Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

833. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 9. Oktober 2014

 

 


Stenographisches Protokoll

833. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 9. Oktober 2014: 9.02 – 15.38 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Grüner Bericht 2014

2. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2015 gemäß § 9 LWG 1992

3. Punkt: 37. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2013)

4. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2012 der Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie

5. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2013 der Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens der ehemaligen Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer ................................................................................................. 7

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Mag. Josef Taucher sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat           ................................................................................................................................. 8

Angelobung der Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................... 10

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und Japan im Bereich der Sozialen Sicherheit durch den Herrn Bundes­präsidenten ..................................................................................................................... 35

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 2

Republik Österreich und dem Ministerrat von Bosnien und Herzegowina über Zu­sammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur, Bildung, Wissenschaft, der Jugend und des Sports durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 38

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend Regierungsumbildung:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 44

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 45

Reinhard Todt ............................................................................................................... 45

Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen, dem Aus­schuss für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstattung über den An­trag 198/A-BR/2014 der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz von 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979), BGBl. Nr. 333/1979, das Bundesgesetz vom 18. November 1965 über die Pen­sionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsgesetz 1965 – PG 1965), BGBl. Nr. 340/1965, und das Allgemeine Pensionsgesetz (APG), BGBl. I Nr. 142/2014, geändert werden, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 6. November 2014 zu setzen – Ablehnung .............................................................  46, 98

Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR über diesen Fristsetzungsantrag eine Debatte durchzuführen – Ablehnung .............................  46, 46

Verlangen auf Durchführung einer Besprechung der schriftlichen Anfragebeant­wortung 2803/AB-BR/2014 gemäß § 60 Abs. 2 GO-BR ............................................................................................ 46

Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 2803/AB-BR/2014 gemäß § 60 Abs. 5 GO-BR     ............................................................................................................................... 99

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................... 99

Bundesminister Mag. Gerald Klug .......................................................................... 101

Werner Herbert ........................................................................................................... 103

Franz Perhab ............................................................................................................... 106

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 108

Hermann Brückl ......................................................................................................... 110

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 112

Antrag der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 2803/AB – Ablehnung .......................................................  105, 114

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Aktuelle Stunde (29.)

Thema: „Schulstart NEU – Bildung beginnt bei den Kleinsten – Übergang vom Kindergarten zur Volksschule“ ................................................................................................................. 10

Redner/Rednerinnen:

Inge Posch-Gruska ....................................................................................................... 10

Günther Köberl ............................................................................................................. 12

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 15

Marco Schreuder .......................................................................................................... 17

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek .....................................................  20, 30

Elisabeth Reich ............................................................................................................. 24

Angela Stöckl ................................................................................................................ 26


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 3

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 27

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 29

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend

Enthebung des Bundesministers für Finanzen Vizekanzler Dr. Michael Spindel­egger, der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bu­res, des Bundesministers für Gesundheit Alois Stöger, diplômé sowie der Staatssekretärin und des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen Mag. Sonja Steßl und Mag. Jochen Danninger vom Amt sowie gleichzeitige

Ernennung von Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitterlehner zum Vizekanzler, von Alois Stöger, diplômé zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, von Dr. Johann Georg Schelling zum Bundesminister für Finanzen, von Dr. Sabine Ober­hauser, MAS zur Bundesministerin für Gesundheit, von Mag. Sonja Steßl zur Staatssekretärin im Bundeskanzleramt und von Dr. Harald Mahrer zum Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirt­schaft

durch den Bundespräsidenten ....................................................................................... 33

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union                                                                41, 42, 43

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 44

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 44

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  44, 114

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirt­schaft (Grüner Bericht 2014) (III-530-BR/2014 d.B. sowie 9236/BR d.B.) ........................................................................ 46

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ........................................................................... 47

2. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2015 gemäß § 9 LWG 1992 (III-531-BR/2014 d.B. sowie 9237/BR d.B.) ............................... 47

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ........................................................................... 47

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 47

Martin Preineder ........................................................................................................... 49

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 52

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 54

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 56

Ing. Eduard Köck .......................................................................................................... 57

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ..................................................  60, 67

Brigitte Bierbauer-Hartinger ....................................................................................... 63


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 4

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 64

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 65

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, den Bericht III-530-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 67

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, den Bericht III-531-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 67

3. Punkt: 37. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2013) (III-521-BR/2014 d.B. sowie 9238/BR d.B.) ................................................................................................................. 67

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ......................................................................... 67

Redner/Rednerinnen:

Rene Pfister .................................................................................................................. 68

Edgar Mayer .................................................................................................................. 70

Werner Herbert ............................................................................................................. 72

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 74

Stefan Schennach ........................................................................................................ 76

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 78

Johanna Köberl ............................................................................................................ 80

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ............................................................................ 81

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-521-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 85

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2012 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-526-BR/2014 d.B. sowie 9239/BR d.B.)                                                            85

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 85

5. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2013 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-527-BR/2014 d.B. sowie 9240/BR d.B.)                                                            85

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 85

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 86

Werner Stadler .............................................................................................................. 88

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 90

Anneliese Junker .......................................................................................................... 92

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 93

Günther Novak ............................................................................................................. 94

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-526-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 98

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-527-BR/2014 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 98

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesräte

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetz­buch – StGB), BGBl. Nr. 60/1974, geändert wird (202/A-BR/2014)


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 5

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Exekutivdienst­gesetzes beziehungsweise von weiteren dienstrechtlichen Spezialbestimmungen im Beamten-Dienstrechtsgesetz (Besonderer Teil, 2. Abschnitt) und Gehaltsgesetz (Ab­schnitt VII) (203/A(E)-BR/2014)

Dr. Dietmar Schmittner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung der Strucker-Kaserne (204/A(E)-BR/2014)

Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Militärmusik in je­dem Bundesland (205/A(E)-BR/2014)

Anfragen der Bundesräte

Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit be­treffend die Aufnahme einer zahnärztlichen Untersuchung in den Mutter-Kind-Pass (3030/J-BR/2014)

Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend geplante Schließung der Kaserne Tamsweg (3031/J-BR/2014)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rehabilitierung von Opfern des anti-homosexuel­len § 209 StGB (2789/AB-BR/2014 zu 3012/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Günther Novak, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Schließung der Polizeiinspektion im Mölltal/Ober­kärnten (2790/AB-BR/2014 zu 3013/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regelung für Fahrerlaubnis nach abgelegter Radfahrprüfung (2791/AB-BR/2014 zu 3011/J-BR/2014)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Monika Mühl­werth, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Lebensmittelkennzeichnung darf heimi­sche Wirtshauskultur nicht zerstören (2792/AB-BR/2014 zu 3017/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitbandoffensive in Österreich (2793/AB-BR/2014 zu 3014/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Je­newein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhaftung eines Ukrainers in Wien (2794/AB-BR/2014 zu 3015/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Verwendung eines Blaulichts auf dem Dienstwagen des NÖ-Landeshauptmannes (2795/AB-BR/2014 zu 3016/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jene­wein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zentrales Waffenregister (2796/AB-BR/2014 zu 3023/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jene­wein, Kolleginnen und Kollegen betreffend INDECT und Sicherheitsprojekte der Euro­päischen Union (2797/AB-BR/2014 zu 3024/J-BR/2014)


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 6

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Sonja Ledl-Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kompetenzüber­tragung auf das Sozialministeriumservice (2798/AB-BR/2014 zu 3018/J-BR/2014)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend durch Heirat erschlichene Aufenthaltstitel (2799/AB-BR/2014 zu 3022/J-BR/2014)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polizeibashing durch Jurist im Bundeskanzleramt (2800/AB-BR/2014 zu 3021/J-BR/2014)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Militärluftfahrtausstellung ZELT­WEG (2801/AB-BR/2014 zu 3025/J-BR/2014)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesrä-
te Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatz der Saab 105 (2802/AB-BR/2014 zu 3026/J-BR/2014)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eingriff in militärische Kernkompetenzen durch Einsparungen (2803/AB-BR/2014 zu 3029/J-BR/2014)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausschreibung Pinzgauer (2804/AB-BR/2014 zu 3027/J-BR/2014)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inserate und Werbung im Internet (2805/AB-BR/2014 zu 3028/J-BR/2014)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Efgani Dönmez, PMM, Mag. Gerald Zelina, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verantwortung und Rolle des Finanzministers und des Rechnungshofpräsidenten (2806/AB-BR/2014 zu 3019/J-BR/2014)


 


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 7

09.02.10Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsidentin Ana Blatnik: Ich eröffne die 833. Sitzung des Bundesrates.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, einen wunderschönen guten Morgen – dobro jutro! Ich möchte speziell unsere Frau Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek begrü­ßen. – Schön, dass du da bist. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 832. Sitzung des Bundesrates vom 24. Juli 2014 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Efgani Dönmez, Mag. Klaus Fürlinger und Mag. Susanne Kurz.

09.03.26Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens der ehemaligen Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer

 


Präsidentin Ana Blatnik: Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind nunmehr schon zwei Monate vergangen, seit unsere Nationalratspräsidentin Mag. Barbara Prammer ihrer schweren Krankheit erlegen ist. Gerne möchte ich diese Gelegenheit nützen, mich bei Ihnen und auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Hauses nochmals sehr herzlich für die gemeinsame Gestaltung der überaus würdigen Trauer­feierlichkeiten für unsere Frau Präsidentin zu bedanken. Ich darf Sie ersuchen, sich zum Zeichen des Gedenkens von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Wenn wir der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gedenken, erin­nern wir uns an eine herausragende Politikerin und einen liebenswerten Menschen. Sie ist unermüdlich für einen gestärkten Parlamentarismus weit über Österreichs Grenzen hinaus eingetreten, hat sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern eingesetzt und immer ein offenes Ohr für die Angelegenheiten und Anliegen der Minderheiten ge­habt.

Entschlossen trat sie gegen Antisemitismus und Rassismus auf und machte sich für ein friedliches, soziales Miteinander stark. Ihr Engagement für eine positive Zukunft wird uns Inspiration und Auftrag sein, diesen Weg weiterzugehen. Wir werden Barbara Prammer immer in Erinnerung behalten. (Die Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer.)

Danke. Hvala lepa. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

09.05.17Einlauf

 


Präsidentin Ana Blatnik: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatz­mitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlauts dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes:


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 8


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 9

*****


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 10

Angelobung

 


Präsidentin Ana Blatnik: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend; ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun den Schriftführer um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.06.10

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


9.06.36

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

 


Präsidentin Ana Blatnik: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herz­lich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. Das neu angelobte Mitglied des Bundesra­tes wird von seinen Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

09.06.51Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema:

„Schulstart NEU – Bildung beginnt bei den Kleinsten – Übergang vom Kindergarten zur Volksschule“

Ich begrüße nochmals Frau Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Hei­nisch-Hosek. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen bezie­hungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnah­me der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Da­nach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eventuell eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit einer je­weils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich mache darauf aufmerk­sam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Mi­nuten beträgt. – Bitte.

 


9.11.03

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung dieses Themas war ein Gedanke von mir: Es tut schon gut, wenn das Alter nicht nur Wehwehchen und Krankheiten bringt, sondern wenn auch langjährige Forderungen und Wünsche erfüllt werden. Mit der Schuleingangsphase, im Rahmen derer auch der Kindergarten als Bil­dungseinrichtung anerkannt wird, wird solch eine langjährige Forderung umgesetzt, und das freut mich natürlich ganz besonders. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundes­räten der Grünen.)

Ich habe das schon ein paar Mal gesagt: Ich komme von den „Kinderfreunden“. Wir ha­ben diese Forderung geprägt und wirklich schon sehr, sehr lange erhoben, und es ist sehr schön, dass diese nun umgesetzt wird.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 11

Die neue Schuleingangsphase sieht vor, dass Kindergartenpädagoginnen und Kinder­gartenpädagogen – wenn es sie gibt – mit Volksschullehrerinnen und Volksschulleh­rern im letzten Kindergartenjahr und in den ersten zwei Klassen der Volksschule besser und enger zusammenarbeiten, zum Wohle unserer Kinder, damit für unsere Kinder beim Eintritt in die Volksschule mehr Sicherheit gegeben ist, damit sie in der ersten Klasse Volksschule mehr Vertrauen haben und Ängste sowie Unsicherheiten wegfallen, die natürlich bei den Kindern vorhanden sind und die manchmal im ersten Schuljahr sehr hinderlich sind.

Neugierde und Vorfreude auf den Schulbeginn, auf den Eintritt in einen neuen Lebens­abschnitt werden dadurch gefördert. Das ist auch äußerst positiv. Für Eltern bringt diese neue Schuleingangsphase mehr Informationen – mehr Informationen darüber, was es in der Schule geben wird, wie die Betreuung der Kinder aussehen wird. Die El­tern werden in die Kriterien, in den Werdegang in der ersten Volksschulklasse ein­gebunden und bekommen auch leistungsbezogene Beurteilungen – Beurteilungen, die konkrete Rückmeldungen betreffend die Stärken und Schwächen ihrer Kinder geben.

Die KindergartenpädagogInnen – das habe ich am Anfang schon gesagt – können jetzt wirklich die Bildungsbiographie der Kinder von Anfang an mitschreiben. Von Anfang an sind sie dabei, wenn möglich, den Kindern den besten Weg für die Bildung zu eröffnen.

Für die Lehrerinnen und Lehrer, die hier aktiv dabei sind, ist es sehr positiv, wenn sie die Kinder, die sie in der ersten Klasse unterrichten werden, schon ein Jahr früher kennenlernen, wenn sie schon ein Jahr früher wissen, wo die Stärken und Schwächen dieser Kinder liegen, denn dann können sie den Unterricht auch an den Bedürfnissen der Kinder orientieren und danach ausrichten, was sehr wichtig ist.

Ich möchte noch einen Punkt hinzufügen. Ich bin Bürgermeisterin einer, zugegeben, sehr kleinen, aber sehr schönen Gemeinde. Wir haben seit vier Jahren einen pädago­gischen Jour fixe eingerichtet. „Pädagogischer Jour fixe“ heißt, dass die Kindergarten­leiterin, die Volksschuldirektorin und ich als Bürgermeisterin uns einmal im Monat zu­sammensetzen und darüber beraten, wie die Arbeit für unsere Kinder am besten ge­leistet werden kann.

Ein Beispiel, das gerade aktuell ist: Wir haben in Hirm den „Kulturpfad“, eine Kultur­einrichtung, neu eingesetzt. Da sind der Kindergarten und die Volksschule aktiv dabei. Der Vorteil sowohl für die Volksschuldirektorin als auch für die Kindergartenpädagogin und für mich als Bürgermeisterin ist, dass die Kinder aktiv am Gemeindeleben teil­nehmen können, das heißt, sie sind von Anfang an darin eingebunden und sehen, was es heißt, in der Gemeinde zu leben, der Gemeinde etwas zu geben, aber auch etwas von der Gemeinde zu bekommen. Für die PädagogInnen ist es gut, dass der Infor­mationsfluss gegeben ist. Bei ihrer Arbeit ist es auch sehr wichtig, zu erfahren, ob in der Nachmittagsbetreuung Kinder eine bessere Förderung brauchen, ob von der Schu­le zu viel oder zu wenig Aufgabe gegeben wurde oder Ähnliches – da gibt es immer eine direkte Rückmeldung.

Mit diesem Gesetz haben wir es jetzt geschafft, dass diese Arbeit in der Gemein­destube, so, wie ich sie bis jetzt gemacht habe, auch laut Verfassung möglich ist, dass es laut Verfassung möglich ist, dass die Volksschullehrerin in den Kindergarten geht, denn das war bis jetzt nicht so. Rein formell gesehen wäre es ein Verfassungsbruch gewesen, wären die LehrerInnen in den Kindergarten gegangen und hätten geschaut, wie es den Kindern dort geht.

Ein Schulstart ist für die Eltern immer sehr schwierig, nicht nur deshalb, weil es darum geht, ihren Kindern den besten Bildungsweg zu ebnen, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Finanziell ist der Schulstart für sehr, sehr viele Familien eine schwierige Sa­che. Im Burgenland gibt es daher ein Schulstartgeld. Die Eltern bekommen 100 €, wenn ihr Kind in die erste Klasse Volksschule kommt.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 12

Wir haben jetzt im Schuljahr 2014/2015 2 699 Erstklassler. Ich habe gestern im Fami­lienreferat angerufen und gefragt, wie viel Geld wir dafür eigentlich schon ausgegeben haben. Das ist natürlich eine Investition. Frau Landesrätin Dunst hat mir gesagt, in den letzten fünf Jahren wurden im Burgenland 1 182 900 € für diesen „Schulstart-Hunder­ter“ ausgegeben.

Ich war, das gebe ich zu, etwas skeptisch, weil ich gedacht habe: 100 € beim Schul­start, wird das genügen, wird das für die Familien ausreichen? – Es genügt, es reicht aus. Es gibt sehr viele Familien, die sich das sonst nicht leisten könnten, die wirklich mit diesem Hunderter einen guten Start für die Kinder machen können.

Wir haben im Burgenland auch eine Lesefrühförderung, ab dem ersten Lebensjahr schon, aber in der ersten Klasse Volksschule dann verstärkt, mit dem Österreichischen Buchklub der Jugend gemeinsam. Dies wurde auch von unserer Familienlandesrätin, Frau Landesrätin Verena Dunst, initiiert.

Wir haben in ganz Österreich 300 000 Menschen, die offiziell nicht lesen und nicht schreiben können. Im Burgenland sind es offiziell 22 000 Menschen. Ich glaube, dass es bei der Bildung gerade am Anfang sehr, sehr wichtig ist, die Lust auf das Lesen zu wecken, die Lust zu wecken, sich weiterzubilden und etwas zu lernen. Ich denke, dass mit dem Österreichischen Buchklub und mit dieser Lesefrühförderungsaktion auch ein wichtiger Schritt gesetzt wird. All das ist natürlich auch sehr wichtig, weil wir das mit der Schuleingangsphase verbinden können.

Wir haben diese Schuleingangsphase auch schon in Hirm. Ich habe mit unserer Volks­schuldirektorin telefoniert und sie gefragt: Gibt es irgendetwas, was ich noch anbringen sollte, was du dir noch wünschst, was besser gemacht werden sollte, wenn wir heute im Bundesrat die Möglichkeit haben? – Und sie hat geantwortet: Diesmal nicht, Inge. Es passt wirklich.

Das Einzige, was ich ausrichten soll, Frau Ministerin, ist, dass es ganz toll ist, dass nicht vorgeschrieben ist, in welcher Sparte die Kinder gefördert werden sollen, dass es also nicht nur Sprache sein muss, sondern dass es wirklich eine individuelle Förderung der Kinder sein kann, dass sie nicht gezwungen sind, nur in die Sprachrichtung oder nur in die mathematische Richtung zu gehen, sondern dass jeder Schwerpunkt für je­des Kind eigens gesetzt werden kann. Das wird sehr begrüßt.

Ich möchte mich auch für dieses Gesetz bedanken. Ich bin als Bürgermeisterin sehr froh darüber und möchte allen Kolleginnen und Kollegen, die im Gemeinderat oder Bürgermeisteramt sitzen, ausrichten, dass jeder Euro, der in die Bildung, auch seitens der Gemeinde, investiert wird, ein sehr gut investierter Euro ist. Vielleicht bauen wir einmal eine Straße weniger und investieren etwas mehr in die Bildung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

9.18


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile ihm dieses.

 


9.18.21

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Bundesratssitzung hat ja mit einem „Wandertag“ begonnen – einem Wan­dertag zur frisch angelobten Kollegin. Ein bisschen erinnert mich das Hinaufgehen in diesen Sitzungssaal immer an die Tätigkeit in der Schule. Bei uns gibt es zwar keine Glocke mehr, die läutet, aber so manche Gemeinsamkeit zwischen dem Hohen Haus und der Schule gibt es doch.

Lassen Sie mich einen anderen Zugang zur heutigen Aktuellen Stunde mit dem Thema „Schulstart NEU“ wählen. Ich habe ein bisschen in der Zeitung geschmökert, was denn


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 13

so in Sachen Bildung gerade berichtet wird. Da ist in der gestrigen Ausgabe der „Pres­se“ eine ganze Seite dem gewidmet, was mit der Überschrift beginnt: „Wir wollen die beste Bildung! Nur, wie?“

Da heißt es:

„Bildungsinitiativen. Zahlreiche NGOs und Vereine kämpfen für eine bessere Bildungs­politik. Wie diese aussehen soll, darüber scheiden sich aber die Geister.“

Ich darf nur daran erinnern: Ob die Bildungs-NGO „jedesK!ND“, ob „BILDUNGGREN­ZENLOS“, ob das Bildungsvolksbegehren, ob die „Bildungsplattform Leistung und Viel­falt“, ob die Initiative „Pro Gymnasium“ oder die Plattform „EduCare“ – alle wollen eine bessere Bildung. Die Wege, die dorthin führen sollen, sind allerdings meist sehr unter­schiedlich. Und fast beängstigend wirkt die Zahl der sogenannten Bildungsexperten, die eine Lösung anbieten.

Sie haben es ja nicht leicht, Frau Bundesminister, aber manche Vorschläge fallen da­bei sogar unter die Rubrik Kuriosa.

In ihrem Buch „Der vergessene Schulwart“ hält die Psychotherapeutin Rotraud Perner eine Art Plädoyer für eine größere Wertschätzung der Schulwarte und eine Aufwertung des Berufs. Die Psychotherapeutin sieht die Schulwarte als „Ressource zur Förderung von Kindern und Jugendlichen“ und meint:

„In einer Zeit, in der Lehrkräfte mit einer immer ,verhaltensoriginelleren‘ Schülerschaft konfrontiert sind und nach sozialer Unterstützung rufen (), erscheint es mir grob fahrlässig, die wichtige Zentrumsperson Schulwart als ,nur‘“ – unter Anführungszei­chen – „Raumpflege- und Reparaturperson auf die unterste Stufe der Schulhierarchie einzuordnen.“

Also die Schulwarte sollen es künftig richten. Ich denke, hier gibt es viel zu tun, und es wird viel gemacht, Frau Bundesminister, und dafür möchte ich Ihnen auch danken.

Wir wissen und wir haben es schon gehört: Schule beginnt bei den Kleinsten und be­trifft alle Lebensabschnitte. Und wenn wir gemeinsam das Beste für unsere Kinder, al­so für unsere Zukunft, wollen, dann brauchen wir gut zugängliche und qualitativ hoch­wertige Bildungsangebote in allen Lebenslagen.

Schauen wir uns vielleicht gemeinsam kurz ein paar Zahlen zu den 3- bis 18-Jährigen in Österreich an! Die Zahlen sind sinkend, das heißt, weniger Kinder, natürlich auch weniger Schüler. Im Durchschnitt gab es in den vergangenen drei Jahren in Österreich insgesamt rund 1 150 000 Schülerinnen und Schüler, davon an Volksschulen etwa 330 000, an Hauptschulen beziehungsweise Neuen Mittelschulen etwa 220 000, im Bereich der AHS sind es rund 200 000, im Bereich der berufsbildenden höheren Schu­len etwa 350 000. Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer bleibt mit etwa 125 000 kons­tant. Das heißt also grob gesagt: Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern sinkt. Das bedeutet, auf einen Lehrer oder eine Lehrerin kommen weniger Schülerinnen und Schüler. Das ist auch gut so.

Ich war mit dem, was Ihre Vorgängerin, die geschätzte Frau Ministerin Schmied, ge­macht hat, nicht immer einverstanden. Aber eines ist geblieben, und das möchte ich auch anerkennend herausstreichen: Die Klassenschülerhöchstzahl von 25 hat sich wirk­lich positiv auch im Alltagsbetrieb der Schulen ausgewirkt.

Nun ein paar Gedanken oder Anmerkungen zum Thema „Schulstart NEU“, das sich im 6-Punkte-Programm, das bei der Regierungsklausur in Schladming ganz aktuell ver­abschiedet wurde, fand. Da hat es nach intensiven Diskussionen eine Einigung gege­ben. Von meiner Kollegin wurde das Thema „Schulstart NEU“ schon erwähnt. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den KindergartenpädagogInnen und den Volks­schullehrerInnen wird ermöglicht.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 14

Seit dem Kindergartenjahr 2010/2011 ist der halbtägige Kindergartenbesuch von min­destens 16 Stunden pro Woche für Kinder, die bis zum 31. August das 5. Lebensjahr vollendet haben, zwar verpflichtend, aber mit dem Eintritt in die Volksschule beginnt wieder ein neuer Bildungsabschnitt. Volkschullehrer und Volksschullehrerinnen lernen die Kinder neu kennen. Ihre Talente, Begabungen, ihre Bedürfnisse und ihre Geschich­te müssen oft neu entdeckt werden, da meist die Eindrücke und Erfahrungen der Pä­dagogInnen im Kindergartenbereich am Ende des Kindergartenjahres nicht weiterge­geben werden, was in Zukunft der Fall sein soll und was aus dieser Sicht nur zu be­grüßen ist.

Dieses Projekt „Schulstart NEU“ wird, wie wir wissen, in sogenannten Netzwerkprojek­ten erprobt, das heißt, 35 Volksschulen und kooperierende Kindergärten werden zwei Jahre lang unterstützt. Dies soll dann im Schuljahr 2016/2017 flächendeckend in Ös­terreich umgesetzt werden. Ziel ist es also, die Kinder so früh wie möglich gezielt zu fördern und den Übertritt in die Schule zu erleichtern.

Kindergarten und Volksschule, wir haben es schon gehört, rücken enger zusammen. Da gibt es interessante Modelle, auf die meine Kollegin später noch eingehen wird, et­wa in Niederösterreich im Rahmen der sogenannten Portfolioarbeit.

Ganz wichtig ist, und das ist ein Thema in den Schulen, Sprach- und Leseförderung – von Anfang an. Wer eine Sprache nicht versteht, wird einem Unterricht nicht folgen können. Und daraus resultieren gerade im urbanen Bereich viele, viele Probleme. Sie wissen das, Frau Minister. Und deswegen ist zu begrüßen, dass die Sprach- und Le­seförderung einen noch höheren Stellenwert bekommen soll, dass es auch dafür zusätzliches Geld gibt. Es sind etwa 45 Millionen dafür budgetiert. Es ist einfach not­wendig, dass so früh wie möglich Maßnahmen gesetzt werden, die die Entwicklung von Sprach- und Lesekompetenz unterstützen.

Eine nachhaltige, durchgängige Förderung beginnt im Kindergarten und wird in der Schule fortgesetzt. Ziel ist es, dass die Kinder dem Regelunterricht folgen können. Ich persönlich bin auch ein Anhänger davon, dass ein zweites verpflichtendes Kindergar­tenjahr für Kinder eingeführt wird, die in diesem Bereich Defizite aufweisen, wie es un­ser Bundesminister Sebastian Kurz vorgeschlagen hat. Natürlich geht es dabei überall auch um Geld, und da gilt es, diese Mittel auch zur Verfügung zu stellen.

Ich darf zum dritten Punkt kommen, der in diesem 6-Punkte-Programm auch vorgese­hen ist, zum Thema Schulautonomie. Ja, all das, was autonome Entscheidungen in Schulen betrifft, die gemeinsam von Schulleiter, Kollegium, Elternvertretung und auch Schülern getroffen werden, sind begrüßenswert und zu unterstützen. Und die Praxis zeigt ja, wo etwas entwickelt wird: dort, wo die Schulen gut sind, dort, wo die Res­sourcen vorhanden sind. Und da weiß die Schule selbst besonders gut, wo ihre Stär­ken, aber auch wo ihre möglichen Schwächen sind.

Man muss Individualisierung auch zulassen, wenn es darum geht, Schwerpunkte zu setzen, Blocken von Stunden, Projektarbeiten – nicht immer, sie sind als Ergänzung sehr sinnvoll, aber das Heil darf nicht in den Projektarbeiten gesucht werden –, fle­xiblere Pausengestaltung. Wir reden vom teilweisen Auflösen des 50-Minuten-Unter­richts, was in der Praxis sinnvoll sein kann, aber nicht während des gesamten Wochen­betriebes. Also auch damit gilt es sorgsam umzugehen und nicht vielleicht zu sagen: Was für die eine Schule gut ist, ist für alle Schulen gut.

Beim Besuch zweier dänischer Schulen und von Schulen in Finnland habe ich persön­lich die Erfahrung gemacht, weil es mich interessiert hat, dass dort überall sehr indi­viduell gearbeitet wird, dass man Kinder an unterschiedlichen Schulstandorten nicht miteinander vergleichen darf, aber auch nicht die Schulkonzepte selbst. Ja, die Rah­menbedingungen müssen auf Bundesebene vorgegeben werden, aber die Umsetzung


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 15

vor Ort erfolgt nur dann im positiven Sinn, wenn es die Möglichkeiten gibt, auch die Stärken der Schule zu nützen.

Ich darf zum Schluss kommen und vielleicht noch zwei persönliche Anmerkungen dazu machen. Wir haben oft über Reformen im Bildungswesen gesprochen, haben aber manchmal nicht abgewartet, bis diese Reformen wirklich greifen. Und wir haben zum Teil begonnen mit der Reform der Reformen. Wenn es darum geht, dass etwas nach­haltig wirken soll, dann muss man das auch eine gewisse Zeit in der Unterrichtspraxis durchführen und umsetzen lassen.

Das Thema Zentralmatura war so ein Punkt. Heute wissen wir, dass bereits im Sekun­därbereich aufsteigend die Beispielgebung und so weiter in diese Richtung geht. Für diejenigen, die heuer zur Zentralmatura antreten und in den ersten acht bis zehn Jah­ren ihrer Schulausbildung damit nichts zu tun hatten, ist es eine schwierige Umstellung. Das sei nur ein Beispiel dafür.

Und der letzte Gedanke dazu: Es gibt viele Möglichkeiten, unsere Schulen modern zu gestalten, technische Möglichkeiten wie Whiteboards, Tablets und so weiter, die im Un­terricht verwendet werden. Da gibt es tolle Möglichkeiten, aber dies ist letzten Endes auch eine Frage der Finanzen. Und es liegt oft an den Schulerhaltern, diese Res­sourcen zur Verfügung zu stellen. Der Einsatz von gleichen Mitteln wird nicht überall möglich sein, aber wenn es uns gelingt, auch auf der Ebene der Gemeinden, auf der Ebene der Schulerhalter gemeinsam mit einem engagierten Team an der Schule neue Schritte zu setzen, dann sind diese im Sinne unserer Kinder nur zu begrüßen. Dafür alles Gute, Frau Bundesministerin. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.30


Präsidentin Ana Blatnik: Ich möchte in unserer Runde die Schüler und Schülerinnen der Neuen Mittelschule Kirchdorf an der Krems mit Diplompädagogin Ilse Veitz und Bürgermeister Diplompädagogen Wolfgang Veitz recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. Ich erteile ihr die­ses.

 


9.31.04

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler! Beim Übertritt vom Kindergarten in die Volksschule ist ein Abschnitt zu Ende. Das empfinden auch die Kinder so, die Eltern meistens noch mehr als die Kinder, ich weiß das von meinen Kindern. Da war ich sehr traurig und habe mir gedacht, der Kin­dergarten ist schon vorbei und das erste Kind kommt schon in die Schule. Wo sind die Jahre eigentlich geblieben?

Für die Kinder ist das meistens verbunden mit einer gewissen Wehmut, weil man sich von manchen Kindergartenfreunden trennen muss, und mit einer gewissen Erwar­tungshaltung gegenüber der Schule. Man ist stolz, denn man ist jetzt ein Schulkind und gehört nicht mehr zu den Kleinen. Das ist dann schon ein Unterschied für die Schul­kinder. Es kommt aber auch eine gewisse Spannung dazu, manchmal auch eine ge­wisse Ängstlichkeit: Was wird mich erwarten? Wie wird die Lehrerin sein? Wie wird sich der Unterricht gestalten? Werde ich neue Freunde finden? Das sind alles Dinge, die die Kinder in diesem Abschnitt durchleben, und das ist auch eine gewisse Zäsur.

Selbstverständlich sind wir als Eltern, aber auch seitens der Politik aufgerufen, die Kinder dabei bestmöglich zu begleiten, um ihnen diesen Schulstart, ich sage nicht, so leicht wie möglich zu machen, aber für sie selbst doch fließend und einfach zu ge­stalten, wo wir ihnen vielleicht gewisse Ängste nehmen können und ihre Hoffnungen


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 16

und ihre Freude, etwas lernen zu dürfen, unterstützen können. Aber es ist eine ge­wisse Zäsur, und ich glaube, es gehört da eben auch dazu, gewisse Empfindungen auszuhalten. Das sind so diese ersten Schritte, die vorher schon begonnen haben, Schritte, die uns ein ganzes Leben lang begleiten werden, wo man in einer altersange­passten Art und Weise lernt, gewisse Dinge, auch negative Dinge auszuhalten. Das halte ich für das Selbständigwerden der Kinder für absolut notwendig.

Der Kindergarten, sagen wir zu Recht, ist die erste Bildungseinrichtung, in die die Kin­der kommen. Daher brauchen wir natürlich auch bestens ausgebildete Kindergarten­pädagogInnen. Bei der Diskussion über die Akademisierung der Kindergartenpädago­gInnen stelle ich ein wenig in Zweifel, ob es wirklich ein Muss ist, sie zu akademisieren, denn Punkt eins ist es dann immer eine Frage des Geldes: Wer wird das bezahlen?, denn eine akademisierte Kindergartenpädagogin wird einfach, und dies zu Recht, mehr Geld bekommen wollen. Ich finde ohnehin, dass Berufe wie KindergartenpädagogIn­nen zu gering bezahlt sind. Diese leisten wirklich Enormes, bekommen aber einen re­lativ geringen Lohn dafür.

Die BAKIPs, die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik, bilden wirklich sehr gut aus, man kann ja nicht sagen, die bilden schlecht aus. Die bilden wirklich gute Kinder­gartenpädagogInnen aus. Allerdings ist es so, damit hat sich Heide Lex-Nalis bei einer Kindergartendiskussion auch schon beschäftigt, 70 Prozent aller BAKIP-AbsolventIn­nen werden nicht KindergartenpädagogInnen, die meisten gehen an die Universität, andere scheitern an der Matura, und die Dritten machen etwas ganz anderes. Da, hat sie gesagt, stellt sich die Frage, und ich finde, darüber sollte man nachdenken, ob die­se Ausbildung nicht einfach zu früh ist. Die Mädchen sind noch – meistens sind es ja Mädchen, es sind ja leider wenig Burschen – zu jung.

Bei den Kollegs, wenn die Ausbildung berufsbegleitend erfolgt, ist es genau umge­kehrt, da gehen dann die meisten sehr wohl in den Beruf, und nur wenige machen es nicht.

Eine private Schule in Wien hat es schon vor Jahren erkannt und gesagt, es entgehen uns aber trotzdem gute KindergartenpädagogInnen – vielleicht könnte man irgendwann einmal ein kürzeres Wort finden, das ist so lang –, die an der Matura scheitern, obwohl sie gute KindergartenpädagogInnen wären, und hat daher einen Schulversuch gestar­tet und zusätzlich wieder die Fachschule eingeführt, um auch dort gutes Personal aus­bilden zu können.

Aber es scheitert ja nicht nur an diesen Dingen. Warum meiden dann viele diesen Be­ruf? – Das hat auch mit den Arbeitsbedingungen zu tun. Wenn ich eine Gruppengröße von bis zu 25 Kindern wie in Wien habe, dann ist das einfach – das sagen alle Kin­dergartenpädagogInnen, mit denen man spricht – zu viel. 25 Kinder im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen, das ist das Maximum – eine Pädagogin, eine Helferin für 20 Wochenstunden, also nicht einmal Vollzeit. Krippe: 16 Kinder – eine Pädagogin, ei­ne Vollzeithelferin. Und bei den Familiengruppen für die Zwei- bis Sechsjährigen – eine Pädagogin und ein Helfer.

Seit Jahren wird darüber diskutiert, dass diese Gruppengrößen einfach zu groß sind. Wir haben uns noch nicht darüber unterhalten, wie viele Kinder dabei sind, die nicht Deutsch können, denn das ist ja dann noch eine zusätzliche Herausforderung.

Ja, Kollege Köberl hat vollkommen recht gehabt, dass die Kinder Deutsch können müssen, wenn sie in die Schule kommen. Darum haben wir auch immer gesagt: erst Deutsch, dann Schule. Das sind keine, wie es so abgetan worden ist, Ghetto-Klassen, sondern das gibt es auch in anderen Bereichen, dass man Schüler in einem Teil un­terrichtet, in einem anderen Teil sind sie mit ihrer Regelklasse beisammen. Erst dann, wenn das geklappt hat, erfolgt der vollständige Übertritt. Wir halten unsere Forderung nach wie vor aufrecht: erst Deutsch, dann Schule.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 17

Finnland hat eine durchschnittliche Gruppengröße von 21 Kindern, aber da kommt eine Fachkraft auf 7 Kinder, also nicht 25 Kinder oder 20 Kinder, und wir haben eine Pä­dagogin und eine Helferin, sondern pro 7 Kinder eine Fachkraft. In Dänemark ist es pro 10 Kinder eine Fachkraft.

Und dann schauen wir uns das Gehalt an, das ist nämlich die nächste Hürde, wie ich es schon erwähnt habe. Die KindergartenpädagogInnen beklagen zu Recht, dass die Einstiegsgehälter zu gering sind, um attraktiv zu sein. In Wien bewegt sich das Ein­stiegsgehalt zwischen 1 760 € und 1 950 € brutto; man rechne zurück, was netto davon bleibt. In Niederösterreich, und deshalb arbeiten viele WienerInnen in Niederösterreich, bekommt man 2 160 €. Gefordert wird von den KindergartenpädagogInnen ein Ein­stiegsgehalt von 2 200 €. Also Niederösterreich ist da schon relativ nahe daran.

Noch etwas, weil Kollegin Posch-Gruska gesagt hat, dass sie in ihrer Gemeinde einen Pädagogischen Jour fixe eingeführt hat, so hat sie es genannt. Das halte ich für eine wirklich gute Idee. Das ist auch etwas, was bei den Diskussionen immer wieder beklagt wird, dass es keine Zeit für Gespräche gibt. Die LeiterInnen der Kindergärten sagen, ich habe keine Sprechstunde, was aber wichtig wäre. Die Eltern platzen mitten hinein in die Kindergartenarbeit, und ich muss mir dann aber für die Eltern auch Zeit nehmen, also wäre es wichtig, eine Sprechstunde zu haben. Wichtig wäre aber auch der Aus­tausch der PädagogInnen untereinander und dann eben auch mit der Volksschule. Das sollte eigentlich Standard werden, muss ich sagen.

Der nächste Schritt ist, weil es der Übertritt vom Kindergarten in die Volksschule ist, dass wir die beste Lehrerausbildung brauchen. Wenn ich dann aber in der Zeitung lese, dass es zwar einen Aufnahmetest für künftige Lehrer gibt, aber es völlig egal ist, ob man den besteht oder nicht, wenn man ihn nicht besteht, kann man trotzdem sein Studium beginnen, dann muss ich sagen, da läuft aber schon etwas falsch, das kann es ja nicht sein. Und nicht zum ersten Mal verweise ich hier auf Finnland, das ja unser großes Vorbild ist, wenn es um das Thema Gesamtschule geht. Alles andere, was da­mit begleitend einhergeht, wird hübsch beiseitegelassen, wenn man jetzt von den So­zialarbeitern und den Psychologen absieht. Die Finnen haben ein knallhartes Auslese­system, bevor man das überhaupt studieren darf. Eine finnische Bildungswissenschaft­lerin hat bei einer Diskussion gesagt: 8 000 melden sich, 800 werden genommen.

Also da könnten wir uns ja auch einmal etwas abschauen, denn der Kindergarten und die Schule stehen und fallen mit der Ausbildung der Pädagogen. Wenn wir nicht die am besten geeigneten Lehrer nehmen, dann werden wir ewig ein Problem haben, egal, in welche Richtung die Schule reformiert oder nicht reformiert wird. Es steht und fällt mit der Ausbildung der Lehrer. Und wenn jeder Lehrer werden darf, auch wenn er sich gar nicht dafür eignet, dann werden wir nie vom Fleck kommen. Dann wird es auf ewig ein Fleckerlteppich bleiben.

Ich möchte zum Abschluss noch einmal betonen, der erste und wichtigste Punkt ist die Ausbildung, sowohl der Lehrer als auch der Kindergartenpädagogen. Die Ausbildung der Kindergartenpädagogen, ob akademisch oder nicht, halte ich wirklich für sehr gut. Nur die am besten Geeigneten sollen auch Lehrer werden dürfen. Und das steht und fällt mit der Ausbildung. (Beifall bei der FPÖ.)

9.41


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


9.41.09

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Wenn es eine Bildungsdebatte gibt, dann fühlt man sich immer an Vergangenes erinnert, denn diese Bildungsdebatten wieder­holen sich zumeist in einer gewissen Art und Weise. Aber man kann auch einmal über-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 18

rascht werden, denn dass die FPÖ die finnische Gesamtschule als Vorbild bezeichnet, mit dem hätte ich jetzt nicht gerechnet. Aber das zeigt ja auch, dass es überraschende Wendungen geben kann.

In einer interessanten Doktorarbeit – jetzt habe ich den Namen der Akademikerin leider vergessen – wurde neulich festgestellt, dass sich die Schuldebatte und die Bildungs­diskussion im Grunde seit den 1920er Jahren nicht wirklich verändert haben und sich ideologisch ständig im Kreis drehen, dass wir 2014, fast 100 Jahre später, immer noch mit denselben, auch ideologischen Grundwerten, ich sage Ihnen das einmal ganz neu­tral, weiterdiskutieren.

Im Grunde genommen basiert ja diese Debatte auf dem Ergebnis, zu dem man im wunderschönen Schladming gekommen ist, wo die Regierung eine Klausur abgehalten hat und wo dieses 6-Punkte-Programm präsentiert worden ist, wie man eine Bildungs­reform angehen möchte.

Ich fand es sehr mutig. Vor allem fand ich es mutig, etwas ein 6-Punkte-Reformpro­gramm zu nennen, was ohnehin schon seit einem Jahr im Regierungsprogramm steht. Es war ja jetzt in Wirklichkeit nichts Neues. Das fand ich besonders mutig, denn eine Bildungsreform ist das noch nicht. Ganz im Gegenteil! Es ist das, was im Regie­rungsprogramm einmal vereinbart worden ist. Aber immerhin hat sich doch etwas geändert, das muss man auch zugestehen. In welche Richtung sich das ändern wird, das müssen wir natürlich noch abwarten. Es ist das Schicksal der Opposition, sich das – quasi in der ersten Reihe fußfrei – jetzt anschauen zu müssen.

Aber der Ton hat sich verändert, vor allem auch innerhalb der ÖVP, seit es einen Ob­mannwechsel gab, denn das Wort „Gesamtschule“ wurde ja davor noch ziemlich ver­teufelt. Dieses Wort durfte gar nicht in den Mund genommen werden. Ich finde, dass das eine interessante Bewegung ist, dass jetzt mit Mitterlehner sozusagen eine offene Diskussionsbereitschaft besteht und ergebnisoffen diskutiert wird. Dass das eine Zeit braucht, dafür habe ich durchaus Verständnis, denn noch haben wir ja keine neuen In­halte. Wir haben jetzt das, was im Regierungsprogramm steht, sozusagen noch einmal eigens als Bildungsreform verpackt, aber immerhin.

Allerdings war das Ergebnis natürlich auch, dass es noch ergebnisoffen ist und wir noch nicht wissen, wohin der Zug fahren wird. Das Wort „Gesamtschule“ wurde, auch von Ihnen, Frau Ministerin Heinisch-Hosek, in Schladming wohlweislich vermieden – ja das Wort nicht in den Mund nehmen!

Das Dauerthema „tägliche Turnstunde“ möchte ich hier schon noch einmal anspre­chen, weil es noch nicht angesprochen worden ist und weil es auch in Schladming Thema war. Die tägliche Turnstunde soll ja nun kommen, allerdings nur in ganztägigen Schulen. Es weisen allerdings ganz viele Sportwissenschafter und Sportwissenschafte­rinnen darauf hin, dass gerade bei den Kindern, die nur am Vormittag in der Schule sind, nicht gesagt ist, dass diese am Nachmittag deswegen Fußball spielen oder tur­nen. Ganz im Gegenteil! Auch die sitzen ganz gern einmal vor dem Computer. Also fin­den wir diese Einschränkung auf ganztägige Schulen nicht besonders klug, um es ein­mal so auszudrücken.

Aber immerhin, es gibt Bewegung. Vielleicht kann die Akademikerin dann in einer nächsten Arbeit schreiben, dass sich im Jahr 2015 die Diskussionen seit 1920 komplett verändert haben und sich etwas bewegt hat. Ich würde mich freuen, weil Bildungs­politik eigentlich keine Parteipolitik sein darf, sondern im Interesse der Eltern, im In­teresse der Kinder und im Interesse der Zukunft unseres Landes gemacht werden muss, denn Bildung ist keine Ausgabe, Bildung ist eine Investition in die Zukunft.

Da werde ich halt skeptisch, wenn ich mir die Redebeiträge der Vorredner und Vor­rednerinnen angehört habe, weil Bildung immer noch sehr oft kombiniert oder in dem


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 19

Sinne gedacht wird, was Kinder können müssen, anstatt in dem Sinn, wie wir Rahmen­bedingungen schaffen können, dass Kinder Spaß daran haben, Wissen zu lernen, Wissen vermittelt zu bekommen. Wir sollten nicht darüber nachdenken, wie Kinder eine Sprache lernen müssen, sondern, welche Rahmenbedingungen geschaffen werden kön­nen, dass Kinder Lust haben, eine Sprache zu erlernen. Das muss das Wesen sein!

Schulpolitik muss immer dahin gehen, die Lust, Neues zu erfahren, zu fördern, und das ist bei jedem Kind anders. Solange wir das nicht begreifen, kommen wir in der Bil­dungspolitik nicht weiter. Natürlich braucht dies gewisse Rahmenbedingungen. Wir ha­ben hier zum Beispiel immer das Problem mit den Geburtsdaten. Die Herbstgeborenen und die danach Geborenen kommen in eine Klasse, liegen aber eigentlich ein Jahr auseinander. Wir haben natürlich auch das Problem, und das wissen wir, dass Kinder, wenn sie mit sechs Jahren in die Volksschule kommen, zu einem erheblichen Grad, teilweise viele Jahre, auseinanderliegen, nicht in wirklichen Jahren, sondern in Reife­jahren, weil Kinder mit völlig unterschiedlichem Background in die Schule kommen.

Manche können schon Englisch, und manche können noch nicht einmal basteln. Man­che können super Deutsch schreiben, manche müssen das erst lernen. Das ist indi­viduell auf jedes Kind anzupassen, weil man kein einziges Kind – wirklich: kein einzi­ges Kind! – in der Schule zurücklassen darf! Diese individuellen und unterschiedlichen Entwicklungen haben natürlich auch mit dem sozialen Hintergrund der Familie zu tun.

Es ist übrigens ein Irrtum, anzunehmen, dass das immer mit Migrationshintergrund ver­bunden ist, es hat mit dem sozialen Hintergrund zu tun. Es gibt nämlich viele Kinder von Migranten und Migrantinnen, die sehr gut Deutsch können, einfach weil es auch ein Selbstverständnis in der Familie ist, dass Bildung etwas Gutes ist, so wie es auch österreichische Familien gibt, die, wie man leider sagt, „bildungsfern“ sind. Ich mag dieses Wort nicht, ein unangenehmes Wort, aber ich habe jetzt auch gerade keine Al­ternative parat.

Was wir verhindern müssen – man verzeihe mir den Ausdruck, aber in diesem Fall ist es ein guter Ausdruck –, ist, dass Kinder mit sechs Jahren schon sozusagen die „Arschkarte“ des Lebens gezogen haben, wo mit sechs Jahren schon das ganze Leben vorgezeichnet wird, welche Schullaufbahn sie in Zukunft haben werden, ob sie bil­dungsfern oder bildungsnah sind, wie es dann so schön heißt.

Wir sind der Meinung, Schulen müssen flexibler werden. Gerade die Volksschulen müssen wesentlich flexibler werden, um diese unterschiedlichen Bedürfnisse wahrzu­nehmen. Die Kinder zu separieren ist aus unserer Sicht ein falscher Weg. Segregation ist das Gegenteil von Inklusion und Integration. Segregation bedeutet erst recht wieder diese A-Karte, weil eine Durchmischung auch immer mehr Austausch, mehr soziale Kompetenz bedeutet. Das halten wir für enorm wichtig.

Wir sind der Ansicht, dass man die sogenannte Vorschule und die ersten zwei Volks­schulklassen komplett neu organisieren müsste. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür sind schon seit 1999 und 2000 da, aber die organisatorische Umstrukturierung noch nicht. Wenn man eine Art Grundstufe schaffen würde, die die Vorschule und die ersten zwei Volksschulklassen miteinander verbindet, schafft man ungemein viele Vor­teile.

Kinder, die zum Zeitpunkt der Schuleinschreibung noch nicht schulreif sind, haben wäh­rend dieser flexiblen Schuleingangsphase die Möglichkeit, Defizite aufzuholen und das regulär zu durchlaufen, ohne dass sie gleich Klassen wechseln müssen oder Sonsti­ges. Kinder mit Problemen in der Unterrichtssprache haben durch so ein flexibles Mo­dell viel Zeit, Sprachen zu lernen, Deutsch zu lernen, aber auch ihre eigene Mutter­sprache zu lernen. Der Vorteil für Schulen in sozialen Brennpunkten ist, dass es eine stärkere Durchmischung in den Klassen gibt und damit auch die soziale Kompetenz gesteigert werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 20

Auch im ländlichen Bereich ergibt sich dadurch ein Vorteil, denn dort können nämlich derzeit aufgrund geringerer Schüler- und Schülerinnenzahlen die benötigten Vorschul­klassen oft nicht eröffnet werden. Bei diesem integrativen Modell einer Grundstufe sind zusätzliche Ressourcen für individuellen Förderunterricht möglich. Für hochbegabte Kinder wäre es ein Vorteil, denn sie können von der ersten in die zweite Volksschul­klasse wechseln, ohne Lehrinhalte zu verpassen und ohne sich an neue Mitschüler und Mitschülerinnen gewöhnen zu müssen, und können in dem bekannten Freundes­kreis weiterlernen.

Herbstgeborene Kinder – das habe ich schon angesprochen – haben einen Vorteil, und im Grunde genommen haben auch die Lehrer und Lehrerinnen einen Vorteil, wenn ih­nen dafür mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, was dringend notwendig ist.

Das sind sieben Streiche, sieben Win-win-win-win-win-win-win-Situationen. Wir werben für dieses Modell, und ich meine das gar nicht parteipolitisch, weil wir keinen ideologi­schen Streit in der Bildung haben wollen, sondern das Beste für die Kinder. Wir sind der Meinung, ein flexibles Grundstufenmodell wäre so ein Modell. – Danke schön. (Bei­fall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.51


Präsidentin Ana Blatnik: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich die Frau Bun­desministerin für Bildung und Frauen zu Wort gemeldet. Auch ihre Redezeit soll 10 Mi­nuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


9.51.33

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsi­dentin! Hoher Bundesrat! Ich habe jetzt viele Stichworte aufnehmen dürfen, die mir Gelegenheit geben, meine einleitenden Bemerkungen zu machen. Zunächst freue ich mich, dass wir heute das Thema auf „Schulstart NEU“ fokussieren, denn wir stellen doch fest, dass sich in den letzten Jahren das Thema Bildung immer wieder um die Zehn- bis Vierzehnjährigen gedreht hat.

Ich glaube, dass es wichtig ist, diese Entideologisierung Gesamtschule/gemeinsame Schule versus Gymnasium auch ein bisschen zu verlagern, und ich stehe nicht an zu sagen, dass ich als Sozialdemokratin nach wie vor für die gemeinsame Schule eintrete und zu ihr stehe. Ich glaube – und das ist nicht meine Erfindung, sondern ich habe es gelesen und weiß es aus diversen praktischen Ergebnissen anderer Länder, aber auch aus Studien heraus –, dass die Durchmischung auch in dieser Altersgruppe, wie sie auch auf natürliche Art und Weise bei Sechs- bis Zehnjährigen in der Volksschule er­folgt, etwas Gutes ist, wovon alle profitieren, und dass es nicht gut ist, wenn eine Schü­lerInnenkohorte den Elfenbeinturm nie verlässt und die anderen sich nie in den Genuss dieser Durchmischung begeben können.

Das heißt, wir sind ein Stück weit zu den Kleineren heruntergerückt – und das ist gut so. Daher danke noch einmal für diese heutige Aktuelle Stunde. Auch einige Stichwor­te, die ich vorhin aufgenommen habe, nämlich „Lust“ und „Spaß“, möchte ich verwen­den, weil ich glaube, dass wir uns immer wieder vor Augen führen müssen, dass Kin­dern noch immer sehr, sehr viel angetan wird. Ich habe am Wochenende mit einer Freundin gesprochen, die am AKH in der Kinder- und Jugendpsychiatrie arbeitet. Es ist für uns unvorstellbar, was Säuglingen und Kleinkindern angetan wird, was Kinder an Repressionen, an Verletzungen physischer und psychischer Art zum Teil in die Kinder­gärten, in die Schulen mitbringen, die dann aber Tag für Tag funktionieren sollen. Wir Erwachsene sind ja auch nicht Tag für Tag gleich gut drauf. Dieses Begegnen von Menschen und dieses Aufeinander-Rücksicht-Nehmen, das wird manches Mal zur Sei­te geschoben, aber es bestimmt dennoch unseren Alltag.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 21

Die Pädagogik hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt, denn vor 250 Jahren gab es den Begriff der Kindheit überhaupt noch nicht. Mit Kindern wurde umgegangen wie mit kleinen Erwachsenen, sind sie verstorben, sind sie halt verstorben. Man hat mit ihnen gemacht, was man wollte. Das heißt, diesen Begriff der Kindheit und das Ver­ständnis dafür, dass kleine Menschen etwas Besonderes sind und auch besonderer Zuwendung bedürfen, gab es nicht. Zudem möchte ich auch noch diese Phasen der „schwarzen Pädagogik“ erwähnen, wo wir alle nachlesen können, was Kindern an Ver­letzungen zugefügt wurde und wird, damit sie funktionieren.

Wenn ich heute noch immer höre, dass manche sagen: Das, was uns nicht geschadet hat, wird ja wohl für die heutigen Kinder auch gut genug sein!, nämlich zu fünfzigst in einer Klasse zu sitzen und im Frontalunterricht unterrichtet zu werden, dann, muss ich sagen, bin ich froh, dass sich die Pädagogik gewandelt hat, dass wir uns Kindern heute anders zuwenden. Dennoch gibt es immer noch viele Kinder – ich habe es eingangs mit diesem Beispiel aus dem Krankenhaus erwähnt –, die zugerichtet werden, und ich sage bewusst: zugerichtet. Und immer noch ist die vorherrschende Meinung: Na ja, das, was im Elternhaus nicht geschieht, muss die Schule reparieren! Ganz so sehe ich es natürlich auch nicht, wissend, dass die Schule heutzutage einen hohen, auch ge­sellschaftspolitischen und individuell politischen Anspruch erfüllen muss, den die Fami­lie nicht leisten kann. Das heißt, dass die Anforderungen an das österreichische Bil­dungssystem anders sind. Sie sind riesig und sehr herausfordernd.

Wenn wir mit dieser Schuleingangsphase NEU die Entwicklungsphasen der Kinder zwischen dem fünften und siebten Lebensjahr mehr bedenken – mit „Schulstart NEU“ haben wir es auf der Regierungsklausur umschrieben –, dann, so meine ich, trägt das ein Stück weit dazu bei, dass nicht nur Pädagogen und Pädagoginnen besser zueinan­der finden können, sondern dass auch die Eltern zu anderen Bildungspartnern und part­nerinnen werden können, indem sie diesen pädagogischen Nutzen erkennen.

Man darf nicht vergessen, es geht nicht nur um unterschiedlich ausgebildete Erwach­sene, die hier zusammenkommen sollen und im Portfoliosystem oder im Pensenbuch­system Dinge über die Kinder erfahren, die sie übernehmen, auch woher sie kommen. Es geht auch darum, dass man versucht, in diesen 35 Netzwerkprojekten unterschied­liche Systeme zusammenzubringen, denn so föderal, wie wir strukturiert sind, so unter­schiedlich sind hier auch die Gesetzeslagen. Der Bund macht ein Grundsatzgesetz, die Länder verabschieden ihre Durchführungsgesetze. Wir haben zum Beispiel fast neun verschiedene Regelungen für Pflichtschulinspektoren und ‑inspektorinnen in den Bun­desländern, um nur ein Beispiel zu nennen, das heute nicht Thema sein soll. Aber auch die neun Kindergartengesetze machen natürlich keinen bundesweiten Qualitäts­rahmen, den wir auch im Regierungsprogramm festgeschrieben haben.

Ich finde das schon bemerkenswert, neu und von neuer Qualität – vielleicht auch damit zusammenhängend, dass sich beim Koalitionspartner der Begriff der Bildung als sehr wichtiger Begriff, der vorher auch wichtig war, aber jetzt unter dem neuen Herrn Vize­kanzler umso mehr, herausgebildet hat –, dass die Kleinen, auch die verschiedenen Phasen betreffend, in den Fokus gerückt werden und die Erwachsenenbildung gestärkt wird. Gerade diese Woche ist im Ministerrat die Initiative Erwachsenenbildung verab­schiedet worden, die nächsten drei Jahre sind finanziell abgesichert. Also wir schauen schon, dass von Anfang an möglichst die beste Bildung an unsere Kinder, aber auch an erwachsene Menschen herangetragen wird.

Hier weht ein neuer Wind. Das ist gut so, dass wir gemeinsam diese drei Jahre so be­trachten, dass man sagt, wir schauen jeweils vom Entwicklungsstand der Kinder her, wie sich die Kinder individuell, auch in welchem Tempo, weiterentwickeln, und dem wollen wir Rechnung tragen. Es ist zu kurz gegriffen zu sagen, Deutsch vor Schulein­tritt muss sein. Wir wollen aber, und zwar gemeinsam in der Koalition, in der Bundes-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 22

regierung, schauen, dass möglichst viele Kinder bei Schuleintritt die Bildungssprache Deutsch beherrschen. Daher sind die Fördermittel für die Sprachförderung aus der Integration, die 45 Millionen, großteils für die Volksschule, aber auch für den Kindergar­ten als Einheit zu sehen.

Die Bildungsziele aus dem Charlotte Bühler Institut sind heranzuziehen, die wissen­schaftliche Begleitung durch das BIFIE für diese Netzwerkprojekte ist heranzuziehen, um zu schauen, ob man nicht im Schuljahr 2016/17, also übernächstes Jahr, ausgerollt auf ganz Österreich, diese Schuleingangsphase NEU gemeinsam für alle Kinder anbie­ten kann.

Wir werden in den nächsten beiden Jahren lernen. Es ist ja nicht so, dass wir heuer begonnen haben. Die Sprachclusterbildungen haben schon im letzten Schuljahr be­gonnen, wo auch ganz viele Kindergärten und Schulen mitmachen. Das heißt, wir ha­ben uns auf den Weg gemacht und wollen mit modernen pädagogischen Anforderun­gen Kinder dort abholen, wo sie stehen, sie so gut wie möglich individuell begleiten, um dann mit dem siebten Lebensjahr sagen zu können, so um die dritte und vierte Klasse in der Volksschule, dass sie jetzt für andere Dinge frei sind, damit die Kinder mit zehn Jahren so fit sind, dass ihnen jeder Weg offensteht, solange es noch diese Trennung gibt, die ich im Moment als Mitglied dieser Bundesregierung natürlich zu akzeptieren habe.

Es soll nicht als Streit aufgefasst werden, wenn der Westen sagt, wir sind für Mo­dellregionen. Ich habe immer gesagt: Das kann ich mir vorstellen. Aber wir haben jetzt eine neue politische Arbeitsgruppe, die wir gerade zwischen Bund und Ländern ini­tiieren wollen. Es ist nämlich auch eine große Abstimmung zwischen Bund und Län­dern – ich habe das föderale System genannt – erforderlich, wie wir mit dieser Form der Modellregion umgehen wollen. Es muss geklärt werden, ob man ein Gesetz ändern wird müssen. Jetzt ist es ja schon möglich, dass man AHS-Unterstufen auch in das System der Neuen Mittelschulen einbezieht. Wir werden also auch gemeinsam ent­scheiden, wie wir das in Zukunft gestalten, und daher ist es, glaube ich, gut, dass wir uns auf diesen neuen bildungspolitischen Weg gemacht haben.

Es wurde heute auch schon gesagt: Erst Deutsch und dann Schule. – Ich glaube, wenn wir den Aspekt „Deutsch vor Schuleintritt“ intensivieren und wenn wir nicht nur den Sprachstand feststellen, sondern den gesamten Entwicklungsstand eines Kindes, was mir sehr wichtig ist, dann kann man auch die unterschiedlichen Stärken, aber auch Schwächen besser erkennen. Wir wollen quasi möglich machen, dass die unterschied­lichen PädagogInnen mit dem Einverständnis der Eltern miteinander auch über die Kin­der sprechen können und den Kindern so einen sanften Übergang ermöglichen.

Es beginnt dann nicht etwas ganz anderes, aber es ist sehr aufregend, wenn mit sechs die Schulreife festgestellt wird, und daher wollen wir den Kindern zwei Jahre Zeit ge­ben und mit fünf schon beginnen, um festzustellen, auf welchem Stand sie sich befin­den. Es gibt nämlich Kinder – das wurde auch schon gesagt –, die mit fünf Jahren oh­ne Weiteres lesen können, andere Kinder hingegen brauchen bis zum siebten Lebens­jahr, bis alle Buchstaben für sie präsent sind und auch das sinnerfassende Lesen be­herrscht wird.

In dieser Hinsicht glaube ich, dass diese Netzwerkprojekte und dieser Schulstart NEU das Ihre dazu beitragen können, und darüber bin ich sehr froh, weil sich dann der wei­tere Bildungsweg von Kindern auch besser gestalten lässt. Er ist einfacher darstellbar und nicht so stark mit Stress verbunden, wie wir es jetzt oft in der vierten Volksschule erleben. Oft können Eltern noch nicht gut genug überzeugt werden, wie der weitere Weg der Kinder mit zehn Jahren ausschauen kann. Daher meine ich, dass auf die ge­plante Weise der Weg in der entscheidenden Schuleingangsphase so gestaltet werden


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 23

kann, dass viele Ängste abgebaut werden, dass aber auch viel Informationsdefizit, das jetzt noch vorhanden ist, beseitigt werden kann.

Die anderen Bereiche, die wir in Schladming diskutiert haben, bringen sehr wohl sehr neue Wege, wie wir aufgezeigt haben. – Ich darf in einem kurzen Ausflug noch sagen, dass wir im Moment drei Formen der ganztägigen Schule vorfinden, nämlich die Halb­tagsschule mit Hortbetreuung, die Ländersache ist, die Halbtagsschule mit Bundes­nachmittagsangeboten, wobei das Geld vom Bund kommt, und die verschränkte ganz­tägige Schule, bei der die Abwechslung zwischen Lernzeiten und Freizeiten in den Stun­denplänen vorgegeben ist.

Diese letzte Form wird noch am wenigsten in Anspruch genommen. Für die beiden an­deren Formen nehmen wir viel Geld in die Hand, um auch Bildungsnachteile auszuglei­chen und vor allem für Eltern Vereinbarkeitsfragen zu lösen und auch einen Benefit an­zubieten, dass sie ihre Kinder nicht mit teurer Nachhilfe durch die Schulzeit bringen müssen, sondern dass vieles quasi während des Tages am Arbeitsplatz für die Schü­lerinnen und Schüler beziehungsweise von diesen, aber auch von den Lehrerinnen und Lehrern erledigt werden soll. Diesbezüglich haben wir noch einen gewissen Nachhol­bedarf. So geht es etwa auch um die Frage der unterschiedlichen Schulerhalterschaft, in den Ländern sind es die Kommunen, beim Bund geschieht das durchs Ressort selbst. Außerdem entsprechen viele Gebäude halt nicht den modernsten Anforderun­gen. Aus diesem Grund ist es natürlich eine Herausforderung, die Arbeitsplatz‑ bezie­hungsweise Schulraumgestaltung so zu forcieren, dass die Bedingungen für alle glei­chermaßen gut sind.

Ich durfte in den letzten zwei Wochen einige hochmoderne neue Bildungscampussys­teme besuchen. So etwas hätten wir uns, wie wir da sitzen, wahrscheinlich in unserer Kindheit auch nicht vorstellen können! Da gibt es „Marktplätze“, um die herum Bil­dungsräume mit Glaswänden gestaltet sind, wo alle allen anderen beim Arbeiten zuse­hen können. Im Hinblick darauf wurde mir erzählt, dass es zu Beginn ziemlich viele Bedenken gab, was geschieht, wenn man einander beim Arbeiten ständig sieht, und ob da nicht der Eindruck entstehen könnte, dass da zu wenig getan wird. Pädagoginnen und Pädagogen haben mir jedoch erzählt, dass man es nach zwei, drei Tagen als normal empfindet, dass man einander sieht, denn man trifft sich ja auch jeden Tag in den gleichen Gruppen. So kann beispielsweise ein Kind auf dem Bauch liegend seine Rechenaufgaben erledigen, es kann in der Kuschelecke etwas gelesen werden, oder es findet Frontalunterricht im klassischen Sinn statt, wobei der Lehrer oder die Lehrerin vorne stehen und die Kinder neues Wissen aufnehmen. Ich glaube nämlich, gerade die Mischung macht es aus!

Die Schulraumgestaltung ist auch ein Beispiel dafür, dass sich die schon bestehende Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgenommen hat, sich die Schulautonomie, die Schul­raumgestaltung, die Personalverwaltung, die Schulverwaltung an sich vorzuknöpfen – wenn ich das so sagen darf –, um uns quasi zuzuarbeiten, die wir uns in einer neuen politischen Runde mittelfristige Ziele setzen wollen. Wir haben sehr viele Bildungsziele in Österreich. Es geht jetzt aber vor allem darum, diese zusammenzuführen und fest­zustellen, was wir in wie vielen Monaten und Jahren erreichen wollen.

Abschließend möchte ich festhalten: Im Bereich der Bildung kann man nicht von einem Schuljahr ins andere messen, wie sich etwas verändert hat. Dieser Prozess erstreckt sich zumindest über eine ganze Alterskohorte, über vier Schulstufen, erst dann sieht man ein Ergebnis. Wir sehen auch an den PISA-Ergebnissen und an den Schul‑ und Bildungsstandards, die wir auch im nächsten Jahr fortsetzen wollen, dass man an gro­ßen internationalen Vergleichen durchaus teilnehmen kann, die nicht nur die Wissens­abfrage, sondern auch sehr viel Soziales beinhalten, dass man im Ländervergleich


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 24

vom Investieren her sieht – die sozialindizierte Ressourcensteuerung wurde heute schon erwähnt –, wie die Ressourcen gesteuert und verteilt werden.

All das soll uns Anlass geben, unser Bildungssystem nicht nur an andere moderne Systeme anzupassen, sondern auch in einer für uns selbst zugeschnittenen Form wei­terzuentwickeln. Ich meine, diesbezüglich haben wir in Schladming neue Schwerpunk­te gesetzt. Einiges davon steht wohl schon im Regierungsprogramm, neu ist aber das Tempo, und darüber freue ich mich sehr. Wir wollen uns jetzt nicht fünf Jahre Zeit las­sen bis 2018, um das eine oder andere aus dem Programm umgesetzt zu haben, son­dern wir wollen demnächst auch sagen, was wir schon fürs nächste Schuljahr legis­tisch aufbereiten können – auch das wird den Hohen Bundesrat dann als Gesetzes­vorlagen passieren –, damit wir mit dem einen oder anderen Punkt schon nächstes Schuljahr beginnen können. Da gibt es beispielsweise ein Autonomiepaket und so weiter.

Abschließend meine ich, dass wir gemeinsam ein gutes Commitment haben, wie es im Bildungssystem weitergehen soll: Es soll vor allem rasch weitergehen, und wir müssen bei den Kleinen beginnen, damit später im Sinne der Kinder negative Überraschungen vermieden werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.07


Präsidentin Ana Blatnik: Ich danke dir, geschätzte Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer und Teil­nehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Reich. Ich erteile ihr dieses.

 


10.08.09

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Nach vielen wertvollen Details, die wir schon gehört haben, möchte ich jetzt noch einmal ganz kurz zurückkommen auf das Allgemeine dieses „Schulstart NEU“.

Im Regierungsprogramm hat sich die österreichische Bundesregierung mit der Bundes­ministerin für Bildung und Frauen ambitionierte Ziele mit qualitativen Bildungsangebo­ten für die Österreicherinnen und Österreicher in allen Lebensabschnitten gesetzt. Das 6-Punkte-Programm, das ja schon erwähnt wurde, reicht von der Elementarbildung bis zur Erwachsenenbildung.

Wir beschäftigen uns heute mit dem „Schulstart NEU“, dem Übergang vom Kinder­garten zur Grundschule, und das beginnt mit der Bildung bei den Kleinsten. Unter der Prämisse, die Kinder so früh wie möglich gezielt zu fördern und den Schritt in die Volksschule harmonisch und ohne großen Druck zu gewährleisten, werden hierbei Akzente gesetzt, die den Kindergarten und die Volksschule näher zusammenrücken lassen, um den Bildungsstart für die Kleinsten so optimal wie möglich zu gestalten.

Dieses Arbeitsprogramm konzentriert sich in den Kernpunkten auf eine qualitätsvolle Kinderbetreuung und auf die elementare Bildung, auf die Stärkung der Elementar­pädagogik und des Kindergartens als Bildungseinrichtung und auf das Übergangs­management vom Kindergarten zur Volksschule. Mit dieser sogenannten neuen Schul­eingangsphase soll auch eine Stärkung der Volksschulen einhergehen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das verpflichtende letzte Kindergartenjahr und die ersten beiden Volksschuljahre sollen nun in der Schuleingangsphase mit klaren Bil­dungszielen zusammengefasst werden. In diesem Abschnitt wird ganz besonders auf


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 25

die individuelle und ganzheitliche Förderung der Kleinsten eingegangen: Sie werden in ihrer individuellen Entwicklung und bei ihren persönlichen Lernprozessen unterstützt.

Genau wie Kollegen Schreuder, der jetzt nicht da ist, ist auch mir persönlich ein posi­tiver Zugang zum Lernen sehr wichtig. Wir alle wissen aus wissenschaftlichen Stu­dien, dass die ersten Wochen der Lernerfahrung in der Institution Schule – soweit ich in Erinnerung habe, sind es die ersten acht Wochen – die Einstellung zum Lernen für das ganze Leben prägen. Kinder, die in dieser Phase positive Erfahrungen machen, werden im ganzen Leben positiv zum Lernen eingestellt sein. Und genauso sieht es natürlich auf der anderen Seite aus.

Es ist mir auch wichtig, dass der Leistungsdruck, damit die Kinder dann in die richtige Schule gehen können, der jetzt schon immer früher beginnt, verringert wird. Deshalb sind wir auch so sehr dafür, dass die Kinder nicht mit zehn Jahren getrennt werden. Wir machen diese Erfahrung in unseren Schulen: Es fängt immer früher an. Kinder werden schon in der dritten Klasse der Volksschule stark unter Druck gesetzt, damit sie dann den Übergang in das berühmte Gymnasium schaffen. Es ist aber für die per­sönliche Lernerfahrung ganz wichtig, dass dieser Leistungsdruck für die Kleineren weg­fällt.

Ziel dieses Arbeitsprogramms ist es aber auch, neben kognitiven, motorischen, körper­lichen, emotionalen und sozialen Aspekten – das haben auch meine Vorredner schon besprochen – die Aspekte der sprachlichen Entwicklung besonders zu berücksichtigen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Eine durchgängige Sprachförderung fördert die Bil­dungssprache Deutsch, nutzt aber auch die Potenziale der Mehrsprachigkeit, denn auch das ist wissenschaftlich fundiert und erwiesen: Nur Kinder, die ihre Muttersprache gut beherrschen, haben die Chance, andere Sprachen gut zu erlernen.

Mit diesem Programm werden nun auch Maßnahmen gesetzt, die die Entwicklung der Sprach‑ und Lesekompetenz bereits im Kindergarten fördern, und durch die neue Schul­eingangsphase erfolgt eine enge Verknüpfung mit der Schule. Kinder mit Sprachförder­bedarf werden intensiv unterstützt, damit sie diese Eingangsphase erfolgreich ab­schließen können. Dafür nimmt die Bundesregierung viel Geld in die Hand – das hat auch Kollege Köberl schon betont – und unterstützt mit 45 Millionen aus den Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Frauen und des Bundesministeriums für Euro­pa, Integration und Äußeres diese Projekte.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aber auch den Eltern wird ein pädagogisches und organisatorisches Angebot gemacht: Durch bessere Zusammenarbeit wird ihnen für den gemeinsamen Übergang Unterstützung angeboten.

Diese ehrgeizigen Ziele werden in einem Stufenplan ab diesem Schuljahr an 35 Stand­orten in Österreich umgesetzt, in Oberösterreich in Weyer und in Kronstorf, und zwei Schulen machen auch in der Gemeinde von Bürgermeister Jachs, in Freistadt, mit, was uns Oberösterreicher natürlich ganz besonders freut. Ab 2016 sollen diese an allen ös­terreichischen Grundschulen umgesetzt sein. Dabei wird auch großes Augenmerk auf die Fort‑ und Weiterbildung der PädagogInnen gelegt werden.

Dieser „Schulstart NEU“ orientiert sich natürlich an den Grundsatzzielen des Bundes­ministeriums für Bildung und Frauen, welche eine allgemeine Erhöhung des Bildungs­niveaus in Österreich und eine Verbesserung der Chancen und Geschlechtergerech­tigkeit beinhalten.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es sind dies ambitionierte Ziele für unsere Kleinsten, und das ist natürlich auch ein spannendes Programm für die Pädagoginnen und Pädagogen im Kindergarten und in der Grundschule sowie eine große Unter-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 26

stützung für die Eltern und die Kinder. Ich wünsche allen viele positive Erfahrungen und alles Gute für die Umsetzung! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.14


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Stöckl. Ich erteile ihr dieses.

 


10.14.25

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Kinder sind unsere Zu­kunft. Die Voraussetzung für einen guten Start ins Leben beziehungsweise Berufsle­ben ist eine gute Bildung beziehungsweise Ausbildung, und diese Ausbildung beginnt bei unseren Kleinsten. Unser Auftrag lautet, Kinder so früh wie möglich gezielt zu fördern, Schwächen und Stärken jedes Einzelnen zu erkennen und ihnen vor allem den Übergang vom Kindergarten in die Schule einfacher zu gestalten.

Ich spreche wirklich aus eigener Erfahrung. Ich bin Mutter von drei Töchtern im Alter zwischen 10 und 21 Jahren, und ich habe schon diverseste Modelle miterlebt, seien es die klassischen Vorschulblätter im Kindergarten, sei es die Vorschule oder das Modell, dass man für die ersten zwei Volksschulklassen eben drei Jahre benötigen darf, und, und, und.

Um diesen Übergang vom Kindergarten in die Schule zu vereinfachen, müssen die Kindergärten und Schulen einfach näher zusammenrücken, und wichtig dabei ist das Miteinander zwischen Eltern, Kindern, KindergartenpädagogInnen und Volksschulleh­rerInnen. Es gibt schon einige Initiativen beziehungsweise Modelle, die in die richtige Richtung arbeiten.

Ganz spontan fällt mir dazu die Portfolio-Arbeit in Niederösterreichs Landeskindergär­ten ein: Das Portfolio ist eine Mappe, die beim Kindergarteneintritt von den Pädago­gInnen angelegt wird und in welcher die Werke und Arbeiten der Kinder in Zusam­menarbeit mit den Eltern gesammelt werden. Anhand dieser Mappe kann man dann die Entwicklung der Kinder mit‑ und rückverfolgen, Stärken und Schwächen erkennen und dementsprechend individuelle Förderungen veranlassen. Mit der Portfolio-Arbeit wird die Einzigartigkeit eines jeden Menschen hervorgehoben.

Dann gibt es ein Übergangsportfolio für die Schule, das sichtbar macht, welche Stär­ken und Interessen das Kind hat, über welche Kompetenzen es verfügt und welche Lernstrategien es nutzt. Zurzeit entscheiden in Niederösterreich die Eltern noch selbst, ob sie diese Informationen an die Schule weitergeben oder nicht.

Was ich natürlich im Zusammenhang mit dem „Schulstart NEU“ noch erwähnen möch­te, sind die Einschreibefeste, die schon in vielen Gemeinden auf Initiative der Kinder­gartenpädagogInnen, des Lehrpersonals und der Eltern beziehungsweise der Eltern­vereine stattfinden: Die Familien beziehungsweise die Kinder, die das letzte Kindergar­tenjahr besuchen, werden im Mai vor Schuleintritt in die Schule eingeladen. Die Kinder beziehungsweise Familien und die PädagogInnen verbringen gemeinsam einen Nach­mittag miteinander. Es gibt Spiele-Stationen, und so hat man die Möglichkeit, dass die Kinder beziehungsweise die Eltern die LehrerInnen kennen lernen und umgekehrt. – Ich betone es noch einmal: Das Miteinander von Eltern, Kindern, VolksschullehrerIn­nen und KindergartenpädagogInnen und das gegenseitige ständige Feedback sind das Um und Auf für einen guten Schulstart.

Nicht vergessen möchte ich auch die Sozialpädagoginnen und -pädagogen, die einen Großteil der Kinder am Nachmittag in Horteinrichtungen betreuen.

Wir haben es heute schon gehört, aber es ist mir trotzdem wichtig, das noch einmal zu erwähnen: Ein wichtiges Kriterium ist natürlich auch das Sprachverständnis. Dort, wo


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 27

es notwendig ist, soll ein zweites Kindergartenjahr verpflichtend sein. Denn nur wenn man die Sprache versteht, ist man in den Klassenverband integriert und kann dem Un­terricht folgen.

Noch ein Punkt ist mir als Physiotherapeutin und Hobbysportlerin wichtig: Wir müssen neue Möglichkeiten schaffen, um mehr körperliche Aktivitäten in den Unterricht zu inte­grieren. Man muss sich vorstellen: Die Kinder kommen vom Kindergarten in die Schule und müssen dann dort den ganzen Vormittag im Sitzen verbringen. Ich meine, das ist eine enorme Umstellung für die Kinder. Die Kinder brauchen Bewegung, die Kinder be­wegen sich gerne, sie bewegen sich physiologisch. Und leider verlernen sie den phy­siologischen Bewegungsablauf im Laufe der Schulzeit durch zu wenig Aktivitäten. Bewegung und körperliche Aktivitäten erleichtern auch das Lernen, das ist erwiesen. Bewegung macht den Kopf frei.

Öffnen wir die Schulen für Vereine, damit die tägliche Bewegungseinheit in jeder Schu­le Realität wird! Öffnen wir die Schule für Freizeit‑ und SportpädagogInnen! Bewegung kann jetzt schon einfach in den Unterrichtsalltag integriert werden. Ich denke zum Beispiel an labile Sitzgelegenheiten. Es gibt bereits Ergometerklassen in Niederöster­reichs Schulen. Es gibt viele Möglichkeiten, um Bewegung in den Unterricht zu inte­grieren. Viele Ansätze bestehen bereits. Es geht einfach um eine Optimierung und flä­chendeckende Umsetzung.

Die Schuleingangsphase ist zentraler Schlüsselpunkt für eine optimale Schullaufbahn, aber die Individualität jedes Kindes steht im Vordergrund, und es ist unser Ziel, die Stärken und Schwächen herauszufinden und die Kinder optimal zu begleiten.

Wie gesagt: Wichtig ist die optimale Zusammenarbeit zwischen Kindergartenpädago­gInnen, VolksschullehrerInnen, SozialpädagogInnen, Eltern und Kindern.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der gemeinsame Weg ist das Ziel, und wir sind auf dem richtigen Weg. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.19


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Bundesrat Dörfler. Ich erteile ihm dieses.

 


10.20.05

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Dober dan, Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Ganz besonders darf ich heute aber auch eine Gratulation aussprechen. Frau Kollegin Schreyer, herzliche Gratulation! Du bist ja seit einigen Wo­chen Mama. Deine kleine Valerie ist mit dem Papa draußen und sehr brav, ich habe das gerade eben überprüfen können. Das zeigt, wie gut die Vereinbarkeit eines politi­schen Berufes mit der Familie funktioniert, wenn der Papa da auch mitspielt. Das ist auch als ein Aufruf an viele andere Väter zu verstehen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Ich bin kein Bildungsideologe, sondern ein Bildungsprak­tiker, im Bereich der Kinderbetreuung war ich zwölf Jahre Kinderbetreuungsreferent im Bundesland Kärnten. Frau Bundesminister, für mich ist das ja fast eine Erbschaft,
die Sie heute antreten. Wir haben in Kärnten mit dem Schul- und Kinderbetreuungs-
jahr 2008/9 das verpflichtende Vorschulkindergartenjahr eingeführt und auch per Ge­setz die Verpflichtung zur Zusammenarbeit Kindergarten – Schule. Das ganze letzte Kindergartenjahr, die ganze Schuleingangsphase wird in Kärnten schon per Gesetz er­folgreich die so sinnvolle Kooperation gelebt. Das ist eine Bestätigung dafür, dass wir damals schon erkannt haben, dass viele Defizite im Bildungsbereich leider bereits im Vorschulalter stattfinden.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 28

Zur ÖVP muss ich sagen: Sie hat dazugelernt. Damals hat sie noch unter heftigen Pro­testen dagegen gestimmt. Die ÖVP hat in Kärnten gegen den verpflichtenden Vor­schulkindergarten gestimmt, sie hat ihn „Zwangstagskindergarten“ genannt. – Auch das dazu.

Wir brauchen keine Ideologie im Bereich der vorschulischen Bildung und im Bereich der Bildung allgemein, sondern wir brauchen Praktiker. In diesem Zusammenhang sa­ge ich aber auch dazu: Marco, ich habe ein Problem mit deinen Auswüchsen oder mit deinen Formulierungen, die du hier ab und zu von dir gibst. Nämlich: Wenn Kinder hier herinnen sind und davon gesprochen wird, dass „die Arschkarte gezogen“ wird, dann ist das, finde ich, nicht unbedingt ein Vorbild. Wenn wir hier im Plenum mit Worten um uns werfen, die vielleicht nicht so gut ankommen, dann ist das, wie gesagt, kein Vorbild. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Nein, oder Lust. Wenn ich sage „Spaß am Lernen“, dann gefällt mir das auch ganz gut, wobei ich wirklich der Meinung bin, dass Freude und Spaß haben in der Schule nicht verboten sein darf. Dafür braucht es aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen, die sicher auch für die Päda­goginnen und Pädagogen verbessert werden müssen.

Wo dringend ein nicht mehr akzeptierbares Defizit per Rahmengesetz verändert wer­den muss, Frau Bundesminister, ist mit Sicherheit beim Betreuungsschlüssel in den Kinderbetreuungseinrichtungen, den wir wesentlich verbessern müssen, wie es auch Lex-Nalis sagt. Ein Betreuungsschlüssel von 8 zu 1, wie es ihn in manchen Wiener Krippen gibt, ist nach Meinung eines Neurobiologen eine Form von Kindesmisshand­lung. Das ist eine sehr drastische Formulierung. Ich sehe es nicht so drastisch, aber Faktum ist, dass es eine massive Überlastung im Bereich der Kinderbetreuung gibt. Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie 25 Kinder mit einer Kindergartenpädagogin und einer Hilfskraft täglich zu betreuen haben und daneben auch noch vorschulische Lern­inhalte und Bewegungsinhalte vermitteln sollen!

Das ist in der Praxis undurchführbar. Versuchen Sie einmal, drei Kinder eine Woche lang alleine zu betreuen, als Papa oder als Mama, dann werden Sie sehen, dass Sie ziemlich viel Stress haben, und werden froh sein, dass sie wieder in die Kinderbetreu­ung kommen oder dass Sie von Oma, Opa oder Papa Unterstützung bekommen.

Das heißt, wir haben die große Aufgabe, die Betreuungsqualität auch in der Weise noch zu verbessern, dass die Betreuungsschlüssel per Gesetz – und das sollte ein na­tionales Rahmengesetz sein, Frau Bundesminister – entsprechend verbessert werden.

Zum Zweiten: Die Entlohnung im Kinderbetreuungsbereich ist wirklich nicht mehr zeit­gemäß. Ich habe hier aus einem österreichischen Magazin aktuelle Zahlen. Daraus ein paar Beispiele: Eine junge Kinderbetreuerin in Wien, eine Frau Julia K., 25 Jahre jung, hat ein Anfangsnettogehalt von 1 106 € und verdient nach zehn Jahren laut aktuellem Kollektivvertrag 1 253 €. (Ruf bei der ÖVP: Wie viele Stunden?) Es geht da um Ganz­tagsarbeit, lieber Herr Kollege, und das, was sie bekommt, ist nicht viel mehr als die Mindestsicherung. Es ist eigentlich im Grunde genommen unzumutbar, dass man für hochkarätige Bildungsarbeit, die im Kindergarten geleistet wird, mit Löhnen, die, wie gesagt, etwas höher als die Mindestsicherung sind, abgespeist wird. Das sage ich ab­sichtlich so drastisch.

Ein weiteres Beispiel: Eine Gabriele E., 60 Jahre, Tagesmutter. Sie betreut Gruppen von fünf Kindern und hat ein Nettogehalt von 1 247 €. Wenn sie noch zehn Jahre ar­beiten würde – das wird sie mit 60 nicht tun –, dann würde sie 1 325 € bekommen.

Oder: Eine Manuela K., Kindergartenfachpädagogin, Gruppenleiterin, bekommt für ihre Tätigkeit 1 438 € netto. Nach zehn Jahren wird sie nicht einmal 100 € mehr haben, näm­lich 1 511 €.

Das heißt, das sind zwei Bereiche, die auch hinsichtlich des Grundes noch vertieft zu betrachten sind, warum es in der Kinderbetreuung keine Männer gibt: da anscheinend


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 29

nur Frauen bereit sind, zu diesen Rahmenbedingungen zu arbeiten – was zwar groß­artig, aber nicht mehr zeitgemäß ist. Daher müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass im Bereich der Kinderbetreuung, aber auch im Bereich der Schule Bildungsangebote für Männer verstärkt werden.

Nun zum Thema „Bewegung in der Schule“. Wir haben in Kärnten den ersten Bewe­gungskindergarten Österreichs, und zwar unter Professor Hans Holdhaus, installiert. Und wir haben auch mit dem Institut für Bildung und Betreuung eine spezielle Aus­bildung für BewegungskindergärtnerInnen wissenschaftlich erarbeitet. Das heißt, in je­dem Kindergarten ab zwei Gruppen hat eine Kindergartenpädagogin eine zusätzliche Bewegungskindergartenausbildung. Auch das haben wir mit Professor Holdhaus entwi­ckelt.

Das heißt: Wenn man Kindergarten, Schule und Bildung nicht ideologisch betrachtet, sondern praktisch ans Werken geht, dann kann man auch viel umsetzen und errei­chen. Für mich ist das nichts Neues. Ich freue mich, dass es endlich auch österreich­weit umgesetzt wird. Und es ist schön, dass die ÖVP ein bisschen dazulernt und der Marco Schreuder die „Arschkarte“ nicht zieht. (Beifall bei der FPÖ.)

10.25


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. Ich erteile ihr dieses.

 


10.26.11

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause vor dem Livestream! Frau Ministerin, Sie sind ja nicht nur für Bildung zu­ständig, sondern Sie sind auch Ministerin für Frauen, und genau diese Verknüpfung ist nicht zufriedenstellend. Es ist ja kein Zufall, dass jetzt so viele meiner VorrednerInnen den Punkt „Kinderbetreuung“ im Zusammenhang mit Schule angesprochen haben. Sie haben das selbst auch schon kurz angesprochen. Beim Übergang vom Kindergarten zur Volksschule ist leider dieser Punkt noch total unterentwickelt, nämlich die Verein­barkeit von Beruf und Familie. Ich selbst bin Betroffene, daher kann ich jetzt meine Si­tuation stellvertretend wahrscheinlich für den Großteil Österreichs schildern. Vor allem ist davon der ländliche Raum sehr stark betroffen, aber auch in den Städten ist die Si­tuation nicht viel besser.

Die Kinderbetreuung im Kleinkindalter wird immer besser ausgebaut. Es gibt auch auf dem Land oft die Möglichkeit für ganztägige und ganzjährige Betreuung. Beim Einstieg in den Kindergarten schaut es dann schon viel schlechter aus. Vor allem in ländlichen Regionen gibt es noch viel zu wenig Angebote für ganztägige und ganzjährige Betreu­ung. Und wenn es zum Umstieg vom Kindergarten in die Volksschule kommt, dann ist wirklich fast keine Möglichkeit vorhanden – auch da wieder vor allem auf dem Land –, dass es Nachmittagsbetreuung oder Ferienbetreuung gibt.

Es schaut so aus: Wenn nicht alle Omas und Opas einspringen, worauf unser System in Österreich einfach viel zu sehr als Selbstverständlichkeit vertraut, dann wird es schwierig. Während Mann oder vor allem Frau recht gut arbeiten gehen kann, solange das Kind noch klein ist und in die Kinderkrippe geht, ist es dann, wenn das Kind in den Kindergarten kommt, so, dass man wahrscheinlich seine berufliche Tätigkeit reduzie­ren muss, weil einfach die Betreuung nicht mehr dementsprechend gegeben ist. Und wenn das Kind dann eingeschult wird, muss man noch einmal im Beruf reduzieren und kann wahrscheinlich nur mehr am Vormittag arbeiten gehen, weil Mann beziehungs­weise Frau halt nur fünf Wochen Urlaub hat und die Schließzeiten aber meistens zwölf Wochen im Jahr ausmachen und sich das halt einfach nicht ausgeht.

Ich habe einige Leute im Bekanntenkreis, die nicht auf Omas und Opas zurückgreifen können, weil Oma und Opa selbst noch berufstätig sind oder nicht vor Ort wohnen, und


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 30

diese Familien nehmen sich teilweise nur eine einzige Woche gemeinsam einen über­greifenden Familienurlaub und den Rest getrennt, damit sie die Schließtage irgendwie abdecken können. Wer jetzt mitgerechnet hat, weiß, dass ich jetzt erst bei neun Wo­chen bin. Der Rest verlangt sehr, sehr viel Flexibilität, Zeitausgleich, Ferienlager, Nach­barinnen, die einspringen, und so weiter, und das ist wirklich sehr mühsam. Es ist die Wahlfreiheit dann auch nicht mehr gegeben, nämlich die Möglichkeit, sich dazu zu entschließen, im Berufsleben oder zu Hause zu bleiben. Oft ist es so, dass ich zu Hau­se bleiben muss, weil es sich anders nicht vereinbaren lässt. Und was das alles für Al­leinerzieherInnen bedeutet, liegt auf der Hand, das brauche ich, glaube ich, gar nicht mehr näher auszuführen.

Sie haben, Frau Bundesministerin, vorhin schon gesagt, dass die Frage der Betreu­ungsform in den Schulen nicht nur den Bund, sondern auch die Länder betrifft. Da kann ich an Sie als Bildungs- und vor allem Frauenministerin nur appellieren, sich auch in den Ländern vermehrt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Schulstart starkzumachen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.29


Präsidentin Ana Blatnik: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch einmal die Frau Bundesministerin für Bildung und Frauen zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhal­ten.

 


10.29.49

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsi­dentin! Hoher Bundesrat! Ich werde die Zeit unterschreiten, ich möchte nur ganz kurz einige Klarstellungen machen und Ergänzungen vornehmen, weil vorhin hier etwas Un­ruhe herrschte.

Zum Ersten: Wir alle wissen, mit „schwarzer Pädagogik“ war nicht die ÖVP gemeint. Nie! Das ist ein Begriff, der sich etabliert hat. Alice Miller hat ihn in ihren Publikationen immer wieder verwendet, indem sie schilderte, wie Kinder zugerichtet, diszipliniert und verletzt wurden und welche Persönlichkeiten sich dann daraus historisch entwickelt ha­ben. Das wurde hauptsächlich in den Werken Alice Millers beleuchtet.

Zum Zweiten: Bewegung und Sport. – Selbstverständlich haben wir im Rahmen des genannten 6-Punkte-Programms vor, für Sportvereine und auch für andere Vereine jene Schulen, die Nachmittagsbetreuung anbieten, zu öffnen. Wir wollen beispielswei­se denjenigen, die die Bundessportakademie absolviert haben, einen kleinen Pädago­gikteil zukommen lassen. Die können dann am Nachmittag eine Stunde Bewegung an­bieten. Das müssen nicht nur Freizeitpädagogen und -pädagoginnen sein, die auch Sport in ihrer Ausbildung inkludiert haben. Ich stelle mir vor – und das werde ich auch legistisch vorbereiten lassen –, dass in ganztägigen Schulen jeden Tag zumindest eine Stunde Sport stattfinden muss. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

In Schladming wurde das in der Volksschule so festgelegt: In der starren Stundentafel 3-3-2-2, also erste Klasse drei Stunden Sport, zweite Klasse drei, dritte Klasse zwei, vierte Klasse zwei; in der autonomen Stundentafel zwischen einer und vier Stunden Sport. Ich will, dass die starre Stundentafel nicht unterschritten werden darf, ich will nicht, dass nur eine Stunde Bewegung in der Woche in der Volksschule ermöglicht wird, sondern dass zumindest das, was jetzt im Gesetz steht, stattfindet. Bei der fest­gelegten Stundentafel soll nicht unterschritten werden dürfen.

Wir wollen uns auch dahin gehend entwickeln, dass auch in der Volksschule mehr Be­wegung angeboten wird. Der Sportminister hat vor, die Positionen der Bewegungs-Coaches mit mehr Geld zu versehen, damit sie zusätzlich zur Pädagogin in der Volks­schule auch die kleinen Einheiten lehren, unterrichten beziehungsweise den Pädago­gInnen beibringen können, damit sie das auch zwischendurch machen können. Wir ha-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 31

ben allerdings ein Problem: Unter Elisabeth Gehrer wurde die Gesamtstundentafel der Volksschulen von 92 auf 90 Stunden reduziert, für alle vier Schulstufen, und ich kann jetzt nicht so mir nichts, dir nichts wieder die Stundentafel um zwei oder mehr Stunden erhöhen, weil ich die finanziellen Mittel dafür nicht habe. Unverbindliche Übungen kön­nen angeboten werden, aber das ist auch so eine Sache: Wer meldet sich, wer nimmt das in Anspruch, und wie können mehr Bewegungseinheiten etabliert werden? Auch das ist zu diskutieren. Dem werden wir uns in der Koalition widmen.

Nun zum Thema Elementarpädagogik, die auch angesprochen worden ist. Der Bund hat da Vorarbeiten geleistet, und zwar ist es möglich, im Rahmen der PädagogInnen­bildung Neu einen Schwerpunkt Elementarpädagogik zu wählen, den auch zu stu­dieren und dann theoretisch im Kindergarten zu arbeiten, entweder als Bachelor oder als Master. Nur: Wir brauchen dafür noch die Durchführungsgesetze in den Ländern, denn zurzeit kann nur jemand, der eine BAKIP absolviert hat, als Kindergartenpäda­gogin arbeiten, aber nicht jemand, der aus der PädagogInnenbildung Neu kommt, mit der nächstes Jahr begonnen wird, und zwar in allen Regionen Österreichs, und die in vier oder fünf Jahren abgeschlossen sein wird. Vielleicht sind wir dann so weit, der Bund und die Länder gemeinsam, dass man dann auch als Bachelor oder Master im Kindergarten arbeiten kann, zumindest als Leiter oder Leiterin. Da beginnen wir ja schon Leiter und Leiterinnen weiterzubilden – Leiterinnen; Leiter gibt es keine –, so­dass diese dann masterwertige Abschlüsse haben.

Was die Entlohnung betrifft, die der Herr Ex-Landeshauptmann Dörfler vorhin ange­sprochen hat: Sie wissen auch, dass die Entlohnung Sache der Länder ist und dass aufgrund der neun verschiedenen Gesetze die Dienstrechte auch sehr unterschiedlich sind. Die einen zahlen mehr, die anderen weniger. Wien hat – das möchte ich jetzt wertneutral feststellen – seine Erhöhungen angepasst, denn eine Zeit lang sind meh­rere KindergartenpädagogInnen nach Niederösterreich abgewandert, weil dort ihre Tä­tigkeit besser bezahlt wurde. Ich glaube, das ist mittlerweile beigelegt.

Diese Föderalisierung und die neun unterschiedlichen Gesetze gehen auch einher mit dem, was die Kollegin von den Grünen gesagt hat, nämlich elf Wochen Schließung versus vier Schließtage. Hier haben wir ein West-Ost-Gefälle, das mir auch nicht ge­fällt. Und den Bundesrahmen, der im Regierungsprogramm fixiert ist, hätte ich auch gern schnell umgesetzt, damit wir in allen Bundesländern die gleichen Bedingungen haben.

Auch die Vereinbarkeitsfrage sind wir angegangen. Ich bin auch der Meinung, dass alle Menschen, Männer oder Frauen, die als Tageseltern arbeiten, nicht nur sozialrechtlich abgesichert sein sollen, sondern auch entsprechend entlohnt werden sollen, denn von den Stundenlöhnchen, die es da gibt, kann man nicht leben. Wenn ein Kind krank ist, verliert man sogar noch diese drei Euro. Außerdem hat man da eine große pädago­gische Verantwortung.

Wie gesagt: Wir haben uns auf den Weg gemacht, aber es gibt da noch etliches zu tun. Ich hoffe, dass es bei dieser neuen Kombination – ich habe in den letzten Monaten so oft wie noch nie mit den Ländern Kontakt gehabt und versucht, gemeinsame neue Wege zu beschreiten – so weitergehen möge und dass wir in den nächsten Sitzungen des Bundesrates schon über Fortschritte berichten können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.35.43Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2789/AB-BR bis 2806/AB-BR un


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 32

d

der Schreiben betreffend Amtsenthebung und Ernennung von Bundesministern und Staatssekretären

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Mit Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz werden der Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger, die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures und der Bun­desminister für Gesundheit Alois Stöger, dipȏmé beziehungsweise gemäß Art. 74 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 78 Abs. 2 B-VG die Staatssekretäre im Bundesministe­rium für Finanzen Mag. Sonja Steßl und Mag. Jochen Danninger durch den Herrn Bundespräsidenten ihres Amtes enthoben.

Gleichzeitig werden gemäß Art. 70 Abs. 1 B-VG der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitterlehner zum Vizekanzler, Alois Stöger, diplȏmé zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Dr. Johann Georg Schelling zum Bundesminister für Finanzen und Dr. Sabine Oberhauser, MAS zur Bundesministerin für Gesundheit beziehungsweise gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbin­dung mit Art. 78 Abs. 2 B-VG Mag. Sonja Steßl zur Staatssekretärin im Bundeskanz­leramt und Dr. Harald Mahrer zum Staatssekretär im Bundesministerium für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft durch den Herrn Bundespräsidenten ernannt.

Weiters ergingen Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten ge­mäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen

über ein Abkommen der Republik Österreich und Japan im Bereich der Sozialen Si­cherheit und

über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Minis­terrat von Bosnien und Herzegowina über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur, Bildung, Wissenschaft, der Jugend und des Sports sowie

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt der Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner und der Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek am 9. Oktober (nachmittags) sowie des Bundesministers für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter am 9. Oktober 2014 (abends) in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, wobei die Bundesministerin Jo­hanna Mikl-Leitner durch die Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin-Schaller vertreten wird, die ebenfalls in den Mitteilungen gem. § 41 Abs. 1 der Geschäftsord­nung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlos­sen werden, enthalten sind.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

(Liste der Anfragebeantwortungen siehe S. 5)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung von zwei Bundesministern und einer Bundesministerin gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG sowie einer Staatssekretärin und eines Staatssekretärs gemäß Artikel 74 Abs. 3 iVm Artikel 78 Absatz 2 B-VG und gleichzeitige Ernennung von zwei Bundesministern und einer Bundesministerin gemäß Artikel 70 Absatz 1 B-VG sowie einer Staatssekretärin und eines Staatssekretärs ge­mäß Artikel 70 Absatz 1 iVm Artikel 78 Absatz 2 B-VG:


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 33


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 34

*****


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 35

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 36


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 37


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 38


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 39


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 40

*****


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 41

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 42


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 43

*****


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 44

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weiters gebe ich bekannt, dass Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt

des Bundesministers für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling vom 9. bis zum 12. Oktober 2014 in Washington bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupp­rechter mit dessen Vertretung sowie

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz vom 8. und 9. Oktober 2014 in Serbien bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter eingelangt sind.

*****

Eingelangt sind die nachstehend genannten Berichte, die wie folgt den genannten Aus­schüssen zur Vorberatung zugewiesen wurden:

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2012 und Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbe­richt 2013 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie,

Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grüner Be­richt 2014) und

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2015 gemäß § 9 LWG 1992, zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft.

Diese vier genannten Berichte bilden bereits Tagesordnungspunkte in der heutigen Sit­zung.

Weiters eingelangt und zur Vorberatung zugewiesen wurden:

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbe­richt 2013), zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten,

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2013, zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus,

Außen- und Europapolitischer Bericht 2012 der Bundesregierung und

Außen- und Europapolitischer Bericht 2013 der Bundesregierung, zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Berichte, die jeweils Gegenstände der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

*****

 


10.40.01

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vermisse auf


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 45

dieser Tagesordnung eine Vorstellung der neuen Regierungsmitglieder und möchte na­mens der freiheitlichen Fraktion anmerken, dass ich es äußerst befremdlich finde, dass es die neuen Regierungsmitglieder nicht der Mühe wert finden, sich der Länderkammer zu präsentieren.

Ich halte das für eine Respektlosigkeit der zweiten Kammer gegenüber. Wir brauchen uns über Bundesratsreformen gar nicht zu unterhalten, wenn seitens der Regierung keinerlei Respekt gegenüber der Länderkammer zu erkennen ist. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und ÖVP.)

10.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Bundesrat Kneifel, bitte.

 


10.40.48

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Mei­ne sehr geschätzten Damen und Herren! Wir sind von der Bundesregierung und vom Bundeskanzleramt per Schreiben vom 1. September 2014 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass es eine Veränderung in der Bundesregierung gegeben hat. Ich stelle ausdrücklich fest, dass ich persönlich auch Initiativen und Anstrengungen unternom­men habe, dass eine derartige Vorstellung der Bundesregierung in diesem Hause, in der Länderkammer stattfinden soll.

Bei aller Unterschiedlichkeit der in diesem Haus vertretenen Parteien – ideologische Unterschiede, programmatische Unterschiede, Unterschiede in der Arbeitsweise und im Zugang zu bestimmten Themen – gibt es auch und soll es in diesem Haus auch ei­nen gewissen Grundkonsens über die parlamentarischen Usancen und über die par­lamentarischen Gewohnheiten geben, die sich – auch zum Wohle der Vertretung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger – im Parlament breitgemacht haben.

Wir können natürlich sagen, es genügt, dass uns die Information in schriftlicher Form zugeleitet wurde und der Präsident das verlesen hat. Es ist auch die Regierung nicht gezwungen, sich hier vorzustellen. Sie hat offensichtlich ihre Gründe gehabt, das so zu machen – wir haben das den schriftlichen Informationen auch entsprechend entnom­men –, aber für die Zukunft wünsche ich mir schon, dass bei solchen Veränderungen in der Bundesregierung auch die zweite Kammer, der Bundesrat aus erster Hand infor­miert wird und dass die einzelnen Regierungsmitglieder die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen zumindest ansatzweise auch hier zu präsentieren. (Allgemeiner Beifall.)

Es gibt auch so etwas wie Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung von Exekutive und Legislative. – Das wäre ein Zeichen der Wertschätzung und ein Zeichen des Re­spekts gewesen. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass das wieder Platz greift. Ich will nicht so weit gehen und sagen, ich erteile der Regierung einen Ordnungsruf – das steht mir nicht zu, das kann nur der Präsident machen –, aber in diese Richtung habe ich meinen Beitrag verstanden. Ich denke, das gebieten unsere Selbstachtung und un­sere Wertschätzung dem demokratischen System gegenüber. (Allgemeiner Beifall.)

10.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ebenfalls zur Geschäftsordnung zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


10.44.07

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Mühlwerth! Lieber Kollege Kneifel! Ich kann eure Ausführungen nur vollinhaltlich unterstützen. Ich empfinde es ebenso als eine Missach­tung der Länderkammer, wenn die neuen Mitglieder der Bundesregierung sich nicht vorstellen und uns ihre Vorhaben nicht präsentieren. (Bundesrat Kneifel: Der Landes­wirtschaftsminister ist ausdrücklich ausgenommen! – Beifall bei der ÖVP.) – Selbstver-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 46

ständlich! Alle, die heute da sind, sind natürlich ausgenommen; es kommt ja noch je­mand.

Trotz alledem glaube ich, dass wir unser Missfallen – ich glaube, wir können im Namen aller sprechen – auch der Bundesregierung mitteilen werden; wir werden das natürlich über die Präsidiale machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und FPÖ.)

10.45

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 sowie 4 und 5 unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Fristsetzungsantrag

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich be­kannt, dass die Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen einen Fristset­zungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstattung über den An­trag 198/A-BR/2014 der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und wei­tere Gesetze geändert werden, eine Frist bis 6. November 2014 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Da weiters die Durchführung einer Debatte gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung über diesen Antrag beantragt wurde, lasse ich hierüber sogleich abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Durchführung einer Debatte über den genannten Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Durchführung einer Debatte über den Fristsetzungsantrag ist somit nicht angenommen.

Verlangen auf Durchführung einer Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 2803/AB-BR/2014

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass das gemäß § 60 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Ver­langen der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen vorliegt, eine Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 2803/AB-BR/2014 der Anfrage 3029/J-BR/2014 an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport durchzuführen.

Im Sinne des § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung verlege ich die Besprechung der An­fragebeantwortung an den Schluss der Sitzung, jedoch nicht über 16 Uhr hinaus.

10.47.321. Punkt

Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grü­ner Bericht 2014) (III-530-BR/2014 d.B. sowie 9236/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 47

2. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2015 gemäß § 9 LWG 1992 (III-531-BR/2014 d.B. sowie 9237/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kom­men zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den beiden Punkten ist Herr Bundesrat Reisinger. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


10.47.50

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Berichte über die beiden zur Verhandlung stehenden Tagesordnungspunkte liegen Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Zu Tagesordnungspunkt 1: Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Oktober 2014 den Antrag, den Bericht über die Si­tuation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft – kurz: Grüner Bericht 2014 – zur Kenntnis zu nehmen.

Zu Tagesordnungspunkt 2: Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Oktober 2014 den Antrag, den Bericht der Bun­desregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2015 gemäß § 9 LWG 1992 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Zur Durchführung der Debatte über diese Berichte begrüße ich sehr herzlich Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


10.49.01

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Leben auf dem Land wird härter, so könnte man grundsätzlich die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft deuten. Ab­gesehen davon, dass Polizeiinspektionen schließen, es wenig Kinderbetreuung und andere Probleme – der Wirt sperrt zu, die Pfarren werden nicht mehr voll besetzt –, al­so eine dramatische Entwicklung im ländlichen Raum gibt, ist natürlich die Entwicklung der Landwirtschaft im Spannungsfeld dieser Problematik zu sehen.

Ich habe versucht, neben dem Grünen Bericht des Bundes auch sehr speziell die Ent­wicklung der Kärntner Landwirtschaft zu analysieren – da gibt es ja auch einen Grünen Bericht, der in etwa zeitgleich mit dem Bericht des Bundesministers vorgelegt wurde –, und beziehe mich kurz auf die Kärntner Entwicklung.

2013 gab es ein Minus von 8 Prozent – Dürre und Futterpreise als Gründe –, für Bio­bauern gab es erfreulicherweise ein Plus, das ist sehr positiv zu bewerten. Der durch­schnittliche Kärntner Bauer hat es schwer: Er erzielte 2013 nach Gegenüberstellung von Ertrag und Aufwand ein Bruttojahreseinkommen von 21 069 € pro Betrieb, das sind um 7,6 Prozent weniger als 2012. Verglichen mit dem Dreijahresmittel 2010 bis 2012 war 2013 sogar ein Minus von 15 Prozent festzustellen, das ist schon eine durch­aus bedenkliche Entwicklung. Das zeigt eben der Grüne Bericht des Landes.

Die Beiträge für die Sozialversicherung nahmen mit 5 641 € pro Jahr im Vergleich zum Dreijahresmittel um 11,2 Prozent zu. Das heißt, einerseits weist die Einkommensent-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 48

wicklung eine dramatische negative Spirale auf und andererseits ist die Kostenent­wicklung steigend – wie zum Beispiel betreffend Sozialversicherung der Bauern, aber auch Preise für Futtermittel, wenn diese nicht selbst erzeugt werden, Treibstoffpreise, Reparaturpreise, Anschaffung von Geräten und so weiter. Das ist ein Problem, das die Situation der Landwirtschaft natürlich nicht unbedingt positiv beeinflusst.

Das zeigt sich auch in der Entwicklung der Anzahl der förderfähigen Betriebe in Kärn­ten. Im Jahr 2013 gab es 163 Betriebe weniger als 2012, im Jahr 2000 zählte man noch 14 274 Höfe. Das heißt, in 13 Jahren ist die Anzahl der förderfähigen Betriebe von 14 274 auf 11 600 zurückgegangen. Wenn man der Prognose für die nächsten Jahre diese Basiszahl gegenüberstellt, dann sieht man, dass wir in Kärnten jedenfalls weniger als 10 000 förderfähige bäuerliche Betriebe haben werden. Das ist für den ländlichen Raum eine weitere dramatische Aushöhlung. Das ist kein Vorwurf, Herr Mi­nister, das ist einfach eine Entwicklung, die ich schon auch beleuchten möchte.

Es gibt aber – wenn ich die aktuellen Medienberichte der letzten Wochen deute und interpretiere – noch weitere Probleme. Sie konnten die Milchquotenpönale in Brüssel nicht verhindern. Wir fördern zwar Atomkraftwerke – gegen die Sie sich erfreulicher­weise aussprechen, wie man heute lesen kann, und gegen die die Republik auch Rechtsmittel ergreifen wird –, aber gleichzeitig bürdet man den österreichischen Bau­ern 29 Millionen € Pönale auf.

Nächstes Problem: Einheitswert. Das stellt für die landwirtschaftlichen Betriebe natür­lich eine sorgenvolle Entwicklung dar, und die Bauern haben tatsächlich auch Überle­benssorgen, wenn man das so sagen kann.

Nächstes Problem: Am 9. September wurde in einer Kärntner Zeitung groß berichtet: „Kleinbauern ohne Arbeitslosengeld“. Das soll jetzt zwar saniert werden, aber so weit darf es ja gar nicht kommen, dass bäuerliche Existenzen gefährdet werden, kleinbäuer­liche Betriebe, die darauf angewiesen sind und nur durch nebenberufliche Einkünfte, mit dem Zusatzeinkommen durch die Arbeit beim Schilift im Winter und – das hat jetzt nichts mit Arbeitslosigkeit zu tun – durch das Angebot von Urlaub am Bauernhof, das sich in Kärnten sehr gut entwickelt, im Sommer überleben und sicherstellen können, dass der Betriebe überhaupt aufrechterhalten werden kann.

Es darf einfach nicht sein, dass es in Österreich überhaupt soweit kommen kann, dass irgendwelche gerichtlichen Instanzen derartige „Unverständnisentscheidungen“ tref­fen – da sind ja nicht immer alle verständlich und logisch, das muss man auch einmal dazusagen; die Herren im Talar machen sich’s oft sehr leicht, und wir müssen dann wieder sanieren, und erfreulicherweise ist ja hier eine Sanierungsankündigung vorhan­den – und Betrieben, die ohnedies täglich einen massiven Überlebenskampf führen, die damit kalkulieren, ein Nebenerwerbseinkommen und damit auch Anspruch auf Ar­beitslosengeld zu haben, das streichen. Das ist, wie gesagt, sicher nicht in Ihrem Sinne, Herr Bundesminister, nehme ich an, aber letztendlich ist das eben auch ein Pro­blem für die Landwirtschaft.

Die Grundsteuererhöhung wird auch als sehr problematisch gesehen, wobei ich über­haupt warne, da momentan eine Partei der Bundesregierung massiv auf dem Trip „neue Steuern“ unterwegs ist; die andere verteidigt erfreulicherweise die Fleißigen. Ich hoffe, die ÖVP wird hier standhaft bleiben, denn auch die Erhöhung der Grundsteuer wäre ein massiver Eingriff – nicht in die Kassen der Millionäre, die können sich das schon leisten. Aber ich weigere mich, darüber nachdenken zu müssen, dass Häusl­bauer, die ohnedies oft Jahrzehnte dafür investieren, fleißige Arbeiter – ein Appell an die SPÖ – und Angestellte mit wenig Einkommen, die jahrelang nichts anders tun als dafür Sorge zu tragen, ein Dach über dem Kopf zu haben, die ohnehin schon vieles – ich habe es schon einmal aufgezählt – an Steuern und Abgaben zu zahlen haben, am


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 49

Ende des Tages auch noch durch eine Erhöhung der Grundsteuer beglückt werden; das gilt übrigens auch für die Landwirtschaft. Dazu kommt von uns ein klares Nein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

Die aktuelle Situation, der Importstopp Richtung Russland ist für die Landwirtschaft na­türlich ein Problem. Ich weiß nicht, Herr Bundesminister, wie das mit den Äpfeln ist, ich habe ein kleines Problem damit, wenn man dann im Handel, wie man liest, steirische Kartons mit Äpfeln aus Italien findet. Das darf, bitte, nicht sein, da muss man dem Handel – die Bauern sind ja nicht die Täter – auf die Finger klopfen! Wenn ich im Han­del Speck kaufe, dann erwarte ich mir als Konsument, dass dieser Speck beziehungs­weise das Schweinchen zumindest in Österreich produziert worden ist, und wenn ein steirischer Apfel im Karton drinnen sein soll, dann erwarte ich mir, dass er auch drin­nen ist. Das ist auch ein Appell, den ich als Konsument an die Verantwortung des Han­dels richten muss und dort, wo es notwendig ist, durchaus auch an den Gesetzgeber, das auch entsprechend zu verschärfen.

Die Sanktionen Russlands sind natürlich auch ein Problem. Herr Bundesminister, ich habe diese Frage auch schon im Ausschuss gestellt – ich bin immer auf der Seite der österreichischen Bauern –: Ich frage mich wirklich, welche Schäden wir uns antun, wenn andere Kriege führen, ob es da immer gescheit ist, sich an diesen Boykottmaß­nahmen zu beteiligen, wenn dann bei MAN 2 000 Männer in Kurzarbeit sind und wenn die österreichischen Bauern ihre hochwertigen Produkte nicht verwerten können. Man hört aber, dass österreichisches Fleisch über Serbien nach Russland geroutet wird. Ist das ein Gerücht?

Im Ausschuss wurde mir jedenfalls bestätigt, dass es diesen Umweg gibt; ich würde das auch unterstützen, nur halte ich dies nicht für notwendig. Das zeigt ja nur, dass Sanktionen ziemlich blauäugig gemacht werden. Man klatscht mit Brüssel mit und ist bei Sanktionen streng, die aber in Wirklichkeit in der Praxis nicht funktionieren. Also ös­terreichisches Fleisch braucht keinen Umweg über Belgrad, um nach Moskau zu kom­men, das sollte in Zukunft auch direkt möglich sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den Almfutterflächen: Ich habe jene Familie, über die wir hier schon gesprochen ha­ben, nicht kontaktiert. Ich hoffe, Herr Bundesminister, dass dieses Problem wirklich so gelöst werden wird, dass am Ende des Tages, zumindest wenn der Schnee kommt, wie von Ihnen versprochen, dieses Thema erledigt ist. Die Bauern haben kein Ver­ständnis dafür, dass eine Einrichtung bei verschiedenen Kontrollen zu verschiedenen Ergebnissen kommt. Als Bauer muss ich mich einfach darauf verlassen können, dass diese Prüfinstrumente funktionieren.

Das heißt, wenn man den Bericht und vor allem die aktuellen Berichte, die ich den Medien entnommen habe, studiert und liest, dann muss man feststellen, dass die Sor­gen nicht kleiner geworden sind, dass die Sorgen der Landwirtschaft größer geworden sind und dass damit auch die Sorgen um den ländlichen Raum größer geworden sind. Damit zeigt sich, dass dieser Bericht auch die Probleme aufzeigt.

Wir werden auf der Seite der Bauern stehen und als auf der Seite der Bauern stehende Partei den Bericht zwar pro forma in die Hand nehmen, ihn aber nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Preineder. – Bitte.

 


10.58.00

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Da-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 50

men und Herren! Ich darf fast nahtlos an die Ausführungen des Kollegen Dörfler an­schließen. Es ist kein Erfolgserlebnis für die Landwirtschaft, die Landwirtschaft erlebt harte Zeiten, und der Grüne Bericht 2014 bringt das klar zum Ausdruck. Es ist vielleicht auch ein Signal, wenn wir diesen Grünen Bericht vor dem Bericht der Volksanwalt­schaft und dem Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht diskutieren, weil die Landwirt­schaft volkswirtschaftliche Leistungen erbringt, gemeinwirtschaftliche Leistungen er­bringt und diese auch öffentlich abgegolten werden sollen, müssen und dürfen.

Ich darf grundsätzlich einmal all jenen Danke sagen, die für die Erstellung dieses Grü­nen Berichtes verantwortlich zeichnen, weil er immer wieder, Jahr für Jahr ein klares Messinstrument dafür ist, wie es der Landwirtschaft, wie es den Bäuerinnen und Bau­ern geht. Wir haben ein Minus von durchschnittlich 6 Prozent für das Jahr 2013 – ge­genüber 2012 – zu verzeichnen. Wenn man jetzt bedenkt, dass es – Gott sei Dank – Betriebe wie die Dauerkulturbetriebe gibt, die ein Einkommensplus von 17 Prozent ha­ben, die Bergbauern‑, die Biobetriebe, die auch ein Plus von 2 Prozent aufweisen, dann weiß man, um wie viel eklatanter ein Durchschnitt von minus 6 Prozent bei jenen Betrieben ankommen muss, die im Bereich Marktfrucht tätig sind, oder auch bei den sogenannten Veredelungsbetrieben.

Wenn wir uns das Durchschnittseinkommen in der Landwirtschaft anschauen, dann ist es laut Grünem Bericht pro Arbeitskraft mit 20 236 € – und das ist ein Bruttobezug – für das Jahr 2013 beziffert. Dividiert man das durch 14 Monate, dann ist das ein Nettoein­kommen von unter 1 000 €.

Geschätzte Damen und Herren, das sollte uns, wie ich meine, allen bewusst sein, wenn wir über Einkommen und Erfolge innerhalb der Landwirtschaft reden, und das führt natürlich dazu, dass im vergangenen Jahr 2 300 Betriebe aufgegeben wurden und sich aus diesem Bereich verabschiedet haben. Keine erfreuliche Bilanz, besonders deshalb, wenn wir vielleicht zwei Zahlen vergleichen: Ein Minus von 6 Prozent beim Einkommen steht einem Minus von 5 Prozent bei den öffentlichen Geldern seitens der EU, des Bundes und des Landes gegenüber. Diese öffentlichen Mittel in der Höhe von über 2 Milliarden € im Jahr, die sehr hoch sind, sind aber keine Mittel, die rein der Landwirtschaft und den Bauern zugutekommen, denn das sind auch Mittel – und das sollte einem jeden von uns bewusst sein –, die dem Konsumenten helfen, österreichi­sche, europäische Lebensmittel zu einem vernünftigen Preis einkaufen zu können, der unter den Gestehungskosten liegt. Denn kein Bauer, kein bäuerlicher Betrieb in Ös­terreich, in Europa kann mit den Produktionskosten und den Verkaufspreisen wirtschaf­ten.

Der Grüne Bericht für das Jahr 2013 ist der eine Teil. Es geht aber auch darum, in die Zukunft zu blicken. Und da geht es im zweiten Teil um die Maßnahmen für 2015. Alle, die wir in der Landwirtschaft tätig sind, wissen, dass hier große Reformen anstehen, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für 2015 angekündigt und angesagt ist und dass es hier auch wieder große Veränderungen für die Betriebe geben wird, die einzelbetrieblich spezifisch, sehr unterschiedlich sein werden.

Das System wird sich so verändern, dass es eine einheitliche Flächenprämie für Acker und Grünland – für Grünland gab es sie bisher nicht – in der Höhe von 284 € geben wird. Es wird eine klare Förderobergrenze geben, das heißt, Großbetriebe können nicht endlos gefördert werden. Es wird auch ein entsprechender Beitrag für Almen zur Verfügung stehen und es wird eine Anpassung in Fünfjahresschritten vom alten in das neue System vorgenommen werden.

Für die Gesellschaft ist wichtig, dass diese Maßnahmen nur dann entsprechend be­zahlt werden, wenn auch ein sogenanntes Greening, nämlich ein Grünprogramm ein­gehalten wird, bei dem es darum geht, dass sich die Betriebe Fruchtfolgemaßnahmen unterwerfen, bei dem es darum geht, dass das Grünland in Österreich erhalten bleibt


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 51

und dass jeder Betrieb 5 Prozent seiner Fläche als sogenannte ökologische Vorrang­fläche bewirtschaften muss.

Es wird im neuen System keine produktionsbezogenen Prämien geben. Und sehr posi­tiv zu bewerten ist, dass die Junglandwirte – die Zukunft im bäuerlichen Bereich – eine höhere Prämie, eine höhere Unterstützung erhalten werden, um für Investitionen und für den Betriebseinstieg besser gerüstet zu sein. Klarerweise sollen auch investive Maßnahmen besser gefördert werden, zudem sind nach wie vor Marktordnungsmaß­nahmen vorgesehen.

Geschätzte Damen und Herren, das ist der wirtschaftliche Bereich. Ich glaube aber, Landwirtschaft braucht Zukunft und nicht Rückzugsstrategie, nicht Wachsen oder Weichen ist die Frage, und dazu zählt vielleicht auch das Klima in unserem Land. Es befremdet mich sehr oft und hat mich in meiner eigenen Gemeinde befremdet, wenn für viele Themen vor allem im Umweltbereich die Landwirtschaft sehr gerne als Verur­sacher und verantwortlich herangezogen wird. Als es in meiner Heimatgemeinde da­rum ging, dass das Wasser im Wasserversorgungsnetz nicht den Anforderungen ent­sprach, war sofort der Ruf nach Düngemittelbeschränkungen, nach Begrenzungen da, weil doch nur die Bauern die Verursacher sein können. – Es waren und sind nicht die Bauern, weil klar nachgewiesen wurde, dass im Zuge von Umbaumaßnahmen Keime in das Grundwasser gelangten – nicht durch den Bodeneintrag, nicht aus einem Brun­nen, sondern durch Baumaßnahmen.

Geschätzte Damen und Herren, und ich sage das hinaus in die Bevölkerung: Suchen wir bei Umweltproblemen, sei es im Bereich Pflanzenschutz, sei es beim Grundwasser, sei es auch in der Tierhaltung, nicht immer den Verursacher in der Landwirtschaft, denn sehr oft sind die Verursacher woanders zu finden!

Wir brauchen eine positive ländliche Entwicklung. Auch hier sind Maßnahmen vorge­sehen, die positiv zu beurteilen sind, nämlich Wissenstransfer, Innovationsförderung. Wir müssen in der Landwirtschaft die Produktion verändern. Wir brauchen neue Pro­dukte, aber wir brauchen von der Produktion über die Verarbeitung in Zusammenarbeit mit Betrieben im ländlichen Raum bis hin zur Vermarktung eine Erhöhung der Wert­schöpfungskette. Wir brauchen Produkte mit Herkunftsgeschichte und Namen, die dann einen Wert und letztlich auch einen Preis haben, Herr Kollege! Wir wissen alle, was zum Beispiel bei der Weinwirtschaft passiert ist. Die Weinwirtschaft ist das positive Beispiel, dass man mit Qualität erfolgreich sein und auch ein positives Image erzielen kann.

Heute steht im „Kurier“ in einem Artikel, dass das Schwein bald zu 100 Prozent aus Österreich kommt. Worum geht es da? – Künftig sind für frisches, gekühltes oder ge­frorenes Fleisch die Bezeichnungen „aufgezogen in“ und „geschlachtet in“ vorgeschrie­ben, damit es zu keinen Verwechslungen der Produktion kommen kann. Nur wenn ein Tier in Österreich geboren, gemästet und geschlachtet worden ist, darf dies als Ur­sprungsland angegeben werden. Ich glaube, darauf sollten wir verstärkt unser Augen­merk richten.

Es gibt positive Beispiele. Ich habe im Sommer einen Biobetrieb besichtigt, der von der Produktion über die Verarbeitung bis hin zur Dienstleistung, indem er seine Biopro­dukte in Form von Biokistln den Konsumenten vor die Haustür stellt, alles selbst macht. Wir haben dann nachgerechnet: Er hat pro Hektar eine Arbeitskraft beschäftigt. Das heißt, es ist nicht nur Wertschöpfung, sondern auch Arbeitsplatzsicherung im ländli­chen Raum gegeben.

Es gibt viele positive Beispiele aus meinem eigenen heimatlichen Umfeld, ob es die Produktion von Ziegenkäse, von Eis, von Bachsaiblingen oder Apfelschaumwein ist. All das sind neue Wege, die wir einschlagen müssen, neue Wege, die auch entsprechend


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 52

gefördert und unterstützt werden sollen und müssen. Wir finden sie im Maßnahmen­katalog, es gilt sie auch entsprechend umzusetzen.

Wir brauchen einfach wieder Lust auf Landwirtschaft seitens der Bauern und seitens der Konsumenten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

11.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf nun die 4. Klasse der Neuen Mittel­schule aus Oberwaltersdorf mit den Begleitlehrerinnen Roswitha Krell und Ines Krach­ler sehr herzlich bei uns begrüßen. Seid willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.08.04

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause vor dem Livestream! Den ersten Tagesordnungspunkt, den Grünen Be­richt 2014, werden wir natürlich sehr gern zur Kenntnis nehmen. Er ist sehr detailliert, sehr übersichtlich und genau. Vielen Dank an die ErstellerInnen im Ministerium.

Ich möchte im Nachhinein nicht auf viele Details eingehen, aber auf die gravierenden Punkte hinweisen, die sich schon sehr, sehr lange durchziehen. Das wäre zunächst einmal der weitere Rückgang der Zahl der Biobetriebe seit dem Bioeinstiegs­stopp 2009: Biobetriebe konnten ja seit 2009 nicht mehr in dieses Förderregime ein­steigen, das heißt, wer ab 2009 umgestellt hat, erhält nur mehr die konventionelle För­derung. Dadurch sind die Zahlen im Biolandbau in Österreich stark rückläufig. Nach­dem dieser Einstiegsstopp durch Bundesminister Berlakovich 2009 verordnet worden war, gab es allein 2013 etwa 585 Betriebe mit 16 000 Hektar weniger Biofläche in Ös­terreich als noch 2010. Es mag schon sein, dass dieser Rückgang in etwa dem Rück­gang von konventioneller Landwirtschaft entspricht, aber nachhaltig ist es nicht, wenn die Zahl der Biobetriebe geringer statt größer wird.

Die schlechte Einkommenssituation der österreichischen Bauern und Bäuerinnen ist von meinen Vorrednern auch schon angesprochen worden. Der dramatische Rück­gang an Landwirtschaftsbetrieben ist ein weiterer Punkt, der sich schon seit Jahren durchzieht. Seit Mitte der neunziger Jahre sind 30 Prozent der landwirtschaftlichen Be­triebe aufgegeben, verpachtet oder verkauft worden.

Ich habe zwar persönlich keinen landwirtschaftlichen Hintergrund, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in den meisten Fällen nicht leicht war, den Betrieb, der seit Jahrzehnten von der Familie geführt wurde, aufzugeben. Wenn ich mir die Einkom­menssituation anschaue, dann erklärt das aber schon einiges, denn das Durch­schnittseinkommen pro Betrieb ist 2012 bei knapp 26 000 € gelegen. Wenn ich da dann die Großbetriebe herausrechne, dann erklärt das sehr gut, warum so viele Be­triebe im Nebenerwerb geführt werden oder geführt werden müssen.

Damit komme ich auch schon zu meinem nächsten Punkt, nämlich Frauen in der Landwirtschaft. Die Zahl der Betriebsleiterinnen in der Landwirtschaft ist nämlich relativ hoch. Sie liegt in Österreich im Durchschnitt bei 36 Prozent und ist vor allem auch auf die hohe Nebenerwerbsquote zurückzuführen. Regional gibt es dann noch sehr, sehr große Unterschiede. In Salzburg und Oberösterreich werden schon über 40 Prozent der Betriebe von Frauen geführt, Tirol ist mit 17 Prozent noch Schlusslicht. Die Frauen­anteile gehen jedoch mit der Größe der Betriebe stark zurück. Bei den Betrieben mit über 100 Hektar sind es nur mehr 17 Prozent Frauen, die den Betrieb dann auch füh­ren.

Damit komme ich jetzt noch zu einem Punkt, der nicht im Grünen Bericht steht, mir aber persönlich ein Riesenanliegen ist: Wenn man sich die Besitzverhältnisse an-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 53

schaut, dann schaut es nämlich schon wieder ganz anders aus, da sind wir von Gleich­berechtigung weit entfernt. Frauen machen, wie ich gerade ausgeführt habe, sehr, sehr viel der Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben, besitzen aber nur rund 5 Prozent der Flächen. Das habe ich jetzt nicht aus dem Grünen Bericht, sondern aus einer Tagung, die im Bericht zitiert wurde, und zwar „Frauen am Land“, die Anfang letzten Jahres in Wien stattgefunden hat. – Landwirtschaft ist nämlich in Österreich immer noch eine Männerdomäne, in erster Linie aber aufgrund der Besitzverhältnisse, aufgrund der An­teile von Männern in Gremien und aufgrund der Anteile von Männern in der Sicht­barkeit von bäuerlicher Arbeit im öffentlichen Leben und nicht aufgrund der Arbeits­aufteilung. Das nur als kleiner Denkanstoß.

Zum zweiten Tagesordnungspunkt, den Maßnahmen für 2015, weiß ich eigentlich nicht genau, was ich sagen soll, denn ohne Präambel und ohne Darstellung der Einkom­mensentwicklung 2013 bleiben nur mehr acht Seiten übrig. Es ist eine sehr übersicht­liche Erklärung, was die GAP – die Gemeinsame Agrarpolitik – ist und wie das Pro­gramm 2014 bis 2020 ungefähr aussehen soll. Aber es sind vor allem Schlagwörter mit je einem Absatz dazu, ohne konkrete absolute Zahlen, weil ja auch die Verhandlungen auf europäischer Ebene noch nicht abgeschlossen sind. Deshalb stellt sich für mich auch die Frage, warum dieser Bericht jetzt schon erstellt wurde, wenn man eigentlich nicht wirklich etwas hineinschreiben kann.

Zum Beispiel habe ich gerade den Rückgang an Bio-Betrieben beschrieben. Bei der ländlichen Entwicklung wird im Rahmen des Agrarumweltprogramms angekündigt, dass die Bio-Landwirtschaft weiter ausgebaut wird. Das steht einfach als Satz einmal so drinnen – aber ohne konkrete Zahlen, ohne Flächenziele, ohne Ausführungen, wie das Ganze ungefähr stattfinden sollte. Im letzten Jahr haben knapp 600 Bio-Betriebe zugesperrt. Wie will man diese rückläufigen Zahlen erstens wieder hereinbekommen und zweitens gleichzeitig auch noch steigern?

Als aktuelles Beispiel gerade von Anfang dieser Woche möchte ich nur anführen, dass das neue Koalitionsprogramm in Vorarlberg eine Verdoppelung der Zahl der bestehen­den Bio-Betriebe und eine Verdoppelung der Zahl der derzeitigen Bio-KonsumentInnen im Ländle vorsieht. Das heißt, es gibt ambitioniertere Ziele in Österreich.

Relativ wenig steht auch zum Klimaschutz. In den Maßnahmen gibt es nämlich nur den Satz: „Klimaschutz wurde im Programm breit verankert.“ Dahinter stehen dann nur zwei kurze Beispiele, wie etwa Emissionsverminderung aufgrund schonender Boden­bewirtschaftung beziehungsweise CO2-Speicherung im Boden durch Humusaufbau. Das will ich Ihnen jetzt natürlich auch nicht vorenthalten. Was darin jetzt aber eine Maßnahme für 2015 ist, kann ich nicht wirklich erkennen.

Wir Grünen haben im Nationalrat einen Antrag eingebracht, dass es hier zu einer Um­schichtung der Mittel kommen sollte, nämlich von den Investitionsförderungen weg hin zum Klimaschutz, und auch, dass diese Investitionsförderungen im Rahmen der ländli­chen Entwicklung nur an Betriebe vergeben werden, die am ÖPUL-Programm teilneh­men. Wir sind nämlich der Meinung, dass Investitionsförderungen aus der ländlichen Entwicklung auf keinen Fall zu einer Beeinträchtigung der Umwelt oder der Zerstörung der Biodiversität beitragen dürfen, wenn auf der anderen Seite viel Geld für Förde­rungen genau zum Erhalt von Biodiversität und Umweltschutz ausgegeben wird. Es darf hier auf keinen Fall zu gegenläufigen Förderungen kommen. Es ist natürlich klar, dass vor allem ökologische und tierschutzrelevante Investitionen besonders gefördert und bei solchen Förderungen der Beitrag des Projektes zu Klima, Wasserschutz und Biodiversität berücksichtigt werden soll.

Sehr geehrter Herr Minister! Wir sind mit allen Punkten in den Maßnahmen für 2015 einverstanden, werden aber, ganz gegen unsere Gewohnheit, hier einen Bericht ableh-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 54

nen, weil die einzelnen Maßnahmen aus unserer Sicht einfach nicht weitreichend ge­nug sind beziehungsweise innerhalb der Maßnahmen umgeschichtet gehört. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.15.11

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Berichte ein­gehe, möchte ich Herrn Kollegen Dörfler sagen, dass die Einheitswerte für die Grund­steuer A – soweit ich es in Erinnerung habe – zuletzt in den 1970er Jahren angehoben wurden, die Bewertungen für die Häuselbauer, also Grundsteuer B, aber periodisch immer wieder angehoben wurden. – Dies vielleicht nur zur Erklärung.

Wir freuen uns, dass der Grüne Bericht 2014 dieses Jahr eigentlich doch sehr früh zur Verfügung steht und wir auch dazu Stellung beziehen können. Über das Zahlenmate­rial dieses Berichtes gibt es nicht nur Positives zu berichten, sondern auch über einige Daten, die negativ ins Auge fallen. Wir haben schon gehört, die Einkommen der bäuer­lichen Betriebe sind um zirka 6 Prozent rückläufig gewesen. Ein Grund sind natürlich auch die erheblichen Ernteverluste durch die Klimaveränderung: Zum Beispiel waren es bei der Getreideernte 6 Prozent gegenüber dem Ernteertrag von 2012. Auch die Weinernte blieb knapp unter dem Durchschnitt. Und auch das Erwerbsobst verzeich­nete in den letzten fünf Jahren einen starken Rückgang von 11,6 Prozent.

Es gibt aber auch kaum einen anderen Bereich – vielleicht nur den Tourismus –, der so unmittelbar vom Klimawandel betroffen ist. Letztes Jahr waren auch Dürre- und Hoch­wasserkatastrophen für den Ernteertrag verantwortlich.

Auf den ersten Blick mögen die eben genannten Zahlen vielleicht nicht so drastisch erscheinen. Sieht man sie allerdings in einem größeren Kontext, haben wir andere Er­gebnisse. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den vor Kurzem präsentierten ersten österreichischen Klimabericht, der zu dem Schluss kommt, dass Österreich vom Klimawandel doppelt so stark betroffen ist wie der globale Durchschnitt. In Österreich kam es seit dem Jahr 1980 zu einem Temperaturanstieg von zirka 1 Grad. Die For­scher gehen des Weiteren auch davon aus, dass in Österreich bis zum Jahr 2050 die Temperaturen um weitere 1,6 Grad im Winter und um 1,7 Grad im Sommer ansteigen werden. Bei Nichtreduktion der Emissionen in Österreich wird es laut den Forschern bis zum Ende des Jahrhunderts sogar eine Erwärmung von zirka 3,5 Prozent geben. – Was das für die Land- und Forstwirtschaft bedeuten wird, brauchen wir, glaube ich, nicht extra zu betonen.

Allein in den vergangenen elf Jahren wurden Teile Österreichs von den zwei soge­nannten Jahrhunderthochwässern heimgesucht. Zudem waren noch Wirbelstürme für Schäden in den Waldgebieten verantwortlich. Diese klimatischen Phänomene werden zunehmen, wenn nicht ausreichende Maßnahmen gegen diese weitere Klimaerwär­mung gesetzt werden.

Im Vorwort zum Grünen Bericht schreiben Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister: „Ernährungssicherheit und Umweltschutz sind die Themen von morgen.“ – Da muss ich Ihnen widersprechen, und zwar aus folgendem Grund: Umweltschutz soll und darf nicht erst das Thema von morgen sein, sondern es muss – und ich wiederhole mich: es muss! – ein Thema von heute sein und auch heute beginnen.

Maßnahmen, um Klimaschutzziele zu erreichen, dürfen auch nicht länger Lippenbe­kenntnisse beziehungsweise Absichtserklärungen bleiben, sondern müssen rasch um­gesetzt werden. Parallel dazu müssen wir meiner Meinung nach ernsthaft darüber dis-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 55

kutieren, ob nicht auch verstärkt Mittel in eine klimaresistentere Land- und Forstwirt­schaft beziehungsweise deren Erforschung fließen sollten.

Neben dem Klimawandel gibt es ein weiteres Thema im Grünen Bericht, das ich hier kurz ansprechen möchte. Aus dem aktuellen Bericht geht hervor, dass die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Österreich weiter im Sinken begriffen ist. So wurden 1995 österreichweit noch 239 100 land- und forstwirtschaftliche Betriebe ge­zählt. 2013 waren es nur mehr 167 500 Betriebe. Das – wir haben es schon gehört – ist ein Rückgang von 30 Prozent, und dies muss bei uns die Alarmglocken schrillen lassen.

Warum übernehmen eigentlich die jungen Land- und Forstwirte diese Betriebe nicht mehr? – Einerseits gibt es da den Grund der wachsenden Bürokratie – wir haben es im Ausschuss bereits gehört – und andererseits natürlich auch das niedrige Einkommen, das kein Auskommen mehr ermöglicht. Ich erinnere auch daran, was ich bereits am Beginn meiner Rede angesprochen habe, dass im letzten Jahr das Einkommen in der Landwirtschaft um 6 Prozent gesunken ist und natürlich viele junge Menschen auch aus diesem Grund den Betrieb nicht übernehmen wollen.

Sieht man sich die Einkommensverhältnisse nach den Bundesländern an, so zeigt sich einem folgendes Bild: Außer in Salzburg, Tirol, Vorarlberg und der Steiermark mussten überall Einkommenseinbußen hingenommen werden. Das negativste Beispiel ist leider das Burgenland, wo das Einkommen bereits um ein Drittel gesunken ist.

Als niederösterreichische Abgeordnete möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass die niederösterreichischen Betriebe die höchsten Durchschnittseinkom­men erwirtschafteten. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass die landwirt­schaftlichen Betriebe in Niederösterreich größer und aufgrund der landwirtschaftlichen Situation auch leichter zu bewirtschaften sind als die Betriebe in den Bergregionen Kärntens und auch Tirols. Die niedrigsten Einkünfte pro Betrieb gab es in diesen bei­den Bundesländern, wie Herr Kollege Dörfler bereits ausgeführt hat.

Dass sich der Einkommensabstand der Bergbauernbetriebe zu den Nicht-Bergbauern­betrieben im letzten Jahr etwas verringert hat, fällt insofern kaum ins Gewicht, als es im Bergbauernbereich im Jahr 2012 einen dramatischen Einkommenseinbruch von fast 13 Prozent gegeben hat. Wer will es jungen Menschen daher verdenken, wenn sie an­gesichts der Relation von Einkommen und Arbeitsaufwand ihr berufliches Glück auch woanders suchen als in der Land- und Forstwirtschaft. Folglich finde ich es auch sehr positiv, wenn es im nächsten Jahr mit der Förderung für Junglandwirte und -landwirtin­nen einen finanziellen Anreiz für diese jungen Menschen geben wird, in die Landwirt­schaft einzusteigen beziehungsweise die bestehenden Betriebe weiterzuführen.

Es muss Agenda der österreichischen Politik sein, ein klares Bekenntnis zu den klein­bäuerlichen Strukturen, wie sie in Österreich seit Jahrhunderten gewachsen sind, ab­zulegen! Kleinere Einheiten mögen zwar kostenintensiver sein, bilden aber in Krisen­zeiten das Rückgrat jeder Versorgung, und zudem garantieren sie die Qualität, die ein Feinkostland wie Österreich benötigt.

Das Thema Frauen wurde von der Kollegin Schreyer bereits angesprochen, und meine Kollegin Bierbauer-Hartinger wird zum Punkt 2 Stellung beziehen.

Gerade im heurigen Jahr sollte uns allen dieses Bekenntnis zur Landwirtschaft und zur kleinbäuerlichen Struktur hier in Österreich nicht schwerfallen, denn immerhin ist das Jahr 2014 von der UNO offiziell zum internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbe­triebe erklärt worden. Wir geben zu diesem Bericht unsere Zustimmung und nehmen ihn zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesrä-
tin Reiter.)

11.23



BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 56

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Zelina. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.23.33

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Wenn wir uns den Grünen Bericht ansehen, erkennen wir keine leichte Situation für un­sere bäuerlichen Familienbetriebe: Abhängigkeit der Ernte von immer unkalkulierbare­rem Wetter durch den Klimawandel, Einkommensverluste, Förderungskürzungen, Bau­ernsterben, der Trend hin zu größeren Betrieben.

Ich bin auch kein Freund der aktuellen Flächenförderung, also mehr Förderung für mehr Fläche. Wir müssen zu degressiven Flächenförderungen mit Förderobergrenzen für Großbetriebe kommen. Je mehr Fläche ein Betrieb besitzt, desto weniger Agrarför­derung sollte es geben; und ab einer gewissen Größe sollte es überhaupt keine Agrar­subventionen mehr geben.

Die Agrarförderungen gehören verstärkt an Gegenleistungen gebunden. Zum Beispiel: Umweltförderung für Bodenschutz in Richtung Fruchtwechsel, Greening und Brachlie­genlassen.

Für öffentliche Förderleistungen öffentliche Gegenleistung zu verlangen, das ist die Zu­kunft.

Angesichts des zunehmenden internationalen Wettbewerbs und kontinentübergreifen­der Freihandelszonen wie im Rahmen von TTIP kann unsere klein- und mittelbe­triebsorientierte österreichische Landwirtschaft gegenüber großen internationalen Agrar­konzernen aufgrund der Größennachteile nur dann überleben, wenn wir voll und ganz auf hochwertige landwirtschaftliche Qualitätsprodukte setzen.

Der Handel und unsere Konsumenten haben die Macht, unseren Bauern das Überle­ben zu sichern. Der Staat soll ergänzend mit gezielten, sinnvollen Förderungen zu­sätzlich unterstützen. Der Lebensmittelhandel – unsere Supermarktketten – muss un­seren Landwirten trotz TTIP faire Abnahmepreise garantieren und darf seine Einkaufs­monopolmacht nicht auf Kosten unserer Bauern ausnutzen.

Die österreichischen Konsumenten sollen vorwiegend regionale, saisonale österreichi­sche Qualitätsware konsumieren und bewusst auf billige ausländische Importnahrungs­mittel verzichten. Diese Einstellung muss in die Köpfe unserer Bürger hinein. Nur durch eigene Konsumation unserer regionalen Produkte können wir langfristig die Existenz unserer österreichischen Bauern absichern.

Auf der Marketingseite brauchen wir ergänzend gemeinsam finanzierte „Kaufe Qualität, Kaufe Österreich!“-Kampagnen: „Buy Quality, buy Austria!“ Die Preise für qualitativ hochwertige Lebensmittel dürfen über den Billigprodukten der Agrarindustrie liegen, müssen aber für die Bevölkerung leistbar bleiben. Der Handel darf hier seine Verkaufs­kartellmacht nicht durch Preisabsprachen mit Konkurrenten und das Abschöpfen von Monopolgewinnen ausnützen. Die österreichischen Wettbewerbsbehörden sind gefor­dert, dies zu unterbinden. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Förderung von Biolandwirtschaft und die Erzeugung von gesunden, hochwertigen, hundertprozentigen Bio-Qualitätsnahrungsmitteln ohne Chemie, ohne Gift und ohne Genmanipulation, also der supergesunde Feinkostladen Österreich, muss Zielpriorität Nummer 1 sein, besonders auch hinsichtlich des Erfolgs unserer Agrarexporte.

Die Förderung und Erhaltung unserer bäuerlichen Familienbetriebe sichert regionale Arbeitsplätze, sichert die Autonomie und Importunabhängigkeit unserer Ernährung, si­chert die Pflege unserer Kulturlandschaft und ist die Grundlage unserer erfolgreichen


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 57

österreichischen Tourismuswirtschaft. Wir stimmen dem Bericht zu. (Beifall und Bravo­rufe bei Bundesräten der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Todt.)

11.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Ing. Köck. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.28.17

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Auch ich möchte noch ein paar Facetten zu diesem Grü­nen Bericht beitragen. Er wurde ja schon ausreichend diskutiert, vor allem die allge­meine Situation, und ich möchte vorweg vor allem darauf hinweisen, dass heute schon erwähnt wurde, dass im Bildungsbereich Löhne von 1 150 € gezahlt werden, was als ein sehr niedriger Lohn angesehen wurde.

Sie haben vom Kollegen Preineder gehört, wie die Löhne im Durchschnitt sind, und das immer auf ein Faktoreinkommen gerechnet, also nicht auf etwas, was jemand ver­dient und wo er noch in den Nebenerwerb geht, sondern immer auf ein Faktorein­kommen. Das ist wahrlich sehr, sehr niedrig. Daher wundert es mich doch, dass immer wieder von Millionären in der Landwirtschaft gesprochen wird, nur weil wir Grundeigen­tum haben. – Aber wir leben nicht vom Verkauf des Grundeigentumes, wir leben von der Bewirtschaftung dieses.

Die Strukturen sagen auch etwas ganz anderes. Wir haben noch immer eine unter­durchschnittliche Struktur in der EU, wir bewirtschaften derzeit im Durchschnitt 19 Hek­tar pro Betrieb. Ich wundere mich, warum es in Österreich einen Verein gegen Tier­fabriken gibt, da wir beispielsweise im Durchschnitt nur 100 Schweine oder 29 Rinder auf unseren Betrieben stehen haben. Ich kann, glaube ich, behaupten, dass es in Ös­terreich keine Tierfabriken gibt.

Das schlechte Ergebnis 2013 ist sicherlich auf das schlechte Wetter zurückzuführen. (Zwischenruf des Bundesrates Günther Köberl.) Nun, heuer war das Wetter bis auf den August sicherlich besser, vielleicht sind auch die Ergebnisse besser. Aber ich muss doch auch eines anführen: In meiner Region gibt es Landwirte, die noch immer einen großen Teil ihrer Getreideernte auf den Feldern stehen haben und diesen wahr­scheinlich auch nicht mehr ernten werden können.

Nun zu ein paar speziellen Situationen: Von der Kollegin Schreyer wurden die Biobe­triebe angesprochen. Sie hat überhaupt nur über Biobetriebe gesprochen, mir liegen Bio- und konventionelle Betriebe am Herzen, weil auch die konventionellen Betriebe in Österreich sehr, sehr ökologisch wirtschaften.

Die Einkommenssituation bei den Biobetrieben war um einiges besser als bei den an­deren. Ich bin kein Gegner von Biobetrieben, man muss aber in diese Richtung auch warnen. Ich komme aus der Praxis, aus der Praxis der Landwirtschaft und aus der Pra­xis der Vermarktung. Ich bin verantwortlich für die Lämmervermarktung für ganz Ös­terreich, für bio- und nicht-biologische Lämmer. Ich warne unsere Produzenten seit ei­nem Jahr und sage, wir brauchen keine Biolämmer-Produzenten mehr, wir haben um 15 bis 20 Prozent zu viel.

Das drückt einerseits den Preis, andererseits müssen wir etwas von den biovermark­teten Lämmern herunternehmen, um jenen Bioproduzenten, die in die konventionelle Schiene liefern müssen, einen Zuschlag geben zu können, damit sie auch ihre er­höhten Produktionskosten etwas abgedeckt haben. Wenn das an Dynamik gewinnt, werden wir bald dazu kommen, dass die Biobauern mit Bioauflagen produzieren und zu normalen Preisen verkaufen müssen. Diese Warnung spreche ich eigentlich als Vertreter für die bereits in der Bioproduktion bestehenden Biobauern aus. Auch das


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 58

muss man, denke ich, in Zukunft immer mehr beachten, dass man diesen Sektor nur im Gleichklang mit dem Markt entwickeln kann.

Das Zweite, das mir aufgefallen ist, ist Folgendes: Wir haben die höchsten Einkommen bei Marktfruchtbetrieben, wir haben die höchsten öffentlichen Gelder bei Marktfrucht­betrieben und die niedrigste Arbeitskraftquote pro Hektar. Ich komme aus einer Re­gion, die selbst bald Marktfruchtregion sein wird, weil die Bereitschaft zur Tierhaltung immer weniger wird. Das muss man auch sehen, das ist vielleicht eine Folge von die­sen statistischen Fakten. Da muss man sich fragen, ob man das will, ob man diese Tierproduktion, diese Tierveredelung in Österreich aufrechterhalten möchte.

Vielleicht ist auch der Reformprozess, das Reformpaket Loipersdorf schuld an diesem Ergebnis 2013. Darin gab es allgemeine Maßnahmen wie die Anhebung der Tabak­steuer und vieles andere mehr, was wir auch in der Landwirtschaft mittragen müssen. Es gab aber auch spezielle Maßnahmen für die Landwirtschaft: Erhöhung der Sozial­versicherungsbeiträge, Erhöhung des Grundsteuermessbetrages, was auch zu einer Erhöhung der Grundsteuer führt, Streichung der Förderung beim Agrardiesel, 50 Mil­lionen €. Das alleine macht einen Unterschied von 0,8 Prozent aus.

Da muss ich schon sagen, es haben fünf von unseren sieben Nachbarländern eine Rückvergütung bei Agrardiesel. Wir verbrennen unseren Agrardiesel auf den Feldern und nicht auf den Straßen. Diese Mineralölsteuer wird zum Bau von Straßen verwen­det, und deshalb ist es umso weniger einzusehen, dass wir diese Rückvergütung nicht mehr bekommen, vor allem auch deshalb, weil es uns einen Wettbewerbsnachteil ge­genüber unseren Nachbarländern bringt. Da möchte ich doch im Zusammenhang mit dieser Steuerreform, die auf uns zukommt, wieder in Diskussion bringen, dass dieses Ungleichverhältnis wieder ausgeräumt wird.

Ich möchte auch anmerken, weil immer wieder von Vermögensteuern gesprochen wird, die eingeführt werden sollen, dass da die Diskussion meiner Meinung nach nicht richtig geführt wird. Es wird immer wieder mit anderen Ländern verglichen, aber es wird nie gesagt, dass in jenen Ländern, in denen es Vermögensteuern gibt, ganz einfach auch die Einkommensteuern niedriger sind als bei uns. Man muss immer die Gesamtheit be­trachten, und ich denke daher, dass Vermögensteuern, wie sie derzeit gefordert wer­den, für Österreich ganz besonders nicht richtig sind.

Was mir bei diesem Grünen Bericht noch auffällt, sind die Pensionen. Der durchschnitt­liche Bauern-Pensionist bezieht 774 €, weit weniger als alle anderen. Das liegt auch unter der Mindestpension von 837 €, die ein Ausländer bekommt, wenn er nach Öster­reich kommt und sich hier mit Hauptwohnsitz meldet. Warum gibt es das? – Es gibt noch immer das fiktive Ausgedinge, ein Satz von derzeit 134 € pro Monat, der einem Bauern-Pensionisten abgezogen wird. Das kommt aus einer Zeit der Eigenversorgung, wo auf dem Bauernhof Fleisch, Milch und Brot hergestellt wurde, da dieser Pensionist Zugang zu diesen Lebensmitteln in günstiger Form hatte, also daher offensichtlich die­sen Vorteil pro Monat.

Das ist längst überholt, das gibt es nicht mehr. In den 40 Betrieben in meiner Ge­meinde gibt es fast keine Eigenschlachtungen mehr, die Bauern-Pensionisten und die Bauern als solche sind Konsumenten wie alle anderen. Ich denke, dass auch Pensio­nisten mit einer niedrigen Pension in anderen Bereichen von ihren Kindern geholfen wird, und die haben auch kein fiktives Ausgedinge. Diese längst überholte Maßnahme gehört abgeschafft, damit die Bauern-Pensionisten zumindest jenen Satz erhalten, den auch alle anderen, die sich in diesem Land ansiedeln, bekommen.

Ich möchte noch auf die Empfehlungen der §-7-Kommission eingehen, die ja alle Par­teien betreffen und noch vor den Maßnahmen für die Zukunft geschaltet sind. Da gibt es durchaus sehr, sehr gute Empfehlungen, es sind aber auch sehr zu überdenkende


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 59

Empfehlungen dabei. Ich denke da an die Empfehlung Nr. 6 von SPÖ und Grünen zu den TTIP-Verhandlungen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass man achtgeben muss, um die österreichische Landwirtschaft zu schützen. – Sehr gut, vergessen ha­ben Sie allerdings die CETA-Verhandlungen mit Kanada, die genauso große Gefahren für uns bergen. Also wenn, dann müssten Sie das auch in diese Empfehlung verpa­cken.

Der Empfehlung Nr. 7, Phasing out von Neonics, muss ich voll und ganz widerspre­chen. Fahren Sie in die Südsteiermark, in die Gebiete, wo es bis zu 70, 80 Prozent Ausfall auf den Maisfeldern gibt! Dort gibt es Existenzängste. Ich muss ein Phasing in von Neonics fordern. Das Gesetz, dieses Verbot von Neonics ist in einer Art medialem Blutrausch entstanden, wo man sich vor einer Wahl gedacht hat, da kann man noch irgendetwas aufstellen, das für die Wahl für die eine oder andere Partei günstig ist.

In einem „profil“ vom 15. Juli des Vorjahres haben vier Imker-Landesobmänner erklärt, es gibt kein abnormales Bienensterben in Österreich. Der Bienenbestand vom Jahr 2003 von 327 000 Bienenvölkern ist auf 376 000 Bienenvölker im Jahr 2012 ge­stiegen. Er ist nicht gefallen. Ein Bienensterben von 20 bis 30 Prozent pro Jahr ist nor­mal, das rührt vor allem von der Varroamilbe oder vom Sterben der Königinnen her. Es gibt aber auch eine Regenerationsfähigkeit der Bienenvölker.

Ich möchte auf eine Aussendung des Nationalrates Pirklhuber eingehen, die da lautet: „In den letzten Jahren sind mehr als 30 % aller Bienenvölker gestorben. Grund dafür ist unter anderem der Einsatz von synthetischen Pestiziden, den sogenannten Neonicoti­noiden als Beizmittel – mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt.“

Da denke ich: Einer von beiden sagt hier nicht die Wahrheit, das muss man ganz klar sagen!

Wenn hier ein Nationalrat sagt, die Ursache für das Bienensterben sind mit Pestizid ge­beizte Maissamen, die verhindern sollen, dass die Maispflanzen von der Varroamilbe befallen werden, die große Schäden anrichtet, dann frage ich mich Folgendes: Wer al­les darf da bei uns mitreden? – Schön langsam brauchen wir ein Gesetz gegen Politi­ker, die von Landwirtschaft keine Ahnung haben. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

Ich bin kein Vertreter einer Pflanzenschutzmittellobby, ich bin Initiator des größten Anti-Gentechnik-Volksbegehrens Österreichs mit 8 000 Unterschriften von Bauern, mit 125 Beschlüssen von Gemeinderäten. Also ich bin kein Pflanzenschutzmittellobbyist, aber man muss wissen, was man anrichtet. Und die Antwort auf das Verbot von Neo­nics wird nur Gentechnik sein. Das ist am besten in der Produktion umzusetzen, und man muss immer, wenn man einen Schritt macht, an den zweiten, dritten und die Re­aktion darauf denken. Das geht mir oft ab, vor allem bei den Grünen, weil man immer wieder meint, man kann mit Verboten irgendetwas lösen. Man zerstört nur die Produk­tion hier, wir bekommen die Produkte aus anderen Ländern, wo wir nicht mehr mitre­den können, wie diese produziert werden. Das wird hier ganz einfach oft vergessen.

Es gibt noch eine Empfehlung, Empfehlung Nr. 8 der Grünen, und zwar eine leichtere Zulassung von Biohilfsdünger und Biopflanzenschutzmitteln. Dagegen bin ich auch. Ich war einmal in Deutschland, und dort ist mir erklärt worden, dass Tiermehl in Deutsch­land Biopflanzendünger ist. Das muss ich nicht unbedingt haben.

Meine Empfehlung ist: Wir sollten versuchen, eine soziale Gleichstellung der Bauern-Pensionisten mit Mindestpensionisten zu bekommen, die aus dem Ausland hereinkom­men!

Wir sollten den Abbau von produktionserschwerenden Maßnahmen vorantreiben, etwa im Steuerbereich, bei den Auflagen et cetera, und wir sollten die Sicherung und Ver-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 60

teidigung des österreichischen Marktes vorantreiben und vor allem auch die Erhaltung der Veredelung umsetzen.

Der Bericht stellt die Lage klar. Es gibt auch Positives: Der Bereich der Bioenergie ist stark gewachsen, bringt immer mehr Wertschöpfung, bringt sehr viele Arbeitsplätze, hat auch die Preise in der Landwirtschaft angehoben, sonst wäre die Situation noch viel schlechter. Da sehe ich auch eine Kernverantwortung für die Zukunft. Oder: Wie oft müssen die Russen noch am Gashahn drehen, damit jeder begreift, dass ein Öko­stromzuschlag von 30 € pro Familie und Jahr nicht das größte Übel der Welt ist?!

Wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen und hoffen, dass alle verantwortungs­vollen Politiker ihn auch in den Steuerreformprozess der Zukunft einfließen lassen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Andrä Rupprechter. – Bitte, Herr Minister.

 


11.41.07

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Hohes Haus! Sie haben hier heute den Grünen Bericht 2014 mit den Maßnahmenempfehlungen der § 7-Kom­mission vorliegen. Der Bericht bezieht sich auf das Kalenderjahr 2013 und ist der 55. seit Bestehen des Landwirtschaftsgesetzes. Der Bericht ist eine sehr wichtige Fakten­grundlage für die Entscheidungsträger der Agrarpolitik und stellt ein wirklich umfangrei­ches Nachschlagewerk dar und bietet einen ausgezeichneten Überblick über die wirt­schaftliche und soziale Situation der österreichischen Landwirtschaft, der bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich, und – ich gratuliere Ihnen auch dazu – es ist das erste Mal, dass der Grüne Bericht im Bundesrat vor seiner Befassung im Nationalrat behan­delt wird.

Das Jahr 2013 brachte – wir haben das ja schon ausgiebig diskutiert – für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe bedauerlicherweise bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft je Betrieb gegenüber 2012 ein Minus von 6 Prozent. Im Durchschnitt aller Betriebe wurde ein Einkommen von 25 698 € erzielt, je Arbeitskraft waren es 20 236 €. Nach 2012, wo es einen Einkommensrückgang von 8 Prozent gegeben hat, ist es tatsächlich jetzt das zweite Jahr in Reihe mit einer negativen Einkommensent­wicklung in der Landwirtschaft. Und auch die aktuellen Entwicklungen, muss ich sagen, geben leider wenig Anlass dazu, davon auszugehen, dass sich dieser Trend maßgeb­lich umkehren wird. Bereits im Vergleich zum Dreijahresmittel war ein Minus von 4 Pro­zent leider festzustellen.

Für die geringeren Einkünfte 2013 hatten insbesondere die niedrigen Erzeugerpreise für Getreide und Ölsaaten, die gesunkenen Erntemengen bei Körnermais, bedingt durch die anhaltende Trockenperiode in den Sommermonaten, sowie gestiegene Aufwendun­gen bei den Futtermitteln einen ganz wesentlichen Anteil. Auch die gestiegenen Inves­titionen – das muss ich auch sagen – in Maschinen und die daraus folgenden höheren Abschreibungen wirkten sich massiv negativ auf die Einkommen aus. Die gestiegenen Erzeugerpreise bei Milch andererseits und auch die höheren Erträge aus der Forst­wirtschaft dämpften die negative Einkommensentwicklung.

Das Agrarbudget 2013, für das ich noch nicht verantwortlich war, betrug 2,076 Mil­liarden €. Das waren 5 Prozent weniger als 2012. Die Ursachen sind auch vom Vor­redner schon angesprochen worden. Einen wesentlichen Anteil an diesem Rückgang hat sicherlich der Wegfall der Rückvergütung bei der Mineralölsteuer.

In Österreich – damit sind wir nicht im EU-Trend, sondern positiv aufgestellt – entfallen nur 35 Prozent der Mittel auf die erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, also ins-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 61

besondere die Einzelbetriebsprämie, während 51 Prozent auf die zweite Säule „ländli­che Entwicklung“ entfallen und der Rest in der Höhe von 14 Prozent auf die sonstigen Maßnahmen, die insbesondere von den Bundesländern aufgebracht werden.

Die Mittel des Agrarbudgets insgesamt werden heute zu 60 Prozent von der Europäi­schen Union und zu 40 Prozent aus nationalen Mitteln aufgebracht, wobei die Finan­zierung der nationalen Mittel, wie Sie wissen, von Bund und Ländern gemeinsam vor­genommen wird.

Die § 7-Kommission, die bei der Erstellung des Grünen Berichts mitarbeitet, hat wieder neun Empfehlungen an den Bundesminister beschlossen. Das ist ein deutliches Signal der Kommission und zeigt sehr klar auch die konstruktive Rolle der § 7-Kommission, in die ja auch die im Parlament vertretenen Parteien entsandt sind.

Mein Dank gilt aber auch an dieser Stelle den Bäuerinnen und Bauern, die jedes Jahr ihre Einkommensergebnisse für den Grünen Bericht zur Verfügung stellen. Weiters möchte ich mich vor allem auch bei den Mitgliedern und Experten der § 7-Kommission bedanken sowie bei meinen Beamtinnen und Beamten meines Ressorts für die ge­lungene Arbeit. Hier ist nämlich tatsächlich mit weniger Ressourcen mehr geleistet wor­den.

Frau Bundesrat Schreyer! Ich finde es sehr bedauerlich, dass meine Tiroler Grünen sich von dieser konstruktiven Mitarbeit verabschieden, denn die Grünen waren nämlich an der Erstellung der Maßnahmenempfehlungen maßgeblich mitbeteiligt. (Ah-Rufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schreyer.) Deswegen ist es für mich nicht verständlich, dass sich die Grünen jetzt von diesem Bericht, den sie miterstellt und mit­erarbeitet haben, distanzieren. Das ist sehr bedauerlich, insbesondere deshalb, weil die Grünen in meiner Heimatregion Tirol an der Regierung sind. Aber das muss man sich merken! (Beifall bei der ÖVP.)

In den Maßnahmen 2015 sind die neuen Rahmenbedingungen für die erste und zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik beschrieben. 2015 ist ja das erste Jahr, in dem die neuen Regelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik in Kraft treten. Sie haben ja hier im Bundesrat die Novelle zum Marktordnungsgesetz zeitgerecht vor dem Sommer be­schlossen, sodass die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 1. Jänner 2015 möglich sein wird.

Mit dem Abschluss der Verhandlungen zum EU-Budget und der Reform der Gemein­samen Agrarpolitik wurden die Weichen für Europas Landwirtschaft bis 2020 gestellt. Es ist trotz leichter Einbußen beim Budget gelungen, insgesamt die Beschlüsse so zu gestalten, dass sie Österreich entgegenkommen. Das ist wichtig, weil das eine solide Grundlage für die Rahmenbedingungen für die nächste Programmperiode bis ein­schließlich 2020 beinhaltet. Auch hier, und das ist die gute Botschaft, ist es gelungen, dass wir im Rahmen der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik, eben der ländli­chen Entwicklung, auch in der kommenden Periode Nettoempfänger sein werden, da wir mehr als 4 Prozent aus dem ELER bekommen, in den wir nach unserem Budget­anteil etwa 2 Prozent hineinzahlen.

Die Bereitstellung der für die positive Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft not­wendigen Mittel ist nach wie vor die wesentliche Kernvoraussetzung dafür, dass wir für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern Rahmenbedingungen schaffen, die der Wertschätzung der allgemeinen Gesellschaft für diesen wichtigen Sektor unserer Volks­wirtschaft entsprechen.

Lassen Sie mich auch noch auf einige sehr aktuelle Themen eingehen, die im Zuge der Debatte angesprochen wurden. Das sind wesentliche Weichenstellungen, die wir jetzt treffen müssen. Es wurde die Frage des Vollzugs des AMS angesprochen. Dass hier Nebenerwerbsbauern herausfallen sollen, ist nicht zu akzeptieren. Wir haben das auch


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 62

gemeinsam mit dem Sozialminister sehr schnell bereinigt. Der Herr Sozialminister Hundstorfer hat einen Erlass für den Vollzug vorgesehen, und wir werden im Rahmen einer Regierungsvorlage auch die gesetzliche Sanierung vorschlagen, die demnächst im Hohen Haus zur Beschlussfassung anstehen wird.

Wir sind derzeit in der Finalisierung und Schlussbehandlung des ländlichen Entwick­lungspakets, wo wir jetzt mit der Kommission die Endabstimmung vornehmen. Die Eu­ropäische Union finanziert ja dieses Paket mit 563 Millionen € jährlich. Wir werden übernächste Woche die Endabstimmung vornehmen. Da möchte ich insbesondere zwei Aspekte besonders hervorheben. Wir haben sowohl in der ersten Säule der Ge­meinsamen Agrarpolitik als auch in der zweiten Säule mit einer Niederlassungsprämie die beste Jungübernehmerförderung für die österreichische Landwirtschaft in der kom­menden Periode vorgesehen, da es doch wirklich wichtig ist, die Jungen zu motivieren, in die Landwirtschaft einzusteigen und die Betriebe zu übernehmen.

Ich möchte, insbesondere auch, um Missverständnisse auszuräumen, auf die Bioland­wirtschaft eingehen, denn auch da ist es nicht richtig, was Sie, Frau Bundesrat, be­haupten, und zwar dass der Anteil der Biobetriebe zurückgegangen wäre. Der Anteil ist nämlich gleich geblieben. Wir sind tatsächlich mit einem Flächenanteil von 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche und mit der Anzahl der Betriebe nicht nur in Europa Europameister, sondern auch weltweit im Spitzenfeld.

Im Vergleich beispielsweise zu den Vereinigten Staaten haben wir in Österreich, im kleinen Österreich, mehr Biobetriebe als die USA und auch von der Fläche her etwa gleich viel wie in den USA. Also wir sind wirklich eine Bio-Großmacht. Gerade im neu­en ländlichen Entwicklungsprogramm haben wir einen entscheidenden Ansatz, um Bio weiter auszubauen, da ist Potenzial vorhanden, wie insgesamt die flächendeckende Ökologisierung der österreichischen Landwirtschaft – das war die Beitrittsstrategie – im neuen ländlichen Entwicklungsprogramm intensiv weitergeführt wird, wofür es übrigens auch im Nationalrat eine wirklich breite Unterstützung gibt. Wir hatten gerade diese Woche einen Agrarausschuss des Nationalrates, wo es großes Einvernehmen darüber gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir arbeiten darüber hinaus an der Bewältigung der aktuellen Marktkrise, hervorgeru­fen durch die Sanktionen und die Gegenreaktion der russischen Seite auf die Sank­tionen. Die Landwirtschaft ist hier hauptbetroffen. Wir haben das sehr schnell auf die europäische Ebene gebracht, und die Europäische Kommission ist mit den neuen Mög­lichkeiten der Marktordnungsgesetzgebung auch aktiv geworden, hat marktentlastende Maßnahmen eingeleitet. Weitere müssen folgen, insbesondere im Schweinesektor, der aufgrund dieser Sanktionen wirklich sehr stark notleidend ist. Und es war mir ein gro­ßes Anliegen und es war mir sehr wichtig, dass wir auch national die entsprechend not­wendigen Schritte einleiten.

Wir werden eine grüne Exportoffensive starten. Bereits nächste Woche werde ich in Seoul in Südkorea und in der Folge dann auch in China entsprechende Auftritte für die grüne Exportoffensive haben, um hier ein klares Signal zu geben. Wir müssen das, was uns an Drittlandsmarkt in Russland wegbricht, innerhalb von zwei Jahren wett­machen, und ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das gemeinsam mit den Unterneh­men und Betrieben gelingen wird.

Und schließlich – und das ist auch ein Appell, den ich hier erneuern möchte – ist es wichtig, dass wir in dieser schwierigen Marktsituation den nationalen Schulterschluss zwischen Konsumenten und Bauern schaffen. „Schau drauf, wo’s herkommt!“ heißt die Kampagne, die bewusstseinsbildend wirken soll dafür, dass jeder, der einkauft, darauf achten soll, dass er zu regionalen Produkten greift. Mit dem Kauf regionaler Produkte sind kurze Verkehrswege, kurze Transportwege und damit auch geringere Treibhaus-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 63

gasemissionen sichergestellt, nützt den Bauern und nützt der Umwelt. Damit bin ich abschließend auch beim Thema des Klimawandels, der ebenfalls angesprochen wurde.

Ich konnte vor drei Wochen den ersten österreichischen nationalen Sachstandsbericht zum Klimawandel vorlegen, ein umfassendes Werk, von 240 österreichischen Wissen­schaftern erarbeitet, nach drei Jahren Forschungsarbeit erstellt, der zum Ausdruck bringt: Klimawandel findet statt, Österreich ist ganz besonders davon betroffen, die ös­terreichische Land- und Forstwirtschaft, aber auch andere Sektoren der österreichi­schen Wirtschaft sind vom Klimawandel massiv betroffen, und wir müssen gegen­steuern.

Deswegen brauchen wir eine Energiewende mit der Stärkung der erneuerbaren Ener­gieträger. Die österreichische Landwirtschaft hat in diesem Zusammenhang eine ganz wichtige Rolle. Und wir brauchen eine Mobilitätswende, auch mit neuen Antriebssys­temen und einer Forcierung der E-Mobilität. Das sind wir nicht nur – und da bin ich auch bei Ihnen, Frau Bundesrat – in der Zukunft, sondern auch in der Gegenwart un­seren Kindern schuldig, sodass sie auch in Zukunft ein lebenswertes Österreich vor­finden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten von SPÖ und Grünen.)

11.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Bierbauer-Hartinger. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.54.10

Bundesrätin Brigitte Bierbauer-Hartinger (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Wertes Präsidium! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute als Letzte zum Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft Stellung nehmen. Das ist immer ein schwieriger Part, weil ja schon sehr viel gesagt wurde. Wir Österreicher sind ja bekannt für Gesudere auf ho­hem Niveau, und Gesudere haben wir heute auch wieder in der Debatte vorgefunden. Nichtsdestotrotz möchte ich vorweg im Namen der SPÖ-Fraktion Ihnen, Herr Bundes­minister, und Ihren Mitarbeitern danken für den übersichtlichen und informativen Be­richt über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft, die sich ja nicht nur auf das Jahr 2015 beziehen, sondern schon vorausschauend auch auf den Zeitraum bis 2020.

Wir sehen in diesem Maßnahmenprogramm schon die höchstrangigen Ziele der Agrar­politik, und zwar erstens: die Sicherung der bäuerlichen Betriebe zu gewährleisten. Und da darf ich dir, lieber Kollege Köck, in Bezug auf die Pensionen schon sagen, dass der Staat zu den Bauernpensionen 80 bis 90 Prozent an Ausgleichszahlungen dazu­zahlt. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Das wollte ich nur dazu anmerken.

Ein weiteres Ziel ist natürlich, den Konsumenten und Konsumentinnen hohe Qualität zu bieten, Lebensmittelsicherheit zu haben und auch Vielfalt zu gewährleisten. Es muss die Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen Regionen gegeben sein. Und für all das braucht es Klarheit und Rechtssicherheit. Wir haben es ja schon mehrfach gehört, diese Klar­heit und Rechtssicherheit wird ab 2015 im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik um­gesetzt werden können, da treten nämlich die Regeln der Gemeinsamen Agrarpolitik in Kraft.

In Bezug auf dich, Nicole: Nach dem neuen System der Direktzahlungen wird je Hektar beihilfefähiger Fläche eine Basisprämie gewährt und die Erbringung von besonderen Umweltleistungen mit einer Ökologisierungsprämie abgegolten – weil du gerade das so kritisiert hast, dass Ökologisierungsprojekte nicht enthalten sind. Diese Flächenprämie, bestehend aus Basisprämie und Ökologisierungsprämie, wird in Österreich ab 2019 rund 284 € pro Hektar betragen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 64

In der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik ist es auch gelungen, einen Großteil der österreichischen Forderungen durchzusetzen. Österreich wird im Zeitraum bis 2020 insgesamt 4,85 Milliarden € erhalten, sodass im Durchschnitt 692,3 Millionen € aus die­sem Bereich zur Verfügung stehen.

Ich möchte das jetzt gar nicht mehr in die Länge ziehen, es ist auch schon genug von den Empfehlungen der §-7-Kommission gesprochen worden. Wir von der SPÖ-Frak­tion sehen in diesem Bericht doch die Maßnahmen für eine nachhaltige Lebensart und einen verlässlichen Lebensschutz und werden den Bericht deshalb zur Kenntnis neh­men. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


11.57.44

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Entschuldigen Sie, dass ich das in die Länge ziehe, aber die Ausfüh­rungen des Herrn Ing. Köck haben mich nicht mehr auf meinem Sitz gehalten.

Ich komme aus einem Bundesland, das innerhalb Österreichs Weltmeister in Sachen Biobetriebe ist, wo 50 Prozent der Fläche und 50 Prozent der Betriebe aus dem Bio­bereich kommen, und ich war an dieser Entwicklung eigentlich von Anfang an beteiligt, nach Tschernobyl, wo Konsumenten-, Verbraucherinitiativen und so weiter gegründet wurden, und habe mich bemüht, das zu starten und in die Höhe zu bringen. Und da tut es mir schon wahnsinnig weh, wenn ich höre, dass es Warnungen gibt, was den Aus­bau der Biobetriebe betrifft (Bundesrat Köck: Zum Schutz der Biobauern!), weil es Pro­bleme in der Vermarktung gibt und weil Bioprodukte dann eben auch zu Normalpreisen angeboten werden können beziehungsweise die Preisentwicklung das nicht hergibt.

Ich denke, dass das zu kurz greift, dieser Blickwinkel auf die Biobetriebe und auf die Biolandwirtschaft. Auf der anderen Seite geht es mir dann teilweise auch wieder so, wie es Kollegin Posch-Gruska bei der Kinderbetreuung gegangen ist, dass ich mir den­ke, man muss nur alt genug werden, und es entwickeln sich viele Dinge ja dann doch noch, wie zum Beispiel die gemeinsame Flächenprämie oder das Ziel, eine Gesamt­ökologisierung der Landwirtschaft anzustreben. Aber: Wie soll das gehen ohne Biobe­triebe?

Wir haben eine Grundlage, und es gilt, diese auszubauen und daran weiterzuarbeiten, um eine entsprechende Ökologisierung der Landwirtschaft zum Schutz unserer Böden für die Zukunft weiter voranzutreiben. Außerdem sind Biobetriebe, was den Klima­schutz betrifft, einfach besser. Es gibt derart große Unterschiede zwischen Biobetrie­ben und konventioneller Landwirtschaft, weshalb man auch nicht aufgrund der Preis­entwicklung oder der – ich sage – nur vorübergehenden Probleme in der Vermarktung der Bioprodukte davon abgehen sollte. Es muss unser Ziel sein, die Biolandwirtschaft als Zielvorstellung und die Umsetzung dieser Art des Wirtschaftens flächendeckend durchzusetzen. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Zur Streichung der Agrardieselrückvergütung: Im Sinne einer weiteren Entwicklung in Richtung klimafreundliche Betriebe diese Agrardieselrückvergütung zu propagieren, ist, denke ich, einem bewussten Konsumenten beziehungsweise der Gesellschaft als Gan­zes schwer zu vermitteln. Es muss im Kampf gegen die Klimaveränderung darum ge­hen, den Einsatz natürlich fossiler Treibstoffe generell zurückzudrängen, und das gilt natürlich auch im landwirtschaftlichen Bereich. Mir wäre es viel lieber, dass Initiativen, die Gott sei Dank auch in der Landwirtschaft gesetzt werden, zum Beispiel was Ener­gieproduktion durch die Landwirte betrifft, was Biogasproduktion betrifft, dass diese


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 65

wichtigen Initiativen, die es seit vielen Jahren gibt, umgesetzt werden. Ich würde mir wünschen, dass zum Beispiel viel mehr Traktoren mit Biogas aus der Region betrieben werden, dass es in diesem Bereich zu Fortschritten kommt und dass wir das massiv unterstützen und weiter fortführen.

Ein letzter Punkt noch: das Verbot der Neocorticoide – in einem „Blutrausch“ entstan­den. – Also als jemand, der gerade mit Bienen sehr viel gearbeitet hat, muss ich dazu schon auch etwas sagen; ich bin ja Biologin und habe auch in diesem Bereich gear­beitet. Gott sei Dank gibt es Bewegung, was Pflanzenschutzmittel betrifft, denn es wird doch etwas sorglos damit umgegangen. Pflanzenschutzmittel – das hört sich schön an, Pflanzenschutzmittel, aber schauen wir uns die Substanzen doch an, die dadurch in den Stoffkreislauf eingebracht werden, die in den Boden eingebracht werden! – Das sind Steroide, die nicht mehr abgebaut werden, die uns auch in der ganzen Nahrungs­kette immer wieder betreffen. Und natürlich betrifft der Einsatz dieser Stoffe auch die Bienen und die Insektenwelt allgemein. Das ist durch internationale Untersuchungen bestens abgesichert. Also im Zusammenhang mit dem Verbot, mit dem Versuch, das etwas zurückzunehmen, was gerade auf diesem Sektor mit, wie ich glaube, viel zu gro­ßer Sorglosigkeit eingesetzt wurde und leider noch wird, von einem „Blutrausch“ zu sprechen, das finde ich wirklich bei Weitem überzogen.

Das Bienensterben hat viele Ursachen, von Monokulturen angefangen, wodurch die Widerstandskraft der Bienen dramatisch reduziert wird und wodurch es dann eben auch international zu einem Bienensterben im großen Stil kommt. Das sollte uns Sor­gen machen.

Es gibt Biomais, es gibt unterschiedliche Arten der Bodenbewirtschaftung, die Abhilfe schaffen können, und es gibt auch die Gentechnik, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Ich denke, das ist auch ein wissenschaftlicher Bereich, den wir weiter untersu­chen müssen, inwieweit Pflanzenschutz eben auch gentechnisch verbessert und unter­sucht werden kann. Ich bin Molekularbiologin, da ist der Widerstand nicht so groß. Aber ich denke, das Verbot der Neocorticoide war ein wichtiger Schritt und eine wichti­ge Maßnahme gegen das Bienensterben, und eine Ökologisierung und Unterstützung der Bauern, die jetzt durch den mangelnden Einsatz dieser Stoffe Ernteeinbußen ver­kraften müssen, sind meiner Meinung nach ebenfalls wichtig.

Ich glaube, es braucht den Schulterschluss aller Kräfte, die in diesem Bereich arbei­ten – im Sinne des Kampfes gegen den Klimawandel, im Sinne einer Ernährungssou­veränität. Ich halte das für ganz wichtig als Zielvorstellung, und dazu braucht es die bäuerliche Landwirtschaft in unserem Land, dazu braucht es die flächendeckende Landwirtschaft und die flächendeckende Bewirtschaftung in unserem Land. Angesichts der internationalen Markt- und Wirtschaftsbedingungen ist es schwierig und wird es schwierig bleiben, das sicherzustellen und zu erhalten. Ich glaube, dazu braucht es einen entsprechenden Schulterschluss und nicht Vorwürfe wie: mangelndes Wissen, Blutrausch oder: Wer darf da aller mitreden? – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.05


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Tiefnig. Ich erteile es ihm.

 


12.06.06

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Grüne Bericht ist Rückblick, Standpunktbe­stimmung und Ausrichtung. Ich glaube, bei manchen ist es heute mehr in Richtung Ausrichtung gegangen, und ich möchte sagen, ich bin überzeugt, dass die Landwirt­schaft in Österreich nur im Schulterschluss, Bio und konventionell, auch in Zukunft den


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 66

Markt beherrschen kann, denn wenn wir ständig gegeneinander antreten, wer die bes­sere Landwirtschaft betreibt, dann werden wir alle auf der Strecke bleiben.

Die biologische Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren sicherlich sehr gut entwi­ckelt, sie wird sich auch in Zukunft entwickeln. Natürlich ist das abhängig vom Preis, denn die Landwirtschaft muss auch Einkommen erwirtschaften. Daher ist es auch nicht sinnvoll, wenn es ständig heißt, am Verbraucherpreisindex ist die Steigerung dieser Le­bensmittelpreise ersichtlich, denn es sind auch andere Faktoren, die den Verbraucher­preisindex entsprechend anheben.

Nun zu Ihnen, Frau Kollegin Reiter! – Die Neonicotinoide haben uns im letzten Jahr al­le beschäftigt. Ich war vor zwei Wochen bei den Imkern in Oberösterreich und habe mit ihnen über das Bienensterben diskutiert. Ein Imker ist aufgestanden, weil auch das Thema Neonicotinoide sehr stark im Vordergrund gestanden ist, und hat seine Kolle­gen gefragt: Wer von euch hat im Garten nicht schon Pflanzenschutz angewendet?

Ich denke, es ist sicherlich sehr sinnvoll, dass jetzt auch eine gesetzliche Regelung für den Privatverbrauch vorliegt, dass die Dosierungen bei den Pflanzenschutzmitteln ent­sprechend geregelt sind, dass nicht mehr jeder Pflanzenschutzmittel kaufen kann. Die Landwirtschaft ist auch im eigenen Interesse sehr bestrebt, Pflanzenschutz so zu betreiben, dass weder der Umwelt noch dem Wasser Schaden zufügt wird. Wir leben ja auch in den Regionen, von den Produkten, die wir selbst erzeugen. Wir selbst ver­zehren diese Produkte und wollen natürlich nicht krank werden.

Dieses Thema ist im letzten Jahr emotional sehr hochgespielt worden. Es wird in weite­rer Folge wissenschaftliche Untersuchungen geben, um Möglichkeiten zu finden, den Maisanbau, den Rapsanbau in Österreich auch in Zukunft beizubehalten.

Beispiel Maiswurzelbohrer: Früher hat man geglaubt, die Ursache für den Maiswurzel­bohrer ist die stetige Verfehlung der Fruchtfolge. Jetzt ist der Maiswurzelbohrer aber zum Beispiel auch in Oberösterreich angekommen, wo ständig Fruchtfolge stattgefun­den hat. Wir wollen nicht so enden wie die Steiermark, wo heuer Hunderte Hektar Mais zusammengebrochen sind, deshalb brauchen wir auch in Zukunft Pflanzenschutz.

Es muss möglich sein, von Synergien zu profitieren. Ich sehe das in meinem Heimat­bezirk Braunau, wo, wie ich glaube, der beste Biobauer von ganz Österreich lebt, ich bin überzeugt davon. Er bringt der konventionellen Landwirtschaft seine Ideen bei, und wir haben gegenseitig Verständnis füreinander. Er sieht ein, dass es nicht möglich ist, alles zu produzieren. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Wetterkapriolen auch einen entsprechenden Herbizideinsatz verlangen, damit die Krankheiten an den Pflan­zen eingedämmt werden. Wenn die Saat, besonders beim Weizen, heuer nicht ent­sprechend behandelt worden wäre, hätten wir wahrscheinlich fast lauter Futtergetreide. Nur durch den Einsatz bestimmter Stoffe, die abbaubar sind, die auch nicht mehr nachweisbar sind in entsprechenden Zeitsymbiosen, wird die Lebensmittelsicherheit ga­rantiert.

Noch ein Punkt, weil der Herr Kollege, der ehemalige Landeshauptmann aus Kärnten (Rufe bei der SPÖ: Ambrozy! Dörfler!), der ehemalige Landeshauptmann aus Kärn­ten  – Wo ist er? (Rufe bei der SPÖ: Nicht mehr hier!) – Ah, da! (Bundesrat Dörfler sitzt auf dem Platz von ÖVP-Bundesrat Fürlinger und spricht mit Bundesrat Poglitsch.)

Zum Thema steirische Kartons mit italienischen Äpfeln: Das kann nicht sein, denn es gibt ein Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das entsprechend ge­ahndet wird. Und wenn das wirklich so ist, wie du gesagt hast, dann sag uns die Na­men! Wir werden dem sicher nachgehen und es anzeigen. Dafür gibt es Strafen im Ausmaß von bis zu 20 000 €. Wir lassen uns auch auf bäuerlicher Seite die Wirtschaft nicht schlechtreden. Das, glaube ich, ist ein wichtiger Punkt, den wir auch entspre­chend aufzeigen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 67

Dem Bericht stimmen wir gerne zu und sagen Danke schön den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

12.10


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Rupprechter. Ich erteile es ihm.

 


12.10.45

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Hohes Haus! Ent­schuldigen Sie, dass ich mich noch einmal zu Wort melde, aber ich finde es doch eini­germaßen bemerkenswert, dass es gerade die Grünen sind, die den All-Parteien-Kon­sens in diesem Hohen Haus, auch im Nationalrat, verlassen. Wir haben nämlich den Konsens, dass wir keine Gentechnik in der Landwirtschaft einsetzen wollen – und das wurde von Frau Bundesrätin Reiter vorhin releviert! – Vielen Dank für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

12.11


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (Grüner Bericht 2014).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2015 gemäß § 9 LWG 1992.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist eben­falls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich verabschiede den Herrn Minister und sage Danke schön dafür, dass er hier war. (Allgemeiner Beifall.)

12.12.353. Punkt

37. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2013) (III-521-BR/2014 d.B. sowie 9238/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich bitte um den Bericht.

 


12.12.56

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Der gegenständliche Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen liegt Ihnen in schriftli­cher Form vor. Ich komme somit gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 7. Oktober 2014 in Verhandlung genommen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 68

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 7. Oktober 2014 den Antrag, den 37. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2013) zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Ich begrüße Frau Volksanwältin Dr. Brinek bei uns. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. Ich erteile es ihm.

 


12.14.23

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werte Frau Präsidentin! Werte Frau Volksanwältin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2013 verzeichnete die Volks­anwaltschaft das höchste Beschwerdeaufkommen ihrer Geschichte. Mehr als 19 000 Personen fühlten sich konkret von einer Behörde schlecht behandelt oder unzureichend informiert. 2013 konnten insgesamt 9 161 Prüffälle abgeschlossen wer­den, und in 1 444 Fällen wurde ein Missstand in der Verwaltung festgestellt.

Im Unterschied zu den vergangenen Jahren stand 2013 nicht mehr der Sozialbereich bei den Beschwerden an erster Stelle, sondern der Bereich innere Sicherheit. Volksan­walt Dr. Fichtenbauer verzeichnete in seinem Ressort 1 393 Beschwerden, die zu ei­nem Prüfverfahren führten. Zurückzuführen ist das auf die hohe Anzahl fremden- und asylrechtlicher Beschwerden. Diese betrafen nicht ausschließlich das Bundesministe­rium für Inneres und die diesem unterstellten Behörden, sondern vor allem auch den Asylgerichtshof. Die Volksanwaltschaft steht mit den Betroffenen in engem Kontakt, um ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Über 14 000 Briefe und E-Mails mit Anliegen oder Beschwerden erreichen die Volksanwaltschaft jedes Jahr. Rund 8 000 Personen wen­den sich an den Auskunftsdienst, über 1 300 persönliche Gespräche mit Mitgliedern fin­den im Rahmen von Sprechtagen statt. Insgesamt bedarf es jährlich bis zu 30 000 Schrift­stücken, um Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen.

Ziel der Volksanwaltschaft ist, Bürgerinnen und Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen, wenn sie sich von der Verwaltung nicht fair behandelt fühlen. Die Prüfung von Individu­albeschwerden ist gleichzeitig auch ein Gradmesser für das Funktionieren unserer Verwaltung in Österreich. Die Kontrolle der Verwaltung soll letztendlich transparente, effiziente und bürgernahe Erledigungen sowie nachvollziehbare Entscheidungsprozes­se fördern.

Die präventiven Aufgaben der Volksanwaltschaft zielen darauf ab, Verletzungen der Menschenrechte und Verletzungen der Rechte von Menschen mit Behinderungen nach Möglichkeit zu verhindern oder zumindest unwahrscheinlicher zu machen. Die Kom­missionen der Volksanwaltschaft führen daher flächendeckend und routinemäßig Kon­trollen an Orten der Freiheitsentziehung durch und beobachten natürlich auch Polizei­einsätze.

Die internationale Zusammenarbeit wird von der Volksanwaltschaft seit vielen Jahren forciert. Über das Internationale Ombudsmann-Institut, dessen Generalsekretariat sei­nen Sitz in der Volksanwaltschaft in Österreich hat, ist diese Kooperation auch institu­tionell verankert.

Durch die Übernahme der neuen Aufgaben erhielten die grenzüberschreitenden Netz­werke als Nationaler Präventionsmechanismus einen noch höheren Stellenwert. Nun­mehr geht es auch darum, den Erfahrungsaustausch mit anderen Einrichtungen des Nationalen Präventionsmechanismus sicherzustellen und vergleichbare Methoden bei der Kontrolltätigkeit zu entwickeln. Mit diesen Aktivitäten nimmt Österreich die Ver-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 69

pflichtung wahr, an der weltweiten Durchsetzung menschenrechtlicher Standards mit­zuwirken. Wenn man hier von Erfolgen berichtet, so muss auch mit bedacht werden, dass ein Gutteil der positiven Arbeit der Volksanwaltschaft und auch dem Menschen­rechtsbeirat zuzurechnen ist.

Im Berichtsjahr besuchten die ExpertInnenkommissionen 465 öffentliche und private Einrichtungen, in denen Menschen angehalten wurden. Bei 65 Kontrollen beobachtete die Kommission die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch die Exekutive, insbesondere bei Abschiebungen und Demonstrationen. Die Kontrollen er­folgten in der Regel unangekündigt, um einen möglichst unverfälschten Eindruck zu ge­winnen.

Der Bedarf an nachprüfender Kontrolle hat im Berichtsjahr weiter zugenommen. 19 200 Beschwerden langten ein. Allein gegenüber dem Jahr 2012 ist die Anzahl der Beschwerden um ein Viertel, um über 4 000 Fälle, gestiegen. Bei rund 4 000 Be­schwerden war die Volksanwaltschaft allerdings nicht direkt der richtige Adressat, aber selbst im Fall der Unzuständigkeit unterstützt die Volksanwaltschaft mit Beratung und Information. Die Volksanwaltschaft legt großen Wert darauf, dass auch Bürgerinnen und Bürger, die sich fälschlicherweise an die Volksanwaltschaft wenden, mit einem Mindestmaß an Aufklärung rechnen können.

Im Unterschied zu den Vorjahren betreffen die meisten Beschwerden, wie gesagt, nicht mehr den Sozialbereich, sondern den Bereich innere Sicherheit. Zurückzuführen ist das auf die hohen Zuwächse bei fremden- und asylrechtlichen Beschwerden, an zwei­ter Stelle liegen die Beschwerden in sozialen Belangen. Diese Anzahl der Beschwer­den hat sich gegenüber dem Vorjahr zwar kaum verändert, pendelt aber auf sehr ho­hem Niveau.

Mit Juli 2012 wurde die Kompetenz der Volksanwaltschaft maßgeblich erweitert. Die Volksanwaltschaft hat nunmehr auch den verfassungsgesetzlichen Auftrag, die Einhal­tung von Menschenrechten zu schützen und zu fördern.

Zu diesen Kontrolltätigkeiten zählt zum Beispiel die Kontrolle von Justizanstalten, Al­ten- und Pflegeheimen, psychiatrischen Anstalten und Krisenzentren. Darüber hinaus kontrolliert sie Einrichtungen und Programme für Menschen mit Behinderungen, um Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch hintanzuhalten. Die Volksanwaltschaft bezie­hungsweise die von ihr eingesetzten Kommissionen beobachten und überprüfen auch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch die Exekutive. Die Prü­fungstätigkeit der Volksanwaltschaft bezieht sich auf die gesamte öffentliche Verwal­tung, also auf Behörden und Dienststellen, die mit dem Vollzug der Bundesgesetze be­traut sind.

Insgesamt leitete die Volksanwaltschaft 5 100 Prüfverfahren in der Bundesverwaltung ein, was einer Steigerung um 13 Prozent gegenüber 2012 entspricht.

Im Bereich innere Sicherheit, wo die Volksanwaltschaft über 1 400 Beschwerden zu ei­nem Prüfverfahren geführt hat, bedeutet dies auch, dass in diesem Bereich eine Zu­nahme von 27 Prozent gegenüber dem Jahr 2012 zu verzeichnen war. Ich bin der Mei­nung, dass, wenn es um das Thema innere Sicherheit geht, auch ein Hinweis auf die aktuelle Situation sehr wichtig ist, denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der öffentlichen Meinung, die derzeit vorherrscht, und der Diskussion, die über Erstaufnah­mezentren geführt wird, und dem Zuweisen von Schuld für diese Missstände dürfen wir auf eines nicht vergessen: dass die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich tätig sind, immer weniger Ressourcen zur Verfügung haben, gleichzeitig aber mit einer ungleich höheren Aufgabendichte konfrontiert sind, was natürlich dazu führt, dass die Kolleginnen und Kollegen mittlerweile mit dieser Situation auch überfordert sind. Daher würde es den zuständigen Stellen sehr gut tun, sich den Ratschlägen der Volksanwalt­schaft anzuschließen und die Situation vor allem auch im Asylbereich zu verbessern.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 70

An zweiter Stelle stehen im Bericht der Volksanwaltschaft die Prüfverfahren im Sozial­bereich. Gegenüber dem Vorjahr ist die Anzahl der Beschwerden in diesem Bereich zwar beinahe gleich geblieben, aber die Schwerpunkte betreffen insbesondere Mängel bei der Pflegegeldeinstufung sowie Probleme bei der Pensionszuerkennung und vor al­lem auch beim Arbeitslosengeld. Anhaltend hoch ist das Beschwerdeaufkommen auch in Behindertenangelegenheiten. Probleme bei der Zuerkennung von Sozialleistungen betreffen vor allem die Ärmsten unserer Bevölkerung, also auch viele Menschen, die existenziell sehr, sehr an der Kippe stehen und die von derartigen Problemen natürlich sehr, sehr stark betroffen sind.

Die meisten Beschwerden auf Landes- und Gemeindeebene betreffen die Jugendwohl­fahrt und die Mindestsicherung. Der Anstieg ist hier auch darauf zurückzuführen, dass immer weniger im Börserl bleibt und die Menschen in Österreich immer weniger zur Verfügung haben. Die Einkommen halten nicht mehr Schritt mit den Lebenshaltungs­kosten und mit den Teuerungsraten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es würde allen sehr gut tun, den Bericht der Volksanwaltschaft genau zu lesen und zu studieren. Viele Punkte, die sich in diesem Bericht auf das Jahr 2013 beziehen, sind aktueller denn je. Daher nehmen wir diesen Bericht sehr, sehr gerne zur Kenntnis, und wir tun dies auch dadurch, dass wir in unserer Arbeit tagtäglich auch darauf hinweisen, wo in Österreich Missstände auftreten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.23


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


12.23.58

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Volksanwältin! Herzlich willkommen im Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Ja, Herr Kollege Rene Pfister, 300 Seiten umfasst der Bericht der Volksanwalt­schaft. Wir haben ihn aufmerksam gelesen – ich gehe davon aus, alle anderen Bun­desrätinnen und Bundesräte selbstverständlich auch –, weil es ein ganz wesentlicher und wichtiger Bericht ist und zumal in diesem Bericht über das Jahr 2013 auch die neu­en Aufgabenbereiche, die ganz wichtigen, essenziellen neuen Aufgabenbereiche zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte enthalten sind.

Dieser Prüftätigkeit gingen 2013 insgesamt 530 Kontrollen voraus, die von den Kom­missionen der Volksanwaltschaft durchgeführt wurden. Dabei ging es nicht nur um öf­fentliche, sondern auch um private Einrichtungen, in denen Menschen bewusst einem Freiheitsentzug ausgesetzt werden. Bei 65 Kontrollen der Kommissionen ging es auch um die Prüfung von Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch die Exekutive bei Abschiebungen und Demonstrationen. Diese Kontrollen erfolgen in der Regel unangekündigt. Damit kommt auch zum Ausdruck, dass diese Expertenkom­missionen ihr Potenzial nutzen, und es erfolgt auch eine intensive und gute Zusam­menarbeit mit dem Menschenrechtsbeirat. Das ist auch gut so.

Es liegt also auf der Hand, dass festgestellte Missstände behoben beziehungsweise auch gleich Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet wurden.

Nebenher, muss man sagen, hat aber auch im traditionellen Bereich, den die Volksan­waltschaft zu betreuen hat, ihre Tätigkeit nicht an Qualität und vor allem auch nicht an Umfang abgenommen, sondern diese ist gegenüber den Vorjahren noch stark ange­stiegen.

Ich habe hier im Bundesrat schon des Öfteren darauf hingewiesen, welch hohen Stel­lenwert und welche hohe Akzeptanz die Volksanwaltschaft in der Bevölkerung genießt,


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 71

die ja oft auch die letzte Anlaufstelle für Bürger ist, die sich von der öffentlichen Ver­waltung benachteiligt fühlen. Wenn man die Leistungsbilanz 2013 betrachtet, wird ersichtlich – und das, obwohl wir in Österreich in einem hoch entwickelten Rechtssys­tem leben –, dass immer mehr Menschen den Weg zur Volksanwaltschaft suchen. Die Zahl der Beschwerden ist 2013 auf insgesamt 19 200 angewachsen, von 15 600 auf 19 200. Das entspricht, Herr Kollege Pfister hat es gerade gesagt, einer Steigerung um zirka 25 Prozent – eine beinahe unglaubliche Steigerungsrate. Davon wurden in 8 000 Fällen auch Prüfverfahren eingeleitet. Dabei sind die Beschwerden im Bereich der inneren Sicherheit am häufigsten, und an zweiter Stelle folgt – jede vierte Be­schwerde betrifft diesen Bereich – der Bereich Soziales.

Wie Kollege Pfister schon gesagt hat, lagen in der Landes- und Gemeindeverwaltung die Hauptkritikpunkte oder die Hauptansatzpunkte im Bereich der Mindestsicherung und der Jugendwohlfahrt. Das Beschwerdeaufkommen in diesem Bereich hält auch im Jahr 2013 ungebremst an, es steigt nach wie vor kontinuierlich. Ein weiterer Bereich, der auch noch sehr intensiv betroffen ist, ist jener der Raumordnung und des Wohn- und Siedlungswesens.

Wichtig ist auch, und das kann man nicht genug herausstreichen, der Kontakt zur Be­völkerung bei den Sprechtagen. Es gab 224 Sprechtage in allen Bundesländern mit insgesamt 1 379 Vorsprachen, und 7 850 Personen kontaktierten den Auskunfts­dienst. – Ich konfrontiere Sie jetzt bewusst mit einigen Zahlen, weil sie auch wichtig sind und weil auch im Protokoll stehen soll, was die Volksanwaltschaft alles leistet. – 17 307 Personen haben der Volksanwaltschaft geschrieben, über 29 000 Schriftstücke umfasste die gesamte Korrespondenz, 14 352 Briefe und E-Mails ergingen von der Volks­anwaltschaft an Behörden, und etwa 100 000 Zugriffe erfolgten auf die Homepage. – Unglaubliche Zahlen, angesichts derer diese Wiederholung gestattet sei.

Einen Bereich möchte ich besonders herausgreifen, weil ich auch seit vielen Jahren im Bereich der Behindertenarbeit ehrenamtlich tätig bin. Das Engagement der Volksan­waltschaft im Bereich der Behindertenarbeit und diskriminierungsanfälliger Gruppen ist ein ganz besonderes. Positiv erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch das Ziel der Bundesregierung, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbe­reichen voranzutreiben. Nur, die Realität sieht leider in vielen Bereichen noch etwas anders aus.

Im Bereich der Behindertenangelegenheiten hat die Volksanwaltschaft, wie erwähnt, in den letzten Jahren großartige Arbeit geleistet. In diesem Zusammenhang möchte ich, neben dem Dank an alle Volksanwältinnen und Volksanwälte der letzten Jahre, meinen speziellen Dank an Peter Kostelka zum Ausdruck bringen, der sich in der Behinder­tenarbeit auch sehr stark persönlich eingebracht hat. Ich weiß, dass inzwischen dieser Bereich in der Volksanwaltschaft anders besetzt ist, aber ich denke, dass er auch jetzt in guten Händen ist.

Ich möchte ganz kurz zwei Beispiele herausgreifen, die von der Volksanwaltschaft sehr positiv und intensiv behandelt werden. Erstens: kein gleichberechtigter Zugang zur In­validitätspension für Menschen mit Behinderung. Die aufgrund geringfügiger Beschäfti­gung entrichteten Beiträge von Menschen mit Behinderung bleiben, anders als bei Nichtbehinderten, für die Erfüllung der Wartezeiten auf eine Invaliditätspension gänz­lich unberücksichtigt. Auch hiezu gibt es selbstverständlich eine Empfehlung der Volks­anwaltschaft.

Oder, zweitens: die pensionsrechtliche Anerkennung von Ausbildungen für Menschen mit Behinderungen. Eine Anlehre ist einer Berufsausbildung gleichzusetzen, die zum Weiterbezug der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus berechtigt. Jede an­dere Vorgangsweise würde zu einer sachlich ungerechtfertigten Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen führen. Insbesondere dürfen diese nicht dazu verhalten


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 72

werden, sich als erwerbsunfähig deklarieren zu müssen, um auf anderem Weg zu eben dieser Leistung zu gelangen. Auch hier gibt es eine entsprechende Empfehlung der Volksanwaltschaft.

Dies sind nur zwei Beispiele, herausgenommen aus einem wirklich großartigen Bericht auch über den Bereich der Behindertenarbeit.

Ich darf mich bei Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek, aber auch bei den anderen Volks­anwälten, bei Günther Kräuter und bei Peter Fichtenbauer, für beispielgebende, her­vorragende Arbeit für unsere Bevölkerung und bei den Mitarbeitern der Volksanwalt­schaft für diesen großartigen Bericht bedanken. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.30


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Herbert. Ich erteile ihm dieses.

 


12.30.58

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir eingangs als Obmann des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen, in dem auch der Bericht der Volksanwaltschaft vorgestern behandelt wurde, anfänglich ein Wort der Kritik. Ich finde es höchst ärger­lich, um nicht zu sagen, etwas befremdlich, dass die Sitzung des Bundesrates in Kon­kurrenz zu den Aufnahmen der Volksanwaltschaft für die Sendung „Bürgeranwalt“ steht und dass uns deswegen nicht alle drei Volksanwälte heute hier in dieser Sitzung zur Verfügung stehen können.

Ich weiß schon, das Zeitmanagement von uns allen ist oft ein sehr schwierig, da es umfangreich ist, da muss man mitunter durchaus auch die Notwendigkeit von Flexibili­tät zur Kenntnis nehmen oder auch hinnehmen, aber ich glaube, es wäre durchaus möglich gewesen, hätte es hier etwas Bewegung gegeben, sowohl diese Aufnahmen als auch die Tagesordnung zur heutigen Sitzung so zu gestalten, dass hier nicht nur eine Volksanwältin anwesend ist. Frau Dr. Brinek, Sie sind mir lieb und wert, aber das Kollegium wäre mir natürlich lieber gewesen, weil es ja auch eine Wertschätzung dem Bundesrat gegenüber bedeutet, wenn Sie hier alle geschlossen anwesend sein können und nicht quasi ein einzelner Volksanwalt eine Vertreterrolle übernimmt. – So viel zum Einstieg.

Ich hoffe und darf meinen Wunsch hier deponieren, dass man das zukünftig terminlich vielleicht besser gestalten kann und dass man sowohl die Interessen des Bundesrates als auch jene der Volksanwaltschaft in terminlicher Hinsicht zukünftig besser koordi­niert.

Zum Bericht selbst: Mein Dank und meine Anerkennung an die Volksanwaltschaft! Ein sehr umfangreicher, ein sehr interessanter Bericht, ich würde sagen, eine eindrucks­volle Leistungsschau auf hohem Niveau über die Tätigkeit einer wichtigen Instanz, die eine wichtige rechtsstaatliche Kontrollfunktion ausübt, wobei die heute bereits von mei­nen Vorrednern erwähnte hohe Anzahl von Beschwerden und deren doch beträchtliche Steigerungsrate zeigen, dass diese Verwaltungskontrolle durch die Volksanwaltschaft auch notwendig und wichtig ist.

Zum anderen ist aus diesem Bericht auch herauszulesen, dass die Rolle der Volksan­waltschaft auch in der Bevölkerung so wahrgenommen wird – und da gebe ich dem Kollegen Mayer, der das als Vorredner schon angesprochen hat, recht –, dass seitens der Bevölkerung großes Vertrauen in die Tätigkeit der Volksanwaltschaft gesetzt wird und dass sie aufgrund dieses Vertrauens auch eine hohe Reputation in der Bevölke­rung genießt.

Ich denke, dieser sich aus diesem Bericht ergebende Befund bestätigt einmal mehr, wie wichtig die Volksanwaltschaft als Kontrollorgan in den Verwaltungsbereichen ist,


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 73

nicht zuletzt auch durch die neuen Aufgaben im Zusammenhang mit den OPCAT-Durchführungsbestimmungen und den Prüf- oder auch Kontrollmöglichkeiten bei jenen Stellen und Bereichen, wo Menschen die Freiheit entzogen wird oder wo Menschen angehalten werden. Auch im Bericht wird deutlich, dass es hier neue, zusätzliche Auf­gaben gibt, deren Erfüllung man in Zukunft sowohl finanziell als auch personell sicher­stellen muss.

Wir haben im Ausschuss erfahren, dass zwar derzeit die finanzielle wie personelle Si­tuation in der Volksanwaltschaft bis 2016 weitestgehend gesichert ist, dass es aber da­rüber hinaus, nach diesem Zeitraum, für die Volksanwaltschaft doch sehr schwierig wird, insbesondere was die finanzielle Komponente anbelangt. Da darf ich meinen Wunsch an die Bundesregierung richten, dass die notwendigen finanziellen Mittel, die notwendigen personellen Ressourcen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die damit im Zusammenhang stehen, seitens der Bundesregierung zeitgerecht sicherge­stellt werden, damit die Fortsetzung des erfolgreichen Weges, den uns die Volksan­waltschaft seit Jahren vorlebt, auch unter Bedachtnahme auf die neuen Prüfungsmög­lichkeiten im Rahmen der OPCAT-Bestimmungen jedenfalls gewährleistet ist. Das ist mir ein besonders wichtiges Anliegen, und ich wünsche mir, dass dieses auch aufsei­ten der Regierungsparteien entsprechenden Widerhall findet.

Ein weiterer wichtiger Punkt scheint mir zu sein, auch die Möglichkeiten der Auswei­tung der Tätigkeitsbereiche der Volksanwaltschaft nicht außer Betracht zu lassen. Jetzt wissen wir, die Volksanwaltschaft hat viel zu tun – der Bericht spiegelt eindrucksvoll wi­der, wie viele Tätigkeitsbereiche die Volksanwaltschaft wahrnimmt und wie viele Anre­gungen, Anbringen, Beschwerden an sie herangetragen wurden, wie viele Kontrollbe­suche im Zusammenhang mit OPCAT stattgefunden haben –, aber es gibt noch zwei wesentliche Bereiche, wo ich glaube, dass es auch rechtsstaatlich Sinn ergäbe, wenn man sie auch in die Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft einbeziehen würde.

Das Erste wäre eine Erweiterung der Prüfkompetenzen auf die ausgegliederten und ehemals staatlichen Bereiche, analog der Zuständigkeit des Rechnungshofes, denn der Rechnungshof darf zwar diese ausgelagerten Bereiche prüfen, allerdings nur auf fi­nanzrechtlicher Basis, und nicht, wenn es darum geht, Beschwerdefälle in verwaltungs­rechtlicher Hinsicht zu prüfen. Da gibt es ein Manko, und dieses Manko gehört be­seitigt. Ich glaube, diese Lücke sollte auch im Sinne der Bevölkerung und der hohen Erwartungshaltung, die die Bevölkerung an den Rechtsstaat, aber auch an die Volks­anwaltschaft hat, geschlossen werden. Ich weiß nämlich, dass viele Anfragen und Be­schwerden solche Fälle betreffen, aber seitens der Volksanwaltschaft leider abgewie­sen werden müssen. Da gibt es also sowohl einen entsprechenden Bedarf als auch die Notwendigkeit, zu überlegen, ob man diese Kontrollmöglichkeiten nicht auf diese aus­gelagerten Bereiche ausweiten sollte.

Das Zweite, was ich an dieser Stelle anregen möchte – und das war auch eine klare Aussage der Volksanwälte in der Ausschusssitzung –, ist ein Teilnahme- und Rede­recht bei den Sitzungen der Landtage. Es ist ja so, dass die Volksanwaltschaft nicht nur die Bundesstellen kontrolliert oder nur Beschwerden über Bundesbehörden zu erle­digen hat, sondern sie ist auch für Landes-, Gemeinde- und Bezirksbehörden zustän­dig. Es ist daher nicht einzusehen oder nicht nachvollziehbar, warum man sagt, als Behörde hat die Volksanwaltschaft zwar bundesstaatlich alle Zugänge, aber in den Landtagen dürfen Volksanwälte bestenfalls als stille Zuhörer dabei sein, wenn über­haupt. Das gehört einheitlich geregelt.

Ich glaube auch, dass es gegenüber der Volksanwaltschaft geboten erscheint, sich hier mit der Institution an und für sich, aber auch mit den Fällen, die die Länder betreffen und die von der Volksanwaltschaft behandelt werden, intensiver, ehrlicher und unmit­telbarer auseinandersetzen. Daher halte ich diese Erweiterung der Prüfkompetenzen


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 74

der Volksanwaltschaft in diesen beiden Bereichen als dringend geboten, sinnvoll und notwendig.

Abschließend darf ich Ihnen noch eine persönliche Anmerkung meinerseits mitgeben, die auch ein Ausfluss der Ausschusssitzung von vorgestern ist. Da wurde nämlich von Dr. Fichtenbauer von einer Initiative der Volksanwaltschaft berichtet aufgrund der Tatsache, dass es in Österreich rund 5 000 chronisch kranke Kinder gibt, die in den Schulen, aber auch im Vorschulbereich in staatlicher schulischer Betreuung stehen, bei denen es aber immer wieder Probleme gibt, weil diese Kinder aufgrund ihrer chro­nischen Erkrankung auch Bedürfnisse haben, die eigentlich einen Arzt erfordern, die es unmittelbar, nämlich im Rahmen dieser schulischen Betreuung, zu erfüllen gilt.

Da passiert es, dass trotz aller Bemühung der Lehrer und auch der Schulbehörden mitunter große Probleme auftauchen, weil sich immer wieder Fragen stellen sowohl be­treffend den Bereich der Ausbildung, des Umgangs mit solchen chronisch kranken Kin­dern, betreffend den rechtlichen Status – nach dem Motto: Was passiert, wenn ich als Lehrer etwas Falsches tue? –, aber auch betreffend die erforderlichen Rahmenbedin­gungen, sei es der zeitliche Aufwand, sei es eine finanzielle Abgeltung oder derglei­chen.

Ich begrüße daher diese Initiative der Volksanwaltschaft und insbesondere von Dr. Fich­tenbauer außerordentlich, dass er in dieser Sache sensibilisieren möchte, und zwar nicht nur im Bereich des Lehrpersonals, sondern dass er das auch hier als Thema ei­ner politischen Debatte aufwerfen möchte. Es soll ja dem Vernehmen nach hier auch eine Enquete angedacht sein, wo man mit Fachleuten und den politischen Vertretern in medias res gehen und eine Lösung finden möchte. Ich glaube, diese Sache ist es auf jeden Fall wert, dass sie die Unterstützung aller hier im Hause vertretenen Fraktionen erhalten sollte.

In diesem Sinne darf ich noch einmal Danke sagen für diesen Bericht, für die gute Ar­beit, für die hervorragende Tätigkeit, die die Volksanwaltschaft in den letzten Jahren, aber auch in den Jahren davor geleistet hat, und darf Ihnen gerne mitteilen, dass wir diesem Bericht natürlich mit Freude zustimmen werden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Füller.)

12.42


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Bun­desrätin Dr. Heidelinde Reiter. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.43.11

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Volks­anwältin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Die ausgezeichnete Arbeit der Volksanwalt­schaft wurde schon von meinen Vorrednern unterstrichen, ist auch im Nationalrat von den Parteien eigentlich auf breiter Front gelobt worden. Es ist eine ausgezeichnete Ar­beit, die seit vielen Jahren geleistet wird, die die Volksanwaltschaft wirklich auch als Botschafterin unserer Demokratie und der Leistungen dieser Demokratie im Bereich der Kontrolle zeigt.

Faszinierend fand ich, wie es gelungen ist, auch die neuen Aufgaben bei der Umset­zung des OPCAT-Protokolls zu integrieren und diese auch entsprechend wahrzuneh­men. Ich halte gerade diesen Bereich für besonders wichtig, weil die Volksanwaltschaft da auch präventiv tätig wird, wenn sie eben im Rahmen ihrer Tätigkeit unangemeldete Besuche bei Institutionen vornimmt, in denen Menschen festgehalten – oder vielleicht sollte man besser sagen: betreut – werden, um sicherzustellen, dass dort nicht gegen die Menschenrechte verstoßen wird. Gerade in diesen Bereichen sind Menschen oft weitgehend hilflos, können sich also von sich aus nicht beschweren, und um sicherzu­stellen, dass diese Menschen auch menschenwürdig behandelt werden, wird kontrol-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 75

liert. Das betrifft Polizeidienststellen, ja Polizeieinsätze, Justizanstalten, Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, Alten- und Pflegeheime bis hin zu Kasernen – da werden sie viel­leicht in Zukunft nicht mehr sehr viele antreffen.

Aus dieser Tätigkeit heraus denke ich aber – was auch im Bericht steht und im Aus­schuss diskutiert wurde –, wichtig wäre für die Volksanwaltschaft eine bessere Rück­bindung ihrer Tätigkeit in die Länder mit entsprechendem Rederecht in den Landtagen, das es nicht überall gibt. Vielleicht könnten auch manche Kollegen und Kolleginnen hier etwas dazu beitragen, um diese Situation zu verbessern. Ich glaube, dass gerade das wichtig wäre, weil eben viele dieser Einrichtungen in Länderkompetenz sind oder weil dort auch die Möglichkeiten der Reaktion besser sind, um das besser miteinander zu verzahnen.

In anderen Bereichen allerdings wurde die Prüfzuständigkeit der Volksanwaltschaft re­duziert, und zwar aufgrund der vielfältigen Ausgliederungsprozesse und Privatisierungs­prozesse seit den neunziger Jahren. Dadurch reduziert sich auch der Rechtsschutz der Bürger und Bürgerinnen – das betrifft Elektrizitätsgesellschaften, die ASFINAG, die ÖBB, Universitäten, Bundesmuseen, Bundestheater. Die Prüfkompetenz des Rech­nungshofes ist in solchen Fällen nicht infrage gestellt, weil diese an die Eigentums­verhältnisse anknüpft, die der Volksanwaltschaft sehr wohl, weil sie nur die nichtho­heitliche Verwaltung betrifft, die von Bundesorganen im organisatorischen Sinn selbst durchgeführt wird.

Es braucht hier also eine Gesetzesänderung. Diese wurde auch beantragt, und von der heißt es anscheinend immer wieder, sie kommt morgen, sei praktisch beschlossene Sache – aber irgendwo, irgendwie scheint sie doch nach wie vor zu hängen. Meine dringende Bitte lautet, diese Hindernisse beiseite zu räumen.

Das ist nicht nur im Sinne der BürgerInnen, die da von Missständen betroffen sind, sondern auch im Sinne des Nationalrates und des Bundesrates, also der Parlaments­kammern, nämlich Informationen darüber zu erhalten, wie sich Privatisierungen und Ausgliederungen für die BürgerInnen im Hinblick auf Verfügbarkeit, Benutzerfreund­lichkeit, Qualität und Sicherheit von Leistungen auswirken. Die Frage lautet also: Kommt es da für die BürgerInnen zu Verschlechterungen, die sich darin ausdrücken, dass es zu entsprechenden Beschwerden kommt? – Diese Informationen, glaube ich, wären sehr wichtig und dringend notwendig, deshalb hoffe ich wirklich, dass diese Ge­setzesänderung bald kommt.

Erwähnenswert und wichtig finde ich darüber hinaus, dass die Volksanwaltschaft in diesem Bericht für einen freien Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen – zumindest nach sechs Monaten – plädiert, wofür auch die Grünen plädieren, was auch der EU-Linie entspricht. Auch hier hoffen wir auf mehr und raschere Bewegung.

Bemerkenswert finde ich schon, dass Anregungen der Volksanwaltschaft für Gesetzes­änderungen von der Politik eher zögerlich und zäh aufgegriffen werden. Von 129 ent­sprechenden Vorschlägen wurden bislang elf realisiert, also nicht einmal 10 Prozent. Die Politik arbeitet da also nicht so effektiv wie die Volksanwaltschaft, die wirklich einen sehr hohen und effektiven Erledigungsgrad aufweist.

Noch eine wichtige Angelegenheit, die ich herausgreifen möchte, ist die Bedarfsorien­tierte Mindestsicherung, die 2010 durch eine Artikel 15a-Vereinbarung geschaffen wurde. Im vorliegenden Bericht werden zahlreiche sehr plakative Beispiele angeführt, dass die Länder sich nicht daran halten beziehungsweise dass es große regionale Un­terschiede gibt. So bekommen in Oberösterreich nur 27 Prozent der Anspruchsberech­tigten eine Mindestsicherung, während es in Wien über 70 Prozent sind.

Verstöße gegen die Artikel 15a-Vereinbarung bleiben aber folgenlos, weil diese keine subjektiven Rechtsansprüche begründet. Das heißt für uns Grüne, solch wichtige Ma-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 76

terien sollten nicht praktisch am Parlament vorbei geregelt werden, sondern in der Grundsatzgesetzgebung. Wir Grünen sehen auch in Anbetracht dieser Fakten die Absicht der Regierung, in vielen Bereichen – Gesundheitsreform, Bildung und Kinder­betreuung – das Instrument der Artikel 15a-Vereinbarung verstärkt einzusetzen, äu­ßerst kritisch, und in dieser Meinung fühlen wir uns durch den Bericht der Volksanwalt­schaft bestärkt.

Gerade eben in einem Bereich, wo es wirklich um Armutsbekämpfung geht und wo es eine Bevölkerungsgruppe betrifft, die unserer Hilfe und Unterstützung dringendst be­darf und die auch wenig Möglichkeiten hat, sozusagen entsprechend Beschwerde zu führen, denke ich, ist das ein Alarmzeichen, das wirklich wachrütteln sollte.

Nur noch eine Kleinigkeit: Es kam auch zu einem Anstieg bei den Unternehmerbe­schwerden. Nun ist das Gewerberecht ja eine sehr komplexe Regelungslandschaft, was Probleme bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit mit sich bringt, eine große bürokra­tische Überlastung vieler mit sich bringt, auch Nachbarschaftsprobleme mit sich bringt, weil ja nur noch Deutschland ein ähnliches Gewerberecht kennt, und die Novellierung der Gewerbeordnung 2013 war ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Also ich glau­be, auch in diesem Bereich gilt es, Hausaufgaben zu erledigen.

Noch einmal vielen Dank nicht nur für diesen Bericht, sondern für die da geleistete Arbeit und Tätigkeit und für diesen wirklich großartigen Einsatz für unsere Bürger und Bürgerinnen und auch für das Parlament, dem es so gelingt, seiner Kontrolltätigkeit auch entsprechend nachzukommen. – Vielen Dank, wir nehmen den Bericht gerne zur Kenntnis.

12.51


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.51.28

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Volksanwältin! Wenn man die Arbeit der Volksanwaltschaft über Jahre verfolgt, dann stellt sich für uns seitens der Legislative immer eine spannende Frage. Es gibt dut­zende Empfehlungen der Volksanwaltschaft, die sie ausspricht aufgrund von Verfeh­lungen und Missständen, und das Spannende in der Politik ist ja, wie diese Emp­fehlungen umgesetzt werden. – Eine jener Empfehlungen – und ich bin glücklich, dass wir uns heute vielleicht auch einmal über etwas freuen können –, die die Volksanwalt­schaft seit Jahrzehnten ausspricht, wird Realität, nämlich das Verbot von Netzbetten.

Es war die letzte Tat des scheidenden Gesundheitsministers, dieses Verbot zu unter­zeichnen, sodass es in Österreich ab 1. Juli 2015 zu keinem Einsatz von Netzbetten im Spitalsbereich und im psychiatrischen Bereich mehr kommen darf. Damit geht eines der dunkelsten Kapitel der Praxis in der österreichischen Psychiatrie zu Ende. Diese Methode, die die Volksanwaltschaft Jahr für Jahr aufgezeigt hat, wurde sowohl von der UN-Antifolterkommission als auch vom Antifolterkomitee des Europarates, CPT, als menschenrechtswidrig gegeißelt. Jetzt wird endlich ein Schlussstrich gezogen, sodass diese auch für Besucher sichtbaren menschenrechtswidrigen Formen von Betten der Vergangenheit angehören.

Das Zweite, wo ich sehr froh bin, dass das einmal angesprochen wird – wir können ja ganz kurz nach Deutschland schauen, und wir bleiben noch bei der Psychiatrie –, ist der Einsatz privater Sicherheitsdienste im Bereich der Psychiatrie. Das ist hochsen­sibel und zum Teil nicht zulässig. Das sind keine ausgebildeten Leute! Wir sehen das sowohl im Asylbereich als auch in der Psychiatrie. Wenn private Sicherheitsleute zum Beispiel bei der Fixierung eingesetzt werden, wenn private Sicherheitsleute eingesetzt


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 77

werden, um freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei Patienten und Patientinnen durch­zusetzen, dann ist das nicht akzeptabel!

Wir haben ja auch im Asylbereich damit zu tun: Wir denken alle noch an den völlig unzulässigen und menschenrechtswidrigen Einsatz dieses privaten Sicherheitsdienstes zum Beispiel auf der Saualm. Die Volksanwaltschaft selbst spricht bei diesen privaten Sicherheitsdiensten von der Spitze eines Eisberges, der hier beobachtet werden kann.

Und wenn wir schon alleine sehen, welche Diskussion es derzeit in Deutschland betref­fend diese privaten Sicherheitsdienste gibt, wo noch dazu einschlägig vorbestrafte Leuten nun als Sicherheitsdienst auftreten, die traumatisierte Flüchtlinge quälen – und da geht es ja auch um Quälen! –, dann ist es seitens des Gesetzgebers klar: Hier muss eine Trennlinie gezogen werden! Einen privaten Sicherheitsdienst in einer Pforte sitzen zu haben ist etwas anderes, als ihn in medizinischen Bereichen zu involvieren.

Die Diskriminierung – die Volksanwaltschaft ist ja das Haus der Menschenrechte in Ös­terreich – ist ein ganz wichtiges Kapitel. Das Verbot von Diskriminierung – ganz egal, ob auf Basis sozialer, kultureller Unterschiede oder aufgrund von Einschränkungen – ist ein Strukturprinzip der Menschenrechte. Da gibt es einen UN-Bericht über Öster­reich. Es gibt da 19 200 Schicksale, verzweifelte Menschen, die sagen, ihnen ist das Recht vorenthalten worden oder es geschieht Unrecht. Aber es gibt ja auch Positives zu berichten – man soll auch einmal positive Dinge sagen –, und gerade der UN-Aus­schuss hat die Arbeit der österreichischen Volksanwaltschaft im Bereich der Bekämp­fung jeglicher Form von Diskriminierung im Land ganz besonders hervorgehoben und gelobt.

Vor allem geht es auch um das, was die Volksanwaltschaft hier versucht, gegenüber dem Bund, den Ländern und den Gemeinden klarzumachen: „Teilhabe“ ist das Wort und nicht „Fürsorge“! Es geht darum, dass sich Menschen entwickeln und entfalten können, unabhängig von der Einschränkung, die sie haben.

Da möchte ich auf noch einen Punkt hinweisen, den wir immer wieder bei der Volks­anwaltschaft antreffen: Es ist absolut inakzeptabel und ein Skandal, dass immer wieder Behinderte, geistig oder physisch behinderte Kinder und Jugendliche und junge Er­wachsene, in Geriatriezentren untergebracht werden, weil Personal fehlt. Die können sich in diesem Fall nicht entwickeln! Wir sehen das vor allem bei jungen Menschen mit Mehrfachbehinderungen: Sie kommen nicht in eine Einrichtung, die ihnen hilft und sie fördert und ihre Entfaltung unterstützt, sondern da geht es einfach darum, sie irgendwo abzuschieben. Die Volksanwaltschaft hebt das ganz besonders hervor.

Im Zusammenhang von Menschen mit Behinderung möchte ich aber schon noch auf einen ganz bestimmten Punkt hinweisen: Wir hier haben uns immer dafür stark ge­macht, dass behinderte Menschen eine entsprechende Ausbildung haben, aber die Volksanwaltschaft weist auch darauf hin, dass jene Form, die wir derzeit in Österreich haben, letztlich zu keinem Erwerb einer ausreichenden Pension führt, denn diese Form der Beschäftigung ist ja eine Unterstützung, die am Ende bedeutet, dass jemand mit ei­ner Behinderung im Grunde wiederum abhängig wird.

Bei den Diskriminierungen fällt auf, dass zwei weitere Bereiche angesprochen werden, und auch ich möchte diese gerne ansprechen. Der eine Punkt ist, dass gerade im Fa­milienbereich bei Menschen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft es durch un­gerechtfertigte Fristen zu einer ganzen Reihe von Diskriminierungen im Bereich des Familienrechts kommt. Dass das von der Volksanwaltschaft gegen manchen öffentli­chen Strom immer wieder dargestellt wird, ist wichtig.

Etwas, worüber wir, glaube ich, in Österreich – auch hier im Bundesrat – noch wenig diskutiert haben, worüber wir aber angesichts der Diskussion über die Versorgung von Flüchtlingen reden sollten, ist, dass das System der Grundversorgung, das wir derzeit


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 78

haben, dem System der Mindestsicherung anzupassen ist. Das ist ein neuer Gedanke, den die Volksanwaltschaft hier in die Diskussion einbringt.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ganz kurz zu freiheitsbeschränkenden Maßnah­men kommen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen für Minderjährige sieht die Volks­anwaltschaft in verschiedenen Bereichen, etwa bei einem fünfjährigen, blinden Kind in Niederösterreich, das man einfach wegsperrt. Man sagt, er ist nicht mobil, also wird er weggesperrt; dasselbe in Niederösterreich bei zwei Mädchen. Das ist unzulässig! Frei­heitsbeschränkende Maßnahmen gegen Kinder sind unzulässig. Das Wegsperren von Kindern in solchen Einrichtungen ist einfach unzulässig, ist ein Skandal!

Ich bin froh darüber, dass hier seitens der Volksanwaltschaft ganz klare Worte ge­sprochen werden. Vor allem gilt das für eine ganz bestimmte Form, die wir haben, die das noch begünstigt, nämlich den alterstypischen Freiheitsentzug gegenüber Kindern, den Freiheitsentzug, den man nur macht, weil man es gegenüber Kindern macht. Des­halb bin ich froh, und wir werden uns hoffentlich alle vom Bundesrat auch ganz stark an der kommenden Enquete „25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention“ beteiligen. Wir ha­ben auch seitens Österreichs noch einiges gutzumachen, was die Kinderrechtskon­vention betrifft. Das ist ein wichtiges Thema, und dass das seitens der Volksanwalt­schaft aufgegriffen wird, finde ich wichtig.

Weil wir die Länderkammer sind: Es ist schon bedauerlich, dass bei Fragen der Kinder- und Jugendwohlfahrt, wenn man das jetzt auf Landes- und Gemeindeebene sieht, mit noch immer 28 Prozent der Missstände auf Gemeinde- und Landesebene dies ei­gentlich ein unverhältnismäßig hoher Grad ist für ein System, wo wir uns doch immer glücklich wähnen, wie gut unsere soziale Sicherheit für Kinder und Jugendliche ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.02


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Ledl-Rossmann. Ich erteile es ihr.

 


13.02.20

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Volksanwältin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, beim Thema Volksanwalt­schaft sind wir uns alle einig. Auch ich bin einfach absolut froh darüber, dass es diese Einrichtung gibt, eine unabhängige Instanz, die meiner Ansicht nach für wirklich ge­lebte Demokratie wichtig ist, sei es auf kommunaler oder auch nationaler Ebene, und auch für die Weiterentwicklung der Demokratie. Ich bin froh darüber, dass sie ein­gerichtet worden ist mit all ihren Aufgabenfeldern, begrüße auch die neuen, die 2012 dazugekommen sind.

Die Vor- oder Erstredner haben ja die Zahlen relativ genau genannt, daher möchte ich diese nicht wiederholen. Aber ich möchte noch einmal festhalten, dass gerade der Be­reich der Individualbeschwerden ein sehr großer ist. Dass insbesondere der soziale Bereich bei diesen Beschwerden so stark vertreten ist, liegt wahrscheinlich daran, dass, wenn es einmal ein Problem mit dem Pflegegeld, mit der Mindestsicherung und Ähnlichem gibt, dies für viele Betroffene gleich zu einer existenzgefährdenden Situation werden kann. Deswegen ist es wichtig, dass die Menschen die Möglichkeit haben, sich an diese Stelle zu wenden.

Ich freue mich auch darüber, dass es gut angenommen wird, immer besser angenom­men wird, für die Menschen auch immer präsenter ist. Rein auch, was die Sprechtage und die Beschwerden betrifft, kriegen wir es ja in Tirol auch mit. In Tirol und Vorarlberg haben wir auch einen eigenen Landesvolksanwalt (Bundesrat Schennach: Aber der hat keine Kompetenzen!), der wirklich den Menschen ein Begriff ist und dessen Ange­bot sehr gut angenommen wird.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 79

Worüber ich froh bin – und auch darüber haben wir im Ausschuss diskutiert –, ist, dass die Institution Volksanwaltschaft nicht falsch ausgenützt wird, und zwar in dem Sinne, dass es ja immer eine Anzahl von Fällen gibt – oder von Personen, die sich in einem Thema, sage ich einmal, etwas festgebissen haben –, die nicht lösbar sind. Aber es wurde uns im Ausschuss auch bestätigt, dass das – Gott sei Dank, sage ich – jetzt ein relativ kleiner Teil ist, der die Volksanwaltschaft aufsucht.

Was mich besonders gefreut hat – und das ist für mich der richtige Weg, wie es im Ausschuss erwähnt worden ist –, ist, dass jedem, der kommt, in irgendeiner Weise geholfen wird. Sehr viele Sachen kann man ja Gott sei Dank regeln. Aber auch, wenn die Volksanwaltschaft nicht zuständig ist, werden die Leute einfach weitervermittelt, weiter informiert, wird ihnen gesagt, an wen sie sich wenden können. Sollten es unlös­bare Fälle sein – so wurde es im Ausschuss gesagt –, würden die Menschen nicht ohne ein tröstendes Wort aus diesem Raum herausgehen.

Es sind die Themen sicher für die, die sie erleben, die da vor Ort sind, nicht immer ganz einfach. Genauso, wenn es um Kontrollen geht: Bei unangekündigten Kontrollen wird man in den Einrichtungen selten mit einem Blumenstrauß und erfreut empfangen. Deswegen ist das sicher eine besondere Tätigkeit.

In dem umfangreichen Bericht sind sehr viele Gebiete angeführt. Herr Kollege Schen­nach und ich haben da eigentlich den gleichen Schwerpunkt, glaube ich, gefunden, und zwar unter dem Thema freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Eines vorweg: Es ist mir wichtig, dass bei diesem Thema keine Pauschalurteile gefällt werden. Freiheits­beschränkende Maßnahmen gibt es ja in den verschiedensten Einrichtungen: Wohn- und Pflegeheimen, Jugendwohlfahrt, bei Einrichtungen für Menschen mit Behinderun­gen. Persönlich ist es mir wichtig, anzumerken – und die Erfahrung habe ich auch sel­ber gemacht –, dass das ein Thema ist, bei dem auch betreuende Personen in einem wirklich argen Spannungsfeld sind.

Wenn ich jetzt einen Fall aus einem Heim hernehme, von einem älteren, verwirrten Menschen, der sturzgefährdet ist: Da ist man als Team gefordert, sämtliche Maßnah­men zu treffen, dass man ihn davor schützt und wirklich auf der Suche nach dem gelindesten Mittel ist. Aber gleichzeitig hat man auch den Druck: Was ist, wenn es zu wenig ist? – Ich glaube, alle kennen dann diese Zeitungsberichte, wenn ein verwirrter Mensch im Altersheim, sage ich jetzt einmal, in der Nacht entkommen ist, wenn er herumirrt und gesucht wird. Wenn das medial zwei, drei Tage die Hauptpräsenz hat, macht das auch Druck auf die betreuenden Personen, zu sagen: Wie schaffen wir es, ihn zu schützen, dass so etwas auch nicht vorkommt?

Auch mir, Herr Kollege Schennach, ist der gleiche Fall ins Auge gestochen, und da sa­ge ich auch: Es gibt Situationen, die dürfen in Österreich einfach nicht vorkommen, und sie sind nicht tragbar! Das betrifft dieses Kapitel Freiheitsbeschränkung bei Minder­jährigen, diesen Fall eines Kindes, bei dem man sich wirklich hart tut, oder man will es sich gar nicht vorstellen.

Ich möchte das noch ein bisschen präzisieren: Es ging um einen fünfjährigen, blinden Jungen, der zwar mobil war, für den aber ärztlicherseits quasi ein Attest ausgestellt worden war, dass er sich selbst nicht fortbewegen kann. Am Nachmittag, wenn die Betreuungszeiten nicht mehr so groß waren oder keine Eins-zu-eins-Betreuung mehr möglich war, wurde dieses Kind quasi in ein Holzgitterbett, das versperrbar ist, gelegt, in der Hoffnung, dass es sich selber nicht daraus befreien kann. Nachdem beobachtet worden war, dass das Kind sich aus diesem Gitterbett befreien konnte, wurde eine Plexiglaskonstruktion gebaut.

Das sind Dinge, die wir uns nicht vorstellen wollen! Aber wenn man den Bericht liest, hat man automatisch das Bild vor Augen. Auch ich habe es vor Augen gehabt: ein


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 80

fünfjähriges, blindes Kind, das sich aus einem solchen Bett befreien will! Ich glaube, das sind Dinge, die uns erschüttern, und das sind Bilder, die man am liebsten verdrän­gen würde. Aber ich glaube, genau das wäre der falsche Weg.

Umso mehr bin ich froh darüber, dass auch in diesem Bericht steht, dass auf diese In­tervention und das Aufzeigen des Missstandes hin die Einrichtung positiv reagiert hat. Es wurden sämtliche Sicherungsmaßnahmen für diesen betroffenen Jungen und die zwei Mädchen aufgehoben. Im Gegenteil, es wurde auch geschaut, dass an ihrer ei­genständigen Mobilität gearbeitet wird.

Dieses Beispiel ist, glaube ich, der Beweis dafür, wie wichtig es ist, die Maßnahmen und Kontrollen aufzuführen, aber auch dafür, auf welchem Weg die Volksanwaltschaft das macht, nämlich auf einem Weg, dass die Einrichtungen oder die Betroffenen nicht in den Widerstand gehen, sondern dass man gemeinsam schaut, eine Lösung zustan­de zu bringen. Ich glaube, mit diesem Weg und damit, wie es die Volksanwaltschaft selber bei solchen Fällen beschreibt, geht es um einen Bewusstwerdungsprozess. Wenn Fehlentwicklungen oder Missstände aufgezeigt werden, geht es auch darum, dass alle daran arbeiten, die Kultur des Wegschauens zu beenden.

Das ist ein Weg, den ich aus ganzem Herzen unterstütze. Es ist ein Weg – ich denke, hier darf ich für uns alle reden –, hinter dem auch wir stehen. Und es ist ein Weg, der für die Volksanwälte mit ihrem Team und den Kommissionen sicher nicht immer eine leichte Aufgabe ist, aber ein Weg, dem ich auch in Zukunft ganz viel Engagement, Herz und so viel Einsatz wie bisher wünschen darf. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.09


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Köberl. Ich erteile es ihr.

 


13.10.09

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Volksanwältin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon sehr viel gehört. Das Ziel der Volksanwaltschaft ist sicher einmal eine effiziente, bür­gernahe Verwaltung. Sie sieht sich durch ihre neue Aufgabe der präventiven Tätigkeit auch als Haus der Menschenrechte. (In Richtung der Volksanwältin Dr. Brinek:) Und Sie arbeiten ja schon sehr lange an der internationalen Vernetzung.

Die Volksanwaltschaft möchte aber – das finde ich sehr, sehr wichtig – nicht nur Fehl­entwicklungen aufzeigen, diese zur Diskussion stellen und auf die Beseitigung von Missständen drängen, sondern die Volksanwaltschaft sieht ihre Aufgabe auch darin, einen Bewusstwerdungsprozess einzuleiten, bei Fehlentwicklungen und Missständen die Zivilcourage der BürgerInnen zu aktivieren und, wie meine Vorrednerin schon ge­sagt hat, die Kultur des Wegschauens zu beenden. Das ist neben den Menschen mit Beeinträchtigungen ganz besonders im Bereich der Kinderrechte und des Kinder­schutzes meiner Meinung nach besonders wichtig, denn Kinder haben keine Lobby und sind von uns Erwachsenen und von unserem Tun oder eben Nichttun abhängig.

Im Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass es bei Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in den Bundesländern ganz unterschiedliche Gruppengrößen gibt. Im Bur­genland gibt es zum Beispiel Wohngruppen mit bis zu 16 Kindern, in Salzburg sind ma­ximal acht Minderjährige in einer Wohngruppe erlaubt. Kinder, denke ich mir, müssen in ganz Österreich, vom Westen bis in den Osten, gleich viel wert sein, ganz egal, in welchem Bundesland sie leben. Die Qualität der Unterbringung und Betreuung muss daher einheitlich geregelt werden. Die derzeit herrschende unterschiedliche Regelung ist laut Bericht der Volksanwaltschaft auch sachlich nicht zu rechtfertigen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 81

Im Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass es zu wenige Plätze für Jugendliche mit psychischen Störungen gibt. Auch sozialtherapeutische Wohngemeinschaften gibt es in ganz Österreich zu wenige.

Im Jahr 2013 lag der Prüfschwerpunkt ja im Themenbereich „Maßnahmen zur Gewalt­prävention“. Es musste hier festgestellt werden, dass nicht alle Einrichtungen Schulun­gen zur Gewaltprävention für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für sinnvoll erachten. Die Praxis zeigt aber, dass ganz spezielle Kompetenzen gerade im Umgang mit Gewalt in Krisensituationen unbedingt nötig sind, auch zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter. Den Landesregierungen wurden von der Volksanwaltschaft, wie dem Bericht zu entnehmen ist, bereits entsprechende Anregungen unterbreitet. Ich denke, wir als LändervertreterInnen und als Länderkammer könnten hier ebenfalls tätig werden.

Meine Fraktion und Teile des Bundesrates fordern ja schon länger einen eigenen Aus­schuss für Kinderrechte und Kinderschutz. Ich denke mir, der Bericht der Volksanwalt­schaft bestätigt, dass dies mehr als dringend notwendig wäre, denn Kinder haben das Recht – wie es die UN-Konvention vorsieht –, bei Entscheidungen, die ihr Leben be­treffen, mitzureden. Dieses Recht wird nicht in allen Einrichtungen eingehalten. Wie ja Kollege Schennach schon gesagt hat, haben wir hier im November eine Enquete zum Thema „25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention“.

Missstände gibt es auch – das haben wir ebenfalls schon gehört – bei der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Die meisten Fälle, von denen man in dem ganzen Bereich hört, sind durch fehlende Personalressourcen, durch fehlende Fortbil­dungen und durch zu große Gruppen verursacht. Ich glaube, das kann man quer durch die Bank bei allen Missständen feststellen.

Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft für ihre vorbild­liche Arbeit, auch für die übersichtliche Gestaltung und die interessante Ausführung des Berichts, welcher die gute Arbeit der Volksanwaltschaft widerspiegelt. Die Miss­stände und auch die Begründungen werden sehr gut aufgezeichnet. Ich denke, es wird durch die Begründungen auch aufgezeigt, dass man Änderungen herbeiführen kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.14


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Volks­anwältin Dr. Brinek. Aber zuvor möchte ich Herrn Landesrat Andreas Liegenfeld aus dem Burgenland bei uns begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Bitte, Frau Volksanwältin.

 


13.14.49

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte hier an der Diskussion Teilnehmende! Auch Gäste aus dem Burgenland dürfen noch teilnehmen, vielleicht befruchtet das auch die künftige Zusammenarbeit.

Ich möchte zuerst quasi als Erklärung, warum ich allein hier stehe, doch Folgendes ausführen: Gerne wären auch meine beiden Kollegen Dr. Kräuter und Dr. Fichtenbauer hier in der Debatte dabei gewesen, hätten sich eingebracht, hätten zugehört, hätten Ih­re Wortmeldungen auch gerne mitgenommen. Ich darf dazu sagen, dass wir bei der Vorbereitung der Terminfindung bis vor ganz kurzer Zeit den Eindruck hatten und bestätigt bekamen, dass wir der Tagesordnungspunkt Nummer 1 sind. Das heißt: 10 Uhr; das wäre sich auch für die heute parallel stattfindenden Fernsehaufzeichnun­gen noch leicht ausgegangen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 82

Erst kürzlich haben wir die Nachricht erhalten, dass die Tagesordnung umgestellt wur­de. Wir konnten unsere Termine nicht mehr verschieben, nicht zuletzt im Namen und im Sinne der Bürgerzugänglichkeit und der ständigen Darstellung unserer Arbeit, die Verpflichtung und auch die vertragliche Vereinbarung mit dem ORF, verlässlich zu be­stimmten Zeiten zur Aufzeichnung zur Verfügung zu stehen. Das brachte uns sozusa­gen in diese Situation.

Ich darf dazusagen, dass das immer wieder einmal vorkommen kann. Wenn es ganz bestimmte internationale Verpflichtungen sind, können wir kurzfristig noch abberufen werden, aber auch, wenn es lang angesetzte, sehr gebündelte Sprechtage sind, wo die Bürgerinnen und Bürger sich auf uns verlassen und eine Verschiebung nicht möglich ist. Also bitte haben Sie auch für die Zukunft Verständnis und Geduld!

Es ist so, dass die Arbeit der Volksanwaltschaft vor allem da, wo es um Erkenntnisse bezüglich Missstände geht, auch kollegiale Beschlüsse sind, dass wir sie gemeinsam tragen, dass wir sehr gut als neues – wie auch das frühere – Kollegium intern und ex­tern zusammenarbeiten. Das heißt, wenn ich spreche, Ausführungen tätige und reflek­tiere, auch zu einem nicht unmittelbar meinen Geschäftsbereich betreffenden Thema, so tue ich das im vollen Einvernehmen und Einverständnis mit dem jeweiligen Volks­anwalt, seinem Team und seinen Prüferinnen und Prüfern.

Insofern bitte ich auch für diesmal um Verständnis, und vielleicht auch für die Zukunft. Es spricht immer die ganze Volksanwaltschaft, wenn ein Mitglied der Volksanwalt­schaft, also eine Repräsentanz der Volksanwaltschaft da ist. Es heißt ja auch „Kolle­gium“ und „Mitglieder der Volksanwaltschaft“ – ich bin also ein repräsentatives Mitglied der Volksanwaltschaft.

Lassen Sie mich zumindest zu einigen Themengruppen Stellung nehmen!

Ja, die Steigerung der Zahl der Beschwerdefälle, der Anschreiben, der Anrufungen, der Vorsprachen und so weiter geht auch darauf zurück, dass wir Ihre Aufmerksamkeit genießen, dass wir die Aufmerksamkeit der Medien genießen, dass wir die gute Rück­meldung der Bürgerinnen und Bürger genießen, dass wir durch die Ausweitung der Kompetenz auch mehr Aufmerksamkeit während einer bestimmte Phase hatten. Es gibt bei aller Ausweitung der Serviceeinrichtungen auf allen Ebenen der Verwaltung dennoch die Nachfrage bei uns: Wie sehen Sie das? – Oft sagen Bürger dann: Da war ich schon, da war ich schon, da war ich schon; Sie sind unabhängig, Sie nehmen von mir kein Geld, jetzt glaube ich es Ihnen.

Diesen Service leisten wir gern, weil wir uns auch als diese Serviceeinrichtung ver­stehen und nicht gleich sortieren: Sind wir formal zuständig? Wird da ein massiver Missstand in der Verwaltung herausschauen oder nicht? – Es ist also nicht unser Be­gehren, möglichst massiv die Missstandsliste mit knallharten Rennern und Heulern quasi zu befüllen, um zu sagen: Schon wieder haben wir jetzt die Verwaltung erwischt!, sondern eigentlich sollten wir uns in Richtung Selbstabschaffung bewegen, so quasi: Wenn es keine Beschwerden gibt, muss man nicht mehr zu uns kommen. Aber das ist Utopie, und es wird schon wieder eine neue Aufgabe auf uns zukommen. – Das im hal­ben Scherz.

Steigerung: klar! Warum auch inhaltlicher Wechsel der meisten Beschwerden in Rich­tung Asylwesen? – Nicht, weil die Arbeit der Asylgerichte schlechter geworden ist, son­dern weil immer noch der „Rucksack“, wie man es genannt hat, abgebaut werden muss, obwohl jetzt wieder neue Personalzusagen getätigt werden müssen. Wir stehen also nicht an, jedes Säumnis oder jede als Säumnis zu qualifizierende Tätigkeit der Asylgerichte auch als solche zu benennen, auch wenn es sozusagen serienartige Be­schwerden gegenüber den jeweiligen Stellen sind.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 83

Die nächste thematische Beschwerdegruppe ist der Bereich Gesundheit, Soziales. Von Ihnen wurde die Mindestsicherung angesprochen. Es verblüfft uns auch, dass die so­genannte Non-take-up-Rate – dass sich jemand, der Geld bekommen könnte, dieses nicht abholt – in manchen Bundesländern häufiger ist als in anderen.

Es ist für uns auch nicht nachvollziehbar, warum wir in der Frage Beschäftigung für Asylsuchende noch nicht weitergekommen sind. Ich darf das sagen, weil das de facto gestern auch die O-Töne von Volksanwalt Kräuter beim Salzburg-Bericht waren.

Es ist für uns auch nicht nachvollziehbar, warum wir zum Beispiel bei der Standardi­sierung der Jugendwohlfahrt nicht so gut weiterkommen. Es ist die Gruppengröße an­gesprochen worden. Sie alle können sich – ob vom Fach oder nicht – vorstellen, dass es einen qualitativ großen Unterschied macht, ob man neun oder 16 Jugendliche in der Gruppe hat. Hier ist eine Art Vereinbarung zu finden, wie man sich bundesländerüber­greifend auf eine Zahl einigen könnte. Von Ihnen wurde auch angesprochen, ob das Mittel des 15a-Vertrages künftig für solche Dinge tauglich ist beziehungsweise das, was man bei der Jugendhilfe versucht hat. – Da sind wir auch am Erproben, sicher wird die Volksanwaltschaft diese Weiterentwicklung begleiten.

Ich darf auch für den Hinweis darauf danken, dass wir uns um die Frage Menschen mit Behinderungen bemüht haben. In der Tat, wir haben das ja im Portfolio der Men­schenrechts-Besuchskommissionen. Und da kommt es schon darauf an, dass die Kommissionen in der Einrichtung gewappnet sein müssen, einen bestimmten Schulen­streit bestehen zu können. Etwa bei der Frage: Was heißt Inklusion? Wie weit geht das? Konkurrenzieren sich Inklusion und spezielle Förderung? Wie kann man das or­ganisieren? – Ich glaube auch, dass wir nach nicht einmal zwei Jahren OPCAT – also Tätigkeit im Sinne des nationalen Präventionsmechanismus – gewissermaßen am An­fang stehen. Aber die Diskussion wird noch weiterzuführen sein. Es gibt auch ein Über­gangsprogramm aus dem Bildungsministerium, bis wann man mit Sonderschulen oder sonderpädagogischen Zentren weiter so verfährt, dass Inklusion immer noch das über­geordnete Ziel dazu ist.

Lassen Sie mich auf die Frage Präventivarbeit zurückkommen! Ich werde sicher Ihre wertschätzende Berücksichtigung dieser neuen OPCAT-Aufgaben, Menschenrechts-Prüfaufgaben zusammenfassen und den Kommissionsmitgliedern mitteilen, dem Men­schenrechtsbeirat mitteilen, damit alle erfahren, wie sehr wir in dieser neuen ausge­weiteten Kompetenz wertgeschätzt werden, öffentlich bemerkt werden, politisch be­merkt werden, und damit auch alle in ihren Bundesländern darüber reden und auch mit großer Aufmerksamkeit die Standards berücksichtigen.

Manchmal werde ich gefragt: Was habt ihr denn in diesen Einrichtungen, die ihr prüft, schon festgestellt? – Wir haben bis auf Weiteres nicht die Absicht, eine „Best-of-Liste“ zu machen – also die Top-Schule in Salzburg, das schlechteste Heim in Tirol, die beste Jugendwohlfahrtseinrichtung in irgendwo –, das wäre die Verfehlung des Begriffs „Prä­vention“, das wäre die Verfehlung der Absicht.

Zu den Prüfinhalten darf ich Ihnen sagen: Es geht in erster Linie natürlich um Speise­pläne zur Mangelernährung, Diätpläne, Medikationspläne, Fixierungspläne – Fixierun­gen müssen dokumentiert werden, das muss als gelinderes Mittel ausgewiesen wer­den. Wie also gearbeitet wird, das muss heute Gott sei Dank in diesen Einrichtungen von der Jugendwohlfahrt über die Psychiatrie bis zur Altenpflege dokumentiert werden. Und wenn allein die Gewissenserforschung in den Einrichtungen bedeutet, die Kom­mission könnte kommen, wie schaut es mit meiner Dokumentation aus oder muss ich diese auf Vordermann bringen – sozusagen eine Revision meiner Mittel, die ich einset­ze –, dann ist schon viel im Geiste der Prävention getan.

Wir schauen auch darauf, wie es mit der Fortbildung, der Supervision der Mitarbeiter ist. Das betrifft die Justizwachebeamten genauso wie die Bediensteten in Alten- und


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 84

Pflegeheimen. Das betrifft auch den Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten, der an­gesprochen wurde. Wir haben eine sehr umfassende Prüfung des Modellprojekts Vor­dernberg eingeleitet und stehen vor dem abschließenden Bericht. Vielleicht wird das dann auch eine spezielle Diskussion mit Ihnen beziehungsweise mit dem Nationalrat und Bundesrat. Warum? – Weil definitionsgemäß das Schubhaftzentrum Vordernberg ein Modellprojekt sein soll und dort die Integration von Sicherheitsdiensten, von Ge­meindebediensteten in Kooperation der Trägerschaft bis hin zu hoheitlichen Aufgaben und Abgrenzung zu den eben Genannten sehr präzise und sehr gut gemacht werden muss.

Wir konnten schon erreichen, dass viele Dinge in den Verträgen nachjustiert wurden, abgegrenzt wurden, präzisiert wurden. Und natürlich steht eine hoheitliche Aufgabe einem privaten Sicherheitsdienst nicht zu. Genauso wie im Ärztegesetz geregelt ist, was ein privater Sicherheitsdienst im Krankenhaus darf, und trotzdem wird dort manch­mal eine großzügige Interpretation gelebt.

Das wird uns also weiterhin noch beschäftigen. Es ist – soweit ich auch von einem Antrag aus dem Nationalrat weiß – das Begehren, hier noch einmal zu prüfen. Vor al­lem in der Psychiatrie wird geprüft, wie weit man auf private Sicherheitsdienste verzich­ten kann. Ich respektiere auch die Sorgen der ÄrztInnen und Pflegerinnen und Pfleger, die fragen, was sie mit besonders aggressiven Patientinnen und Patienten machen sollen, mit denen sie allein schon körperlich nicht umgehen können. Aber Achtung – Abgrenzung: Was ist Ärztedienst, was ist Pflegedienst und was ist hoheitliche Aufga­be? Das darf niemals vermischt werden.

Ich sage auch noch kurz etwas zur Ausweitung des Rederechts und zur Prüfung aus­gegliederter Unternehmungen. Als Landes-Volksanwälte sind wir ja in den Bundeslän­dern außer in Tirol und Vorarlberg tätig. Wir waren gestern in Salzburg und haben dort einen Landesbericht diskutiert, ganz ausführlich, auch mit den Ausschussmitgliedern, und im Landtag die Präventionsaufgaben, weil das durch die Trägerschaft ja gerade die Landtage besonders interessiert. Wir versuchen auch, nicht ständig in Einrichtun­gen Unruhe zu erzeugen, indem einmal die Gemeindeaufsicht, einmal die Landesauf­sicht und einmal die Volksanwaltschaft mit ihren Kommissionen kommt, sondern auch da einen Weg zu finden, zwar unangemeldet, aber dennoch, so aufzutreten, dass man sich nicht nur ständig die Klinken in die Hand drückt. Das ist auch wichtig.

Zu den ausgegliederten Einrichtungen nur einen Denkanstoß: Was ist denn die Alter­native? – Ich muss sagen: Ich kann zwar einen netten Brief an diese und jene Ein­richtung schreiben, aber wissen Sie was, Frau Huber/Mayer – wer auch immer –, Sie können sich ja ans Gericht wenden, Sie können das Unternehmen klagen! – denn das wäre die zivilrechtliche Konsequenz. Allerdings sagen die Leute dann, so wie vielleicht auch Sie sagen würden: Sie meinen das aber nicht ernst, denn gegen die Rechtsab­teilung des Unternehmens XY werde ich mich nicht durchsetzen?!

Ich bedanke mich. Ich denke, ich habe zumindest kursorisch viele von Ihnen angespro­chene Punkte aufgenommen.

Ein Wort noch zur Prävention Netzbetten: Ja, es freut uns sehr, dass eigentlich so rasch von Bundesseite reagiert wurde und die Netzbetten verboten worden sind.

Und zur Personalmangelsituation in den Haftanstalten haben wir die Zusage für 100 Stellen in der Justizwache. Allerdings: Wir werden uns sehr genau anschauen, wie diese Personen eingesetzt werden, damit auch in der Organisation optimiert wird.

Zum Abschluss noch einmal: Ja, wir definieren uns als Haus der Menschenrechte. Wir tun das auch, weil wir diesen gesetzlichen Auftrag haben, weil wir die Zusammenar­beitsverpflichtung mit der Jugend, mit Schulen, mit Weiterbildungseinrichtungen haben und gerne aufnehmen. Wir haben uns dazu auch in einem Besucherzentrum selbst


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 85

noch einmal definiert und wollen Sie – ich will die Gelegenheit nutzen – Bundesrätin­nen und Bundesräte in dieses einladen. Wenn Sie nicht alle gleich auf einmal kommen, dann bewältigen wir das: besucherzentrum@volksanwaltschaft.gv.at.

Weil wir nicht stehenbleiben und damit zurückfallen wollen, freuen wir uns schon auf die laufende und nächste Diskussion mit Ihnen. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Bei­fall.)

13.28


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.29.184. Punkt

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2012 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-526-BR/2014 d.B. sowie 9239/BR d.B.)

5. Punkt

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2013 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-527-BR/2014 d.B. sowie 9240/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir kommen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Ich darf dazu recht herzlich Herrn Bundesminister Stöger bei uns begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu diesen beiden Punkten ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um die Berichte.

 


13.30.02

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbe­richt 2012 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 7. Oktober 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Gemeinwirtschaftli­chen Leistungsbericht 2012 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Techno­logie zur Kenntnis zu nehmen.

Ich komme gleich zum nächsten Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht 2013 der Bundesminis­terin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 7. Oktober 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Gemeinwirtschaftli-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 86

chen Leistungsbericht 2013 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Techno­logie zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Ana Blatnik (den Vorsitz übernehmend): Danke vielmals für die Berichte.

Bevor ich in die Debatte eingehe, möchte ich alle Mandatarinnen und Mandatare, Bür­gerinnen und Bürger aus Niederösterreich begrüßen. Recht herzlich willkommen! Schön, dass Sie da sind. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile ihm dieses.

 


13.31.43

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Es sind zwei Berichte, die wir hier diskutieren – einer aus dem Jahr 2012, einer aus dem Jahr 2013. Ich werde mich nur auf jenen von 2013 beziehen, der andere ist mittlerweile sozusagen kalter Kaffee.

Der Bericht selbst schaut durchaus gut aus. Er strotzt vor Zahlen, Tabellen, Diagram­men und auch Bildern. Man erfährt, dass im Jahr 2013 über 670 Millionen € für die Sicherung des Grundangebotes im Personenverkehr ausgegeben wurden. Und dafür sind von den ÖBB 71 Millionen Kilometer im Personenverkehr und 6 Millionen Kilome­ter von insgesamt elf Privatbahnen gefahren worden.

Allein aus diesen Zahlen sieht man schon eine gewisse ÖBB-Lastigkeit beim Schie­nenverkehr in Österreich, was ja per se grundsätzlich nichts Schlechtes oder Dramati­sches wäre. Allerdings steht in unseren Köpfen im Hintergrund ja doch die Geheimnis­tuerei um die Verträge mit den ÖBB. Diese Verträge gehören wohl zu den bestgehüte­ten Geheimnissen der Republik, und so etwas lässt natürlich immer den Verdacht einer gewissen Intransparenz aufkommen. Man kommt zum Schluss, dass es hier primär um den Schutz von ÖBB-Interessen gehen könnte. Das beweist ja auch der ewige Streit mit der WESTbahn, den man ja auch medial verfolgen kann.

Dieser Verdacht wird auch nicht unbedingt zerstreut, wenn man sich die Qualitätsbe­trachtungen anschaut, denen im Bericht breiter Raum gewidmet ist. Da geht es um Zugausfälle, um Verspätungen. Das vermittelt auf den ersten Blick ein durchaus positi­ves Bild. Es gibt einen Ausreißer im Juni des Jahres 2013, der plausibel mit dem Hoch­wasser begründet wird.

Aber wenn man sich diese Statistiken jetzt wieder ein bisschen näher anschaut, wie sie etwa zustande kommen, so ist auch hier etwas wenig Transparenz. Die sogenannten objektiven Kriterien werden ja mit Stichproben festgestellt und beurteilt. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 350 Stichproben gezogen, von, wie es heißt, geschultem Personal. Wer macht das? – Natürlich die SCHIG selbst, gemeinsam mit ÖBB-Personal. Daher bleiben schon noch einige Fragen nach der wirklichen Objektivität dieser Beurteilung offen.

Die subjektiven Kriterien, die zu 30 Prozent einbezogen werden – das ist das, was die Fahrgäste aufgrund von Befragungen empfinden –, macht der Verkehrsklub VCÖ, von dem man ja auch weiß, wem er nahesteht. Die Frage der Unabhängigkeit ist also hier durchaus berechtigt, und es drängt sich einem schon irgendwie das Motto auf: Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!

Es klafft auch eine gewisse Lücke zwischen den schönen Statistiken und den Wahr­nehmungen der Kunden, wie man sie im täglichen Gespräch mit Bahnfahrern feststel­len kann. Das fängt damit an – und das man kann auch im Bericht bei den schönen Bildern sehen –, dass beim rollenden Material doch noch ein erheblicher Anteil unter­wegs ist, der nicht rollstuhlgerecht ist und keine Klimaanlage besitzt.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 87

Über den Tarifdschungel will ich jetzt gar nichts näher sagen, dazu hatte ich bereits letztes Mal Gelegenheit beim Bericht der Schienen-Control. Wir haben das letzte Mal besprochen, wie transparent diese Tausenden von Seiten sind, wo die Tarife ersicht­lich sind, wenn man sie überhaupt auf den Seiten der ÖBB findet.

Die Frage der Verkehrsverbünde – beispielsweise in Niederösterreich, wo es zu Über­lappungen von drei verschiedenen Verkehrsverbünden kommt – ermöglicht es Ot­to Normalverbraucher eigentlich nicht, ohne wissenschaftlichen Hintergrund den für ihn günstigsten Tarif herauszufinden.

Das Problem mit den Fahrkartenautomaten ist auch noch immer vakant. Ich habe mit jemandem gesprochen, der für einen Zug nach Wien am Automaten eine Fahrkarte nach Wien gelöst hat. Ausgedruckt wurde eine Karte in die Gegenrichtung, denn das hat nicht ganz funktioniert, weil der Zug irgendwie im Kreis und wieder zurück fährt.

Auch diese Fahrkartenautomaten sind etwas für Wissenschaftler und vor allem nicht für ältere Menschen geeignet. Es besteht auch die Gefahr, dass man da Deppensteuer zahlt, indem man einen Tarif ausgedruckt bekommt, der nicht der günstigste ist. Auch bei den Vorteilscards, die ja teilweise drei Mal an dieselben Kunden verschickt worden sind, gibt es noch durchaus Verbesserungspotenzial.

Nicht ganz unerwähnt lassen möchte ich auch gewisse Sicherheitsbedenken bei den Zügen, die ohne Begleitpersonal fahren. Ich frage mich: Wenn hier irgendetwas pas­siert, wer ist dann in der Lage, sich beispielsweise um die Evakuierung der Fahrgäste zu kümmern? – Das sind also durchaus ernstzunehmende Bedenken.

Man hört natürlich immer das Gegenargument zu all diesem Qualitätsverbesserungs­potenzial, um es positiv auszudrücken: Wir sind Europameister, zumindest in der EU. Jeder Österreicher ist im Jahr 2013 1 425 Kilometer mit der Bahn gefahren. – Das ist also wieder eine Statistik. Das ist durchaus erfreulich, sollte aber nicht als Polster be­trachtet werden, auf dem man sich ausruhen kann, sondern vielmehr ein Ansporn sein. Man sieht, das Potenzial in Österreich ist vorhanden. Also schöpfen wir es doch aus! Schöpfen wir es noch besser aus und lösen wir das mit einem attraktiven Bahnfahren!

Lassen Sie mich abschließend noch als Obersteirer auf einen regionalpolitischen As­pekt eingehen! Sie, Herr Bundesminister, sagen ja richtigerweise, dass Investitionen in den Fernverkehr auch den Nahverkehr stärken. – Wunderbar! Koralm, alle drei Bau­lose voll im Bau, Tunnelkette Granitztal kurz vor Beginn, der letzte Lückenschluss auf diesem Koralm-Abschnitt. Man weiß ja auch, dass ungefähr gleich viele Menschen an der Westbahn zwischen Wien und Salzburg leben wie zwischen Wien und Villach, aber zwischen Wien und Villach nur ein Bruchteil die Bahn in Anspruch nimmt.

Ich freue mich für Deutschlandsberg und für St. Paul im Lavanttal, wenn deren Be­wohner in Zukunft an einer solchen Achse liegen, und ich weiß, wie wichtig das ist. Es gibt dieses wunderbare Beispiel Limburg in Deutschland auf der Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main zwischen Köln und Frankfurt. Limburg ist zwar primär wegen des Bischofs bekannt, aber auch dafür, dass es als Haltepunkt des ICE geboomt hat. Be­triebsansiedelungen und ein Wirtschaftsboom allein aufgrund der Tatsache des An­schlusses an das überregionale Eisenbahnnetz.

Neben diesem positiven Aspekt – wo viel Licht, da gibt es natürlich auch Schatten: Die Obersteiermark, und zwar westlich von Leoben, sprich Murtal und Ennstal, wird logi­scherweise nach Inbetriebnahme dieser Koralm-Achse zur Nebenbahn degradiert wer­den. Hier muss rechtzeitig gegengesteuert werden, indem man entsprechende S-Bahn-Konzepte nicht nur entwickelt, sondern auch finanziert. Es ist leider eben so, dass die Länder nicht in der Lage sein werden, und das Land Steiermark nicht in der Lage sein wird, das allein zu stemmen, denn diese S-Bahnen kosten vor allem die Länder sehr viel Geld.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 88

Hier möchte ich schon den Wunsch aussprechen, dass, wenn man auf der einen Seite Milliarden an Bundesmitteln in die Investition der Infrastruktur steckt, man auf der an­deren Seite auch finanzielle Mittel, bessere Mittel als normalerweise vorgesehen, als Kompensation vorsieht, um nicht eine ganze Region in der Bedeutungslosigkeit versin­ken zu lassen.

Herr Bundesminister, ich bin optimistisch, dass Sie engagiert sind, dass Sie diese Pro­bleme lösen werden. Sie haben zwar gestern nicht den Vortrag am Tunneltag in Salz­burg gehalten, aber es hat mich sehr gefreut, dass Sie am Vortag als Gast dort anwe­send waren und Ihr Engagement gezeigt haben. Vielleicht gelingt es ja, dass wir in Zukunft diesem Bericht unsere Zustimmung erteilen werden können. (Beifall bei der FPÖ.)

13.43


Präsidentin Ana Blatnik: Bevor ich dem nächsten Bundesrat das Wort erteile, möchte ich den Herrn Minister recht herzlich im Bundesrat begrüßen und ihm alles Gute für den neuen Arbeitsbereich wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile ihm dieses.

 


13.43.25

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die Sitzung der Be­richte, und jetzt haben wir wieder zwei Berichte zur Diskussion. Du hast vollkommen recht, Kollege Krusche, der Bericht schaut nicht nur gut aus, er strotzt nicht nur vor Zahlen, er ist auch gut! In Berichten – das hat man heute schon den ganzen Sitzungs­verlauf über gesehen – müssen Zahlen drinnen stehen, denn wenn keine Zahlen drin­nen stehen würden, dann würde auch Ihre Behauptung von Geheimniskrämerei be­rechtigt sein. In diesem Fall muss ich ein bisschen widersprechen, aber darauf komme ich noch einmal zurück.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer Zeit, die zusehends schnellle­biger ist und in der die Mobilität eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Nicht nur die geistige Mobilität, auch die physische Mobilität, der Transport von Menschen und Gü­tern ist dabei eine wichtige Voraussetzung für das zukünftige Leben. Die Rahmenbe­dingungen, unter denen die so wichtigen Verkehrsdienstleistungen erbracht werden können, haben sich vielfach geändert. Dabei sind vor allem die gesellschaftspoliti­schen, umweltbezogenen, aber auch die finanziellen Faktoren zu beachten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist uns – so hoffe ich zumindest – allen klar: Unter reinen Marktbedingungen ist ein Verkehrssystem, das den Wünschen und Anfor­derungen unserer Bevölkerung, aber auch besonders den Zielen der österreichischen Bundesregierung entspricht, nicht herstellbar. Daher werden vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gemeinwirtschaftliche Leistungen im Verkehrs­bereich bestellt.

Der Bund kommt durch diese Bestellungen der Aufgabe nach, ein Grundangebot im Schienenpersonenverkehr, aber auch im Güterverkehr zur Verfügung zu stellen. Lobend darf man an dieser Stelle erwähnen, dass für den regionalen Bereich auch die Länder gewisse Zusatzbestellungen vornehmen und dadurch einen wesentlichen Bei­trag leisten, die regionalen Erfordernisse zu erfüllen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die beiden vorliegenden Berichte zeigen uns, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Maßnahmen haben erfreulicherweise dazu ge­führt, dass die Fahrgastzahlen, aber auch die Kundenzufriedenheit, Herr Kollege Kru­sche, und das kann man im Bericht nachlesen, weiter gestiegen sind.

Jetzt zu ein, zwei Ausführungen, Herr Kollege, die du die ÖBB-Lastigkeit gemacht hast über. Ich weiß nicht, wie du die ÖBB-Lastigkeit definierst, wahrscheinlich über die Zu-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 89

wendungen beziehungsweise über die Summe der Bestellungen, die die ÖBB be­treffen. Ich glaube, das ist nicht ÖBB-lastig, sondern da geht es ja um Leistungen, die auf der einen Seite vom Bund und auf der anderen Seite, wie gesagt, auch von den Ländern bestellt werden. Dort sind Verträge vereinbart, und nach diesen Verträgen, nach diesen Leistungen wird bezahlt. (Bundesrat Krusche: Aber die Verträge sind ein Geheimnis!)

Es wird auch dir nicht fremd sein, dass die meisten Leistungen in unserem Österreich die ÖBB erbringen, und dadurch wird auch die Summe höher sein als die für die elf Pri­vatbahnen. Diese sind auch gut, bringen gute Leistungen, aber die Summe wird eben nicht so hoch sein.

Zur „Geheimniskrämerei“ oder „Schutz der ÖBB“: Die ÖBB braucht niemand zu schüt­zen, außer vor Ihren politischen Aussagen und vor Ihren politischen Visionen, die Sie über die ÖBB haben. Die ÖBB erbringen mit ihren über 40 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern tagtäglich 24 Stunden, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr gute Leistungen. Da braucht man keine Geheimniskrämerei zu machen, die stellen sich tagtäglich dar, und da kann sich jeder davon überzeugen. (Beifall bei der SPÖ.)

Du hast zu Recht – da gebe ich dir teilweise recht – die Vorzeige-ÖBB angesprochen. Das sieht man teilweise auch im Bericht abgebildet, wo so manche Standards, die viel­leicht heute normal sein müssten, nicht vorhanden sind. Du hast die Behindertenge­rechtigkeit angesprochen, teilweise auch die Sitze, alles, was zur Kundenzufriedenheit gehört oder wichtig ist.

Aber da muss man bei einem Standpunkt bleiben, Herr Kollege! Auf der einen Seite kann man nicht dauernd irgendwo den Vorwurf machen, dass Investitionen in die ÖBB hinausgeschmissenes Geld sind. (Bundesrat Krusche: Das habe ich nicht gesagt!) – Nein, heute hast du das nicht gesagt, aber ich rede ja nicht nur von der heutigen Sit­zung, sondern wir haben schon öfters über dieses Thema gesprochen. Das kommt nicht nur von dieser Seite. Wenn man dazu steht, dass man neues Material braucht, dass man neue Strecken braucht, dass man ein Angebot für die südliche Steiermark machen kann – ich glaube, davon hast du geredet –, dann sind Investitionen möglich. Wenn man etwas verlangt, wenn man etwas fordert, dann muss man auch dahinter­stehen, dass, wenn das an der Tagesordnung ist, wenn das zu beschließen ist, man diese Investitionen auch macht. Investitionen zu machen bedeutet, zumindest bei uns im Innviertel, Geld auf den Tisch zu legen und dazu zu stehen. Man kann nicht einmal so und einmal so sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber jetzt zu ein paar Zahlen von den vielen Zahlen aus dem Bericht, die du angespro­chen hast. Ich beziehe mich auch auf den Bericht 2013: Von der ÖBB-Personenver­kehr AG – ich glaube, das hast du auch schon gesagt – wurden rund 71 Millionen Fahrplankilometer und bei den Privatbahnen 6 Millionen Fahrplankilometer bestellt. Das allein zeigt, wenn man ein bisschen rechnen kann – ich kann mir das mit fünf Klas­sen Volksschule und vier Klassen Hauptschule ausrechnen –, dass natürlich die Zu­wendung für die ÖBB höher ist, wenn man da um so viele Millionen Fahrplankilometer mehr bestellt. Auf den gemeinwirtschaftlichen Strecken wurden insgesamt rund 216,1 Millionen Fahrgäste befördert. Daran sieht man, dass die Menschen immer mehr die Schienen benützen, nicht nur die ÖBB, sondern auch die Privatbahnen, zum Bei­spiel die WESTbahn, die du angesprochen hast.

Die Strecke der WESTbahn nach Linz ist ein Bereich, der von den gemeinwirtschaft­lichen Leistungen ausgenommen ist und daher in diesem Bericht nicht vorkommen kann.

Im Güterverkehr werden Leistungen bestellt, speziell im Bereich Beförderung von Ge­fahrgütern, und beim KLV-Verkehr sind für die ÖBB rund 77 Millionen € ausbezahlt


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 90

worden und 16 Millionen € bei den Privatbahnen, die auch im Güterverkehr schon sehr stark am Markt zu finden sind. Das sind nur ein paar Zahlen aus dem Bericht.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Mi­nister! Ich möchte mich im Namen der SPÖ-Fraktion für die sehr informativen Berichte bedanken. Ein besonderer Dank gilt allen, die diese beiden Berichte erstellt haben. Wir werden seitens der SPÖ-Fraktion natürlich gerne die Berichte zur Kenntnis nehmen.

Herr Bundesminister, zum Schluss noch zwei Sätze: Wir sind verkehrspolitisch auf ei­nem sehr guten Weg, wir sind, Kollege Krusche hat es schon angesprochen, die Bahn­fahrer Nummer eins in Europa; das habe ich vor zwei Wochen in einer Aussendung gelesen. Aber für die Zukunft: Wir haben einen hohen Stellenwert und wir wollen die­sen auch in der Zukunft halten. Dafür ist eine gemeinsame Verkehrspolitik notwendig. Wir arbeiten gerne mit, und damit dies gelingt, werden wir dich gerne unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dörfler. Ich ertei­le ihm dieses.

 


13.52.28

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Da Sie das erste Mal als Verkehrsminister im Bundes­rat sind und heute schon von einigen Fraktionen bemängelt wurde, dass es keine Re­gierungserklärung der neuen Regierungsmitglieder gibt, möchte ich die Chance nut­zen, doch auch einige Fragen an Sie zu stellen, denn für uns alle ist wichtig, dass wir einerseits Berichte, die schon Geschichte sind, ausreichend diskutieren, aber ande­rerseits auch die Ziele, die ein Minister hat, wenn er in dieses Amt berufen wird, hinter­fragen.

Der Herr Prof. Knoflacher – der Oberverkehrsingenieur Österreichs, so habe ich ihn überspitzt einmal genannt – schreibt in einem Gastkommentar am 28. August in der Tageszeitung „Die Presse“: „Die Bures-Bilanz: Nicht einmal ein Genügend“

Dem muss doch heftig widersprechen, denn ich möchte schon festhalten, dass die Frau Bundesminister Bures auch gute Noten erhalten hat, und möchte das auch näher beleuchten. Es ist heute schon diskutiert worden, Österreich ist der EU-Spitzenreiter im Bereich des Schienenverkehrs. Der europäische Durchschnitt liegt bei 830 Kilometer pro Bürger und der österreichische Spitzenwert bei 1 425 Kilometer. Es ist durchaus erfreulich, dass durch eine verbesserte Angebotssituation und auch durch den Wett­bewerb, den es zum Beispiel auf der Westbahn gibt, letztendlich die Passagierzahlen insgesamt gestiegen sind. Wir hatten 2011 noch 244 Millionen Bahnpassagiere, 2012 schon 262 Millionen und 2013 bereits 274 Millionen Fahrgäste. Das ist eine sehr gute Benotung wert.

Erfreulich ist auch, dass Frau Minister Bures ein klares Bekenntnis zur Südbahn abge­geben hat. Ich möchte schon auch immer wieder festhalten, dass man unter der Regie­rung Gusenbauer seinerzeit den Bau des Koralmtunnels und des Semmering-Basistun­nels begraben beziehungsweise stoppen wollte und dass es daraufhin eine massive südösterreichische Achse zwischen Franz Voves als Landeshauptmann und mir als Verkehrsreferenten gegeben hat und dass wir damals diese Fehlweichenstellung, die die Regierung Gusenbauer vornehmen wollte, verhindert haben.

Ich freue mich auch, Herr Bundesminister, dass Sie angekündigt haben, die Investi­tionen, die Rahmenpläne jedenfalls einzuhalten und auch die Bauzeitpläne einzuhal­ten, denn auch der Süden Österreichs, Kärnten und die Steiermark, und darüber hi­naus unser Nachbar Italien haben das Recht, eine attraktive Verkehrsverbindung wie auf der Westbahn zu haben.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 91

Eine schlechtere Note – da gibt es fast ein Nicht genügend, das muss ich auch fest­halten – bekommt die Verfahrensproblematik rund um den Semmering-Basistunnel. Ich bin nicht auf der Seite der professionellen Verhinderer mit Unterstützung der Grünen – auch finanziell, wie man hört –, denn es ist erbärmlich, dass bei einem Projekt, das im europäischen Hochleistungsbahnnetz seine Umsetzung findet, quasi über die Hintertür versucht wird, Bauarbeiten zu stoppen und die Kosten damit zu erhöhen. Was ein Un­terbrechen einer Baumaßnahme kostet, das wissen wir schon.

Natürlich müssen Verfahren seitens des Ministeriums in diesem Fall so abgewickelt werden, dass diese professionellen Verhinderer und Bremser überhaupt keine Möglich­keit haben, ein Verfahren wieder auf Sparflamme zu setzen, nämlich auf Rückzug und wieder neues Verfahren oder Verfahrensteile, die neu aufgesetzt werden müssen. Das war mit Sicherheit keine gute Leistung. Abgesehen davon sind damit im Regelfall hor­rende und unnotwendige Zusatzkosten verbunden.

Was mich interessiert, Herr Bundesminister, ist die Frage zu den Alarmsignalen aus Italien. Immerhin sind die Tunnel-Projekte mit 13,7 Milliarden € festgesetzt, 5,367 Mil­liarden € für Koralmtunnel, 3,310 Milliarden € für Semmering-Basistunnel und 5 Milliar­den € für den Brenner Basistunnel. Wenn man jetzt von der Entscheidung hört, die die Italiener medial und auch politisch angekündigt haben, dass der Brenner nicht mehr zu den prioritären Projekten Italiens gehört und daher die Finanzierung ausgesetzt wurde und die Regierung Renzi klipp und klar erklärt hat, dass das derzeit nicht verkehrs­relevant ist, dann muss man sich tatsächlich die Frage stellen: Wie geht es jetzt wei­ter? Das ist keine Erfindung von mir, „Rom erlässt Finanzsperre für den Brennerbasis­tunnel“ ist nachzulesen, ich will nicht irgendwelche Horrorszenarien herbeiführen. (Der Redner hält eine Zeitungsseite in die Höhe.) Andererseits weiß man auch, dass die Bayern mit den Zulaufstrecken nicht unbedingt mit Vollgas unterwegs sind. Dann möchte ich anfragen, wie weit Sie informiert sind, ob die Italiener jetzt diese angedroh­te Finanzsperre aufgehoben haben oder ob es tatsächlich bei diesem Problem bleibt. Das wäre doch fatal, wenn ein Projekt, das von der EU und Österreich finanziert wird, die Finanzierungstangenten der Italiener nicht erhalten würde.

Dazu muss man auch wissen, dass Italien 12 Milliarden € Privatisierungserlöse nicht erlösen kann, weil die großen Privatisierungsmaßnahmen, die Renzi angekündigt hat, zurückgenommen wurden. Nachdem die größte Werft in Oberitalien einen Erlös von nur 250 Millionen € statt geplanten 500 Millionen € gebracht hat, ist bei allen anderen – 12 Milliarden € – einnahmeseitig geplanten Privatisierungsmaßnahmen in Italien auf die Stopptaste gedrückt worden. – Das muss man wissen. Daher ist für mich die Ge­fahr, dass Italien seine Finanzierungszusagen hier nicht halten kann, natürlich relevant.

Eine Frage noch: Die Diskussion rund um eine Lkw-Bemautung aller Straßen, Landes- und Gemeindestraßen, ist Thema seit der vergangenen Verkehrsreferenten-Tagung. Wir haben das hier im Bundesrat auch schon diskutiert. Burgenlands Landeshaupt­mann Hans Niessl zum Beispiel oder die Tiroler Verkehrsreferentin Felipe und andere fordern eine Bemautung des gesamten Straßennetzes in Österreich, was natürlich mit Mehrkosten von 400 Millionen € pro Jahr verbunden wäre. Wer bezahlt es? – Der Kon­sument.

Die ländlichen Räume würden dadurch wieder das Problem haben, dass eine zusätz­liche Bemautung des gesamten Straßennetzes natürlich wieder einmal in erster Linie die ländlichen Räume treffen würde. Mich würde interessieren: Wie stehen Sie dazu?

Nachdem die ASFINAG ja 10 Milliarden € in zehn Jahren Lkw-Maut eingenommen hat, meine ich, dass das richtig und gut ist, weil in hohem Maße auch Transitverkehre Mautzahler sind. Mit der Diskussion rund um eine flächendeckende Lkw-Maut würde man eines tun: Es wäre der nächste Griff in die Taschen der Österreicher. Zuerst den


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 92

Lkw im gesamten Straßennetz zu bemauten, dann fällt noch jemandem ein, dass man die Pkw auch noch bemautet. Dann gute Nacht, Österreich, wenn es so weit käme!

Daher auch die Frage an Sie, nachdem auch die Grünen sehr massiv dahinter sind und auch der Gemeindebund überraschenderweise, auch dessen Präsident Mödlham­mer kann durchaus damit leben, wie Sie es sehen, dass man das Gesamtstraßennetz bemautet. Dazu hätte ich gerne Ihren Standpunkt gehört.

Ein weiteres Thema betrifft die Transsibirische Eisenbahn: Aktueller Projektstand, gibt es weitere Planungen, dass diese tatsächlich bis nach Wien fortgesetzt werden soll?

Die Frage ist natürlich, wenn die Russen uns eh nichts mehr abkaufen, ob wir noch ei­ne Eisenbahn bis Wien brauchen, aber vielleicht gibt es wieder Frieden in der Ukraine, damit dieses Zukunftsprojekt doch eine Chance hat.

Eine Bitte noch, Herr Bundesminister – „Mit Mausi 1 zu mehr Verkehrssicherheit“ –, wäh­rend wir Kasernen schließen und sonstige Sparmaßnahmen setzen: Warum schaltet das BMVIT eine ganze Seite in einer österreichischen Tageszeitung? (Der Redner hält eine Zeitungsseite in die Höhe.) – Das kostet mit Sicherheit einige zehntausend Euro. Jeder, der ein Wunschkennzeichen hat, leistet sich das. Dass man mit einem einsei­tigen Inserat seitens des Ministeriums quasi die Welt beglückt – und dafür sind Sie ver­antwortlich –, das halte ich schlichtweg für überflüssig. Ich sage Danke für solche In­serate, wenn sie eine Information enthalten, eine Fahrplaninformation, wenn es ein Projekt der ÖBB ist, wo es um Kundeninformation geht, ja, aber diese Späße, wo dafür dann der Herr Minister eventuell im redaktionellen Teil mit einer freundlichen „Gegen­leistung“ beglückt wird, sollten wir uns ein für alle Mal nicht mehr leisten wollen.

Mit dem Geld könnte man vielleicht die Kaserne in Bleiburg ein Jahr lang finanzieren, statt es für sinnlose Inserate auszugeben. Herr Minister! Das ist eine Bitte an Sie. Das könnten wir uns also sparen, aber vieles, was Ihre Vorgängerin initiiert hat, ist gut, und ich hoffe, Sie werden diesen Zug weiterfahren. (Beifall bei der FPÖ.)

14.00


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


14.00.33

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister Alois Stöger! Meine Damen und Herren! Berichte, die kann man so oder so sehen. Berichte sind auch dazu da, dass wir sie lesen und dass wir daraus lernen und uns damit weiterentwickeln. Ein Bericht behandelt die Vergangenheit, aber wir schauen in die Zukunft. Wir sind uns wohl alle einig, dass der öffentliche Verkehr nicht ohne Unterstützung der öffentlichen Hand auskommen kann und auskommen soll. Wir ersehen aus dem Bericht, dass der Schienenpersonennahverkehr etwa zu 85 Prozent vom BMVIT finanziert und damit sichergestellt wird. Im Schienenpersonen­fernverkehr wird etwa die Hälfte der Verkehrsdienste vom BMVIT bestellt und somit sichergestellt. Weiters unterstützt das Ministerium durch Bestellung die Verlagerung von Güterverkehr, insbesondere Gefahrenguttransporten auf die Schiene.

Der Brenner Basistunnel ist übrigens gesichert, wenn auch nicht alle sehr begeistert sind und vielleicht auch nicht alle eine Vorreiterrolle übernommen haben. Er ist in Ita­lien gesichert, und er ist auch in Deutschland gesichert. Nach der Pressemeldung, die Herr Dörfler herausgegriffen hat, ist das wieder in den Zeitungen gestanden. Er ist sichergestellt, und es haben die Landeshauptleute von Nord- und Südtirol und auch der Minister von Bayern versichert, dass der Brenner Basistunnel kommt, finanziert ist und auch die Zulaufstrecken gesichert sind. (Bundesrat Dörfler: Das würden wir uns sehr wünschen!)

Der Personenverkehr auf der Schiene hat 2013 und auch 2012 eine leichte Steigerung verzeichnen können, während es beim Güterverkehr einen Rückgang gegeben hat.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 93

Beim Rückgang des Güterverkehrs mag auch die wirtschaftliche Lage mitgespielt ha­ben. In Tirol hat es wahrscheinlich auch Rückgänge bei der rollenden Landstraße ge­geben, weil das sektorale Fahrverbot gefallen ist. Es liegt jedoch sicherlich nicht nur am Wegfall des sektoralen Fahrverbots, sondern auch an der mangelnden Attraktivität der rollenden Landstraße von Wörgl über den Brenner. Da muss man schon noch ein bisschen zulegen und es für die Transporteure besser und einfacher machen, sodass es auch wirtschaftsfreundlicher wird.

Erfreulich ist auch, dass wir bei den Fahrgastzahlen EU-weit Spitzenreiter sind. Den­noch braucht es weitere Bemühungen, um den öffentlichen Verkehr noch attraktiver und kundenfreundlicher zu gestalten. Das geht schließlich auch aus dem Bericht hervor.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, ein Überdenken der jährlichen Valorisierung an­zuregen. Kollege Stadler! Ich weiß, es gibt Verträge, und diese Verträge sind wirklich ÖBB-freundlich. Die Valorisierung erfolgt auf Basis eines höheren Werts als die norma­len Indexsteigerungen. Da könnte ich mir vorstellen, mit den ÖBB einen neuen Vertrag auszuhandeln, mit dem diese Valorisierung angepasst wird, denn eine höhere Index­steigerung als die, die wir sonst haben, muss ja nicht sein. Der Index ist in den letzten beiden Jahren um 4,52 Prozent gestiegen. Wenn man davon die Hälfte nimmt, dann sind das über 2 Prozent. Die Statistik Austria hat demgegenüber eine zweiprozentige Indexsteigerung errechnet. Man sollte das einfach angleichen. Das Unternehmen wür­de sicherlich eher eine Effizienzsteigerung in Betracht ziehen, wenn man dort nachden­ken muss, was zu tun ist, um besser zu werden, ohne mehr Geld dafür einsetzen zu können.

Es gilt auch – das ist auch schon in der Regierung besprochen –, den Ausschreibungs­wettbewerb zu intensivieren. In Deutschland gibt es schon die internationale Ausschrei­bung, was eine Effizienzsteigerung von 18 Prozent bewirkt hat. Es stellt sich die Frage, ob wir das nicht auch in Österreich auf ähnliche Beine stellen könnten.

Ich habe schon gesagt, dass Österreich im öffentlichen Personenverkehr europaweit gut dasteht. Setzen wir also auch in Zukunft auf noch besseres kundenorientiertes Qualitätsmanagement und Leistungskontrolle! Wir wären dann Weltmeister. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.05


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


14.05.46

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause vor dem Livestream! Wir werden natürlich sehr gerne die beiden Berichte zur Kenntnis nehmen. Sie sind sehr detailliert, übersichtlich und genau, und so wünschen wir sie uns auch in Zukunft, denn das bedeutet wirklich einen immensen Zuwachs an Transparenz, der da vonstattengegangen ist. Vielen Dank an die ErstellerInnen im Mi­nisterium!

Es ist von den VorrednerInnen schon erwähnt worden, und ich will da jetzt nicht noch mit weiteren Zahlen kommen: Es geht bei den gemeinwirtschaftlichen Leistungen wirk­lich um sehr viel Geld, nämlich im letzten Jahr im Personenverkehr um zirka 670 Millio­nen € und 95 Millionen € im Güterverkehr.

Es freut uns sehr, dass die Qualität der Leistungen im öffentlich finanzierten Segment des Schienenverkehrs nun auch eine größere Rolle spielt und dass die Kontrolle dieser Qualität jetzt viel ernster genommen wird. Das ist sehr wichtig und positiv im Sinne der Fahrgäste und der SteuerzahlerInnen; wie wichtig, das zeigen unter anderem Zahlen, die im Bericht stehen. Bei fast 14 Prozent der Zugfahrten, also bei jedem siebten Zug


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 94

gab es kundenrelevante Abweichungen vom vertraglich Vereinbarten und Bezahlten, Abweichungen durch Ausfälle, durch Verspätungen. Allein durch die verbesserten Prüf­methoden und durch die Intensivierung der Prüftätigkeit haben sich die Abzüge für Ausfälle und Störungen im ÖBB-Personenverkehr auf fast 2,8 Millionen € verachtfacht. Einfach nur durch die verbesserte Qualitätskontrolle!

Die Aufzeichnungen, wo noch Handlungsbedarf besteht und woran gearbeitet werden muss, sind ein sehr wertvoller Beitrag des Berichts. Unser Ziel muss sein, dass diese Werte deutlich gesenkt werden und andere Werte dafür nach oben korrigiert werden. Die ÖBB-Personenverkehr AG beispielsweise hat 2013 einen Qualitätsbonus in Höhe von 1,3 Millionen € erhalten. Das entspricht nur 7,3 Prozent des maximal möglichen Bonus. Da gibt es also wirklich noch sehr, sehr viel Luft nach oben, um die Qualität zu verbessern.

Besonders hervorheben möchte ich, dass verstärkt daran gearbeitet werden möge, in Zukunft ein weiter verbessertes Gesamtangebot im Schienenverkehr anbieten zu kön­nen. Auf Anregung vom BMVIT ist schon letztes Jahr mit Beschluss der Landesver­kehrsreferentInnen-Konferenz eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die sich damit beschäftigt, die Angebotsstandards für den öffentlichen Verkehr festzulegen und zu verbessern. Untersuchungen dieser Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass Österreich in diesem Bereich insgesamt schon ein sehr, sehr hohes Niveau erreicht hat und es nur Verbesserungsbedarf an einigen Stellen gibt. Zum Beispiel wird weiterhin an der Umsetzung des integrierten Taktfahrplans gearbeitet. An allen Haltestellen sollen über den Tag hinweg die Ankunfts- und Abfahrtszeiten optimiert werden, damit die mehr inein­andergreifen, was zu mehr Komfort für die Fahrgäste führt und Angebotslücken schließt.

Der Bund beabsichtigt auch, gemeinsam mit den Ländern den Umfang der bestellten Leistungen in den nächsten Jahren um zirka 10 Prozent auszuweiten. Das begrüßen wir natürlich sehr, weil das zu einer starken Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs führt. Er wird kundenfreundlicher werden. Die Fahrgastzahlen steigen bereits jetzt be­ständig an, und wir freuen uns sehr, dass weiter in diese Richtung gepusht wird. In die­sem Sinne freuen wir uns auf den Bericht 2014, in dem wir von weiter steigenden Zah­len und besserer Qualität lesen werden können. – Danke schön. (Beifall der Bundes­rätin Reiter sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.09


Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat No­vak. – Bitte.

 


14.10.07

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ja nicht nur aus einer Tourismus- und Natio­nalparkgemeinde, wie ihr wisst, sondern auch aus einem Eisenbahnerort, denn Mallnitz liegt an der Scheitelstrecke zwischen Klagenfurt und Salzburg. Ich habe mit Bedauern festgestellt, dass vor 20, 30 Jahren in Mallnitz bei 1 000 Einwohnern noch 250 Eisen­bahner waren und es heute nur mehr 20 oder 30 sind. Das ist für uns insofern eine Katastrophe, weil aus dem ländlichen Raum sehr viele Leute abwandern. Das hat uns sehr hart getroffen.

Was mich nicht hart getroffen hat, ist, dass, wie ich in diesem Bericht gelesen habe, die Österreicher – und das ist ja heute schon mehrfach erwähnt worden – bei den Bahn­fahrern die Nummer eins sind. Das freut mich im Gegenteil besonders, und das wird auch den Bundesminister sehr freuen. Er hat das ja in seinem Leistungsbericht im Par­lament, so wie ich das am Sonntag im Fernsehen gesehen habe, auch so vorgetragen beziehungsweise mitgeteilt. Wenn man so eine Leistung erbringen will für Österreich, dann muss man auch etwas dazuzahlen – das ist auch schon erwähnt worden –, weil das unter Marktbedingungen nur so funktionieren kann.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 95

Auf die Eisenbahn wird immer eingehauen, wenn sie zu viel Geld verbraucht. Auf der anderen Seite fordern wir aber Leistungen ein. Das ist so wie wenn eine Katze sich in den Schwanz beißt – so sagt man das bei uns in Kärnten. Auch ich werde etwas for­dern, und das muss dann eben entsprechend den Markterfordernissen auch möglich sein oder ermöglicht werden.

Zu den einzelnen Zahlen möchte ich nichts mehr sagen. Was mir besonders gefallen hat in diesem Bericht ist, dass ihr im Bundesministerium euch trotz dieses hohen Stan­dards auch mit den Ländervertretern zusammengesetzt und gesagt habt, dass man weiterarbeiten muss. Wir müssen weiter an der Qualität arbeiten und schauen, dass wir in Zukunft den Angebotsstandard noch weiter erhöhen können. Es ist auch schon gesagt worden, dass man versuchen wird, Lücken auszubessern und zu füllen. Natür­lich muss das dann auch so gemacht werden, dass es marktwirtschaftlich vertretbar ist.

Ihr wisst aus all meinen Reden, die ich hier im Bundesrat gehalten habe, dass ich immer die ländlichen Regionen vertreten habe. Da, wo ich zuhause bin, sind wir auch eine ländliche Region. Und da gibt es schon ein paar Bereiche, in denen eigentlich doch noch etwas getan werden sollte, denn die Tagesrandzeiten gerade auf der West­bahn Richtung Salzburg über Klagenfurt und Mallnitz sind bei uns ausgedünnt worden, vor allem in der Früh. Das hat sich leider Gottes innerhalb von zehn Jahren massiv ver­schlechtert.

Unser Tal, das Mölltal, ist relativ lang, reicht bis zum Großglockner. Die Menschen hät­ten vielleicht die Möglichkeit, auf der anderen Seite der Berge, der Hohen Tauern Ar­beit zu finden, im Gasteinertal, wo über 10 000 Betten den Gästen zur Verfügung ste­hen. Sie könnten also im Tourismusbereich arbeiten. Es ist aber sehr schwer, dorthin zu kommen. Es gibt ja keine Straße, also hat die Eisenbahn ein Transportmonopol. Man müsste versuchen, dieses Problem irgendwie zu lösen. Es gibt dort beispiels­weise auch eine Hotelfachschule, zu der die Kinder und Jugendlichen fahren können sollten, denn sonst ist ein Schulbesuch nur schwer möglich, da mit massiven Kosten verbunden, weil der Jugendliche drüben bleiben und dort einchecken muss, weil er eben nicht über den Berg kommt.

Ein bisschen kurios ist auch, und das wirst du als Bundesminister vielleicht nicht wis­sen – ich sage jetzt du, weil der Minister schon oft in Mallnitz war zu einer Zeit, als ich noch ein bisschen jünger war (Bundesminister Stöger: Ich auch! – allgemeine Heiter­keit) –, dass wir in Kärnten sozusagen einen Geisterzug haben. Da fährt am Abend ein ICE von Salzburg nach Klagenfurt und dann wieder zurück. Dieser Zug hat dann aber keinen Menschen mehr an Bord. Man versucht da also zu sparen und bringt den Zug wahrscheinlich am nächsten Tag wieder von Salzburg aus zum Einsatz. Wir hätten eigentlich Bedarf, dass man nicht nur Schüler, sondern auch Arbeitende und Reisende von Klagenfurt über das Gasteinertal Richtung Salzburg bringt. Es geht also darum, abzuklären, ob dieser Zug nicht über Nacht in Klagenfurt bleiben könnte. Dann würden wir den in der Früh einsetzen. Das sind Einzelheiten, aber das ist eben auch die West­bahn, eine wichtige Bahnverbindung, sodass man auch in aller Früh nach allen Rich­tungen aufbrechen können sollte, nicht nur nach Wien, sondern auch nach Deutsch­land, Belgien oder Holland. Das betrifft auch den Flughafen, mit dem wir derzeit in Kärnten ja bekanntlich ein bisschen Probleme haben. Von uns auf der Scheitelstrecke aus ist es in beide Richtungen im Grunde genommen gleich weit.

Es ist absolut begrüßenswert, dass es Bemühungen gibt, den öffentlichen Verkehr noch attraktiver, noch kundenfreundlicher zu gestalten. Dabei bleibt zu hoffen, dass wir im ländlichen Raum nicht übrig bleiben und nur der Zentralraum bevorzugt wird. Na­türlich muss das marktwirtschaftlich orientiert und ausgerichtet sein. Herr Minister! Ich bitte Sie, dass Sie in Zukunft nicht auf die ländlichen Randregionen vergessen. Selbst­verständlich werden wir dem Bericht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.15



BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 96

Präsidentin Ana Blatnik: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminis­ter Stöger. – Bitte.

 


14.16.06

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin jetzt als Netzwerkminister zuständig dafür, dass die Netzwerke in Österreich funktio­nieren, das Netzwerk Straße, das Netzwerk Schiene, aber in Zukunft auch das Netz­werk Breitband. Da werden Menschen miteinander verbunden, und es geht darum, dass wir Menschen miteinander verbinden. Als ich Verkehrsminister oder Netzwerkmi­nister geworden bin, waren das erste Thema diese gemeinwirtschaftlichen Leistungs­berichte. Wie jeder Neue habe ich diese Berichte ganz besonders genau durchgelesen und das im Licht der Erfahrungen, die ich in meinem bisherigen politischen Leben ge­macht habe, reflektiert.

Bei dieser Reflexion ist mir Folgendes eingefallen: Ich war total zufrieden mit diesem Bericht, den meine Vorgängerin, die nunmehrige Nationalratspräsidentin Doris Bures eingebracht hat. Ich habe mir gedacht, dass dieser Bericht die richtigen Schlüsse ge­zogen hat, die richtige Richtung bestimmt hat. Im Umgang mit den gemeinwirtschaftli­chen Leistungen, wie man Bestellungen durchführt, wie man Qualität überprüft, macht man das, was einer vernünftigen Verkehrspolitik entspricht, nämlich gemeinwirtschaftli­che Leistungen bestellen, sie beauftragen und zweitens ganz konkret die Qualität überprüfen, in der sie erbracht werden. Und das ist aus meiner Sicht entscheidend und unterscheidet uns auch von anderen Ländern. Wir geben keine Subventionen, nein, sondern wir bestellen Leistungen, die die Bürger brauchen, und wir kontrollieren auch, ob der Leistungsanbieter diese Leistungen tatsächlich erbracht hat.

Es ist ganz wichtig, zu erkennen, wie entscheidend die Zurverfügungstellung von Netz­werken für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Mobilität unserer Bevölkerung ist. Es war die Eisenbahn, die die Industrialisierung vorangetrieben hat; und es war die In­dustrialisierung, die umgekehrt wieder die Weiterentwicklung der Eisenbahn vorange­trieben hat. Daher geht es darum, dass wir die Mobilitätsbedürfnisse der österreichi­schen Bevölkerung entsprechend unterstützen.

Der GWL-Bericht informiert über den Inhalt der Verkehrsdienstverträge, er beschreibt den Leistungsumfang, er beschreibt auch, wenn wir irgendwo eine Überkompensation haben, er beschreibt die Leistungskontrolle. Es geht mir auch um das Qualitätsma­nagement. Darauf lege ich immer großen Wert.

Es ist schon angesprochen worden: Ich war gestern beim Verkehrsministerrat der Eu­ropäischen Union. Dort schaut man auf Österreich, weil wir es geschafft haben – die Schweizer sind noch besser bei der Bahn –, innerhalb der EU ganz vorne zu sein, und die meisten Kilometer Leistung pro Kopf zustande gebracht haben.

Das ist gut. Wir dürfen uns keinesfalls darauf ausruhen. Warum ist uns das gelun­gen? – Es ist uns deswegen gelungen, weil wir investiert haben.

Es gibt ein Argument für die Schiene: Man braucht 2 Stunden 22 Minuten von Salzburg nach Wien. Das ist ein Argument, da kommt man mit dem Auto nicht mehr mit. Es ist heute jeder ungeschickt und wirtschaftlich unverantwortlich, wenn er mit dem Auto nach Salzburg fährt. 2 Stunden 22 Minuten, das ist ein Argument. Wenn ich als Ober­österreicher in 1 Stunde 15 Minuten von Linz Hauptbahnhof nach Wien Westbahnhof brauche, dann ist das ein Argument, das die Menschen überzeugt.

Wir haben mit diesen gemeinwirtschaftlichen Leistungen 77 Millionen Fahrplankilome­ter bezahlt und wir haben dafür 670 Millionen € aufgewendet. Das kann sich sehen las­sen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 97

Wir haben ein kleines Problem im Güterverkehr. Wir sind Europameister, wenn es da­rum geht, Güter auf der Schiene zu transportieren. Der Güterverkehr geht aber zurück. Das hängt damit zusammen, dass die Warenströme weniger werden. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die wirtschaftliche Entwicklung ein bisschen rückläufig ist. Uns geht es darum, dass wir dabei bleiben, dass Unternehmen die Chance haben, ihre Güter, ihre Mobilitäten, die sie brauchen, über die Schienen zu organisieren. Warum? – Die Schiene ist 64 Mal sicherer als die Straße. Das ist ganz besonders bei Gefahren­gütern wichtig und auch entscheidend.

Gestatten Sie mir noch, ein paar Informationen oder ein paar Antworten an die Bun­desräte zu geben. Herr Bundesrat Krusche! Der Bericht schaut nicht nur gut aus, er ist auch gut. Er informiert Sie. Ich würde mich freuen, wenn wir eine Auseinandersetzung über die Inhalte führen könnten, weil ich glaube, dass das sehr objektiv ist. Bemühen wir uns, die Qualität zu verbessern! Arbeiten wir gemeinsam daran, um die Qualität verbessern zu können! Wir sind die Nation, die auch international gefragt ist, was die Schieneninfrastruktur, was den Schienenbau, was den Tunnelbau betrifft, weil wir mit der österreichischen Schieneninfrastruktur weltweit sagen können, wir sind da ausge­zeichnet aufgestellt.

Herr Bundesrat Stadler! Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass es die Marktbedin­gungen nicht zulassen, gemeinwirtschaftliche Leistungen zu organisieren. Kein Privater würde einen Brenner-Basistunnel machen. Ich hätte mir auch angeschaut – ich nehme immer dieses Beispiel –, welcher Private die Wiener Hochquellwasserleitung gebaut hätte. Heute ist sie eine Goldquelle. Sie ist so ein wichtiges Infrastrukturinstrument, das wäre damals mit betriebswirtschaftlichen Methoden nicht machbar gewesen.

Zu den Ausführungen von Bundesrat Dörfler: Ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, dass die Weiterentwicklung nicht durch Wettbewerb entstanden ist. Sogar das Ge­genteil ist der Fall: Die Weiterentwicklung ist durch sinnvolle Investitionen entstanden. Ich stehe dazu, ich habe immer gesagt, dass ich zur Südachse stehe. Es wohnen gleich viele Menschen zwischen Wien und Salzburg und zwischen Wien und Villach, aber vier Mal so viele Menschen fahren zwischen Salzburg und Wien mit den ÖBB. Warum ist das so? – 2 Stunden 22 Minuten – das ist einfach das Argument! Ich möchte, dass wir auch auf der Südstrecke den Menschen diese Leistungen anbieten können, und daher trete ich dafür ein, dass wir nicht nur die Arbeitsplätze schaffen, sondern dass wir auch die Mobilität verbessern. Wir werden morgen ein großes Fest feiern. Der Hauptbahnhof in Wien wird eröffnet. Er ist ein Teil der Südstrecke, und das ist auch ein Beitrag dazu, zu zeigen, dass wir hier auch ausbauen können.

Zu den Ausführungen von Frau Bundesrätin Junker: Ich habe es schon angesprochen, Gefahrengut ist entscheidend. Zur jährlichen Valorisierung gibt es einen anderen In­dex, was Verbraucherpreise im Verhältnis zu Baukostenpreisen anbelangt. Wir haben den Index vom Statistischen Zentralamt, was die Baukostenpreise anlangt. Es ist der­selbe Index wie der von der Statistik Austria, der eben in diesem Feld der Anzuwen­dende ist.

Ich bedanke mich bei Frau Bundesrätin Schreyer für den Dank an die Mitarbeiter, die das erarbeitet haben. Danke dafür. Ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, dass wir die Qualität prüfen, dass wir die Qualität einfordern, da haben wir eine gemeinsame Linie. Ich sage ja auch, dass der Taktfahrplan eine Herausforderung in der Zukunft ist. Wir wollen das stärken, denn dann haben die Bürgerinnen und Bürger eine Chance, sich einzustellen, dann ist der öffentliche Verkehr die bessere Wahl.

Zu den Ausführungen von Bundesrat Novak: Mallnitz ist ein Teil meiner Geschichte, in­sofern ist es mir wichtig, besonders die Regionen nicht zu vergessen. Es ist tatsächlich so, dass es Orte gibt, die eine besondere Bindung zur Bahn haben. Die Verbindung zwischen dem Gasteinertal und Kärnten, glaube ich, ist eine ganz entscheidende In-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 98

frastruktur, nicht nur für diejenigen, die im Stau stehen würden und als Alternative den Zug nutzen können, sondern es ist wichtig, dass wir auch in der Tourismuspolitik die Schiene zur Verfügung haben, die hier gute Leistungen erbringen kann.

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann ich Ihnen berichten, dass ich gestern im EU-Ministerrat mit dem italienischen Verkehrsminister gesprochen habe. Dort gibt es ein klares Bekenntnis zu den internationalen Netzen. Er ist ja derzeit Präsident, Italien hat ja derzeit den Vorsitz bei den Transeuropäischen Netzen inne. Die transeuropäischen Netze betreffen uns auf der Brennerachse und betreffen uns auf der Südachse, das ist die baltisch-adriatische Achse, die muss gestärkt werden, die wollen wir stärken. Es gibt weder von Deutschland noch von Italien irgendwelche Über­legungen, hier nicht am Brenner-Basistunnel zu arbeiten, ganz im Gegenteil, alle Pro­jekte sind in der Zeit.

Wir arbeiten in den gemeinsamen Projekteinheiten gut zusammen, und ich glaube, das ist das Entscheidende. Diese Verkehrspolitik ermöglicht auch ein Zusammenrücken in Europa, und das brauchen wir ganz besonders. (Allgemeiner Beifall.)

14.28


Präsidentin Ana Blatnik: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbe­richt 2012 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbe­richt 2013 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung, dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstat­tung über den Antrag 198/A-BR/2014 der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und weitere Gesetze geändert werden, eine Frist bis 6. November 2014 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abge­lehnt.

*****

Ich begrüße den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Klug in unserem Haus. Schön, dass du gekommen bist.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 99

14.31.02Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 2803/AB-BR/2014

 


Präsidentin Ana Blatnik: Wir gelangen nunmehr zur Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 2803/AB-BR/2014 an den Herrn Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport.

Da die Anfrage und die dazugehörige Anfragebeantwortung inzwischen allen Bundes­räten und Bundesrätinnen zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Bevor ich dem ersten Redner beziehungsweise der ersten Rednerin das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, dass gemäß § 60 Abs. 5 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates, einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


14.31.55

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich habe am 24. Juli, im Sommer dieses Jahres, eine Anfrage an den Bundesminister für Landesverteidigung, Herrn Bundesminister Klug, gerichtet. Die­se liegt Ihnen vor. Bemerkenswert im Zusammenhang mit dieser Anfrage ist die Beant­wortung, denn in der Beantwortung wurden die Fragen 1 bis 3 zusammengefasst – das kommt öfters vor. Und darin stellt der Bundesminister fest, dass gemäß Artikel 79 Bundes-Verfassungsgesetz die Aufgaben des österreichischen Bundesheeres auch in Zukunft in vollem Umfang gewährleistet sein werden; das ist meine sinngemäße Zu­sammenfassung.

Jetzt wissen wir seit ein paar Tagen, seit die Budgetprognosen beziehungsweise Bud­getzahlen für das Jahr 2015 vorliegen, dass erstmals in der Geschichte der Republik das Budget für das österreichische Bundesheer auf die magische 0,5-Prozent-Marke gefallen ist. Wir sprechen für das Jahr 2015 von einer Prognose von 0,549 Prozent. Das ist, wenn man sich die Budgetzahlen vom Jahr 1983 bis zum Jahr 2015 anschaut, ein Trauerspiel insofern, als es eigentlich mit ganz wenigen Ausnahmen laufend zu ei­ner Reduktion des Budgets des österreichischen Bundesheeres gekommen ist. Das ist etwas, wo man von Haus aus einmal sagen muss: Da sind selbstverständlich beide Ressorts, das Ressort des Herrn Bundesministers Klug, aber natürlich auch das Fi­nanzressort, mit verantwortlich. Der eine, der sagt, er möchte so viel haben, und die anderen, die sagen, wir geben aber nur so viel her. So viel nur zur grundlegenden Klar­stellung.

Ein interessanter Punkt und Grund für die heutige Anfragebesprechung: Der Herr Bun­desminister hat am 20. Mai 2014 im Zuge einer Dringlichen Anfrage im Nationalrat ge­sagt, und zwar wörtlich:

„Jeder von Ihnen, der bereit ist, für eine solide Zukunft unserer Armee und die dafür notwendigen finanziellen Mittel und die notwendige Ausstattung zu kämpfen, hat in mir einen verlässlichen und hartnäckigen Verbündeten.“ – So weit, so gut.

Wenn diese Budgetentwicklung, Herr Bundesminister, wirklich das ist, was am Ende des Tages bei einem hartnäckigen und verlässlichen Verbündeten herauskommt, dann muss ich Ihnen hier leider Gottes den Vorwurf machen, dass Sie nicht hartnäckig ge­nug waren, dass Sie nicht intensiv genug verhandelt haben, dass Sie nicht das Beste für das österreichische Bundesheer herausgeholt haben. Und darum können wir auch Ihre Antwort auf die schriftliche Anfrage vom 24. Juli nicht zur Kenntnis nehmen.

Wir wissen heute, dass etwa das Panzerbataillon 33 zu einem Infanterie-Bataillon um­gewandelt wird. So weit, so gut oder so weit, so schlecht, je nachdem. Es bleibt ein


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 100

Panzerbataillon mit zwölf Leopard-Panzern übrig. Zwölf Leopard-Panzer, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wäre es besser, sie gleich direkt ins Heeresge­schichtliche Museum zu schicken. Das hat überhaupt keinen Sinn mehr, das ist völlig lachhaft. Im Jahr 1996, damals ebenfalls – ich darf daran erinnern – große Koalition, wurden 114 angekauft, heute sind im Endeffekt zwölf übrig. So kann man den Auf­gaben der militärischen Landesverteidigung nicht nachkommen, und so kann man auch nicht argumentieren, dass dem Artikel 79 des Bundes-Verfassungsgesetzes nachge­kommen werden kann. Das ist einmal das eine.

Weiters sind da natürlich auch sehr viele Dinge dabei, die, würde ich einmal sagen, nicht direkt mit der militärischen Landesverteidigung zu tun haben, aber sehr wohl zur Identitätsstiftung in diesem Land beitragen. Dazu zählen natürlich die Militärkapellen. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob wir uns ein Bundesheer oder ob wir uns Militärkapellen leisten können, dann sage ich Ihnen: Selbstverständlich, mir ist es wichtiger, dass wir uns ein Bundesheer leisten. Aber es ist auch legitim, dass die Länder sagen, sie wollen ihre Militärkapellen haben.

Herr Bundesminister, das ist auch nicht unspannend: Sie haben angekündigt, das Mili­tärgymnasium in Wiener Neustadt schließen zu wollen. Es ist interessant, dass das vonseiten der SPÖ kommt, weil gerade die SPÖ ja laufend fordert, dass wir mehr in Bildung investieren müssen.

Es gibt zurzeit keine konkreten Zahlen, es gibt nur kolportierte Zahlen: Der Erhalt des Militärgymnasiums in Wiener Neustadt kostet rund 200 000 € pro Jahr. Da wechselt ganz kurz der Bundesminister seine Jacke, zieht die Bundesheerjacke aus, nimmt die Sportministerjacke her, dreht sich um und gibt der neu gegründeten Liese Prokop Pri­vatschule eine Unterstützung als Sportminister in der Höhe von 10,7 Millionen €. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, ich gönne das dieser Schule wirklich, sie hat sich das verdient und das ist auch notwendig, aber wenn man sich diese Gewichtung ansieht, wenn Sie sagen, 200 000 € haben wir nicht, aber 10,7 Millionen € haben wir dort schon, dann ist das etwas, Herr Bundesminister, wo Sie sich nicht mit Ruhm bekle­ckern. Das ist wirklich unglaublich.

Ich habe weitere Anfragen an den Herrn Bundesminister gestellt, und zwar ging es da­rum, wie viel Geld für Werbung vonseiten des Verteidigungsministeriums ausgegeben wird. Dazu habe ich vier Fragen an den Bundesminister gestellt, leider Gottes hat er nur zwei Fragen beantwortet, die anderen zwei wurden nicht beantwortet. Sie wurden zusammenfassend beantwortet, aber sie wurden nicht explizit aufgelistet, so wie es eigentlich im Zuge des Interpellationsrechtes auch mein gutes Recht wäre, das zu ver­langen, und eigentlich hätte das Ministerium das auch so zu beantworten.

Da hören wir, dass vom 1. Jänner bis zum 23. Juli 2014 77 000 € für verschiedene Publikationen, für Online-Werbung ausgegeben wurden. Das heißt: 77 000 € sind dafür ausgegeben worden, dass dann ein solch schönes Inserat (der Redner zeigt dieses) auf der Plattform www.wetter.at abzurufen ist. Das Jahr endet nicht, wie wir wissen, En­de Juli, und wenn wir das hochrechnen, dann kommen wir schon in Richtung 100 000 €. Das heißt, wir haben auf der einen Seite 200 000 €, die die Schule in Wiener Neustadt kosten würde, auf der anderen Seite blasen wir 100 000 € für Internet-Werbung hinaus.

In der Anfragebeantwortung schreibt der Herr Bundesminister: Na ja, es ist ja auch Aufgabe des Ministeriums, Werbung zu machen, Werbung ist Öffentlichkeitsarbeit. Da­zu besteht eine Verpflichtung.

Herr Bundesminister! Wissen Sie, was die beste Öffentlichkeitsarbeit des österreichi­schen Bundesheeres ist? – Die beste Öffentlichkeitsdarstellung ist – abgesehen von den Einsätzen bei Hochwasser, beim Katastrophenschutz, beim Lawinenschutz, wo man wirklich auch feststellen muss, dass die österreichischen Soldaten großartige Ar-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 101

beit leisten, das muss man wirklich unterstreichen (Beifall bei der FPÖ) –, die beste Öf­fentlichkeitsdarstellung ist – und das kann jeder, der in der Kommunalpolitik tätig ist, bestätigen, wenn Sie Angelobungen im öffentlichen Raum durchführen, wo vielleicht dann noch ein Zelt aufgestellt ist und auch eine Gulasch-Kanone steht. Dort halten sich die Kosten wirklich im Rahmen – es ist ja nicht so, dass das jetzt enorm großen Auf­wand bedeutet –, und Sie haben den besten Werbewert in der Bevölkerung, die beste Verankerung in der Bevölkerung bis in die kleinen Ortschaften, überall dort, wo das Bundesheer präsent ist und wo sich das Bundesheer zeigt.

Herr Bundesminister Klug, die Kernkompetenz des österreichischen Bundesheeres, der Kampf der verbundenen Waffen, ist mit diesem Budget nicht mehr garantiert! Damit können Sie auch nicht mehr der Verpflichtung nachkommen, die im Bundes-Verfas­sungsgesetz festgeschrieben ist. Ich weiß schon, dass jedem Minister in irgendeiner Form daran gelegen ist, sich in gewisser Weise ein Denkmal zu setzen. Ihr Denkmal, Herr Bundesminister, wird das sein, dass Sie als Totengräber des österreichischen Bun­desheeres in die Geschichte eingehen.

Eines ist auch klar: Als im Jänner 2012 die absolute Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher bei der Volksbefragung dafür gestimmt hat, dass die Wehrpflicht bei­behalten werden soll, hat das ein Gutteil der SPÖ – die SPÖ hat ja dagegen kam­pagnisiert – als große Beleidigung empfunden. (Bundesrat Füller: Wer war beleidigt? Wer ist denn beleidigt?) Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Entwicklung des österreichischen Bundesheeres, die wir heute erleben, nichts anderes als eine Retourkutsche dafür ist, dass die Österreicher seinerzeit nicht der Argumen­tation der SPÖ, jener des damaligen Verteidigungsministers Darabos und jener des Wiener Bürgermeisters Häupl, von dem nämlich der Vorschlag gekommen ist, gefolgt sind. Im Endeffekt geht es doch um diese Sache. (Beifall bei der FPÖ.)

In Wirklichkeit sind Sie jetzt in der unangenehmen Situation, dass Sie das exekutieren müssen. Dass das unangenehm ist, das ist klar. Im Endeffekt wird von Ihrem Ruhm nichts übrig bleiben. Auf der einen Seite versuchen Sie, sich mit den geringen Budget­mitteln, die es vielleicht beim Bundesheer noch gibt, eine gute Berichterstattung über Inserate zu kaufen, und auf der anderen Seite tragen Sie dafür Sorge, dass das ös­terreichische Bundesheer in seinen Grundfesten so weit zerschlagen wird, dass es der gesetzlichen Verpflichtung, nämlich der Aufrechterhaltung der Wehrfähigkeit der Repu­blik Österreich, nicht mehr nachkommen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41


Präsidentin Ana Blatnik: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Mag. Klug. – Bitte.

 


14.42.03

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Gerald Klug: Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich darf vorweg meiner Freude Ausdruck verleihen, dass ich wieder einmal hier im Bundesrat sein darf.

Betreffend die Beantwortung der Anfrage 3029/J-BR/2014 der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen möchte ich gerne die Gelegenheit der Anfragebesprechung nutzen, Ihnen die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Strukturpaket ÖBH näherzubringen.

Durch die wiederkehrenden Budgetabschläge der letzten Jahre und durch die über Jahre hin aufgestauten eklatanten Engpässe, zum Beispiel im Bereich der Fahrzeug­flotte und unserer Luftfahrzeuge, sind die Auswirkungen auf unsere Armee unüberseh­bar. Die vorherrschende und zu erwartende Ressourcenlage machte eine nahezu völ­lige Streichung von Neuinvestitionen in den Jahren 2014 und 2015 notwendig, was letzt­lich zu einer signifikanten Leistungsreduktion des Bundesheeres führte.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 102

Aufgrund der allgemeinen Budgetlage und des noch vorgegebenen Personalrahmens ist die Organisation zu verkleinern und sind auch Kasernen zu schließen. Der Anteil schwerer Waffen im österreichischen Bundesheer ist bis 2018 signifikant zu verringern. In der Logistik und bei der Ausbildungsorganisation sind die Strukturen an den verrin­gerten Bedarf anzupassen. Im Ministerium, bei den Kommanden und den Ämtern wird generell das Personal um 15 Prozentpunkte gekürzt, insgesamt werden die Bereiche des Personalaufwands, des laufenden Betriebs und des sonstigen Sachaufwands um durchschnittlich 200 Millionen € pro Jahr im Vollausbau reduziert. (Vizepräsident Him­mer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Geschätzte Damen und Herren, die vorgeschlagenen Maßnahmen dienen dazu, dass das österreichische Bundesheer die Aufgaben Landesverteidigung, Assistenzeinsätze und Auslandseinsätze weiter in angepasster Form erfüllen wird. Wahrscheinliche Auf­gabenstellungen des militärischen Einsatzes sind dabei der Schutz kritischer Infrastruk­tur – wie zum Beispiel der Schutz des Flughafens Wien, von Raffinerien, der Stromver­sorgungsnetze, der Wasserversorgungsnetze und dergleichen mehr –, die Luftraum­überwachung, der Schutz und die Hilfe bei Naturkatastrophen, Friedenseinsätze im Aus­land, das Ausbilden unserer Grundwehrdiener, aber auch die Abwehr von Bedrohun­gen aus dem Cyberraum.

Es ist mir wichtig, diese Aufgaben auf einem zeitgemäßen Stand, insbesondere im Be­reich der militärischen Landesverteidigung, aber auch bei der Mobilität, der Führungs­fähigkeit und beim Schutz der Soldatinnen und Soldaten zu erfüllen. Daraus abgeleitet erfolgt auch eine Konzentration auf die militärisch einsatzwahrscheinlichen Waffengat­tungen Infanterie, Spezialeinsatzkräfte, Pioniere und ABC-Abwehrtruppe. Daraus fol­gen die Profilschärfungen dieser Waffengattungen für Einsätze im In- und Ausland. Gleichzeitig erfolgt eine Redimensionierung der Waffengattungen Panzer, Artillerie und Fliegerabwehr auf einen sogenannten Rekonstruktionskern.

Es gilt mein Auftrag, die Wehrdienstreform mit dem Ziel einer zeitgemäßen und sinn­stiftenden Ausbildung für die Rekruten und Milizangehörigen fortzusetzen. Darüber hi­naus wird die Miliz in diesem Konzept auch aufgewertet. Das bedeutet den quantita­tiven Aufwuchs von österreichweit zwölf zusätzlichen Kompanien bis 2018 und auch eine materielle Besserstellung. Dafür sind in einem ersten Schritt Investitionen im Aus­maß von rund 26 Millionen € erforderlich. Ich sage gleichzeitig aber auch dazu, dass dies nur über eine Sonderfinanzierung möglich ist.

Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Trotz der Verkleinerung der Organisation wird es größtenteils vermieden, ganze Bataillone aufzulösen und große Garnisonen zu schließen, vielmehr werden kleine, unwirtschaftliche Standorte ge­schlossen und durch die Verdichtung von Personal und Material an großen Standorten wird ein effizienter Betrieb ermöglicht. Die Verwertung von Gerät und Liegenschaften soll, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, für notwendige Investitionen genutzt werden. Die aktive Luftraumüberwachung wurde bereits flexibler gestaltet. Es werden zusätzliche finanzielle Mittel zur weiteren Aufrechterhaltung der neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen benötigt.

Meine Damen und Herren, nun möchte ich zum Bereich der Sonderinvestitionen über­gehen. Trotz schmerzhafter Maßnahmen, die ich bereits dargestellt habe, stehen Be­schaffungen an, deren Finanzierung nach wie vor offen ist. Im Detail sind das die Hubschrauberflotte für die Katastrophenhilfe, das Nachfolgegerät für die Saab 105 zur Luftraumüberwachung, der Bereich der Ausrüstung der Miliz und auch die Ausstattung der Truppe mit modernen Fahrzeugen. Es ist nicht machbar, das aus dem laufenden Budget zu stemmen. Wenn es da keine Unterstützung gibt, wird es meines Erachtens zu massiven Einschränkungen bei der Einsatzbereitschaft kommen müssen. Aus die­sem Grund habe ich schon frühzeitig, im Frühjahr 2014, das Gespräch mit dem da-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 103

maligen Finanzminister Spindelegger und auch schon mit seinem Nachfolger Finanz­minister Schelling gesucht.

Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Nach meinen Ausführun­gen werden Sie nun sicher verstehen, warum meine Anfragebeantwortung vom 24. Sep­tember derart prägnant und konzise ausgefallen ist.

Lassen Sie mich noch einmal festhalten: Ich habe Ihnen gerade die wesentlichen Eck­punkte des Strukturpakets für das österreichische Bundesheer skizziert. Das Konzept ist in sich schlüssig und befindet sich derzeit innerhalb der Koalition in Endabstim­mung. Nach Abschluss dieser Beratungen komme ich sehr gerne wieder, um auch Fra­gen zum akkordierten Paket gemeinsam ausführlich zu beraten.

Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich halte hier und heute in aller Klarheit fest, dass das österreichische Bundesheer weiterhin auf der Basis des Konzepts ÖBH 2018 plus dem Sonderinvest seinen in der Bundesverfassung festgeschriebenen Aufgaben in vollem Umfang nachkommen wird.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei unserem Generalstabschef General Com­menda – stellvertretend für das gesamte Projektteam – sehr herzlich bedanken.

Abschließend möchte ich all unseren Soldatinnen und Soldaten sowie unseren Zivilbe­diensteten für ihre Leistungen und ihren unermüdlichen Einsatz im In- und Ausland zum Wohle und zum Schutz der Republik Österreich großen Dank aussprechen und ih­nen meine Anerkennung dafür zollen.

Herr Kollege Jenewein, wenn es nach Ihrer Definition schon um „Denkmäler“ geht, dann „bedanke“ ich mich für das Denkmal seitens der FPÖ, für die Eurofighter. (Anhal­tender Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Jenewein:  Darabos!)

Und zum Zweiten, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Wir haben heute wieder ein gutes Beispiel dafür gesehen, dass Sicherheitspolitik mehr ist, als vereinfachte Über­schriften vom Rednerpult zu trommeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

14.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


14.51.24

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das österreichische Bundesheer ge­nießt in der Bevölkerung hohe Akzeptanz und höchste Anerkennung. Spätestens seit dem Assistenzeinsatz weiß die Bevölkerung, wie wichtig es ist, dass es eine Alterna­tive zur Polizei gibt, wenn diese ihre Aufgaben aus personellen oder anderen Gründen nicht erfüllen kann.

Es ist daher – und das ist meine Wahrnehmung der vergangenen Tage in Diskus­sionen mit der Bevölkerung – völlig unverständlich, warum man einerseits diese Option einer zusätzlichen Sicherheitskomponente, nämlich betreffend Grenzschutz, und ande­rerseits auch den Auftrag, den ja das Ministerium aufgrund der Volksabstimmung zur Beibehaltung der Wehrpflicht (Ruf: Volksbefragung!) und den daraus resultierenden Rahmenbedingungen, die eben diese Beibehaltung der Wehrpflicht sicherstellen sol­len, hat, völlig vernachlässigt. Im Gegenteil. Das Ministerium und Sie, Herr Bundesmi­nister, als Vertreter des Ministeriums arbeiten eifrigst daran, die funktionierenden Struk­turen beim österreichischen Bundesheer zu zerschlagen, und sämtliche Möglichkeiten, wo man sagt, man kann das Bundesheer zum Wohle der Bevölkerung in einem Ernst­fall auch tatsächlich schnell und möglichst effizient zum Einsatz bringen, werden völlig zerschlagen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 104

Es geht da nicht nur um die Engpässe in der Fahrzeugflotte und bei den Luftfahr­zeugen – diese mögen schon bestehen –, da stellt sich schon die Frage: Wer ist dafür verantwortlich? Inwieweit haben Sie oder Ihr Vorgänger oder davor schon diejenigen, die da Verantwortung getragen haben, ihre Pflichten dahin gehend vernachlässigt (Bun­desrat Stadler: Das hast du richtig gesagt: „Davor schon“!), dass genug finanzielle Ressourcen vorhanden sind und genug Material angeschafft wurde? Haben Sie viel­leicht auch eine ökonomischere Haushaltsführung angestrebt, um diese jahrelange Nachhaltigkeit, die nicht nur wir, sondern auch die Bevölkerung zu Recht einfordert, um eben den verfassungsmäßigen Auftrag an das Bundesheer sicherzustellen, aber auch den Katastrophenschutz, den Sie auch angesprochen haben, jedenfalls zu gewährleis­ten? Warum ist diese Nachhaltigkeit nicht geschehen?

Wenn wir schon beim Katastrophenschutz sind, dann ist es eines der wichtigsten An­liegen der Bundesländer, dass dieser jedenfalls auch gewährleistet wird, nämlich für die Zukunft gewährleistet wird.

Ich komme aus Niederösterreich, wir haben schmerzhafte Erfahrungen mit Überschwem­mungen gemacht. Es gab zwei starke Überschwemmungen in den letzten zehn Jah­ren, die nicht nur einen fürchterlichen finanziellen Schaden für die Bevölkerung, son­dern auch für die Landwirtschaft gebracht haben. Sie hatten auch für die Landschafts­pflege verheerende Auswirkungen.

Und da war es nicht das schwere Gerät, das Sie hier angesprochen haben, das maß­geblich und entscheidend war, sondern es war die Mannstärke, es waren die Präsenz­diener, es waren die vielen helfenden Hände vor Ort, die notwendig waren, um den Schaden, der eingetreten war, zu minimieren und die Folgeschäden zu beseitigen.

Ich denke daher, dass Ihre Ausführungen zwar aus finanzieller Sicht vielleicht nach­vollziehbar sind, für den Kopf des Bürgers, für die Bevölkerung jedoch völlig unver­ständlich sind. Ich glaube, dass wir diese Sonderfinanzierung, die Sie hier angespro­chen haben, nicht nur brauchen, um punktuell das eine oder andere Gerät sicherzu­stellen, sondern wir brauchen diese Sonderfinanzierung, um die Überlebensfähigkeit des Bundesheeres zu gewährleisten. Das ist der Knackpunkt, und das ist auch die In­tention dafür, dass wir diese Ihre Anfragebeantwortung, die, schmeichelhaft gesagt, höchst oberflächlich war, auch genau hinterfragen wollten.

Wenn wir uns nun von den großen Dingen entfernen wollen und schauen, wie der All­tag eines Bundesheerangehörigen ausschaut, sieht es folgendermaßen aus: Die Ka­sernen sind heruntergekommen, die Unterkünfte sind heruntergekommen, die Ausrüs­tung der Bundesheerangehörigen wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Der Bestand wurde durch mangelnde organisatorische, finanzielle, aber auch dienstli­che Bemühungen sukzessive einfach nach dem Motto „Schauen wir, wie lange es noch geht, denn wenn es hin ist, können wir eh nichts mehr machen!“, an die Wand gefah­ren.

Das ist eine schwerst bedenkliche, eine schwerst problematische Situation. Es gibt ja, wie gesagt, nicht nur den verfassungsmäßigen Auftrag, den das Bundesheer hat und den Sie als Bundesminister auch zu vollziehen haben, es gibt nicht nur die Kompo­nente des Katastrophenschutzes, der schon angesprochen wurde, sondern es gibt auch diese emotionale dienstrechtliche Komponente.

Wenn ich ein Angehöriger des österreichischen Bundesheeres wäre und ein Minister da wäre, der redlich bemüht ist, Argumente zu finden, sich das aber in der öffentlichen Wahrnehmung eigentlich ganz anders darstellt als das, was er uns täglich erzählt, dann wäre ich wahrscheinlich nicht nur frustriert, ich würde wahrscheinlich auch den Glauben an meine vorgesetzte Dienstbehörde und an das Ministerium im Besonderen verlieren.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 105

Das trifft jetzt nicht nur den „kleinen“ Präsenzdiener, nicht nur den „kleinen“ Zeitsol­daten, nicht nur den „einfachen“ Heeresbediensteten, das trifft auch hochrangige militä­rische Befehlshaber. Gestern war etwas in der „Kronen Zeitung“ zu lesen. Gerade zwei dieser Landespräsidenten, Entschuldigung, Landesrepräsentanten des österreichischen Bundesheeres, nämlich der Landesmilitärkommandant von Niederösterreich und der Landesmilitärkommandant von Oberösterreich, waren höchst kritisch gegenüber Ihnen, nicht Ihnen als Person, sondern dem Ministerium, und dem von Ihnen momentan ein­geschlagenen Weg.

Ich darf kurz zitieren. Militärkommandant Striedinger aus Niederösterreich sagte: „Wir erleben Frustration, große Verunsicherung. Jetzt heißt’s: Wem’s nicht passt, der soll gehen.“

Auch für mich als Personalvertreter, der ja nicht unbedingt dem Militär angehört, ist das eine dienstrechtlich höchst problematische Entwicklung. Kritiker werden mundtot ge­macht, denjenigen, die berechtigte Kritik üben, wird nahegelegt, sich einen neuen Job zu suchen. Alles wird nach außen hin schöngeredet, in der internen Kritik, in der inter­nen Aufarbeitung herrschen Totalität und Diktatur. Auch das kann es nicht sein.

Umso bemerkenswerter ist es, dass gerade die Landespolizeikommandanten, wie eben Kommandant Striedinger, mit dieser Sache an die Öffentlichkeit gehen.

Es heißt weiters: „Und es sei zynisch, dem Heer die Höhe der Personalausgaben vor­zuwerfen “ – Eben angesprochen auf die finanziellen Mittel, die Sie vermeintlich nicht haben und für die Sie eine Sonderfinanzierung brauchen, auch unter dem Aspekt, dass wir für den Sport – es sei ihm vergönnt – genug Mittel zur Verfügung haben, aber für unser Bundesheer wohl eher nicht so in ausreichendem Maße.

Ich zitiere weiter: „Wenn wir keine Mittel für modernes Gerät erhalten, wird natürlich der Anteil der Personalkosten prozentuell höher.“

Und noch deutlicher wird der Militärkommandant von Oberösterreich. Der sagt nämlich: „Die Organisation des Bundesheeres wird seit Jahren planmäßig kaputtgespart.“

„Planmäßig kaputtgespart“ – das sagt nicht der „kleine“ Wehrdiener, sondern das sagt der Militärkommandant von Oberösterreich. Der muss eigentlich wissen, wovon er re­det, denn er trägt auf Landesebene die militärische Verantwortung.

Und es geht noch weiter. Er deutet an – Zitat aus diesem Artikel –, „dass das Heer von der Politik jetzt bewusst ruiniert werde“. – Ein nicht kleiner Vorwurf.

Und – Zitat Raffetseder, Militärkommandant von Oberösterreich –: „So etwas passiert nicht unabsichtlich."

„So etwas passiert nicht unabsichtlich“ – das sagt der Landespolizeikommandant von Oberösterreich. Ah!, der Militärkommandant von Oberösterreich.

Das heißt, es zeigt sich nicht nur für uns als politische Vertreter, dass das An-die-Wand-Fahren des österreichischen Bundesheeres System hat, sondern es wird so auch von den höchsten Repräsentanten des Militärs in den Bundesländern dargestellt. Das stimmt uns sehr bedenklich, und aus diesem Grund darf ich folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der Bundesräte Jenewein, Herbert, Brückl, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 60 (6) GO-BR

„Der Bundesrat wolle gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 106

Die Anfragebeantwortung 2803/AB-BR/2014 durch den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport Mag. Gerald Klug wird nicht zur Kenntnis genommen.“

*****

Ich darf Sie einladen, die Nichtkenntnisnahme dieser Beantwortung der parlamentari­schen Anfrage des Kollegen Jenewein zu unterstützen, und zwar nicht nur aus den inhaltlichen Gründen, die ich Ihnen gerade nähergebracht habe, sondern auch aus dem Ansatz heraus, dass das österreichische Bundesheer und die Angehörigen des österreichischen Bundesheeres eine solche Vorgangsweise, wie man jetzt gerade mit ihnen umgeht, wahrlich nicht verdient haben.

Auch die österreichische Bevölkerung sieht das so, und es würde dem Bundesrat gut­tun, sich – wenn schon nicht mit den Angehörigen des österreichischen Bundeshee­res – zumindest mit der österreichischen Bevölkerung zu solidarisieren und ihr dement­sprechend den politischen Rücken zu stärken. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der soeben eingebrachte Antrag der Bundesräte Jenewein, Herbert, Brückl, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 60 Abs. 6 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Ver­handlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.02.45

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Kollege Herbert, ein bisschen enttarnend waren deine Worte schon. Denn: Du lebst in deiner Welt der Polizei und hast dich zweimal versprochen, indem du gesagt: Landespolizeidirektor, und nicht: Landesmilitärkommandant. (Zwischenruf des Bundes­rates Herbert.) Und der zweite enttarnende Hinweis in deiner Rede war der, dass es demnächst Personalvertretungswahlen gibt, also auch beim Bundesheer Personalver­tretungswahlen gibt und das natürlich ein willkommener Anlass ist, ein bisschen Klein­geld zu wechseln, so wie man das auf Deutsch sagt.

Die echten Probleme des Militärs und des Bundesheeres sind dir kein großes Herzens­anliegen, denn dafür fehlt dir einfach die Fachkompetenz (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Herbert), und du hast auch keine Dinge angesprochen, die wirklich zu­kunftsentscheidend für das österreichische Bundesheer und dessen Einsatzbereit­schaft sind.

Wenn wir uns die Ausgangslage ansehen, dann müssen wir feststellen, dass wir – und ich beneide den Herrn Bundesminister um diese Aufgabe zurzeit keine Minute – in ei­ner Situation angekommen sind, die objektiv gesehen tatsächlich besorgniserregend ist. Aber man muss schon die historische Entwicklung und die Gründe, warum es so weit gekommen ist, ein bisschen relativieren.

Ich glaube, dass es mir schon zusteht, zu sagen, dass ich als Milizoffizier und Kom­mandant in 20 Jahren schon ein bisschen die Entwicklung des Bundesheeres mitbe­kommen habe.

Wir haben in den siebziger Jahren unter dem Prinzip der Raumverteidigung ein Miliz­heer von 150 000 bis 200 000 Männern – damals nur Männern! – angedacht und dafür die Strukturen aufgebaut und geschaffen. Heute müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich sowohl das Bedrohungsbild als auch die Struktur des Bundesheeres geän­dert haben. Und aufgrund unseres Beitrittes zur Europäischen Union hatten wir auch die Strukturen unseres Heeres anzupassen.


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 107

Der Status quo ist auch ein Ausfluss der Volksbefragung. Du hast schon recht, die Ös­terreicher sind stolz auf ihr Heer, auf das Bundesheer, auf die Soldaten, wenn sie beim Katstrophenschutz sind, sie sind aber schon weniger stolz, wenn es darum geht, Be­schaffungen durchzuführen. Wir haben ja die Debatten gehört. Aber ich habe den Applaus seitens der Sozialdemokratie nicht ganz verstanden beim Eurofighter, denn gerade die Sozialdemokratie legt immer Wert auf unsere Neutralität. Es gibt keine Neu­tralität ohne Luftraumüberwachung. Wollen Sie die Luftraumüberwachung mit 15 Se­gelfliegern machen? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Oder wollen wir dem österreichi­schen Bundesheer ein technologisch hochwertiges Gerät zur Verfügung stellen?

Aber abgesehen von dieser Debatte: Nächstes Jahr ist meines Wissens die letzte Tranche für den Eurofighter fällig, und damit haben wir ab 2016 schon allein auf die­sem Gebiet 220, 230 Millionen € mehr im Heeresbudget für Maßnahmen, die unbe­dingt notwendig sind, zur Verfügung, wie ich hoffe. Der Minister hat es in seiner An­fragebeantwortung klargestellt, nämlich: Vor allem auf dem Gebiet der Luftfahrzeuge, aber auch der Fahrzeuge schlechthin beziehungsweise auch im Bereich der Mannes­ausrüstung müssen wir neu investieren. Und das müssen wir der Bevölkerung auch zu­muten dürfen.

Ich bin guten Mutes, dass auch in Bezug auf die sogenannten Militärmusikkapellen noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Sollte es nicht über das Heeresbudget ge­hen, dann sind wir kreativ genug, dass wir das vielleicht auf Länderebene lösen kön­nen. Das ist, glaube ich, keine Frage des Geldes, sondern vielmehr des Wollens. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Die österreichische Heeres- und Strukturreform auf Kosten der Militärmusiken auszutragen und zu argumentieren, das finde ich einfach etwas zu kurz gegriffen.

Ich denke, von den Positionen der Volksbefragung im Jänner 2013 sind doch einige positive Punkte bereits in Umsetzung. Einer meiner Söhne hat erst im vorigen Jahr den Wehrdienst in der Kaserne Aigen abgeleistet, noch dazu als Systemerhalter. Dort wur­den die ersten Neuerungen durchgezogen. Er hat sehr viel Sport gehabt, er hat den
C-Führerschein machen können, der ihm privat angerechnet wird, und er hat eine tolle Ausbildung im Bereich des Feuerwehrwesens gehabt, um die ihn jeder Kollege von der freiwilligen Feuerwehr in meiner Heimatgemeinde inzwischen beneidet. Da haben wir auch objektive Fortschritte bei der Ausbildung der Wehrpflichtigen erzielt. Aber die Eckpunkte sind noch umzusetzen. Dazu braucht es natürlich auch Geld, aber in erster Linie Strukturreformen.

Meine Damen und Herren! Sie wissen aber schon auch, dass wir in Bezug auf unseren Offizierskader natürlich einen Overhead haben, der in Zukunft nicht mehr tragbar ist. Der Herr Minister hat ein Budget, einen Personalkostenanteil von 70 bis 75 Prozent zu verwalten. Ohne neues Dienstrecht und ohne Senkung des Personalkostenanteils kann es also keine effektive Heeresreform geben. Ich hoffe, Sie sind auch in Zukunft bei derartigen notwendigen Lösungen mit Ihrer Stimme dabei.

Ich hoffe, dass es nicht nur Lippenbekenntnisse zum Heer gibt, sondern dass Sie auch dann, wenn es hart auf hart geht, wenn man wirklich Reformen auch in diesen Be­reichen angeht, mit uns stimmen werden, damit diese Reformen auch auf einer mög­lichst breiten Basis durchgeführt werden können.

Von der Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres wurde bereits gespro­chen, und ich wage zu behaupten, dass es auch ohne diesen finanziellen Engpass zu deutlichen Reduzierungen bei schweren Waffen gekommen wäre. Wir haben das auch schon in der Vergangenheit gesehen, ich spreche da von Bergepanzern und Haubitzen und solchen Dingen, die wir einfach in der heutigen Zeit aufgrund des Bedrohungsbil­des nicht mehr in erster Linie benötigen, sondern wichtig und richtig ist, den Schwer-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 108

punkt auf die Infanterie mit Mannesbewaffnung, auf die Mobilität der Truppe, auf hoch­technische Ausrüstung auf dem Gebiet der Aufklärung und so weiter zu legen. Ich den­ke, das Gewicht werden wir in Zukunft auch darauf legen müssen.

Der Leopard hat auch ein gewisses Alter erreicht, und wenn wir ihn schön langsam auslaufen lassen, dann wird die Welt, auch die militärische Welt, nicht zusammenbre­chen, denn einen großen Panzerkrieg werden wir innerhalb der EU hoffentlich nicht zu führen haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Woher wollen Sie das wissen?)

Summa summarum haben wir, muss man sagen, derzeit eine schwierige Situation beim österreichischen Bundesheer, da gebe ich Ihnen recht, eine finanziell dramati­sche Situation. Es gilt jetzt zwei Jahre durchzutauchen. Aber ich hoffe, dass wir ab 2016 diese Mittel wieder aufbringen können, um die notwendigen Investitionen für die Zukunft tätigen zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Beer. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.10.21

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Grundsätz­lich stimme ich mit dem Kollegen Perhab überein, aber wie es halt im Leben so ist, gibt es verschiedene Anschauungen, zum Beispiel bei den Eurofightern, wo wir, glaube ich, nie wirklich zusammenkommen werden können. Ich glaube, dass es bei den Euro­fightern schon eine Tatsache ist, dass wir da ein Gerät gekauft haben, das für Öster­reich viel zu teuer ist. Eigentlich war am Anfang beim Bundesheer eine Luftstreitwaffe nicht vorgesehen. Das ist dadurch entstanden, dass es einmal nach dem Zweiten Weltkrieg einen Zwischenfall gegeben hat und uns die Russen angeboten haben, un­seren Luftraum mit zu verteidigen, und das wollte Österreich auf gar keinen Fall. Des­halb wurden eigentlich Flugzeuge angeschafft. (Bundesrat Krusche: Wollen wir sie jetzt von der NATO haben?) Aber nicht von den Russen! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Nein, aber das ist wieder ganz typisch für euch, dass ihr eigentlich gar nicht wisst, wo­von ihr redet. Vielleicht sollte man einmal ein bisschen beleuchten, was der Artikel 79 un­serer Bundesverfassung besagt. Ich zitiere:

„Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung. Es ist nach den Grund­sätzen eines Milizsystems einzurichten.“

Und es steht dann im Absatz 2 unter anderem:

 zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und () zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen 

Nicht so wie Kollege Herbert es vorhin gesagt hat: Katastrophenschutz sei die urei­genste Aufgabe des Bundesheeres. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Ich wiederhole: „Hilfeleistung bei Elementarereignissen“. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn sich die Freiheitlichen ein bisschen mit unserem Land auseinandersetzen wür­den und nicht immer nur Kleingeld wechseln wollten, dann wüssten sie, dass das Lan­dessache ist und nicht ureigenste Aufgabe des Bundesheeres. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Bundesrates Herbert.) Gar keine Frage, wenn das Land nicht mehr weiter­kommt, dann steht das Bundesheer Gewehr bei Fuß und hilft und unterstützt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 109

Wenn wir schon bei dieser Frage sind: Das österreichische Bundesheer als eine Alter­native zur Polizei darzustellen, ist in Wirklichkeit eine Ungeheuerlichkeit. Wir haben eine strikte Trennung zwischen Polizei und Bundesheer. Seit wann wollen wir Bundes­heer und Polizei wieder zusammenführen? (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nur damit man weiß, wie es eigentlich funktioniert hat: Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Besatzungsmächte nicht, dass sofort ein Bundesheer aufgestellt wird, ein Militär in Österreich eingerichtet wird. In den Jahren 1948/49 entstanden Alarmbatail­lone der Gendarmerie, aus denen in den Jahren 1951 und 1952 die B-Gendarmerie entstand. Damals war das noch zusammen, aber das war einmal; von dort sind schon lange weg. 1955 wurde dann das Wehrgesetz beschlossen und im Jahr 1956 wurde das Bundesministerium für Landesverteidigung eingerichtet. Und heute, 2014, sagt man so locker-flockig, das Bundesheer sei eine Alternative zur Polizei. (Bundesrat Her­bert: Die Ministerin Mikl-Leitner hat das Bundesheer zum Grenzeinsatz angefordert! Das war keine Idee der FPÖ!)

So steht es ja auch in der Verfassung! Wenn ihr wollt, lasse ich euch eine Kopie des Artikels 79 unserer Bundesverfassung zukommen, dort könnt ihr das nachlesen. (Neu­erlicher Zwischenruf des Bundesrates Herbert.)

Man muss es auch nicht so darstellen, als ob es die erste Reform des österreichischen Bundesheeres gewesen wäre. Bereits 1962 ist die erste Reform des österreichischen Bundesheeres durchgeführt worden. 1972 entstand die umfassende Landesverteidi­gung. Zwei weitere Änderungen erfolgten in den darauffolgenden Jahren. Die letzte größere Reform betraf die neue Heeresstruktur 1998 und 2000. Also es ist nicht die erste Änderung!

Weil man den Panzerabbau beklagt: Wir haben uns schon vor Jahrzehnten vom Pan­zerkampf im Marchfeld verabschiedet. (Bundesrat Jenewein: 1996 haben wir 114 ge­kauft!) Ein bisschen Contenance, worauf Sie immer Wert legen! Als Mitglied des Bun­desrates sollte man nicht so herumschreien und sich so entblößen. Also ein bisschen Vorsicht! Ich bin auch nicht so zu Ihnen, wenn Sie hier draußen stehen. (Weiterer Zwi­schenruf des Bundesrates Jenewein.)

Das sind die Fakten! (Bundesrat Jenewein: 1996 haben wir 114 Panzer gekauft, und Sie sagen, seit Jahrzenten wurden keine gekauft!) Es ist ein Faktum, dass wir diese militärischen Strategien schon lange nicht mehr haben. (Bundesrat Jenewein: 1996 !) Aber dafür müsste man sich ein bisschen informieren, und man sollte auch wissen, wo­von man redet.

Zu dem Vorwurf, dass die SPÖ versucht, in Bereich des Bundesheeres, weil die Wehr­pflicht nicht abgeschafft wurde, das Ganze umzubringen: Die ÖVP war damals sehr stark für die Wehrpflicht, und es gibt jetzt einen ÖVP-Finanzminister. Also geht auch dieses Argument ins Leere.

Es gibt ganz einfach den Bedarf und daher den Zwang, das Bundesheer anzupassen. Es haben sich die Bedrohungen verändert, und sie verändern sich ständig. Das heißt, es muss sich auch die Struktur des Bundesheeres und es müssen sich auch deren Aufgaben – bis auf jene, die im Artikel 79 B-VG genannt sind – verändern. Wenn wir das nicht machen, dann können wir das Bundesheer gleich ganz auflassen. (Bundesrat Jenewein: Das wollen Sie!) Das wollen wir nicht! (Bundesrat Jenewein: Aber ja!)

Wenn man aber die Bevölkerung so wie Sie verunsichert und – na ja, ich will nicht sa­gen: Halbwahrheiten verbreitet – es anders darstellt, als es in Wirklichkeit ist, dann werden wir nicht die nötige Zustimmung in unserer Bevölkerung finden, was für das Bundesheer schade ist, denn das Bundesheer ist eigentlich ein wichtiger Bestandteil unserer Republik. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Aber nur eigentlich!)

15.17



BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 110

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort er­teile, darf ich sehr herzlich den Parlamentspräsidenten von Bhutan mit seiner Delega­tion bei uns willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.18.25

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Artikel 79 Bun­des-Verfassungsgesetz muss ich jetzt nicht mehr verlesen. Ich brauche auch auf das Wehrgesetz nicht einzugehen, ich will es auch gar nicht vorlesen, aber, Herr Bundes­minister, auf einen Satz in Ihrer Anfragebeantwortung gehe ich ein, nämlich gleich auf den ersten. Da schreiben Sie am Ende dieses Satzes: „ seinen im Art. 79 B-VG nor­mierten Aufgaben im vollen Umfang nachkommen wird.“

Um das „wird“ geht es mittlerweile schon gar nicht mehr, sondern es geht um das Kön­nen, nämlich: Kann das Bundesheer seinen Aufgaben noch nachkommen? Und es geht auch um das Wollen. Und da ist die Frage: Wollen Sie, Herr Bundesminister, das überhaupt noch? Denn in Anbetracht dessen, wie derzeit beim Bundesheer agiert wird, bezweifle ich das, ziehe ich das stark in Zweifel. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie sprechen von Reformen. Wenn ich das Wort „Reform“ höre, da frage ich mich gleich einmal: Was heißt denn „Reform“ überhaupt? – Unter einer Reform versteht man eine große planmäßige Umgestaltung von bestehenden Verhält­nissen.

Das Einzige, was jetzt noch überbleibt, ist das Planmäßige. Das wurde heute schon gesagt, nämlich als der Militärkommandant von Oberösterreich, Generalmajor Raffets­eder, zitiert wurde, der gemeint hat, das Bundesheer wurde „planmäßig kaputtgespart“. Und wir haben heute gehört, dass in der letzten Zeit das Haushaltsbudget für die Lan­desverteidigung Jahr für Jahr verkleinert wurde.

Heute liegen wir bei etwa 0,55 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung unseres Lan­des, und das ist zu wenig. Ich glaube aber, da sind wir uns auch einig, Herr Bundesmi­nister: Wenn das Bundesheer funktionieren soll, dann ist das zu wenig. Ich darf hier auch darauf hinweisen, dass zum Beispiel Länder wie Schweden oder Finnland gerade dabei sind, ihren Verteidigungshaushalt zu erhöhen.

Ich möchte aber auch – weil es mir jetzt gerade hineinpasst und es heute in Wirklich­keit von jedem Redner schon angesprochen wurde – einen Satz zum Eurofighter sa­gen: Es war ein Fehler, dass wir damals kein Sonderbudget gemacht haben. Diese Eurofighter wurden in das Haushaltsbudget der Landesverteidigung hineingenommen, und das war falsch. (Bundesrat Todt: Wer war damals in der Regierung?)

Beispiele, welche Probleme uns hier in Zukunft erwarten werden, gibt es viele. Ich darf hier wiederum auf Beispiele zurückgreifen, die nicht von mir stammen, sondern die von hohen Militärs genannt wurden.

Die Hubschrauberflotte – Herr Bundesminister, Sie haben es angesprochen –: Die Alouette, die Bell werden in etwa fünf bis sechs Jahren, bis 2020, das Ende ihrer Le­bensdauer erreichen, die Black Hawks brauchen innerhalb der nächsten zwei Jahre ei­ne Generalüberholung – 80 Millionen € in etwa. Da wird es Geld brauchen – und wenn dieses Geld nicht kommt, dann wird es finster ums Bundesheer. Es ist so, dann wird es finster.

Gerade die Militärkommandanten aus Niederösterreich und Oberösterreich haben in Pressegesprächen teils dramatische Beispiele gegeben. Da geht es etwa darum, dass man in Niederösterreich sagt, man könne nicht mehr garantieren, dass man – gerade


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 111

im Katastrophenfall, weil es die Hubschrauber betrifft, die im Katastrophenfall ja sehr oft zum Einsatz kommen – zeitgerecht am Einsatzort sei, wenn es nicht mehr Geld gibt.

In Oberösterreich wurden die Beispiele noch viel drastischer dargestellt, da heißt es dann: Die vom Hochwasser eingeschlossenen Menschen müssen auf ihren Dächern sitzend warten, ob noch ein Hubschrauber kommen und sie abholen kann, weil er viel­leicht gerade in Kärnten oder in Tirol im Einsatz ist. Betreffend Hochwasser wissen wir mittlerweile, wir haben jedes Jahr Hochwässer, einmal mehr, einmal weniger. Beispiel Waldbrände: Da ist dann die Frage nicht mehr, wie man den Einsatz anlegt, da geht es nicht mehr darum, wie man das Feuer löscht, sondern da geht es darum, welchen Wald man niederbrennen lässt und welchen man vielleicht noch retten kann.

Das alles entnehme ich einem Artikel, der auf „orf.at“ publiziert wurde, und da gibt es dann in weiterer Folge auch noch wirklich bestürzende Aussagen, die das Bundesheer betreffen. Da sagt zum Beispiel – ich zitiere wieder – der Militärkommandant von Ober­österreich: „Wir können nicht damit leben,“ – nämlich mit den von Ihnen angekündigten Maßnahmen, Herr Bundesminister – „wir müssen damit leben. Das hat man gegen alle Vernunft zur Kenntnis zu nehmen“ – gegen alle Vernunft! – Das sagt der Militärkom­mandant von Oberösterreich.

Da muss ich mir doch etwas denken, wenn ich das höre, wenn ich das von einem der höchsten Militärs in unserem Lande höre! Er sagt dann abschließend auch noch, man müsse sich mittlerweile fragen, ob die Bundesregierung gut beraten sei, Herr Bundes­minister, die Bundesheerorganisation planmäßig niederzufahren, „wenn im Osten Eu­ropas die Grenzen in Flammen stehen“.

Und jetzt bin ich bei dem Punkt: militärische Landesverteidigung. Das ist nicht der Ka­tastrophenschutz, das haben wir vorhin schon diskutiert; das ist ein Teil der Aufgaben des Bundesheeres, und den nimmt es wahr. Die ureigenste Aufgabe, die wirkliche Auf­gabe ist aber die militärische Landesverteidigung. Das ist Aufgabe des Bundesheeres. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Den Katastrophenschutz macht man mit, weil man die Gerätschaften hat, weil man die Spezialisten hat, weil man weiß, wie man diese Leute ausbilden muss. Und da, Herr Bundesminister, finde ich es eigentlich lapidar, wenn Sie sagen, die Landesverteidi­gung habe sich geändert. – Das stimmt ja, darüber brauchen wir nicht zu reden, das wurde von den Vorrednern, Bundesrat Beer und anderen genannt. Natürlich hat sich die Situation in den letzten 20 Jahren geändert, natürlich haben wir keinen Panzerkrieg mehr zu erwarten, aber sich zurückzulehnen und zu sagen: Wir schützen Infrastruk­tureinrichtungen, wir müssen den Luftraum sichern und wir müssen uns gegen Cyber­angriffe wehren!, das ist nicht alles. Das ist nicht die gesamte Landesverteidigung – wenn wir uns heute ansehen, was sich in Europa tatsächlich abspielt, wenn wir in die Ukraine schauen, wenn wir uns daran erinnern, wie die Situation vor einigen Jahren auf den Balkan war.

Herr Bundesminister, da muss ich Ihnen schon sagen, dass Sie als derjenige, der in der Befehlskette ganz oben steht, eigentlich schon wissen sollten, dass man sich nicht auf diese drei Dinge beschränken kann und darf.

Ich war am vergangenen Freitag, genau zu dem Zeitpunkt, als Sie, Herr Bundesminis­ter, verkündet haben, welche Maßnahmen Sie jetzt setzen, bei einer Angelobung in Braunau, in Munderfing, und habe dort erlebt, durfte dort erleben, wie 540 Soldaten und Soldatinnen – auch Soldatinnen waren dabei; ich finde das hervorragend, das ist zu begrüßen – ihren Eid abgelegt haben: „Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Ös­terreich, und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen“ – mit der Waffe


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 112

zu verteidigen! Junge Staatsbürger schwören, die Republik und ihr Volk – unter Einsatz ihres Lebens unter Umständen – zu verteidigen.

Was macht die Regierung? – Sie verweigert jungen, pflichtbewussten Staatsbürgern ihre Unterstützung – und das ist der große Vorwurf! Ein besseres Beispiel als jenes, das in den letzten Tagen durch die Zeitungen gegeistert ist, kann es gar nicht geben: Soldaten mussten sich am Wochenende die Busfahrt von einer Übung nach Hause sel­ber zahlen.

Herr Bundesminister, was steht dahinter, was ist denn der Grund? Warum sparen wir das Bundesheer tatsächlich in Grund und Boden? – Der ganze Vorgang hat ja schon viel früher begonnen, dann ist plötzlich die Volksabstimmung dazwischengekommen – das Ergebnis, muss man ja sagen; das Ergebnis ist dazwischengekommen. (Rufe bei der ÖVP: Befragung!) – Entschuldigung, die Volksbefragung ist dazwischengekom­men beziehungsweise das Ergebnis.

Dieses negiert man. Man fährt das Bundesheer systematisch – „planmäßig“, wie der Herr Militärkommandant sagt – an die Wand. Es wird der Ruf lauter, dass wir uns das alles nicht mehr leisten können, dass wir eventuell sogar ein Berufsheer brauchen, dass wir Verbündete brauchen und dass wir schlussendlich den Beitritt zu einer EU-Armee oder auch zur NATO brauchen – und das ist das wahre Ziel.

Herr Bundesminister, das werden wir nicht mittragen, und wir Freiheitliche werden der Öffentlichkeit ganz klar vermitteln, dass wir das nicht wollen. Wir werden den Men­schen sagen, dass diese Regierung die Neutralität wie einen Spielball behandelt, die­sen beiseitelegt und die militärische Landesverteidigung an die Wand fährt, indem sie die finanziellen Mittel, die das Bundesheer braucht, einfach nicht zur Verfügung stellt. (Beifall bei der FPÖ.) Damit werden die Staatsbürger – nämlich jene, die heute dienen, genauso wie jene, die es zu schützen gilt – tatsächlich im Stich gelassen.

Abschließend: Herr Bundesminister, lieber Gerald Klug, du hast in einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“ gesagt – und du hast es auch heute erwähnt –, „dass wir unsere Strukturen um 200 Millionen Euro pro Jahr straffen“. – Wir straffen Struktu­ren – allein diese blumige Sprache! Ich hab mir noch etwas aufgeschrieben: Es wird da von „Profilschärfungen“ gesprochen, von „Verdichtung“, Personalverdichtung, wir straf­fen unsere Strukturen. – Wir sparen ein, Punktum, das ist nichts anderes!

Wir straffen unsere Strukturen also um 200 Millionen €. – Herr Bundesminister, wissen Sie, dass das genau jener Betrag ist, den die österreichische Bundesregierung hier je­des Jahr für Eigenwerbung einsetzt? – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! (Beifall bei der FPÖ.)

15.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Michalke, bitte.

 


15.28.31

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde jetzt dieses, wie ich glaube, sehr wichtige Thema zum Anlass nehmen, um noch einmal hier an diesem ehrenvollen Pult stehen zu können, und zwar für eine kurze Replik auf die Diskussion ums Bundesheer.

Ich möchte einfach zu bedenken geben, dass wir vor der Volksbefragung in diesem Hohen Haus sehr interessante Diskussionen geführt haben, pro und kontra. Ich kann mich erinnern, dass aus dieser Reichshälfte (in Richtung ÖVP) sehr flammende Reden gekommen sind, die speziell den Katastrophenschutz (Zwischenruf bei der ÖVP), die


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 113

Unterstützung der Bevölkerung – in allen Landesteilen – bei Lawinenabgängen, bei Hochwässern betont haben und dass wir dafür das Bundesheer ganz notwendig brau­chen – nicht nur, Herr Kollege Beer, weil es Landespflicht ist, das zu erledigen. Die Landespflicht alleine reicht in so extremen Situationen leider nicht aus, da sind wir sehr wohl darauf angewiesen, dass ganz Österreich zusammensteht und in diesen prekären Situationen hilft. Da haben wir relativ genau gemerkt und gehört, wer dafür ist, dass wir nach wie vor ein Bundesheer in Österreich haben.

Es hat aufgrund dessen eine Volksbefragung stattgefunden, das Ergebnis ist euch al­len bekannt. Was mich schon sehr, sehr wundert, ist Folgendes: Wir fragen uns, wieso es Politikverdrossenheit gibt. – Genau deshalb, weil klare Forderungen, klare Ergebnis­se, die bei Volksbefragungen entstehen, spätestens ein Jahr oder zwei Jahre später mit Füßen getreten werden. Und da spreche ich jetzt nicht nur Herrn Kollegen Minister Klug an, sondern das betrifft natürlich genauso gut die andere Hälfte der Regierung, die die Finanzmittel sehr wohl zur Verfügung zu stellen hat.

Selbstverständlich kann ein Minister nichts bewirken, wenn er das dafür notwendige Geld nicht zur Verfügung hat. Es sind also beide Regierungspartner betroffen, und bei­de sind aufgefordert, dieses Ergebnis der Volksbefragung, sprich die Menschen und das Volk, ernst zu nehmen und das umzusetzen, was dieses Volk gefordert und sich gewünscht hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit dem EU-Beitritt haben wir einen wichtigen Schritt getan, Herr Kollege Perhab, aber ich wünschte mir, es wäre so, wie Sie gesagt haben: dass wir keine Gefahren und kei­ne Bedrohungen mehr zu befürchten haben. – Leider ist es nicht so, leider stehen die Gefahren vor unserer Haustüre, und ich bin schon der Meinung, dass wir nach wie vor zu dieser Entscheidung stehen sollen und das Land Österreich entsprechend zu vertei­digen haben.

Herr Kollege Klug! Es ist mir ein Bedürfnis zu sagen, dass die Streichungen bei den Musikkapellen nicht die geeigneten Sparmaßnahmen schlechthin sind. Ich glaube, dass das nicht das Potenzial birgt, das das Bundesheer in Österreich tatsächlich an Einsparungen braucht. Ich weiß aber, dass gerade junge Menschen im Bundesheer mit sehr viel Freude in diesen Musikkapellen tätig sind und anschließend als sehr gut aus­gebildete Musiker wieder in die entsprechenden Blasmusikkapellen in den Ortschaften, in den Ländern zurückkommen.

Diese Musiker sind ja in der Zeit, in der sie beim Bundesheer tätig sind, nicht einfach nur Musikanten, sondern sie machen die Grundausbildung mit, das heißt, sie sind bei einem Katastropheneinsatz oder bei einer Bedrohung jederzeit einsetzbar. Das ist nicht nur einfach ein bisschen musikalisches Geplänkel, das sich dort abspielt, sondern das sind gut ausgebildete junge Menschen, die selbstverständlich Österreich zur Verfügung stehen, wenn man sie braucht. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist kaum zu glauben, aber fünf Jahre sind vorbei. Wie Sie alle wissen, wurden am 21. September in Vorarlberg Landtagswahlen abgehalten, und ich hatte das Glück, bei diesen Wahlen in meiner Gemeinde 6 Prozent dazuzugewinnen und sehr viele Vor­zugsstimmen zu bekommen, was, glaube ich, Auftrag ist, diesen Wählern im Wort zu stehen. Ich gehe – ich gebe es zu – mit einem weinenden und mit einem lachenden Auge von dieser Aufgabe im Bundesrat weg und sozusagen in den Dienst des Landes, nehme diese neue Aufgabe gerne wahr.

Ich habe in den vergangenen fünf Jahren sehr interessante, sehr lehrreiche, informa­tive, zum Teil auch hektische Diskussionen geführt, gehört, miterlebt. Alles in allem war es für mich eine sehr, sehr schöne und gute Erfahrung, hier sein zu dürfen. Ich be­danke mich bei jeder Einzelnen und bei jedem Einzelnen in diesem Haus für die


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 114

kollegiale, für die freundschaftliche Aufnahme und für die korrekte Umgangsweise, die wir hier miteinander gepflegt haben.

Ich wünsche dem Bundesrat, dass er endlich die Reformen erfährt, die er benötigt, und ich verspreche euch, ich werde im Landtag auf die wichtige Tätigkeit und auf die guten Beratungen im Bundesrat verweisen und immer wieder darauf hinweisen.

Besonders bedanken möchte ich mich für die Möglichkeit, im EU-Ausschuss tätig zu sein, weil das für mich eines der interessantesten Aufgabengebiete war. Alles in allem habe ich eine lehrreiche und interessante Zeit hinter mir, und ich hoffe, dass die zu­künftigen fünf Jahre ebenso schön werden. – Herzlichen Dank und alles Gute! (Allge­meiner Beifall.)

15.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Liebe Cornelia! Ich darf mich im Namen von uns allen für deine Beiträge bedanken, die du hier im Bundesrat, in den Ausschüssen, im Plenum und bei den sonstigen Aktivitäten geleistet hast – du warst ja dank deiner Mehrsprachigkeit auch auf internationalem Parkett sehr elegant unterwegs. Dafür möchte ich dir im Namen von uns allen herzlich Dank sagen und damit verbinden, dass wir dir für deine persönliche Zukunft das Allerbeste wünschen. – Danke.

Wünscht jetzt noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen damit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für den Antrag auf Nicht­kenntnisnahme der gegenständlichen schriftlichen Anfragebeantwortung aussprechen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abge­lehnt.

15.36.23Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe jetzt noch bekannt, dass seit der letz­ten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 3030/J-BR/2014 und 3031/J-BR/2014, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Gesetzesantrag 202/A-BR/2014 der Bundesräte Herbert, Kollegin­nen und Kollegen, der dem Justizausschuss zugewiesen wurde.

Weiters ist der Entschließungsantrag 203/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Herbert, Kolle­ginnen und Kollegen eingelangt, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen wird.

Schließlich werden die Entschließungsanträge 204/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Dr. Schmittner, Kolleginnen und Kollegen und der Entschließungsantrag 205/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Michalke, Kolleginnen und Kollegen dem Landesverteidigungs­ausschuss zugewiesen.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 6. November 2014, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein-


BundesratStenographisches Protokoll833. Sitzung / Seite 115

spruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen; es kön­nen natürlich wie heute auch Berichte sein.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 4. November 2014, ab 14 Uhr vor­gesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

15.37.46Schluss der Sitzung: 15.38 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien