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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

58. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Oktober 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

58. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode        Donnerstag, 15. Oktober 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Oktober 2020: 13.28 – 18.55 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Klimavolksbegehren“

2. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Smoke – NEIN“

3. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“

4. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „EURATOM – Ausstieg Österreichs“

5. Punkt: Bericht über den Antrag 779/A(E) der Abgeordneten Robert Laimer, Dr. Rein­hard Eugen Bösch, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Landesverteidigung

6. Punkt: Bericht über den Antrag 664/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des Milizeinsatzes

7. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 5, 8, 16, 20 und 23 sowie über die Bür­gerinitiativen Nr. 1, 10, 14 bis 16, 23 und 24

8. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Ver­folgung des Abgeordneten zum Nationalrat III. Präsident Ing. Norbert Hofer

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsge­setz 1975 geändert wird (787/A)

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) samt Anlage 1, Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA), geändert wird (896/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 2

Ordnungsrufe ..........................................................................................................  27, 89

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Peter Weidinger und Mag. Ulrike Fischer, dem Ausschuss für Konsumentenschutz zur Berichterstattung über die Regierungsvor­lage 409 d.B. betreffend ein „Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz, das Telekommunikationsgesetz 2003 und das Wettbewerbs­gesetz geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 16. November 2020 zu setzen – Annahme ...............................  8, 96

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                     8

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................  7, 23, 29, 36, 42, 87, 96

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Klimavolksbegehren“ (348 d.B.) .................... 8

RednerInnen:

Johannes Schmuckenschlager .................................................................................... 8

Julia Elisabeth Herr ...................................................................................................... 10

MMMag. Dr. Axel Kassegger ....................................................................................... 11

Lukas Hammer .............................................................................................................. 13

Michael Bernhard ......................................................................................................... 15

Joachim Schnabel ........................................................................................................ 16

Andreas Kollross .......................................................................................................... 18

Peter Schmiedlechner ................................................................................................. 19

Dr. Astrid Rössler ......................................................................................................... 20

Yannick Shetty .............................................................................................................. 21

Robert Laimer ............................................................................................................... 22

Cornelia Ecker .............................................................................................................. 23

Zuweisung des Volksbegehrens 348 d.B. an den Umweltausschuss ........................... 23

2. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Smoke – NEIN“ (346 d.B.) ........................... 23

RednerInnen:

Dr. Werner Saxinger, MSc ........................................................................................... 24

Mag. Karin Greiner ....................................................................................................... 25

Wolfgang Zanger .......................................................................................................... 26

Mag. Karin Greiner (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 27

Ralph Schallmeiner ...................................................................................................... 27

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 28

Zuweisung des Volksbegehrens 346 d.B. an den Gesundheitsausschuss .................. 29

3. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“ (345 d.B.)        29

RednerInnen:

Karl Mahrer ................................................................................................................... 29

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 31

Mag. Hannes Amesbauer, BA ..................................................................................... 32

Mag. Faika El-Nagashi ................................................................................................. 33

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 34

Mag. Ernst Gödl ............................................................................................................ 35


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 3

Zuweisung des Volksbegehrens 345 d.B. an den Ausschuss für innere Angele­genheiten             ............................................................................................................................... 36

4. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „EURATOM – Ausstieg Österreichs“ (347 d.B.)              ............................................................................................................................... 36

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .................................................................................. 36

Eva Maria Holzleitner, BSc .......................................................................................... 38

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ........................................................................................... 39

Ing. Martin Litschauer .................................................................................................. 40

Michael Bernhard ......................................................................................................... 41

Zuweisung des Volksbegehrens 347 d.B. an den Umweltausschuss ........................... 42

5. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 779/A(E) der Abgeordneten Robert Laimer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Landesverteidigung (379 d.B.) ......................................................................................................................................... 42

RednerInnen:

Robert Laimer ............................................................................................................... 42

Mag. Friedrich Ofenauer .............................................................................................. 43

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 45

David Stögmüller .......................................................................................................... 45

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ................................................................................ 47

Andreas Kühberger ...................................................................................................... 48

Petra Wimmer ............................................................................................................... 50

Alois Kainz .................................................................................................................... 50

MMMag. Dr. Axel Kassegger ....................................................................................... 51

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................... 52

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 379 d.B. ....................................................... 53

6. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 664/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Evaluierung des Milizeinsatzes (390 d.B.) ........................................................................................................................ 53

RednerInnen:

Johann Höfinger ........................................................................................................... 53

Dr. Harald Troch ........................................................................................................... 54

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 55

David Stögmüller .......................................................................................................... 56

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ................................................................................ 57

Bundesministerin Mag. Klaudia Tanner .................................................................... 58

Dr. Christian Stocker ................................................................................................... 59

Cornelia Ecker .............................................................................................................. 60

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................... 61

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 390 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Evaluierung des Milizeinsatzes“ (106/E) ...................................................................... 62

7. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 5, 8, 16, 20 und 23 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 1, 10, 14 bis 16, 23 und 24 (401 d.B.)         ............................................................................................................................... 62

RednerInnen:

Nikolaus Prinz ............................................................................................................... 62


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 4

Andreas Kollross .......................................................................................................... 63

Christian Ries ............................................................................................................... 64

Mag. Ulrike Fischer ...................................................................................................... 65

Michael Bernhard ......................................................................................................... 66

Carina Reiter ................................................................................................................. 67

Petra Wimmer ............................................................................................................... 68

Hermann Weratschnig, MBA MSc .............................................................................. 68

Yannick Shetty .............................................................................................................. 69

Claudia Plakolm ............................................................................................................ 71

Rudolf Silvan ................................................................................................................ 72

Heike Grebien ............................................................................................................... 74

Hermann Gahr .............................................................................................................. 75

Robert Laimer ............................................................................................................... 76

Andreas Minnich .......................................................................................................... 77

Christoph Zarits ............................................................................................................ 78

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................... 78

Katharina Kucharowits ................................................................................................ 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Umsetzung der diskriminierungsfreien Blutspende bis Jahresen­de 2020“ – Ablehnung  71, 82

Entschließungsantrag der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „diskriminierungsfreie Blutspende jetzt verankern!“ – Ab­lehnung ........  80, 82

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 401 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 5, 8, 16, 20 und 23 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 1, 10, 14 bis 16, 23 und 24 ........................................... 81

8. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsan­waltschaft Wien, GZ. 504 St 47/20p, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat III. Präsident Ing. Norbert Hofer (407 d.B.) ......................................................................................... 82

Annahme des Ausschussantrages ................................................................................ 82

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungs­gesetz 1975 geändert wird (787/A)         ............................................................................................................................... 82

RednerInnen:

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 82

Dr. Christian Stocker ................................................................................................... 84

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 85

Nurten Yılmaz ............................................................................................................... 86

David Stögmüller .......................................................................................................... 86

Zuweisung des Antrages 787/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 87

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) samt Anlage 1, Verfahrensordnung für parlamentarische Un­tersuchungsausschüsse (VO-UA), geändert wird (896/A) ........... 87

RednerInnen:

Christian Hafenecker, MA .....................................................................................  88, 95

Ing. Klaus Lindinger, BSc ............................................................................................ 90

Katharina Kucharowits ................................................................................................ 90


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 5

David Stögmüller .......................................................................................................... 91

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................... 92

Zuweisung des Antrages 896/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 96

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997 geändert wird (966/A)

Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden (967/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das KommAustria-Ge­setz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (968/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungs­rechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geän­dert werden (969/A)

Mag. Sibylle Hamann, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Eindämmung von negativen Auswirkungen von benachteiligten Grup­pen im Bildungsbereich, die aufgrund der Corona-Situation entstanden sind (970/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentli­chungspflicht von Auftragsstudien (971/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Sperrstundenvor­verlegung und Kompensation der Einnahmenausfälle für Gastronomie und Tourismus (972/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dringlichkeit von Maßnahmen zur Verhinderung von Massenkündigungen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen (973/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweiten Lockdown ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft herstellen (974/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweiten Lockdown ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft herstellen (975/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bonus für freiwillige Stroh­haltung als Tierwohlmaßnahme (976/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979 – BDG 1979) geändert wird (977/A)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend nachhaltig bewirtschaftete heimische Wälder statt importiertem Billigholz (978/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Christian Hafenecker, MA, Dr. Johannes Margreiter, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz ge­ändert wird (979/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 6

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Antrag auf Einheitswert­fortschreibung für Kleinstwaldbesitzer (980/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlfreiheit für Unternehmer her­stellen – obligatorische elektronische Zustellung beenden (981/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vollmilchkalb-Prämie (982/A)(E)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (983/A)

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung der Freibeträ­ge für Auslandspensionsbezieher [(949/A)(E)] [(Zu 949/A)(E)]


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 7

13.28.26Beginn der Sitzung: 13.28 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

13.28.27*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich eröffne die 58. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Alexander Mel­chior, Klaus Köchl, Philip Kucher, Maximilian Lercher, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Ing. Markus Vogl, Rainer Wimmer, Mag. Gerald Hauser, Edith Mühlberghuber, Walter Rauch, Mag. Georg Bürstmayr und Josef Schellhorn.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Ing. Norbert Hofer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Antrag:

Zurückziehung: Zu 949/A(E)

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 965/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stopp der Zuwanderung in unser Sozialsystem

Finanzausschuss:

Antrag 959/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Ing. Reinhold Einwallner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Angleichung der Freibeträge für Auslandspensionsbe­zieher

Antrag 960/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Eigenkapital steuerlich gleichstellen

Kulturausschuss:

Antrag 963/A(E) der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Maßnahmen zur Umsetzung des Projekts einer gemeinsamen Internen Revision der Bundesmuseen

Unterrichtsausschuss:

Antrag 961/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Mobilisierung von Spenden für Bildung

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Antrag 962/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweiten Lockdown ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft herstellen

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Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 8

Fristsetzungsantrag


Präsident Ing. Norbert Hofer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass die Abgeordneten Weidinger und Fischer beantragt haben, dem Ausschuss für Konsumen­tenschutz zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage betreffend ein „Bundesge­setz, mit dem das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz, das Telekommunikations­gesetz 2003 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden“, 409 der Beilagen, eine Frist bis 16.11.2020 zu setzen.

Der Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Redezeitbeschränkung


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Es wurde eine Tagesblockzeit von 5 „Wie­ner Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 98, SPÖ 68, FPÖ 55, Grüne 50 sowie NEOS 40 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 20 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte Sie, wenn Sie diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

13.30.051. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren "Klimavolksbegehren" (348 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.30.41

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir dürfen heute die erste Lesung zum Volksbegehren „Klimavolksbegehren“ halten, und ich glaube, das ist ein wesentli­ches Thema: Klimaschutz und die Frage der Zukunft unserer Gesellschaft.

Wenn wir die zahlreichen Unterschriften, die dieses Volksbegehren letztendlich bekom­men hat, sehen, dann müssen wir schon eine Begrifflichkeit dahinter stellen, und die heißt: Eine Unterschrift ist nicht nur eine Verpflichtung, die man persönlich eingeht, wenn man unterschreibt, diese Verpflichtung ist vor allem auch keine Entpflichtung, das heißt, all diese Menschen, die sich dazu positiv ausgedrückt haben, wollen auch etwas zum Ausdruck bringen. Klimaschutz lässt sich nicht delegieren – nicht auf andere Länder, nicht auf andere Gesellschaftsgruppen und auch nicht auf andere innerhalb der Gesell­schaft, das heißt, jeder muss letztendlich für sich seinen Beitrag leisten und tätig werden.

Diese Unterschriften sind nicht nur Verpflichtung, sie entpflichten uns als Politik auch nicht, das Thema sozusagen an die Gesellschaft abzugeben, sondern sie verpflichten


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uns, als Politik auch tätig zu werden – und wir werden tätig. Wir haben ja in den vergan­genen Stunden und auch gestern in der Budgetdebatte schon erlebt, welchen Stellen­wert Klimaschutz in der neuen Regierung hat und wie das Budget dazu entsprechend ausgestattet wurde. Ich denke, es ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass Bundesministerin Gewessler mit der Klimamilliarde entsprechend ausgestattet ist, sodass wir auch tätig werden können.

Die ersten Schritte dieser verantwortungsvollen Verpflichtung der Politik sind mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz gemacht worden, und ich möchte davon nur ein Beispiel herausgreifen, nämlich das Gas: Beim Gas haben wir eine Verpflichtung, rund 20 Pro­zent des CO2-Energieausstoßes in Österreich wird durch Gas verursacht. Bei 90 Prozent des Gases besteht eine Importabhängigkeit, und das ist außenpolitisch momentan ein starkes Thema; einerseits Nord Stream 2, die Auseinandersetzung mit Russland, ande­rerseits die Auseinandersetzung mit der Türkei in der Ägäis. Das heißt, Gas ist ein Rie­senthema. Wir haben den großen Schatz, Biogas, grünes Gas in Österreich erzeugen zu können. Zum heutigen Zeitpunkt könnten wir aus unseren Rohstoffreserven, aus hei­mischen Lebensmitteln und letztendlich auch Biomasse und Biogasrohstoffen, bereits 50 Prozent dieses Gasverbrauchs abdecken.

Das heißt, wir müssen auch im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz dem Biogasthema die ent­sprechende Priorität zuordnen. Gestern erst wurde die Methanstrategie der Europäi­schen Kommission vorgestellt, und da hätten wir einen doppelten Effekt, einen Win-win-Effekt, indem wir mit der Biogasverwertung noch positiv aus Methan aussteigen könnten.

Das heißt, diese Unterschriften sind Verpflichtung, aber nicht Entpflichtung – auch für die Gesellschaft! Politisch haben wir die ersten Schritte gesetzt. Wo stehen wir aber ge­sellschaftlich? – Da ist die Bereitschaft, tätig zu werden, eine sehr große, wenn man nur die Beteiligungsverhältnisse bei Solarkraftwerken betrachtet. Wir wollen es ja auch ge­setzlich schaffen, dass sich die Bürger an der erneuerbaren Energie beteiligen können, und dort, wo sie es nicht am Eigenheim können, in Genossenschaften und dergleichen machen. Man sieht es aber auch im Verhalten, dass in der Gesellschaft die Bereitschaft wächst, sich da und dort klimaneutral zu verhalten, wie etwa mehr öffentliche Verkehrs­mittel zu benutzen.

Die Bereitschaft der Gesellschaft muss aber auch etwas Neues zulassen können, und da sehen wir schon eine gewisse Divergenz. Wenn man Bürgerlisten begutachtet, dann kann man erkennen, dass für einen Leitungsausbau keine Bereitschaft besteht, dass für einen neuen Anlagenbau, gerade im Bereich der Windkraft oder auch der Wasserkraft, da und dort sehr starker Widerstand aus den Regionen kommt. Das müssen wir ernst nehmen, wir müssen aber auch schauen, da wir ja ein großes Ziel haben, wie wir damit umgehen.

Da muss man aber ganz klar sagen: Klimaschutz ist eine Verpflichtung und kann mit einer Unterschrift oder mit einer Beglaubigung nicht entpflichtet sein, sondern muss ge­tragen werden. Da müssen wir auch dieses Ja zum Klimaschutz einfordern können, denn Klimaschutz wird nicht nach dem Florianiprinzip funktionieren: Ich bin dafür, wenn es woanders stattfindet. Das werden wir nicht stattfinden lassen können.

Ich glaube, die Konzeption der Bundesregierung ist eine sehr, sehr glückliche: Wir haben alle Schlüssel zum Erfolg im Bundesministerium vereint, denn wir haben da nicht nur Umwelt, Klima und Energie, sondern vor allem auch Infrastruktur. Hinsichtlich des Lei­tungsausbaus des Stromnetzes haben wir die Möglichkeiten im Ministerium, daran wird stark gearbeitet, das finde ich sehr, sehr wesentlich. Das gilt auch für den Bereich der Schiene. Was im Budget jetzt für zusätzliche Maßnahmen für den Ausbau der Schiene in Österreich vorhanden ist, ist gewaltig, und das hat es lange nicht gegeben.

Ein kleines Beispiel: In der Vergangenheit wurden unter dem Geschäftsführer der ÖBB – Christian Kern, wer ihn noch kennt – die Verladebahnhöfe der Rail Cargo Austria


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zurückgebaut. Da müssen wir wieder vorankommen, wir müssen mehr Fracht auf die Schiene bekommen. Auch in der Frage der Straße sehen wir, dass die CO2-Bilanzen wesentlich geringer sind, wenn der Verkehr flüssig ist. Das heißt, wir dürfen Straßenprojekte nicht prinzipiell als böse betrachten und negativ bescheiden, sondern müssen schauen, dass wir fließenden Verkehr zustande bringen. Da möchte ich besonders die S 8 im Marchfeld ansprechen oder auch den Lobautunnel in Wien, der viel CO2 einsparen könnte, wenn wir gescheite Verkehrsleitsysteme entwickeln könnten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf schon zum Ende kommen: Ich glaube, es ist ein wesentliches Thema, und darum hat es auch so viele Bürger bewegt. In den Sechzigerjahren hat es den großen Ost-West-Konflikt zwischen den USA und Russland gegeben. Damals war die Situation so, dass sich Staaten im Kalten Krieg thematisch gegenübergestanden sind, und heute sind es oft unterschiedliche Anschauungen, die sich gegenüberstehen, gar nicht so zwischen Staaten oder Nationen, vielmehr in den Gesellschaftsgruppen.

John F. Kennedy hat 1963 etwas gesagt, das uns, wie ich glaube, auch eine Leitschnur für den Klimaschutz, für die Frage der Umweltpolitik weit über die Grenzen hinaus sein sollte. Er sagte damals – in Bezug auf den Kalten Krieg zwar, aber ich glaube, das wird man auch auf die Klimapolitik umlegen können : „Denn letztlich bildet die Tatsache, dass wir alle Bewohner dieses kleinen Planeten sind, das uns im tiefsten gemeinsame Band. Wir alle atmen die gleiche Luft, uns allen liegt die Zukunft unserer Kinder am Her­zen und wir sind alle sterblich.“ (Beifall bei der ÖVP.)

13.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Julia Elisabeth Herr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.37.57

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Wer will, daß die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, daß sie bleibt.“ – Auf unserer Erde wird es immer heißer, die Polarkappen schmelzen, riesige Eisbrocken – und ich meine tatsächlich riesige Eisbrocken, erst im September ist ein Eisbrocken so groß wie Paris vom Festland ins Meer gestürzt – stürzen ins Meer, der Meeresspiegel steigt und ganze Nationalstaaten, Inselstaaten, bereiten sich wortwörtlich auf ihren Un­tergang vor.

Tagtäglich vernichten wir Lebensraum. Jedes Jahr wird eine Fläche, die so groß wie Irland ist, zur Wüste. Die ersten offiziellen Klimaflüchtlinge haben bereits aufgrund der Vernichtung ihrer Lebensgrundlage Asyl bekommen. Viele Hunderttausende werden fol­gen, wenn der Boden unter den Füßen ganz einfach unbewohnbar wird.

Im Meer schwimmt mittlerweile mehr Plastik als Fische, und wir können dabei zuschau­en, wie Tierarten, die dort über Jahrtausende gelebt haben, gerade aussterben. Unsere Ökosysteme geraten immer mehr ins Ungleichgewicht. Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie jetzt ist, der will nicht, dass sie bleibt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordne­ten El-Nagashi und Lukas Hammer.)

„Wir spüren die Auswirkungen der Klimakrise schon jetzt!“ – Das schreiben die Betreiber des Klimavolksbegehrens auf der Homepage vollkommen zu Recht, all das passiert jetzt. Das trifft nicht zukünftige Generationen irgendwann einmal, wir werden in 30 Jahren sa­gen können: Ja, hier war einmal ein Gletscher. Die Welt rund um uns herum, Österreich rund um uns herum verändern sich. Wir erleben extreme Wetterereignisse, viel mehr Hochwasser, mehr Murenabgänge.

Wir erleben immer mehr Schädlinge im Wald, gegen die wir kämpfen müssen. Wir erle­ben immer mehr Ernteausfälle, wir erleben generell weniger Ertrag auf unseren Fel­dern – denken wir zum Beispiel an die Zuckerrüben, über die wir hier erst vor Kurzem


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gesprochen haben: Es werden gerade Werksschließungen genau aufgrund dieser Zu­stände diskutiert! Dabei geht es auch um Arbeitsplätze, es geht um Versorgungssicher­heit, um all das geht es jetzt, und wir zahlen auch jetzt bereits dafür: 1 Milliarde Euro jährlich kosten uns die durch die Klimakrise verursachten Schäden.

Und jetzt zur Frage, wer das eigentlich zahlt, und dies vor allem im Vergleich dazu, wer diese Schäden, die wir tagtäglich erleben, verursacht: Wir wissen, dass Reiche, dass Vermögende die Klimakrise anheizen. Laut der neuen Oxfam-Studie aus diesem Sep­tember wissen wir, dass die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung für mehr als die Hälfte des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind! Wir wissen – das ist nicht vor­stellbar –, dass ein paar, eine Handvoll Konzerne mehr CO2 ausstoßen als ganze Konti­nente! Wir wissen, dass unsere Umwelt und vor allem unsere Ressourcen tagtäglich ausgebeutet werden, weil irgendjemand damit Geld verdient. Irgendjemand, eine kleine Gruppe von Menschen, verdient da eben, macht Profite, aber die Schäden zahlen wir alle. Das erleben wir in der Klimapolitik seit Jahrzehnten, und das ist eine himmelschrei­ende Ungerechtigkeit, die wir endlich ändern müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Die Klimakrise ist die soziale Frage unserer Zeit. Auch in Österreich zahlen Geringver­diener und Geringverdienerinnen mehr für Klimaschäden als Besserverdienende. Es wird sich im Übrigen auch mit diesem Budget, das vorgelegt wurde, in keinster Art und Weise ändern, wer da am meisten zur Kasse gebeten wird. Auch das Klimavolksbegeh­ren greift das auf. Dessen InitiatorInnen sagen, es braucht einen sozial gerechten Kli­maschutz. Ich denke, genau das ist es: Wir brauchen soziale Gerechtigkeit und wir brau­chen Klimagerechtigkeit – am Ende des Tages ist beides dann dasselbe. Dahin gehend bedanke ich mich bei den Initiatoren und Initiatorinnen des Klimavolksbegehrens und den fast 400 000 Menschen, die es unterschrieben haben.

Wir haben als Mitglieder des Umweltausschusses zahlreiche E-Mails erhalten. Ich habe sie mir gestern, bevor ich diese Rede geschrieben habe, alle noch einmal durchgelesen. Niemand fordert, wir sollen irgendeinen kleinen Budgettopf um ein bisschen Geld er­höhen, niemand fordert, wir sollen an einem kleinen Rad drehen. Alle Mails, die ich erhal­ten habe, fordern, dass wir in Anbetracht der Krise, die uns bevorsteht, endlich handeln, dass wir hier in diesem Haus so handeln, dass wir diese Klimakrise – all das, was ich vorhin aufgezählt habe – endlich ernst nehmen. Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie jetzt ist, der will ganz einfach nicht, dass sie bleibt! (Beifall bei der SPÖ.) Das sollten wir in diesem Haus auch endlich dementsprechend wertschätzen.

Ganz am Schluss jetzt komme ich zur Umsetzung. – Danke an alle fast 400 000 Men­schen! Jetzt müssen wir versuchen, all diese Punkte umzusetzen. Manches davon wird viel Diskussion brauchen, wird auch tiefergehende Lösungen brauchen, anderes könn­ten wir sofort umsetzen, könnten wir morgen hier beschließen.

Ich verspreche, dass wir als SPÖ – gemeinsam mit den InitiatorInnen des Klimavolks­begehrens, die sicher weiterhin Druck machen werden – uns hier in der Verantwortung sehen, die Forderungen nun auch in Anträge zu gießen. Wir sind bereits dabei, die wich­tigen Forderungen zu verschriftlichen, und wir können versprechen, dass uns das Thema wichtig ist, dass wir das Volksbegehren ernst nehmen werden und dass wir hier hof­fentlich noch sehr lange darüber diskutieren werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bit­te, Herr Abgeordneter.


13.43.39

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Diese Debatte über das Klimavolksbegehren gibt mir auch die


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Gelegenheit, einerseits auf das Klimavolksbegehren einzugehen, andererseits noch ein­mal die grundsätzliche Richtung beziehungsweise den grundsätzlichen Standpunkt der Freiheitlichen Partei, was Klima-, Energie- und Umweltpolitik betrifft, darzulegen. Ich werde auf das eine oder andere, was Kollegin Herr erwähnt hat, ebenfalls eingehen.

Aus unserer Sicht ist Klimapolitik, auch was die Argumentation betrifft, sehr stark von Angst geprägt. Wir haben es vorhin gerade gehört: Die Welt wird untergehen und ähnli­che Dinge. Uns Freiheitlichen ist das in vielen Bereichen zu dogmatisch. Man ist dann schnell einmal in der Ecke der Klimaleugner. Ich richte meine Rede an all jene, die in­teressiert sind, dieses wichtige Thema faktenbasiert zu beleuchten und auch Handlun­gen danach zu setzen, Kausalitäten, Wenn-dann-Verknüpfungen zu hinterfragen und die Dinge auch zu Ende zu denken, sie insbesondere auch – das ist mir besonders wichtig – hinsichtlich der Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Industriestandort Europa und Österreich zu Ende zu denken. An sie ist meine Rede gerichtet.

Die Forderungen des Klimavolksbegehrens klingen ja auf den ersten Blick sehr gut oder recht gut, man muss aber genau hinschauen: Wenn das Recht auf Klimaschutz in der Verfassung gefordert wird, dem alles andere unterzuordnen ist, dann ist das für uns Freiheitliche bei Weitem überschießend, denn dieses Recht impliziert auch die Pflicht für uns als Gesetzgeber, alles andere diesem Ziel unterzuordnen. Das ist nicht unser Zu­gang. Unser Zugang ist jener: Klimapolitik ja, aber ausgewogen! Mehrere Ziele müssen gleichzeitig bestmöglich erreicht werden. Ein Ziel ist selbstverständlich ein vernünftiger Umstieg vor allem auf erneuerbare Energieträger, aber wir dürfen die Versorgungssi­cherheit nicht vergessen und wir dürfen die Leistbarkeit und die Wirtschaftlichkeit nicht vergessen. Dieses freiheitliche Zieldreieck in der Klima- und Energiepolitik erachten wir als vernünftige Klimapolitik mit Hausverstand – und nicht, überschießend ein Ziel zu neh­men, dem sich alles andere unterzuordnen hat.

Als Freiheitliche Partei sind wir auch die Partei der sozialen Marktwirtschaft – grundsätz­lich der freien Marktwirtschaft, der leistungsorientierten Marktwirtschaft, aber mit einer starken sozialen Abfederung durch unser gutes Sozialversicherungssystem. Wenn wir uns dieses Klimavolksbegehren und auch die Klimadiskussion ganz allgemein anschau­en, dann müssen wir feststellen, dass all das sehr starke ideologische Komponenten und planwirtschaftliche Komponenten aufweist. Das sind alles Eingriffe in die freie Markt­wirtschaft, wenn nur noch klimafreundliches Verhalten belohnt oder klimaschädliches Verhalten bestraft wird et cetera, und das Ganze dann auch noch kombiniert mit großen Umverteilungen – wie ja von Kollegin Herr vorhin zu hören war: Die Reichen, die Ver­mögenden sind an allem schuld und wir müssen das jetzt umverteilen. (Abg. Herr: ... die Partei des kleinen Mannes?) – Das hat ja damit nichts zu tun. – Da spielen wir Freiheit­liche nicht mit! (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht ja noch weiter, wie man sieht, wenn man sich das Volksbegehren genau an­schaut: Da wird gefordert, dass in den Umsetzungen Bürgerräte dafür zuständig sein sollen – also Räte, auf Russisch: Sowjets. (Beifall des Abg. Loacker.) Das geht völlig an unserem Demokratieverständnis vorbei. Wer bestimmt dann die Bürgerräte? – Wahr­scheinlich dürfen die Mitglieder der Zivilgesellschaft oder die, die sich klimakonform ver­halten, an diesen Bürgerräten teilnehmen. Also was die Sowjets betrifft – Sie wollen eine Räterepublik –, so glaube ich, dass die Geschichte uns gezeigt hat, dass derartige Ex­perimente nicht besonders erfolgreich waren, vor allem nicht wirtschaftlich erfolgreich, auch nicht erfolgreich, was die Menschen- und Freiheitsrechte betrifft, und schon gar nicht, was die Umwelt- und Klimapolitik betrifft, weil sich die größten Stinkfabriken be­kannterweise im ehemaligen Ostblock befunden haben. Also das kann ja wohl nicht der Weg sein.

Unser Weg ist eine vernünftige Klima- und Energiepolitik mit Hausverstand. Wir können durchaus darüber diskutieren – da sind wir dabei –, und nicht nur diskutieren, sondern


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auch Maßnahmen setzen, wenn es etwa um die Verschmutzung der Meere durch Plas­tik, Mikroplastik geht. Man muss aber auch dazusagen, dass von den zehn größten Flüs­sen, die dazu beitragen, kein einziger in Europa liegt. Da müssen also auch andere ihren Teil dazu beitragen.

Im Übrigen: Was das Hinauflizitieren bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen betrifft, alles schön und gut. Das Europäische Parlament ist gerade dabei, sich von ur­sprünglich minus 20 Prozent auf minus 60 Prozent hinaufzulizitieren. Im Clean-Energy-Package sind schon minus 40 Prozent bis 2030 beschlossen worden. Das tragen wir auch mit. Das ist ein Rucksack, den in Wahrheit die Wirtschaft und die Industrie zu tragen haben. Den tragen sie auch, aber ich sage Ihnen auch eines: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Irgendwann einmal muss Schluss sein mit dem Hinauflizit­ieren, weil wir damit letztlich im globalen Wettbewerb unseren Wirtschaftsstandort schwerst schädigen. Die Chinesen, die Amerikaner machen dabei überhaupt nicht mit, die lachen sich ins Fäustchen und sagen: Ihr Europäer, macht nur so weiter, sorgt für unsere saubere Luft; wir pfeifen drauf und fahren euch wirtschaftlich um die Ohren!

Was heißt das konkret? – Es werden Arbeitsplätze verloren gehen. Ich spreche da die deutsche Automobilindustrie an. Dabei geht es ja nicht nur um die deutsche Automo­bilindustrie, denn wir wissen, wir haben Zig-, Zehn-, Hunderttausende Arbeitsplätze in der österreichischen Zulieferindustrie. Die bringen wir in Gefahr, indem wir die Rucksa­ckerl immer schwerer machen.

Sie sagen, die tragen nichts bei. – Natürlich tragen die etwas bei: Auch von der EU be­schlossen wurde für Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen – das wissen Sie – eine Ver­ringerung des CO2-Ausstoßes um 15 Prozent bis 2025, um 37,5 Prozent bis 2030. Also tun Sie bitte nicht so, als ob da seitens der Automobilindustrie nichts getan würde! Da wird genug getan, aber noch einmal: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Ein letztes Wort noch zur Wirtschaftspartei ÖVP: Es ist, wie gesagt, im Europäischen Parlament dieser Antrag gestellt worden. Frau von der Leyen muss sich jetzt irgendwie ein Profil geben und sagt: Ja, wir machen jetzt das lustige Hinauflizitieren auf minus 60 Prozent. Das ist im Europäischen Parlament bereits zur Abstimmung gekommen, unsere Fraktion hat aus den von mir dargelegten Gründen dagegengestimmt. Aufseiten der ÖVP gab es mit Masse eine knackige Enthaltung und sogar Prostimmen – also das verstehe ich bei der Wirtschaftspartei ÖVP nicht. Die Prostimme war jene des bekannten Abgeordneten Karas. Das geht für mich nicht zusammen: in Brüssel so und in Österreich anders zu reden.

Ich fasse abschließend zusammen: Klima- und Energiepolitik mit Hausverstand, aber – und ich ende mit August Wöginger – derzeit ist bitte das wichtigste Thema, dass es Arbeit gibt und dass Arbeitsplätze nicht verloren gehen! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.51.12

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle, vor allem die Mitglieder des Umweltausschusses, haben in den letzten Wochen viele E-Mails von engagierten Menschen bekommen, die uns an unsere histori­sche Verantwortung betreffend den Klimaschutz erinnern wollten.

Ich möchte Ihnen aus einer E-Mail von einer Bürgerin vorlesen, die so wie ich zwei Töch­ter hat und deren Nachricht mich daher besonders berührt hat:

„Jeden Abend wenn ich die beiden zu Bett bringe, kommt in mir diese Angst hoch.


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Die Angst, dass wir es nicht mehr schaffen.

Wir spüren es jetzt schon überall: Hitzeperioden, Dürren, Überschwemmungen und Ar­tensterben. Das alles sind nur Vorboten einer sich ankündigenden Klimakatastrophe, die unser Leben und vor allem, das unserer Kinder, massiv gefährdet.

Wenn wir es nicht schaffen, diese Klimakrise zu verhindern, werden meine Töchter in 30 Jahren in einem Wien leben, in dem es im Sommer mehr als 47 Grad hat. Trocken­perioden werden auch hierzulande vielerorts zu Wasserknappheit führen, alte Menschen und Kinder werden zu tausenden an Hitze und Luftverschmutzung sterben, auch in Ös­terreich. In anderen Monaten, werden Starkregen und Überschwemmungen viele Ge­genden lahmlegen und immense Schäden verursachen.

Die Arktis wird bis dahin eisfrei sein, ebenso wie die meisten, auch heimischen, Glet­scher. Der Amazonas und andere Regenwälder haben sich von den wichtigsten Luftfil­tern der Erde in trockene Steppenlandschaften verwandelt. Sämtliche Korallenriffe der Erde werden verschwunden und Millionen von Tier- und Pflanzenarten im Meer und an Land ausgestorben sein. [...]

Bei dem Gedanken an eine solche Zukunft für meine Töchter habe ich Tränen in den Augen – Tränen der Angst, Tränen der Verzweiflung aber auch Tränen der Wut, weil ich weiß, dass wir diese schreckliche Zukunft verhindern können. Wir haben alle techni­schen und politischen Instrumente bereits erfunden, um einer solchen Katastrophe vor­zubeugen.“

Das schreibt mir eine Bürgerin, und es hat mich wie gesagt sehr berührt. Für mich ist das, so wie all die Unterschriften des Klimaschutzvolksbegehrens, vor allem ein Hand­lungsauftrag an uns alle hier im Parlament.

Ich bedanke mich gleich zu Beginn bei den Initiatorinnen und Initiatoren des Klima­volksbegehrens und all den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern. Es war in so einer Zeit wirklich nicht einfach, ein Volksbegehren am Laufen zu halten und Unterschriften zu sammeln: Es gibt eine Pandemie, die sehr viel der öffentlichen Aufmerksamkeit genom­men hat; es gab dann Computer- und IT-Pannen – auch beim Innenministerium –; und dann war Ende Juni die Eintragungswoche, nach einem Lockdown, da sind viele Men­schen zu Hause geblieben, weil sie eher nicht mit anderen Menschen am Gemeindeamt in der Schlange stehen wollten. Umso erfreulicher ist das Ergebnis, dass 380 950 Men­schen dieses Klimavolksbegehren unterschrieben haben. – Herzliche Gratulation dazu! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte mich bei allen Menschen in Österreich, die dieses Volksbegehren unter­schrieben haben, dafür bedanken. Für uns ist das ein Auftrag, der an uns gerichtet wird, und lieber Kollege Kassegger, da geht es nicht um Ideologie! Im Prinzip geht es nur um eines, man kann die Forderungen dieses Klimavolksbegehrens und all der jungen Men­schen, die immer noch jeden Freitag auf die Straße gehen, so zusammenfassen: Macht verdammt noch einmal das, was die Klimawissenschaft sagt, damit diese Erde noch be­wohnbar bleibt! Um nichts anderes geht es, es geht nicht um Ideologie; es geht nur darum, zu sagen: Fahrt nicht gegen die Wand, auf die wir da zusteuern! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genau diesem Ziel hat sich auch die türkis-grüne Koalition verschrieben, dass wir in Österreich bis 2040 klimaneutral sein wollen. Einige Forderungen, die in diesem Klima­volksbegehren stehen, befinden sich auch schon in Umsetzung, wie zum Beispiel eine garantierte Finanzierung der Energiewende.

Wir haben gerade über das Budget gesprochen, in dem es vor allem für die Wärme­wende genug Budget geben wird. Wir werden Ende dieses Jahres ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz beschließen, mit dem ab 2021 pro Jahr 1 Milliarde Euro bereitgestellt wird, damit wir bis zum Jahr 2030 100 Prozent Ökostrom erreichen.


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Weitere Maßnahmen, an denen wir gerade arbeiten, sind bekannt: Das Bundes-Energie­effizienzgesetz, ein neues Klimaschutzgesetz, eine ökosoziale Steuerreform und natür­lich auch ein Abbau umweltschädlicher Subventionen. Wir wissen aber, dass es trotz­dem langsam vorangeht – für viele zu langsam –, und wir wissen, dass wir natürlich noch mehr machen müssen. Wir werden uns daher im Umweltausschuss eingehend und sehr detailliert mit den Forderungen dieses Klimavolksbegehrens befassen, und als Obmann des Umweltausschusses ist es mir sehr wichtig und ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass wir diese Beratungen transparent und öffentlich führen. Wir werden auch Expertin­nen und Experten aus der Wissenschaft einladen, um den wissenschaftlichen Sachver­stand in den Umweltausschuss miteinzubeziehen, damit diese Expertinnen und Ex­perten mit uns die Forderungen durchgehen, und wir werden uns dafür genügend Zeit nehmen.

Am Ende des Tages wird es darum gehen, ob wir im Sinne des Volksbegehrens und im Sinne der Klimawissenschaften handeln oder nicht – daran werden wir gemessen. Nut­zen wir die Gelegenheit, die uns das Klimavolksbegehren bietet und werden wir unserer Verantwortung hier im Hohen Haus gerecht! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.56.53

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mit einem Danke begin­nen: 380 590-mal danke für die Unterstützung des Klimavolksbegehrens an jene Bürge­rinnen und Bürger, die es ermöglicht haben, dass wir heute über ein so wichtiges Thema diskutieren können! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, der wichtigste Punkt, dessen wir uns jetzt bewusst sein müssen, ist, dass Volksbegehren in der Einschätzung der österreichischen Bevölkerung keinen sehr hohen Stellenwert genießen. Es liegt an uns Abgeordneten dieses Hauses, das Gegen­teil zu beweisen und aus dem Volksbegehren mehr zu machen als das, was es jetzt schon ist, nämlich ganz konkrete Zukunftsvorhaben in Gesetzesform.

Da möchte ich auch gleich direkt ansetzen. Ich habe meinen Vorrednerinnen und Red­nern sehr genau zugehört, ich habe Herrn Kassegger zugehört – das war ein Stück weit Melodie der Achtzigerjahre. Ich habe auch meiner Kollegin Herr zugehört, das war Klas­senkampf, das war wahrscheinlich Melodie der Siebzigerjahre. Aus meiner Sicht ist un­sere große Aufgabe aber, jetzt die Musik der Zukunft zu komponieren und mit Visionen in die Zukunft zu schauen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Matznetter: ... ist 200 Jahre alt!)

Wir gewinnen den Kampf gegen den Klimawandel nicht dadurch, dass wir die eine Grup­pe gegen die andere ausspielen, insbesondere nicht die österreichische Wirtschaft ge­gen ein Umweltbewusstsein in der Bevölkerung. Die große Aufgabe bei unseren Maß­nahmen wird sein, dass wir zwischen der Klimapolitik und der Wirtschaftspolitik ein deut­liches Und gestalten. Die Wahrheit – und die Wahrheit ist natürlich immer ein schwie­riges Wort – in dieser Sache ist tatsächlich, dass es viel leichter ist, die Zukunft mit der Wirtschaft und nicht gegen die Wirtschaft zu gestalten, denn es liegen in dieser Trans­formation unglaublich große Chancen. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn es uns gelingt, eine klimaneutrale Gesellschaft aufzubauen, dann bedeutet das, dass wir in 15, 20 Jahren eine ganz andere Mobilität haben, als wir es uns heute über­haupt vorstellen können. Wenn wir bis zum Jahr 2040 Klimaneutralität erreicht haben, bedeutet das, dass alle Haushalte anders heizen und kühlen, als wir uns das heute


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vorstellen können. Wenn wir bis zum Jahr 2040 eine klimaneutrale Gesellschaft haben, bedeutet das, dass die Produkte, die wir konsumieren, anders verpackt sein und teil­weise anders produziert werden. Die Industriebetriebe, die heute in Österreich sehr er­folgreich sind, werden wahrscheinlich noch erfolgreicher sein, weil sie jetzt schon die neuesten Technologien verwenden. Das sind Bilder, die viel Hoffnung machen können – das Problem, das wir heute haben, ist, dass diese Hoffnung von politischer Seite nicht unterstützt wird.

Wir sind – ich war vorhin bei der Melodie der Siebzigerjahre und Achtzigerjahre – auch mit der türkis-grünen Politik nicht in der Gegenwart angekommen. Man weiß: Wenn man wirklich einen Wandel möchte, wenn man wirklich eine klimaneutrale Zukunft gestalten möchte, braucht es zwei Dinge – es braucht noch viel mehr Dinge, aber zwei ganz kon­kret –, die wir heute in diesem Haus angehen könnten. Das erste ist, dass wir alle klima- und umweltschädlichen Subventionen, in Summe 4,7 Milliarden Euro pro Jahr, nicht mehr weiterfinanzieren. Die ÖVP möchte das aber weiterhin tun. (Beifall bei den NEOS.)

An dieser Stelle sei auch ganz klar gesagt: Uns ist klar, dass so eine Umstellung auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft hat. Für uns NEOS ist das eine Chance, und zwar, gemeinsam mit den Landwirten und Landwirtinnen die Zukunft zu gestalten. Das ist nicht gegen die Landwirtschaft gerichtet.

Der zweite große Punkt – der ist noch größer und wirkt derzeit leider noch ferner – ist eine entsprechende CO2-Bepreisung. Es geht um das Verursacherprinzip: Wenn wir klimaneutral werden wollen, müssen jene, die produzieren und in Verkehr bringen, und natürlich auch jene, die konsumieren, den Preis dafür bezahlen, und nicht die Allgemein­heit. Es fehlt sonst schlicht der Anreiz. (Beifall bei den NEOS.)

Ich höre von vielen Menschen, die konsumieren, ich höre von Unternehmen, die produ­zieren, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um die Chance zu nutzen. Deswegen vielen Dank an die Unterzeichner des Klimavolksbegehrens! Wir NEOS unterstützen euch. (Beifall bei den NEOS)

14.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Joachim Schnabel. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.01.29

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Damen und Herren vor den Monitoren! Hohes Haus! Vor allem aber Sie, liebe 380 590 Unterstützerinnen und Unterstützer des Klimavolksbegehrens! Derzeit über­schattet und überlagert das Coronavirus all unser politisches Handeln, die wirtschaftliche Entwicklung und die öffentliche Berichterstattung.

Das Virus hat eine andere Krise in die zweite Reihe gerückt: die Klimakrise, jene Krise, deren Bewältigung oder Nichtbewältigung langfristig viel mehr Auswirkungen auf die Ge­sellschaft, auf uns und auf unseren Lebensraum haben wird. Bis auf wenige Unbelehr­bare erkennen alle den Fakt an, dass der Klimawandel menschlich verursacht wurde, voranschreitet und nur durch Änderungen in unserem System aufgehalten werden kann. Mit dem Abkommen von Paris wurde im Jahr 2015 der Auftakt für eine nachhaltige Kurs­korrektur gelegt.

Ich bin Vater von drei Kindern, mein Jüngster war 2015 ein Jahr alt. Wenn wir das Jahr 2040 schreiben, wird er 25 Jahre alt sein, so alt wie unsere jüngsten Abgeordneten hier im Haus.

Wir haben uns als Regierungsfraktion das Ziel gesetzt, dass Österreich 2040 klima­neutral sein wird. An Kindern, sagt man, merkt man, wie die Zeit vergeht. Somit wird für mich und für alle begreifbar, wie zeitnah das österreichische, das europäische, aber auch das globale System klimaschonend umgebaut werden müssen.


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Ich danke auch, wie Kollege Bernhard und meine Vorredner es schon getan haben, den Initiatoren des Klimavolksbegehrens und der Bürgergesellschaft für ihren Einsatz und für ihr Engagement. (Beifall bei der ÖVP.)

Änderungen verursachen immer Ängste und Unbehagen. Es wird nicht nur Gewinner der Umstrukturierung geben. All das wird unsere Gesellschaft insgesamt fordern, des­halb sind die Akzeptanz und die Mitarbeit der Menschen in Österreich so wichtig. Die Unterstützer und Unterstützerinnen sind nicht nur Forderer, sondern ich wünsche mir, dass sie für die notwendigen Handlungen, die gesetzt werden müssen, auch Multipli­katoren sind.

Vielen von Ihnen ist mein steirischer Politikerkollege Dr. Josef Riegler wahrscheinlich ein Begriff. Schon 1987, also vor über 30 Jahren, hat er für die Österreichische Volkspartei die ökosoziale Marktwirtschaft aufgesetzt. Mit seinen Ideen und Zielen nahmen wir als Volkspartei schon immer und schon lange davor beim Umwelt- und Klimaschutz eine zukunftsorientierte Position ein. (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Regierung gibt mit dem Regierungsprogramm „Aus Verantwortung für Öster­reich“ und dem heute bereits heftig diskutierten Budget auf Bundesebene schon die Antwort auf viele Anliegen des Klimavolksbegehrens. Gemeinsam mit dem Koalitions­partner stellen wir als Volkspartei die ökosoziale Marktwirtschaft mit den neuen Techno­logien und den neuen Möglichkeiten in den Mittelpunkt und setzen im Bereich des Kli­maschutzes und der erneuerbaren Energien neue Maßstäbe – zum Beispiel bei der Energiewende.

Die Energiewende ist essenzieller Bestandteil des Volksbegehrens und der Klimaret­tung. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz setzen wir die Rahmenbedingungen neu, um aus den fossilen Energieträgern auszusteigen und Österreich mit 100 Prozent Öko­strom zu versorgen. Leicht wird es aber nicht werden, 27 Terawattstunden, davon 11 Te­rawattstunden aus Sonnenstrom, zu erzeugen. Zwar sind die Anlagen dann prioritär auf Dachflächen umzusetzen und werden besser gefördert – es kommt darauf an, welches Rechenmodell man ansetzt –, wir werden aber auch 7 000 Hektar Fotovoltaikzellen in der Landschaft brauchen. 7 000 Hektar, das bedeutet durchschnittlich 3,3 Hektar pro Gemeinde. Diese Anlagen müssen im Zusammenspiel mit der bäuerlichen Lebensmittel­versorgung – wir dürfen sie nicht nur auf den besten Böden errichten – und mit der Landschaft als touristisches Asset errichtet werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Die Bundesländer sind gefordert, auch da rasch marktwirtschaftliche Rahmenbedingun­gen zu schaffen, um gemeinsam mit den Gemeinden die richtigen Flächen raumplane­risch umzusetzen.

Der Begriff Hausverstand, sehr geehrte Damen und Herren, wird ja gerade in diesen Zeiten sehr inflationär verwendet, vermutlich weil das Wort Hausverstand auf so viele Handlungsfelder zutrifft. Genau diesen aber wird es brauchen, um – vor allem mit der Wirtschaft gemeinsam! – mittelfristig die Wirtschaft zu transferieren, um den Klimaschutz umzusetzen. Wir dürfen nicht übereilt einzelne Maßnahmen setzen, die die Wirtschaft überlasten, denn dann wird die Klimarettung zum Wohlstandsvernichter.

Die österreichische Wirtschaft und die Industrie haben erst diesen Montag erklärt, ein aktiver Part und Teil der Lösung zu sein. Gemeinsam müssen wir diese Chance für Be­stehendes und Neues, für neue Jobs, für Wirtschaftsfelder und Innovationen in Öster­reich nutzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Weil heute schon so viel über die Gemeinden diskutiert wurde, noch ganz kurz: Auf den kommunalen Ebenen passiert sehr viel: Klimabündnis-Gemeinden, e5‑Gemeinden, KEM-Regionen, Klar!-Regionen bis hin zu vielen tollen Einzelinitiativen – da wird schon über Jahre und Jahrzehnte sehr viel getan.


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Eine Einzelinitiative und eine Einzelperson möchte ich hervorheben, und weil Kollege Brandstätter immer ein Buch mitnimmt, habe ich gedacht, ich nehme auch einmal eines mit. (Der Redner hält das Buch „Klimawandel – Stopp und Umkehr“ in die Höhe.) Der Autor ist aus meiner Nachbargemeinde, aus meiner Region, Herr Prof. Dr. August Rag­gam, Wissenschafter und erfolgreicher Unternehmer. Er beschreibt in diesem Buch, wie es möglich ist, auf den Klimawandel zu reagieren. Ich danke ihm exemplarisch für die vielen Engagierten, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für die Rettung unseres Klimas einsetzen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Umweltausschuss mit den Expertinnen und Exper­ten und schließe – quasi in einer Abwandlung des Regierungsprogramms, „das Beste aus beiden Welten“ – mit: Alle zusammen für das Beste der Welt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Kollege Andreas Kollross. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.08.12

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Jetzt habe ich gesehen, dass Frau Kollegin Doppelbauer leider nicht da ist, ich muss das aber trotzdem anbringen, und vielleicht kann man es ihr dann ausrichten. Da sie das heute schon das zweite Mal gemacht hat und bei der Debatte zur Anfragebeantwortung leider keine tatsächliche Berichtigung möglich ist (Abg. Doppelbauer macht durch Win­ken auf sich aufmerksam) – ah, da ist sie ja schon, danke schön –, möchte ich das schon noch schnell tatsächlich berichtigen: Ihnen fällt bei den Gemeindefinanzen immer nur offener Haushalt des KDZ ein, und heute sind Sie sogar so weit gegangen, dass Sie gesagt haben, Trumau ist die intransparenteste Gemeinde, weil wir uns dort nicht eintra­gen.

Was Sie vergessen haben dazuzusagen, ist, dass es eine private Plattform ist, wo nie­mand verpflichtet ist, sich einzutragen. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Was Sie vergessen haben dazuzusagen, ist, dass jede Gemeinde den Rechnungsabschluss und den Voranschlag veröffentlichen muss; und was Sie vergessen haben zu sagen, ist, dass dieser offene Haushalt nur ein paar Kennzahlen formuliert und sonst gar nichts. (Neuerli­cher Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Da stehen ein paar Kennzahlen: wie viel für Bildung ausgegeben wird, und sonst gar nichts. Bei einem Budget und einem Voran­schlag stehen unter den Kennzahlen noch die tatsächlichen Ausgaben. Wenn Sie aber der Meinung sind, dass eine Internetplattform mit ein paar Kennzahlen transparenter ist als ein gesamtes Budget, bei dem man sieht, wofür alles wirklich ausgegeben wird, dann sei Ihnen das natürlich unbenommen. (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

Nun zum Thema: Ein herzliches Dankeschön an die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens, danke an die HelferInnen, danke an all jene, die unterschrieben haben. Ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig ist, dass wir neben dem parlamentarischen Pro­zess auch einen außerparlamentarischen Prozess betreffend den Klimaschutz haben, weil – und da gebe ich jedem recht, der das bisher formuliert hat – das eben wirklich eine der wesentlichen Zukunftsfragen ist. Auch ein Danke an jene, die uns in den letzten Tagen und Wochen – es wird wahrscheinlich mehrere betroffen haben, mich hat es auch betroffen – E-Mails geschickt haben und uns so noch einmal ihr Engagement und ihre Aufforderung diesbezüglich kundgetan haben.

Ich glaube, was wichtig ist und was man auch erkennt, ist, dass sich Klimaschutz auch im Budget abbilden muss. Die KollegInnen der Grünen haben natürlich recht, da gibt es erste positive Schritte, und man muss auch anerkennen, dass sich da etwas tut – vor


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allen Dingen wenn man sich den Koalitionspartner anschaut – und dass es wirklich teil­weise in die richtige Richtung geht.

Als Bürgermeister vom Land möchte ich aber einen Bereich noch herausstreichen, der mir persönlich ganz wichtig ist, und das ist der öffentliche Verkehr. Ich glaube, es geht darum, dass man nicht nur über dieses 1-2-3-Ticket diskutiert. Das ist ganz wichtig, da­rüber brauchen wir gar nicht zu debattieren, aber mindestens genauso wichtig ist der Nahverkehr und ist die Anbindung an den Ort, von dem der Zug überhaupt wegfährt. Wir wissen alle, dass wir in den einzelnen ländlichen Regionen genau dort das Problem ha­ben und dort das 1-2-3-Ticket keine Lösung ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir es nicht schaffen, den Nahverkehr wirklich auszubauen, wenn wir es nicht schaffen, von den Gemeinden – wir wissen, es gibt viele Gemeinden, die das betrifft – öffentlich zur Bezirkshauptstadt zu kommen, dann werden wir auch den Autoverkehr nicht wirklich reduzieren. Die Bezirkshauptstadt ist nach wie vor ein wesentliches Ele­ment in jedem Bezirk. Dort sind nach wie vor die BH, das Finanzamt, das Arbeitsmarkt­service, die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer und so weiter und so fort. Es gibt unheimlich viele Gemeinden, deren Bewohner öffentlich gar nicht dorthin kommen oder 1 Stunde, 1,5 Stunden unterwegs sind, weil sie – bei uns sagt man das so – mit der Kirche ums Kreuz fahren, damit sie überhaupt dorthin kommen.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man vor allen Dingen in den Bezirken, in den Re­gionen den Nahverkehr ausbaut, nur dann macht auch das 1-2-3-Ticket noch viel mehr Sinn, denn dann betrifft es nicht nur die, die jetzt schon an der Südbahnstrecke oder Westbahnstrecke sind, sondern auch die, die tagtäglich pendeln müssen und denen nichts anderes übrig bleibt, als mit dem Auto zu fahren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Peter Schmiedlech­ner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.12.42

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Klimavolksbegehren: Das Klima geht uns alle an und betrifft uns tagtäglich. Jede Initiative ist zu begrüßen, jedoch gilt die Devise: Klimaschutz mit Hausverstand.

Was nützt es dem Klima, wenn wir in Österreich Maßnahmen und Regeln umsetzen, die Arbeitsplätze zerstören? Was nützt es dem Klima, wenn manche aufgrund der hochge­steckten Klimaziele energiepolitisch auf die Atomenergie setzen, weil diese als klima­neutral gesehen wird? Wir lehnen die Kernkraft zur Energiegewinnung ab, und das ohne Ausnahme. Es ist auch etwas seltsam und ich hoffe natürlich auch, dass im Umweltaus­schuss dem Euratom-Volksbegehren genau die gleiche Anerkennung zugesprochen wird wie diesem Klimavolksbegehren, weil ich denke, dass das genauso wichtig ist.

Ein weiterer Kritikpunkt an diesem Klimavolksbegehren ist die schleichende Zentralisie­rung und die Aushöhlung des Föderalismus. Dieses Volksbegehren verlangt unter dem Deckmantel des Klimaschutzes eine Konzentration aller Entscheidungen in einer Hand. Der Klimarechnungshof klingt für mich weniger nach Transparenz, vielmehr nach neu erfundenen Parallelbehörden.

Am Weg zur Klimadiktatur: Die Einführung eines Klimadienstes, der entscheiden darf, ob ein Gesetz beschlossen werden darf, bedeutet das Ende des Parlamentarismus. Ein Recht auf Klimaschutz bedeutet in Wahrheit die Unterordnung des Gemeinwesens unter Klimaziele. Somit wäre alles diesem Ziel unterzuordnen. Wir sehen dieses Ziel sehr kri­tisch. Klimaschutz ist auch uns wichtig, unsere Demokratie aber darf nicht eingeschränkt werden.


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Klimaschutz schon einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Mit Förderung von Regionalität könnten wir das Klima nachhaltig mit Hausverstand ist angesagt. Eine nachhaltige und schonende Wirtschaftsweise sollte wieder mehr Bedeutung erhalten. Regional statt global würde am meisten und am besten schützen.

Abschließend möchte ich bei dieser Gelegenheit auch die Leistungen der Landwirtschaft zum Klimaschutz herausstreichen. Im Boden, im Wald, im Holz und in den Holzpro­dukten ist mehr CO2 gespeichert, als in der Atmosphäre vorkommt. Die Bäuerinnen und Bauern leisten daher mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Das wird leider allzu oft in der Debatte vergessen und die Landwirtschaft wird sehr oft als Klima­sünder dargestellt.

Meine Damen und Herren, eine einseitige, nur auf das Klima ausgerichtete Betrach­tungsweise ist nicht richtig. Wir müssen wieder zu den Fakten zurückkehren und uns für einen Klimaschutz mit Hausverstand aussprechen. (Abg. Lukas Hammer: Hausverstand oder Fakten?)

Als letzten Satz darf ich Ihnen mitgeben – das ist ein alter Spruch –: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben! (Beifall bei der FPÖ.)

14.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr.in Astrid Rössler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.16.35

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschir­men! Auf den ersten Blick ist es ein Instrument direkter Demokratie, ein Volksbegehren zu starten und Unterschriften zu sammeln. Dieses Klimavolksbegehren unterscheidet sich aber in mehreren Punkten. Es ist bemerkenswert in seiner Wirkung, aber auch in seiner politischen Dimension.

Die Zivilgesellschaft greift ein Thema auf, macht es präsent, und was mit Fridays for Future sozusagen den Klimaschutz auf die Straße gebracht hat und eigentlich auch in das nächste Regierungsprogramm hineingepusht hat, bringt das Klimavolksbegehren jetzt ins Parlament und in die parlamentarische Debatte. (Beifall bei den Grünen.)

Die Initiatorinnen und Initiatoren des Klimavolksbegehrens haben es geschafft, eine breite Plattform, eine Allianz eines gemeinsamen gesellschaftlichen Anliegens zu formu­lieren, und es liegt an uns – und das ist ein sehr wichtiger Schritt im Umgang mit diesem Volksbegehren –, ob wir die Anliegen und die Forderungen der Initiatorinnen und Initia­toren und aller, die unterschrieben haben, in den Reibemühlen der politischen Debatte aufreiben und notfalls gefährden oder ob es gelingt, diesen breiten gesellschaftlichen Konsens für den Schutz unseres Klimas gemeinsam hier zu einem guten Abschluss und damit auch zu einem gemeinsamen Beschluss zu führen.

Das erscheint mir deshalb so wichtig, weil 400 000 Menschen, die in dieser Zeit die Un­terschrift geleistet und damit gezeigt haben, wie wichtig ihnen das Anliegen ist, eine große Zahl von Personen ist. Diese positive Stimmung für den Klimaschutz sollten auch wir als Aufbruchsstimmung nehmen. Es ist gelungen, viele der Anliegen bereits in das Regierungsprogramm zu bringen, und das nicht nur in das Umweltkapitel, sondern auch bei den Themen Wohnen, Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Europa und Tourismus. Überall findet sich Klima, weil es eben nicht nur Aufgabe eines Umweltministeriums ist, sondern weil es Aufgabe einer gesamten Regierung und auch ein gesellschaftlicher Auftrag ist. Eine Regierung allein wird den Klimaschutz nicht schaffen, es geht nur im gesellschaft­lichen Konsens. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Auch von mir einen Dank an alle, die dieses schwierige und gemeinsame Thema aufge­griffen haben und durch ihr Engagement, vor allem aber auch durch ihre Expertise und


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durch den Zusammenschluss der gesamten Gesellschaft, der sozialen Organisationen und Umweltorganisationen, darauf aufmerksam gemacht haben. Es gibt auch Workers for Future, es gibt Architects for Future, es haben sich viele Gruppen aus Professionen gebildet, die dieses Thema aufgreifen. Es liegt an uns, dieses Engagement und diese Unterstützung der Zivilgesellschaft auch hier im Hohen Haus zu einem guten, gemeinsa­men Abschluss zu bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte schön.


14.20.02

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich zum Klimavolksbegehren: Wir haben das – das hat unser Kollege Michi Bernhard hat ja schon gesagt – immer unterstützt. Vor allem stimmen die Forderungen im Großen und Ganzen auch mit unse­ren langjährigen klimapolitischen Forderungen überein.

Kollege Bernhard ist auch schon darauf eingegangen, dass die Regierung nicht nur in der Pflicht steht, Mittel für den Klimaschutz auszuschütten, sondern auch die längst über­fälligen Strukturen zu schaffen und politische Änderungen durchzuführen.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es ist super, dass wir mehr Mittel für die Fahrradinfrastruktur haben. Das finden wir gut, das sollte man auch weiter forcieren. Die Intention und die Ankündigung reichen aber nicht aus. Das Budget zeigt nämlich die harte Realität. Der SUV-Fahrer in Mödling bekommt immer noch mehr öffentliche Mittel und mehr öffent­liche Subvention als der oder die RadfahrerIn, besonders wenn dieser SUV auch noch mit dem – uns unerklärlicherweise – immer noch begünstigten Diesel subventioniert wird und fährt.

Kollege Bernhard hat es auch schon gesagt: Wir geben unter Türkis-Grün immer noch 4,7 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen aus, während wir das Budget für Klima und Mobilität um 0,6 Milliarden Euro erhöhen. Ich möchte das auch veranschauli­chen, wie die Dimensionen da sind. (Der Redner hält eine Tafel mit den Aufschriften „4,7 Mrd € Umweltschädliche Subventionen“ und „+0,6 Mrd € Klima & Mobilität“, auf der zwei Säulen dargestellt sind, in die Höhe.) Es gibt also 4,7 Milliarden Euro für umwelt­schädliche Subventionen im Budget, während die Ausgaben für Klima und Mobilität um nur 0,6 Milliarden Euro steigen. Das ist so, als würde man mit angezogener Handbremse fahren und verlangen, weiter auf das Gas zu steigen. Das wird nicht funktionieren! Diese Säule (auf die höhere Säule weisend) muss nach unten gehen, und daran, ob das ge­lingt, wird man die Grünen messen müssen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe das immer wieder schon gesagt: Es war halt Ihre Strategie und Ihr Konzept, in diese Regierungsverhandlungen zu gehen, aber dafür, dass Sie in allen anderen Berei­chen alle Überzeugungen über Bord geworfen haben, passiert uns im Klimaschutz im­mer noch zu wenig.

Insgesamt ist dieses Budget keines für jene Bevölkerungsgruppe, die der Klimawandel am ärgsten treffen wird: für uns junge Menschen. Die UGs für Umwelt, Bildung, For­schung und Wissenschaft bekommen zusammengerechnet insgesamt 1 Milliarde Euro mehr – das ist gut, dass da mehr drinnen ist. Da die Regierenden aber mit diesen un­säglichen Wahlgeschenken nicht aufhören können, stecken wir auch mit diesem Budget wieder über 1,6 Milliarden Euro zusätzlich in ein absolut marodes Pensionssystem, das übrigens eines der am wenigsten nachhaltigen Pensionssysteme der OECD-Staaten ist. (Beifall bei den NEOS.)

Das heißt, wir haben heute zum Klimavolksbegehren viele Lippenbekenntnisse, viel Un­terstützung gehört, es wird aber mehr brauchen als nur lauthalse Unterstützung vonseiten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 22

der Regierung. Es braucht mutige, es braucht systemische Reformen und auch ein kli­ma- und generationengerechtes Pensionssystem. Natürlich braucht es auch eine ökoso­ziale Steuerreform, nicht nur die Ankündigung dazu.

Millionen Menschen auf der ganzen Welt gehen auf die Straße und rufen: Climate Justice Now! Wir erwarten uns das auch von der Bundesregierung. (Beifall bei den NEOS.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.23.23

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Danke an die 380 590 Menschen, die das Klimavolksbe­gehren mit ihrer Unterschrift unterstützt haben, weiters an die über 1000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zahlreichen Initiativen sowie die vielen NGOs und Organisationen, beispielgebend die Naturfreunde, die Kinderfreunde, Global 2000, die Wiener Volkshochschulen, Attac, die Erzdiözese Wien, die Umweltberatung, die Volks­hilfe, die Diakonie und viele, viele mehr. Nicht zu vergessen die Initiatoren und tragenden Säulen des Projekts wie Fridays for Future oder die Arbeiterkammer und Greenpeace – vielen Dank ihnen allen! Vielen Dank für ihren Geist, vielen Dank für ihre Haltung und vielen Dank für ihren Weitblick! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich erwarte mir als Staatsbürger und Unterzeichner des Klimavolksbegehrens nun aber auch – und appelliere an die Mitglieder der Bundesregierung –, dass die Inhalte und An­liegen ernst genommen werden. Die heutige verwaiste Regierungsbank deutet noch nicht darauf hin. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Betrachten Sie das Ergebnis des Volksbe­gehrens als Auftrag und handeln Sie dementsprechend! Ich richte hier meinen Appell auch an die grüne Partei, sich in dieser Angelegenheit nicht von der ÖVP weichkochen zu lassen. Keine weiteren Taskforces mehr, keine weiteren Vertagungen und keine weiteren Ausweichmanöver, das Wahlmotiv Ihrer Wähler heißt: Klima- und Umweltschutz umsetzen!

Neben einem umfangreichen Maßnahmenpaket im Bereich Verkehr, Energie und Mobi­lität sollte Österreich einen Schritt weitergehen und eine prominente Vorreiterrolle in der Umweltpolitik einnehmen. Verantwortungsvoll wäre es, auch im Hinblick auf nachfolgen­de Generationen, den Klimaschutz in unserer rot-weiß-roten Verfassung zu verankern. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen und gehen wir diesen Schritt in unsere Zukunft!

Abschließend ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass klimafreundliches Handeln für alle Menschen möglich gemacht werden muss. Echte Klimapolitik verbindet Ökologie und Soziales miteinander. Es handelt sich beim Klimaschutz nicht um ein elitäres Pro­jekt, sondern um egalitäre Wertehaltung, die nicht durch das Geldbörsel bestimmt wer­den darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Schicksalsgemeinschaft müssen wir alle Menschen mitnehmen und dürfen nieman­den zurücklassen. Daher müssen wir in diesem Kontext auch eine ökosoziale Steuer­reform umsetzen. Einen ersten Schritt dazu einen Klimabonus beschließen wir noch heuer: Wer öffentlich in die Arbeit fährt, soll durch den Klimabonus künftig die große anstatt der kleinen Pendlerpauschale erhalten. In Kombination mit dem sozialdemokra­tischen Projekt 1-2-3-Klimaticket wird es möglich sein, dass noch mehr Menschen künftig mit Bus oder Bahn statt mit dem Auto in die Arbeit fahren. Dazu braucht es aber einen verbesserten öffentlichen Nahverkehr zu den Zubringern.

Das alles ist Klimaschutz mit sozialer Handschrift, der nur mit einer kollektiven Be­wusstseinsveränderung umzusetzen ist. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.26



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 23

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. –Bitte, Frau Abgeordnete.


14.27.00

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Letztrednerin möchte ich mich auch noch einmal bei den InitiatorInnen des Klimavolksbegehrens und vor allem bei den 380 000 UnterzeichnerInnen sehr herzlich bedanken. Volksbegehren sind ein demokratiepolitisch sehr wichtiges Instrument, ich kann nur jeden und jede ermutigen, dieses Instrument auch zu nutzen.

Die aktuelle Covid-Pandemie hat die Energiewirtschaft nachhaltig verändert. Durch die globale Wirtschaftskrise ist laut Weltenergiebericht der Internationalen Energieagentur der Verbrauch an Energie um 5 Prozent und die Treibhausgasemission sogar um 7 Pro­zent gesunken. Besonders im Lockdown verloren fossile Energieträger wie Kohle und Gas schlagartig an Bedeutung. Es war schlichtweg genug erneuerbare Energie aus Son­ne, Wasser und Windkraft vorhanden.

Laut der Internationalen Energieagentur verliert Kohle generell immer mehr an Bedeu­tung, Öl wird 2030 nicht mehr in der Menge vorhanden sein, die wir benötigen würden. Daher ist jetzt der beste Zeitpunkt – um den Kreis zum Klimavolksbegehren wieder zu schließen – für eine echte Energiewende, vor allem aber für eine sozial verträgliche Energiewende. Die größten CO2-Verursacher müssen nach dem Verursacherprinzip zur Kassa gebeten werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen jetzt verstärkt in erneuerbare Energieformen, saubere Treibstoffe und gut ausgebaute Netze investieren. Da braucht es innovative Ansätze, damit zum Beispiel 380-kV-Leitungen dauerhaft in die Erde kommen und nicht wie in Salzburg  ganze Landschaftsteile verschandeln. In den vergangenen Wochen haben mich als Abgeord­nete, wie wahrscheinlich Sie alle, sehr viele Bürgerinnen und Bürger kontaktiert und mir ihre Sorgen in puncto Klimawandel mitgeteilt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich verstehe diese Sorgen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir haben nur diese eine Erde! Wir als Ent­scheidungsträgerInnen – damit richte ich mich gerade an den Sektor der ÖVP  müssen alles dafür tun, damit Österreich seinen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz erfüllt. Kolle­ge Schnabel hat berichtet, wie toll es ist, die CO2-Neutralität bis 2040 im Koalitionspapier stehen zu haben. Ich frage Sie: Wieso stimmen dann Ihre ÖVP-Kollegen in Brüssel da­gegen? (Beifall bei der SPÖ.)

Für mich gehört auch zum Klimaschutz, in Österreich endlich ein Glyphosatverbot zu haben.

Abschließend freue ich mich darauf, im November im Umweltausschuss gemeinsam mit den InitiatorInnen des Klimavolksbegehrens eine gute Gesetzesgrundlage auszuarbei­ten und all die Ideen für mehr Klimaschutz in Österreich in Gesetze fließen zu lassen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.30


14.30.10

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise das Volksbegehren, 348 der Beilagen, dem Umweltausschuss zu.

14.30.202. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „Smoke – NEIN“ (346 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Dr. Werner Saxinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 24

14.30.33

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie werden sich jetzt viel­leicht wundern, warum das Thema Rauchen nach jahrelanger heftiger Diskussion nun schon wieder im Plenum behandelt wird, und das zu Coronazeiten. Wir haben doch wirklich andere Probleme. – Keine Angst, sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, am Rauchverbot wird derzeit ganz sicher nicht gerüttelt. Das wäre unsinnig, unverantwortlich und für mich als Arzt auch völlig inakzeptabel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Das Thema Rauchen ist für mich wie so viele gesundheitspolitische Dinge im Sinne der Volksgesundheit und zum Schutz der Menschen völlig überparteilich zu sehen. Ich kann Ihnen versichern, dass bei der Volkspartei die Gesundheit der Bevölkerung alleroberste Priorität hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum beschäftigen wir uns eigentlich überhaupt wieder mit dem Raucherthema? – Mehrere Personen haben Volksbegehren initiiert, sowohl ein Volksbegehren „Smoke – NEIN“ als auch gleichzeitig ein Volksbegehren „Smoke – JA“. Das war dieselbe Gruppe bei beiden Volksbegehren. Sie sagen, jenes Volksbegehren, das von mehr Menschen unterschrieben wird, zeige aus Sicht der Initiatoren die Meinung des Volkes und das müsse daher unterstützt werden. Die Initiatoren haben praktisch durch zwei gleiche Volksbegehren, einmal pro, einmal kontra, eine Volksabstimmung simuliert.

Der Eintragungszeitraum war von 22. bis 29. Juni dieses Jahres. Das Volksbegehren „Smoke – NEIN“ erhielt über 140 000 Unterstützungen, das Volksbegehren „Smoke – JA“ über 33 000. „Smoke – NEIN“ hat also gewonnen. Die Unterstützer des „Smoke NEIN“-Volksbegehrens argumentieren nun, dass das Recht vom Volk ausgehe, nicht von ständig wechselnden Regierungen, und wollen das Nichtraucherschutzgesetz vom 1.11.2019 in die Bundesverfassung aufnehmen lassen.

Wie gesagt: Seit November 2019 gilt in Österreich dieses Gesetz, das einen umfassen­den Nichtraucherschutz auch für die Gastronomie vorsieht. Einige Details dazu: Wer ak­tiv raucht, setzt sich einer großen Gefahr aus, abhängig und krank zu werden. Die gifti­gen Stoffe im Zigarettenrauch schädigen beim Inhalieren auf ihrem Weg durch den Kör­per fast jedes Organ und beeinflussen sogar die Erbinformationen in den Körperzellen. Das kann, wie wir alle wissen – aber es ist gut, das immer wieder zu hören –, verschiede­ne Krebsformen auslösen. Der Lungenkrebs hat bei Frauen sogar den Brustkrebs als Krebs mit dem höchsten Sterberisiko abgelöst. Besonders betroffen sind die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System.

14 000 Österreicherinnen und Österreicher sterben jährlich an den Folgen des Rau­chens. Wenn jetzt manche sagen: Wer raucht, schädigt eh nur sich selbst!, dann sei denen gesagt: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo er anderen Schaden zufügt. Es geht vor allem um das Passivrauchen. Rauchverbote in der Gastronomie – und das hat dieses Gesetz auch bedeutet – dienen der Gesundheit des Menschen, retten nachweis­lich Menschenleben und ersparen dem Gesundheitssystem sehr viel Geld. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schallmeiner.)

Laut Österreichischer Gesellschaft für Lungenerkrankungen sind in Österreich über 1 000 Todesfälle pro Jahr auf Passivrauchen zurückzuführen. Das heißt, es gibt jedes Jahr deutlich mehr Todesopfer durch Passivrauchen als durch Verkehrsunfälle.

Lassen wir bezüglich des Passivrauchens noch weitere Zahlen sprechen: Passivrauchen erhöht das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, um 20 Prozent. Es verdoppelt das Risi­ko, an Asthma zu erkranken. Das Schlaganfallrisiko erhöht sich bei Passivrauchen um 80 Prozent, das Risiko von koronaren Herzkrankheiten um 20 Prozent, von Bronchitis um 30 Prozent und das Risiko eines niedrigen Geburtsgewichts um 40 Prozent.


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Ganz wichtig beim Nichtraucherschutzgesetz ist auch die Vorbildwirkung für Kinder und Jugendliche. Wer früh zu rauchen beginnt, schadet seinem Körper auf vielfältige Weise. Wir brauchen auf unsere Raucherquote bei unter 15-Jährigen wirklich nicht stolz zu sein. Laut OECD-Daten lag sie 2013 noch immer bei 27 Prozent. 1993 waren es 30 Prozent. Das heißt, über ein Viertel der Jugendlichen unter 15 rauchen – ein Wahnsinn! Zigaret­tenkonsum in Lokalen in Verbindung mit dem Ausgehen wird von Kids mit dem Erwach­sensein assoziiert, es erscheint cool und trendig. Wir hoffen auch, mit Präventionsmaß­nahmen die Zahl der jugendlichen Raucherkarrieren zu reduzieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das seit 1.11.2019 geltende Nichtraucherschutzge­setz entspricht dem Recht der österreichischen Bevölkerung auf Schutz vor Passivrau­chen und schützt auch Jugendliche.

Das Volksbegehren „Smoke – NEIN“ der Initiatoren wird nun in der ersten Lesung dem Gesundheitsausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen.

Ohne Rauch geht’s auch, und wie Immanuel Kant schon sagte: Die Freiheit des Einzel­nen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Karin Greiner. – Bitte, Frau Ab­geordnete.


14.36.06

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Saxinger, ich bin Ihnen wirklich aus tiefstem Herzen dankbar für diese klaren Worte, freue mich auch über dieses eindeutige Bekenntnis zum Nichtraucherschutz und gegen das Rauchen. Das war ja in Ihrer Frak­tion nicht immer so, und ich wünsche mir, dass Sie in Zukunft in Ihrer Fraktion mehr Gehör finden und mehr Gewicht bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Denken wir an das Jahr 2017! Das Rauchverbot in der Gastronomie, das jetzt zum Glück besteht – danke allen UnterzeichnerInnen dieses Volksbegehrens –, wurde 2017 unter Ihrem Bundeskanzler Kurz mit den Stimmen von Blau gekippt. Später hat man sich dann entschieden: Na ja, wir sind doch dafür. – Also die Linie war da sehr uneinheitlich.

Da wir uns jetzt eindeutig dazu bekannt haben, dass wir die Nichtraucher schützen wol­len und zum Gastronichtraucherschutz stehen, darf ich einen Punkt aufgreifen und eine Personengruppe ansprechen, die unseren Schutz wirklich braucht: Das sind die Kinder.

Sie haben in Ihren Worten auch betont: Gerade Kinder und Jugendliche sind besonders zu schützen, da haben wir Vorbildwirkung. – Genau, ich unterstreiche das zu 100 Pro­zent. Dann darf ich Ihnen eine Frage stellen: Gibt es auf Spielplätzen für Kinder ein Rauchverbot? – Nein! Warum nicht? (Abg. Hafenecker: Weil Kinder nicht rauchen dür­fen!) – Weil die ÖVP-Fraktion sich bis dato in diesem Haus dagegen gewehrt hat, was sehr bedauerlich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erinnere (Zwischenruf des Abg. Zanger) – aber geh, Kollege Zanger, du kommst ja eh noch dran –: 2018 gab es von uns dazu einen Initiativantrag: Wir wollen Kinderspiel­plätze rauchfrei. Sie haben sich leider nicht zum Schutz dieser Kinder bekannt, und Sie alle wissen: Sandkisten auf Spielplätzen gleichen Aschenbechern. Sie sind keine Aschenbecher, Tschickstummel haben am Kinderspielplatz nichts verloren. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Wir haben im Mai dieses Jahres eine weitere Initiative gesetzt. Wer war dagegen? – Die ÖVP-Fraktion und bedauerlicherweise auch die Grünen. Im Gesundheitsausschuss wur­de ein Antrag dazu vertagt. Wir wollten nur eine eindeutige bundesgesetzliche Regelung


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zum Schutz für Kinder am Spielplatz. Gerade von den Grünen hätte ich mir das nicht erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei der ÖVP bin ich jetzt dank Kollegen Saxinger ein bisschen optimistisch. Vielleicht geht es beim nächsten Anlauf, dass Sie da zustimmen. Von den Grünen erwarte ich mir, dass sie sich eindeutig dazu bekennen, unsere Kinder zu schützen. Geben Sie sich doch alle einen Ruck, und treten wir gemeinsam als Bundesgesetzgeber dafür ein, dass Kin­der auf Spielplätzen auch wirklich vor Rauch geschützt werden! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte.


14.39.03

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Ja, die notorischen Nichtraucher treiben halt immer wieder Blüten. Ich meine, in der Nähe eines Kinderspielplatzes, der eh an der frischen Luft ist, nicht rauchen zu dürfen, Frau Kollegin Greiner (die sogenannte Schei­benwischerbewegung machend), dazu sage ich jetzt gar nichts. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) – Ja, ja! Es kommt ja immer wieder ein Schmäh, ein Stückerl nach dem ande­ren, und immer mehr wird die Freiheit eingegrenzt. Ihr seid da halt auch bei diesem Spiel mit der ÖVP dabei. Das ist ja traurig. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Dieses Thema heute könnte man aber auch unter einen anderen Titel stellen, nämlich: Stirb langsam, dann bist du auch tot, lieber Wirt! – ein Bühnenstück der ÖVP in Koopera­tion mit dem Wirtschaftsbund über mehrere Jahre.

Es hat eine sehr vernünftige Situation gegeben: Raucher und Nichtraucher gemeinsam in den Lokalen. Die Raucher wurden einerseits durch bauliche Maßnahmen abgetrennt, dann gab es natürlich entsprechende Investitionen der Wirte in Lüftungsanlagen et cete­ra, dann ging es einmal hin, einmal her, bis man schlussendlich das Rauchen abgedreht hat. Die Wirte sind auf ihren Investitionskosten sitzen geblieben – mit denen macht ihr ja wirklich, was ihr wollt. Dazwischen habt ihr sie noch gepflanzt: Barrierefrei hat jedes Lo­kal sein müssen, die elektronischen Registrierkassen habt ihr ihnen vorgeschrieben – das kostet ja auch fast nichts –, dann ist die Allergenverordnung gekommen – alles nur Pflanzerei – und schließlich das totale Rauchverbot, und jetzt gipfelt es in den Corona­maßnahmen mit den Sperrstunden.

Wisst ihr, was? – Das mit den Sperrstunden könnt ihr euch eigentlich gleich abschmin­ken, die braucht ihr gar nicht vorzuverlegen, denn es hat ohnehin keiner mehr Lust, in ein Lokal zu gehen, sich zu unterhalten und gesellschaftliches Leben zu pflegen. Die Lust darauf habt ihr den Leuten genommen! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Prinz.) Den Menschen habt ihr die Zuversicht genommen, die sind alle depressiv (neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP), und schuld daran sind unter anderem diese Masken, eure Verordnungen, bei denen sich keiner auskennt. Die Menschen laufen alle nur mehr apathisch herum. Schaut euch doch bitte einmal in der Zivilgesellschaft draußen um: Du siehst ja bei den Menschen kein Lachen, keine Freude mehr, aber genau das wäre es, was wir brauchen. (Abg. Brandweiner: Das glaub ich, dass die FPÖ derzeit nichts zu lachen hat!)

Ihr habt euren Impfstoff in Wahrheit schon gefunden: Dieser Impfstoff heißt Angst. (Bei­fall bei der FPÖ.) Statt Mut impft ihr den Leuten Angst ein. Statt Zuversicht zu schaffen, impft ihr den Leuten Angst ein. Statt Hoffnung zu schaffen, impft ihr den Leuten Angst ein. Das ist das Traurige an der ganzen Situation. Und das Schlimmste kommt noch: Bei den Kleinsten fängt es schon an, bei den Kindern in den Kindergärten, in den Volksschu­len: Sie müssen Masken tragen und schlucken ihre eigenen Bazillen, statt dass sie


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frische Luft frei atmen dürfen. Das Allerschlimmste ist: Ihr erlaubt ihnen nicht die Nähe, die Kinder untereinander so dringend brauchen. Ihr nennt es Social Distancing. Das ist ein Ausdruck, den ich fast als Unwort des Jahres vorschlagen möchte. So etwas Grausli­ches habe ich mein Lebtag noch nicht gehört! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie arm lasst ihr unsere Kinder aufwachsen? Ihr traumatisiert sie vom ersten Tag in der Schule an fast für ihr ganzes Leben. Wie sollen sie jemals wieder normal werden mit den Masken et cetera? Das ist Politik der sozialen Kälte der ÖVP – von den Grünen rede ich gar nicht. Ihr seid gefühl-, herz- und regungslos, so wie euer Kanzler, wenn er hier steht! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Baumgartner und Höfinger.) So emotionslos habe ich sonst noch keinen Menschen gesehen – ein Mensch, der keine Regung zeigt, wenn es um die Anliegen und Sorgen der Menschen in diesem Land geht.

Ihr dividiert die Gesellschaft auseinander. Wer heute einmal keine Maske trägt  dafür kann er eine medizinische Begründung haben oder nicht –, ist sowieso schon böse. Das Gleiche habt ihr bei den Rauchern gemacht: Der Nichtraucher ist gut, der Raucher ist böse. Der Wirt ist der Trottel der Nation, und die ÖVP ist der Totengräber. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Jawohl!)

14.42

14.42.47*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Zanger, für den Scheibenwischer in Richtung Kollegin Greiner habe ich Ihnen einen Ordnungsruf zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

*****

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Kollegin Greiner zu Wort gemel­det. – Bitte.


14.42.58

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Kollege Zanger hat in seinen Ausfüh­rungen behauptet, ich wolle ein Rauchverbot in der Nähe von Spielplätzen.

Lieber Kollege Zanger, ich berichtige tatsächlich: Ich möchte ein Rauchverbot auf Spiel­plätzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Aber Kinder dürfen ja eh nicht rau­chen!)

14.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ralph Schallmei­ner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.43.30

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Das, was gerade vor mir hier heraußen abgelaufen ist, kann ich nicht ganz einordnen. Ich habe geglaubt, wir reden über das Rauchervolksbegehren, also über das „Smoke – NEIN“-Volksbegehren, und nicht über Maßnahmen der Regierung, die notwendig sind. Es ist aber egal, ich möchte jetzt über das Rauchervolksbegehren reden, eben zum Thema. (Abg. Hafenecker: Mich würde interessieren, wo die Grünen ...!)

Wo fangen wir an? – Fangen wir dort an: Als ich auf die Welt gekommen bin, wurde ich in eine Raucherfamilie hineingeboren – meine Mutter schwere Raucherin, mein Vater schwerer Raucher, meine Großeltern schwere Raucher. Ich habe mein Leben lang Rau­chen miterlebt, und ich glaube, es wird hier niemanden verwundern, wenn ich Ihnen


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erzähle, dass ich selbst mit 14 Jahren zu rauchen begonnen habe. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Meine erste Zigarette war – ich will jetzt keine Werbung für eine bestimmte Marke machen – von einer sehr starken Marke, und ich war sozusagen der Coole, weil ich der Einzige war, der bei seiner ersten Zigarette nicht hat husten müssen – weil ich es gewöhnt war, weil ich aus meiner Kindheit gekannt habe, wie das mit dem Rauch so ist.

Ich habe dann 24 Jahre lang geraucht. Ich hatte Zeiten, zu denen ich drei Packungen am Tag geraucht habe – darauf bin ich nicht unbedingt stolz –, und ich habe mir dieser Tage einmal ausgerechnet, dass ich wahrscheinlich in meinem Leben 170 000 Zigaret­ten geraucht habe – 170 000 Zigaretten! Das war meine persönliche Entscheidung, das war meine Sache, aber mit Zigtausenden dieser 170 000 Zigaretten habe ich auch ande­re Leute geschädigt, ohne dass ich sie gefragt habe. Das war nicht deren Entscheidung, sondern sie sind eben neben mir gesessen – vielleicht im Kaffeehaus oder im Lokal – oder waren vielleicht die Kellnerin oder der Kellner, der mich dort bedient hat. Sie konn­ten nicht entscheiden, ob sie von mir durch meinen Rauch geschädigt werden wollen. Das waren auf jeden Fall mehrere Tausend dieser 170 000 Zigaretten, vielleicht sogar 100 000 dieser Zigaretten.

Genau das ist auch der Grund, warum ich diese Initiative, das Rauchen in der Gastro­nomie zu verbieten, grundsätzlich gut finde. Ich halte das für richtig, und wir sehen auch in Irland, in Italien, zum Teil auch in Deutschland und in anderen Ländern, in denen das schon viel, viel länger als in Österreich der Fall ist, dass es nicht dazu geführt hat, dass die Gastronomie kaputtgegangen ist. Daran liegt es nicht (in Richtung Abg. Zanger), lieber Kollege. (Heiterkeit des Abg. Wurm.)

Ob man das Ganze, so wie von diesem Volksbegehren gefordert, in den Verfassungs­rang heben muss, kann man gerne diskutieren. Diese Diskussion werden wir ohnehin in den nächsten Wochen führen. Ich persönlich glaube es nicht unbedingt, aber ich lasse mich natürlich durchaus von guten Argumenten überzeugen.

Was ich aber sehr wohl weiß, ist, dass wir in diesem Land vermehrt Präventionsarbeit brauchen, dass wir uns noch viel, viel stärker darum kümmern müssen, dass weniger Menschen rauchen und zu rauchen anfangen, dass wir die Menschen aber auch unter­stützen müssen, wenn sie zu rauchen aufhören wollen – viel, viel mehr, als wir das bis jetzt getan haben.

Wir werden uns hoffentlich in den nächsten Wochen überparteilich darauf einigen kön­nen, dass wir ein paar gute Maßnahmen auf den Weg bringen – vielleicht auch unter Einbeziehung von Institutionen wie der Bundesjugendvertretung, damit wir mit Jugendli­chen in der Präventionsarbeit auf Augenhöhe sprechen. Das würde ich mir wünschen und das ist auch mein Ansinnen für die nächsten Wochen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.47.04

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann die Initiatoren des Volksbegehrens ein Stück weit verstehen, wenn sie das Rauchverbot in der Verfassung haben wollen, weil man in Österreich nie weiß: Hier sitzen ÖVP-Abgeordnete, die das Rauchverbot eingeführt haben. Dieselben Personen haben das Rauchverbot mit einem Beschluss hier wieder abgeschafft, und dieselben Personen haben es wiedereingeführt. Dass es dann Bürger gibt, die sagen: Ich weiß nicht, was denen als Nächstes einfällt, vielleicht schaffen sie es wieder ab!, kann ich nachvollziehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 29

Wenn Kollege Saxinger hier heraußen steht und Dinge sagt, die ich teile, nämlich dass meine Freiheit dort aufhört, wo die des anderen beginnt, muss ich ihm aber sagen: Das konnte man in der ÖVP vor drei Jahren noch nicht sagen, ohne dass man die Funktion des Gesundheitssprechers verloren hat. Sie können bei Kollegen Smolle nachfragen, wie das genau gegangen ist. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Er war ja gar nicht Gesundheitssprecher!) – Ja, aber er wäre es geworden, hat vor seinem Einzug in den Nationalrat aber gesagt, er sei für das Rauchverbot, und dann wurde es Gaby Schwarz. (Abg. Steinacker: Was du alles weißt!) So aber hat er Gaby eine Karrieremög­lichkeit eröffnet.

Zur FPÖ, die ja immer behauptet, das Rauchverbot mache die Gastronomie kaputt: Ich glaube, wenn man heute einen Gastwirt fragt, was seine Probleme sind, ist es nicht das Rauchverbot, sondern es sind Sperrstunden um 22 Uhr, ausgesprochen durch irgend­welche wildgewordenen ÖVP-Landeshauptleute, die glauben, dass die Leute nach Hau­se ins Wohnzimmer gehören, und es sind Sperrstunden um 17 Uhr, ausgesprochen durch Landeshauptleute, die in ihrer Hilflosigkeit gar nicht mehr zu übertreffen sind.

Wenn man also die Gastronomie kaputtmachen will, macht man das, was jetzt Haslauer, Platter und Wallner aufführen. Man muss sich vorstellen: In Vorarlberg fahren Shuttle­busse mit jungen Menschen zum Weggehen in die Schweiz, weil man in Vorarlberg um 22 Uhr die Rollläden herunterlässt. Das heißt natürlich für den Kellner, dass er spätes­tens um halb zehn sagen muss: Bitte letzte Runde und dann schnell austrinken, weil ich noch abkassieren und euch dann rausschmeißen muss! – Also das, was die Gastrono­mie kaputtmacht, ist sicher nicht das Rauchverbot, das, was die Gastronomie kaputt­macht, sind die überzogenen Maßnahmen, die von den Landesregierungen und der Bun­desregierung in diesen Tagen gesetzt werden. (Beifall bei den NEOS.)

14.49


14.49.30

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise das Volksbegehren 346 der Beilagen dem Gesundheitsausschuss zu.

14.49.413. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“ (345 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.50.02

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist erst wenige Tage her, dass wir das 100-jährige Bestehen unserer Bundesverfassung gefeiert haben – und heu­te erleben wir, dass diese Verfassung nicht nur ein wichtiges historisches Papier ist, sondern durch eine Initiative, die außerhalb des Parlaments begonnen hat, auch leben­dige Diskussion und Bürgerpartizipation in unser Hohes Haus bringt.

Artikel 41 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes und das Volksbegehrengesetz ma­chen es möglich, das Thema Asyl in Europa aufgrund des entsprechenden Volksbe­gehrens hier im Parlament zu debattieren. Die vorliegende Initiative war die erste ihrer Art und damit das erste Volksbegehren, das nach Inkrafttreten des Volksbegehrengeset­zes 2018 als Volksbegehren registriert wurde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 30

Den Initiatoren geht es offenbar um eine solidarische und gerechtere finanzielle Vertei­lung der Aufwendungen für Asyl innerhalb Europas, ich würde sagen: eine Art Asylfi­nanzausgleich. Über 135 000 Eintragungen, meine Damen und Herren, geben einen Hinweis darauf, dass dieses Thema Bedeutung hat, und die Eintragungen untermauern auch, dass das Thema Menschen in unserem Land bewegt und sie an der Diskussion über Lösungen aktiv teilnehmen wollen.

Auch wenn ich heute in dieser ersten Lesung dem parlamentarischen Prozess natürlich nicht vorgreifen möchte, möchte ich als Sicherheitssprecher der neuen Volkspartei doch die Gelegenheit nützen, einige Grundsätze zum Thema Asyl und Migration aus meiner Sicht in Erinnerung zu rufen.

Meine Damen und Herren! Österreich hat bereits in den vergangenen Jahren einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet. Etwa 200 000 Asylanträge sind seit 2015 gestellt worden, 120 000 Asylanträge sind für die Betroffenen positiv beschieden worden, und nach ei­nem rechtsstaatlichen Verfahren wurde den 120 000 Menschen in Österreich Schutz ge­währt – unter anderem rund 55 000 Minderjährigen und 25 000 Frauen. Gerade im Lich­te dieser Tatsache sage ich: Schutzgewährung allein kann nicht die Gesamtlösung sein. Es geht vielmehr darum, ein umfassendes, ein europäisches, ein nachhaltig wirkendes Konzept zu entwickeln und auch umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es braucht neue Ansätze für ein krisensicheres Sys­tem, das den Herausforderungen der globalen Migration auch künftig gerecht wird. Ich darf nur die wesentlichsten Punkte, die mir am Herzen liegen, noch einmal in Erinnerung rufen: die Unterscheidung zwischen Asyl und Arbeitsmigration, die Bekämpfung der Schlepperkriminalität, den Schutz der europäischen Außengrenzen und, ganz wesent­lich, das Verhindern des Sterbens von Menschen, die auf dem Weg durch Kontinente oder über das Meer sind, wirksame Hilfe vor Ort, aber auch wirksame Hilfe und Entwick­lungsarbeit in den Herkunftsländern – und, das möchte ich nicht unerwähnt lassen, für die Menschen, die nach einem rechtsstaatlichen Verfahren in Österreich leben dürfen: Integration ehrlich fördern, aber auch ehrlich einfordern.

Die Europäische Kommission, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat am 23. Sep­tember einen Vorschlag für eine europäische Migrationsstrategie vorgelegt. Einige die­ser Vorschläge sehen wir durchaus positiv, wie zum Beispiel Außengrenzschutz, Rück­führungen, aber auch die Kooperation mit Drittstaaten. Bei einigen Punkten gibt es aus unserer Sicht aber Verbesserungs- und Änderungsbedarf, und gerade weil Österreich an der Spitze der Schutz gewährenden Länder steht, sind wir überzeugt, dass die Vertei­lung von Migranten nicht die Lösung sein kann.

Ich habe große Hoffnung, dass es am Ende des Tages gelingt, eine gesamteuropäische Lösung, die unsere Haltung widerspiegelt, im Sinne aller Betroffenen zu erreichen. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Die gesamte Thematik, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist aber im Zusammen­hang mit dieser aktuellen europäischen Diskussion zu beurteilen. Wir müssen auch da­ran denken, dass es nicht nur eine Frage der generellen Beurteilung der Asyl- und Mi­grationsstrategie und damit federführend des Innenministeriums ist, sondern dieses Thema betrifft ganz wesentlich den Finanzminister, den Außenminister, aber auch die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich nach der Zuweisung an den entsprechenden Ausschuss auf die inhaltliche Diskussion mit allen Beteiligten, mit den Initiatoren und mit Ihnen, den Abgeordneten des Hohen Hauses.

Ich glaube, wir können einen Beitrag zur gelebten Verfassung und zur gelebten parla­mentarischen Demokratie leisten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 31

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Reinhold Ein­wallner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.55.31

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ja, ich sage den Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens „Asyl europagerecht umsetzen“ auch einmal herzlichen Dank – ein Dank im Übrigen al­len Initiatorinnen und Initiatoren der Volksbegehren, die wir heute Nachmittag behan­deln.

Nur eine Anmerkung am Rande: Ich finde es ein bisschen schade: Da unterschreiben mehrere Hunderttausend Menschen in Österreich ein Volksbegehren – und ich glaube, es wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung gewesen, wenn zumindest ein Regie­rungsmitglied der Diskussion hier gefolgt und auch bei der ersten Lesung dabei gewesen wäre. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.)

Das Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“ haben 135 000 Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet und somit unterstützt – und ja, es behandelt ein Thema, das wohl eine der ganz großen Herausforderungen für die europäische Politik ist, ähnlich wie auch das globale Thema der Klimaerwärmung. Ich stimme zu, es wird bei diesem Thema eine europäische Lösung brauchen, und da braucht es eben mehr Europa und nicht weniger Europa. Darum stört und kränkt es mich auch so, dass die Haltung unserer Bundesre­gierung in dieser Frage so kontraproduktiv ist. Wir brauchen da gesamteuropäische Lö­sungen und nicht das Zurückziehen auf nationale Positionen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Meine Damen und Herren! Ich stimme den Initiatoren zu, dass wir darüber nachdenken müssen, wie wir eine faire Verteilung der Asylwerberinnen und Asylwerber in Europa erzielen, aber es braucht ein Bündel von Maßnahmen und nicht eine einzelne. Ich glau­be, ein Grundstein sollte sein, dass wir uns in Europa auf ein einheitliches Asylsystem und auf ein einheitliches Asylverfahren einigen. Das wäre einmal ein ganz wichtiger Schritt. Wir brauchen rasche und rechtssichere Asylverfahren, und die Kontrolle der Außengrenzen gehört natürlich auch dazu, und ja, es braucht faire Quoten und es braucht eine Verteilung in Europa, und wir brauchen einen Mechanismus, wie wir das regeln werden.

Ich bin mir nicht sicher, ob Geld immer das Einzige ist, was zielführend sein kann. Ich glaube, es darf auf keinen Fall so sein, dass man Geldstrafen ausspricht, weil dadurch wieder die negative Seite betont wird. Wenn, dann muss es positive Anreize geben – eine Koppelung an einen europäischen Strukturfonds wäre zum Beispiel eine positive Möglichkeit, da einen Anreiz zu schaffen und jene Regionen in Europa zu unterstützen, die stärker von den Asylwerberinnen und Asylwerbern betroffen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich freue mich, ähnlich wie Kollege Mahrer, auf eine Diskussion im Innenausschuss nach der Zuweisung. Ich glaube, auch der Austausch mit den Initiatorinnen und Initiatoren ist ganz wichtig. Es ist aber kein reines Sicherheitsthema. Wenn ein Thema dem Innenmi­nisterium, dem Innenausschuss zugeordnet ist, dann bekommt es sofort den Stempel Sicherheit. Ich glaube allerdings, dass Asyl kein Sicherheits- oder Unsicherheitsthema ist – es ist ein Menschenrechtsthema und ein europäisches Thema. Darum brauchen wir nicht nur die Anwesenheit des Innenministers, sondern zumindest auch die der für Euro­pa zuständigen Ministerin ist ganz, ganz wichtig, um eine breite Diskussion zu ermögli­chen und dementsprechend den Initiatoren und vor allem den Unterzeichnern die not­wendige Wertschätzung entgegenzubringen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 32

14.59.09

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Volksbegehren sind eine wichtige direktdemokratische Einrichtung, und jedes Volksbegehren, das die Hürde erreicht, verdient auch eine ordent­liche parlamentarische Behandlung. Das vorliegende Volksbegehren „Asyl europage­recht umsetzen“ hat 135 000 Unterschriften erhalten. Es geht im Wesentlichen darum, dass jene Asylkosten, die über Österreichs gerechten EU-Anteil, was immer das sein soll, hinausgehen, von den laufenden EU-Beitragszahlungen zweckgebunden abgezo­gen werden sollen, bis ein EU-weites solidarisches Asylwesen samt Asylfinanzausgleich und ein funktionierendes Management der EU-Außengrenzen eingerichtet sind. (Präsi­dent Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Das Management der EU-Außengrenzen, sofern damit ein Außengrenzschutz gemeint ist, findet selbstverständlich unsere Zustimmung. Es steckt aber schon ein bisschen der Teufel im Detail. Es wird in der Begründung behauptet, dass es eine mangelnde Solida­rität einiger EU-Staaten bei der Flüchtlingsaufnahme im Asylbereich gibt. Das ist für mich schon ein Signal, bei dem die Alarmglocken läuten, weil wir als Freiheitliche Partei sicher kein EU-weites solidarisches System wollen, denn Solidarität heißt in diesem Zusam­menhang immer Quoten, Zwangsverteilung, Zwangszuteilung, und das wollen wir sicher nicht.

Auch dieser Asylfinanzausgleich kann zu unserem Nachteil sein, denn da könnten dann Strafzahlungen drohen, wenn wir irgendwelche Quoten, sollte es diese dann auch ge­ben, nicht einhalten.

Meine Damen und Herren, wir wollen Migrationsströme nicht besser verwalten und ver­teilen, sondern unterbinden. Wir wollen auch das schmutzige Geschäft der Schlepper und der dubiosen Asyl-NGOs, die sich überall herumtummeln, unterbinden. Wir wollen die eigene, nationalstaatliche Handlungsfähigkeit im Asylbereich erhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Situation ist ja durchaus dramatisch, und wohin das führen kann, wenn man Quoten einführt, sieht man an aktuellen Zahlen. Wir wissen, dass sich derzeit rund 140 000 illegale Migranten entlang der Balkanroute bewegen, die nur darauf drängen, in ihre Wunsch­destinationen vorstoßen zu können. Wir wissen, dass es nahezu täglich Neuankömm­linge in Italien, in Griechenland gibt, und wir wissen natürlich auch, dass wir nach wie vor die Bedrohung dieses unsäglichen EU-Türkei-Paktes haben, womit Herr Erdoğan jederzeit die Möglichkeit hat, Europa zu erpressen, wenn er seine Milliarden nicht be­kommt, die Schleusen aufzumachen und Hunderttausende in die EU hereinzulassen. Also das lehnen wir ganz klar ab!

Angesichts dessen, was sich in den letzten Tagen in der EU bei diesem EU-Mi­grationspakt abspielt, der unter der Federführung von Frau von der Leyen vorbereitet wird, muss man sich vor Augen halten, dass schwerlich zu leugnen ist, dass dieser neue Pakt in unmittelbarer Tradition zum berüchtigten UN-Migrationspakt steht, dem ja Öster­reich glücklicherweise aufgrund der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen nicht bei­getreten ist. Wie auch der UN-Migrationspakt verfolgt dieser EU-Migrationspakt als Hauptziel den Übergang zu mehr geordneter und regelmäßiger sowie zu zahlenmäßig umfangreicherer Migration aus außereuropäischen Herkunftsländern in die westliche Welt. Meine Damen und Herren, dafür stehen wir als Freiheitliche Partei mit Sicherheit nicht zur Verfügung!

Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich auf eine angeregte Diskussion im Innenaus­schuss, damit auch klargemacht werden kann, was wirklich das Ansinnen dieses Volks­begehrens ist. Wie gesagt, direktdemokratische Mittel sind uns sehr, sehr wichtig, und wir wollten diese auch noch ausbauen. Wir haben damals auch ins Regierungspro­gramm hineinverhandelt, dass es ab einer gewissen Anzahl von Unterschriften zu einer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 33

verpflichtenden Volksabstimmung kommt. Das ist leider gescheitert, daran besteht sei­tens der aktuellen Regierung kein Interesse mehr. Wie gesagt, ich freue mich aber auf eine angeregte und spannende Diskussion im Innenausschuss. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete El-Na­gashi. – Bitte.


15.03.38

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Über 135 000 Menschen haben dieses Volksbegehren zu Asyl unterzeichnet und damit eine parlamentarische Debatte und Auseinandersetzung zu dem Thema Asyl, Asylwesen und Asylsystem angeregt. Ich kann das nur begrüßen und mich bei all den Menschen bedanken, die jede Gelegenheit suchen und wahrnehmen, um da die Veränderungen voranzutreiben, die es braucht – und das sind systemische Veränderungen. Es gibt sehr viele Baustellen im Asylbereich, und es ist eine Debatte, die wir führen müssen, eine Diskussion, die wir führen müssen, und ein System, das wir verändern müssen.

Es gibt etliche Baustellen in diesem Bereich. Ich hatte auch die Gelegenheit, einige Male mit dem Initiator des Volksbegehrens über die Anliegen zu sprechen, das letzte Mal anlässlich des internationalen Weltflüchtlingstags bei einer Kundgebung der Plattform für eine menschliche Asylpolitik. Bei dieser Kundgebung ging es um zwei dieser Bau­stellen im Asylbereich, die auch auf europäischer Ebene angegangen werden müssen.

Das eine Thema waren Abschiebungen nach Afghanistan. Afghanistan ist kein sicheres Land. Abschiebungen nach Afghanistan sind lebensbedrohlich und lebensgefährdend. Auch wenn sie jetzt zum Teil covidbedingt nicht stattfinden, ist es trotzdem Praxis, dass Menschen in Schubhaft genommen werden, in der Schubhaft zermürbt werden, dort mo­natelang leiden, bevor sie dann auf diese Art und Weise zu einer irgendwie mehr oder weniger – unter Anführungszeichen, oder wie auch immer es sonst noch genannt wer­den müsste – „freiwilligen“ Ausreise gebracht werden, so wie es vor Kurzem mit Najib nach fünf Monaten in der Schubhaft passiert ist. Afghanistan und Abschiebungen nach Afghanistan sind ein Thema, das angegangen werden muss.

Ein anderes Thema ist die Situation an der EU-Außengrenze zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina. Wir hatten dieses Thema mehrmals in Ausschüssen, wir hat­ten es auch hier in der Plenardebatte. Tausende Menschen leben an dieser Grenze unter menschenunwürdigen Bedingungen. Es ist eine Situation, die viel zu wenig Aufmerk­samkeit findet, obwohl medial darüber berichtet wurde, obwohl etliche Fälle von Gewalt, von Polizeigewalt, von Grenzgewalt dokumentiert sind und diese auch schon an Regie­rungsmitglieder übergeben wurden.

Das sind nur zwei Beispiele, das sind zwei der Baustellen im Bereich Asyl, und Reformen des Asylsystems müssen eine entsprechende Lösung mit sich bringen.

Zwei Schlagwörter aus diesem Volksbegehren möchte ich in diesem Zusammenhang aufgreifen. Das eine ist Solidarität, das andere ist Gerechtigkeit, darüber wird hier ge­sprochen. Wir brauchen ein System, das solidarisch und gerecht ist. Unser Zugang da­zu – das möchte ich auch noch einmal ausführen – ist jener, Menschen zu schützen, Geflüchtete zu schützen und die Fluchtursachen zu bekämpfen. Das bedeutet, Hilfe vor Ort zu leisten, es bedeutet, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, für die Kon­fliktprävention und auch für den Klimaschutz zu erhöhen. Es bedeutet auch eine kon­sequente und engagierte Friedenspolitik, es bedeutet aber auch, als Schutz vor den Schlepperbanden legale und sichere Fluchtwege nach Europa zu schaffen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 34

Es bedeutet auch schnelle, faire und unabhängige Asylverfahren, und es bedeutet eine inklusive Integrationspolitik, das heißt ab Tag eins. Und es bedeutet auch eine Reform der Migrationspolitik und der Migrationsstrategie.

Das sind unsere Zugänge, und ich freue mich, dass die Debatte durch dieses Volksbe­gehren aufgegriffen worden ist. Ich freue mich, dass wir diese Auseinandersetzung füh­ren, denn wir müssen in diese Konfrontation einsteigen und wir brauchen eine solidari­sche Lösung, die tatsächlich solidarisch mit den Menschen ist, die davon betroffen sind.

Diese Solidarität kann nicht nur von Einzelpersonen oder Initiativen gelebt werden, wie zum Beispiel der Pfarre Linz/St. Markus oder Linz/St. Magdalena oder den Steyler Mis­sionaren mit Pater Franz Helm oder der Österreichischen Bischofskonferenz oder der Katholischen Frauenbewegung oder Menschen wie Ernst Schmiederer, Doro Blancke, Ronny Kokert. Wir müssen das System verändern und ein System schaffen, das solida­risch ist, und ich möchte es auch – und ich sage das nicht leichtfertig – mit den Worten von Papst Franziskus sagen: „Fratelli tutti“. Wir müssen es schaffen, in den Mitmenschen Brüder und Schwestern zu sehen und zu verstehen, dass wir alle Geschwister sind.

In diesem Sinne: Führen wir diese Debatte, führen wir diese Auseinandersetzung und verändern wir dieses System! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

15.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.


15.08.57

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Die NEOS haben großen Respekt vor dem Engagement seitens der Initiatoren und der Unterstützer, das hinter diesem Volksbegeh­ren steht. Ich habe mich ja 2015 auch sehr um zwei Bürgerinitiativen bemüht. Weiter kam es nicht, aber ich weiß, wie viel Engagements es bedarf, dass man so ein Volksbe­gehren so weit bringt, dass wir hier stehen und drüber reden.

Es ist auch klar, dass dieses Volksbegehren generell einen redlichen Zweck hat, nämlich sich – wie meine Vorrednerin auch schon gesagt hat – auch mit dem Asylsystem in Euro­pa wieder seriös auseinanderzusetzen.

Damals, 2015, hat sich die Bürgerinitiative, die ich sehr unterstützt habe und für die wir auf der Straße Unterschriften gesammelt haben, mit dem Fokus „Flucht beginnt mit Krieg. Für humanitäre Hilfe und menschliches Vorgehen der EU und ihrer Mitgliedstaa­ten“ beschäftigt. In einem Unterpunkt haben wir die Abschaffung des Dublinsystems und an dessen Stelle solidarisches Vorgehen bei der Verteilung der AsylwerberInnen in der EU gefordert – schon damals, 2015; es hat sich seitdem nichts bewegt.

Das bringt mich zum inhaltlichen Punkt: Wir NEOS finden die Intention dieses Volksbe­gehrens sehr gut, aber es braucht davor ein funktionierendes gemeinsames EU-System, um die Herausforderungen im Bereich nachhaltig meistern zu können. Solange es hier keine politische Einigung gibt, ist es wenig sinnvoll, Gelder zweckgebunden zu parken, die man dann nicht verwenden kann, weil es vielleicht für deren zweckentsprechende Verwendung eben noch keine rechtliche Grundlage gibt. Da sehen wir ein Problem und halten es daher für dringender, stattdessen zeitnahe, konstruktive Lösungen anzugehen. Solange es keine unionsweite Lösung gibt, sollte Österreich in einer Koalition der Ent­schlossenen vorangehen und sich darum bemühen, einmal ein gemeinsames Asylsys­tem einzuführen, und sich um eine zeitnahe Umsetzung der schon vorhandenen Kom­missionsvorschläge kümmern.

Weiters wäre die verstärkte Teilnahme an freiwilligen Resettlementprogrammen in Zu­sammenarbeit mit dem UNHCR wichtig.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 35

Und drittens – Kollegin El-Nagashi, das wurde von dir bewusst nicht angesprochen, obwohl du auf viele in Österreich sehr kämpferische Initiativen hingewiesen hast –: Mo­ria. (Beifall bei den NEOS.) Das wäre jetzt das Dringendste, dass wir Kinder aus Moria und jetzt auch aus Moria zwei, Kara Tepe, aufnehmen, nicht nur, weil es eine Verpflich­tung im Sinne der Menschlichkeit ist, sondern auch, weil es zeigen würde, wenn auch angesichts der Zahl nur symbolisch, dass wir uns solidarisch für eine gemeinsame Asylpolitik einsetzen, die endlich funktionieren sollte. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. El-Nagashi.)

15.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.


15.11.52

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätz­ten Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich darf viel­leicht noch einen kleinen Nachtrag zum Klimavolksbegehren machen, in Zusammen­hang damit, dass am vergangenen Wochenende medial die Kritik aufgekommen ist, dass im Parlament ausländische – nämlich neuseeländische – Äpfel verteilt werden. Gestern kam eine Delegation von steirischen Apfelbauern ins Parlament und wurde auch vom Herrn Präsidenten empfangen. Sie hat symbolisch eine große Menge steirischer Äpfel übergeben, um auch unserem Cateringunternehmen zu zeigen, dass es sehr wohl genügend österreichisches Obst und österreichische Äpfel gibt, mit denen wir versorgt werden können. Es ist ein wichtiges Signal, dass wir als Parlamentarier und Parlamenta­rierinnen mit gutem Beispiel vorangehen. Deswegen (einen Apfel in die Höhe haltend): steirische und österreichische Äpfel hier im Parlament! (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen sowie des Abg. Leichtfried. – Der Redner legt den Apfel auf das Rednerpult.)

So, nun zum Thema Asyl und zum vorliegenden Volksbegehren: Mit 135 000 Unterstüt­zerinnen und Unterstützern – wir sagen sehr herzlich Danke für die Mühe – gehört es zwar nicht zu den erfolgreichsten Volksbegehren in der Geschichte Österreichs, es legt aber den Finger in eine offene Wunde der europäischen Politik und betrifft einen The­menbereich, der für die Zukunft Europas sehr, sehr wichtig ist.

Die Frau Kollegin hat vorhin Moria angesprochen. Gerade Moria oder auch andere Flüchtlingslager innerhalb und außerhalb Europas erinnern uns leider immer wieder daran, dass es dringend einer besseren Handhabung, einer besseren Abwicklung der gesamten Migration bedarf. Heute vor fünf Jahren sind Tausende, Zehntausende inner­halb weniger Tage über die Grenze gekommen, gerade auch in meinem Heimatort, in meiner Heimatregion. Sie wurden nicht gefragt, woher sie kommen oder wohin sie ge­hen, sodass der Staat einen gewissen Kontrollverlust über sein eigenes Territorium er­litten hat.

Wenn uns das heute noch in Erinnerung ist, dann ist es umso dringender, dass es eine gemeinsame europäische Antwort auf die gesamte Asyl- und Flüchtlingsproblematik gibt. Wenn es keine gemeinsame europäische Strategie gibt, gibt es einige Länder, die mit sehr großen Belastungen konfrontiert sind, einerseits Länder, die an den Außengren­zen Europas liegen, also Italien, Griechenland und Spanien, aber auch jene Länder im Inneren Europas, auf die sich die Flüchtlingsströme sehr stark fokussieren, weil sie die besten Sozialsysteme anzubieten haben. Nicht ohne Grund haben viele Deutschland, Schweden und eben auch Österreich als Zielland gewählt.

Daher begrüßen wir es außerordentlich, dass die Europäische Kommission jetzt einen Schritt gesetzt hat und versucht, einen europäischen Asyl- und Migrationspakt auszuver­handeln. Im Vorfeld waren auch die beiden zuständigen Kommissare in Österreich, der Migrationskommissar und die Innenkommissarin, und haben über verschiedene Themen gesprochen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 36

Der Migrationskommissar Margaritis Schinas hat gesagt, dass er den Migrationspakt als Haus mit drei Stockwerken aufbauen will. Das wichtigste Stockwerk, so hat er das for­muliert, ist die sogenannte Außendimension, also die Hilfe vor Ort. Es muss uns gelin­gen, dazu beizutragen, dass viele Länder, von denen Migrationsströme ausgehen, sta­bilere politische Verhältnisse, bessere Lebensbedingungen erreichen. Wir müssen uns vor Augen führen: Allein der afrikanische Kontinent ist einer exorbitanten Bevölkerungs­explosion ausgesetzt. Afrika wächst derzeit mit 2,5 Prozent pro Jahr. Das heißt, und das ist wirklich kein Rechenfehler, Afrika wächst jeden Tag um 89 000 Menschen – pro Tag! Viele werden in arme, in ärmste Verhältnisse hineingeboren, und der eine und die andere werden dann wahrscheinlich früher oder später den Wunsch verspüren, ihre Lebenssi­tuation grundlegend zu verbessern. So entstehen dann Migrationsströme. Das heißt, wir müssen als gemeinsames europäisches Projekt in die Hilfe vor Ort intensivieren.

Der zweite Stock dieses Hauses ist ein robuster Außengrenzschutz. Es gilt, ganz klar festzustellen, wer in die Europäische Union hineinwill, zu sagen, ob es eine Chance auf Asyl gibt – und wenn nicht, muss der Zutritt verwehrt bleiben. Es ist in diesem Zusam­menhang wohl unverdächtig, wenn ich die Innenkommissarin Ylva Johansson zitiere, die aus Schweden ist und dort der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei angehört, die auch festgestellt hat, dass klar sein muss: „Die keine Rechte haben, sollen nach Hause ge­hen – das verlangen die Bürger von uns. Die Botschaft lautet: Du“ musst „zurückkehren.“

Wir müssen im Bereich der Rückkehrmöglichkeiten, der Vereinbarungen mit den Her­kunftsstaaten auf europäischer Ebene einen entscheidenden Schritt weiterkommen. Deswegen bedarf es einer gemeinsamen europäischen Strategie. Es braucht einfach einen entschiedenen Kampf gegen die illegale Migration und vor allem auch gegen das sehr profitable Schlepperunwesen. Es braucht unbedingt eine europäische Antwort auf die Asyl- und Migrationsproblematik. (Beifall bei der ÖVP.)

15.17


15.17.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich weise das Volksbegehren 345 der Beilagen dem Ausschuss für innere Angelegen­heiten zu.

15.17.514. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „EURATOM - Ausstieg Österreichs“ (347 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 4. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.


15.18.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! 1978 hat sich die österreichische Bevölkerung im Rahmen einer Volksab­stimmung gegen die Atomenergie ausgesprochen. 20 Jahre davor, 1957, wurde die Europäische Atomgemeinschaft – Euratom – gegründet, der Gegenstand des vorliegen­den Volksbegehrens. Damals, 1957, wurden die Römischen Verträge festgeschrieben und neben der Europäischen Atomgemeinschaft die Europäische Gemeinschaft für Koh­le und Stahl und auch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, sozusagen die europäischen Gemeinschaften, der Beginn der heutigen Europäischen Union.

Österreich ist durch den Beitritt zur Europäischen Union Mitglied in diesen Gemeinschaf­ten geworden und hat all diese Verträge übernommen, so auch Euratom. Das Ziel von


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Euratom ist damals wie heute – ich zitiere – die „Entwicklung von Kernindustrien“ und auch die „Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten“.

Damals wurde die Atomkraft als Zukunftstechnologie gesehen, und auch heute sehen etliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Atomkraft noch immer als Zukunfts­technologie.

Was sind jetzt die Anliegen des Volksbegehrens? – Es sind alte Forderungen von enga­gierten Menschen, die sagen: Österreich soll aus Euratom aussteigen. Nun, das Ganze ist nicht so einfach. Es gibt wohl einige Rechtsexperten, die meinen, dass das möglich ist, die überwältigende Mehrheit der Rechtsexperten sagt aber, nein, das geht nicht, man kann nicht nur aus Euratom aussteigen, man müsste insgesamt aus der Europäischen Union aussteigen. Es gibt dazu auch ein gemeinsames Gutachten des Verfassungs­dienstes und des Völkerrechtsbüros.

Wir haben das auch jetzt im Falle von Großbritannien erlebt. Das United Kingdom ist aus der Europäischen Union ausgetreten, wollte aber in Euratom bleiben, weil die Briten sehr stark auf Atomkraft setzen. Das geht nicht, man kann nur ganz austreten oder eben nicht.

Als Mitglied der Europäischen Union ist man daher auch Mitglied bei Euratom. Österreich hat die Situation aber immer so verstanden, dass es besser ist, Teil dieser Gemeinschaft zu sein und sie zum Positiven zu verändern, als auszutreten und nicht mitreden zu kön­nen.

Zweiter Punkt der Forderung ist eine Vertragsänderung von Euratom: Das ist theoretisch möglich, realpolitisch sehr schwer zu erreichen, denn es müsste eine Konferenz der Mit­gliedstaaten einberufen werden. Das geht natürlich, es müsste aber das Euratom-Ver­tragswerk bei Einhaltung des Einstimmigkeitsprinzips geändert werden, und dazu gibt es weit und breit keine Mehrheit. Österreich setzt auf eine Änderung und versucht, sie auch umzusetzen, aber derzeit zeichnet sich eine Mehrheit nicht ab.

Weiters wird auch immer wieder kolportiert, dass Österreich einen Mitgliedsbeitrag von rund 40 Millionen Euro an Euratom zahle, was so nicht stimmt. Es gibt keinen Euratom-Mitgliedsbeitrag, es gibt einzelne Budgetpositionen, die in Summe etwas geringer sind. Ich will das gar nicht abwerten, sondern nur Fakten aufzählen, mit denen wir uns ausein­anderzusetzen haben.

Österreichs Bestreben war es immer, diese Gelder, die für Euratom verwendet werden, in der Sicherheitsforschung und im Strahlenschutz einzusetzen. Wir haben dazu im Jahr 2013 im Rahmen der Bundesregierung einen Ministerratsvortrag vom damaligen Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle gehabt, in dem festgehalten wurde, dass Österreich dieses Ziel, mehr in Strahlenschutz, in Sicherheit zu investieren, umsetzen will.

Es wurden damals fünf Punkte beschlossen: dass die europäische Nuklearforschung in Richtung Sicherheitsfragen gehen soll; dass die Budgetmittel in Richtung Strahlenschutz und Risikoforschung umgeschichtet werden sollen; dass ein Ausstiegsszenario aus der Atomkraft entwickelt werden soll. Ein weiterer Punkt war auch, dass es neue Schwer­punkte in Richtung Renewables, also erneuerbare Energie, geben soll. Die Position je­denfalls war damals und ist es auch heute noch, wie gesagt: Besser drinnen zu sein und mitzuverhandeln, die Dinge zu verändern, als draußen zu sein.

Tatsache ist, dass die Realisierung der Atomenergie weltweit und auch in Europa ohne finanzielle Unterstützung nicht möglich ist. Die EU unterstützt nicht finanziell, aber Mit­gliedstaaten tun das sehr wohl. Leider hat Österreich im Zuge der Klage hinsichtlich Hinkley Point beim Europäischen Gerichtshof eine Abfuhr erlitten. Es wurde entschie­den, dass die Briten das machen dürfen. Wir halten das für falsch. Es ist daher wichtig, dass es Anläufe gibt. Ministerin Gewessler will das auch tun und mit Mitgliedstaaten, die nicht auf Atomkraft setzen, erfolgreich sein.


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Wir haben 2011 nach dem fürchterlichen Atom-Super-GAU in Fukushima hier in Öster­reich eine Antiatomallianz von Staaten in Europa, die keine Atomkraft haben, gebildet. Das sind damals neben den baltischen Staaten beispielsweise Polen, Italien und Grie­chenland gewesen, aber auch Nicht-EU-Mitglieder wie Norwegen, weil wir ganz einfach Stimmung erzeugen wollen. Ein großer Erfolg ist uns damals gelungen: Die Deutschen steigen aus der Atomkraft aus und tun das sehr konsequent. Andere Länder tun das nicht.

Es ist leider so, dass die Atomkraft heutzutage vielfach in Mode ist und manche die Atomkraft als ein Mittel sehen, um weniger CO2 zu emittieren. Dies mag wohl technisch stimmen, trotzdem aber ist es eine Risikotechnologie.

Niemand sagt, wie die Kosten der Atommüllendlager mit dem ewig lang strahlenden ra­dioaktiven Material bewertet werden. Niemand will derartige Endlagerstätten haben. Das geht nicht, weshalb dies für uns nach wie vor keine Technologie ist, die infrage kommt; für viele Länder ist sie das aber schon. Mir hat damals der britische Umweltminister ge­sagt, sie wollen so wie Österreich energieautark werden; sie haben das Nordseeöl und sie haben die Atomkraft – und sonst wenige andere Energieformen. – Daher müssen wir uns einsetzen.

Unser Ziel, nämlich auf erneuerbare Energie zu setzen, ist besser – Österreich ist da sehr gut. Es liegt ein Gesetz im Entwurf vor, das ist ein wichtiger Punkt. Mir ist es aber ein Anliegen, dass wir alle Formen der erneuerbaren Energie nutzen: Wind- und Sonnen­energie, Geothermie, aber auch Biomasse und Biogas. Wir sollten keine Energieform benachteiligen. Ein energieautarkes Österreich kann nur dann erfolgreich und sinnvoll sein, wenn wir die Energie im eigenen Land erzeugen, wenn wir auf alle heimischen Energieträger setzen und nicht einseitig sagen: Na ja, Biomasse, und dafür gibt es eine Bauernförderung. – In Wahrheit haben wir sehr viel Schadholz, das wir sinnvoll verwer­ten sollten.

Ein abschließender Punkt: Im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sind die Bürgergesellschaf­ten, die Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften verankert, die die Menschen hereinho­len. Im Burgenland passiert gerade das Gegenteil. Dort wurde ein Raumplanungsgesetz in Begutachtung geschickt, in dem das Land zwar sagt, es sollen auf Freiflächen Foto­voltaikanlagen raumplanerisch genehmigt werden, errichten darf das aber nur eine Lan­desgesellschaft, die zu 100 Prozent im Eigentum des Landes Burgenland ist. (Abg. Krai­ner: Er fürchtet sich vor allem, was Staat heißt!) – Das ist nicht der Weg der erneuer­baren Energien, Herr Kollege Krainer. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Wir müssen die Menschen hereinholen, wir müssen privates Kapital lukrieren, das die Leute in die erneuerbaren Energieträger investieren, und nicht eine Monopolstellung ei­nes Bundeslandes machen. Das ist Politik von vorvorvorgestern. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

15.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzleit­ner. – Bitte.


15.25.17

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die Antiatombewegung schrieb in Österreich Geschichte. 1972 gab es den Spatenstich für das AKW Zwentendorf, 1978 hat der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky eine Volksabstimmung zum Kernkraftwerk angekündigt. Der Ausgang des Refe­rendums ist historisch und bekannt. Zwei Drittel der Wahlberechtigten haben bei dieser Volksabstimmung mitgemacht, davon sprach sich eine knappe Mehrheit dafür aus, dass das AKW Zwentendorf nicht eingeschaltet wird, und dem war auch so. Bis heute steht


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das AKW in Zwentendorf still, und statt Atomenergie strömen maximal Besucherinnen- und Besuchergruppen durch die Gänge des Gebäudes.

Auch heute gibt es immer wieder Proteste bezüglich AKWs, die jetzt nicht unbedingt in Österreich stehen, aber unser Leben massiv beeinflussen. Ich denke an Mochovce und Temelín. Das sind nur zwei Problembären quasi an der österreichischen Grenze, über die man mit Bauchweh laufend Nachrichten von abgeschalteten Reaktorblöcken, Stö­rungen und Ähnlichem liest, was wirklich bedenklich ist.

Wenn es heißt, Atomstrom bedeute null CO2, dann ist das ehrlicherweise weniger als die halbe Wahrheit, denn wir wissen: Die Reduktion des CO2-Ausstoßes ist unabdingbar, wie dies auch beim Klimavolksbegehren schon angesprochen wurde. Die vorgelagerten Prozesse eines AKWs sind massive Klimasünder und auf keinen Fall saubere Energie, kann man sagen, und die Lagerung von Brennstäben ist da noch gar nicht miteinbezo­gen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Litschauer.)

Zur Atomenergie kann man nur sagen: brandgefährlich und erheblich CO2-belastend. Wir fordern daher, dass der Euratom-Vertrag in einen Atomenergieausstiegsvertrag ge­ändert wird, weil dann auch die wirklich schändlichen Privilegien und Wettbewerbsver­zerrungen zugunsten der Atomenergie endlich der Vergangenheit angehören würden. Deswegen also: mittelfristige Weiterentwicklung und Anpassung von Euratom zu einem Ausstiegsvertrag.

Unter Schwarz-Blau ist sogar schon im Regierungsprogramm gestanden, dass man die EU-Ratspräsidentschaft und die Brexit-Verhandlungen dafür nutzt, aber – Surprise! – es ist genau gar nichts passiert. Im neuen Regierungsprogramm stehen wieder diesbezüg­liche Punkte, und wir können nur sagen: Bitte, bitte rasch handeln und ein europaweites Bündnis für Atomenergieausstieg formen, besser heute als morgen!

Atomenergie kann auf keinen Fall eine Zukunftstechnologie sein. Setzen wir uns ge­meinsam innerhalb der Europäischen Union – und das ist zentral – für erneuerbare Ener­gien und den sukzessiven Ausstieg aus der Atomenergie ein! Bestehende Kernreaktoren sollen abgeschaltet werden – hin zur erneuerbaren Energie, gemeinsam auf diesen Weg!

Zum Abschluss kann man nur eines sagen: Atomkraft – nein, danke! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Litschauer.)

15.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Deimek. – Bitte.


15.28.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Die Situation von Österreich ist klar: Wir haben seit 1978 eine Atomkraftsperre; in allen Ländern rund um uns haben wir Atomkraftwerke.

Wir können uns an Krško erinnern, wir wissen, was in Temelín passiert ist. Es ist dort nicht immer die Hochtechnologie, die gefährlich ist, es sind die ganz trivialen Dinge. Ir­gendwo verstopft Laub etwas oder ein Ventil bricht, und dann ist alles am Dampfen, dann besteht Gefahr für Leib und Leben, dann ist die Gesundheit oder das Leben von Men­schen gefährdet.

In Österreich haben wir, wie gesagt, kein AKW, wir haben ein ganz kleines Lager für Krankenhausabfall und für den Seibersdorf-Reaktor – das möchte ich nicht einmal als Lager bezeichnen. Das heißt, wir haben an der ganzen Geschichte von Euratom keinen Bedarf und von ihr keinen Nutzen – mit Segmenten, die Kollege Berlakovich erwähnt hat, Strahlenschutz und so weiter. Aber auch das ist sehr, sehr gering, doch es kostet immerhin eine Menge Geld.


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Wir haben alle miteinander in den letzten Tagen und Wochen eine Menge Mails bekom­men. Mir hat eine Mutter mit kleinen Kindern geschrieben. Sie fragt: Wer will eigentlich noch dabei sein? Wer möchte eigentlich laufend Geld in Anwendung von und Forschung zu Atomkraft stecken? Wer sperrt sich gegen einen Ausstieg? – Ich habe dann länger mit ihr gesprochen und habe gesagt: Es geht nicht um ein Sperren, man muss das Ganze vertragskonform machen. Kollege Berlakovich hat es schon angedeutet: Es geht nicht darum, irgendwie husch, pfusch rauszukommen, sondern man muss einen Ausstieg ver­tragskonform machen. Das ist das juristisch Wichtige: vertragskonform.

Wir befinden uns in einer Zeit des großen Wandels. Wer hätte sich vor drei Jahren ge­dacht, dass das Vereinigte Königreich aus der EU aussteigt? – Kein Mensch hätte sich das vorstellen können! Heute können wir uns nicht vorstellen, zumindest nicht die Bun­desregierung, dass wir aus Euratom aussteigen. – Es ist genauso möglich! Jeder Vertrag bietet die Möglichkeit, auszusteigen, und diese Teile, diesen Inhalt des Vertrages müs­sen wir zu erfüllen beginnen, um im Endeffekt einen Ausstieg möglich zu machen. Dann bleiben uns nämlich die Fragen von besorgten Eltern erspart, ob wir, das Parlament, die Bundesregierung, absichtlich diesen Ausstieg blockieren wollen oder ob wir möglicher­weise sogar wieder Atomkraft in Österreich ermöglichen wollen. Das möchte ich uns gerne ersparen.

Wir wollen konsequent sein, wir wollen den Ausstieg aus Euratom nicht nur am Papier haben, wir wollen ihn wirklich, denn ich glaube, Strahlenschutz können wir auch innerös­terreichisch finanzieren. Genauso wie wir mit einem Ausstieg von Großbritannien aus der EU leben müssen, werden wir auch sehr gut mit einem Ausstieg aus Euratom leben können. Man muss es nur konsequent verfolgen. Dazu wünsche ich uns gute Diskus­sionen im Umweltausschuss. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Litschauer. – Bitte.


15.32.37

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich ganz zu Beginn gleich einmal dafür bedanken, dass so viele UnterstützerInnen dieses Volksbegehren unterzeichnet und damit ganz intensiv auf die Problematik der Atomindustrie hingewiesen haben.

Wir haben heute schon gehört, 1957 wurden mehrere Verträge abgeschlossen, unter anderem Euratom. Die vier Hauptziele von Euratom waren: die Verbreitung technischer Informationen, die Festlegung einheitlicher Sicherheitsstandards, die Unterstützung der Forschung und die Verhinderung der Zuführung von zivilen Nuklearmaterialien zu ande­ren, insbesondere militärischen Zwecken.

17 Jahre nach Vertragsunterzeichnung bin ich auf die Welt gekommen, man könnte sa­gen, der Vertrag war gerade in der Pubertät – verändert hat er sich in der Zeit überhaupt nicht. 1977 gab es vor den Toren Wiens, in Bohunice, einen Ines-4-Störfall, bei dem der Reaktor, der Block A1 komplett zerstört wurde, dieser wurde aber fast gar nicht wahrge­nommen. Gestern vor 20 Jahren haben im Waldviertel und im Mühlviertel die Grenzblo­ckaden gegen die Inbetriebnahme von Temelín gerade geendet. Danach gab es Ver­handlungen, das Melker Protokoll, und dabei mussten wir feststellen, dass es 43 Jahre nach Vertragsgründung noch immer keine einheitlichen Sicherheitsstandards in Europa gegeben hat.

Heuer ist der Vertrag 63 Jahre alt – und im Wesentlichen noch immer unverändert. Ich denke, es ist eigentlich Zeit, dass dieser Vertrag in Pension geschickt wird; mit 63 Jah­ren, glaube ich, ist er dafür reif. Nach über sechs Jahrzehnten Euratom sind zwei der vier Hauptziele nämlich gar nicht erreicht worden: Wir haben weder einheitliche, ge­schweige denn höchste Sicherheitsstandards, und wir sind auch meilenweit davon


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entfernt, dass radioaktives Material dem militärischen Zweck vorenthalten worden ist. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass ein Großteil der Reaktoren noch immer fi­nanziert und gebaut wird, um genau diesen militärischen Interessen nachzukommen.

Darüber hinaus stellen diese Atomanlagen auch im Hinblick auf Terrorismus eine große Bedrohung dar. Es ist spielend leicht, so eine Atomanlage zu einer Dirty Bomb zu ver­wandeln, und genau dem sollten wir einen Riegel vorschieben.

Geforscht wurde in erster Linie im Bereich der Reaktoren, Milliarden wurden dafür ver­wendet, Tonnen von Atommüll produziert. Wo Euratom besonders versagt hat, war bei der Atommülllagerung, da ist nämlich nichts weitergegangen, wir haben bis jetzt noch keine Atommüllendlager.

Ich gebe aber zu, es gibt auch positive Seiten: Euratom finanziert zum Beispiel auch den Rückbau der Atomanlagen in Bulgarien, in Litauen, in der Slowakei, zahlt beim Cher­nobyl Shelter Fund mit, mit dem die sichere Ummantelung der Reaktorruine finanziert wird. Diese Maßnahmen sind grundsätzlich und auch für die Zukunft ganz wichtig.

Im Juni gab es eine radioaktive Wolke, die über Europa drübergestrichen ist. Das hat mir gezeigt, dass die Atomaufsicht noch nicht so ganz funktioniert, denn obwohl wir wissen, dass diese radioaktive Wolke eine künstliche Quelle hat, hat die IAEO bis heute nicht beantworten wollen oder können, woher diese radioaktive Wolke gekommen ist. Das zeigt mir, dass die Atomaufsicht noch nicht ganz so funktioniert, wie sie eigentlich funk­tionieren sollte. Wir brauchen völlige Transparenz, um uns über die Bedrohungen auch klarzuwerden. Es ist daher dringend notwendig, dass dieser Vertrag überarbeitet wird und wir aus diesem atomaren Irrweg rauskommen.

Es ist schon angeschnitten worden: Die Atomindustrie ist nicht CO2-neutral. Im Gegen­teil: Sie produziert wesentlich mehr CO2 als erneuerbare Energien. Aus diesem Grund brauchen wir einen neuen Vertrag, der sichere Atommüllendlager und Sicherheit für Europa schafft – aber sicher brauchen wir keine neuen Reaktoren. Ich bitte alle, mitzu­helfen, dass wir in Europa viel Unterstützung finden, damit wir das angehen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


15.37.00

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der Ausstieg aus Euratom wird von den Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens gefordert. – Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Ich möchte nur in aller Kürze unseren, den Zugang von NEOS erklären.

Für uns ist unumstößlich klar, dass wir mit den natürlichen Ressourcen, die wir in unse­rem Land haben, mit erneuerbarer Energie sowohl in der Stromproduktion als auch im Bereich Wärme und Kälte ausreichend Potenziale haben und es überhaupt keine Dis­kussion darüber zu geben braucht, Atomkraft in Österreich zu haben. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass es viele Staaten in Europa gibt, die das gleiche Selbstver­ständnis bezüglich Atomkraft haben, welches wir bezüglich der erneuerbaren Energie haben. Ich darf daran erinnern, dass das einen Großteil unserer Nachbarstaaten betrifft: Ungarn, Slowenien, Tschechien, Slowakei, bis vor nicht allzu langer Zeit auch Deutsch­land, Italien und die Schweiz.

In der europäischen Gemeinschaft steht es uns gut zu Gesicht, diese Souveränität der Staaten in der Energiepolitik, die wir für uns in Anspruch nehmen, auch bei anderen Mitgliedstaaten zu akzeptieren – selbst dann, wenn es für uns ein schmerzlicher Prozess


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ist. Genau aus diesem Grund sehen wir keine Möglichkeit, aus Euratom auszusteigen, zumal auch die Mitgliedschaft der Europäischen Union teilweise daran gekoppelt ist. Es wäre also tatsächlich eine schwierige Sache, aus Euratom auszusteigen.

Zentrales Element ist aus unserer Sicht, dass wir die Mitgliedschaft derart gestalten, dass wir uns auf Forschung und Sicherheit konzentrieren, dass wir erreichen, gerade jene Kraftwerke, die in unserem Umfeld gebaut sind, geplant und auch noch gebaut wer­den, so sicher zu machen, dass wir uns um diese Generation und alle künftigen Genera­tionen keine Sorgen machen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.38


15.38.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich darf das Volksbegehren 347 der Beilagen dem Umweltausschuss zuweisen.

15.39.125. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 779/A(E) der Ab­geordneten Robert Laimer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegen­über der Bundesministerin für Landesverteidigung (379 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesord­nung.

Ich begrüße die Frau Verteidigungsministerin. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Laimer. – Bitte.


15.40.03

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Frau Bundesministerin, Sie ha­ben im Monat Juni den Pfad der Tugend verlassen. Auch wenn Sie das türkise Reform­konzept den Medien nicht persönlich präsentierten – der Geist ist aus der Flasche. Sie gefallen sich in der Rolle der türkisen Parteisoldatin mit Tagesbefehl aus dem Bundes­kanzleramt, anstatt die Vertrauensperson unserer Soldatinnen und Soldaten zu sein.

Das Kaputtsparen der verfassungsmäßigen Einrichtung österreichisches Bundesheer und Ihre Kapitulation bezüglich militärischer Landesverteidigung haben die Opposition gemeinsam auf den Plan gerufen, zu handeln, um eine zusätzliche Gefährdung der Sicherheit und des Schutzes Österreichs und seiner Bevölkerung durch Ankündigungen, Entscheidungen und Unterlassungen des Bundesministeriums für Landesverteidigung hintanzuhalten und abzuwenden. Aus diesem Grund wurde nach eingehenden Beratun­gen zwischen SPÖ, FPÖ und NEOS der aus unserer Sicht unverzichtbare Misstrauens­antrag gestellt.

Während Airbus Sie noch nicht kennengelernt hat, planen Sie eine parlamentarische Enquete zum Thema Luftraumüberwachung, eine parlamentarische Enquete, um Zeit zu gewinnen – Zeit, die wir in Bezug auf die verfassungsmäßige Bewachung unseres Luft­raumes, auf unsere Verpflichtung, unseren Luftraum souverän zu bewachen, nicht ha­ben.

Darüber hinaus haben Sie die Unterschallflieger Saab 105, die heuer ausgeschieden werden, einfach ersatzlos gestrichen – bei einem Zehntel der Kosten im Vergleich zum Eurofighter. Das ist eine nachhaltige Fehlentscheidung, meine Damen und Herren, und ein Indiz dafür, dass Sie sich Airbus/Eurofighter nunmehr endgültig ausliefern – auch


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wenn jetzt indonesische Nebelgranaten geworfen werden –, und das, obwohl Ihnen Ihr Vorgänger Doskozil ein rechtliches Werkzeug in die Hände gelegt hat, indem er cou­ragiert den Rechtsstreit mit Airbus eingeleitet hat, um alles Rechtliche zu versuchen, den Schaden für die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler möglichst gering zu halten und hintanzuhalten.

Die Lex Schüssel beschäftigt unsere Republik mittlerweile knapp 20 Jahre, und es geht dabei um viel, um sehr viel Geld, das in dunklen Kanälen verschwunden ist, was einer Aufklärung bedarf.

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Sicherheitsstrategie wurde im Jahr 2013 im Parlament mehrheitlich verabschiedet. Seither hat sich das Risikobild für unsere Republik verändert; das Strategiepapier „Unser Heer 2030“ Ihres unmittelbaren Vorgän­gers Thomas Starlinger im Einvernehmen mit dem Generalstab weist eindrücklich darauf hin. Es besteht also ein neuer, ein dringender Handlungsbedarf und es bedarf keiner abstrakten Abfangjägerdebatte mittels Enquete im Hohen Haus.

Das Parlament hat das Recht und die demokratische Pflicht, über eine zeitgemäße Si­cherheitsstrategie zu beraten. Wenn nämlich die umfassende Landesverteidigung aus politischen Gründen nicht mehr aufrechterhalten werden kann beziehungsweise die kau­sale Aufgabe des österreichischen Bundesheeres, die militärische Landesverteidigung, de facto für obsolet erklärt wird, dann ist sehr wohl ein Bruch mit der österreichischen Bundesverfassung gegeben. Daher wurde das Versagen des Vertrauens in Ihre Amts­führung gemäß Art. 74 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz mittels eingebrachtem Ent­schließungsantrag 779/A(E) von SPÖ, FPÖ und NEOS ausgesprochen.

Abschließend: Ein Bundesheer, das neben Feuerwehr und Polizei auf Katastrophen­dienst und Assistenzleistungen reduziert wird, ist nicht im Sinne der österreichischen Souveränität, ist nicht im Sinne der österreichischen Neutralität. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ofenauer. – Bitte.


15.45.20

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank, vor allem Frau Bundesministerin für Landesvertei­digung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher! Zur Debatte steht ein Misstrauensantrag, meine Damen und Herren, und ich muss sagen, dieses Schauspiel, das wir hier erleben, wirkt durchaus etwas gro­tesk auf mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Dieser Theater­donner, den wir hier hören, gehört mittlerweile, denke ich, zum Standardrepertoire der Opposition.

Was passiert hier? – Es werden künstlich Probleme geschaffen und hochgezogen, und dann beschwert man sich, dass es Probleme gibt. Das haben wir heute schon bei der Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung von Minister Blümel erlebt, als Klubobmann Leichtfried aufgestanden ist und sich über ein Problem aufgeregt hat, das eigentlich gar keines ist. Oder es werden Personen verunglimpft oder diskreditiert – Kollegin Heinisch-Hosek, Friedrich von Hayek –, um deren Arbeit schlechtzumachen. Oder, Kollege Lai­mer – an und für sich verstehen wir uns ja recht gut –: Verballhornungen von Namen wie Tannern und Täuschen, das ist wenig tugendhaft. Das ist schlechter Stil, meine Damen und Herren, und das bringt uns auf jeden Fall nicht weiter. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wurde angesprochen, dass Nebelgranaten geworfen werden. – Ich habe den Ein­druck, es werden Nebelgranaten geworfen, nämlich von der Opposition, weil Sie vielleicht


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keine eigenen Themen haben, weil Sie vielleicht von eigenen Problemen ablenken wol­len. Tatsache ist aber, dass sich die Opposition im selbst produzierten Nebel verliert.

Ich kann Ihnen nur sagen: Dieser Regierung unter Sebastian Kurz, den Ministerinnen und Ministern und vor allem der Bundesministerin für Landesverteidigung ist es wichtig, die Menschen gut durch die Krise zu bringen, und das gelingt mit diesem Budget, das heute vorgestellt und debattiert wurde. Die Regierung will mit diesem Budget auch für Sicherheit sorgen, und auch das gelingt mit diesem Budget 2021, gerade was das öster­reichische Bundesheer betrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir haben – und zu diesem Erfolg möchte ich Ihnen herzlich gratulieren, Frau Bundes­ministerin – im Jahr 2021 für das österreichische Bundesheer 2,7 Milliarden Euro Bud­get. Das ist ein Plus von 8,3 Prozent im Vergleich zu 2020 mit 2,55 Milliarden Euro, und es war heuer schon höher als voriges Jahr. Das ist also ein guter Erfolg, Frau Bundesmi­nisterin. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn Sie der Frau Ministerin im Ausschuss zugehört hätten, wenn Sie zugehört hätten, was sie Ihnen erklärt hat, wie dieses Geld investiert wird, was angeschafft wird – Mobilitätspaket, Busse, Lkw, Tiefla­der bis hin zu Hubschraubern, die kommen sollen –, dann hätten Sie nur eine Möglich­keit, eigentlich nur eine Option gehabt, nämlich diesen Antrag schon im Ausschuss wie­der zurückzuziehen! Sie hat nämlich alles widerlegt und mehrmals betont: Es ist und bleibt so, ganz klar, die militärische Landesverteidigung ist natürlich die Hauptaufgabe des österreichischen Bundesheeres! – Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sie mehrmals bestätigt und bekräftigt, das ist und das bleibt auch so. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Man muss aber natürlich auch eines sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, nämlich dass die Anforderungen in Zukunft komplexer werden – in allen Bereichen: hybride Bedrohungen, auch durch Terror, schwere Waffen sind ein Thema, Kampf der verbundenen Waffen wird ein Thema bleiben, Cyberangriffe, Katastrophenhilfe, Kata­strophenschutz und natürlich auch die Luftraumüberwachung. Auch die Luftraumüber­wachung ist sichergestellt, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur aufgrund der Entscheidung, 18 Leonardo-Hubschrauber anzuschaffen, sondern auch aufgrund der Entscheidung für eine Luftraumüberwachung durch die Eurofighter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann die vereinigte Opposition nur auffor­dern, von ihrem politischen Aktionismus zurückzutreten und sich zu distanzieren (Beifall bei ÖVP und Grünen – Zwischenruf des Abg. Matznetter), denn eines ist klar: Wir brau­chen ein Heer, wir brauchen ein österreichisches Bundesheer, das die Herausforderun­gen der Gegenwart, aber auch die Anforderungen der Zukunft bewältigen kann. Da geht es um eine neue Struktur, um eine strukturierte Herangehensweise, und unsere Bundes­ministerin Klaudia Tanner arbeitet ihre Aufträge Punkt für Punkt ab. Bei einer solchen Verteidigungsministerin, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiß ich auch unsere Landesverteidigung in guten Händen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Lassen Sie mich zum Abschluss aber auch noch Folgendes sagen, da es immer um die Menschen geht: Mein Dank gilt auch den Soldatinnen und Soldaten, die jetzt im Einsatz stehen und die tagtäglich für die Sicherheit unserer Republik Österreich sorgen – gerade jetzt. Sie machen einen hervorragenden Job, sie genießen gerade auch international höchstes Ansehen, und sie haben es nicht verdient, permanent solchen Verunsicherun­gen unterworfen zu werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben eine Verteidigungsministerin an der Spitze, die für die Republik Österreich arbeitet, die für das österreichische Bundesheer arbeitet. Meine Damen und Herren von


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der Opposition, ich kann Ihnen nur zurufen: Treten Sie zurück von diesem Misstrauens­antrag! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte.


15.50.49

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Kollege Ofenauer, Sie können ruhig versuchen, diesen Misstrauensantrag in Ihre Richtung schönzureden, es wird Ihnen nicht gelingen.

Frau Verteidigungsministerin, Sie wurden von Ihrer Partei vollkommen unbedarft in Ihr Amt gehievt, und Sie haben den Parteiauftrag früher erledigt, als uns allen lieb gewesen ist. Sie haben als Verteidigungsministerin nichts weniger getan, als in die Öffentlichkeit zu treten und zu erklären, die Landesverteidigung wird hiermit abgeschafft.

Liebe Frau Bundesminister! Das war nicht nur ein verfassungspolitischer Totalschaden, sondern das läuft auch ein wenig unter der Überschrift, dass es sich hierbei um eine Entwicklung in einer arroganten Schnöseltruppe handelt – Schnöseltruppe, diesen Be­griff verwende ich sehr ungern, weil nicht ich ihn erfunden habe, sondern der Herr Vize­kanzler, um seinen Koalitionspartner zu bezeichnen. Deshalb kann ich auch nur darauf bestehen, dass es eine Wendung in diese Richtung gibt.

Sie haben uns als Oppositionsparteien dazu gebracht, Anträge an die Bundesregierung zu stellen, dass sie dafür Sorge trägt, „dass Österreich auch weiterhin zum verfassungs­rechtlich verankerten Schutz des Landes und seiner Bürger und Bürgerinnen ein ein­satzfähiges und modern ausgerüstetes Bundesheer hat, welches die verfassungsrecht­lich vorgegebene Aufgabe der militärischen Landesverteidigung“ vollumfänglich „erfüllen kann“ und dass „die Kernkompetenzen und Fähigkeiten der Streitkräfte“ unbedingt „er­halten bleiben und das Bundesheer [...] nicht nur auf Assistenzeinsätze reduziert“ wer­den soll, damit neben der militärischen Landesverteidigung auch die Teilnahme an inter­nationalen Friedens- und Stabilisierungseinsätzen im Interesse Österreichs sicherge­stellt ist und die eingegangenen EU-Verpflichtungen wie Pesco nicht gefährdet werden.

Meine Damen und Herren der ÖVP, liebe Frau Verteidigungsministerin, es war notwen­dig, dass wir als funktionierende Opposition gegen diese Absichtserklärung von Ihnen auftreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben diesen Misstrauensantrag eingebracht, und er erscheint uns heute noch als berechtigt, nicht nur zur Stärkung der Verfassungstreue des Nationalrates, sondern auch aus rein pädagogischen Gründen im Hinblick auf eine Regierungspartei, der wir beibrin­gen können und beibringen müssen, dass man nicht alles mit der österreichischen Volks­vertretung und der österreichischen Öffentlichkeit machen kann, was man gerade will. (Beifall bei der FPÖ.)

15.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stögmül­ler. – Bitte.


15.53.51

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Minister! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Ich finde diese Diskussion schon sehr spannend, weil gerade die Parteien, die heute am meisten auf die Ministerin schimpfen, jahrelang dieses Landesverteidigungsressort geleitet ha­ben und die Situation, vor der wir stehen, mitzuverantworten haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Dabei ist es egal, ob es um Doskozil oder eben um Kunasek geht. (Abg.


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Hoyos-Trauttmansdorff: Wir waren es nie, glaub ich!) – Das ist richtig. Die NEOS wa­ren nicht dabei. Wer weiß? Aber die beiden, die ich genannt habe, hatten keine Lösungs­ansätze, sie haben nur den Status quo weiterverwaltet. (Abg. Kickl: Sie werden schon noch draufkommen, wer ... in der Koalition!)

Eines muss ich schon sagen: Frau Ministerin Tanner hat das Landesverteidigungsminis­terium in einer finanziell echt schwierigen Situation übernommen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und sie hat es geschafft, für dieses Jahr ein gewaltiges Budgetplus zu ergattern, und für das nächste Jahr dürfte ebenfalls ein Plus davor stehen.

Daher muss man ihr auch einmal dazu gratulieren, dass sie sehr wohl ein Plus herausge­holt hat. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen Wehrsprecher! Ich kann Ihre Kritik daran jetzt nicht nachvollziehen. Wir haben im Regierungsübereinkommen ganz klar stehen, dass wir das Bundesheer und seine Aufgaben genau dorthin orientieren wollen, wo in Zukunft die größten Herausforderungen für diese Republik bevorstehen werden. Wir haben nämlich große Herausforderungen, das ist unbestreitbar, für die wir ein gut ausgestattetes Bun­desheer brauchen, sei es bei den Cyberattacken, sei es bei den durch den Klimawandel bedingten Naturkatastrophen oder bei einem Blackout. Wir brauchen dafür sehr wohl auch eine Steigerung der Resilienz, etwa für ein Blackout, und zwar in den Kasernen und auch für das gesamte Bundesheer.

Auch bei der Miliz haben wir viele Punkte vor, die bereits in der Pipeline sind, die wir nur noch umsetzen müssen. Ziel ist es, dass das Heer als Ganzes endlich auch modernisiert wird, der Grundwehrdienst attraktiviert wird, auch die Miliz ausreichend Ressourcen be­kommt, um notwendige Aufgaben im Krisen- und Katastrophenmanagement zu über­nehmen und uns während Pandemien, Naturkatastrophen, Cyberattacken und auch Blackouts unterstützen kann.

Seit Beginn der Covid-19-Krise wissen wir, dass eine Pandemie nicht nur eine theore­tische Bedrohung ist, sondern auch eine reale Bedrohung sein kann, die den gesamten Staat und auch die Bürgerinnen und Bürger und das Bundesheer besonders herausfor­dert. Da muss man auch wirklich einmal vielen Dank an alle Soldatinnen und Soldaten draußen sagen, die diese Aufgabe übernommen haben – vielen Dank dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Für uns ist klar, dass die militärische Landesverteidigung auch weiterhin als traditionelle Aufgabe des österreichischen Bundesheers ausgeübt wird. Das sieht auch Artikel 79 des Bundes-Verfassungsgesetzes vor. An dieser Stelle werden auch die Aufrechterhal­tung der Sicherheit im Inneren und der Ordnung oder die Hilfeleistung bei Elementarer­eignissen und Unglücksfällen, also eben auch der Katastrophenschutz als Aufgabe ge­nannt.

Wir brauchen richtige Antworten auf die Herausforderungen und auf die aktuellen Bedro­hungen. Wir Grüne wollen das Bundesheer zukunftsfähig, kosteneffizient, modern und voll einsatzfähig haben, und ich weiß, dass wir mit Frau Bundesministerin Tanner genau dafür eine Mitstreiterin haben, wenn es um die wichtigen Fragen und Herausforderungen geht. (Abg. Kickl: Jössas na! ... aus dem Archiv ...!)

Klar ist, es wird nicht allen Personen gefallen – Herr Kickl, vielleicht Ihnen auch nicht –, aber wir wollen eine Steigerung der Synergien, vielleicht auch eine Senkung des Perso­nalstands im Ministerium, damit wir hier zugunsten der Mannschaft draußen entspre­chend Ressourcen freischaufeln.

Frau Ministerin, wir werden diesen Antrag natürlich nicht unterstützen, ganz im Gegen­teil: Schauen wir gemeinsam, dass wir das Regierungsprogramm und die Punkte, die


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wir uns für ein zukunftsfähiges Bundesheer vorgenommen haben, auch gemeinsam Schritt für Schritt umsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Trautt­mansdorff. – Bitte.


15.58.00

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte weitere Bundesministerinnen! Herr Staatssekretär! Zuallererst: Kol­lege Ofenauer hat gemeint, dass die Verunsicherung innerhalb der Truppe durch die Opposition – ich glaube, er hat es die „vereinigte Opposition“ genannt – entsteht. Genau das Gegenteil ist der Fall, weil im Bundesheer extreme Unsicherheit herrscht, weil nie­mand weiß, wohin es geht, weil niemand weiß, wohin diese Ministerin diesen Laden führen will. Genau das fehlt momentan; das fehlt der ÖVP übrigens schon seit Jahrzehn­ten. Es ist eigentlich sehr deprimierend, wenn mittlerweile jemand von den Grünen mehr Perspektive beim österreichischen Bundesheer hat als die ÖVP. Das ist frappierend. (Beifall bei den NEOS.)

Es fehlt der Bundesministerin aus unserer Sicht eine klare Vision, eine Vision, wie sie mit diesem Ressort umgehen will, wohin sie dieses Ressort führen will. Genau diese Vision bräuchte es, und sie müsste die Truppe mitnehmen, sie müsste den Generalstab mitnehmen, sie müsste uns als Volksvertreter mitnehmen, sie müsste die Bevölkerung mitnehmen. All das passiert aber nicht, und genau das ist der Grund dafür, dass wir kein Vertrauen mehr in diese Bundesministerin haben. (Beifall bei den NEOS.)

Sie, Frau Bundesministerin, haben über die letzten Monate immer wieder Aussagen ge­tätigt, die innerhalb von wenigen Minuten oder Stunden zurückgenommen werden muss­ten. Sie haben immer wieder Positionen eingenommen, die nicht akkordiert waren, ins­besondere auch mit dem Generalstab nicht akkordiert waren. Wir erinnern uns an Hin­tergrundgespräche in irgendwelchen Kellerlokalen, wo dann plötzlich die militärische Landesverteidigung abgeschafft werden sollte.

Genau diese Peinlichkeiten – dazu kommen noch einige peinliche Presseauftritte: Euro­fighter wird mich kennenlernen!, und so weiter – führen dazu, dass wir dieses Vertrauen verloren haben.

Es ist ganz klar, dass es im österreichischen Bundesheer Reformen braucht, ich glaube, das ist etwas, das hier im Parlament jeder unterstreicht. Für genau diese Reformen braucht es aber einen breiten Konsens. Es braucht eine Diskussion, eine wirklich umfas­sende Diskussion, der Sie sich nicht stellen, die Sie weder hier noch mit dem General­stab noch im Haus und schon gar nicht mit der österreichischen Bevölkerung führen.

Genau diese österreichische Bevölkerung hat eine sehr hohe Meinung vom österreichi­schen Bundesheer. Wir wissen das, Sie wissen das genauso – es gibt ja regelmäßig durchaus seltsame Meinungsumfragen, bei denen von Ihrem Ressort gemeinsam mit der ÖVP ein sogenannter Omnibus gemacht wird , und bei diesen Meinungsumfragen kommt sehr klar heraus, dass die österreichische Bevölkerung insbesondere aufgrund der Assistenzeinsätze, der Grenzeinsätze und so weiter eine sehr hohe Meinung vom österreichischen Bundesheer hat.

Diese Meinung aber beschädigen Sie, wenn Sie andauernd mit irgendwelchen Unzu­länglichkeiten kommen und andauernd irgendwelche Ideen haben, die nicht umsetzbar sind, die nicht abgesprochen sind und die Sie ohne breite Diskussion einfach schnell durchdrücken wollen.

Wir alle wissen auch, woher diese Ideen kommen: Sie kommen meistens aus dem Bun­deskanzleramt, denn nichts anderes ist Ihre Aufgabe: Sie müssen als Erfüllungsgehilfin


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hier sitzen. De facto müsste Sebastian Kurz hier sitzen und Sebastian Kurz müsste sich sagen lassen, dass er die österreichische Landesverteidigung und die österreichische Sicherheit, die Sicherheit der Bevölkerung, tagtäglich durch die Art und Weise, wie er mit dem österreichischen Bundesheer umgeht, aufs Spiel setzt. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Vom Kollegen von der SPÖ wurde vorhin schon die Luftraumüberwachung angespro­chen. Das war ja eigentlich der Auslöser für diese Diskussion, die wir heute führen. Wir weisen schon seit dem letzten Jahr, seit 2019, immer wieder darauf hin, dass wir da Probleme haben, dass wir schleunigst eine Lösung brauchen. Die Saab 105 wurden an­gesprochen, die Flugzeuge laufen aus, da müssen wir schnell eine Lösung finden.

Ihre Lösung ist: Nein, brauchen wir nicht mehr!, die Eurofighter, die eh schon nicht fliegen können, weil sie schlecht ausgestattet sind – da können Sie nichts dafür, sondern Ihre Vorgänger – sollen das übernehmen. – Das wird sich nicht ausgehen! So werden wir auch in Zukunft keinen sicheren Luftraum haben, und das ist, glaube ich, schon etwas, was uns als Republik durchaus beschäftigen sollte.

All diese Sachen, die in letzter Zeit passiert sind, zeigen uns, dass es in Ihrem Ressort massive Führungsfehler gegeben hat – von Ihnen, von Ihrem Kabinett –, die ganz ein­fach und simpel zu beseitigen gewesen wären, wenn man einen breiten Diskurs geführt hätte. Deswegen gibt es diesen Misstrauensantrag. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass das österreichische Bundesheer Reformen braucht, aber für diese Reformen braucht man eine Ministerin, die das auch kann, und deswegen brauchen wir einen Füh­rungswechsel. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kühber­ger. – Bitte.


16.02.40

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte MinisterInnen! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreiche­rinnen und Österreicher! Ich habe mich heute zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet, da es nicht lange her ist, dass unsere geschätzte Verteidigungsministerin bei mir in meiner Region in der Kaserne Sankt Michael war. Ich habe mir dort vor Ort ein Bild gemacht, wie sich unsere Verteidigungsministerin für die Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Bundesheeres einsetzt und vor allem, wie sie kämpft (Abg. Zanger: Aber wie!), wie sie kämpft für ein funktionierendes zukünftiges Bundesheer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Genau darum geht es nämlich, meine Damen und Herren: die klassische Landesverteidi­gung, auch die zukünftige Landesverteidigung in unserem Land sicherzustellen. (Abg. Zanger: Hast du eine Ahnung davon? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja genau, diese Notwendigkeit haben einige Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum, vor allem von der Opposition, anscheinend nicht erkannt.

Lieber Herr Kollege Bösch, Sie haben vorhin hier von Scheinheiligkeit und Schönreden gesprochen. – Im Gegenteil, ich frage mich: Was ist das Fundament dieses Misstrauens­antrages? Sie stellen hier einen Misstrauensantrag gegen eine Bundesministerin (Ruf bei der FPÖ: Zu Recht!), die es zweimal geschafft hat, beim Budget ein Plus auszuver­handeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie stellen hier – zu Ihnen (in Richtung FPÖ), Herr Kollege, komme ich noch! – einen Miss­trauensantrag gegen eine Bundesministerin – in Wahrheit ist es Ihnen wahrscheinlich auch schon peinlich –, die die größte Investition der letzten 20 Jahre in unserem Land


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auf den Weg gebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ja, es sagt alles aus, wenn jetzt Sie von der Freiheitlichen Partei, aber auch von der SPÖ sich diesen Erfolg auf ihre Fahnen heften wollen. Fakt ist aber: Sie, liebe Freiheitli­che Partei, und Sie, liebe SPÖ, haben es versprochen, umgesetzt und gehalten aber hat es unsere Verteidigungsministerin, Bundesministerin Tanner! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Zanger. – Widerspruch bei der FPÖ.)

Als Steirer sage ich noch einmal ein herzliches Danke. Durch den Kauf der Hubschrau­ber wurden auch wieder sehr viele, ja Hunderte Arbeitsplätze vor allem in der Oberstei­ermark abgesichert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt komme ich zum Absurdesten an diesem Misstrauensantrag – mein Vorredner hat ja den Katastrophenschutz angesprochen und gesagt, dass dieser stark gebraucht wird und bei den Menschen beliebt ist –: Wissen Sie eigentlich, Herr Kollege, dass Sie in Ihrem Misstrauensantrag genau diesen Katastrophenschutz kritisieren? (Zwischenrufe der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Scherak.)

In meiner Region, Herr Kollege, in meiner Region, in der Obersteiermark, haben wir in den letzten Jahren immer wieder viele Naturkatastrophen gehabt (Zwischenruf des Abg. Amesbauer): Bezirk Murau, Bezirk Murtal, Hochwasser, Überschwemmungen, Muren­abgänge – da sind die Menschen froh, wenn das Bundesheer vor Ort ist und Assistenz leistet, genauso bei der Lawine im Jänner 2019 in Ramsau. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Menschen und auch wir als Gemeinden sind dafür sehr dankbar. In diesem Sinne möchte ich an die österreichischen Soldatinnen und Soldaten auch ein herzliches Danke für ihren Einsatz aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ja, wir sind bei Ihnen: Wir brauchen ein starkes Bundesheer, das für derzeitige, vor allem aber auch für zukünftige Aufgaben gerüstet ist, und da gehört der Katastrophenschutz genauso dazu wie die Cybersicherheit.

Meine Damen und Herren! Die militärische Landesverteidigung ist und bleibt Kernauf­gabe unseres Heeres, und die Frau Bundesministerin hat das auch sehr oft betont. (Neu­erliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir müssen unser Bundesheer aber auch fit für die Zukunft machen.

Ich verstehe ja die FPÖ (Abg. Kickl: Auf die Hubschrauber ...!): Ihr würdet das ganze Geld wahrscheinlich am liebsten in schweres Gerät hineinstecken, in Kampfpanzer, in Schützenpanzer, in Panzerhaubitzen – und womöglich auch noch in Fantasieuniformen, Herr Kollege Kickl? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Heiterkeit des Abg. Kickl.)

Geschätzter Herr Kollege, wir sind aber im 21. Jahrhundert angekommen, das möchte ich der FPÖ auch sagen! (Abg. Kickl: Schreibts auf die Hubschrauber Kunasek drauf, dann stimmts wieder!) – Sie brauchen sich nicht so aufzuregen, Herr Kollege Kickl, die Pferde, die Haflinger, die übrigens beim Bundesheer eine sehr gute Arbeit machen, werden bleiben. Wenn Sie wirklich einmal reiten wollen: Ich habe zwei liebe Ponys zu Hause, ich lade Sie recht herzlich ein. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Opposition, am Beginn meiner Rede habe ich die Frage gestellt, auf welchem Fundament dieser Misstrauensantrag eigentlich steht. (Zwischenruf des Abg. Ames­bauer.) Jetzt kann ich Ihnen die Antwort geben: auf gar keinem, er ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.08



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wim­mer. – Bitte.


16.08.20

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Ministerin! Kollege Kühberger, der Misstrauensantrag richtet sich nicht gegen das Bundesheer oder den Katastrophenschutz und alles, was dort geleistet wird, sondern gegen die Frau Ministerin. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die Leistungen des Bundesheeres sind un- - (Abg. Strasser: Von Frau zu Frau!) – Bitte? (Abg. Strasser: Von Frau zu Frau!) – Die Frau Ministerin - ‑ (Ruf bei der ÖVP: ... ist eine Frau!) – Ja, genau. (Abg. Strasser: Ja genau! Das ist gut so! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Die Leistungen des Bundesheeres sind unumstritten, da sind wir uns alle einig. Gerade im Katastrophenschutz, der genannt worden ist, aber auch in vielen, vielen anderen Be­reichen brauchen wir das Bundesheer, und darum braucht es auch eine ordentliche Aus­stattung.

Ich komme zu einem anderen Punkt: Ich habe im Ausschuss schon mehrmals darauf hingewiesen, dass wir auf die parlamentarischen Anfragen, die das Bundesheer betref­fen, keine zufriedenstellenden Antworten bekommen. Auch im Fall meiner Anfrage zur „Blackout-Sicherung von Kasernen“ war die Antwort sehr dürftig, aufgrund von Geheim­haltung haben wir kaum Antworten bekommen.

Die Bevölkerung hat aber ein Recht darauf, zu wissen, ob ein Aggregat zur Stromerzeu­gung in ihrer Kaserne vorhanden ist. Die Bevölkerung hat ein Recht, zu wissen, ob es Nahrungsmittelreserven gibt, wenn sie in einem Notfall zu versorgen ist. Die Bevölkerung hat auch ein Recht darauf, zu wissen, ob eine Wasserversorgung über einen Trinkwas­serbrunnen und so weiter vorhanden ist, und, sehr geehrte Frau Ministerin, genau diese Fragen wurden von Ihnen nicht beantwortet. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei sollte die Blackoutsicherung auch eine zentrale Aufgabe des Bundesheeres sein – und sie ist es auch. Darum muss sich die Bevölkerung auch darauf verlassen können, dass das Bundesheer im Notfall helfen kann, und das wird nur mit einer entsprechenden Ausstattung möglich sein. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, die Kasernen zu modernisieren. Man kann nur mit einem funktionierenden Equipment einsatzfähig sein und auch die Gebäude müssen in einem entsprechenden Zustand sein, damit man ordentlich arbeiten kann.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Petition „Rettet das Bundesheer“ verwei­sen, die über die Seite des Parlaments gerne unterstützt werden kann. Es werden darin eine Erhöhung des Budgets auf 3 Milliarden Euro jährlich ab dem Jahr 2021, eine mo­derne Ausrüstung und auch die Beseitigung von Entlohnungsungerechtigkeiten, die nach wie vor vorhanden sind, gefordert.

Österreich bekennt sich zur Neutralität und zum Bundesheer mit seiner wertvollen Arbeit auf so vielen Ebenen. Es ist jetzt an uns und vor allem an Ihnen, Frau Ministerin, das Bundesheer so auszustatten, dass diese Arbeit auch geleistet werden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kainz. – Bitte.


16.11.49

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher! Frau Landesverteidigungsministerin, zu Ihnen: Ei­nen Misstrauensantrag bekommt man nicht jeden Tag präsentiert. Ich kann mich nur


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vollinhaltlich und aus tiefster Überzeugung diesem Antrag anschließen. (Ruf bei der ÖVP: Na bravo!) Der Antrag wird mit Sicherheit abgelehnt werden, Sie bleiben weiterhin unsere Frau Landesverteidigungsministerin (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP), aber ich hoffe doch sehr, dass Sie in eine selbstkritische Phase kommen und Ihr Reform­vorhaben zum Wohle und zum Schutz der Bevölkerung und für die Sicherheit unseres Landes neu überdenken.

Der massive Personalabbau, die Auflösung großer Verbände bei der Truppe, die plan­mäßige Vernichtung aufgebauter Kompetenzen degradieren das Bundesheer zum Tech­nischen Hilfswerk, und das zeigt, was unsere Frau Ministerin wirklich vorhat. Künftig soll das Heer nur mehr auf Cyberdefence und Katastrophenschutz ausgerichtet sein. Zu glauben, zukünftige mögliche Angriffe oder Bedrohungen würden nur aus einer Dimen­sion erfolgen, wie etwa aus dem Cyberspace, ist ein großer, ja ein irreführender gefähr­licher Irrtum. Vielmehr wird es sich bei diesen Bedrohungen mit größter Wahrscheinlich­keit um mehrdimensionale Kampagnen handeln, wie zum Beispiel Angriffe auf kritische Infrastruktur durch Spezialeinsatzkräfte plus dem Einsatz von Drohnen auf kritische In­frastruktur mit gezielten Cyberattacken. Der Abbau vorhandener, langfristig aufgebauter Kompetenzen ist der falsche Weg. Frau Bundesminister, ich glaube, Sie konnten sich bei der Übung „Handwerk 20“ davon überzeugen, wie wichtig das Zusammenwirken ver­schiedener Waffengattungen ist.

Meine Damen und Herren, das Vorgehen von Frau Bundesminister Klaudia Tanner ist nicht förderlich, sondern schadet unserem Land und dem österreichischen Bundesheer, und daher unterstütze ich den Misstrauensantrag. Ich bitte Sie alle, im Sinne unserer Bürger und Bürgerinnen zu handeln und diesen ebenfalls zu unterstützen. Die Hauptauf­gabe des österreichischen Bundesheeres ist es nämlich, Österreich im Ernstfall zu schützen.

Wir alle hoffen, dass dieser Ernstfall nicht eintritt, aber falls doch, müssen wir vorbereitet sein, und dafür benötigen wir ein einsatzbereites und funktionsfähiges Bundesheer, wel­ches uns Österreicher und Österreicherinnen auch schützen kann. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.


16.14.39

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ursprünglich wollte ich nicht zu diesem Tagesordnungs­punkt reden, aber Herr Kollege Kühberger hat mich jetzt motiviert, mich zu Wort zu mel­den, weil das ja durchaus, zugegebenermaßen, eine sehr witzige und launige politische Rede war. Besonders gut haben mir der Haflinger-Pferdewitz und die Fantasieuniform gefallen, aber wir sollten doch – das Thema ist viel zu ernst – ernsthaft und seriös über dieses Thema diskutieren, nämlich über die militärische Landesverteidigung.

Wir könnten sagen – so wie es Kanzler Kurz gesagt hat –, die Panzerschlacht im March­feld findet nicht mehr statt, also brauchen wir in Wahrheit die militärische Landesvertei­digung oder die schweren Waffen, die Panzer nicht mehr. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Das österreichische Bundesheer hat insgesamt rund 200 Panzer. Wie viele davon tat­sächlich einsatzfähig sind, weiß ich nicht, aber wenn dem so wäre, dann frage ich mich, warum etwa Polen gerade 800 Kampfpanzer gekauft hat, warum etwa Ungarn 220 Pan­zer gekauft hat, warum die Schweiz 640 Panzer gekauft hat.

Noch einmal: Wir reden über die militärische Landesverteidigung, die Sie – das hat Kolle­ge Bösch schon erwähnt – natürlich im Auftrag Ihrer Partei und Ihres Bundeskanzlers de facto abschaffen wollen. Das ist nicht nur verfassungsmäßig nicht erlaubt, sondern das ist, denke ich, auch verantwortungslos gegenüber unserer Bevölkerung.


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Wenn wir uns im europäischen Umfeld umschauen, sehen wir, die meisten Staaten sind Nato-Mitglieder.

Ich komme nun zu Ihren Budgetzahlen. Schon wieder das höchste Budget: Stellen wir das einmal richtig und bringen es in Relation! Die Nato hat als Common-Sense-Vorgabe 2,0 Prozent des BIP als Budget für die militärische Landesverteidigung. Das heißt, die­sen Staaten und Regierungen ist die militärische Landesverteidigung dermaßen wichtig und sie erachten diesen Betrag als Beitrag für ein Militär, als erforderlich zum Schutze ihrer Bevölkerung. 2,0 Prozent – merken wir uns das!

Wie viel haben wir? – 0,5 Prozent, also ein Viertel davon. Das sagt mir ja schon die Logik, dass mit einem Viertel davon, und von diesem Geld verschwinden 80 Prozent in Personalkosten und 10 Prozent in Betriebskosten, überhaupt nichts mehr für Investi­tionen übrig ist. Es ist faktisch unmöglich, damit ein Militär zu finanzieren, zu erhalten und als Sicherheitsreserve für unsere Bevölkerung in einem unsicheren europäischen Umfeld zu haben.

Das sind die Fakten, und da nützt es auch nichts, wenn Sie im Rahmen der EU Pesco-Sachen unterschreiben, dass Sie sich bemühen werden. Das ist dann wieder das The­ma: In Brüssel sind wir so, da sagen wir, wir sind bei Pesco, also der Permanent Structured Cooperation im Rahmen der EU. Da sagen wir, da tun wir mit, da werden wir uns bemühen, diese Ziele zu erreichen. Hier in Österreich machen Sie genau das Ge­genteil davon, und das ist der Kern unseres Misstrauensantrages gegen Sie, und nicht Pferde und Haflinger und sonstige Sachen, sondern unsere ernste Sorge, dass fak­tisch – bringen Sie mir bitte faktische Beweise, nicht irgendwelche Geschichten! – die militärische Landesverteidigung, also ein Heer mit schweren Waffen – Kampf der verbundenen Waffen wurde erwähnt; Herr Kollege, ich frage Sie, womit Sie den Kampf der verbundenen Waffen führen wollen, mit einer Mistgabel?, da braucht man Panzer, Artillerie und ähnliche Dinge –, abgeschafft werden soll, und das ist der Punkt unseres Misstrauensantrages, den nicht nur die FPÖ, sondern die gesamte Opposition gestellt hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reifenber­ger. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)


16.18.37

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Noch-Bun­desminister! (Ah-Rufe bei der ÖVP.) Wenn sich alle Oppositionsparteien zu einem ge­meinsamen Misstrauensantrag zusammenschließen (Zwischenrufe bei der ÖVP), dann geschieht das nicht leichtfertig, sondern dann geschieht das wohlüberlegt und aus einem guten Grund.

Wenn Sie sich zum Thema Landesverteidigung äußern, dann bereitet mir das regelrecht körperliche Schmerzen, und ich garantiere Ihnen, ich bin nicht der einzige hier im Haus. (Ruf bei der ÖVP: Geh zum Arzt! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Sie haben einfach keine Ahnung vom Militär. Sie sind nur eine brave Parteisoldatin, die die Aufträge, die Befehle des Bundeskanzlers widerstandslos durchführt, das Bundesheer herunterfährt und dem mangelnden Budget entsprechend anpasst.

Dieser Misstrauensantrag entspringt nicht einem parteipolitischen Kalkül. Er entspringt der sachlichen Notwendigkeit, weil wir unser Bundesheer vor Ihnen retten wollen. Eigent­lich könnten wir als Oppositionspolitiker uns keinen besseren Reibebaum als Sie wün­schen. Insofern müssten wir Sie eigentlich bitten, möglichst lange in diesem Amt zu blei­ben, aber das können wir aus staatspolitischer Verantwortung unserer Republik einfach nicht antun. (Beifall bei der FPÖ.)


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Airbus hat Sie bis heute nicht kennengelernt, wir aber leider schon (Zwischenruf des Abg. Loacker), und sogar Landespolitiker der ÖVP, also Ihrer eigenen Partei, sprechen, natürlich nur hinter vorgehaltener Hand, von einer politischen Fehlbesetzung im Verteidi­gungsministerium.

Und wennschon unser heutiger Misstrauensantrag keine Mehrheit finden wird, so gehen Sie bitte in sich und stellen Sie sich doch einmal selbst die Frage, ob Sie wirklich die Richtige für genau diesen Posten sind. Wenn Sie sich ehrlich den politischen Spiegel vorhalten, dann müssen Sie zum Schluss kommen, entweder komplett von dieser Funk­tion zurückzutreten oder zumindest das Ressort zu wechseln. Ich bin mir sicher, es gibt Ressorts, die Ihnen besser zu Gesicht stehen.

Die Wienwahl ist vorbei, jetzt wäre eigentlich der richtige Zeitpunkt für einen solchen Schritt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Tanner.)

16.20


16.20.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Kickl: Das Pulver ist verschossen!)

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zum Abstimmungsvorgang kommen, frage ich die Klubs, ob eine Sitzungsun­terbrechung gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall.

Dann können wir gleich zur Abstimmung gelangen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Landesverteidigungsausschus­ses, seinen Bericht 379 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit der zustimmenden Form tun. – Das ist die Mehrheit, damit ist der Bericht angenommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Zanger: Das war ein kurzer Applaus!)

16.21.366. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 664/A(E) der Ab­geordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Evaluierung des Milizeinsatzes (390 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zum 6. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf Abgeordneten Johann Höfinger an das Rednerpult bitten. – Bitte.


16.22.08

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterinnen! Herr Staatsekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Geschätzte Freunde der Freiheitlichen und der SPÖ! Wenn man euch jetzt so zugehört hat, dann hat man das Gefühl, ihr glaubt wirklich, die Menschen hier herinnen oder draußen haben ein Kurzzeitgedächtnis, die wissen nicht mehr, was ihr in den letzten Jahren in puncto Landesverteidigung in Wirklichkeit angestellt habt. (Abg. Kickl: Hubschrauber..., zum Beispiel!) Ich denke nur an Minister Kunasek, der ist sich ja selbst im Weg gestanden, weil die eigenen Parteisekretäre ihm anschaffen wollten, was er im Landesverteidigungssektor umsetzen soll.

Oder die SPÖ, die für die Abschaffung der Wehrpflicht war und heute Krokodilstränen vergießt, wenn es in der Diskussion um Standorte oder Ähnliches geht. 95 Prozent der Kasernen wären geschlossen, wenn es nach euch gegangen wäre. Bei den Einsparun­gen, die Darabos betreffend den Flieger, den Eurofighter gemacht hat, muss man sich


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vorstellen, dass es so wäre, als würde man bei einem Auto die Scheinwerfer ausbauen – in der Nacht ist es dann finster. Das waren die berühmten Einsparungen, die berühmten Strategien für das Bundesheer von eurer Seite. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde, wir diskutieren jetzt die Evaluie­rung des Milizeinsatzes, der heuer im Sommer stattgefunden hat. Dieser Antrag, so scheint es, wird von allen angenommen und gemeinsam beschlossen. Ich denke, das ist auch ein Zeichen der Zustimmung für die Miliz, die gezeigt hat, dass sie auch unter besonderen Herausforderungen und Umständen ihr Handwerk beherrscht, sich auf komplett neue Situationen wie diese Coronakrise einstellen kann und ihren Einsatz, ihre Aufgabe mit Bravour bewältigt hat, obwohl es so etwas eigentlich noch nicht gegeben hat.

Vielleicht ganz kurz als Erläuterung für die Zuseher: Was ist die Miliz? – Die Miliz, das sind in Wirklichkeit Zivilisten in Uniform, das sind Bürger in Uniform, denn die Miliz, das sind jene, die in das Bundesheer eingegliedert sind, aber nur für Übungs- oder Einsatz­zwecke für einen militärischen Einsatz herangezogen werden und sonst zivilen Berufen nachgehen. Sie sind eine unheimlich große Stütze für unser Wehrsystem, für unser ös­terreichisches Bundesheer. Es sind jene, die neben ihren Berufen mit großer Leiden­schaft und mit großem Engagement für dieses Land im Sinne der Landesverteidigung mit dabei sind.

Im heurigen Jahr erfolgte zum ersten Mal die Mobilmachung dieser Miliz aufgrund dieser außerordentlichen Situation. (Beifall des Abg. Lausch.) Ich denke, sie haben vor allem in diesen Wochen, als es eine intensive Krise gab, einen sehr wertvollen Beitrag geleis­tet, und jetzt geht es darum, diese Arbeit zu bewerten. Das wollen wir gemeinsam tun, um daraus auch wirklich die notwendigen Schlüsse für die Zukunft ziehen zu können.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch unserer Frau Bundesminister sehr herzlich dan­ken, sie hat ja auch noch im Sommer, mehr oder weniger während oder kurz nach dem Einsatz, ein außerordentliches Paket von 200 Millionen Euro für die Miliz geschnürt, ein Paket, in dem es darum geht, in Zukunft neue Strukturen zu schaffen, die Ausrüstung zu verbessern, in Fahrzeuge, Unterkünfte und alles, was damit in Zusammenhang steht, neu zu investieren.

Das ist Landesverteidigung in ihrer unmittelbaren Form, vielen herzlichen Dank für die­sen Einsatz. Das ist Weiterentwicklung des österreichischen Bundesheeres, das ist eine Ansage für die Unterstützung der österreichischen Miliz, dafür bedanke ich mich sehr herzlich bei Ihnen. Ich denke, dass wir auch mit dieser Evaluierung, die wir jetzt be­schließen werden, einen weiteren wesentlichen Schritt zur Verbesserung setzen kön­nen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Troch. – Bitte.


16.26.15

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Wenn ich Kollegen Höfinger zuhöre, dann denke ich, ihm ist ein wichtiges Dokument nicht bekannt, nämlich der Starlinger-Bericht „Unser Heer 2030“. Das wundert mich auch nicht, denn die Schredderspezialisten der ÖVP ha­ben wahrscheinlich auch den Starlinger-Bericht schon geschreddert; aber das ist ty­pisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt viele Geschichten über die Miliz, ich möchte eine Geschichte erzählen: Ein Zug fährt von Allentsteig nach Spittal an der Drau. Der Zug fährt 18 Stunden vom Waldviertel nach Kärnten, es ist ein Sonderzug der ÖBB mit Milizionären. Er steht oft auf dem Ab­stellgleis, weil es kein regelmäßiger, kein planmäßiger Zug ist. Die Miliz steht eben auf


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dem Abstellgleis – und die ÖVP-Finanzminister, adjustiert von Gehilfen, haben das ös­terreichische Bundesheer, besonders aber auch die Miliz, aufs Abstellgleis gestellt. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Deimek und Lausch.)

Milizionäre werden allerdings nicht nur von langsamen Sonderzügen transportiert, son­dern auch von privaten Bussen, von Bussen der Firma Dr. Richard. Soldaten, Milizionäre werden auch mit diesen Touristenbussen herumgeführt, allerdings erinnert das weniger an professionellen Einsatz als vielmehr an Schulausflüge der Siebzigerjahre. Das kann doch kein professioneller Einsatz sein! Die Miliz ist de facto nicht voll einsatzfähig, weit davon entfernt – und der Starlinger-Bericht, der auf Fakten und Wissen und auch auf dem Wissen (Zwischenruf des Abg. Deimek) des Generalstabs beruht, legt die Situation ganz klar offen.

Man muss allerdings sagen, in der Miliz dienen auch Idealisten, vom spezialisierten Me­chaniker bis zur Cyberspezialistin, und in diesem Sinn ist die Miliz wirklich eine strategi­sche Reserve, eine bedeutende Personalreserve des österreichischen Bundesheeres. Das sollte vom Ministerium und natürlich auch vom Kommando des Bundesheeres er­kannt und auch voll anerkannt werden. Daher begrüße ich diesen Antrag, der hier vor­liegt. Ich danke Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff für diese Initiative und freue mich, dass dieser Antrag auch beschlossen wird, um diese Teilmobilisierung der Miliz kritisch und weiterführend auszuwerten.

Es wäre schlau und angemessen, seitens der Führung, auch seitens der politischen Führung, Milizionären eine Entwicklung zu ermöglichen und sie diesbezüglich nicht zu blockieren. Ein Beispiel: Wenn man in der Miliz einer Einheit angehört, die aufgelöst wurde, so ist das wie eine Stopptafel für die Entwicklung im österreichischen Bundes­heer. Das ist schade, denn da werden Idealisten an einer guten Weiterentwicklung ihrer Qualitäten behindert.

Ich glaube auch, dass es wichtig ist, den Tag der Miliz sichtbarer zu machen – dazu habe ich von Ihnen positive Signale gehört –, das kostet nicht viel, das ist kein großer Kampf.

Es geht natürlich bei der Absicherung unserer Landesverteidigung primär um finanzielle Ressourcen. Die jahrelangen Versprechungen, die hier gemacht wurden, haben alle satt, auch viele Soldaten im Bundesheer.

Es wurde ein Herz für das Heer, ein Herz für die Miliz vorgegaukelt. Die Miliz hat an Schlagkraft, an Einsatzfähigkeit und an Mobilität drastisch verloren. Es gibt jedoch eine verfassungsmäßige Rolle des österreichischen Bundesheeres, und daher war der Miss­trauensantrag natürlich voll angebracht.

Die zentrale Bedeutung des Milizsystems für die österreichische Landesverteidigung liegt auf der Hand und ist klar. Ich denke, es geht vor allem um eines: auch die ver­pflichtenden Übungen für die Miliz zu reaktivieren. Die Ausführungen einiger Redner ins­besondere der ÖVP zeugen von unglaublicher Unwissenheit oder von einem Schönre­den, das gerade beim Thema Landesverteidigung und Sicherheit unglaublich unverant­wortlich ist. – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte.


16.31.08

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Diesem Antrag stimmen wir gerne zu. Es hat einige Stimmen gegeben, die den Einsatz der Miliz infrage gestellt haben, wir haben das nie getan, weil das Wichtigste an diesem Einsatz war, Erfahrungen zu sammeln, mit welchen Modalitä­ten wir eine größere Anzahl an Truppen wirklich aufstellen, aufbieten, mobilmachen kön­nen.


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Es hat ja am 18.3.2020 den Regierungsbeschluss gegeben, mit dem man dann einige Tage später an die Öffentlichkeit getreten ist, und es haben dann erst am 4.5.2020 13 Jägerkompanien wirklich den Aufstellungsbefehl bekommen.

13 Jägerkompanien sind an diesem Tag auch eingerückt – das waren nicht mehr jene 3 000, die im März angekündigt worden waren, sondern nur mehr in etwa 1 400 Milizsol­daten. Der Einsatz war damals aber schon begrenzt, man hat erkennen müssen, dass diese Anzahl an Milizsoldaten bereits im Mai nicht mehr notwendig war. Deshalb hat auch dann schon Ende Juni etwa die Hälfte dieser Kompanien wieder abgerüstet und der Rest dann am 31.7.

Diesen Einsätzen sind vorbereitende Ausbildungen im sicherheitspolizeilichen Assis­tenzeinsatz vorangegangen, in dem diese Einheiten ja eingesetzt waren.

Wir haben die Verpflichtung, jetzt all diese Schritte, die im Frühling dieses Jahres gesetzt wurden, zu evaluieren. Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir eine klare Kommunika­tion mit den Betroffenen brauchen, ob es sich dabei um unbefristet oder befristet Beor­derte handelt, ist unerheblich. Wichtig ist, dass man den Leuten klar kommuniziert, dass ein Aufbieten ihrer Einheiten rasch möglich sein muss, dass ein Einsatz aber auch wie­der rasch beendet sein kann, wenn sich die Lage dramatisch verbessert.

Wir müssen die Kommunikation mit den Betroffenen sehr verbessern, und wir müssen auch die ganz klare Ansage machen, dass es keine unterschiedlichen Entlohnungen mehr geben wird. Es war ein großes Problem bei dieser Aufbietung, dass es zwischen Einsatzpräsenzdienst und freiwilliger Waffenübung beinahe 100 Prozent Gehaltsunter­schied gegeben hat.

All das sind Dinge, die wir klar sehen müssen und die wir auch in Bezug auf die Geset­zesnovellierungen berücksichtigen müssen, die notwendig sein werden, um das Ganze zu verbessern und das Ganze auch mehr zu schmieren, damit das besser läuft.

Im Wesentlichen glaube ich aber auch, dass wir an der Forderung nach verpflichtenden Übungen nicht vorbeikommen werden. Früher oder später wird diese Forderung gestellt werden müssen, auch unbeschadet der Versuche, die Sie, Frau Ministerin, jetzt mit die­sen sechs plus drei plus drei machen; das heißt, dass man sich nach dem Grundwehr­dienst von sechs Monaten, bei dem man ja grundsätzlich nicht mehr für Assistenzein­sätze herangezogen werden soll, freiwillig für verschiedene Einsätze, die an der Grenze oder im Ausland sind, melden kann.

Die Forderung nach sechs plus zwei, also eine verpflichtende Schiene bei der Ausbil­dung der Miliz, wird, glaube ich, notwendig bleiben. Wir werden auch das weiterhin über­prüfen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stögmül­ler. – Bitte.


16.35.01

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Damen und Herren! 2020 ist ein Jahr, in dem durch die Covid-19-Pandemie kurzfristig viele Maßnahmen gesetzt werden, die dabei helfen sollen, genau diese Pan­demie unter Kontrolle zu bekommen.

Der mit März beschlossene Einsatz der Miliz und die darauffolgende Teilmobilmachung gehören da auf jeden Fall dazu, um diese Maßnahmen auch zu vollziehen. Nun sollen diese Teilmobilisierung und der Assistenzeinsatz während der Covid-19-Maßnahmen auch evaluiert werden, und zwar alle Schritte von der Mobilmachung bis hin zur Abrüs­tung. Das ist auch gut so.


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Ich bedanke mich auch bei allen WehrsprecherInnen und allen Fraktionen, dass dieser Antrag heute beschlossen wird, und bei Herrn Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff für diese Initiative. Ich denke, sie ist wichtig und auch notwendig, um hier auch als Parlament das Zeichen zu geben, dass wir solch eine Evaluierung haben möchten.

Eine Evaluierung dieses Einsatzes soll sowohl die Stärken als auch die Schwächen im System aufzeigen und auch, wie wir in Zukunft Verbesserungspotenzial nützen können. Wir haben ja in der Mobilisierung, in der Mobilmachung wie auch bei der Ausrüstung, aber auch beim Einsatz, ob es im Postverteilerzentrum oder im Lebensmittelverteiler­zentrum war, einige Probleme gesehen. Genau das müssen wir uns anschauen. Wir müssen schauen, ob diese Einsätze auch sinnvoll und zweckmäßig sind, denn Ziel ist es, dass die Miliz auch ausreichend Ressourcen bekommt, um in Zukunft für die notwen­digen Aufgaben gewappnet zu sein.

Was uns bei diesem Antrag auch ein Anliegen ist, ist, dass genügend Zeit ist, um eine Evaluierung durchzuführen, dass dem Ministerium Zeit gegeben wird, eine ordentliche Evaluierung zur Verfügung stellen zu können, etwas Ordentliches erarbeiten und uns liefern zu können, denn ich glaube, jedem von uns ist geholfen, wenn die Miliz in Zukunft gut gewappnet ist und die Herausforderungen gut bewerkstelligen kann, ob das im Rah­men einer Pandemie, von Naturkatastrophen, bei Cyberattacken oder auch bei Black­outs ist.

Vielen Dank an alle dafür, dass dieser Antrag heute unterstützt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Trautt­mansdorff. – Bitte.


16.37.22

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Da wir ja noch länger miteinander zu tun haben werden, freut es mich umso mehr, dass wir jetzt hier dieses gemeinsame Zeichen setzen können, weil ich glau­be, dass das ein sehr wichtiges Thema ist – die Vorredner haben es angesprochen.

Im März dieses Jahres haben Sie zum allerersten Mal die Miliz teilmobilgemacht, und das, was, glaube ich, ursprünglich ein monumentaler Knall hätte sein sollen, ist halt leider nicht einmal ein Plopp gewesen, sondern eher ein Luftballon, dem langsam die Luft aus­geht und der dann schrumpelig wird.

Ursprünglich wurde von 3 000 SoldatInnen gesprochen, die da mobilgemacht werden sollten. Von diesen wurden dann nur 2 300 einberufen und davon wiederum haben sich dann 40 Prozent befreien lassen. Das heißt, insgesamt waren es dann 1 400 SoldatIn­nen, die dann wirklich über eine längere Zeit für den Einsatz trainiert haben. Ich glaube, es waren knapp drei Wochen, in denen trainiert wurde und man sich vorbereitet hat. Es sind dann aber relativ schnell 600 SoldatInnen gleich wieder abgerüstet, von diesen ursprünglich 3 000 SoldatInnen, die wir gebraucht hätten oder die man normal mobilge­macht hätte, sind dann nur noch knapp 800 übrig geblieben. Das, glaube ich, zeigt durch­aus, dass eben nicht alles in diesem Einsatz rundgelaufen ist.

Ich persönlich glaube, dass wir ein Stück weit zu spät waren, man hätte früher reagieren müssen, damit man dann auch wirklich zum Zeitpunkt der größten Krise bereit gewesen wäre – das war nicht der Fall. Wir sind ja aber auch hier, um aus dieser Krise zu lernen, und genau deswegen ist diese Evaluierung sehr wichtig, denn am Ende ist es so, dass wir als Politiker, wir als Politik und das Ministerium die Verantwortung dafür tragen und nicht die einzelnen Milizsoldaten. Die sollen nicht diejenigen sein, die das Gefühl haben, ihre Arbeit war schlecht und deswegen haben Dinge nicht gut funktioniert. Umso wichti­ger ist es jetzt, ernsthaft zu evaluieren, zu schauen, was hat gut funktioniert, was hat


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weniger gut funktioniert, die Lehren daraus zu ziehen und dann insbesondere für die MilizsoldatInnen auch wirklich etwas zu verbessern und zu verändern.

Es gab von Ihnen erste Schritte in diesem Bereich. Es gab schon heuer, im diesjährigen Budget, ein Sonderbudget für die Miliz, und im nächsten Budget sind es auch noch ein­mal knappe 70 Millionen Euro, wenn ich das richtig im Kopf habe, die Sie für die Aus­stattung der Miliz bereitstellen.

Ja, das sind erste Schritte. Ich glaube aber, es braucht auch größere Schritte: Wir müs­sen darüber nachdenken, wie wir Prozesse beschleunigen können, wie wir Dinge schnel­ler und effizienter machen können, damit es nicht so ist, wie dieses Mal, dass dann im wirklichen Akutfall, einem Blackout, wo es wirklich sehr, sehr schnell gehen muss, von 3 000 SoldatInnen am Ende nur noch 600 SoldatInnen übrig sind.

Dementsprechend bin ich sehr froh, dass wir heute hier gemeinsam diesen Schritt gehen. Ich glaube auch, dass es für die Milizsoldatinnen und -soldaten ein wichtiger und guter Schritt in die richtige Richtung ist. Ich hoffe, dass wir in Zukunft öfter gemeinsam solche Initiativen vorantreiben können, denn ich glaube, es gibt eine Sache, die uns alle hier verbindet, und das ist, dass wir das Beste für das österreichische Bundesheer wol­len. Wenn wir gemeinsam gehen, gemeinsam diskutieren, dann kann uns das auch ge­lingen. Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

16.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesminister. – Bitte.


16.40.48

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Modern, schlagkräftig, schnell und immer da, wenn die Bevölkerung es braucht, das ist unser Heer, das sind unsere Soldatinnen und Soldaten, die das ganz besonders in dieser Krise gezeigt haben. Unsere Bevölkerung muss sich immer auf unser Heer verlassen können. Da jetzt so viel über das Budget diskutiert wird, gilt es, Danke zu sagen, nicht zuletzt Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die es ermöglicht haben, dass wir bereits in diesem Jahr mit 2,5 Milliarden Euro, einer Steigerung der Mittel um 9,9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019, das höchste Heeresbudget haben, das es jemals gegeben hat. Ich hoffe, dass diesem ersten Schritt – so habe ich es auch vor Monaten gesagt – ein weiterer folgen wird und wir wiederum eine Steigerung erreichen können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Ich verspreche Ihnen, dass ich mich dafür einsetzen werde, dass unser Heer alles hat und bekommt, um diese Anforderungen auch erfüllen zu können.

Jetzt aber zur Evaluierung des Milizeinsatzes: Wir begrüßen das, sehr geehrte Damen und Herren, denn auch ich sehe, dass es nach diesem erstmaligen Einsatz der Miliz durchaus Verbesserungs- und Anpassungsbedarf gibt. Das müssen wir gemeinsam be­heben, und wir müssen aus diesen Einsätzen während der Coronakrise lernen. Diese hat uns alle überrascht, uns gerade im Frühjahr gezeigt, wie schnell es passieren kann, dass unser Alltagsleben aus der Bahn geworfen wird.

Diese Krise hat zwei tatsächlich historische Maßnahmen notwendig gemacht: zum einen die Verlängerung des Grundwehrdienstes für 2 300 junge Männer um zwei Monate, und zweitens war es wegen der Coronakrise erstmals in der Geschichte Österreichs notwen­dig, mit 13 Jägerkompanien eine Teilmobilisierung der Miliz durchzuführen.

Es waren 1 400 Soldatinnen und Soldaten der Miliz im Einsatz. Sie haben hervorragende Ar­beit geleistet, daher an dieser Stelle noch einmal ein ganz großes Dankeschön an all jene! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)


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Es gibt ohne Zweifel aber auch Veränderungsbedarf, der auch schon angesprochen wur­de, wie etwa die systembedingte unterschiedliche Bezahlung bei gleichen Einsatzaufga­ben. Wir haben uns schon darum gekümmert, es liegt bereits ein neuer Gesetzestext vor, der in den nächsten Wochen in Begutachtung geht – denn gleiche Leistung soll und muss auch gleich bezahlt werden.

Auch bei der Beseitigung verschiedener sozialversicherungsrechtlicher Nachteile von Milizsoldaten sind wir weitergekommen. Mitte September sind zwei Novellierungsersu­chen an das Sozialministerium und an das Arbeitsministerium ergangen, denn schließ­lich steht die Lösung dieses Problems nicht nur als Vorhaben im Regierungsprogramm, sondern es gibt dazu auch einen einstimmigen Entschließungsantrag des Parlaments.

Grundsätzlich: Das Coronavirus hat seine Auswirkungen gerade im Frühjahr, zu Beginn der Pandemie, in einer unbekannten, unerforschten Größe gezeigt, und wir haben jetzt alle gemeinsam die Chance, aus diesen Einsätzen zu lernen. Wie schon die sicherheits­politische Jahresvorschau gezeigt hat, gehören Pandemien im 21. Jahrhundert zu den wahrscheinlichsten Bedrohungsszenarien.

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Evaluierungen und Lessons learned sind – gerade beim Militär – etwas Ureigenes und ein übliches Prozedere. Sei es nach nationalen oder internationalen Übungen oder auch Einsätzen, eine hochwertigen Evaluierung benötigt Zeit und daher begrüßen wir den Ab­änderungsantrag, der dem Ministerium auch die dafür notwendige Zeit verschafft. Ich danke Ihnen vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stocker. – Bitte.


16.45.34

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Vorweg darf ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Sie, sehr geehrte Frau Bundesminister, auch in Zukunft die Agenden der Landesverteidigung in der Bundesregierung wahrneh­men werden. (Ruf bei der SPÖ: Danke!) Ihr Redebeitrag hat gezeigt, dass das Bun­desheer bei Ihnen, sowohl was die Miliz als auch die Präsenzkräfte anbelangt, nicht nur in guten Händen ist, sondern auch eine starke Stimme findet. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn hier von den Oppositionsparteien moniert wird, dass auf den Bericht des ehemali­gen Ministers Starlinger nicht eingegangen wird, dann kann ich nur sagen, meine Damen und Herren der Opposition, insbesondere von SPÖ und FPÖ: Mut kann man sich offen­sichtlich nicht kaufen. (Abg. Lausch: Das stimmt ... super!) Worauf beruht dieser Bericht nämlich? – Dieser Bericht beruht auf den Leistungen Ihrer Minister. Wer waren denn die Verteidigungsminister, die die Leistungen erbracht haben, auf die Starlinger sich bezo­gen hat? (Abg. Lausch: Wer war denn Finanzminister?) – Das waren die Herren Kuna­sek, Doskozil, Klug und Darabos. (Abg. Lausch: Und wer war der Finanzminister?) – Ja, wenn Sie sich vom Finanzminister auf das Abstellgleis schieben lassen, wie Sie von der SPÖ es gehört haben (Abg. Lausch: Ha, ha! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer), dann kehren Sie vor der eigenen Türe, aber nicht vor den anderen! (Beifall bei der ÖVP. Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist die Aufgabe jedes Ministers, für sein Ressort die entsprechenden Mittel zu verhan­deln (Zwischenruf des Abg. Deimek), und Frau Bundesminister Tanner hat es gemacht. (Abg. Lausch: Da haben Sie recht ... ist sehr mutig!) – Dass Sie das vielleicht mit Neid sehen, verstehe ich. Es ändert aber nichts an der Wahrheit, und die ist auch Ihnen zu­mutbar! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Lausch: Aber Ihnen auch! ... sehr mutig!)


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Was die Miliz anbelangt, ist es so, dass wir im Rahmen dieser ersten Teilmobilmachung der Miliz 1 700 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz hatten, 13 Jägerkompanien aus al­len neun Bundesländern waren daran beteiligt. Das hat gezeigt, dass die Miliz das Rück­grat des Bundesheeres darstellt, dass sie dann, wenn es notwendig ist, auch die Einsatz­bereitschaft und das Durchhaltevermögen gewährleisten kann.

In meinem Heimatbundesland Niederösterreich waren die Assistenz bei der Grenzsiche­rung, der Objektschutz bei der Botschaftsbewachung und so weiter Aufgabe der Miliz, und vor allem hat die Miliz in Niederösterreich in den Kasernen auch jene Grundwehrdie­ner abgelöst, deren Grundwehrdienst ja verlängert wurde. Es sind insgesamt 1 325 000 Ar­beitsstunden von den Milizsoldatinnen und ‑soldaten geleistet worden, und letztlich war dieser Einsatz der Miliz durchaus ein Erfolg, wenngleich im Rahmen der Evaluierung zu überprüfen sein wird, wo sich Verbesserungspotenziale ergeben. Dem verwehren wir uns nicht, wir sehen diesem Evaluierungsbericht mit Spannung entgegen, es ist nun aus­reichend Zeit, sodass wir diesem Antrag gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

16.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


16.49.09

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Zuallererst möchte auch ich mich bei den Soldatinnen und Sol­daten unseres österreichischen Bundesheeres für ihre großartige Arbeit, welche sie während der Covid-19-Pandemie geleistet haben und welche sie noch leisten werden, bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Die Soldatinnen und Soldaten sind ein wesentlicher Bestandteil, damit Österreich diese Gesundheitskrise gut meistern wird. Situationen wie diese zeigen eindrucksvoll – Frau Ministerin, Sie haben es schon betont –, wie wichtig ein gut aufgestelltes Bundesheer für uns ist.

Die coronabedingten Milizeinsätze laufen nun landesweit aus, und es ist wichtig, die Er­kenntnisse und Erfahrungen aus dieser einzigartigen Mobilisierung zu sammeln und gründlich zu evaluieren. Genau da setzt der gegenständliche Antrag meines Kollegen an, und deswegen unterstützen wir von der SPÖ ihn auch. Besonders freut mich als Ausschussmitglied, dass wir dazu einen Fünfparteienantrag schmieden konnten.

Unsere Soldatinnen und Soldaten wurden landauf, landab in den verschiedensten Berei­chen eingesetzt, und da zeigt sich, wie wichtig einzelne Bundesheerstandorte in den Bundesländern sind. Wir brauchen ein Heer, welches in Notsituationen schnell vor Ort ist, daher spreche ich mich ganz klar und deutlich für den Erhalt aller derzeitigen Kaser­nenstandorte in Österreich aus.

Die einzelnen Fraktionen haben in der Debatte allesamt betont, wie wichtig ihnen das Bundesheer ist. Daher darf ich alle Parteien um einen Schulterschluss bitten, wenn es in der Budgetdiskussion in den kommenden Wochen um die Finanzierung unserer Streit­kräfte geht. Wir wissen aus Erfahrungsberichten, aber auch aus den Medien, wie stark unsere Kasernen bereits finanziell ausgehungert sind.

Mein Kollege von der ÖVP hat alle Landesverteidigungsminister aufgezählt, aber ich möchte schon betonen: 20 Jahre ÖVP-Finanzminister haben uns dieses finanzielle De­saster im Bundesheer eingebracht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es fehlt an vielen Stellen Geld, und dringende Investitionen können nicht durchgeführt werden. Dadurch verliert das Heer aber auch seine Stellung als attraktiver Arbeitgeber. Der Nachwuchs bleibt in vielen Stellen leider aus. Das ist nicht der Weg, den wir, die SPÖ, uns für das österreichische Bundesheer wünschen.


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Es braucht mehr Geld, und zwar schnell, Frau Ministerin! Die Herausforderungen für unsere Soldatinnen und Soldaten werden immer größer, egal ob es um Pandemien, um den Klimawandel, um die Terrorismusbekämpfung oder die Abwehr von Cyberangriffen geht.

Daher mein abschließender Appell: Schauen wir auf unser Bundesheer! Stellen wir ihm die budgetären Mittel, die es benötigt, zur Seite! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reifen­berger. – Bitte.


16.52.26

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Hohes Haus! Gestatten Sie mir eingangs auch, allen Kameraden, die heuer im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz gestanden sind, von dieser Stelle aus meinen herzlichen Dank auszusprechen! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben für diese Republik eine ihnen hoch anzurechnende Leistung erbracht, auch wenn sie dafür vonseiten der politischen Führung nicht gerecht entlohnt wurden und dann teilweise auch noch über die Medien – anstatt über den Dienstweg, wie sich das eigentlich gehören würde –, also mit dem sprichwörtlichen Fußtritt, und unter teilweise chaotischen Zuständen aus ihrem Dienst verabschiedet wurden.

Jetzt aber zum vorliegenden Entschließungsantrag: Eine Evaluierung dieses Milizeinsat­zes ist unumgänglich. Immerhin war das die erste Teilmobilmachung in der Geschichte unserer Republik, und nicht alles ist so glatt gelaufen, wie es uns die Frau Minister viel­leicht weismachen will. Ohne jetzt ein Hellseher zu sein, kann ich aber schon heute pro­phezeien, dass die Evaluierung Probleme in zumindest – aber nicht nur – drei Teilberei­chen, die ich kurz anreißen werde, aufzeigen wird.

Das erste Problem, das sich zeigen wird, ist das Problem der sogenannten befristet be­orderten Soldaten. Dabei handelt es sich um keine echten Milizsoldaten, weil sie niemals an einer Milizübung teilnehmen. Diese mangelhaft ausgebildeten befristet Beorderten haben aber bei der Teilmobilmachung fast 100 Prozent aller Mannschaftsdienstgrade, und damit eine Mehrheit aller Soldaten, gestellt.

Das zweite Problem, das sich zeigen wird, sind gravierende Ausrüstungsmängel. Unsere strukturierte Miliz ist auch materiell nicht annähernd ausreichend ausgestattet. Für den Assistenzeinsatz musste Gerät aus ganz Österreich sprichwörtlich zusammengekratzt werden, obwohl nur einige Kompanien im Einsatz waren, und das waren so banale Dinge wie zum Beispiel Sicherheitsholster, Schutzwesten und natürlich auch Fahrzeuge.

Und der dritte Punkt sind die Entlohnungsungerechtigkeiten. (Der Redner stellt eine Ta­fel, auf der unter der Überschrift „Wachtmeister“ und dem dazugehörigen Dienstgradab­zeichen „Einsatzpräsenzdienst: € 1.849,-“, „Freiwillige Waffenübung: € 3.559,-“ und „Be­rufssoldat: € 4.189,-“ zu lesen ist, auf das Rednerpult.) Es darf nicht sein, dass Soldaten mit gleichem Dienstgrad und gleicher Funktion massiv ungleich bezahlt werden. Hier auf diesem Taferl sehen Sie zum Beispiel: Ein Wachtmeister in der Funktion eines Gruppen­kommandanten verdient im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz als Einsatzprä­senzdiener, das heißt als mobilgemachter Soldat, 1 849 Euro. Wenn ein Milizsoldat eine freiwillige Waffenübung macht und so in den Assistenzeinsatz geht, verdient er mit glei­chem Dienstgrad und gleicher Funktion 3 559 Euro. Und wenn ein Berufssoldat für diese Funktion abgestellt wird und in den Einsatz geht, verdient dieser 4 189 Euro. – Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit. (Abg. Lausch: Genau! Richtig!)

Der Einsatz hat gravierende Mängel im System aufgezeigt, die es jetzt zu beheben gilt. Im Ausschuss hat die Frau Ministerin gesagt, dass dieser Assistenzeinsatz eine


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„Kraftanstrengung im Ressort“ erfordert hat. Also diese Aussage halte ich für ein Armuts­zeugnis. Wenn so ein kleiner Einsatz – nur 13 Kompanien und so ein Low-Level-Einsatz, ein Covid-Einsatz – bereits eine Herausforderung für das Ministerium darstellt, dann möchte ich mir nicht ausmalen, wie Sie überfordert gewesen wären, wenn Sie den Ein­satz nicht so langfristig hätten planen können und wenn es sich um einen etwas robus­teren Einsatz gehandelt hätte.

Frau Bundesminister, Sie wissen ganz genau, dass wir zwar laut unserer Verfassung ein Milizsystem haben, dass wir diese Verfassungsbestimmung aber derzeit nicht umgesetzt haben. Daher fordere ich Sie wieder einmal auf: Bitte beenden Sie diesen rechtswidrigen Zustand, stellen Sie den verfassungskonformen Zustand wieder her – so wie es ja ei­gentlich auch in Ihrem eigenen Regierungsprogramm stehen würde – und führen Sie die verpflichtenden Milizübungen ein, die Ihr Vorvorgänger Günther Platter seinerzeit abge­schafft hat!

Eine Miliz, die nicht regelmäßig übt, ist keine Miliz, und da gehören eben auch die Mann­schaftsdienstgrade dazu. Alle anderen Maßnahmen zur Stärkung der Miliz sind ohne verpflichtende Milizübungen lediglich scheinheilige Lippenbekenntnisse und untaugliche Alibiaktionen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.56


16.56.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Nein.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, frage ich die Klubs, ob eine Sitzungsunterbrechung gewünscht wird. – Gut, dann können wir zur Abstimmung kommen.

Abstimmung über die dem Ausschussbericht 390 der Beilagen angeschlossene Ent­schließung betreffend „Evaluierung des Milizeinsatzes“.

Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (106/E)

16.57.457. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 5, 8, 16, 20 und 23 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 1, 10, 14 bis 16, 23 und 24 (401 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Prinz. – Bitte.


16.58.13

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Sitzung des Petitionsausschusses am 7. Oktober haben wir 40 Petitionen und 24 Bürgerinitiativen zu behandeln gehabt. Sie alle widerspiegeln die Anliegen der Bevölkerung, deren wir uns mit Augenmaß und auch mit Umsicht sozusagen annehmen. Dass nicht mehr als letztlich drei Anliegen den Fachausschüssen zugewiesen und neun heute von uns zur Kenntnis genommen werden, hängt auch damit zusammen, dass na­türlich zu vielen Petitionen und Bürgerinitiativen bis zur nächsten Ausschusssitzung auch verschiedenste Stellungnahmen eingeholt werden und sie erst dann wieder weiterbe­handelt werden können.

Gegenstand einer dieser Kenntnisnahmen, die mit Stimmenmehrheit beschlossen wurde, ist eine Petition des Kollegen Muchitsch, in der es um die Abschaffung der Notstandshilfe


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geht. Kollege Muchitsch wollte ja noch unbedingt, dass diese Petition im Sozialaus­schuss behandelt wird, obwohl aus den Stellungnahmen hinreichend ersichtlich war, dass eine Abschaffung überhaupt nicht zur Diskussion steht. Eigentlich hätte ein Blick ins Regierungsübereinkommen genügt, und diese Petition hätte sich schon als überflüs­sig herausgestellt.

Im Übrigen darf man Kollegen Muchitsch schon sagen: Es passt nicht ganz zusammen, wenn man eine Petition genau zu jenem Thema einreicht, das man eigentlich selbst sehr belobigt hat, als wir nämlich die Notstandshilfe für das heurige Jahr auf die Höhe der Arbeitslosenunterstützung angehoben haben, damit eben die Menschen in der corona­bedingten Situation entsprechend bessergestellt sind. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Wir sind nicht dafür, dass wir Themen am Köcheln halten, deren Behandlung eigentlich gar nicht mehr notwendig ist, weil sie sich erübrigt haben.

Bei zwei Bürgerinitiativen, die auf Wunsch der SPÖ in den Sozialausschuss hätten wan­dern sollen, hat es sich ähnlich verhalten. Da gibt es einen mit einer Bürgerinitiative in­haltlich identen Antrag des Kollegen Muchitsch, nämlich den Antrag 140/A. Bei der Bür­gerinitiative geht es um die „Verfassungsrechtliche Absicherung des solidarischen ge­setzlichen Pensionssystems nach dem Umlageverfahren“. Im Sozialausschuss ist das ja wirklich umfassend behandelt worden, es gab im Rahmen der Ausschussbegutach­tung zwölf Stellungnahmen. Wenn man das Thema schon so intensiv behandelt hat, ist es nicht wirklich notwendig, es noch einmal in den Ausschuss zu schicken.

Eine Bemerkung sei aber schon erlaubt: Für uns ist das Altern in Würde ein wichtiger Punkt, und dazu gehört natürlich auch der finanzielle Aspekt. Wir arbeiten daran, aber ein völliges Umkrempeln des Systems halten wir für nicht zielführend. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Man sieht gleichzeitig, dass wir zwei Bürgerinitiativen aus dem Sozialbereich sehr wohl dem Fachausschuss zugewiesen haben. Es geht dabei zum einen um eine Bürgerinitia­tive betreffend die Nachtgutstunden für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sozial­bereich, also zum Beispiel im Pflegebereich, und zum anderen um Menschen mit Behin­derung. Wir glauben, dass es sinnvoll ist, dass diese Themen im zuständigen Fachaus­schuss vertieft und weiter diskutiert werden. Dieses Ersuchen auf Zuweisung haben wir auch einstimmig beschlossen.

Wenn man die letzte Sitzung Revue passieren lässt, merkt man durchaus, dass wir die Themen sehr umsichtig behandeln und natürlich genau überlegen, was abgeschlossen werden kann, was noch weiter diskutiert werden muss und zu welchen Themen noch Stellungnahmen eingeholt werden sollten. Es gibt ja durchaus auch Dinge, die sich in der Zwischenzeit weiterentwickelt haben: Kollege Gahr hatte eine Petition betreffend die Polizeiinspektion Zirl eingebracht, mit der deren Modernisierung gefordert wurde – diese ist mittlerweile im Laufen, er wird dazu sicherlich noch etwas sagen. So gesehen meine ich, dass im Petitionsausschuss auch in der letzten Sitzung wieder sehr konstruktiv gear­beitet wurde. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.01


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte.


17.02.02

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Anmerkung zu einem anderen Thema machen, weil ich gerade so ver­wundert bin. Ich war ja in der letzten Gesetzgebungsperiode im Volksanwaltschaftsaus­schuss und bin in dieser Periode im Rechnungshofausschuss sowie im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen, und ich kann mit dieser Uhrzeit gar nicht umgehen, dass


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 64

nämlich um 17 Uhr Themen aus diesem – meiner Meinung doch sehr wichtigen – Aus­schuss behandelt werden. Normalerweise sind das immer die Ausschüsse, deren Inhalte wir – eh heute auch – am Ende der Tagesordnung ansetzen, heute ist die Tagesordnung halt schon ein bisschen früher erschöpft.

Mein Appell an alle Parteien, auch an meine eigene, wäre deshalb, über die Gestaltung der Tagesordnung nachzudenken, was die Berichte aus diesen Ausschüssen angeht. Muss man die Debatte über die Berichte aus dem Petitionsausschuss immer ans Ende der Tagesordnung setzen oder könnte man sie nicht ganz bewusst weitaus früher anset­zen? Es geht da wirklich um berechtigte Bürgerinnen- und Bürgeranliegen, und da geht es halt auch darum, dass man die sozusagen zu einer christlichen Zeit behandelt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

Ich möchte jetzt konkret zu einer Bürgerinitiative sprechen, und zwar zu jener „Gegen Bankomatgebühren – für einen unentgeltlichen Zugang zum eigenen Bargeld in Öster­reich!“. Im Jahr 2018 hat ja der Verfassungsgerichtshof das betreffende Gesetz der rot-schwarzen Regierung aufgehoben, und seitdem befinden wir uns in dieser Frage ein bisschen im luftleeren Raum. An dieser Stelle sei auch an die Adresse der FPÖ gesagt: Solange Sie in der Regierung waren, haben Sie leider im Konsumentenschutzausschuss und darüber hinaus nicht sonderlich viele Aktivitäten gesetzt, diesbezüglich Reparaturen vorzunehmen.

Jetzt scheint es mit der ÖVP in diese Richtung weiterzugehen – eh klar –, nur mit einem anderen Koalitionspartner. Mittlerweile warten wir seit drei Jahren auf eine Reparatur, damit auch zukünftig gewährleistet ist, dass man sich sein Geld nach wie vor ohne Ge­bühren vom Bankomaten holen kann.

Wir wissen, dass es bei uns in den Großstädten, zum Beispiel in Wien, erst langsam beginnt – aber ich war dieses Jahr, noch vor Corona, in Berlin, und wenn man dort Bar­geld abheben will, dann muss man schon sehr, sehr lange suchen, um überhaupt noch einen Bankomat zu finden, bei dem man keine Gebühren für sein eigenes Bargeld be­zahlt. Um diese Entwicklung von Beginn an zu stoppen, meine ich, ist es wichtig, dass das Parlament jetzt aktiv wird. Ich bedanke mich auch bei allen Mitgliedern des Peti­tionsausschusses, die dafür gesorgt haben, dass diese Petition jetzt eben weiter in den Ausschuss für Konsumentenschutz geht.

Ich erinnere mich leider an die letzte Sitzung des Konsumentenschutzausschusses: Ich würde mich wirklich freuen, wenn dort dann nicht das Begräbnis erster Klasse stattfindet, indem der Antrag vertagt wird, sondern dass wirklich ernsthaft über dieses Thema dis­kutiert wird. Man muss das wirklich angehen, eine gesetzliche Regelung einzuführen, weil, wie ich glaube, wir alle hier im Parlament einen Auftrag haben, nämlich Politik für Bürgerinnen und Bürger zu machen, nicht für die Bankenlobby. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.


17.05.42

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Bürgerinitiative betreffend „‚Nachtgutstunden‘ für alle ArbeitnehmerInnen in Pflegeeinrichtungen“ tritt dafür ein, dass es zu einer Gleichstellung von Pflegerinnen und Pflegern im Nachtdienst kommt. Das Anliegen wird sicherlich von vielen, wenn nicht von allen hier im Hause unterstützt. Worum geht es dabei? – Es geht um die Gewährung von 2 Stunden Zeitguthaben für geleistete Nachtdienste, wenn diese zumindest 6 Stunden am Stück gedauert haben, unter der Bedingung, dass mehr als ein Drittel der Dienstzeit direkt am Patienten verbracht wird, und dies in einer Krankenanstalt oder in einer Pflegestation in einem Pflegeheim.


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Woran spießt es sich? – Es spießt sich an einer Formulierung im Nachtschwerarbeits­gesetz. Wie oben erwähnt, braucht es für die Nachtgutstunden eine Pflegestation in ei­nem Pflegeheim. Pflegestationen gibt es wiederum nur für Patienten der Pflegestufe 4 und aufwärts, und nicht alle Pflegeheime bieten eine solche Station an. Das nehmen viele Pflegeheimbetreiber zum Anlass, Pflegern im Nachtdienst diese Zulage zu versagen.

Wir halten die Forderung der Bürgerinitiative für begründet und unterstützen sie vollin­haltlich, denn auch Personen in Heimen ohne Pflegestation brauchen Zuwendung und Pflege während der Nachtzeit. Man muss wissen: Das Eintrittsalter von Personen in Hei­me steigt, und auch die Zahl der Demenzerkrankungen nimmt zu, das ist empirisch nachweisbar. Nicht alle sind auf Stufe 4 oder darüber eingestuft – aber auch Personen unter Stufe 4 brauchen diese Pflege und Zuwendung. Den Initiatoren dieser Initiative ist daher beizupflichten, dass es zu einer Novellierung dieses Bundesgesetzes kommen muss.

Interessant ist die Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Ju­gend. In dieser Stellungnahme werden verschiedene Formulierungen aus den Landes­gesetzen aufgezählt und zitiert und dann wird der gute Rat erteilt, man möge doch mit den Ländern in Verhandlung treten. Genau das ist aber das Problem: Dieselben Leis­tungen werden in einem Bundesland gewährt und im Nachbarbundesland dann nicht, daher braucht es eben diese Bundesbestimmung.

Meine Damen und Herren, das Coronageklatsche war eine nette Aktion, aber niemand, der in der Pflege arbeitet, hat davon auf Dauer etwas. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Reden wir mit den Damen und Herren in der Pflege: Die wollen Anerkennung und eine österreichweite Gleichbehandlung. Unserer Meinung nach braucht es eine Neufestset­zung des Pflegegeldes, eine Evaluierung der Einstufungen, die Möglichkeit einer dau­erhaften Pflegekarenz für pflegende Angehörige und eine Verbesserung der Rahmenbe­dingungen für Personen in der Pflege insgesamt. Ich habe daher persönlich eine Petition eingebracht, um endlich Schwung in die Sache zu bringen und auch die Regierungspar­teien daran zu erinnern, dass dieses Thema im Regierungsprogramm steht. Es geht schließlich um unsere ältere Generation, und die hat wirklich Besseres verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte.


17.09.04

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Wenn wir uns die Petitionen im Ausschuss anschauen, wird eines schnell klar: Unsere Gemeinden erfüllen teilweise nicht mehr das, was wir Bürge­rinnen und Bürger uns wünschen. Es ist die Regionalität, die so nicht mehr funktioniert, und bei der, meine ich, wir als Republik Österreich aufgefordert sind, auf der einen Seite ausreichend zu investieren und auf der anderen Seite Lenkungsmaßnahmen zu setzen.

Zwei Beispiele möchte ich herausgreifen. Erstens: die Polizeiinspektionen, im konkreten Fall ist das die Polizeiinspektion Zirl. Durch den motorisierten Verkehr, durch Autobahn­anbindungen, durch Schwerverkehr wird es immer wichtiger, dass der Straßenverkehr gut kontrolliert wird. Diese Initiative zeigt, dass es wichtig ist, dass man in den Bereich der Polizei ausreichend investiert. Wie auch heute schon bei der Budgetrede angespro­chen wurde: Im Jahr 2021 werden wir das Polizeibudget um rund 7 Prozent erhöhen, und das ist gut so, denn in die Sicherheit im Straßenverkehr müssen wir entsprechend investieren. Dafür braucht es Polizistinnen und Polizisten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Es braucht auch barrierefreie Polizeiinspektionen, denn es nützt nichts, wenn jemand Hilfe braucht, aber keine Hilfe rufen kann, weil er die Polizeiinspektion nicht erreichen kann, weil diese geschlossen oder nicht barrierefrei zugänglich ist. Das ist das eine.

Das Zweite ist: Wenn wir Regionalität wollen, dann müssen wir auch Zugang zu unserem Bargeld haben, und deswegen ist es wichtig, dass Bankomaten gerade in den Regionen, wo es keine Greißler, keine Geschäfte mehr gibt, erhalten bleiben. Es ist wichtig, dass der bargeldlose Verkehr möglich ist und dass auch investiert wird, um Onlinezugänge leichter zu machen. Auf der anderen Seite ist aber es ganz richtig und gescheit, dass es zum Beispiel Cashbackmöglichkeiten gibt, dass man im Gasthaus Geld bekommen kann, dass es die Möglichkeit von Banktagen auf Gemeindeämtern gibt, aber auch dass Bankomaten zur kostenlosen Behebung zur Verfügung stehen und dass dieses Angebot nicht ausgedünnt wird.

Zum letzten Punkt: Ich glaube, es ist wichtig und richtig, und das hat heute auch unser Budget gezeigt, dass wir in die Gemeinden investieren; denn, wenn die Gemeinden aus­reichend finanzielle Möglichkeiten haben, dann können sie auch Schwierigkeiten abfe­dern. In unserer Gemeinde zum Beispiel haben wir einen Euronet-Bankomaten, für den die Gemeinde die Gebühr zahlt, sodass unsere Bürgerinnen/Bürger gratis abheben kön­nen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


17.12.39

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir hatten zuletzt eine sehr span­nende und arbeitsreiche Sitzung des Petitionsausschusses mit über 60 Tagesordnungs­punkten. Es war ein inhaltlich sehr breites Spektrum. Ich denke, dass es eine sehr gute Sitzung war, weil wir tatsächlich ganz konkrete Dinge weiterbekommen haben.

Wir haben schon von meinen Vorrednern gehört, dass die Modernisierung einer Polizei­inspektion in Zirl angeschoben worden ist. Da sehe ich einen Zusammenhang mit dem Petitionsausschuss. Ich darf an meinen Kollegen Yannick Shetty erinnern, der ja eine Petition zur Aufhebung der Diskriminierung von Homosexuellen beim Blutspenden ein­gebracht hat. Da hat anscheinend alleine das Einbringen der Petition beim Gesundheits­minister Wunder bewirkt.

Auch bei anderen Bürgerinitiativen ist aber ganz konkret etwas weitergegangen, wie bei­spielsweise bei einer Bürgerinitiative, die sich mit der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die Gesetzgebung beschäftigt hat, die jetzt in den Fachausschuss weitergegangen ist. Das Thema Bankomatgebühren wurde schon angesprochen. Wir haben also konkrete Bürgeranliegen inhaltlich debattiert, Unterlagen von den Ministerien bekommen, und bei mehreren Wünschen, bei mehreren konkreten Anliegen ist es gelun­gen, zu Lösungen zu kommen oder diese an den Fachausschuss weiterzugeben.

Ich finde, es ist eine schöne Nachricht für das Hohe Haus, ganz unabhängig von der Fraktion, dass Bürgeranliegen ernst genommen werden. Das kann man als Anlass dafür nehmen, diesem Ausschuss mehr Vertrauen entgegenzubringen und weitere konkrete Maßnahmen zu setzen, um ihn entsprechend aufzuwerten.

Ein BürgerInnenausschuss, an dem die BürgerInnen nicht teilnehmen können, ist ein recht lahmer Petitionsausschuss. Ich finde, das wäre der perfekte Ausschuss, um die Öffnung der Ausschüsse tatsächlich einmal zu probieren – das ist ein Wunsch, den ich gerne jedes Mal hier im Hohes Haus deponiere. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der Grünen.)


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In diesem Sinne darf ich Sie, geschätzte Bürgerinnen und Bürger, so Sie uns heute bei der Debatte zuschauen, dazu einladen, dass Sie sich mit Ihren Anliegen direkt an das Hohe Haus wenden. Es braucht dafür schon lange kein Parteibuch mehr, und die Chan­cen stehen gut, direkt gehört zu werden. Wir zählen auf Sie. Einen schönen Abend! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.15


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carina Reiter. – Bitte.


17.15.10

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer daheim und oben auf der Galerie! Meine Vorredner sind bereits auf einige Bürgerinitiativen und Petitionen einge­gangen. Die Petition betreffend „Verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte im Bereich Klima und Energie“ möchte ich jetzt noch einmal hervorheben. Die Petition ist vom Pongauer Energie-Center angestoßen worden, da der Klima- und Energiefonds Bundeskompetenz ist. Der Klima- und Energiefonds hat die Aufgabe, mit seinen unter­schiedlichen Programmen und Initiativen Unterstützungsarbeit zu leisten, damit wir das gesetzte Ziel unserer Bundesregierung von CO2-Neutralität bis 2040 erreichen können.

Es handelt sich um ein extrem hochgestecktes Ziel, dessen müssen wir uns bewusst sein. Dementsprechend müssen wir auch konsequent darauf hinarbeiten, ohne die Bo­denhaftung zu verlieren. Die Kernaufgabe des Fonds ist es, direkt zu den Menschen vor Ort in den Gemeinden, in den Regionen und in den Städten Brücken zu bauen, um in­novative Lösungen und Technologien aus Österreich zu unterstützen und diese schnell auf den Markt zu bringen. Die Maßnahmen und Initiativen, die durch diese Mittel unter­stützt und gefördert werden, sind äußerst vielfältig und decken zahlreiche wichtige Be­reiche ab: von der Energiewende mit Förderungen im Bereich Solar- und Fotovoltaik sowie Wärmedämmung über die Mobilitätswende hin zu Forschungsprogrammen im Bereich Entwicklung, die gefördert werden. Auch die Bewusstseinsbildung im Zeichen, Menschen zu motivieren, anstatt sie zu bevormunden, ist ein wichtiger Teil des Fonds. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Unterstützt werden konkrete Umsetzungsbeispiele für die Stadt der Zukunft. Dabei wer­den etwa Projekte in 36 Smartcities und 6 Smart Urban Regions, beispielsweise in der Stadt Salzburg, in Hallein oder in Zell am See, umgesetzt, die insgesamt rund 4 Millionen Menschen betreffen. Für unsere Regionen wird auch die Möglichkeit geboten, sich als Klima- und Energiemodellregion zu bewerben. Es gibt bereits 96 solcher Regionen in 841 Gemeinden, die Klimaschutzprojekte umsetzen.

Die Ausschreibung ist übrigens noch bis 23. Oktober offen, für all jene, die Interesse daran haben. Bei uns in Salzburg sind bereits das Saalachtal, der Oberpinzgau und der Lungau solche Regionen, und da bietet sich auf jeden Fall eine große Chance, sich zu vernetzen, Synergieeffekte zu nutzen und Wissen auszutauschen.

Wie bereits erwähnt, ist es die Aufgabe des Klima- und Energiefonds, Brücken zu bauen. Man muss an der Basis anfangen, da bin ich wieder bei den Gemeinden und Regionen, bei den Bürgerinnen und Bürgern. Da kann viel gemacht werden. Die nötigen Unterstüt­zungs- und Förderinstrumente gibt es, und diese müssen – und werden es auch – immer wieder adaptiert und weiterentwickelt werden. Klimaschutz ist ein lebendiger Prozess, der nur gemeinsam gelingen kann. Es braucht die großen Maßnahmen genauso wie die kleinen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Es braucht auch die richtigen Instrumente, um Beteiligung am Klimaschutz zu ermöglichen und zu fördern. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 68

17.18.39

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher! Wir haben schon gehört, dass wir im Ausschuss umfangreiche Pe­titionen und Bürgerinitiativen bearbeitet haben, insgesamt 64, und das zeigt, wie wichtig den Österreicherinnen und Österreichern ihre Anliegen sind und wie die Bürgerbeteili­gung in Österreich funktioniert – und das ist auch gut so.

418 UnterstützerInnen hat die Petition „NEIN zur Abschaffung der Notstandshilfe“ ge­habt, die wir heute leider enderledigen. Die SPÖ wollte über diese Petition im Sozial­ausschuss weiterdiskutieren, aber dafür fand sich leider keine Mehrheit. Zur Erläuterung: Es gibt viele Fälle, bei denen eine Abschaffung der Notstandshilfe und der daraus fol­gende Bezug der Sozialhilfe – vorherige Mindestsicherung – gravierende Folgen für die betroffenen Familien hätte. Ein Beispiel aus meinem Alltag, das bei mir auf dem Schreib­tisch gelandet ist, ist Klaus. Er hat aufgrund der Coronakrise mit 59 Jahren seinen Job verloren. Während seiner 20-jährigen Betriebszugehörigkeit hat er jeden Cent gespart, damit er seine behinderten Zwillinge bestmöglich absichern kann. Sollte die Notstands­hilfe abgeschafft werden, müsste er dieses gesamte gesparte Geld aufbrauchen, bevor er Anspruch auf Sozialhilfe hat. Für Menschen wie Klaus wäre die Abschaffung der Not­standshilfe eine persönliche Katastrophe. Gerade in diesen unsicheren Zeiten braucht es ein klares Bekenntnis zu unserem sozialen Sicherheitsnetz, zu unserem Sicherungs­netz, und dazu gehört auch die Notstandshilfe. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Familien und im besonderen Ausmaß Frauen sind in der Coronakrise stark belastet. Die Mehrfachbelastungen, das haben wir schon ganz oft gehört, lasten auf den Schultern der Frauen: Homeoffice, Homeschooling, Sorge um Angehörige, die vielleicht erkranken, die Risikogruppen sind, und auch die Angst vor dem Jobverlust ist enorm. Damit Frauen nicht überproportional von den Auswirkungen der Krise betroffen sind, braucht es ein umfassendes Maßnahmenpaket. Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate, die Verlängerung der Bezugs­dauer und die Erhöhung der Notstandshilfe sind dafür notwendige Maßnahmen, und auch die Beratungseinrichtungen, die viel stärkeren Zulauf haben, brauchen deutlich mehr finanzielle Mittel. (Beifall bei der SPÖ.)

AlleinerzieherInnen und andere besonders betroffene Gruppen brauchen individuelle und rasche Hilfe. Dafür brauchen wir breite Unterstützung der Petition „Die Corona-Krise darf nicht auf Kosten von Frauen gehen“, und das ist jederzeit möglich und notwendig. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Weratsch­nig. – Bitte.


17.21.43

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Werte Abgeordnete! Der Petitionsausschuss ist ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Instrument zur BürgerInnenbeteiligung: 64 Tagesordnungspunkte, 76 Be­schlüsse auf Einholung einer Stellungnahme wurden gefasst, Expertenwissen wird ein­gebracht und behandelt. Die Petition zur Polizeiinspektion Zirl, eingebracht von Abge­ordnetem Hermann Gahr, ist, glaube ich, ein Beispiel dafür, dass BürgerInnen, dass Gemeinden gehört werden, dass eine Petition wirksam ist, dass Änderungen auch mög­lich sind.

An dieser Stelle auch ein Danke an die Marktgemeinde Zirl, auch an den Gemeinderat und an den Bürgermeister Thomas Öfner, an die Gemeinde, die sich sehr stark einge­setzt und um diese Daseinsvorsorge in Tirol gekämpft hat.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 69

Es ist unsere Aufgabe, werte Abgeordnete, für Daseinsvorsorge da zu sein, Daseinsvor­sorge zu unterstützen. Die Nahversorgung durch Blaulichtorganisationen muss gesichert bleiben, und da braucht es Unterstützung auf allen Ebenen, nicht nur für Gebäude und für einen Fuhrpark, sondern natürlich auch für die Bereitstellung des notwendigen Per­sonals. Die Polizeiinspektion wird nicht verlegt, Planung und Herstellung sind auf jeden Fall im Laufen.

Die zweite Petition, die, glaube ich, ganz interessant und wichtig ist, wenn es um die Klima- und Energieziele geht, ist die Petition aus dem Pongau – die Kollegin hat es be­reits angesprochen –, eine ganz wichtige Initiative, wenn es auch Projekte gibt, die ein­gereicht werden. Kurz zur Erinnerung: In den letzten zwölf Jahren, seit es den Klima- und Energiefonds gibt, sind 144 000 Projekte eingereicht und abgewickelt worden. Das ist ein wesentlicher Beitrag für die Energiewende, und im Budget – weil wir heute ja das Budget für 2020 im Auge gehabt haben, gerade was die Ausstattung des Klima- und Energiefonds betrifft – stehen 158 Millionen Euro, 58 Millionen Euro mehr im Vergleich zu vorher, für die Energiewende, für den Klima- und Energiefonds bereit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich, im Fall der Petition gibt es auch die Notwendigkeit, dass ein Finanzkonzept vorgelegt wird, dass Projektrisiken und auch die klima- und energiepolitischen Ziele aus­reichend dargestellt werden. Da hat es bei diesem konkreten Antrag Probleme gegeben, und ich hoffe, dass bei einer Neueinreichung, bei einer weiteren Beschäftigung auch dieses Projekt zum Zug kommt.

Als Letztes zum Thema Mautbefreiung: Wie ihr wisst, haben wir hier im Hohen Haus im November 2019 bereits vier Mautbefreiungen beschlossen. Für weitere Mautbefreiun­gen wie auch die hier vorliegende braucht es, glaube ich, eine Evaluierung, was die Wirkungsziele anbelangt: Wie haben diese Mautbefreiungen gewirkt, insbesondere na­türlich die Mautbefreiung in Kufstein? Welche Schlüsse lassen sich daraus ableiten und auch interpretieren? Dann ist es, glaube ich, möglich, dass man sich mit diesem Wis­sensschatz und mit dieser Erfahrung auch weitere Mautbefreiungen, weitere Maßnah­men auch im untergeordneten Straßensystem anschaut, sie evaluiert, prüft und dement­sprechende Maßnahmen umsetzt.

Danke für die gute Zusammenarbeit mit dem Obmann des Petitionsausschusses und mit allen Kolleginnen und Kollegen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

17.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


17.26.00

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gestern Abend in meiner Rede schon erwähnt, dass wir mit un­serer parlamentarischen Petition zum Ende des Blutspendeverbots für homo- und bise­xuelle Männer einen großen Erfolg erzielen konnten, auch wenn die Petition vielleicht nicht direkt, aber auf indirektem Weg dazu geführt hat. Ich darf, weil gestern die Gele­genheit nicht mehr da war, vielleicht bei der Chronologie etwas nachhelfen, weil man den Eindruck hat, dass Kollegin Dziedzic hier draußen leichte Gedächtnisausfälle hatte und, wie ich finde (Abg. Strasser: He! He! Das ist echt - -! – Abg. Haubner: ... überheb­lich!), ziemlich - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie, sich in der Ausdrucks­weise zu mäßigen und das zurückzunehmen.


Abgeordneter Yannick Shetty (fortsetzend): Ja, gut. Es war mein Eindruck, dass das aus ihrem Gedächtnis zumindest nicht mehr ganz dem entsprochen hat, wie es tatsäch­lich passiert ist. Ich finde, dass sie sich auch – nämlich die Frau Kollegin, die da niemand


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gerügt hat – ziemlich im Ton vergriffen hat und sich den überheblichen Regierungs­sprech der ÖVP angeeignet hat.

Also vielleicht nochmals zu den Fakten, wie die Grünen sich in puncto Blutspendeverbot verhalten haben: Erstens, im Frühjahr haben wir eine Anfrage an Bundesminister An­schober gestellt. Da lautete die Antwort, nein, er sieht keine Diskriminierung bei der Blut­spende, eine Evaluierung der Regelung ist nicht notwendig.

Zweiter Schritt: Wir als NEOS haben im Juli eine parlamentarische Petition gestartet, die innerhalb weniger Tage über 2 000 Unterstützungen bekommen hat und mittlerweile üb­rigens die erfolgreichste parlamentarische Petition in dieser Gesetzgebungsperiode ist.

Auf diese Petition hat, drittens, Bundesminister Anschober vor zwei Wochen in einer Stellungnahme geantwortet: In der Blutspenderverordnung ist keine Diskriminierung vor­handen und er sieht keine Notwendigkeit der Änderung der Blutspenderverordnung.

Viertens ist dann der Druck eine Woche vor der Wienwahl vermutlich auch parteiintern so groß geworden, dass er sechs Tage vor der Wienwahl eingelenkt und eine 180-Grad-Drehung hingelegt hat. Wir haben natürlich auch bewusst dieses Zeitfenster ausgenutzt, weil uns schon klar war, dass es sich für die Grünen vermutlich nicht ausgehen wird, zu plakatieren: „Wer macht Equality, wenn nicht wir“, und gleichzeitig bei diesem Thema auf der Bremse zu stehen.

Das heißt, dieses Thema ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Grünen eben sehr wohl den Druck aus der Opposition, aus der Zivilgesellschaft brauchen, damit auch wirklich etwas weitergeht.

Gerade in Zeiten von Corona ist ein Ende dieses Blutspenderverbots auch essenziell, weil wir auf jede Blutspende, vor allem auch auf die Blutplasmaspenden, angewiesen sind und wir deswegen nicht auf generell abstrakte Merkmale abstellen sollten, sondern auf das individuelle Risikoverhalten. Auch der Europäische Gerichtshof hat schon ge­urteilt, dass der generelle Ausschluss von homo- und bisexuellen Männern von der Blut­spende unionsrechtswidrig ist, also besteht auch eine rechtliche Notwendigkeit, dass wir da handeln.

Fünf Tage vor der Wienwahl hat Anschober eine 180-Grad-Wendung hingelegt und dann eine Aussendung ausgeschickt, mit dem Text: „Diskriminierungsfreie Blutspende soll möglich sein“, und zwar noch in diesem Jahr. Wir wissen aber leider, dass Bundesminis­ter Anschober Ankündigungs- und nicht Umsetzungsweltmeister ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Kollege Loacker kann da in anderen Kontexten ein Lied davon singen. Es ist also ein erster Erfolg, dass Anschober das ankündigt, aber wir wollen eine Verbindlichkeit für Anschober herstellen, und deswegen bringe ich – üb­rigens im Wortlaut der Aussendung – heute folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der diskriminierungsfreien Blutspende bis Jahresende 2020“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die diskriminierungsfreie Blutspende, wie von ihm am 06. Oktober angekündigt, bis spätestens 31. Dezember 2020 umzusetzen und den standardisierten Fragebogen entsprechend anzupassen, sodass fortan auf das individuelle Risikoverhalten einer Person abgestellt wird und nicht pauschal auf die se­xuelle Orientierung.“

*****


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Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umsetzung der diskriminierungsfreien Blutspende bis Jahresende 2020

eingebracht im Zuge der Debatte in der 58. Sitzung des Nationalrats über Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 5, 8, 16, 20 und 23 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 1, 10, 14 bis 16, 23 und 24 (401d.B.)– TOP 7

Am vergangenen Dienstag, den 06. Oktober 2020, hat Gesundheitsminister Rudolf An­schober in einer Presseaussendung überraschend bekannt gegeben, bis Ende des Jah­res die diskriminierungsfreie Blutspende umzusetzen. NEOS haben hierzu im Juni eine parlamentarische Petition mit dem Namen "Blutspende öffnen - Leben retten!" (PET/19) eingebracht, die derzeit im Petitionsausschuss behandelt wird und die rasch zur erfolg­reichsten Petition der Gesetzgebungsperiode wurde. Bundesminister Anschober möchte sich nun doch unter der Prämisse der Blutsicherheit fortan dafür einsetzen, zur Beurtei­lung des sexuellen Risikoverhaltens das "individuelle Verhalten der Spenderinnen und Spender" heranzuziehen und nicht lediglich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe abzustellen. Er habe daher die Blutkommission beauftragt, die Ausschlusskrite­rien für die Blutspende zu überarbeiten und Vorschläge zu erbringen, wie fortan eine vollkommen diskriminierungsfreie Blutspende ermöglicht werden kann - die Anpassung soll noch in diesem Jahr vorgenommen werden.

Es handelt sich hierbei um einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung der LGBTIQ-Community, der längst überfällig war und dessen Umsetzung sehr zu begrüßen ist. Nun gilt es im Namen der Betroffenen, für eine zuverlässige und rasche Umsetzung der Ankündigung bis Jahresende zu sorgen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die diskriminierungsfreie Blutspende, wie von ihm am 06. Oktober angekündigt, bis spätestens 31. Dezember 2020 umzusetzen und den standardisierten Fragebogen entsprechend anzupassen, sodass fortan auf das individuelle Risikoverhalten einer Person abgestellt wird und nicht pauschal auf die sexuelle Orientierung."

*****


Präsidentin Doris Bures: Dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte.


17.30.00

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Im Sammelbericht finden sich auch zwei Bürgerinitiativen zum Thema


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Pensionen, auf die ich kurz eingehen möchte. Pensionspolitik ist, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so ausschaut, Jugendpolitik in Reinform. Eine nachhaltige Pensions­politik ist ganz klar eine Frage der Generationengerechtigkeit.

Die gute Nachricht vorweg: Wir Österreicherinnen und Österreicher leben immer länger. Die Lebenserwartung ist seit den Siebzigerjahren um mehr als 7 Jahre gestiegen, und das ist auch gut so. Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass sich unser Pensionssys­tem seither kaum verändert hat. Haben die Menschen früher 16 Jahre in Pension ver­bracht, sind es mittlerweile über 24 Jahre. Der Durchschnittsösterreicher ist also so lan­ge in Pension, wie ich mittlerweile auf dieser Welt bin.

Basis für ein gutes Pensionssystem ist ein funktionierender Generationenvertrag. Ob dieser Generationenvertrag in seiner derzeitigen Form aufrechterhalten werden kann, ist in meinen Augen eine berechtigte Frage. Das österreichische Pensionssystem ist grund­sätzlich ein Umlagesystem. Die heute Erwerbstätigen kommen für die Pensionen von heute auf, immer mit der Abmachung, dass für sie einmal die nachkommenden Genera­tionen ebenso die Pensionsbeiträge bezahlen. Schon heute springt aber der Bund für fehlende Pensionsbeiträge ein und schießt jährlich mehr als 20 Milliarden Euro zu, und die Tendenz ist stark steigend. (Abg. Loacker: Ihr beschließt ja Pensionsgeschenke!) Die Zahl der Erwerbstätigen sinkt weiterhin, während gleichzeitig die Zahl der Pensionis­tinnen und Pensionisten steigt.

Wir als Volkspartei bekennen uns ganz klar zum Generationenvertrag. Generationenge­rechtigkeit darf aber in unseren Augen keine Einbahnstraße sein. Wir müssen in unse­rem Pensionssystem dringend Maßnahmen setzen, die das tatsächliche an das gesetz­liche Pensionsantrittsalter heranführen. Beschlüsse, wie die Wiedereinführung der ab­schlagsfreien Frühpension, sind da genau der falsche Weg (Zwischenruf des Abg. Loa­cker), und da schaue ich zu den Kolleginnen und Kollegen der SPÖ und der FPÖ. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wer früher in Pension geht, muss mit entsprechenden Abschlägen rechnen. Wer später in Pension geht, soll Zuschläge bekommen. Das müssen wir im Interesse der nächsten Generationen angehen, denn nur dann kann man von einem fairen Pensionssystem sprechen, nur dann können wir das tatsächliche Pensionsantrittsalter langfristig auf das gesetzliche anheben.

Abschließend noch ein Wort generell: Für uns als Volkspartei ist und bleibt klar, wer sein Leben lang arbeitet und ins System einzahlt, soll am Ende auch mehr bekommen. Jeder hat sich seine Pension hart erarbeitet und mehr als verdient, daher heben wir insbe­sondere auch die kleinen Pensionen deutlich an.

Genauso darf Frauen kein finanzieller Nachteil entstehen, wenn sie sich für Kinder ent­scheiden. Um die Pensionsschere und die Altersarmut, insbesondere bei Frauen, zu senken und da entgegenzuwirken, braucht es dringend und endlich ein automatisches Pensionssplitting. (Abg. Loacker: Es sind ...! Das ergibt keinen Sinn!)

Ich bin mir sicher, dass wir in der Koalition gemeinsam mit den Grünen zeitnahe die richtigen Maßnahmen setzen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte.


17.33.15

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! 64 Petitionen beziehungsweise Bürgerinitiativen gab es im letzten Ausschuss. Das ist aus demokratiepolitischer Sicht sehr erfreulich, leider schaffen es aber nicht alle Petitionen und Bürgerinitiativen in die diversen Fach­ausschüsse.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 73

Kollege Prinz von der ÖVP ist auf die Petition „NEIN zur Abschaffung der Notstandshilfe“ eingegangen und hat gesagt, das ist eigentlich kein Thema in der momentanen Regie­rungskoalition. – Das zu hören freut mich sehr. Ich kann mich aber auch erinnern, dass in der Regierung Kurz/Strache der Bundeskanzler selbst die Diskussion über die Ab­schaffung der Notstandshilfe losgetreten und Dinge wie Zugriff auf das Privatvermögen et cetera, et cetera eingebracht hat.

Wir alle wissen ganz genau: Würde die Notstandshilfe abgeschafft werden, würden die Menschen aus der Arbeitslosigkeit direkt in die Sozialhilfe und damit in die absolute Ar­mut abrutschen. Das Streichen der Notstandshilfe, wer es will und wer es anstrebt, be­kämpft nicht die Arbeitslosigkeit, sondern bekämpft die Arbeitslosen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann mich auch noch gut an die Sozialministerin erinnern, die gesagt hat, von 150 Euro monatlich kann man locker leben. Ich weiß auch, dass die ÖVP im Wahlkampf 2019 die einzige Partei war, die zur Notstandshilfe keine Stellungnahme abgegeben hat, als der Österreichische Gewerkschaftsbund alle Fraktionen abgefragt hat. Deswegen glaube ich also nicht, dass das für alle Fraktionen so eindeutig ist, dass die Notstandshilfe immer bleiben wird.

Erfreulich ist dagegen, Kollege Ries hat es schon gesagt, dass das Thema Nachtgut­stunden für die ArbeitnehmerInnen in den Pflegeeinrichtungen dem Sozialausschuss zu­gewiesen wurde. Worum geht es? – Es geht darum, dass Pflegerinnen und Pfleger, die zwischen 22 und 6 Uhr früh mindestens 6 Stunden arbeiten, eine Gutschrift von 2 Gut­stunden bekommen. Es handelt sich dabei um ein Schlupfloch im Nachtschwerarbeits­gesetz, manche Pflegeeinrichtungen – es geht konkret um Pflegestationen – legen das nicht so aus.

Wir sind der Meinung, dieses Gesetz gehört repariert. Ich hoffe, der Sozialausschuss kommt zu einer schnellen und fairen Einigung für die Beschäftigten, vor allem für die Frauen, die in Pflegeeinrichtungen beschäftigt sind, denn ausnahmslos alle Arbeitneh­merInnen in Pflegeeinrichtungen leisten Unglaubliches, und nicht nur in der Krise sind sie eine Stütze für die Gesellschaft und für das Gesundheitssystem. Aus Sicht der So­zialdemokratie sind diese Pflegerinnen und Pfleger die wahren Leistungsträger in unse­rer Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Vorrednerin ist auf das Pensionssystem eingegangen. Ich möchte dazu sagen, es gibt eine von mehr als 40 000 Menschen unterschriebene Bürgerinitiative, darin wird die verfassungsrechtliche Absicherung des solidarisch gesetzlichen Pensionssystems gefordert. Worum geht es konkret? Da geht es ja auch um junge Menschen, um die jüngere Generation. Wir alle wissen, dass das Umlagesystem im Pensionssystem we­sentlich krisensicherer als das Kapitalsystem ist. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Abg. Loacker.) Österreich ist schon oft durch Krisen gegangen, und auch Menschen, die nach 1945 in Pension gegangen sind, haben ihre Pension erhalten.

Ich habe bei dem Redebeitrag der Kollegin gerade den Eindruck gehabt, man muss sich entschuldigen, dass man 24 Jahre in Pension ist. Das war doch unser Ziel! Das war doch unser gesellschaftspolitisches Ziel, dass Menschen, die ein Leben lang arbeiten, ihren Lebensabend genießen können. Gratulation an uns alle, dass wir das geschafft haben! (Beifall bei der SPÖ.) Da es immer die Diskussion um die staatlichen Zuschüsse gibt: Die staatlichen Zuschüsse sind gemessen am Bruttoinlandsprodukt in den letzten 30 Jahren gleich geblieben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe der Abgeordneten Brandweiner und Matznetter.)

17.37


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Heike Grebien. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 74

17.37.56

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Präsidentin! Werte KollegInnen! Werte Zu­seherInnen zu Hause! In meinem heutigen Redebeitrag gehe ich auf die Bürgerinitiative betreffend die „Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen durch die österreichi­sche Gesetzgebung“ ein. Die Kritik bezieht sich auf die aktuelle Situation von Menschen mit Behinderungen aufgrund der Zuschreibung der PVA zur Arbeitsunfähigkeit oder Ar­beitsfähigkeit.

Oftmals werden Menschen mit Behinderungen sehr, sehr schnell nach Verlassen der Schule als arbeitsunfähig eingestuft. Wie Sie alle wissen, bedeutet das dann die Tages­werkstätte: Taschengeld statt Lohn. Arbeitsunfähigkeit bedeutet, keinen Anspruch auf Maßnahmen vom AMS oder anderen Berufsqualifizierungsmaßnahmen zu haben, es besteht kein Anspruch auf Krankenstand oder andere ArbeitnehmerInnenrechte, wie Gründung eines Betriebsrats. Betroffene sind damit vollkommen von Sozialleistungen abhängig und haben keine Möglichkeit, sich Vermögen anzusparen. Wie auch?

Der große Kritikpunkt in der Bürgerinitiative sind die Kriterien, anhand derer die PVA Menschen mit Behinderungen Arbeitsfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit attestiert. Diese Kriterien orientieren sich ausschließlich am medizinischen Modell von Behinderungen und nicht – wie von der UN-Behindertenrechtskonvention und von uns Grünen gefor­dert – am sozialen Modell von Behinderungen.

Für Sie zum Vergleich, dass Sie das medizinische Modell und das soziale Modell unter­scheiden können, ich gehe zuerst auf das medizinische ein: Das medizinische Modell von Behinderung sieht Behinderung als Krankheit oder körperlich festgemachte Ver­sehrtheit, die negative Folgen auf die Lebensqualität hat. Das heißt, in diesem Modell ist die Problemverortung das Individuum, der Körper des Individuums. Ein Beispiel dazu: Weil sie nicht gehen kann, kann sie nicht an der Besprechung im dritten Stock teil­nehmen.

Dagegen steht das soziale Modell von Behinderung: Eine Funktionsbeeinträchtigung führt durch gesellschaftlich ausschließende Mechanismen zur Behinderung. Anders ge­sagt: Mensch ist nicht behindert, mensch wird behindert. Da ist die Problemverortung also ganz klar im Umfeld anzuschauen, also die Barrieren, die aus der Gesellschaft kom­men und jemanden daran hindern, teilzuhaben. Ein Beispiel hierfür: Weil es keinen Lift gibt, kann sie nicht an der Besprechung teilnehmen.

Ich möchte Ihnen jetzt ein reales Beispiel geben – ich habe den Namen natürlich geän­dert –, damit Sie vielleicht ein bisschen verstehen, was das bedeutet: Frau Superwoman ist 25 Jahre jung. Sie arbeitet zwei Jahre in einer Bibliothek. In der Bibliothek hat man sie, weil keine Unterstützung vor Ort war, in den Keller gebracht. Dort wusste niemand von den anderen Angestellten, dass diese Person überhaupt da ist. Bei Fragen war nie­mand da, an den sie sich hätte wenden können, und in der Arbeitspause wurde sie ge­mobbt, weil die MitarbeiterInnen nicht geschult waren, dass das eine Frau mit Behinde­rung ist. So, dann kündigt sie, weil sie das nach zwei Jahren nicht mehr aushält, wird arbeitslos, geht zum AMS. Das AMS bemüht sich redlich, aber wie wir wissen, hindern die Stereotype über Menschen mit Behinderungen halt auch manche Firmen daran, sie anzustellen. Das AMS tut sich also schwer, sie zu vermitteln.

Was macht das AMS? – Es schickt Frau Superwoman auf die sogenannte Gesundheits­straße. Das ist die Begutachtung der PVA. Dort wollte man Frau Superwoman aufgrund ihrer Behinderung die Arbeitsunfähigkeit attestieren. – Medizinisches Modell.

Die ganze Familie ist dahinter. Sie hat tolle Jugendcoaches gehabt. Die intervenieren. Die Mutter legt Gott sei Dank Beschwerde beim Behindertenanwalt ein, und kurzfristig wird die Arbeitsunfähigkeit nicht ausgesprochen. Nach nicht einmal zwei Monaten findet Frau Superwoman alleine einen Job in der Gastronomie. Es gefällt ihr da sehr gut, sie ist nach wie vor dort.


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Stellen Sie sich jetzt vor: Hätte die PVA bereits mit den Kriterien des Sozialmodells ge­arbeitet, also Frau Superwomans Umfeld und Umwelt miteinbezogen und somit auch ihre weiteren Möglichkeiten gesehen, dann wäre es gar nicht so weit gekommen, diese Schritte zu gehen, damit sie nicht arbeitsunfähig wird.

Anhand dieses Beispiels möchte ich einfach nur an Sie appellieren, dass wir in unserer politischen Arbeit, bitte, für Menschen mit Behinderung die Türen zum Arbeitsmarkt öff­nen, dass wir ihnen Chancen geben und an ihre Potenziale glauben. Wir Grüne haben dazu in den Regierungsverhandlungen zu dieser Petition oder auf den Inhalt bezogen ja auch festgehalten, dass die Arbeitsunfähigkeit unter 24 Jahren nochmals zu prüfen ist. Es hat, wie Sie alle wissen, einen Allparteienantrag dazu gegeben.

Ebenso ist im Frühjahr 2019 auf Anregung des ATF-Beirats eine Studie zu Arbeitsunfä­higkeit und -fähigkeit bei der Uni Klagenfurt in Auftrag gegeben worden. Diese soll vo­raussichtlich im Frühjahr 2021 fertig werden. Die Zielsetzung der Studie ist, den Status quo der derzeitigen Rechtslage und die Praxis zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit und -un­fähigkeit zu erheben und Empfehlungen im Sinne der Inklusion für uns PolitikerInnen zu geben. Ich hoffe sehr, das da gute Lösungsansätze dabei sein werden.

Ich möchte ein großes ehrliches Danke an die Menschen aus Reutte aussprechen, denn sie haben diese Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Ich möchte Reutte generell für den unermüdlichen Kampf für inklusive Bildung in den letzten Jahrzehnten erwähnen.

An dieser Stelle an Sie alle noch ein Hinweis auf eine Veranstaltung, die mir, wie Sie wissen, persönlich am Herzen liegt: Wir haben nächstes Monat am 17. November unse­ren Sensibilisierungsvormittag. Ich bitte Sie: Fragen Sie doch die Menschen nach ihren Schulerfahrungen! Fragen Sie doch, wie die Arbeitserfahrungen für sie waren! Fragen Sie vor allem einfach, wie die Erfahrungen im alltäglichen Leben sind, und begegnen Sie bitte den Menschen auf Augenhöhe, ehrlich und mutig, so wie die Menschen in Reutte! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Fiedler.)

17.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte.


17.44.10

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Die Debatte zeigt, dass es eine Vielzahl und Vielfalt an Themen gibt, die direkt hierher, in das Parlament, gebracht werden. Der Petitions- und Bürgerinitiativenaus­schuss hat zuletzt intensiv getagt und 64 Petitionen und Bürgerinitiativen behandelt. Das zeigt, dass viele verschiedene Themen – Verkehr, Umwelt, Gesundheit, Soziales, Infra­struktur, Gemeindeanliegen – direkt den Weg in das Hohe Haus, in den parlamentari­schen Prozess finden – und ich glaube, das soll auch so funktionieren.

Kollege Weratschnig hat es betont: Das ist eigentlich der direkte Bürgerkontakt: Mit Peti­tionen und Bürgerinitiativen kann man direkt Bürgeranliegen einbringen, wenn man 500 Unterschriften vorlegen kann oder das direkt über einen Abgeordneten macht. Ich darf alle einladen, sich daran auch aktiv zu beteiligen.

Die Vielfalt zeigt, dass der direkte Weg gesucht wird und dass das ohne parteipolitischen Hintergrund auch ordentlich und gut funktionieren kann. Das zeigt auch unsere Arbeit im Ausschuss, weil es zum größten Teil möglich ist, dass wir uns einigen, was die Stellung­nahmen und die Hintergründe betrifft, und jede Petition oder Bürgerinitiative ordentlich behandelt wird. Danke auch an den Vorsitzenden, dass er sehr ausgleichend wirkt und uns und die Sprecher einbindet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf kurz auf eine Petition replizieren, die mir von der Marktgemeinde Zirl, von Frau Vizebürgermeister Iris Zangerl-Walser, übergeben wurde. Es ist dabei darum gegangen, dass über zehn Jahre über einen Standort einer Polizeiinspektion diskutiert wurde und


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es eigentlich keine Einigkeit gab. In der Zwischenzeit ist diese Polizeiinspektion veraltet. Sie entspricht sanitär und die Arbeitsbedingungen betreffend absolut nicht den Stan­dards. Es war jetzt an der Zeit, dass man manche Diskussionen beendet. Es wurde auch über den Standort diskutiert, darüber, ob der erhalten werden soll.

Zirl ist eine Gemeinde mit 8 700 Einwohnern, eine prosperierende Gemeinde im Tiroler Inntal. Ich glaube, dass es richtig war, da einmal den Status festzustellen, und der wurde festgestellt. In der Petition ist es eben um die Modernisierung und den Erhalt gegangen. Vom Innenministerium hat es eine kurze, aber sehr prägnante Stellungnahme gegeben: Ja, der Standort bleibt erhalten; ja, es wird eine Adaptierung dieses Standorts geben.

Ich darf mich beim Herrn Bundesminister und bei seinem Stab bedanken, dass es da eine klare Antwort und einen klaren Auftrag für die Zukunft gibt. Ich darf mich auch noch einmal bei der Frau Vizebürgermeister bedanken, dass sie das in die Hand genommen hat. Jetzt geht es darum, die Dinge umzusetzen. Diese Petition hat einen gewissen Weg geebnet. So sollen Prozesse auch funktionieren. In diesem Sinne: Allen Beteiligten vie­len Dank! Hoffentlich freuen wir uns bald, dass wir eine neue und den Anforderungen entsprechende Polizeiinspektion in Zirl bekommen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.


17.47.25

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie­be Zuseher! Leider gibt es in der Moral wie in der Religion viele Heuchler. – Das wusste schon der Philosoph Helvétius im 18. Jahrhundert. Das kommt auch bei der Bürgerinitia­tive „Freiheit für Julian Assange“ zum Ausdruck.

In puncto Heuchelei spielt sich gerade vor unseren Augen ein unwürdiges Schauspiel ab.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Wir verwenden dieses Wort nicht. Wir haben uns auch darauf geeinigt, Zitate nicht zu verwenden, in denen Wörter wie Heuch­ler und Heuchelei vorkommen. Das heißt, ich ersuche Sie, das zurückzunehmen, und Sie können in Ihrer Rede fortfahren.


Abgeordneter Robert Laimer (fortsetzend): Sprechen wir von Doppelmoral oder Dop­pelbödigkeit!

Es geht um zwei prominente Regimekritiker. Der eine hat es sich zur Aufgabe gemacht, die schwersten Kriegsverbrechen der USA aufzudecken, der andere versucht sich an der Korruptionsbekämpfung in Russland. Doch während der eine, namentlich Alexei Na­walny, nach einem Giftanschlag, dessen Urheberschaft bis dato nicht eindeutig nachge­wiesen werden konnte, wie ein hochkarätiger Staatsgast hofiert wird, wird der andere, namentlich Julian Assange, wie der Teufel höchstpersönlich behandelt.

Skandalöse Haftbedingungen, eine äußerst zweifelhafte Anklage, ein konstruierter Pro­zess und die Aussicht auf Auslieferung an die Vereinigten Staaten inklusive Todesstrafe haben aus einem investigativen Journalisten und mutigen Aufdecker einen gebrochenen Mann gemacht. Seine Berichterstattung über gezielte Tötungen von Zivilisten durch Mili­tärs war seiner Gesundheit mehr als abträglich.

Diese Doppelmoral, die da an den Tag gelegt wird, ist eigentlich menschenrechtspoli­tisch schwer bedenklich.

In diesem Kontext ist auch die Rolle der Medien allgemein zu hinterfragen. Offensichtlich macht es einen großen Unterschied, in welche Richtung man seinen politischen Aktivismus


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lenkt. Nawalny, der seine Agenda gegen den russischen Staatspräsidenten gerichtet hat, wird in der Öffentlichkeit oft wie ein Held dargestellt. Augenscheinlich stößt sich niemand in Europa daran, dass seine politischen Inhalte teilweise dumpfer nationalistischer Pro­paganda entsprechen – Hauptsache, er bedient das Feindbild Putin, denn dann ist ihm der Beifall gewiss.

Anders ist es bei Assange: Er hat seinen Fokus auf die Machenschaften von Banken, von korrupten Politikerclans, von Scientology, von Geheimdiensten und dem US-Militär gelegt – allesamt schwergewichtige Gegner. Mit Wikileaks ist es ihm gelungen, eine Ent­hüllungsplattform zu etablieren, aber im Gegensatz zu Nawalny ist Assange der Bad Boy, dem man nach dem Leben trachtet. Er hat sich die USA zum Feind gemacht, und das war sein großer Fehler.

Es ist höchst an der Zeit, dass wir die Stimme erheben, Anstand zeigen und dieser Dop­pelmoral ein Ende bereiten. Es geht um mehr als das Schicksal eines couragierten Journalisten. Es geht um Menschenrechte, es geht um Pressefreiheit, es geht um Demo­kratie, und es geht auch um Rechtsstaatlichkeit. Wenn diese Werte für uns von Bedeu­tung sind, dann müssen wir hier und heute ein Zeichen setzen. Nehmen wir die Bür­gerinitiative „Freiheit für Julian Assange – Keine politischen Gefangenen in Europa“ zum Anlass und stellen wir uns auf die Seite der Menschenrechte! Fordern wir gemeinsam die Freilassung eines politisch motiviert Inhaftierten, der sich der Wahrheitsfindung ver­schrieben hat!

Vom Innenminister, vom Außenminister und vom Bundeskanzler verlange ich in dieser Angelegenheit ebenfalls klare Worte. Ein Wegducken, wie es in der Stellungnahme des Außenministeriums zur Bürgerinitiative der Fall ist, ist wie ein Fußtritt gegen Freiheit und Menschenrechte. Nicht einmal Stellung zu beziehen, wie es der Innenminister gehand­habt hat, ist ohnehin zynisch und despektierlich. Setzen wir der Doppelmoral ein Ende! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte.


17.51.43

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen im Hohen Haus! Geschätzte Zuseher zu Hause! Meine Vorredner haben es schon gesagt: Wir haben im letzten Petitionsausschuss über 64 Petitionen behandelt. Auf eine Petition möchte ich heute Bezug nehmen – die Petition Nummer 16, „Globaler Zugang für durch öffentliche Forschungsgelder finanzierte Medikamente, Impfungen und Diagnostik zur Bekämpfung von COVID-19“, vom 22.4.2020.

Noch nie zuvor in der Geschichte gab es eine so umfassende weltweite Zusammenarbeit in der Erforschung eines Impfstoffs beziehungsweise Mittels zur Behandlung einer Krank­heit. Die Entwicklung und Erprobung sowohl eines wirksamen Impfstoffes als auch einer medikamentösen Behandlung betreffend Covid-19 haben in Österreich sowie weltweit oberste Priorität. Mit dem Forschungsfortschritt in diesem Bereich sichern wir den Weg aus dieser Krise. Dass es dabei um die Gesundheit in untrennbarem Zusammenhang mit der Wirtschaft, unserem gesellschaftlichen Leben und unser aller Wohlstand geht, stellt hier, glaube ich, niemand infrage. Deshalb hat die Bundesregierung 23 Millionen Euro für die Medikamentenforschung zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich ist die Entwicklung nötiger Medikamente und eines Impfstoffs ein Teil dieser Lösung. Der Zu­gang der Bevölkerung zu eben diesen Mitteln ist in weiterer Folge entscheidend. Dieser Umstand ist sowohl uns allen als auch der gesamten Bundesregierung bewusst, und die Erwartungen werden – da bin ich mir sicher – in höchstem Maße erfüllt werden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Abschließend möchte ich mich für diese Initiative bedanken und Ihnen versichern, dass die Sorgen nachvollziehbar und angekommen sind. Wir werden gezielt darauf schauen, den Zugang zu den benötigten Mitteln zu ermöglichen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Chris­toph Zarits. – Bitte.


17.54.09

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich mit der Petition von Kol­legen Muchitsch beschäftigen: „NEIN zur Abschaffung der Notstandshilfe“. Kollege Prinz hat ja in seinem Eingangsstatement schon sehr, sehr viel gesagt.

Für uns ist klar: Jeder Mensch, der in Österreich Hilfe braucht, wird auch Hilfe bekom­men. Das ist unsere moralische, politische und auch gesellschaftliche Verantwortung. Wir haben gerade in der Krise gesehen, dass das Sozialsystem sehr, sehr gut funktio­niert, und wir haben auch im Regierungsprogramm eindeutig vereinbart – auf Seite 234 nachzulesen –, dass wir soziale Sicherheit zu wahren haben und diese den Menschen auch bieten müssen. Das ist unsere Verantwortung, und dazu stehen wir.

Meine geschätzten Damen und Herren, es ist nicht das entscheidend, was hier erzählt wird, sondern das, was wir in den letzten Wochen und Monaten gemeinsam erreicht haben. Ich wäre sehr, sehr dankbar, wenn die Kollegen von der Sozialdemokratie auch diese Dinge erwähnen würden – das würde der Debatte sehr, sehr guttun.

Wir haben für die Arbeitslosen und vor allem für die Menschen, die derzeit Notstandshilfe beziehen, erreicht, dass wir im September eine Einmalzahlung in Höhe von 450 Euro ausbezahlt haben. Wir haben es auch geschafft – und darauf bin ich stolz –, dass wäh­rend der Coronakrise niemand von der Arbeitslosigkeit in die Notstandshilfe fällt, und diese Maßnahme haben wir bis 31.12.2020 verlängert. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

Sie sehen, wir haben sehr, sehr viele Maßnahmen gesetzt, mit dem Ziel, jenen Men­schen, die unsere Hilfe brauchen, also jenen, die in Kurzarbeit sind, die arbeitslos gewor­den sind oder Notstandshilfe beziehen, rasch und unbürokratisch zu helfen. Ich erinnere zum Beispiel auch an den Kinderbonus in Höhe von 360 Euro pro Kind, der im Septem­ber ausbezahlt wurde: 653 Millionen Euro wurden damit den Familien zur Verfügung ge­stellt. (Abg. Loacker: 183 Abgeordnete haben den Bonus auch gekriegt!)

Meine geschätzten Damen und Herren, ich glaube, dass es – wie vorhin erwähnt – un­sere Verantwortung ist, dass wir Menschen, die in Österreich leben und unsere Hilfe brauchen, diese Hilfe auch zukommen lassen. Wer Hilfe braucht, soll sie bekommen. Das ist auch im Regierungsprogramm verankert – und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

17.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte.


17.56.39

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher! Ein herzliches Dankeschön an Sie alle, die Sie heuer im Sommer Ihren Urlaub in Österreich verbracht haben! Speziell möchte ich mich natürlich bei all jenen von Ihnen bedanken, die nach Kärnten gekom­men sind. Kärnten ist ein wunderbares Bundesland und hat sich wirklich darüber gefreut, für Sie Gastgeber sein zu dürfen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 79

Ich möchte meinen Beitrag der Petition „Für klare Spielregeln bei Tuning-Treffen in Ös­terreich“ widmen. Wir haben bei uns in Kärnten ein GTI-Treffen in Reifnitz. Das läuft immer problemlos und ist aus dem touristischen Kalender nicht wegzudenken. Es gibt aber Probleme bei Treffen, die keinen Veranstalter haben, nicht genehmigt sind und da­vor oder danach stattfinden. Ich möchte auch ausdrücklich dazusagen: Dabei geht es nicht um eine spezielle Automobilmarke, sondern es treffen sich vor allem viele junge Leute, die natürlich miteinander viel Spaß haben wollen, aber es gibt auch einige, die das überziehen, und dabei kommt es leider zu Exzessen wie zum Beispiel illegalen Stra­ßenrennen oder Gummi-Gummi-Duellen, oder einfach Fehlzündungen. Deswegen ha­ben die Anrainer und die Tourismuswirtschaft sich zusammengeschlossen und gesagt: Wir freuen uns darüber, dass Gäste zu uns kommen – sie sind alle willkommen ‑, aber wir bitten darum, dass Spielregeln, Gesetze und die Gepflogenheiten eines guten, fairen Miteinanders nicht überzogen, sondern klar eingehalten werden.

Aus diesem Grund hat sich diese Petition zum Ziel gesetzt, das Parlament damit zu befassen, damit wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die eine oder andere ge­setzliche Regelung nachschärfen können, um den Exzessen den Garaus zu machen und damit für den Tourismus in Österreich, aber auch für die Jugendkultur einen gedeihli­chen Beitrag im Sinne eines guten und gemeinsamen Miteinanders leisten zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

In diesem Sinne danke ich den Kolleginnen und den Kollegen dafür, dass wir uns da­rüber gemeinsam mit den zuständigen Bundesministern austauschen und beraten, um gemeinsam geeignete Regelungen zu finden, damit wir unser gewohnt gutes österreichi­sches Miteinander auch in Zukunft weiter kultivieren können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

17.59


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Katharina Kucharo­wits. – Bitte.


17.59.07

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte vorweg sagen, dass man, glaube ich, nicht oft genug betonen kann – denn ich glaube, es wissen ganz einfach nicht alle –, dass es wirklich ganz wesentlich und eigentlich nicht so schwierig ist, eine Bürgerinnen- und Bürgerinitiative ins Hohe Haus zu bringen. 500 Unterschriften reichen, damit es hier behandelt wird.

Es wird nicht immer hier behandelt: Lassen Sie mich einen Sidestep zu einer Debatte machen, die wir beim letzten Mal geführt haben – Stichwort „Gegen die Breitspurbahn“. Ich komme aus der Region Bruck an der Leitha, Bezirk Neusiedl am See und Bezirk Baden. Diese Bürgerinnen- und Bürgerinitiative ist abgedreht und gestoppt worden. Sie werden das aber nicht umsetzen, denn wir werden in unseren Regionen weiterhin sehr laut dagegen auftreten. (Beifall bei der SPÖ.) Das sage ich, da heute vonseiten der ÖVP so gelobt wurde, dass das alles so ernst genommen würde.

Lassen Sie mich auch auf eine BürgerInneninitiative, die heute im Sammelbericht auf der Agenda steht, eingehen, nämlich „Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung“. Diskriminierung von Menschen mit Behinde­rungen begleitet uns leider in vielen, vielen Lebenslagen. In dem Zusammenhang geht es auch ganz klar um die Arbeits- und Jobwelt sowie um den Arbeitsmarkt. Diese Ini­tiative begleitet das Hohe Haus schon länger, einige Jahre, umso zentraler und wichtiger finde ich es, nämlich im Sinne der Menschen mit Behinderungen und vor allem im Sinne der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, dass sie jetzt endlich im zuständigen Fach­ausschuss behandelt wird. Das ist, glaube ich, ein wesentlicher Erfolg, wenn das Thema da sozusagen wirklich erfolgreich und auch positiv behandelt werden wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 80

Apropos Diskriminierung, geschätzte Kollegen und Kolleginnen: Wir haben gestern über den Eintrag des dritten Geschlechts gesprochen – erinnern Sie sich? –, also Interperso­nen und Transpersonen. Kollege Shetty hat es heute zum Thema gemacht: Wir haben immer noch in den unterschiedlichsten Lebenslagen Diskriminierung, was die sexuelle Orientierung anbelangt. Ich glaube, Sie kennen alle den Slogan „Blutspenden rettet Le­ben“. – Davon ist aber noch immer eine Gruppe von Menschen ausgenommen, nämlich homosexuelle und bisexuelle Menschen. Das ist ungerecht, das ist unfair und das ist vor allem diskriminierend – und das müssen wir endlich stoppen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Wir behandeln das als Sozialdemokratie schon sehr, sehr lange. Ich möchte auf meinen Kollegen Mario Lindner, den Soho-Bundesvorsitzenden, verweisen, der das mit aller Ve­hemenz hier im Haus betrieben hat und der natürlich Sprachrohr für eine ganze Com­munity ist – und wir kämpfen da ganz klar Seite an Seite. Ja, es gab ein positives Zeichen vonseiten des Gesundheitsministers, keine Frage, das war heuer im Oktober, aber wie schon gesagt worden ist: Von Ankündigungen hat man halt nichts. Es geht jetzt darum, wirklich zur Umsetzung zu kommen: Weg mit dieser Diskriminierung, was die Blutspende anbelangt!

Ich darf deshalb einen Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „diskri­minierungsfreie Blutspende jetzt verankern!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die Blutspendeverordnung umgehend zu ergänzen, sodass bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand kei­ne diskriminierenden Formulierungen verwendet werden dürfen.“

*****

Es braucht Diskriminierungsfreiheit – und das nicht nur im Fragebogen, sondern vor al­lem auch in der Verordnung. Das fordern wir, und ich bitte um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

18.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Andreas Kollross,

Genossinnen und Genossen

betreffend diskriminierungsfreie Blutspende jetzt verankern!

eingebracht im Zuge der Debatte in der 58. Sitzung des Nationalrats zum Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petionen Nr. 5, 8, 16, 20 und 23 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 1, 10, 14 bis 16, 23 und 24 (401 d.B.) TOP 7

Unzählige Menschen leisten in Österreich mit ihrer Blutspende Jahr für Jahr einen Bei­trag zum Gesundheitssystem und helfen mit, Leben zu retten! Rund eine halbe Million Blutspenden müssen laut Angaben des Roten Kreuzes jährlich aufgebracht werden. Im­mer wieder suchen Blutspendeorganisationen daher dringend nach Freiwilligen und


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gerade in Zeiten von COVID-19 ist der Beitrag von Spender_innen für unser Gesund­heitssystem wichtiger denn je. Trotzdem werden homo- und bisexuelle Männer noch im­mer bewusst von der Möglichkeit zu spenden ausgeschlossen – denn für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), gilt ein 12-monatiger Ausschluss von der Blutspende.

Nach langer medialer Diskussion forderte der Nationalrat in einer Entschließung vom 28. April 2020 den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten­schutz auf, einen Arbeitskreis zur Prüfung einer diskriminierungsfreien Blutspende ein­zurichten. Am 6. Oktober 2020 kündigte der Minister schließlich per Aussendung an, dass „diskriminierungsfreie Blutspende (…) möglich sein“ soll.

Dieser Kurswechsel der Regierung ist ein wichtiger Schritt und ein großer Erfolg der Zivilgesellschaft, die sich seit langem für einen diskriminierungsfreien Zugang zur Blut­spende eingesetzt hat. Sollte diese Entscheidung tatsächlich umgesetzt werden, dann ist es entscheidend, den Grundsatz der Antidiskriminierung auch rechtlich – nämlich in der Verordnung betreffend den Gesundheitsschutz von Spendern und die Qualitätssi­cherung von Blut und Blutbestandteilen (Blutspenderverordnung – BSV) – zu verankern. Schon vor 10 Jahren hat der damalige Gesundheitsminister in einer Anfragebeantwor­tung vorgeschlagen, diese Verordnung um folgenden Punkt zu ergänzen:

 „3. (1) a. Bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand und dessen Dokumentation sowie der diesbezüglichen Aufklärung und Information dürfen keine dis­kriminierenden Formulierungen verwendet werden.“

Wenn die Bundesregierung das Ziel, die Diskriminierung schwuler und bisexueller Män­ner beim Zugang zur Blutspende endlich zu beenden, tatsächlich verfolgt, dann ist es notwendig, diesen Grundsatz auch in der Blutspendeverordnung zu verankern und damit mögliche künftige Diskriminierungen zu unterbinden. Denn zählen muss das individuelle Risikoverhalten, nicht die sexuelle Orientierung von Blutspender_innen!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die Blutspendeverordnung umgehend zu ergänzen, sodass bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand kei­ne diskriminierenden Formulierungen verwendet werden dürfen.“

*****


18.02.53

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nun ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet, damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich mit den Abstimmungen fortfahren können. – Gut, dann gehe ich auch so vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 401 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Nummer 5, 8, 16, 20 und 23 sowie der Bürgerinitiativen Nummer 1, 10, 14 bis 16, 23 und 24 zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 82

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Yan­nick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der diskriminierungsfreien Blutspende bis Jahresende 2020.“ Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ka­tharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „diskriminierungsfreie Blut­spende jetzt verankern!“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist abgelehnt.

18.04.468. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien, GZ. 504 St 47/20p, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat III. Präsident Ing. Norbert Hofer (407 d.B.)


18.04.47

Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es liegt mir keine Wortmeldung vor, somit schließe ich die Debatte auch gleich wieder.

Ich frage, ob der Berichterstatter ein Schlusswort wünscht. – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 407 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur straf­rechtlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat und Dritten Präsidenten des Nationalrates Norbert Hofer wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat und Dritten Präsidenten des Nationalrates Norbert Hofer besteht. Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat und Dritten Präsidenten des Nationalrates Norbert Hofer wird nicht zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

18.06.279. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsge­setz 1975 geändert wird (787/A)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte.


18.06.50

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren zu Hause! Bei seinem Auftritt vorgestern in der „ZIB 2“ hat der Nationalratspräsident nicht nur rechtlich völlig falsch argumentiert, um seinen Verbleib als Vorsitzender im Ibiza-Untersuchungsausschuss zu rechtfertigen, er hat uns als Opposition auch Mobbing vorgeworfen und uns unterstellt, wir würden mit Unwahrheiten arbeiten – ein unfassbarer Vorwurf, vor allem wenn er aus dem Munde des Nationalratspräsidenten kommt. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 83

Wolfgang Sobotka hat allerdings auch versucht, das Instrument des Untersuchungsaus­schusses an sich zu diskreditieren, indem er meinte, er sei so teuer. Bei allen anderen Sätzen war die Intention klar: Der Untersuchungsausschuss soll zur Farce gemacht wer­den. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ja, Demokratie kostet, Kontrolle kostet, das ist mir jeden Tag im Untersuchungsaus­schuss schmerzhaft bewusst – aber wissen Sie, wann, liebe ÖVP? – Wenn wir keine Akten geliefert bekommen, weil es keinen Laptop gibt, keinen Kalender gibt, keine Han­dys, von denen nicht regelmäßig die Kommunikation gelöscht wird; wenn sich Auskunfts­personen wie der Finanzminister an nichts erinnern, was in den letzten drei Jahren ge­schehen ist und von Relevanz wäre, und wir ihm, eben weil wir keine Dokumente haben, mit dem Erinnerungsvermögen auch nicht auf die Sprünge helfen können; wenn ein Kanzler auf irgendetwas antwortet, aber nicht oder erst viel später auf die Frage, die eigentlich gestellt wurde, und er dadurch dem Untersuchungsausschuss wichtige Zeit stiehlt; wenn ein ÖVP-Fraktionsführer ohne jeden Grund lähmende Geschäftsordnungs­debatten vom Zaun bricht, wenn wir am Wort sind und es heikel wird; wenn dann noch der Vorsitzende, der ja angeblich so unbefangen über der Sache schwebt, zum Beispiel ganz eindeutig Partei ergreift, wenn er meint, das Alois-Mock-Institut sei ja gar keine Vorfeldorganisation der ÖVP. (Ruf bei der ÖVP: Ist es ja auch nicht!)

Die Menschen, die diesen Untersuchungsausschuss zahlen, sollen sich selbst ein Bild davon machen können, dann könnte jeder sehen, dass ein Untersuchungsausschuss nicht nur teuer ist, sondern wertvoll – sehr wertvoll. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Die ÖVP will das nicht, nur die ÖVP will das nicht. Spannend ist: Ihr war es bei den Verhandlungen zum Minderheitsrecht, Untersuchungsausschüsse einzuberufen, beson­ders wichtig, dass es nur Medienöffentlichkeit gibt. Warum war das der ÖVP so wich­tig? – Damit sie genau dieses Spiel spielen kann, das sie jetzt abzieht, damit sie Aufklä­rung im Untersuchungsausschuss verhindern und diesen schlechtmachen kann und da­mit sie Konsequenzen verhindern kann, denn öffentliche Untersuchungsausschüsse hät­ten Konsequenzen.

Das Verhalten der ÖVP-Fraktion, des ÖVP-Vorsitzenden, der ÖVP-Regierungsmitglie­der als Auskunftspersonen (Zwischenruf des Abg. Haubner) würde sich, so glaube ich, bei Öffentlichkeit schlagartig verbessern, davon bin ich überzeugt (Zwischenruf des Abg. Gerstl), denn das Schauspiel wäre ihnen dann doch zu peinlich, wenn das ganze Land stundenlang zuschauen kann. (Ruf bei der ÖVP: ... wäre echt wichtig!) Es könnte dann aber natürlich gefährlich eindrücklich werden, wenn das erlebt wird. Die Öffentlichkeit könnte sich so empören, dass Druck entsteht und Konsequenzen gefordert werden.

Das alles will die ÖVP nicht. Sie will lieber den Untersuchungsausschuss als Ganzen und kritische Mitglieder im Besonderen diskreditieren und von ihrem Auftrag abhalten, der nicht darin besteht, irgendjemanden zu diskreditieren. Es ist aber auch nicht unser Auftrag, der ÖVP gefällig zu sein. (Rufe bei der ÖVP: Das ist ein Blödsinn! Die NEOS haben immer recht!) Unser Auftrag ist, sachlich, unbeeindruckt und unbehindert ganz genau hinzuschauen und die Frage zu klären, ob man sich in der Regierung Kurz I Pos­ten oder gar Gesetze kaufen konnte und wer dieses System betrieben hat. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Um diesen Auftrag effizient erfüllen zu können, fordern wir hiermit die Öffentlichmachung der Ton- und Bildaufnahmen von Befragungen in Untersuchungsausschüssen, begin­nend mit der Befragung von ehemaligen und aktiven Regierungsmitgliedern. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Argumente im Ausschuss, liebe ÖVP. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

18.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte. (Abg. Brandstätter: Der hat ein Buch mit! Das ist sehr gut!)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 84

18.11.11

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! In gewisser Weise kann ich Ihrem Antrag, Frau Abgeordnete Krisper, ja durch­aus etwas abgewinnen. Ich kann diesem Antrag insofern etwas abgewinnen, als damit einmal mehr offenkundig wird, worum es Ihnen geht, vor allem aber, worum es Ihnen nicht geht.

Es geht Ihnen ganz offensichtlich nicht um den Untersuchungsausschuss (Abg. Brand­stätter: Um was denn sonst?), nicht um den Untersuchungsgegenstand des laufenden Ausschusses, denn ich darf Sie an diesen Untersuchungsgegenstand erinnern, er heißt „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“. Sie sind an diesem Un­tersuchungsgegenstand fulminant gescheitert. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Krainer und Brandstätter. – Weiterer Zwischenruf bei den NEOS.)

Herr Kollege Brandstätter, weil Sie gerade für sich in Anspruch nehmen, Sie hätten auf­geklärt (Abg. Brandstätter: Ja!): Ich kann mich noch sehr gut an einen langen Tag im Untersuchungsausschuss erinnern, und am Abend dieses Ausschusstages eines Aus­schusses, der 100 000 Euro kostet, waren Sie in den Medien und haben Folgendes als Ergebnis verkündet (Zwischenruf bei den NEOS): Sie haben aufgeklärt, dass Harald Neumann mit Gernot Blümel Fisch gegessen hat. Sie haben weiters aufgeklärt, dass die beiden dabei nicht gestört sein wollten. (Abg. Brandstätter: Die Verabredung von Blü­mel und Neumann ist sehr spannend! Das ist sehr spannend!)

Jetzt sage ich Ihnen, ich nehme schon zur Kenntnis, dass Sie Ihre Besprechungen gerne bei McDonald’s abhalten, aber sprechen Sie einmal mit dem Vizekanzler, wie das aus­geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe gesagt, Sie sind am Untersuchungsgegenstand gescheitert und haben diesen Untersuchungsgegenstand einfach für sich gewechselt, geschätzte Damen und Herren der NEOS und der Opposition. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Der neue Untersu­chungsgegenstand heißt jetzt plötzlich mutmaßliche Befangenheit des Vorsitzenden (Abg. Krainer: Nicht mutmaßliche! – Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS) – mutmaßlich; erwiesenermaßen nicht, aber mutmaßlich schon. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwi­schenrufe bei SPÖ und NEOS.)

Ich darf Ihnen eines sagen: Sie sind auch an diesem Untersuchungsgegenstand ge­scheitert. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Sie haben sich an Zahlungen der Novo­matic aufgehängt, wobei Sie bis heute nicht erklären können, wo da die Inkriminierung ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das sind legale Zahlungen gewesen – das ist so, da kommen Sie auch nicht darüber hinweg.

Ich sage Ihnen auch, warum Sie an diesem Untersuchungsgegenstand fulminant ge­scheitert sind. (Ruf bei der SPÖ: Wofür haben Sie das Buch mit?) – Das Buch ist ei­gentlich für Kollegen Brandstätter (das Buch „Nationalrat-Geschäftsordnung NRGO“ von Werner Zögernitz in die Höhe haltend), aber dazu komme ich noch; ich kann es ja vor­ziehen. In diesem Buch ist Folgendes drinnen, auf das Sie sich ja so gerne beziehen, Frau Kollegin Krisper, und woraus Sie ableiten, der Vorsitzende dürfte gar nicht mehr im Untersuchungsausschuss anwesend sein, weil er wieder als Auskunftsperson geladen wird und nicht hören darf, was dort geschieht: Sie beziehen sich auf § 37 Abs. 1 der Verfahrensordnung. (Zwischenruf bei den Grünen.) Ich sage Ihnen ganz ehrlich, da sind Sie einem Taschenspielertrick aufgesessen, der von Kollegen Krainer ausgegangen ist. (Abg. Kollross: Da sitzt er!) – Das macht ja nichts, wo er sitzt, das ist so.

Auf jeden Fall ist es so, in diesem Absatz 1 steht schon drinnen, dass die Auskunftsper­son in Abwesenheit später zu hörender Auskunftspersonen zu befragen ist, aber Sie sollten auch Absatz 4 desselben Paragrafen lesen, da steht nämlich drinnen, dass die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 85

Befragungszeit 4 Stunden nicht überschreiten darf. Wenn ich Ihrer Logik folgen würde, dürften Sie den Vorsitzenden gar nicht mehr laden, weil die 4 Stunden vorbei sind. So ist das, Sie können das nachlesen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.)

Das alles passiert dann, wenn man eine Gesetzesbestimmung nicht zu Ende liest. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) – Herr Kollege Krainer, dass Sie nur den ersten Absatz lesen, habe ich von Ihnen erwartet. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Frau Kollegin Krisper als Juristin hätte ich zugetraut, dass sie auch den vierten Absatz liest und die Bestimmung zu Ende verfolgt – vielleicht wäre dann das Ergebnis ein anderes.

Weil sich Herr Kollege Brandstätter so viele Sorgen um den Parlamentarismus macht (Abg. Brandstätter: Jeden Tag! Heute noch mehr!), darf ich Ihnen das Buch auch für die Ausschusssitzung wärmstens empfehlen. (Abg. Leichtfried: Kollege Brandstätter schenkt seine Bücher immer her! – Zwischenruf bei den NEOS.) Wenn Sie dann nämlich in der Geschäftsordnung des Nationalrates bei § 37 Abs. 7 nachlesen, werden Sie fin­den, dass der Präsident des Nationalrates an jeder Sitzung eines Ausschusses gesetz­lich teilnahmeberechtigt ist. Das ist ein Wesen des Parlamentarismus. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Darüber sollten Sie sich Gedanken machen, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Abschließend darf ich Folgendes sagen: Wir sind gerne bereit, diesen Antrag zu disku­tieren, wobei ich sage, um die Öffentlichkeit geht es Ihnen ja auch nicht – das ist nicht die Sache –, sondern bei Ihnen steht immer die Person im Vordergrund. (Abg. Krisper: Keine Beamten!) Vor allem die Personen der oberste Organe von Land und Bund (Zwi­schenruf bei der SPÖ) wollen Sie in einer Öffentlichkeit, die ja nur für Sie zugänglich ist, vernommen haben. Bild- und Tonmaterial soll unmittelbar nach der Vernehmung für die Medien und für die Fraktionen im Ausschuss veröffentlicht werden – nicht für die all­gemeine Öffentlichkeit. So steht es in Ihrem Antrag. (Zwischenruf bei den NEOS.) Sie wollen entscheiden, welcher Filter in der Verbreitung der Informationen stattfindet. (Neu­erlicher Zwischenruf bei den NEOS.) Es geht Ihnen nicht um die Öffentlichkeit! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen eines: Die Verfahrensordnung des Untersuchungsausschusses ist nicht dazu da, an Ihre Methoden angepasst zu werden. Passen Sie Ihr Verhalten an die Ver­fahrensordnung an! (Beifall bei der ÖVP.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Krainer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Widerspruch und Zwi­schenrufe bei der ÖVP. – Abg. Kollross: Da sind sie ganz nervös!)


18.18.37

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kollege Stocker hat gerade behauptet, dass die Verfahrensordnung normieren würde, dass die Befragung einer Person nicht länger als 4 Stunden dauern darf und man deswegen jemanden nicht ein zweites Mal laden darf. Das ist vollkommen vorbeigelesen.

Ich berichtige tatsächlich: Man darf eine Person einmal laden und 4 Stunden befragen. Man darf als Minderheit eine Person auch ein zweites Mal laden, und diese Befragung darf noch einmal 4 Stunden dauern. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich ersuche Klubobmann Wöginger, eine Aufklärung im eigenen Klub zu gestalten, damit die Geschäftsordnung und die Verfahrensordnung des Untersuchungsausschusses rich­tig verstanden werden. Man darf natürlich als Minderheit zwei Mal laden, und jede Befra­gung darf jeweils 4 Stunden dauern. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 86

Eine Mehrheit kann übrigens unendlich oft laden, und dann kann man unendlich oft 4 Stunden befragen. Das nur als kleinen Aufklärungstipp. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

18.19


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.


18.20.00

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Abgeordneter Stocker, in welchem Teil Ihrer Rede sind die Argumente vorgekommen, warum die ÖVP dagegen ist, am Anfang oder zum Schluss oder war das in der Mitte? Wo waren die Argumente? (Ruf bei der ÖVP: Sie hätten ja zuhören können!) – Ich habe zugehört, ich habe sie nur nicht gefunden. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Jetzt werde ich mir das Protokoll auch noch durchlesen müssen! (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe die Angst eigentlich nicht. Wovor haben Sie Angst? Dass die Bevölkerung mitbekommt, was gefragt wird beziehungsweise was geantwortet wird? Wozu? – Die Bevölkerung hat großes Interesse an diesem Aus­schuss! (Abg. Schmidhofer: Nein!) Sie bezahlt Sie auch! (Beifall bei der SPÖ.) Das wird von der Bevölkerung finanziert, und Sie wollen, dass diese nichts mitbekommt! Wovor haben Sie Angst? Es soll doch öffentlich werden. Das Interesse besteht und, sehr ge­ehrte Damen und Herren, wir sind nicht das erste Land, das so etwas macht: In moder­nen Demokratien gibt es das schon, und zwar zum Beispiel in den USA oder in Deutsch­land! (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind da also nicht irgendwie die Fahnenträger, die etwas ausprobieren, und dennoch haben Sie Angst davor.

Vielleicht kann ich Ihnen mit einem Argument helfen, Sie haben ja bis jetzt keine Argu­mente vorgebracht, weswegen die ÖVP wirklich dagegen ist. Die Bevölkerung könnte dann ja mitbekommen, dass der Präsident den fragenden Abgeordneten unterstellt, dass sie respektlos sind, dass sie etwas unterstellen und so weiter und so fort. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das würden die Leute dann ganz unmittelbar erfahren. Oder sie könnten erfahren, dass sie einen Finanzminister haben, der sich 86 Mal nicht erinnern konnte. Das muss man sich wirklich einmal vorstellen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das sind Ihre Argumente. Nach mir kommt dann Abgeordneter Stögmüller dran - - (Zwi­schenruf bei den Grünen.) – Ja, Sie sprechen, glaube ich, nach mir, aber es ist ja wurscht, ob Sie sprechen oder nicht. Ich kann nicht verstehen und weiß auch nicht, wa­rum die Grünen Angst davor haben. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) 30 Jahre lang haben Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger nach Transparenz geschrien. Habt ihr es nicht so ernst gemeint, wie es gesagt war? (Zwischenruf des Abg. Koza.) Ich empfehle Ihnen zwei Leute, mit denen Sie reden sollten, die sich wirklich um Transparenz bemüht haben, der eine ist jetzt Vizekanzler und der andere ist Bundespräsident. Fragen Sie sie einmal, warum diese darauf gepocht haben (Zwischenrufe bei den Grünen), und sich selbst, warum Sie dagegen sind, dass dieser Ausschuss öffentlich übertragen wird! Ich weiß es nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen nur eines mitgeben: Man braucht sich vor der Bevölkerung nicht zu fürch­ten! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Abgeordneter David Stögmüller zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Unruhe im Saal. – Die Präsidentin gibt das Glocken­zeichen.)


18.23.51

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Werte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Die ÖVP erwähnt ja immer wieder, dass sie bei der Bevölkerung ist: Wir sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 87

auch bei der Bevölkerung, und draußen höre ich immer wieder, dass durch den Unter­suchungsausschuss sehr viel herauskommt, dass da viel aufgedeckt wird. Es gibt da ein sehr gutes Feedback, dass wir sehr gut unterwegs sind und auch viele neue Erkenntnis­se hervorbringen. Es ist die Arbeit des gesamten Untersuchungsausschusses, was da bisher aufgedeckt worden ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Gerade der aktuelle Untersuchungsausschuss zeigt sehr gut auf, wie wichtig politische Aufklärung nach Ibiza und nach der türkis-blauen Regierung ist. Ein Untersuchungsaus­schuss ist ein extrem wichtiges Gremium und ein Instrument der parlamentarischen Kon­trolle und muss aus diesem Grund auch ernst genommen werden. Wir haben davor kei­ne Angst, Frau Kollegin (in Richtung Abg. Yılmaz), nein. Es ist auch notwendig, dass dieses Gremium von allen Abgeordneten des Hauses und auch von allen geladenen Auskunftspersonen ernst genommen wird. Diese müssen dem Kontrollgremium den not­wendigen Respekt entgegenbringen.

Ich werde oft gefragt: Wie läuft das denn ab im Untersuchungsausschuss? (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Wie funktioniert denn das? Was beredet ihr denn dort? Gibt es dort im Untersuchungsausschuss wirklich so viele Erinnerungslücken oder Entschlagun­gen? – Ja, die Menschen haben ernsthaftes Interesse daran, mitzubekommen, was im Untersuchungsausschuss passiert, was und auch wie die Auskunftspersonen antworten. Warum schaffen wir nicht eine Möglichkeit, dass BürgerInnen hautnah am Untersu­chungsausschuss teilnehmen können? Dafür gibt es auch Vorbilder. Zum Beispiel kön­nen wir auf den US-Kongress verweisen. Dort ist das normal, und es gibt spannende Diskussionen, spannende Befragungen, die öffentlich übertragen werden. Ich schaue selber öfters zu; es ist wirklich eine interessante Möglichkeit, parlamentarische Partizipa­tion mitzuerleben.

Bei uns wird dagegen oft das Argument vorgebracht, dass das aus Gründen des Persön­lichkeitsschutzes und wegen der nötigen Wahrung der Privatsphäre nicht möglich ist. Das ist zum Teil durchaus nachvollziehbar, aber kein unlösbares Problem. Dieser Antrag stellt nunmehr die nachträgliche Veröffentlichung von Einvernahmen von aktiven und auch ehemaligen obersten Organen des Bundes und der Länder in Ton- und Bildauf­nahmen zur Diskussion. Dieser Vorschlag stellt eine Möglichkeit dar, die Ernsthaftigkeit dieses Ausschusses zu unterstreichen, diesem Gremium mehr Gewicht in der Öffentlich­keit zu verleihen.

Natürlich muss im Zuge einer Änderung auf jeden Fall sichergestellt werden, dass es dann zu keinem Missbrauch dieser Regelung kommt. Das werden wir uns noch einmal im Detail anschauen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir sicher keine Angst davor haben, da wichtige Schritte für die Zukunft und eine Weiterentwicklung des Untersu­chungsausschusses zu setzen. Für uns Grüne und für uns alle muss Aufklärung im Zentrum stehen, und die muss auch so bleiben und vorangetrieben werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

18.27


18.27.00

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 787/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

18.27.1410. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Ju­li 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsge­setz 1975) samt Anlage 1, Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungs­ausschüsse (VO-UA), geändert wird (896/A)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 88

Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Herr Abgeordneter Hafenecker, Sie haben das Wort. – Bitte.


18.27.34

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen von der ÖVP! Sie haben einen Frühstart hingelegt. Das „Sandmännchen“, von dem wir vorhin vom Kollegen gehört haben, kommt erst um 19 Uhr, und deswegen möchte ich mich noch ganz kurz auf die Vorgänge im Untersuchungsausschuss beziehen.

Zu Präsidenten Sobotka: Schade, dass er heute nicht mehr den Vorsitz führt und nicht hinter mir sitzt, denn ich hätte schon gerne gehabt, dass er hört, was ich ihm zu sagen habe. Ich kenne ihn schon sehr lange, seit meiner Zeit im Landtag in Niederösterreich, und da hat er sich eigentlich, seit ich ihn kenne, bisher nicht als Mobbingopfer generiert. Mir kommen also fast die Tränen, ich habe mir die „ZIB 2“ angeschaut und mir die Tränen aus den Augen wischen müssen, weil man Präsidenten Sobotka im Untersuchungsaus­schuss so grauslich behandelt.

Jetzt kommt der springende Punkt, weswegen ich vorhin auch von der Sandmännchen-Geschichte gesprochen habe. Der Kollege von der ÖVP hat sich vorhin herausgestellt und gesagt, dass der Verein, dem noch dazu der Vorsitzende im Untersuchungsaus­schuss vorsitzt und der sechsstellige Beträge von der Novomatic bekommen hat, nicht wesentlich für den Ausschuss ist. Dazu fällt mir dann wieder ein, dass Sie ja am Anfang einige Untersuchungsgegenstände herausreklamieren wollten, weil Sie genau darüber nicht sprechen wollten.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Es gab auch FPÖ-nahe Vereine – so wurden sie be­zeichnet –, die genau deswegen untersucht wurden, weil man wissen wollte, ob es da Geld von der Novomatic gegeben hat, ob es da eine Parteienfinanzierung gegeben hat, die irgendwie verschleiert worden ist. Und genau diese Frage ist selbstverständlich auch beim Alois-Mock-Institut und bei allen anderen Vereinen zulässig. Auch der Verein des Kollegen Gerstl wird dann irgendwann einmal zur Diskussion stehen, auch da werden wir fragen müssen, warum Kollege Gerstl für einen Nachmittag am Standl Stehen bei der ÖVP Wien 20 000 Euro für Standgebühren ausgibt. Das wird alles noch Thema wer­den.

Was ich noch schlimmer finde, ist das Verhalten von Präsidenten Sobotka generell, wie in der „ZIB 2“. Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Unser Natio­nalratspräsident und auch mein Nationalratspräsident – auch ich habe ihn gewählt – vergeht sich in einer Live-TV-Sendung in die Richtung, dass er eigentlich das Parlament beschimpft, dem er vorsteht. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wo kommen wir da hin, wenn ein Parlaments­präsident nicht weiß, wie man sich zu benehmen hat? Wenn ein Parlamentspräsident bei einem TV-Auftritt, in dem er den Untersuchungsausschuss kommentieren und auch zu seiner Rolle Stellung beziehen soll, die ihn dorthin gebracht hat, befragt wird, wie kommt er dann dazu, uns dort pauschal zu beschimpfen, wie kommt er dazu, das höchs­te Untersuchungsgremium des Nationalrates in einem solchen Licht dastehen zu las­sen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für mich ist Nationalratspräsident Sobotka nicht nur als Vorsitzender im Untersuchungsausschuss rücktrittsreif, sondern er hat sich als Parlamentspräsident ebenso disqualifiziert und sollte seine Konsequenzen ziehen. (Bei­fall bei FPÖ und NEOS sowie des Abg. Drozda.)

Ich finde es schön, dass der Herr Präsident (in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Sobotka) noch den Weg zu uns gefunden hat. Ich habe gerade über


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Ihren Auftritt in der „ZIB 2“ referiert und gemeint, dass es absolut nicht statthaft ist, als Erster Nationalratspräsident solche Meldungen in Richtung des Hohen Hauses zu verlieren. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Herr Präsident, es tut mir leid, ich habe Sie damals gewählt, aber Sie haben sich vollkommen disqualifiziert.

Ich möchte noch kurz auf den Antrag von Frau Kollegin Krisper eingehen. Ich halte die­sen Antrag für sehr, sehr wichtig, und wir werden ihn auch unterstützen, weil wir im Un­tersuchungsausschuss gesehen haben, dass es gerade im Hinblick auf Politiker sehr, sehr wichtig wäre, dass es, zumindest später, nach diesem Untersuchungsausschuss, die Möglichkeit gibt, die Aussagen, die Videoaufnahmen anzusehen und nachzuverfol­gen, was vor allem Politiker dort gesagt haben. Ich weiß nicht, ob ein Gernot Blümel ein Plus bei der Wienwahl zustande gebracht hätte, wenn man gewusst hätte, dass er eine außerordentliche Vergessenskultur entwickelt hat. Das ist ja in Wirklichkeit schon fast ein pathologischer Fall, wenn man sich 86 Mal an Dinge, die in der jüngsten Vergangen­heit liegen, nicht erinnern kann. (Ruf bei der ÖVP: ... minus 23 Prozent ...!) Ich glaube, es ist absolut zulässig, Aussagen gewählter Volksvertreter auch im Untersuchungsaus­schuss zu übertragen, um zu zeigen, wie sie sich in so einem Ausschuss präsentieren. Davon nehme ich auch den Bundeskanzler und den Innenminister nicht aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich darf das nicht dazu verkommen, dass man jeden Beamten, von dem man vielleicht noch ergänzende Informationen haben möchte, auch in die Öffentlichkeit spielt, aber ich sage: Politiker ja und Personen des öffentlichen Interesses genauso ja.

Ich komme jetzt zum letzten Punkt, zu meinem Antrag, der jetzt unter diesem Tagesord­nungspunkt zur ersten Lesung vorliegt. Darin geht es um Folgendes: Wir haben heute und gestern, also schon die ganzen zwei Plenartage, darüber gesprochen, wie sich die Coronasituation entwickelt. Sie wissen, wir haben einen anderen Standpunkt zu dieser herbeigetesteten Krise, das lassen wir jetzt aber einmal außen vor. Fakt ist, wenn mittler­weile schon ganz Europa im Ampelsystem auf Rot gestellt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch kommende Auskunftspersonen im Untersuchungsausschuss genau deswegen entschuldigen lassen wollen.

Deswegen haben wir in diesem Antrag festgelegt oder wünschen wir, dass wir die Ge­schäftsordnung insofern abändern, als dass es möglich sein soll, Videobefragungen durchzuführen. Das heißt, die Auskunftspersonen müssen nicht ins Ausschusslokal kommen, das ohnehin zu klein und in diesen Zeiten vielleicht wirklich nicht optimal ist. Die zweite Sache: Wir wollen damit auch ermöglichen, dass Auskunftspersonen, die sich in Quarantäne befinden, weil sie möglicherweise mit einem Verdachtsfall in Verbindung gekommen sind, trotzdem die Möglichkeit haben, dem Ausschuss ihre Wahrnehmungen zu den Untersuchungsgegenständen darzulegen. Wichtig dabei ist, dass wir nicht eine dauerhafte Änderung der Geschäftsordnung anstreben, sondern wirklich nur der Zeit der Pandemie Rechnung tragen und sicherstellen wollen, dass die Aufklärungsarbeit im Ausschuss fortgesetzt werden kann. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.33

18.33.09*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Hafenecker, für den Ausdruck „patholo­gischer Fall“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lindinger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 90

18.33.26

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Erlauben Sie mir ein paar Worte zu Kollegen Hafenecker, denn eines muss hier eindeutig klargestellt werden: Unser Präsident Wolfgang Sobotka ist ein hervorragender Präsident, der seine Sache korrekt und gewissenhaft (Zwischenrufe bei der FPÖ) auch im Vorsitz des Untersuchungsaus­schusses ausführt. – Das muss ganz klargestellt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FPÖ möchte mit diesem Antrag erreichen, dass in zukünftigen Untersuchungsausschüssen Auskunftspersonen per Video befragt werden können. Kollege Hafenecker begründet dies damit, dass geladene Auskunftsper­sonen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss aufgrund der Coronapandemie ferngeblie­ben sind, dieser Einladung also nicht gefolgt sind, was ich persönlich verstehe und auch nachvollziehen kann. Letztendlich geht es immer um die persönliche Entscheidung. Es geht um die Gesundheit eines Menschen und seiner Angehörigen. Es wird dieser Antrag heute dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen und wir werden ihn dort inhaltlich noch genauer diskutieren. Ich möchte meine Redezeit daher dafür nützen, um im Lichte der derzeitigen Verfahrensordnung ein paar Fragen, die mir diskussionswürdig erschei­nen, aufzuwerfen.

Zum einen stellt sich die Frage, wie die Vertraulichkeit bei einer Videobefragung gewähr­leistet werden kann. Derzeit ist es ja so, dass die Befragungen von Auskunftspersonen nur medienöffentlich sind. Das heißt, nur Medienvertreter dürfen an den Sitzungen teil­nehmen.

Zum Zweiten stellt sich die Frage, wie Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen ge­wahrt werden können. In der Untersuchungsausschusssitzung kann sich die Auskunfts­person direkt an den Verfahrensanwalt oder an den Verfahrensrichter zur vertraulichen Beratung wenden.

Die dritte Frage, die sich stellt, ist, wie der Auskunftsperson Dokumente vorgelegt wer­den.

Ich denke, dass wir diese Fragen ganz genau diskutieren müssen, denn Erfahrungen haben gezeigt, dass von manchen Beteiligten im Hinblick auf die Vertraulichkeit in die­sem Untersuchungsausschuss nicht immer mit größter Sorgfalt umgegangen wird. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Letztendlich geht es einerseits um die Gesundheit der Menschen, die befragt werden sollen, aber als ganz wesentlichen Punkt auch um die Wahrung der Persönlichkeits- und Vertraulichkeitsrechte der Auskunftsperson. Das muss uns allen hier ein großes Anlie­gen sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte.


18.36.13

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Hafenecker, wir kön­nen die Intention Ihres Antrages total verstehen und nachvollziehen, denn wir erleben es ja, dass sich aufgrund der Pandemie einige Auskunftspersonen – manchmal natürlich auch berechtigt – mit diversen Attesten entschuldigen, nicht in den Ausschuss zu kom­men und als Auskunftsperson zur Verfügung zu stehen.

Wir haben nur ein wenig Bedenken, ob in einer Videobefragung – als Fragesteller in Untersuchungsausschüssen haben Sie ja schon länger Erfahrung und Sie wissen das


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natürlich – nicht alles, was dazugehört, nämlich sowohl die Mimik als auch die Gestik, die Zwischentöne, das Zwischenverhalten, also all das, was eigentlich die Unmittelbar­keit von Befragungen ausmacht, untergeht. Es sind also einige Dinge, die natürlich bei einer Videobefragung verloren gehen. Ergänzend stellt sich die Frage der Wahrung der Rechte der Auskunftspersonen, Stichwort Verfahrensanwältin, -anwalt, Verfahrensrich­ter, -richterin, die im Sinne der Auskunftsperson dieser zur Seite stehen.

Wir denken, dass es ganz, ganz zentral ist, und da richte ich mich an Sie, Herr Präsident, dass Sie Räume schaffen, in denen alle Personen, BefragerInnen, aber vor allem auch Auskunftspersonen, Vertrauenspersonen, JournalistInnen einen sicheren Zugang zum Untersuchungsausschuss haben. Wir haben schon vor Langem einen Vorschlag ge­macht: Wir würden den Ausschuss gerne hier im Plenarsaal stattfinden lassen. Hier ist genug Platz und es wäre einfach die Option. Deshalb richten wir erneut den Appell an Sie, dass Sie wirklich sichere Räume für den Untersuchungsausschuss auf die Beine stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch einen zweiten Aspekt ansprechen und ein paar Worte, Herr Prä­sident und Herr Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka, zu Ihren Medienauftritten sa­gen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe geglaubt, ich traue meinen Augen und Oh­ren nicht (Zwischenruf bei der ÖVP), ich sage Ihnen das wirklich in dieser Offenheit, es war und ist für mich unfassbar. Ich erwarte mir als Abgeordneter, als Volksvertreterin, dass Sie als Präsident, als Nationalratspräsident alles dafür tun, dass das stärkste Kontrollinstrument, das wir im Nationalrat, im Parlament haben, bestens ausgestattet wird, und dass Sie alles dafür tun, dass dieses auch ernst genommen wird. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich halte es für nicht förderlich, wenn Sie in einem Fernsehinterview von der vereinigten Opposition sprechen. Was bedeutet das? – Sie haben das ein bisschen auch sozusagen ins Lächerliche gezogen. Sie haben auch von Mobbing gesprochen: Ganz ehrlich, Sie wissen, wie es Menschen geht, die gemobbt werden. Ich möchte das an der Stelle klipp und klar sagen: Das geht nicht, Herr Präsident, sorry! Es ist einfach auch Ihre Aufgabe, den Untersuchungsausschuss mit Zähnen und Klauen als Instrument, das ernsthaft betrieben werden kann, zu verteidigen, weil die Rahmenbedingungen und die Sitzungs­kultur stimmen, nämlich so, wie es in der Verfahrensordnung festgeschrieben ist (Zwi­schenruf des Abg. Sobotka), und weil es ganz klar um Aufklärungsarbeit geht, Herr Präsident, um das Parlament und damit um die gesamte Demokratie. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

18.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


18.39.43

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Transparenz und Aufklärung – wir haben es vorhin schon gehört – sind Säulen einer funktionierenden Demokratie, ohne die eine wirklich wirkungsvolle parlamentari­sche Kontrolle einfach nicht funktionieren kann. Umso wichtiger ist es, diese sicherzu­stellen. Gerade im laufenden Ibiza-Untersuchungsausschuss haben wir gezeigt, dass Aufklärungsarbeit sehr dringend nötig ist. Die vielen unterschiedlichen Beispiele, wie etwa der Prikraf, das Projekt Edelstein oder auch zurückgezogene Glücksspielnovellen, sind nur ein Bruchteil davon, was wir im Ibiza-Untersuchungsausschuss aufgedeckt und an Aufklärungsarbeit geleistet haben. Der Untersuchungsausschuss hat schon sehr viel hervorgebracht, was vielleicht nicht immer strafrechtlich relevant ist, aber sehr wohl poli­tisch relevant – und genau das ist unsere Aufgabe.

Seit Beginn des Ausschusses befinden wir uns in der Covid-19-Pandemie, was die Arbeit im Untersuchungsausschuss natürlich nicht unbedingt leichter macht. Das weiß jeder,


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der im Untersuchungsausschuss sitzt: Covid-Tests, Masken, Plexiglasscheiben zwi­schen unseren Fraktionen – all das ist schon fast Teil unserer wöchentlichen Arbeit im Untersuchungsausschuss geworden.

Ich gebe dem Antragsteller – wo ist er, der Herr Hafenecker?, da ist er – sehr wohl recht, dass die Covid-19-Pandemie uns Abgeordnete und die Auskunftspersonen und beson­ders auch die Parlamentsdirektion vor gewaltige Herausforderungen stellt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch mein herzliches Dankeschön an das Team der Parla­mentsdirektion, an die Registratur richten. Sie alle erledigen ihre Aufgabe großartig und gewährleisten unseren Schutz und auch den bestmöglichen Schutz der Auskunftsperso­nen. Vielen Dank an alle für die gesamte Arbeit, die da geleistet wird! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dennoch darf eine Pandemie nicht eine Ausrede sein, dass man als Auskunftsperson nicht auftaucht und sich einer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss entzieht. Da könnten natürlich entsprechende Videobefragungen schon eine Möglichkeit sein, so et­was zu verhindern. Kollege Hafenecker schlägt in diesem Antrag vor, dass die Möglich­keit in der Geschäftsordnung geschaffen wird, Auskunftspersonen im Untersuchungs­ausschuss aus gesundheitlichen Gründen per Videoübertragung einzuvernehmen.

Grundsätzlich ist das im Zeitalter von moderner Technologie ein sehr guter Vorschlag, allerdings wirft das aber auch einige zu klärende technische Fragen auf, etwa wie über­prüft werden kann, dass die Aussagen unbeeinflusst von anderen im Raum anwesenden Personen gemacht werden. Weiters müssen wir als Untersuchungsausschuss klären, wie mit der Vorlage von Dokumenten und Akten, nicht nur seitens der Abgeordneten, sondern auch vonseiten der Auskunftspersonen, umgegangen werden soll und wie eine etwaige Klassifizierung von diesen Unterlagen stattfinden kann, sodass die Vorgangs­weise auch dem Informationsfreiheitsgesetz entspricht. Auch die technischen Machbar­keiten im Untersuchungsausschusslokal müssen dementsprechend geprüft werden. Eben­so ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte ein Thema, das bedacht werden muss und das wir uns konkreter anschauen müssen.

Es sind also einige offene Fragen, die wir im Geschäftsordnungsausschuss diskutieren müssen beziehungsweise auch auf ExpertInnenebene und auf ReferentInnenebene vor­her noch genau diskutiert werden müssen. Ich hoffe aber dennoch, dass wir hier eine Lösung finden und auch diese Fragen klären können, um vielleicht eine solche Videobe­fragung neben einer regulären Befragung in herausfordernden Zeiten wie eben dieser zu ermöglichen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte. (Abg. Brandstätter tritt mit einem Buch an das Rednerpult. – Ruf bei der ÖVP: Und er hat schon wieder ein Buch mit – was für eine Überraschung!)


18.43.35

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident Sobotka! Ich freue mich, dass Sie an dieser Diskussion jetzt noch teilnehmen. (Abg. Hörl: Haben Sie ein Gewerbe mit dem Buchhandel? – Abg. Loacker: Dem Hörl hat je­mand die Maske geklaut!) – Bitte? (Abg. Hörl: Ob Sie ein Gewerbe mit dem Buchhandel haben!) Was ist das Problem? – Zuhören!

Sehr geehrter Herr Präsident Sobotka! Ich freue mich, dass Sie jetzt da sind. Ich habe gestern leider über Sie in Abwesenheit sprechen müssen, ich hätte es lieber in Anwe­senheit gemacht. Ich habe Sie als jemanden bezeichnet, der manchmal etwas über­schießend ist in seinen Worten und auch Handbewegungen, habe dafür ein wieneri­sches Wort verwendet: Häferl. Ich glaube nicht, dass das böse ist, es war auch nicht


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böse gemeint. Das war das Netteste, das ich gesagt habe. (Beifall und Heiterkeit bei den NEOS.)

Das, was ich weniger positiv gemeint habe, ist ein ernster Punkt, über den ich jetzt sprechen möchte, und ich würde mich wirklich freuen, wenn wir da in einen Dialog ein­treten können und wir darüber reden, wie es mit diesem Ausschuss weitergeht.

Eines möchte ich Ihnen sehr deutlich sagen, meine Damen und Herren, und vor allem dem Präsidenten Sobotka: Wir werden darauf nicht hereinfallen, Ihnen nicht in diese Falle gehen, wenn Sie glauben, dass das möglich ist, jedes Mal zu sagen: Chaos, Mob­bing, kommt nichts raus, kostet viel Geld!, und zu versuchen, dass die Medien darüber schreiben und reden und nicht über die Fakten, die wir aufdecken, nämlich: Wie hat Schmid gegen jeden Anstand und auch gegen jedes Gesetz seinen Job bekommen? Wie haben Novomatic-Leute Politikerinnen und Politiker mit Geld beeinflusst? – Ist nach­gewiesen. Wie ist es möglich, dass jemand auftritt und sagt: Man kommt in diesem Land nicht zu seinem Recht, wenn man nicht etwas bezahlt!? Wie ist es möglich, dass eine Auskunftsperson kommt und sagt: Da war jemand bei mir und hat mir Geld geboten dafür, dass ich etwas anders sage!?

Oder: Wie ist es möglich – und da habe ich eine Kritik von Ihnen, Herr Präsident, erwar­tet –, dass Herr Bundeskanzler Kurz, wenn er das Protokoll bekommt, an 15 Stellen Aus­besserungen macht, obwohl es ganz anders aufgeschrieben war? Er wollte nachträglich seine Aussage verändern. Ich hätte von Ihnen als Präsident des Nationalrates erwartet, dass Sie darauf aufmerksam machen, dass das nicht möglich ist.

Das ist schlecht für den U-Ausschuss, wenn solche Sachen herauskommen. Das be­schädigt unsere Demokratie. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und noch etwas (Zwischenrufe bei der ÖVP), und ich bitte Sie wirklich, zuzuhören, weil das eine ernste Geschichte ist - - (Zwischenruf des Abg. Sobotka.) – Moment! Herr Prä­sident, ich würde mich freuen, wenn Sie nach mir noch sprechen und dazu Stellung nehmen. – Für mich ist dieser Ausschuss neu, aber wissen Sie, was nicht neu ist, was ich als Journalist noch im BVT-Untersuchungsausschuss - - (Abg. Sobotka: Verfahrens­ordnung lesen!) – Bitte ausreden lassen! (Abg. Sobotka: Ich lasse Sie eh ausreden!) Ich möchte das erzählen, weil das vielleicht für viele hier spannend ist, auch für die Zuse­herinnen und Zuseher, vor allem auch für Journalistinnen und Journalisten.

Ich kann Ihnen erzählen, was ich als Journalist im Rahmen des BVT-Untersuchungsaus­schusses erlebt habe: Ich habe Kolleginnen und Kollegen – heutige, also damals Poli­tikerinnen und Politiker, Mitglieder des U-Ausschusses der ÖVP – angerufen und ge­fragt: Können wir ein Interview machen? Die Antwort war: Sie bekommen einen Rückruf. Den Rückruf habe ich von der Pressesprecherin des Klubs bekommen.

Dann habe ich in der Verfassung nachgeschaut, habe da etwas vom freien Mandat ge­lesen und habe mir gedacht: Was ist das für ein freies Mandat? – Eine Ausnahme hat es gegeben. Ich möchte den Namen nicht nennen, weil ich ihm nicht schaden möchte; er sitzt auch heute nicht mehr hier. (Heiterkeit der Abgeordneten Krisper und Belako­witsch.) Ein einziger ÖVP-Abgeordneter hat gesagt: Okay, ich komme – wann geht’s bei Ihnen? Da habe ich Zeit, da habe ich keine Zeit. – Das war der Einzige, sonst war das nicht möglich!

Diese Form von Messagecontrol kann Herr Fleischmann machen, und wir merken ge­rade, wie er damit scheitert, aber was nicht geht, ist diese Form von Messagecontrol im Untersuchungsausschuss. Das ist völlig undenkbar, weil die Dinge öffentlich sind. Und noch besser wird es, wenn wir nachträglich das auch noch zeigen können.


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Zur Frage der Videobefragung: Ja, das ist, wenn es nicht anders geht, auch eine Mög­lichkeit. (Abg. Sobotka verlässt seinen Sitzplatz.) – Herr Präsident Sobotka, bitte dablei­ben (Abg. Sobotka: Ja, ja!), ich habe nämlich noch eine Bitte! – Jetzt schon wäre es möglich, wenn etwa Frau Horten sagt, sie möchte nicht in das Ausschusslokal kommen, dass sie in einem Nebenraum befragt wird. Das könnten Sie organisieren.

Das sind Punkte, die mir alle sehr wichtig sind, und vielleicht kommen wir doch dazu, dass wir aufhören, abzulenken, dass wir aufhören, abzulenken mit Chaos, mit Geld und Sonstigem, und wir uns auf die Ergebnisse konzentrieren.

Erst heute ist wieder ein Bericht herausgekommen, und das ist für die FPÖ nicht ange­nehm, was da zum Teil herauskommt, aber auch Sie beteiligen sich an der Untersu­chung. Es ist eben herausgekommen: Wenn Herr Schmid dann seinen Job hat, dann wollen wir auch unsere Sachen haben! – Das finden wir alles heraus. Wir merken, was hier an Unanständigem und zum Teil an Gesetzwidrigem im Land passiert ist. Und, mei­ne Damen und Herren, das ist der Zweck des Untersuchungsausschusses, und dieser Zweck wird jedes Mal von Neuem erfüllt. Das ist unangenehm für Sie, aber das müssen Sie jetzt zur Kenntnis nehmen, und ich hoffe, dass sich durch diesen Untersuchungsaus­schuss auch etwas ändert im Land.

Ernsthaft, Herr Präsident: Wir kennen uns lange genug, wir haben auch manchmal laut miteinander geredet, das muss möglich sein, und noch einmal: Ich finde, „Häferl“ ist überhaupt keine Beleidigung, und „aufbrausend“ ist, glaube ich, ein Adjektiv, das man Ihnen durchaus zuschreiben kann, Herr Präsident. Sie aber sind wirklich verantwortlich für den Parlamentarismus in diesem Land, und ich erwarte, dass Sie sagen: Ja, dieser Ausschuss ist in Ordnung. Ich erwarte, dass Sie sagen: Wir können da und dort über etwas diskutieren, aber ich stelle den Ausschuss nicht grundsätzlich infrage, indem ich sage: Die mobben mich!

Das wundert mich ja auch – und jetzt höre ich eh schon auf –, das ist offenbar auch eine neue Entwicklung im internationalen Populismus, dass jeder gleich ein Opfer sein muss: Trump ist ein Opfer, Erdoğan ist ein Opfer, alle sind Opfer. Das haben Sie ja gar nicht notwendig, ein Opfer zu sein, Herr Präsident – starker Mann aus Niederösterreich (allge­meine Heiterkeit), das verbindet uns doch! Und wenn man ein starker Mann aus Nieder­österreich ist, dann muss man doch nicht sagen: Ich werde gemobbt! – Mein Gott, das kann schon einmal vorkommen, dass jemand anders anderer Meinung ist, aber das ist ja nicht Mobbing, Herr Präsident!

Einigen wir uns doch jetzt zu dieser gar nicht so späten Stunde darauf, dass wir froh sind, dass wir hier ein Parlament haben. Ich weiß, manchmal kommen Leute und sagen: Der redet alleweil davon, dass das gefährdet ist! – Ich habe Ihnen schon so viele Bücher gezeigt, und ich kann Ihnen noch eines zeigen, in dem genau beschrieben wird, dass der Parlamentarismus, dass die Demokratie auch in fortgeschrittenen Ländern des Wohl­stands gefährdet ist. Es ist leider so.

Es ist unsere Aufgabe und die der Älteren erst recht, der nächsten Generation ein Land zu übergeben, in dem das auch alles möglich ist. Ich habe heute mit meinem Nachbarn Duxi Hoyos über das Jahr 1989 geredet. Ich habe erlebt, was in der DDR los war, ich weiß, wie die Leute im Kommunismus behandelt wurden, und ich habe als Reporter auch andere Diktaturen besuchen dürfen, um zu erleben, wie es dort ist. Das, was wir hier miteinander haben, ist großartig, einmalig in der Geschichte Österreichs. Wir wissen, wie es früher war, und das wollen wir alle miteinander nicht mehr. Deshalb muss man dann auch einmal hergehen und sagen können: Ja, ich habe da vielleicht ein bisschen etwas gesagt, das nicht so in Ordnung war; ja, ich stehe zu diesem Ausschuss; und ja, ich möchte, dass wir über die Inhalte des Ausschusses reden und nicht über irgendwel­che Formalitäten, um ihn abzuwerten!


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Ich merke an Ihren Handbewegungen, dass wir uns da einig sind. Ich möchte also sagen, meine Damen und Herren: Herr Präsident Sobotka wird ab sofort sehr dafür sorgen, dass das ein großartiger Ausschuss wird (allgemeine Heiterkeit), er freut sich darüber, wenn wir zu gemeinsamen Ergebnissen kommen (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordne­ten der FPÖ sowie des Abg. Stögmüller), auch wenn diese Ergebnisse möglicherweise auch für die ÖVP unangenehm sind. (Abg. Steinacker: Also bitte, er kann schon selbst sprechen!) Das glaube ich auch, ja, aber – und die NEOS werden vielleicht bald regieren, ich wünsche es ihnen dringend, in Wien, ebenso anderswo – natürlich ist die Verführung, wenn man regiert, eine andere. Das mag schon sein, aber da muss man sich dann eben auch der Verantwortung, der Aufklärung und der Kontrolle stellen.

Ich bitte dringend, dass wir das gemeinsam machen. Ich werde versuchen, das Meine dazu beizutragen, ich habe gesehen, Herr Präsident Sobotka trägt das Seine dazu bei. – Ich bedanke mich herzlich und wünsche allen einen schönen Abend. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

18.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Chris­tian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wöginger: Das hat uns noch gefehlt im Parlament!)


18.52.35

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Es ist gleich aus, ich wollte nur noch geschwind die Fragen, die von der ÖVP aufgeworfen worden sind, beantworten, damit wir dann wirklich konstruktiv in den Ausschuss gehen können.

Kollege Brandstätter, Ihr Wort in Gottes Ohr, ich hoffe nur, dass das nicht am nieder­österreichischen Naturell einiger Personen scheitert.

Zu den drei Fragen, die aufgeworfen worden sind: Wie wird die Sicherheit der Auskunfts­personen gewährleistet? – Das kann man relativ leicht lösen. Es gibt ja solche Möglich­keiten auch bei Gericht. Zum Beispiel gerade bei Sexualstrafdelikten gibt es die Möglich­keit, auch über Video auszusagen. Das heißt, man kann sicherstellen, dass die Leute in ihrer Aussage nicht beeinflusst werden. Möglicherweise können die Mitarbeiter der Par­lamentsdirektion das auch in einem Nebenraum sicherstellen, indem die Auskunftsper­sonen sozusagen kontaktlos oder nahezu kontaktlos ins Parlament, in einen eigens dafür eingerichteten Raum geleitet werden, in dem all diese Dinge mit Verfahrensrichter und so weiter und so fort sicher abgehandelt werden können. Ich glaube, wo ein Wille, da ein Weg!

Vielleicht nur ganz kurz zu Kollegin Kucharowits, weil sie gesagt hat, Gestik und Mimik seien auch wichtig: Absolut, aber es ist jetzt mit den Masken ohnehin schon fast nicht mehr möglich, irgendeine Mimik zu erkennen; bei Präsident Sobotka weiß ich auch nicht, ob er unter seiner Maske jetzt lacht oder ob er sich gerade kränkt. Es ist wichtig, aber nichtsdestotrotz ist es mir lieber, eine Videobefragung zu machen, anstatt gar keine Aus­kunft zu bekommen.

Ich glaube, dass das wichtig ist, und ich glaube, dass wir auch sicherstellen können, dass die Persönlichkeitsrechte der Personen gewahrt sind, dass vor allem auch die Vi­deostreams nicht nach außen gehen; auch das ist technisch machbar. Ich würde sagen, wir können bei diesen Videovernehmungen ein wesentlich sichereres Umfeld schaffen, als das bis dato zum Beispiel bei der Briefwahl der Fall ist. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Sobotka – die Mund-Nasen-Schutzmaske kurz abnehmend –: Das ist keine Verneh­mung – eine Auskunft! Wir sind kein Gericht, stellen Sie das endlich einmal klar! – Abg. Steinacker: Da sollte man schon aufpassen!) – Richtig: wenn wir die Auskunftsperso­nen befragen, Herr Präsident! Jetzt weiß ich wenigstens, wie Ihre Mimik ausschaut. – Danke. (Beifall und Heiterkeit bei der FPÖ.)

18.54


18.54.24


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll58. Sitzung, 15. Oktober 2020 / Seite 96

Präsidentin Doris Bures: Nun ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 896/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.54.42Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Wir haben noch über einen Fristsetzungsantrag abzustim­men.

Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Weidinger und Fischer, dem Ausschuss für Konsumentenschutz zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz, das Tele­kommunikationsgesetz 2003 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden“, 409 der Beilagen, eine Frist bis 16.11.2020 zu setzen.

Wer sich für diese Fristsetzung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

18.55.24Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 966/A bis 983/A eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 18.55 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.55.47Schluss der Sitzung: 18.55 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien