorgen, dafür zu sorgen, dass es im Verfahren schneller geht, also wirklich bei den Verfahrensabläufen anzusetzen.

Und das war eben ein Versuch, wirklich bei den Verfahrensabläufen anzusetzen. Wir haben einfach nach Maßnahmen gesucht, das Verfahren aufgrund eines Widerspruchs des Betroffenen gegen eine Sicherstellung von Unterlagen ohne Verlust von Rechts­staatlichkeit zu vereinfachen und zu beschleunigen, ohne Rechtsschutzpositionen zu gefährden.

Das hat, wie gesagt, zu Aufregungen geführt, auch was den Gesetzgebungsprozess betrifft. Das hat ja auch Herr Bundesrat Schreuder angesprochen. Herr Bundesrat, Sie haben gesagt, dass es zuerst eine Begutachtung gegeben hat, dass dann eben die Regierungsvorlage erstellt wurde und dass es dann keine Möglichkeit mehr für weitere Stellungnahmen gab.

Ja, es war tatsächlich so: Es war ein normales Begutachtungsverfahren. Es sind Stel­lungnahmen eingegangen. Stellungnahmen wurden eingearbeitet. In einer Stellung­nahme wurde eben diese Änderung dieser Strafprozessbestimmung kritisiert. Wir ha­ben daraufhin diese Bestimmung noch einmal angeschaut, haben dann in dieser Be­stimmung Änderungen vorgenommen, um das Verfahren zu beschleunigen. Und dann kam es eben zu dieser Kritik, wobei man schon sagen muss: Ja, es gab keine Möglich­keit mehr für Stellungnahmen, aber wir befanden uns noch mitten im parlamentari­schen Procedere. Und ich verstehe das parlamentarische Procedere, auch als ehema­lige Nationalratsabgeordnete, schon so, dass hier noch Änderungen möglich sind und dass sich natürlich auch die Abgeordneten noch einbringen sollen. Und das geschieht auch im Justizausschuss. (Bundesrat Mag. Klug: Ja!)

Wir haben im Justizausschuss des Nationalrates immer sehr viele Änderungen, sehr viele Abänderungsanträge, die noch eingebracht werden. Und ich finde das völlig in


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Ordnung. Und so soll es ja sein! Das ist für mich ein parlamentarisches Gesetzge­bungsverfahren. (Bundesrat Mag. Klug: Ja!) Es sollen sich ja Leute noch einbringen können. Und genau das hat hier auch stattgefunden!

Wir haben auch auf die Kritik reagiert, haben auch Experten beigezogen und haben dann mithilfe der Experten, auch gemeinsam mit fast allen Justizsprechern – es wurde schon gesagt, dass sich der Justizsprecher des BZÖ diesem Gespräch verweigert hat; also es waren vier Justizsprecher und Experten anwesend –, ausgehend davon eine meines Erachtens wirklich sehr gute Lösung gefunden.

Nämlich: Einerseits wurde an der Trennung zwischen der Verfahrensführung durch die Staatsanwaltschaft und der Kontrolle durch das Gericht festgehalten, aber trotzdem ist es gelungen, das Verfahren zur Sichtung sichergestellter Unterlagen klarer und trans­parenter zu gestalten. Letztendlich soll eben das Berufsgeheimnis jener Berufsgrup­pen, deren Aussageverweigerungsrecht schon derzeit durch ein mit Nichtigkeit bedroh­tes Umgehungsverbot anerkannt ist, wirklich umfänglich geschützt werden. Und das ist durch die gefundene Lösung geglückt.

Ich möchte eines noch sagen, weil Sie, Herr Bundesrat Schreuder, gemeint haben, die alte Regelung gelte wieder: Nein, Gott sei Dank nicht, wir haben die alte Regelung verbessert! (Bundesrat Schreuder: Ja!) Wir haben nämlich wirklich Klarstellungen vorgenommen. Es war die alte Regelung in Wirklichkeit ein bisschen rudimentär. Es war nicht klar gesetzlich geregelt, dass auch der Betroffene bei der Sichtung anwesend sein soll. Es war in der Praxis meistens so. In der Praxis waren bei der Sichtung durch den Richter in der Regel der Staatsanwalt und der Betroffene anwesend – wie gesagt, ohne klare gesetzliche Regelung. Das ist jetzt klar gesetzlich geregelt.

Also wir haben es wirklich geschafft, eine noch bessere Lösung zu finden. Und das ist das Ergebnis eines gemeinsamen Einsatzes aller. Dafür möchte ich mich noch einmal bei allen bedanken, die daran beteiligt waren.

Wie gesagt, es ist wirklich gelungen, eine gute Lösung vorzulegen. Und dafür danke ich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.26


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.26.4121. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises beim Verkauf und bei der In-Bestand-Gabe von Gebäuden und Nutzungsobjekten (Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 – EAVG 2012) (1650 d.B. und 1701 d.B. sowie 8711/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. – Ich bitte um den Bericht.

 


19.27.02

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz über die Pflicht zur Vorlage eines Energie-


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ausweises beim Verkauf und bei der In-Bestand-Gabe von Gebäuden und Nutzungs­objekten (Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012 – EAVG 2012).

Da der Text über die zwingenden Richtlinienvorgaben zum neuen Energieausweis-Vor­lage-Gesetz in schriftlicher Form vorliegt, komme ich sogleich zum Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


19.28.00

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Wer­te Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder dieses Bundesra­tes! Frau Minister, es wird Sie nicht verwundern, dass wir hier im Bundesrat – genauso wie bereits im Nationalrat – diesem Gesetz nicht zustimmen werden, und das aus gu­ten Gründen.

Wir sind der Meinung, dass die Regierung, die hier eine Vorgabe der Europäischen Union umsetzt, einfach überschießend reagiert. Und in dieser Kritik geben uns auch einige Stellungnahmen, die im Zuge der Begutachtung eingelangt sind, recht. So zum Beispiel der Rechtsanwaltskammertag, der sagt, hier werde über gemeinschaftsrechtli­che Vorgaben hinausgeschossen.

Warum? Was ist der Hintergrund? – Derzeit ist es so – es gibt ja ein Gesetz –, dass Liegenschaftsbesitzer, Haus- und Wohnungseigentümer sich einen sogenannten Ener­gieausweis, ein Gutachten über die Energieeffizienz ihrer Liegenschaft erstellen lassen können.

Wenn man so etwas hat, dann wird das im Zuge des Kaufvertrages oder des Mietver­trages an den Käufer oder an den Mieter übergeben, und dann gilt das als Grundlage des Vertrages. Und der Gutachter haftet dann für das, was da drinsteht.

Wenn es so etwas aber nicht gibt, dann ist es derzeit so, dass einfach eine der Art und der Bauweise des Objekts entsprechende Energieeffizienz als vereinbart gilt, und der Verkäufer haftet dafür. Das ist eine klare Regelung. So sehen wir das!

Wenn ich also als Liegenschaftseigentümer die Sicherheit haben möchte, dass ein Gutachter, ein Ausweisersteller dafür haftet, dann werde ich mir solch ein Gutachten besorgen, und wenn ich das nicht will, weil ich zum Beispiel der Meinung bin, dass die Liegenschaft durchaus dem Stand der Technik oder dem Stand der Bauweise ent­spricht, dann werde ich das nicht tun.

Die neue Regelung besagt jetzt, ich muss unbedingt ein solches Gutachten, einen Energieausweis erstellen lassen und ich muss für den Fall, dass ich das nicht tue, eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 1 420 € bezahlen. Und da verstehe ich, geschätzte Damen und Herren, den Sinn nicht wirklich.

Noch unverständlicher wird es, wenn man sich das Vorblatt zu diesem Gesetz an­schaut. Dort steht:

„Der Entwurf enthält im Vergleich zur bisherigen Rechtslage keine substanziellen neu­en Informationspflichten. Soweit er – in Umsetzung der zwingenden Anordnungen der Richtlinie – solche Pflichten auferlegt, hatte bereits die frühere Gebäuderichtlinie gleich­artige Informationspflichten vorgesehen.“


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Also frage ich mich: Warum das dann?

Wenn man weiterliest:

„Finanzielle Auswirkungen

Die öffentlichen Haushalte werden durch das Vorhaben nicht belastet. Auch ist daraus keine Mehrbelastung der Gerichte zu erwarten.“

Natürlich werden die privaten und die öffentlichen Haushalte da belastet, denn wer bezahlt denn die Gutachter? Die arbeiten ja nicht umsonst, zumindest nicht gratis. Wer zahlt die Verteuerung der Immobilieninserate, die dadurch entsteht, dass ich diese Kennzahl im Inserat anführen muss und damit eine Verteuerung erreiche?

Nicht nur, dass damit diese Zeitungsannoncen unübersichtlicher werden, das kommt ja dazu, denn da steht dann drinnen: Verkaufe Haus, Energiewerte so und so. – Kein Mensch kann mit diesen Zahlen in Wirklichkeit etwas anfangen! (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Das wurde uns im Ausschuss von Professor Dr. Stabentheiner auch bestätigt, der ge­meint hat, Kennzahlen wie der Gesamtenergieeffizienzfaktor müssen erst in das Be­wusstsein der Bevölkerung eindringen.

Mit diesen Dingen kann also kein Mensch etwas anfangen. Ich stelle mir das ja ganz gut vor: Hier gibt es die Zeitung, eine Seite Immobilieninserate, und dann beginnst du zu lesen und wirst nur Kennzahlen finden, und kein Mensch kann mit diesen Zahlen et­was anfangen.

Geschätzte Damen und Herren! Wer meint – und das meinen manche –, dass man mit diesem Gesetz Arbeitsplätze schaffen oder sichern kann, der irrt, genauso wie jene ir­ren, die glauben, dass jetzt Wohnungs- und Liegenschaftseigentümer in Massen begin­nen werden, ihre Häuser, ihre Liegenschaften zu sanieren.

Wenn wir wollen, dass die Bevölkerung auf diesem Gebiet sensibler wird, was also Energiesparmaßnahmen und so weiter betrifft, ist das aus unserer Sicht der falsche Ansatz. Es wird ja das Objekt durch diesen Energieausweis nicht besser. Es hat ja überhaupt keine Auswirkung auf den Bauzustand, ob ich dieses Gutachten habe oder nicht.

Es ist völlig egal, was in diesem Energieausweis steht. Wenn drinsteht, dass meine Liegenschaft, dass mein Objekt einen ungeheuer hohen Energieverbrauch aufweist, und ich das dann dem Käufer übergebe, dann weiß der das dann. Das ist im Grunde genommen alles. Und wenn drinsteht, dass der Verbrauch gering ist, dann hat er halt Glück gehabt.

Dieses Gesetz ist wirklich nichts, das dazu führt, dass der Umweltschutz verbessert wird, sondern das ist aus unserer Sicht eine weitere Bevormundung der Bürger. Es werden Kosten verursacht. Den Bürgern entstehen Belastungen, weil jetzt jeder dieses Gutachten machen muss und allenfalls sogar mit Strafe rechnen muss.

Wir empfinden das als eine Überregulierung und eine Bevormundung, die sicherlich nicht im Sinne der Politik, im Sinne des Gesetzgebers sein kann. Daher können und werden wir hier auch nicht zustimmen, weil es, wie gesagt, eine Mehrbelastung für die Bürger und gleichzeitig auch eine Steigerung des ohnehin schon hohen Verwaltungs- und Bürokratieaufwandes in unserem Land bedeutet. (Beifall bei der FPÖ.)

19.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 171

19.33.46

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Damen und Herren! Wir behandeln jetzt die Gesetzes­vorlage, die sich mit dem Energieausweis oder der Verpflichtung der Vorlage eines Energieausweises beschäftigt. Wir haben ein ähnliches Gesetz schon seit 2006. Es be­steht in Zukunft die Verpflichtung, bei der Weitergabe von Gebäuden diesen Energie­ausweis mitzugeben.

Ich glaube, es ist eine gute Information über ein Gebäude, mit welchem Wärmewert der neue Eigentümer zu rechnen hat, weil der Wärmewert letztlich auch über den Ener­gieverbrauch eine Aussage trifft und damit auch der Wert des Gebäudes einen ent­sprechenden Maßstab erhält. Bei steigenden Energiepreisen ist wahrscheinlich auch der Energieverbrauch eines Gebäudes von Bedeutung.

Ich glaube trotzdem, Herr Kollege Brückl, dass damit ein Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz geleistet wird, wenn dem neuen Eigentümer bewusst ist, in welchem Umfang er mit Heizkosten rechnen muss, und damit auch ein wesentlicher Beitrag da­zu geleistet werden kann, die Klimaziele zu erreichen.

Gegenüber neuen Maßnahmen gibt es immer Vorurteile, das ist bekannt. Denken wir ein bisschen zurück! Wir haben seit 1969 die §-57-Überprüfung, das sogenannte Pi­ckerl beim Auto. Damals war es auch unverständlich, dass man mit seinem Auto zu einer Überprüfung fahren muss, weil man meinte: Das Auto ist ja eh in Ordnung, das weiß ich doch, das weiß mein Mechaniker, das reicht, da braucht es keine behördliche Überprüfung! Heute wissen wir, dass es gut ist, dass der technische Zustand eines Fahrzeuges laufend kontrolliert wird. Wir kennen anderes von Fahrzeugen aus ande­ren Staaten, die bei uns unterwegs sind. Mit solchen Fahrzeugen wollten wir auf unse­ren Straßen allein schon wegen der Verkehrssicherheit nicht unterwegs sein.

Wir sind auch froh darüber, dass hier die Prüfung der Abgaswerte durchgeführt wird, obwohl wir mit der Kennzahl auch nicht wirklich etwas anfangen können, Herr Kollege, aber wir wissen, ob das Auto gute oder schlechte Abgaswerte hat.

Ich glaube, solch ein „Gebäudepickerl“ kann auch ein Beitrag dazu sein, Energieeffi­zienz und Gebäudewert entsprechend zu bewerten. Daher stimmen wir dieser Geset­zesvorlage zu. (Beifall bei der ÖVP.)

19.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


19.36.23

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Vorlage eines Ener­gieausweises bei Verkauf oder Vermietung eines Objektes ist ja nichts Neues, diese Bestimmung gibt es schon seit geraumer Zeit und ist auch verpflichtend, jedoch hat es bis heute keine Konsequenzen gegeben, wenn der Energieausweis nicht vorgelegt wurde. Die Praxis hat aber gezeigt, dass bei Fehlen dieses Energieausweises automa­tisch vereinbart wurde, dass eine dem Baujahr gemäße entsprechende Energieeffi­zienz vorzuliegen hat.

Theoretisch hätte auch ein Käufer klagen können, falls sich im Nachhinein herausge­stellt hätte, dass eine schlechtere Energieeffizienz vorliegt. Um aber einer Klage zu entgehen, haben beide Seiten, sowohl Käufer als auch Verkäufer, auf die Erstellung ei­nes Energieausweises verzichtet.

Durch die neue Richtlinie sollen die schon bisher vorgesehenen Mechanismen zur eu­ropaweiten Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ausgebaut und auch verfeinert werden.


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Neu in diesem Gesetz ist vor allem die Anzeigepflicht in den Druckwerken und in den elektronischen Medien, wobei dies auch für Immobilienmakler Gültigkeit hat. Das heißt, wird ein Gebäude in den Medien angeboten, so ist in der Anzeige der Heizwärmebe­darf beziehungsweise der Gesamtenergieeffizienzfaktor anzugeben. Diese Pflicht gilt sowohl für den Verkäufer als auch für den von ihm beauftragten Immobilienmakler.

Nach diesem neuen Gesetz wird es aber auch die Möglichkeit geben, dass, wenn für das betreffende Gebäude ein alter Energieausweis vorliegt, dieser für die Dauer von zwölf Jahren ab Erstellung gültig ist.

Kollege Preineder hat es schon erwähnt: Der Energieausweis ist für ein Haus so etwas wie eine Art Typenschein für ein Kraftfahrzeug, denn in beiden werden die Konstruk­tion, Bauweise, vorgesehene Nutzung und der Energiebedarf bei definierter Betriebs­weise, der Normalverbrauch beschrieben.

Wird zum Beispiel ein Einfamilienwohnhaus verkauft, so kann der Verkäufer seine Verpflichtung durch die Vorlage und Aushändigung dieses Ausweises entweder über die Gesamtenergieeffizienz beziehungsweise auf der Grundlage der Bewertung eines vergleichbaren Gebäudes von ähnlicher Gestaltung und Größe erfüllen.

Neu ist im Energieausweis-Vorlage-Gesetz auch der einheitliche bundesgesetzliche Ausnahmekatalog, damit es keine unterschiedlichen landesgesetzlichen Interpretationen beziehungsweise Ausnahmen mehr geben kann.

Neu ist auch, dass, wenn man als Mieter oder Käufer keinen Ausweis ausgehändigt bekommt, in Zukunft entweder diesen gerichtlich einklagen kann oder diesen selbst er­stellen lassen kann und die Kosten dafür dem Verkäufer verrechnen darf.

Es gibt ja den Energieausweis auch bei Gewährung von Wohnbauförderungsdarlehen beziehungsweise Althaussanierungsdarlehen. Da wird dann die Höhe der Förderung auch nach Punkten bestimmt. Ich denke, das ist ein sehr guter Weg, damit man auch im Sanierungsbereich großen Wert auf Energieeffizienz legt. Zumindest bei uns in Nie­derösterreich wird diesbezüglich ein Punkteverfahren angewendet.

Meine Partei, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird diesem Energieausweis-Vorlage-Gesetz zustimmen, denn Energiesparen, in welcher Form auch immer, ge­winnt nicht nur allein wegen des Umweltschutzes an Bedeutung. Auch in diesem Sinne ist der Energieausweis bei Immobilien ein wichtiges und überaus zweckmäßiges Instru­ment, die Energieeffizienz eines Gebäudes klar darzulegen.

Die Kosten von zirka 400 € stellen sicherlich einen etwas bitteren Beigeschmack dar, jedoch wird, denke ich, der Käufer davon profitieren, der Verkäufer wird vielleicht einen kleineren Nachteil dadurch haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zu hoffen, dass aufgrund der Vorlage des Energieausweises bei Vertragsabschlüssen in Zukunft auf die Sanierung der ein­zelnen Objekte im thermischen Bereich Wert gelegt wird beziehungsweise diese noch effizienter erfolgt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

19.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.41.09

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es kurz. – Ja, wir werden natürlich auch diesem neuen Energieausweis-Vorlage-Gesetz zustim­men. Es steht ja schon im Ausschussbericht des Nationalrates, dass damit offenkundi­ge Schwachstellen des bisherigen Rechts in diesem Bereich beseitigt werden sollen.


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Und so sehe ich das auch. Ich bin nicht der Meinung, dass es hilfreich ist, wenn man möglichst viele Ausnahmen normiert, damit keiner diesen Energieausweis dann wirk­lich kaufen muss. Und es war natürlich in der Regel dann schon so, dass man gesagt hat: Okay, brauchst du einen oder brauchst du keinen? Wenn du ihn nicht brauchst, dann zahlst du ein bisschen weniger! – Also da ist schon einiges herumgeschummelt worden, und das ist einfach nicht sinnvoll.

Ich möchte aber schon auch Folgendes dazu sagen: Der Energieausweis an sich ist es ja noch nicht, der die Effizienz steigert. Es braucht dann schon auch noch ein paar Hilfsmittel. Und es ist bereits im Nationalrat angesprochen worden, dies muss natürlich auch im Mietrechtsgesetz eine Umsetzung finden, das muss irgendwo bei der Mietzins­festlegung mitspielen, denn sonst hat der Vermieter ja kein Interesse daran, wirklich Ef­fizienzmaßnahmen zu setzen.

Ich würde Sie bitten, dass Sie dies wirklich mitnehmen und daran arbeiten, weil ich glaube, gerade beim Mietrechtsgesetz ist eine Novelle möglicherweise ohnehin ange­sagt.

Nun noch ein zweiter Punkt, der da auch ein bisschen dazupasst: Es geht einerseits um Energieeffizienz, auf der anderen Seite um erneuerbare Energien. Ich wohne in einer Eigentumsgemeinschaft, und es ist einfach schwierig, etwas weiterzubringen, wenn man immer eine größere Zahl von Menschen fragen muss, ob man jetzt sanieren darf, ob man eine Solaranlage anbringen darf, ob man einen Fernwärmeanschluss, und, und, und machen kann.

Ich denke, auch da wäre es schön, wenn Sie sich Gedanken machen würden, ob man das nicht irgendwann einmal wegbringen könnte, denn die Förderung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz sind im Wohnbau einfach ein Gebot der Stunde. Und das muss man gesetzlich auch in diesem Bereich weitertreiben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminis­terin Dr. Karl. – Bitte.

 


19.43.18

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Es wurde ja bereits darauf hingewiesen, dass es bei dieser Vorlage um die Umsetzung einer EU-Richtlinie geht, nämlich um die Um­setzung der Gebäuderichtlinie 2010.

Ziel dieser Richtlinie ist ja vor allem, den Energieverbrauch im Gebäudesektor zu sen­ken und durch verstärkten Einsatz von erneuerbarer Energie die Energieabhängigkeit der Union zu verringern und die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die bestehen­den Instrumentarien sollen ganz einfach verfeinert und ausgeweitet werden, um das Regulativ, das ja schon besteht, noch effektiver zu gestalten.

Die Regeln über die Erstellung, die Vorlage und den Aushang des Energieausweises sind im Wesentlichen gleich geblieben, im Einzelnen sind sie aber modifiziert und ver­bessert worden. Im Vergleich zum geltenden Recht enthält der Entwurf als eine der wichtigsten Neuerungen eine spezielle Informationspflicht bei der Schaltung von Im­mobilieninseraten, ob das jetzt in Zeitungen oder auf elektronischem Wege ist, wobei zwei wichtige Energiekennwerte anzugeben sind: der Heizwärmebedarf und der Ge­samtenergieeffizienzfaktor.

Die Bestimmungen über die Ausnahmen von den Pflichten des Energieausweis-Vorla­ge-Gesetzes für bestimmte Gebäudekategorien sollen nun ohne Verweis auf die Län­derregelungen bundesweit einheitlich getroffen werden. Als Rechtsfolgen der Aus-


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weisvorlage sind eine Gewährleistungspflicht des Verkäufers oder Bestandgebers so­wie eine unmittelbare Haftung des Ausweiserstellers gegenüber dem Käufer bezie­hungsweise Bestandnehmer für die Richtigkeit des Energieausweises vorgesehen.

Bei der Beurteilung dieser Richtigkeit sind allerdings Bandbreiten vorgesehen, weil es aus technischen Gründen bei der Ermittlung der Energiekennzahlen ganz einfach un­vermeidlich ist, dass es da Bandbreiten gibt.

Bei einer unterlassenen Aushändigung des Energieausweises nach Vertragsabschluss kann der Käufer oder Bestandnehmer nach ergebnisloser Aufforderung entweder die Aushändigung des Ausweises gerichtlich fordern oder selbst einen Energieausweis einholen und den Ersatz der angemessenen Kosten dafür vom Vertragspartner verlan­gen.

Um der Immobilienwirtschaft auch ausreichend Zeit zu geben, sich auf die Neuregelun­gen einzustellen, wird der von der Richtlinie eingeräumte Zeithorizont für die Umset­zung auch weitgehend ausgeschöpft. Als Datum des Inkrafttretens ist daher der 1. De­zember 2012 vorgesehen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.46.1922. Punkt

Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatspro­gramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes (III-451-BR/2012 d.B. sowie 8712/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zum 22. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. – Ich bitte um den Bericht.

 


19.46.38

Berichterstatter Stefan Schennach: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der letzte Bericht zur heutigen Tagesordnung, den ich hier er­statte, ist jener des Justizausschusses über die Jahresvorschau des Bundesministe­riums für Justiz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Euro­päischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes.

Der vorliegende Bericht, getragen wohl vom Gedanken der größten Priorität der Euro­päischen Union, nämlich der Gewährleistung von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit in einem Europa ohne Binnengrenzen, liegt in schriftlicher Form vor. Daher komme ich sogleich zur Antragstellung:

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 175

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. April 2012 den Antrag, die Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes (III-451-BR/2012 d.B.) zur Kennt­nis zu nehmen.


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


19.47.55

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bun­desrates! Zur Verhandlung steht die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Jus­tiz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kom­mission für 2012 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes. Dieses 48-seitige Schriftwerk ist übersichtlich aufbe­reitet, und in der Inhaltsangabe finden sich wirklich wichtige, interessante Themen.

Gleich unter Punkt I.1. ist ein solch wichtiges Kapitel: „Strategie zum Kampf gegen Menschenhandel“, oder Punkt I.7., ebenfalls ausgesprochen wichtig: „Vorschlag für ei­nen Rechtsakt zum Schutz des Euro gegen Fälschung“, oder Punkt I.8., wiederum ein wesentliches Thema: „EU – Drogenstrategie und Aktionsplan“, oder Punkt II.13., eine Revision einer Verordnung des Rates zum Thema Insolvenzverfahren beziehungswei­se effizientere grenzübergreifende Insolvenzvorschriften – das ist gerade in Zeiten ei­ner Wirtschafts- und Finanzkrise ein wichtiger Punkt –, und so weiter.

All das sind wichtige Punkte – unbestritten –, und kein Mensch kann dagegen etwas haben. Wenn man sich aber innerhalb – „aber“ möchte ich jetzt nicht einmal sagen –, wenn man sich innerhalb der EU mit diesen Themen beschäftigt und auseinandersetzt, dann ist das einfach wichtig.

Und jetzt kommt mein Aber: Wenn ich dann in dieser Jahresvorschau weiterblättere, dann muss ich sagen: Es sind diese Themen tatsächlich nur dann von Bedeutung, wenn man sie im Zusammenhang mit dem Inhaltsverzeichnis von Seite 3 bis 5 be­trachtet. Da hätte es gereicht, wenn man diese Inhaltsangabe per E-Mail verschickt hätte, aber nicht einen 50-seitigen Bericht erstellt hätte.

Ich sage Ihnen, warum das so ist. Ich nenne als Beispiel gleich einmal den ersten Punkt. Unter „I. Strafrecht“, „I.1. Strategie zum Kampf gegen Menschenhandel“ heißt es:

„Ziel:

Es soll ein politischer Rahmen geschaffen werden, in dem die Hauptziele wie Präven­tion und Reduzierung des Menschenhandels ebenso abgedeckt sind wie Strafverfol­gung von Tätern und besserer Schutz von Opfern.“ – Ein wichtiges Thema!

„Stand:

Ein Vorschlag der Kommission für diese Strategie liegt noch nicht vor.

Österreichische Haltung und Verhandlungsverlauf:

Die Vorlage eines Vorschlags bleibt abzuwarten.“

So zieht sich das durch den gesamten Bericht. Von insgesamt 39 darin angeführten Punkten steht bei 22 Vorhaben: „Ein Vorschlag der Kommission liegt noch nicht vor.“ – No na! – „Die Vorlage eines Vorschlags bleibt abzuwarten.“

Also was sollen wir dann hier debattieren?!


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 176

Ein Kapitel nehme ich heraus – das wurde heute schon angesprochen, auch von Ih­nen, Frau Bundesministerin –, nämlich das Kapitel e-Justice. Das ist es wert, gelesen zu werden, denn da heißt es, dass die österreichische Justiz im Bereich der Informa­tionstechnologie international einen exzellenten Ruf genießt und weltweit zu den füh­renden Ländern gehört.

Der Rest dieser Jahresvorschau ist aber von einem derart geringen Informationsgehalt, dass sie es sozusagen erst dann wert ist, debattiert zu werden, wenn sie auch mit In­halt gefüllt wird. Und ich meine, sie kann erst dann mit Inhalt gefüllt werden – das muss man auch sagen –, wenn von der Europäischen Union die entsprechenden Vorlagen kommen.

Ich mache weder den Beamten noch dem Justizministerium einen Vorwurf, aber einen Bericht zu debattieren, aus dem in Wirklichkeit nichts hervorgeht, weil es überall nur heißt, „eine Vorlage liegt noch nicht vor“, macht für uns keinen Sinn. Wir werden diesen Bericht auch nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


19.51.56

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Bundesministerin! Meine Fraktion hat mich heute als Schlussredner nomi­niert. Ich bedanke mich dafür, aber wie im Slalom bedeutet eine hohe Startnummer auch im Parlament keine leichte Aufgabe. Es ist aber keine unangenehme Position, denn ich habe viel mehr die Möglichkeit, kurz zu bilanzieren und zu sagen, der heutige Plenartag, der heutige Parlamentstag, der heutige Freitag, der 13., war ein guter Tag für Österreich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Gemeinsam haben wir die Neue Hauptschule auf Schiene gebracht, haben wir Strate­gien für Beschäftigung und Innovation diskutiert und formuliert. Darüber hinaus hat heute – und das ist ganz besonders erfreulich – auch das von uns so erhoffte, gefor­derte Steuerabkommen mit der Schweiz konkrete Form und Gestalt angenommen.

Heute ist also für Österreich ein sehr erfreulicher Tag, aber so erfreulich er für Öster­reich ist, so peinlich ist er für Nordkorea. Gott sei Dank haben nicht die Börsen gewa­ckelt, Gott sei Dank wurde nicht der Arbeitsmarkt erschüttert. Freitag, der 13., hat eine Rakete abstürzen lassen, und das ist die Botschaft vom Freitag, dem 13.: Nordkorea, lass die Hände vom Raketenprogramm und vom Bau der Atombombe!

Wir sollten uns auf ganz andere Themen, Politikfelder konzentrieren. Im Gegensatz zur internationalen Ebene, wo wir über globale, länderübergreifende Gremien Druck auf Nordkorea machen können, haben wir auf Europaebene ganz konkrete Möglichkeiten, Dinge zu regeln, die der Bevölkerung in ganz Europa unter den Nägel brennen. Daher bin ich sehr froh, dass uns die Europäische Kommission, die Europäische Präsident­schaft eine Vorschau übermittelt, nämlich eine Vorschau mit 37 ganz konkreten Geset­zesmaterien, wo klargemacht wird, worum es in den nächsten Monaten, in den nächs­ten eineinhalb Jahren geht.

Wir werden uns mit aller Konsequenz der Bekämpfung des Menschenhandels widmen. Wir werden klar sagen, für diese Kriminellen, diese Verbrecher gibt es keine Toleranz, keinen Millimeter Spielraum in Europa, denn das sind in Wahrheit Händler von Un­menschlichkeit.

Das Gleiche gilt für die Bekämpfung des Drogenhandels. Wir sind sehr dafür, dass wir dafür eine gesamteuropäische Strategie formulieren. Wir wollen den Drogenhandel ein­dämmen. Das ist uns ganz wichtig, aber wir wollen eine dafür umfassende Strategie.


BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 177

Wir wollen auch europaweit Möglichkeiten formulieren, Ausstiegsprogramme erarbei­ten: Wie kommen junge Menschen, die drogenabhängig sind, wie kommen Süchtige aus der Drogenfalle heraus und wie können wir Drogenabhängigen auf dem Weg der Rehabilitierung helfen?

Genauso wichtig ist uns auch der Kampf gegen die Geldfälscherei, den wir in den nächsten Monaten noch intensivieren werden. Das ist ganz wichtig!

Meine Fraktion trägt den Großteil der 37 Gesetzesvorhaben mit. Damit ist Europa auf dem richtigen Weg, damit werden auch die richtigen Themen geregelt. Allerdings he­gen wir große Skepsis in Bezug auf einen Punkt – und diese Skepsis teilen wir ge­meinsam mit der SPÖ-Fraktion, mit der FPÖ-Fraktion und auch mit der Fraktion der Grünen –: Wir glauben, Europa braucht kein EU-Verkaufsrecht, kein EU-Kaufvertrags­recht, denn wir haben in Österreich ein ganz starkes Konsumentenschutzgesetz! Wir haben vor Weihnachten in einer unserer Plenarsitzungen beschlossen, dass wir Euro­pa hier die „Rote Karte“ zeigen, dass wir eine Subsidiaritätsklage einbringen. Wir den­ken, wir brauchen da keine Harmonisierung, denn jede Weiterentwicklung wäre da ein Rückschritt, denn wir haben ein gutes Konsumentenschutzrecht.

Bei allen anderen Materien sind wir, sage ich einmal, begeistert mit dabei. Ich wünsche uns viel Erfolg, viel Schwung bei der Umsetzung dieser wichtigen Maßnahmen! (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

19.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Stadler. – Bitte.

 


19.56.28

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch mein Schicksal, Kollege Jachs, ist es, dass ich von meiner Fraktion sozusagen als Schlussläufer aufgeboten wurde, aber ich darf das aufgrund der vorgeschrittenen Zeit in der gebotenen Kürze erledigen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, eine Bestzeit brauchen wir nicht mehr, wir schauen, dass wir den Lauf gut erledigen. Das werde ich versuchen, und wenn dei­ne Zwischenrufe sich in Grenzen halten, werde ich das sicher schaffen.

Im Ernst, zurück zu diesem vorliegenden Bericht. – Kollege Jachs hat es schon ange­sprochen, und auch ich verstehe es nicht ganz: Hermann, Kollege Brückl, wir kommen doch aus demselben Bezirk, aber es hat sich ja schon in vielen Bereichen gezeigt, heute sowie in den vergangenen Sitzungen: Überall dort, wo „EU“ draufsteht oder da­bei ist, sucht man bei Euch automatisch einen Grund dafür, dass man ablehnen kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich glaube, die Argumente, die du da gebracht hast, Hermann, sind nicht dazu geeignet, die Ablehnung dieses Berichts zu begründen.

Sinn der Sache – die Prioritäten der Europäischen Kommission, die dieser Bericht dar­legt, zeigen das – ist, dass da ganz wichtige Themen drinstehen, und es ist auch ganz wichtig – das haben wir in den Ausführungen vonseiten der in der österreichischen Justiz Verantwortlichen schon sehr oft gehört –, dass wir zu diesen Themen auch ste­hen.

Ich muss Kollegem Brückl dahin gehend recht geben, dass bei sehr vielen Kapiteln die Haltung Österreichs darauf abzielt, dass wir abwarten. An dieser Stelle, Frau Bundes­ministerin, möchte ich aber doch sagen: Es gibt zwar sehr viele Beispiele dafür, dass die Justiz in Österreich beispielgebend war und sich irgendwo durchgesetzt hat, und deshalb glaube ich auch, dass es nicht richtig ist, diesen Bericht abzulehnen, dass wir ihn zur Kenntnis nehmen sollten, aber wir sollten auch von Österreich aus versuchen,


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dort Initiativen zu ergreifen, denn jetzt wissen wir, was ansteht, welche Themen sehr wichtig sind. Sicher kann man erst dann Initiativen ergreifen, wenn man weiß, was im Arbeitsprogramm steht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich kann mich dem Kollegen Jachs anschließen: Wir von der SPÖ-Fraktion werden den Bericht zur Kenntnis nehmen und werden bei Bedarf auch unterstützend mitwirken. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.) – Wenn du immer ablehnst und immer Nein sagst, wirst du wahrscheinlich nichts erreichen können! Man muss, wenn man Initia­tiven ergreift, immer etwas Positives daran sehen, denn wenn man immer nur Negati­ves sieht, wenn einem nichts zusagt, dann wird man – das kennen wir auch aus dem normalen Leben – nicht mit Freude daran arbeiten.

Wir wollen mit Freude an diesen Themen arbeiten für die Bürgerinnen und Bürger in Europa und besonders für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land Österreich. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


20.00.11

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich erwähne jetzt nicht, dass ich die Letztrednerin von meiner Fraktion bin, denn ich bin die Letztrednerin überhaupt, ich habe das letzte Wort! – Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wahrheit liegt, glaube ich, irgendwo in der Mitte. Ich finde, der Bericht ist prinzipiell von der Aufmachung und von der Über­sichtlichkeit her vorbildlich. Ich würde mir nur schon auch wünschen, auch wenn es jetzt keine Vorlage der EU gibt, dass man trotzdem sagt, in welche Richtung der öster­reichische Weg gehen würde, welche Richtung man gehen möchte. Im Gesamten ge­sehen muss ich aber sagen: Das ist der übersichtlichste Bericht, den ich bis jetzt zu Gesicht bekommen habe! Dafür kann ich wirklich nur ein Kompliment aussprechen.

Ich möchte auf zwei Punkte ein bisschen näher eingehen, zumal bis jetzt noch nie­mand auf einen Punkt in diesem Bericht eingegangen ist.

Das eine ist der Bereich „Drogenpolitik“. Da sind drei Punkte angeführt, nämlich: Ers­tens: Mindeststandards bei Straftaten im Bereich des Drogenhandels. – Da sehen Sie keinen Bedarf. Es gibt zwar noch keine Vorlage der Kommission dazu, aber da sehen Sie auch keinen dringenden Bedarf. Allerdings gibt es eine Erläuterung und eine öster­reichische Sicht, ohne dass es schon eine Kommissionssicht gibt – und das finde ich positiv!

Dann gibt es, zweitens, einen Vorschlag für einen Rechtsakt zur Kontrolle neuer psy­choaktiver Substanzen. Dazu liegt auch noch kein Vorschlag vor, trotzdem gibt es eine österreichische Haltung dazu. Wir haben erst letztes Jahr das Neue-Psychoaktive-Sub­stanzen-Gesetz beschlossen.

Weiters gibt es, drittens, noch besagte EU-Drogenstrategie und den Aktionsplan, aber es ist – sagen wir einmal so – noch nicht wirklich erkenntlich beschrieben, was da drin­stehen könnte. Auch dazu lautet die österreichische Haltung: Wir wissen noch nichts, und wir warten noch, bis wir etwas Genaueres wissen! – Ich würde mir wünschen, dass wir gerade in diesem Bereich schon auch aus österreichischer Sicht die Prävention wirklich in den Vordergrund stellen.

Prävention in der Drogenpolitik heißt Aufklärung und Transparenz. Die Leute müssen wissen, was sie zu sich nehmen, dann können sie auch richtig damit umgehen. Das Problem, das wir haben, beruht genau auf den neuen psychoaktiven Substanzen, aber auch auf den alten psychoaktiven Substanzen, denn man wird auch nie etwa ein Feu-


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erzeug, Gas oder den Uhu-Kleber verbieten können. Das wird es immer geben, eben­so Unkrautvernichtungsmittel. Also es wird sich immer etwas finden, das man miss­brauchen kann. Umso wichtiger ist es wirklich, aufklärend zu wirken und den Leuten, vor allem den Jugendlichen, zu sagen, was alles passieren kann und wie sich das aus­wirkt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Das wissen die Jugendlichen zum Teil nicht. Die Jugendlichen wollen sich ein bisschen sozusagen hochschaukeln, und dazu ist ihnen dann jedes Mittel recht. Es gibt ein paar erlaubte Mittel, es gibt ein paar verbotene Mittel, und es gibt ein paar Mittel, die sind erlaubt, aber nicht gesund. Insofern ist Aufklärung meiner Meinung nach wirklich das Um und Auf, und deshalb würde ich mir wünschen, dass wir das auch aus österreichi­scher Sicht wirklich vorantreiben.

Ich bin auch überzeugt davon, dass man durch entsprechende Aufklärung auf der an­deren Seite auch einsparen kann, nämlich dann, wenn es darum geht, Straftäter zu verfolgen – natürlich, Straftäter wird es immer geben, aber umso weniger desto bes­ser – und dann auch im Strafvollzug zu ahnden.

Ein weiterer Bereich, den ich noch ansprechen möchte, ist die Revision der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Auch da steht als österreichi­sche Haltung, dass man erst die Vorschläge der Europäischen Kommission abwarten will. Ich finde das interessant, weil diese Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ja schon in vielen Bereichen durch die Medien gewandert ist. Ich weiß nicht, warum gerade in diesem Bereich immer so viel Geheimnistuerei passiert. Es ist sehr wohl oft zu lesen, dass es da häufig Überschneidungen mit ACTA geben soll, dass manche Absätze aus ACTA dann in dieses Abkommen hineingeschummelt oder hineingeschrieben werden sollen.

Meiner Meinung nach ist es ganz wichtig, dass man sich Gedanken macht, wie man diesen Schutz des geistigen Eigentums in einer digitalen Welt, die einfach ganz anders ist als die vor 30 Jahren, umsetzen kann. Ich möchte aber schon auch, dass man dabei berücksichtigt, dass genau die neuen Medien, die jetzt das große Problem zu sein scheinen beim Schutz des geistigen Eigentums, auch geistiges Eigentum vermehren. Durch diese neuen Medien ist es jetzt viel leichter, geistiges Eigentum zu verbreiten, Wissen zu verbreiten, und sie sind auch unterstützend bei der Produktion von geisti­gem Eigentum. Das ist positiv zu bewerten, und deshalb würde ich mir wünschen, dass man auch mit bedenkt, dass sich die Balance zwischen den Eigentümern dieses geisti­gen Eigentums, den Vermarktern und den Nutzern im Vergleich zur nichtdigitalen Welt sehr verschoben hat.

Wenn man jetzt darauf aufbaut, dass die jetzigen Regelungen beziehungsweise das, was man halt bisher gewöhnt war, weiter so betrieben wird, und weiter eben diese Prioritäten setzt, dann wird das Ganze nicht halten und umfallen. Deshalb würde ich Sie bitten, Frau Ministerin, dass Sie darauf Wert legen und das auch mit berücksich­tigen.

Wie das mit dem ACTA-Vertrag in Österreich vonstattengegangen ist, ist unklar. Es hat einen Regierungsbeschluss gegeben, wie in den Medien nachzulesen war, auf der Parlamentshomepage hat man jedoch nichts darüber gefunden. (Zwischenruf.) Es hat meines Wissens einen Regierungsbeschluss gegeben. Und dann hat man gesagt, man lässt das doch vom EuGH prüfen. – Ich habe ein bisschen den Eindruck, das ist eine Art Verzögerungstaktik, nach dem Motto: Es werden dann eh schön langsam einige gesetzliche Umsetzungen erfolgen! Und in zehn Jahren wird es dann heißen: Es ist oh­nehin schon alles umgesetzt, also wir können das jetzt auch ratifizieren!

Ich glaube, dass das nicht möglich ist in diesem Bereich, weil es einfach zu viele Men­schen gibt, die darauf achtgeben, weil es zu viele Menschen, vor allem junge Men-


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schen, gibt, die deshalb auch auf die Straße gehen, die sich das so nicht mehr gefallen lassen wollen.

Ich glaube, da ist wirklich viel Kommunikation notwendig. Und es sind auch neue Ideen und neue Gedanken erforderlich, wie man geistiges Eigentum wirklich schützen kann.

Abschließend möchte ich noch einmal sagen: Wir werden dem Bericht gerne zustim­men, weil er, auch wenn nicht zu allem österreichisches Gedankengut vorhanden ist, wirklich der übersichtlichste ist, den ich bis jetzt gesehen habe. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.07.01Einlauf

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letz­ten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen, 2885/J-BR/2012 bis 2887/J-BR/2012, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 3. Mai 2012, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, 2. Mai 2012, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Ich bedanke mich bei den Zuseherinnen und Zusehern für ihr Interesse!

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.07.54Schluss der Sitzung: 20.08 Uhr

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