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Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

226. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Freitag, 7. Juli 2023

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Nationalratssaal


Stenographisches Protokoll

226. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                              Freitag, 7. Juli 2023

Dauer der Sitzung

Freitag, 7. Juli 2023: 9.05 – 17.05 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 3407/A(E) der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Süleyman Zorba, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der digitalen Souveränität durch flexibleren und vermehrten Einsatz von Open-Source-Produkten

2. Punkt: Bericht über den Datenschutzbericht 2022

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesverwal­tungs­gerichtsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen (Virtuelle Gesellschafterversamm­lungen-Gesetz – VirtGesG) erlassen wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 2

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Gesellschaftsrechtlichen Mobilitäts-Richtlinie 2019/2121 ein Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union (EU-Umgründungsgesetz – EU-UmgrG) erlassen wird und das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Übernahmegesetz, das Aktiengesetz, das Umwandlungsgesetz, das Bankwesengesetz sowie das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechtliches Mobilitätsgesetz – GesMobG)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korrup­tions­bekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korrup­tionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023 – KorrStrÄG 2023)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert werden

8. Punkt: Bericht über den Antrag 3474/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 3401/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begleitende Maßnahmen für die aus dem Maßnahmenvollzug zu Entlassenden

10. Punkt: Bericht über den Antrag 3406/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens geändert wird

11. Punkt: Bericht betreffend die Erstattung eines Vorschlages für die Wahl der Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz gemäß § 17a Abs. 5 Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 3

12. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „ECHTE Demokratie - Volksbegehren“

13. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Beibehaltung Sommerzeit“

14. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „GIS Gebühren NEIN“

15. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Lieferkettengesetz Volksbegehren“

16. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Unabhängige JUSTIZ sichern“

17. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „NEHAMMER MUSS WEG“

18. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „BARGELD-Zahlung: Obergrenze NEIN!“

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     22

Ordnungsruf ............................................................................................................  101

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................     73

Ersuchen des Abgeordneten Philip Kucher um Sitzungsunterbrechung ..........     77

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem Ersuchen um Sitzungsunterbrechung:

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................     77

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................     78

Sigrid Maurer, BA .....................................................................................................     78


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 4

Philip Kucher ............................................................................................................     79

Dr. Nikolaus Scherak, MA .......................................................................................     80

Wortmeldung des Abgeordneten August Wöginger aufgrund aus seiner Sicht inakzeptabler Zwischenrufe ........................................................................  233

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsident Mag. Wolfgang Sobotka ....................................  286

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ........................  288

Fragestunde (23.)

Finanzen ..................................................................................................................     23

Angela Baumgartner (288/M); Mag. Julia Seidl, Dr. Christoph Matznetter

Eva Maria Holzleitner, BSc (294/M); Franz Hörl

Christian Hafenecker, MA (277/M); Dr. Stephanie Krisper, Ing. Reinhold Einwallner, Franz Leonhard Eßl

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (299/M); Christoph Stark, Maximilian Linder

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (297/M); Julia Elisabeth Herr

Ing. Klaus Lindinger, BSc (289/M)

Kai Jan Krainer (295/M)

MMag. DDr. Hubert Fuchs (278/M); Laurenz Pöttinger

Mag. Nina Tomaselli (300/M)

Mag. Gerald Loacker (298/M); Mag. Markus Koza

Gabriel Obernosterer (290/M); Hermann Brückl, MA

Petra Bayr, MA MLS (296/M); Mag. Meri Disoski


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 5

Mag. Andreas Hanger (291/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     22

Wahlen in Institutionen

11. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vorschlages für die Wahl der Mitglieder der unabhängigen Kontroll­kommission Verfassungsschutz gemäß § 17a Abs. 5 Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz (2130 d.B.) ................................................................  212

Redner:innen:

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................  213

Dr. Christian Stocker ..............................................................................  219, 231

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  221

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  224

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................  226

Dr. Stephanie Krisper ..............................................................................................  229

Annahme des Antrages des Hauptausschusses in 2130 d.B. (Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz: Univ.-Prof. Dr. Reinhard Klaushofer, Univ.-Ass. MMag. Dr. Monika Stempkowski, Dr. Theo Thanner, Ing. Mag. Dr. Christof Tschohl und Univ.-Prof. Dr. Ingeborg Zerbes) ....  233

Ausschüsse

Zuweisungen .......................................  72, 241, 248, 255, 265, 273, 280, 286

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitali­sie­rung über den Antrag 3407/A(E) der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Süleyman Zorba, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 6

Stärkung der digitalen Souveränität durch flexibleren und vermehrten Einsatz von Open-Source-Produkten (2137 d.B.) ..............................................     74

Redner:innen:

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................     74

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................     80

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................     83

Süleyman Zorba .......................................................................................................     85

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................     87

Mag. Peter Weidinger ..............................................................................................     89

Katharina Kucharowits ...........................................................................................     91

Gabriele Heinisch-Hosek .........................................................................................     93

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2137 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Stärkung der digitalen Souveränität durch flexibleren und vermehrten Einsatz von Open-Source-Produkten“ (334/E) ....     95

2. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Datenschutzbericht 2022, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz (III-922/2154 d.B.) ..................................................................................................     95

Redner:innen:

Süleyman Zorba ........................................................................................  96, 111

Mag. Christian Drobits ............................................................................................     98

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  101

Karl Schmidhofer .....................................................................................................  104

Dr. Nikolaus Scherak, MA .......................................................................................  105

Mag. Corinna Scharzenberger ................................................................................  108

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  111

Kenntnisnahme des Berichtes III-922 d.B. ..........................................................  113

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 7

3. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2093 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenz­ordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023) (2155 d.B.) ...............................................................  114

4. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2094 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen (Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz – VirtGesG) erlassen wird (2156 d.B.) ....................................................  114

Redner:innen:

Julia Elisabeth Herr ..................................................................................................  114

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  121

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................  123

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................  127

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  129

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  132

Mag. Johanna Jachs ................................................................................................  134

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................  136

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................  137

Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“ – Ablehnung ..............................................................................................  117, 139

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2155 und 2156 d.B. ........................  138

5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2028 d.B.): Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Gesellschaftsrecht­lichen Mobilitäts-Richtlinie 2019/2121 ein Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 8

Europäischen Union (EU-Umgründungsgesetz – EU-UmgrG) erlassen wird und das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Übernahme­gesetz, das Aktiengesetz, das Umwandlungsgesetz, das Bankwesengesetz sowie das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschafts­rechtliches Mobilitätsgesetz – GesMobG) (2157 d.B.) ......................................  139

Redner:innen:

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  140

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  142

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  143

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................  145

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  147

Annahme des Gesetzentwurfes in 2157 d.B. .....................................................  147

6. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2098 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korrup­tions­bekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korrup­tionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023 – KorrStrÄG 2023) (2158 d.B.) .........  148

Redner:innen:

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  149

Sigrid Maurer, BA .....................................................................................................  151

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................  154

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................  156

Dr. Nikolaus Scherak, MA .......................................................................................  160

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  163

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  166

Dr. Harald Troch ......................................................................................................  168

Dr. Christian Stocker ...............................................................................................  170

Annahme des Gesetzentwurfes in 2158 d.B. .....................................................  172


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 9

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2088 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundes­gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert werden (2159 d.B.) .................................................................................................  173

Redner:innen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  173

Sabine Schatz ...........................................................................................................  174

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................  176

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................  176

Karl Schmidhofer .....................................................................................................  178

Annahme des Gesetzentwurfes in 2159 d.B. .....................................................  180

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3474/A der Abge­ordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert wird (2160 d.B.) .....................................  180

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3401/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begleitende Maßnahmen für die aus dem Maßnahmenvollzug zu Entlassenden (2161 d.B.) ..................................................................................  180

Redner:innen:

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................  181

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  183

Christian Lausch .....................................................................................  185, 195

Dr. Gudrun Kugler ....................................................................................................  190

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  193

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  197


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 10

Annahme des Gesetzentwurfes in 2160 d.B. .....................................................  199

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2161 d.B. ..........................................  199

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3406/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Genehmigungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaß­nahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens geändert wird (2162 d.B.) ......................................................................................................  200

Redner:innen:

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  200

Michel Reimon, MBA ...............................................................................................  201

Mag. Christian Drobits ............................................................................................  204

Mag. Corinna Scharzenberger ................................................................................  205

Dr. Stephanie Krisper ..............................................................................................  207

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  210

Annahme des Gesetzentwurfes in 2162 d.B. .....................................................  212

12. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „ECHTE Demokratie - Volksbegehren“ (2074 d.B.) ..................................................................................  234

Redner:innen:

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................  235

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  236

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  238

Michael Bernhard ....................................................................................................  239

Zuweisung des Volksbegehrens 2074 d.B. an den Verfassungsausschuss ....  241

13. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Beibehaltung Sommerzeit“ (2075 d.B.) ...............................................................................................................  241


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 11

Redner:innen:

Franz Hörl .................................................................................................................  241

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ...............................................................................  244

Walter Rauch ...........................................................................................................  245

Ing. Martin Litschauer .............................................................................................  246

Mag. Julia Seidl ........................................................................................................  247

Zuweisung des Volksbegehrens 2075 d.B. an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie .............................................................................................  248

14. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „GIS Gebühren NEIN“ (2076 d.B.) ......  249

Redner:innen:

Martina Diesner-Wais .............................................................................................  249

Sabine Schatz ...........................................................................................................  250

Mag. Eva Blimlinger .................................................................................................  252

Henrike Brandstötter ...............................................................................................  253

Zuweisung des Volksbegehrens 2076 d.B. an den Verfassungsausschuss ....  255

15. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Lieferkettengesetz Volksbegehren“ (2077 d.B.) ..................................................................................  255

Redner:innen:

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................  256

Julia Elisabeth Herr ..................................................................................................  258

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  260

Henrike Brandstötter ...............................................................................................  262

Zuweisung des Volksbegehrens 2077 d.B. an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie .............................................................................................  265

16. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Unabhängige JUSTIZ sichern“ (2078 d.B.) ...............................................................................................................  265


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 12

Redner:innen:

Mag. Corinna Scharzenberger ................................................................................  265

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  267

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................  270

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  271

Zuweisung des Volksbegehrens 2078 d.B. an den Justizausschuss ................  273

17. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „NEHAMMER MUSS WEG“ (2079 d.B.) ...............................................................................................................  273

Redner:innen:

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ...............................................................................  273

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................  275

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ..........................................................................................  278

Zuweisung des Volksbegehrens 2079 d.B. an den Verfassungsausschuss ....  280

18. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „BARGELD-Zahlung: Obergrenze NEIN!“ (2080 d.B.) ..................................................................................................  280

Redner:innen:

Angela Baumgartner ...............................................................................................  280

Kai Jan Krainer .........................................................................................................  281

Walter Rauch ...........................................................................................................  283

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  284

Zuweisung des Volksbegehrens 2080 d.B. an den Finanzausschuss ..............  286

Eingebracht wurden

Petitionen ................................................................................................................     72


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 13

Petition betreffend „Medizinisches Cannabis in Österreich erlauben“ (Ordnungsnummer 127) (überreicht von den Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd und Mag. Gerald Loacker)

Petition betreffend „Aufwertung der Strecke Villach–Feldkirchen–St. Veit/Glan–Friesach–Bruck/Mur ab Dezember 2025 mit hochrangigem (überregionalem Railjet-) Verkehr“ (Ordnungsnummer 128) (überreicht vom Abgeordneten Klaus Köchl)

Regierungsvorlage .................................................................................................     72

2170: Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 und das Bundesfinanzgesetz 2023 geändert werden

Anträge der Abgeordneten

Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 geändert wird (3523/A)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überprüfung unzulässiger Kostenabzugsklauseln bei Lebensversicherungen (3524/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Transparenz bei Lebensversicherungen (3525/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr höhere Schulen in stark wachsenden urbanen Räumen (3526/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserte Arbeitsrahmenbedingungen in der Pflege (3527/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserte Arbeitsrahmenbedingungen in der Pflege (3528/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 14

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen gemäß Art. 49b B-VG iVm § 26 GOG-NR auf Durchführung einer Volksbefragung gem. Art. 49b B-VG über den Schutz des Bargeldes als Zahlungsmittel und Vermögensform ohne Obergrenzen und des uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehrs (3529/A)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Militärbündnis „Sky Shield“ – Ja zur Neutralität! (3530/A)(E)

Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert werden (3531/A)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtssituation in Peru (3532/A)(E)

August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallver­sicherungsgesetz geändert werden (3533/A)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewalt an Frauen (3534/A)(E)

Andreas Ottenschläger, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird (3535/A)

Hermann Weratschnig, MBA MSc, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (3536/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 15

Mag. Martin Engelberg, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und das Bundesgesetz über die Einrichtung des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich geändert werden (3537/A)

Dr. Elisabeth Götze, Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird (3538/A)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entlastung für die Landwirtschaft (3539/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Weniger Steuern für kleine Anleger? (15671/J)

Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Strategiewechsel bei der Borealis – gegen die Interessen der Republik? (15672/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend „Personalnotstand im Bundesheer“ (15673/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend Hacking Video (15674/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend Digital Austria „Act“ (15675/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wahlkampf Erdogans in Österreich (15676/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 16

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15677/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15678/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15679/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15680/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15681/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15682/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15683/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15684/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15685/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15686/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 17

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15687/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15688/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15689/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Mobilitätskosten für Minister:innen (15690/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend NPO Fonds Teil 2: Nichts aus dem ÖVP-Förderskandal gelernt? (15691/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Quereinstieg und Sonderverträge für Lehrer:innen (15692/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Dragqueen-Lesungen vor minderjährigen Schulkindern (15693/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Personalmangel in heimischen Spitälern (15694/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ein Drittel der Diabetiker in Österreich bricht Therapie ab (15695/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 18

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Religionsbekenntnisse an Österreichs Schulen (15696/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen aufgrund des Judenburger Prüfberichts (15697/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Verschlechterung bei AMS-Pflegestipendium gegenüber AMS-Fachkräftestipendium (15698/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kosten für den Steuerzahler durch die Teilnahme von Regierungsmitgliedern am Opernball 2023 – Folge­anfrage (15699/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Kosten für den Steuerzahler durch die Teilnahme von Regierungsmitgliedern am Opernball 2023 – Folgeanfrage (15700/J)

Thomas Spalt, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten für den Steuerzahler durch die Teilnahme von Regierungsmitgliedern am Opernball 2023 – Folgeanfrage (15701/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bildungssituation von Menschen mit Behinderung verschlechtert (15702/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grundversorgung und Kapazitätsauslastung von Asylunterkünften (1. Halbjahr 2023) (15703/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend § 117 StGB (15704/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 19

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15705/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15706/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Schulleitungen ignorieren Deutschförderklassen (15707/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Welche Lehren haben Sie aus dem Planspiel „The SPARS Pandemic 2025 – 2028“ gezogen? (15708/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend In welche Kanäle fließen Millionen an Klima-Subventionen und CO2-Kompen­sationen? (15709/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Tierärztemangel im Nutztierbereich (15710/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Tierärzte­man­gel im Nutztierbereich (15711/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Chargen des BioNTech-Impfstoffs gegen Corona? (15712/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 20

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Schattenspringerkrankheit (15713/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pandemie der Nebenwirkungen? (15714/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15715/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15716/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15717/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15718/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15719/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15720/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15721/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15722/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 21

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15723/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15724/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15725/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Abgeltung von Rüstzeiten (15726/J)

 

 

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 22

09.05.14Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.15*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich eröffne die 226. Sitzung und darf Sie recht herzlich zum dritten und letzten Plenartag dieser Sitzungswoche begrüßen! Mein Gruß gilt natürlich auch den Journalistinnen und Journalisten am Balkon und den Damen und Herren auf der Zuschauergalerie und selbstverständlich auch den Damen und Herren zu Hause, die unsere Sitzung vor den Bildschirmen verfolgen.

Die Amtlichen Protokolle der 222. und der 223. Sitzung vom 5. Juli 2023 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Mag. Karin Greiner, Michael Schnedlitz, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Heike Grebien und Mag. Yannick Shetty.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner wird durch Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner vertreten.


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*****

Wie üblich überträgt ORF 2 bis 13 Uhr und ORF III bis 19.15 Uhr. Anschließend wird unsere Sitzung im Livestream der TVthek übertragen. Gleichzeitig sind auch private Fernsehanstalten immer wieder zugeschaltet.

09.06.29Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen sogleich zur Fragestunde.

Sie kennen die Praxis, und ich darf den Herrn Bundesminister für Finanzen recht herzlich begrüßen.

Finanzen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 1. Anfrage, die Frau Abgeordnete Baumgartner stellt. – Bitte, Frau Baumgartner.

09.06.44


Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Finanzminister!

288/M

„Welche steuerpolitischen Maßnahmen sind für das heurige Jahr noch geplant?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Finanzminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Schönen guten Morgen! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, wir haben steuerpolitisch noch einiges vor. Jetzt gerade am Mittwoch haben wir das Gemein­nützigkeitspaket im Ministerrat beschlossen, womit wir das Spendenwesen in Österreich massiv weiterentwickeln.

Es werden die spendenbegünstigten Zwecke ausgeweitet, es werden auch Verfahrenserleichterungen, Verfahrensvereinfachungen entsprechend


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umgesetzt. Das Gemeinnützigkeitsrecht insgesamt wird reformiert, es wird mehr Rechtssicherheit geschaffen. Das ist der eine Punkt, der jetzt konkret ist.

Im Herbst müssen wir auch eine EU-Richtlinie umsetzen – nicht nur eine Richtlinie, sondern die EU-Mindeststeuern: ein großes Paket, das viele Jahre diskutiert worden ist und im Herbst umgesetzt wird, sodass multinationale Unternehmensgruppen mit weltweiten Jahresumsätzen von über 750 Millionen Euro auch einen Beitrag zum Steueraufkommen insgesamt leisten. Damit werden diese Vorteile, die eine Gewinnverlagerung in sogenannte Steueroasen mit sich gebracht haben, beseitigt und wird die Wettbewerbsfähigkeit für österreichische Unternehmen entsprechend verbessert.

Dann wird natürlich das letzte Drittel der kalten Progression angegangen werden. Das ist jedes Jahr so. Dazu erwarten wir Ende Juli den Progressions­bericht und auf Grundlage dieses Progressionsberichtes werden wir dann dieses letzte Drittel der kalten Progression entsprechend umsetzen. Das ist sozusagen ein Inflationsvolumen, das dann zielgerichtet wieder an die Bevölkerung zurück­fließen kann.

Eine weitere steuerliche Maßnahme ist auch der Beschluss des Start-up-Förderungspakets, das eine Begünstigung für Mitarbeiterbeteiligungen und Vereinfachungen bringt. Dieses Start-Up-Förderungsgesetz haben wir ja schon auf den Weg gebracht, und nach Ablauf der Begutachtungsfrist wird das dann entsprechend umgesetzt werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Ja, aber, Herr Minister, meine Zusatzfrage hätte das Gemeinnützigkeitspaket betroffen, und diesbezüglich haben Sie schon geantwortet. – Danke schön.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Seidl. – Bitte.



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Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Sehr geehrter Herr Minister! Sie wissen ja, immer mehr Menschen arbeiten Teilzeit. Das hat viele Gründe, unter anderen auch schlecht ausgebaute Kinderbetreuungseinrichtungen in gewissen Bereichen. Es gibt aber auch andere Gründe.

Ein Grund, den ich sogar sehr gut nachvollziehen kann, ist, dass es sich einfach nicht mehr rentiert, weil der Staat oder Sie den Menschen immer mehr aus der Geldtasche nehmen. Das verschärft zusätzlich den Arbeitskräftemangel und wird vor allem zu einem späteren Zeitpunkt ein wirklich großes Problem, nämlich wenn es dann um die Pensionen geht.

Welche steuerpolitischen Maßnahmen plant die Bundesregierung heuer noch, damit es Anreize für Arbeitnehmer:innen gibt, Vollzeit zu arbeiten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich muss das, glaube ich, klarstellen: Wir nehmen nicht aus der Tasche, sondern wir geben zurück. Das ist, glaube ich, mit diesen unterschiedlichsten Maßnahmen, die wir gesetzt haben, offensichtlich: von der Steuerreform, im Rahmen derer die Tarifstufen gesenkt werden, über die Abschaffung der kalten Progression bis hin zur Valorisierung der Sozialleistungen. Das sind ja alles strukturelle Reformen und strukturelle Maßnahmen, mittels derer wir den Menschen mehr zum Leben lassen. Also das war, glaube ich, ein Missverständnis von Ihnen. (Heiterkeit der Abg. Seidl.) Das aber nur zur Klarstellung:

Was macht man, um die Menschen mehr in die Vollzeit zu bringen und insgesamt im Arbeitsleben zu halten? Martin Kocher verhandelt da ja ein großes Leistungspaket. Wichtig ist es, glaube ich, schon, dass insbesondere älteren Arbeitnehmern ermöglicht wird und es für sie attraktiver gestaltet wird, länger im Arbeitsmarkt zu bleiben. Das ist das eine ganze Entscheidende.

Wir haben – laut Studien – das Potenzial von circa 40 000 Menschen, die gerne länger arbeiten würden, aber das ist steuerlich nicht so ganz attraktiv, und ich


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glaube, da muss man einiges sowohl im Pensionsversicherungsbereich als auch im steuerlichen Bereich machen, um dieses Weiterarbeiten auch attraktiver zu gestalten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Matznetter. – Bitte sehr.


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundesminister! Vor wenigen Tagen hat die Oesterreichische Nationalbank die neueste Auswertung vorgelegt: 335 Österreicher und Österreicherinnen – hauptsächlich leider Männer – besitzen ein Drittel des gesamten Finanzvermögens, und zwar ausschließlich aus leistungslosen Vermögenszuwächsen. (Abg. Loacker: Woher willst du das wissen?)

Welche Vorschläge gedenkt diese Bundesregierung und gedenken insbesondere Sie, Herr Bundesminister, vorzulegen, wie wir dieses Ungleichgewicht leistungsloser Akkumulation von Vermögen zugunsten jener, die nichts haben, reduzieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Die erste Aussage mit den Zahlen kann ich nicht nachvollziehen. Ich wüsste auch nicht, woher die Nationalbank das wissen sollte. Wenn Sie es wissen und eine Studie dazu haben, wunderbar – ich wüsste nur nicht, wo sie das herhat, aber okay. (Abg. Matznetter: Oesterreichische Nationalbank! – Abg. Michael Hammer: Vom Momen­tum-Institut!)

Was machen die österreichische Bundesregierung und das Parlament Gott sei Dank? – Sie entlasten Menschen. Unser Zugang ist, dass man die Leute nicht belastet, sondern entlastet. Ich glaube, das unterscheidet uns auch ein bisschen, aber das ist okay. Es ist auch in Ordnung, wenn man unterschiedliche Zugänge hat. Wie gesagt: Wir wollen entlasten. Das haben wir mit der Steuerreform, mit der Abschaffung der kalten Progression massiv gemacht, und


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wir haben dann doch ein aus meiner Sicht durchaus intelligentes Konzept bei der kalten Progression umgesetzt, nämlich dass man sich ein Drittel noch freihält, das zwar verpflichtend zurückgegeben werden muss, mit dem aber die sozial Schwächeren – die, die Steuern zahlen – noch mehr unterstützt werden können.

Ich glaube also, dass das sehr ausgewogen und fair ist. Unser unmittelbarer und prinzipieller Zugang ist aber, Menschen zu entlasten und nicht zu belasten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Holzleitner. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

09.13.12


Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir wissen, von der KöSt-Senkung profitieren kleine und mittlere Betriebe kaum, nur in sehr geringem Ausmaß. Diese Senkung kommt jenen 5 Prozent der Unternehmen zugute, die die größten sind. Auch hier kann man also sagen, auf unternehmerischer Ebene eigentlich keine faire Verteilung der Steuerlast.

Diese Senkung war eigentlich fast eher ein Geschenk für Großkonzerne, und auch im EU-15-Vergleich sinken wir dadurch unter den Schnitt von rund 25 Prozent KöSt. Deshalb meine Frage:

294/M

„Wann werden Sie den Fehler der KÖSt-Senkung von 25% auf 23% korrigieren?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Gar nicht, weil es kein Fehler ist, sondern das Gegenteil davon. Ich darf Ihnen das gerne erklären: Die Körperschaftsteuersenkung auf 23 Prozent ist eine Annäherung an den EU-Schnitt. Jetzt sind wir langsam im EU-Schnitt. Wir waren über dem europäischen


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Schnitt, und jetzt sind wir im Schnitt. Wir sind ja auch von Staaten umgeben, die direkt im unmittelbaren Wettbewerb mit unserer Wirtschaft stehen, die wesentlich niedriger liegen (Abg. Krainer: Deutschland? Deutschland liegt viel höher!), insbesondere die ost- und mitteleuropäischen Staaten – das lassen Sie jetzt aus, aber sonst nicht –, die natürlich auch in unmittelbarem Wettbewerb mit uns stehen.

Mit dieser Maßnahme machen wir den Standort attraktiver. Wir attraktivieren Innovation, wir attraktivieren das Unternehmertum insgesamt und auch die Investitionen für Österreich. Das ist ein ganz entscheidender Wettbewerbs­vorteil für den Standort, für mehr Arbeitsplätze, die wir dadurch lukrieren.

Das andere, das Sie gesagt haben, ist nicht ganz richtig: Es profitieren am meist­en natürlich kleine und mittlere Unternehmen, alle die, die in der Gesellschafts­form beispielsweise einer GmbH organisiert sind. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Na selbstverständlich profitieren die am meisten (Abg. Krainer: Am wenigsten!) und deswegen ist es auch vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen eine Riesenerleichterung. (Abg. Krainer: 75 Prozent der Konzern­steuer zahlen nur die Großen!) Das ist das eine, innerhalb Österreichs.

Es ist aber auch für die Attraktivierung des Standortes Österreich ein Vorteil, wenn sich Tochtergesellschaften, ausländische Unternehmen dann mehr überle­gen, sich in Österreich anzusiedeln und dadurch auch in Österreich Arbeits­plätze zu schaffen. (Abg. Krainer: Geh bitte!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): 80 Prozent der Summe der KöSt-Steuersenkung geht an die gewinnstärksten 5 Prozent der Unternehmen, und im EU-15-Schnitt war der KöSt-Satz ungefähr bei 25 Prozent, Herr Minister.

Die Zahlen, die Sie hier darlegen, stimmen also insofern nicht, als die kleinen und mittleren Betriebe eher weniger profitieren. Alle Expertinnen und Experten


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versichern das. Gerade vor der KöSt-Senkung ist es auch wirklich so dargestellt worden: 80 Prozent an die gewinnstärksten 5 Prozent der Unternehmen. Auf welche Wirtschaftsexpertise vertrauen Sie? (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Da muss ich Sie leider wieder korrigieren, Frau Abgeordnete. Das stimmt eben nicht. Sie sagen es jetzt natürlich von der Summe her. Es ist klar, dass Riesenunternehmen einen höheren Umsatz haben, das ist relativ logisch, aber von der Anzahl der Unter­nehmen her profitieren 80 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen von dieser Maßnahme (Abg. Krainer: Mit 500 Euro! Die Großen mit Millionen!), weil die meisten kleinen und mittleren Unternehmen in Österreich eben auch als Gesellschaft mit beschränkter Haftung beispielsweise oder in einer anderen Rechtsform organisiert sind. Deswegen profitieren sie dann auch selbstverständ­lich von der Reduktion der Körperschaftsteuer. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Mit Bröseln! – Abg. Holzleitner: Die Frage wurde nicht beantwortet! Herr Präsident!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage - - (Abg. Holzleitner: Die Frage wurde nicht beantwortet! Welche Wirtschaftsexpertise? – Abg. Wöginger: Was ist das jetzt? ...! – Abg. Holzleitner: Die Frage war, auf welche wirtschaftliche Expertise der Herr Minister vertraut, wenn es Exper­tinnen und Experten, Institutionen ...!)

Frau Abgeordnete, der Herr Minister antwortet so, wie er antwortet. (Abg. Krainer: Nein, bitte! Hallo! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die nächste Frage - - (Bundesminister Brunner: Ich kann die Frage gerne beantworten!) – Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ist ja kein Problem, ich kann ja auf jede Frage antworten, die Sie stellen. (Abg. Holzleitner: Sehr gut!) Wunderbar.


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Es gibt ja, glaube ich, Zahlen, die offensichtlich zeigen, welche Unternehmen es in Österreich gibt und in welcher Gesellschaftsform sie organisiert sind. Da müssen Sie eigentlich nur bei der Wirtschaftskammer hineinschauen, das können Sie jederzeit machen. Da ist es so, dass ein Großteil der österreichischen Unternehmen natürlich kleine und mittlere Unternehmen sind, und auch die Organisationsform wird dort dargestellt. Also dort sieht man: Wer ist als GmbH organisiert, wer ist als Aktiengesellschaft organisiert, wie groß sind die Unternehmen? – Das ist ja alles nachvollziehbar. (Abg. Krainer: Also die ÖVP-Wirtschaftsexpertise! Da kommen wir weit!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte.


Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist der charmanten Jugend meiner Vorrednerin geschuldet, dass sie natürlich durch die ideologische Expertise der Steuerexperten der SPÖ etwas falsch informiert ist, aber ich erinnere an die Steuersenkung unter Bundeskanzler Schüssel, als wir die Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent gesenkt haben und das Steueraufkommen sich versiebenfacht hat. (Abg. Krisper: Fragestunde!)

Eine konkrete Frage an Sie, Herr Bundesminister, aber Sie haben das ja eh schon beantwortet: Welche Unternehmen werden mit der KöSt am meisten entlastet?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Es sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung – das ist, glaube ich, auch offensichtlich –, die am meisten von der KöSt-Senkung profitieren. Das ist nach dem Einzelunternehmen ja auch die zweithäufigste Rechtsform, die wir in Österreich haben, also eine typische Gesellschaftsform des unternehmerischen Mittelstands in Österreich. Das ist das eine. Die werden am meisten und am intensivsten entlastet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 31

Daneben haben wir ja in Österreich auch noch Einzelunternehmen – das hat jetzt nichts mit der KöSt unmittelbar zu tun, aber mit der Entlastung –, die dann eben auch in anderen Bereichen profitieren.

Österreich signalisiert natürlich – das habe ich vorhin nicht ganz klar gesagt, das würde ich gerne nachholen – auch im internationalen Standortwett­bewerb, dass Gründungen, Ansiedelungen von Tochtergesellschaften in Österreich attraktiv gestaltet werden können. Deswegen ist es, glaube ich, eine gute Maßnahme.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Hafenecker. – Bitte sehr.

09.19.09


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Wir haben uns in den letzten Wochen mit der Causa Kika/Leiner auseinandersetzen müssen – ein österreichisches Möbelhaus, bei dem vorgegeben wurde, dass es einer österreichischen Rettung zugeführt wird. Sebastian Kurz war da auch maßgeblich beteiligt. Der Retter ist ja dann in der Person von René Benko gekommen. Schlussendlich ist aber Folgen­des passiert: Herr Benko hat 300 Millionen Euro in die eigene Kasse verfrachtet, das Unternehmen ist filetiert worden, man hat es in die Insolvenz verschachert, und insgesamt, glaube ich, kann man einen sehr, sehr üblen Geruch konstatieren.

Zuvor hat man noch im großen Stil Coronagelder abgegriffen, man hat Tausende Jobs vernichtet und schlussendlich auch noch eine Steuerstundung in der Höhe von 150 Millionen Euro erhalten; insgesamt also ein unglaublicher Vorgang.

Herr Bundesminister, ich hätte an Sie die Frage: Warum wurden der Kika/Leiner-Handelsgruppe ohne Sicherheiten Steuerstundungen in der Höhe von 150 Millionen Euro gewährt?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 32

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 277/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum wurden der Kika/Leiner-Handelsgruppe ohne Sicherheiten Steuerstundungen in Millionen-Höhe gewährt?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Na ja, also für die unmittelbar nach dem Ausbruch der ersten Covid-Welle gewährten Stundungen wurde ja vom Gesetzgeber – übrigens einstimmig, auch mit Ihren Stimmen, wie ich gelesen habe – in der Bundesabgabenordnung eine eigene gesetzliche Basis geschaffen. Da wurden Stundungsanträge, die nach dem 15. März 2020 positiv erledigt wurden, von Gesetzes wegen verlängert. Da hat die Freiheitliche Partei, glaube ich, auch entsprechend mitgestimmt, Gott sei Dank. Das war eine Maßnahme, um die Liquidität von Unternehmen in der Pandemie zu sichern. Diese Sondermaßnahmen – darum sage ich es – gelten natürlich für alle Unternehmen. Da gibt es keine Ausnahmen, sondern da gibt es klare Regeln, und diese Regeln gelten in Österreich Gott sei Dank für alle Unternehmen.

Zudem wurden diese Stundungen größtenteils – das ist aber auch in den Regeln so vorgesehen – zinsfrei gewährt, um die Unternehmen, die während der Pandemie natürlich auch an Liquiditätsengpässen gelitten haben, entsprechend zu entlasten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hafenecker? – Bitte.


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Finanzminister, der Punkt ist: Diese Stundungen – 150 Millionen Euro – wurden ohne Sicherheit gewährt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 33

Herr Benko hat sich 300 Millionen Euro aus dem Unternehmen heraus­gezogen, und die Steuerzahler bleiben jetzt auf einem Schaden von 150 Millionen Euro sitzen. Wie wollen Sie diesen Schaden, der jetzt den Steuerzahlern droht, verhindern respektive rückgängig machen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich stelle noch einmal klar, dass in Österreich Gott sei Dank alle gleich behandelt werden. Es gibt Regeln. Die Kika/Leiner-Gruppe war von der Pandemie betroffen wie vergleichbare andere Einzelhandelsfirmen und -gruppen auch. Deswegen wurden natürlich auch bei Stundungen und bei Hilfen dieselben Kriterien, dieselben Möglichkeiten herangezogen wie bei allen anderen Unternehmen in Österreich auch.

Jetzt ist es so, dass der angebotene Sanierungsplan für die Kika/Leiner GmbH vorsieht, dass die Insolvenzgläubiger eine Quote von insgesamt 20 Prozent – zahlbar längstens binnen zwei Jahren ab Annahme des Sanierungsplans – erhalten. Für die Republik ist es so, dass das Finanzamt für Großbetriebe die Forderungen beim Landesgericht Sankt Pölten natürlich entsprechend einbringen wird und die Interessen der Republik vertreten wird, dort natürlich auch das Stimmrecht ausüben wird. (Abg. Kassegger: ... sind futsch! Das heißt es auf Deutsch: 80 Prozent sind futsch!) Die nächste Tagsatzung ist, glaube ich, Ende September angesetzt. – Das ist die eine Seite.

Gleichzeitig haben wir auf der anderen Seite ja auch, wie Sie gehört haben, die Finanzprokuratur beauftragt, die Interessen der Republik in diesem Fall entsprechend wahrzunehmen, alles zu prüfen, mit Hochdruck zu prüfen, ob alles rechtskonform war, ob es rechtlich in Ordnung war und ob es eventuell weitere Rückforderungen geben sollte. Das wird die Finanzprokuratur in der Person von Dr. Peschorn für die Republik wahrnehmen.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Es heißt zwar anscheinend manchmal zu Recht Fragestunde und nicht Antwortstunde, wir erhoffen uns auf die weiteren Fragen trotzdem Antworten und nicht, dass Sie sich wie auf einer Blumenwiese herauspicken, was opportun ist. (Rufe bei der ÖVP: Frage! Geh bitte! Wie ist die Frage?)

Wir haben derzeit die Situation, dass Herr Eduard Müller, der im Finanz­ministerium für Benko eine zentrale Rolle gespielt hat, als jetziger FMA-Vorstand das Engagement von Österreichs Banken im Signa-Konzern prüft. Das wirft Fragen in Bezug auf Vereinbarkeit und Compliance betreffend seine Eignung als FMA-Vorstand auf.

Bei einer derartigen Situation drängt sich schon eine Frage auf, aber ich möchte es auch grundsätzlicher angehen: Wie gewährleisten Sie, dass eine Exklu­siv­betreuung einzelner Personen, von der der normale Bürger, die normale Bürgerin nur träumen kann, durch das Finanzministerium – insbesondere mittels Druck der politischen Ebene auf die Verwaltungsebene – in Ihrer Zeit als Finanzminister nicht mehr passieren kann?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Indem man sich an die Regeln hält. Jeder in Österreich ist gleich und wird gleich behandelt. Das ist mein Zugang.

Zu ihrer ersten Frage – es war eigentlich keine Frage, sondern eine Bemerkung von Ihnen, dass ich keine Antworten gebe –: Es hat sich, glaube ich, schon vorhin gezeigt, dass ich das relativiert habe. (Beifall bei der ÖVP.)

Darum auch die klare Antwort: Ich bekenne mich zu den Regeln und jeder hat sich an die Regeln zu halten. Es gibt keine Exklusivität für irgendjemanden (Abg.


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Hafenecker: Außer für den Herrn Wolf!), sondern jeder wird ganz normal nach den Regeln, die es in der Republik gibt, die vom Parlament beschlossen werden, behandelt. Das steht für mich außer Zweifel und außer Diskussion.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Einwallner. – Bitte.


Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Das Ändern der Regeln und dass man ordentliche Regeln machen soll, ist der Beginn meiner Frage, und zwar: Jeder Häuslbauer in Österreich, jeder Bürger, jede Bürgerin, die sich eine Eigentumswohnung oder auch nur einen Kleingarten kauft, muss 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer bezahlen. Firmenkons­trukte, wie zum Beispiel Herr Benko eines hat, nutzen ein Steuerschlupfloch, und wenn er eine Immobilie erwirbt, zahlt er nur 0,5 Prozent Grunderwerbsteuer. Ein Häuslbauer muss also siebenmal mehr Steuer zahlen als Herr Benko. Wann gedenken Sie, die Regeln so zu ändern, dass das nicht mehr möglich ist? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Mit der Grund­erwerbsteuer sprechen Sie natürlich eines meiner Lieblingsthemen an. (Heiterkeit und Widerspruch bei der SPÖ.) Diese würde ich sehr gerne nach unten bringen, vor allem für das erste Eigenheim. Ich glaube, dass das ganz wichtig wäre. (Abg. Einwallner: Gerechter sollte sie werden, oder?) – Sie auch, oder? (Abg. Einwallner: Gerechter sollte sie werden! Der Herr Benko soll einmal gleich viel zahlen wie ein Häuslbauer!) – Ja, eben, und darum: Fürs erste Eigenheim würde ich das unbe­dingt unterstützen, um jungen Familien, jungen Menschen überhaupt wieder ein Eigenheim ermöglichen zu können, und deshalb auch die Grunderwerbsteuer – zumindest beim ersten Eigenheim – senken. Das würde ich sehr unterstützen. Also wenn Sie mir da helfen könnten: jederzeit, sehr, sehr gerne. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 36

Das nehme ich jetzt so mit. (Abg. Krainer: Das war aber nicht die Frage! Die Frage war, wieso jeder siebenmal so viel zahlt wie Benko! – Abg. Einwallner: Das war nicht die Frage!) – Du hast auch keine Frage gestellt, du hast eine - - (Abg. Einwallner: Ja, das war nicht die Frage! Wann werden die Regeln geändert, damit Investoren wie Benko und Co gleich viele Steuern zahlen müssen wie kleine Häuslbauer? – Abg. Diesner-Wais: Wenn die Häuslbauer weniger zahlen, ist es ja das Gleiche! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Genau: gleich wenig. Das ist ein guter Zugang. (Ruf bei der ÖVP: Gleich wenig!)

Mir geht es auch darum, die Steuern zu senken, und nicht darum, sie nach oben zu setzen. (Abg. Schroll: ... beim Benko raufsetzen!) Das ist, glaube ich, der richtigere Zugang: die Menschen nicht immer zu belasten, denn das bringt ja den anderen auch nichts, sondern wir müssen die Menschen entlasten. Darum halte ich Ihre Idee, für den Häuslbauer mit der Grunderwerbsteuer nach unten zu gehen, für eine sehr, sehr gute. Die werde ich gerne aufnehmen. – Danke. (Abg. Wöginger: Hat er schon aufgenommen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Eßl. – Bitte.


Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Finanzminister! Die Opposition versucht natürlich immer wieder, es anders darzustellen (Abg. Schroll: Nein, ihr lasst die Häuslbauer zahlen ...!), aber die Österreicherinnen und Österreicher wissen, dass sie sich auf Sie verlassen können. (Zwischenrufe der Abgeordneten Erasim, Köllner und Schroll.) Darum die Frage: Wie stellen Sie sicher, dass die Forderungen der Steuerzahler im Insolvenzverfahren gewahrt werden? (Abg. Baumgartner – in Richtung SPÖ –: Dann hört doch ganz einfach einmal zu!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich habe jetzt nicht alles verstanden (Abg. Wöginger: Ja, ist eh klar, weil sie sich nicht benehmen


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können!), weil die Zwischenrufe so laut waren, aber ich glaube, es ging um die Wahrung der Interessen, wenn ich das richtig verstanden habe – es war so laut (in Richtung SPÖ weisend) von der Seite. (Abg. Erasim: Wir werden laut bleiben!)

Auf der einen Seite gibt es das normale Insolvenzverfahren, wo das Finanzamt für Großbetriebe die Interessen der Republik entsprechend vertritt und wahrt, und auf der andere Seite haben wir eben die Finanzprokuratur eingeschaltet, wobei Dr. Peschorn die Interessen der Republik wahren wird und auch prüfen wird, ob es noch andere Rückforderungen geben sollte, und diese dann auch im Sinne der Republik wahrnehmen wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Jakob Schwarz. – Bitte.

09.28.36


Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Ich hätte eine Frage zum Green Budgeting, dafür haben Sie in Ihrem Ministerium ja eine tatkräftige Abteilung aufgebaut. Da geht es jetzt in erster Linie einmal darum, zu messen: Wie klimafreundlich sind unsere Maßnahmen, ist unser Budget? Es gibt beispielsweise Spending Reviews, wo Sie sozusagen darauf schauen, welchen Effekt Förderungen im Klima-, im Umweltbereich, bei der Blumenwiesenförderung eigentlich haben und ob sie so sind, wie wir sie haben wollen, oder gar explizit kontraproduktiv – Stichwort kontraproduktive klimaschädliche Subventionen.

Die Frage ist allerdings: Wie weit möchte man über das Messen hinausgehen und die Erkenntnisse, die man daraus gewinnt, dann tatsächlich auch verwenden, um die Politik danach auszurichten?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 299/M, hat folgenden Wortlaut:


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„Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Erkenntnisse aus dem Green Budgeting, das in Zukunft noch weiter ausgebaut werden wird, als Maßstab für die Ausrichtung der Politik und insbesondere der Budgetpolitik anzuwenden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich glaube, das Green Budgeting ist ein ganz wichtiges Instrument im Finanzministerium geworden. Wir haben, wie Sie richtig gesagt haben, im BMF ein großes Team aufgebaut, das sogenannte Klimateam, um dieser Fragestellung noch mehr Wert zu geben, sie noch mehr zu unterstützen, noch mehr zu forcieren. (Abg. Kassegger: Unglaub­lich!) Das haben wir in den letzten knapp zwei Jahren auch entsprechend ausgebaut.

Das Green Budgeting umfasst ja unterschiedliche und relativ zahlreiche Bereiche in unserem Ressort, weil klar ist, dass diese ganze Herausforderung der Transformation, auch der grünen Transformation, im Finanzministerium auch eine ganz wesentliche strategische Rolle spielen wird, auch aufgrund des unglaub­lichen Budgetvolumens, das dann natürlich auch notwendig wird.

Wir verwenden das Green Budgeting im BMF für unterschiedliche Dinge. Wir verwenden es, um klimarelevante Zahlungen im Budgethaushalt zu analysieren. Das ist ein Punkt. Wir prüfen auch Auswirkungen von einzelnen Maßnahmen auf Treibhausgase beispielsweise, aber versuchen auch langfristige Budgetpro­gno­sen im Zusammenhang mit der Transformation zu kreieren. Das sind die wesent­lichen Punkte.

Was die Effekte betrifft: Wir haben für diesen Themenbereich für die nächs­ten Jahre bis 2026 viel Geld zur Verfügung gestellt, 4,9 Milliarden Euro, und wir müssen schon schauen, dass wir nicht nur mehr Geld zur Verfügung stellen, sondern müssen natürlich auch die Effizienz und die Effektivität dieser Mittel


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immer entsprechend im Auge haben. Das macht das Green Budgeting schlussendlich auch aus.

Dieses Green Budgeting ist, glaube ich – ich habe das vielleicht am Anfang auch selber ein bisschen unterschätzt –, schon ein ganz wesentliches Tool sozusagen, dass diese systematischen Zusammenhänge im Finanzministerium auch intensiver behandelt werden. Das ist eigentlich eine Art Paradigmenwechsel, den wir hier vollzogen haben, der durchaus positiv ist, weil es nicht mehr nur um den finanziellen Input, sondern – wie es so schön Neudeutsch heißt – schlussendlich auch um den Impact geht, also darum, welche Wirkung schlussendlich mit den Budgetmitteln erzielt wird. Das ist, glaube ich, ein ganz guter Zugang, der sich in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren auch sehr, sehr bewährt hat.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Trotzdem wird ja beim Green Budgeting dann auch aufgezeigt, was der Mitteleinsatz im Bereich Klimaschutz ist, und in dem Zusammenhang stehen auch die Diskussionen rund um die europäischen Fiskalregeln. Da haben Sie mit dem deutschen Finanzminister Lindner und einigen anderen Finanzministern einen Gastbeitrag verfasst, in dem Sie schreiben: „Zudem darf eine stärkere mittelfristige Ausrichtung nicht dazu führen, dass künftige Entwicklungen genutzt werden, um heute notwendige fiskalische Anpassungen zu verschleppen oder in die Zukunft zu verlagern.“

Dem kann ich einiges abgewinnen. Die Frage ist, ob man nicht im Gegenteil mit Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität Ausgaben im Zusammenhang mit dem Klimawandel aus den Fiskalregeln sogar ausnehmen sollte.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


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Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Na ja, also ich ver­stehe schon Ihren Ansatz, aber ich glaube, dass ein Fokus auf eine ambitionierte Klimapolitik, Umweltpolitik ja nicht allein darauf liegen kann, dass man die Fördermittel und die Situation der Fördermittel massiv erhöht – das ist das eine; ja, auch notwendig, – aber wir benötigen, glaube ich, schon eine, würde ich einmal sagen, Ausgewogenheit oder einen ausgewogenen Ansatz, der eine Art Gleichgewicht zwischen der Steuerpolitik, der Finanzpolitik, der Ordnungspolitik mit sich bringt. Darum sollten wir aus meiner Sicht eher die Wirkung von bestehenden Mitteln gerade auf europäischer Ebene steigern, um diese Mittel dann auch bestmöglich einsetzen zu können.

Also das ist vielleicht ein bisschen ein unterschiedlicher Zugang, ja, aber grüne Schulden sind auch Schulden. Die sind vielleicht besser, aber sie sind halt auch Schulden. Schulden bleiben Schulden, deswegen dieser Ansatz.

Zu diesem Brief, den Sie erwähnt haben: Wir sagen gemeinsam mit über zehn anderen Ländern – es schließen sich jetzt noch mehr Länder an, weil die meisten Länder in der Europäischen Union auch diesen Ansatz vertreten – Ja zu mehr Mittel für Transformation, Ja zur Transformation insgesamt, sollten uns aber vielleicht überlegen, ob es eben immer nur mit mehr Mitteln geht oder ob man nicht die bestehenden Mittel besser einsetzen kann.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Stark. – Bitte.


Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Welche ganz konkreten Schritte sehen Sie im Bereich Green Budgeting und vor allem welche Fortschritte erwarten Sie in der nächsten Zeit daraus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich glaube, dass das Thema Green Budgeting noch viel Potenzial in den nächsten Jahren hat, auch noch Potenzial, um diesen Ansatz, diesen Green-Budgeting-Ansatz insgesamt,


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auch stärker in den gesamten Budgetprozess integrieren zu können. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.

Wir sind ja in Österreich, was Green Budgeting betrifft, europaweit immer Vorreiter gewesen, von Anfang an. Wir haben die ersten Schritte bereits gesetzt, wie wir vorhin auch besprochen haben, und wir werden auch im nächsten Budget zahlreiche Green-Budgeting-Inhalte entsprechend präsentieren.

Wir machen jetzt gerade, und das ist der nächste Schritt, eine Green-Budgeting-Analyse im Kontext der Bundesländer fertig, weil ich glaube, dass auch die Bundesländer da den nächsten Schritt gehen sollten. Das ist auch Teil der Finanzausgleichsverhandlungen, bei denen es auch um solche Reformen geht, und da sind wir jetzt gerade beim Fertigstellen der Analyse bei den Bundesländern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.


Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Minister, zum Thema Green Bud­geting oder überhaupt Greening des Budgets habe ich schon einmal die ungerechte Belastung durch den Klimabonus aufgezeigt. Das betrifft zwar jetzt nicht direkt Ihr Ressort, aber es schlägt sich auf die gesamten Finanzen nieder.

Da ist wirklich eine Ungerechtigkeit passiert, viele Bereiche sind nicht nachvoll­ziehbar. Ich habe Beispiele aus meinem Wirkungsbereich gebracht: Bewohner unserer Gemeinde, die eigentlich sehr weit von den Zentren entfernt ist, bekommen nur 185 Euro, aber Bewohner großer Gemeinden, die im Speckgürtelbereich von Villach liegen, oder von Städten wie Radenthein bekom­men 220 Euro. Das heißt, da ist sehr viel Ungerechtigkeit passiert.

Jetzt meine Frage generell zu Green Budgeting, Herr Bundesminister: Können Sie ausschließen, dass mit dem Ausweiten oder mit dem geplanten Ausweiten


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des Green Budgetings weitere Belastungen auf die Österreicherinnen und Österreicher zukommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, selbstver­ständlich, da hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Also beim Green Budgeting geht es um Analysesituationen, die bei der Budgeterstellung relevant sind. Im Gegenteil, das wird eher zu einer Entlastung – hoffentlich – und auch zu einer Transformation führen. Es wird sogar weniger Geld gebraucht werden, weil wir das Geld effizienter einsetzen können.

Also ja, das kann ich ausschließen. Das Gegenteil ist eigentlich der Fall. Klare Antwort: Ja.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

09.36.38


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Schönen guten Morgen! (Bundesminister Brunner: Guten Morgen!) Unsere Fragen – Sie wissen das ja – beschäftigen sich heute wieder mit der Cofag. Ich denke, das wird uns noch länger beschäftigen, und deswegen heute eine der Fragen, die wir uns im Augenblick stellen, die da lautet:

297/M

„Wie viele Verfahren zu Rückforderungen wegen falscher Angaben zum Thema Unternehmen in Schwierigkeiten laufen aktuell bei den COFAG-Hilfen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Unternehmen in Schwierigkeiten: Also prinzipiell, glaube ich, wurde schon während der Pandemie


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sehr genau darauf geschaut, ob ein Unternehmen gesund ist oder nicht, also in Schwierigkeiten ist oder nicht. Das ist auch relativ klar in den Richtlinien bei der Cofag enthalten. Antragsteller haben ja im Rahmen der Antrag­stellung auch angeben müssen, ob sie ein Unternehmen in Schwierigkeiten sind, also ein sogenanntes UIS sind. Dafür gibt es auch konkrete Kennzahlen.

Wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten war, gab es klare Regeln, nach denen entweder gar nichts oder nur eine sehr geringe Summe ausbezahlt werden durfte. Diese Regeln wurden ja auch hier besprochen und beschlossen und waren, glaube ich, sehr nachvollziehbar.

Es wurde natürlich immer auch im Nachhinein geprüft, ob es Verstöße gegen diese Angaben, gegen diese Kennzahlangaben gegeben hat, ob es zu Falschangaben gekommen ist, und sofern das der Fall war, wurden die Summen selbstverständlich dann auch entsprechend zurückgefordert.

Wir haben momentan anscheinend noch 78 solcher Fälle bei der Cofag liegen, die jeweils ein Volumen von mehr als 200 000 Euro haben. Das ist die Auszahlungsgrenze für gewisse UIS. An diese Antragsteller wurden insgesamt 24 Millionen Euro ausbezahlt, und sollte bei einer Detailprüfung ein Verdacht bestätigt werden, werden die Summen selbstverständlich auch wieder zurückgefordert werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Vielen Dank für die Angaben; also doch 24 Millionen Euro, die da im Augenblick gerade untersucht werden.

Ich wollte noch nachfragen: Sind da auch schon strafrechtliche Ermittlungen beziehungsweise Verfahren im BMF, bei der Cofag oder bei Beiratsmitgliedern beziehungsweise beim Antragsteller im Laufen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


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Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich habe es jetzt nicht verstanden: ob es strafrechtliche Verfahren gibt bei diesen Fällen, bei den UIS-Fällen? (Abg. Doppelbauer: Strafrechtliche, genau!) Okay. – Ist mir nicht bekannt. Ich weiß es nicht, ich kann es aber gerne nachliefern. Ich müsste bei der Cofag nachfragen, ob es strafrechtliche Fälle gibt. Ich weiß nur, wie die Regeln sind. Es erfolgen Rückforderungen, wenn ein etwaiger Verdacht sich bestätigt hat, aber ob es jetzt schon strafrechtliche Fälle gibt, das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, werde aber gerne nachfragen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Herr. – Bitte sehr.


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Ich bleibe gleich bei der Cofag.

Wenn wir uns die Einnahmen durch die Körperschaftsteuer ansehen, dann sehen wir da 2021 einen sehr starken Anstieg. Wir sind im Jahr 2019 bei circa 9 Milliarden Euro, im Jahr 2020 bei 9 Milliarden Euro, im Jahr 2021 gehen sie dann hinauf auf 12,4 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg von 30 Prozent! Also die Einnahmen durch die Körperschaftsteuer sind im Krisenjahr 2021 um 30 Prozent gestiegen.

Das bedeutet natürlich, die Gewinne der Unternehmen und Konzerne sind genau in diesem Jahr massiv angestiegen. Wenn man sich das durchrechnet, dann kommt man auf circa 12 Milliarden Euro mehr an Gewinnen im Krisenjahr. Die Frage lautet: Haben Sie sich das durchgerechnet, wie viel Sie denn von diesen 12 Milliarden Euro direkt mit der Cofag finanziert haben? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wie viel von diesen 12 Milliarden? – Diese Frage verstehe ich nicht ganz. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Frage habe ich jetzt nicht ganz verstanden, aber prinzipiell ist ja ein


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Wachstum bei den Steuereinnahmen – das haben Sie vorhin gerade anders dargestellt –, bei den KöSt-Einnahmen ja etwas Positives. Aus Ihrer Sicht müsste das ja etwas Gutes sein. (Abg. Herr: ... mit Steuergeld!)

Es hat natürlich auch damit zu tun, dass wir im letzten Jahr ein ganz starkes Wirtschaftswachstum erlebt haben und diese Einnahmen aus der Körper­schaftsteuer gestiegen sind – also mehr Steuereinnahmen, von genau diesen, die Sie - - (Abg. Krainer: Aber wie viel haben wir über Förderungen bezahlt?) Es ist interessant: obwohl wir sie gesenkt haben. Das spricht ja auf der einen Seite dafür, was wir am Anfang - - (Abg. Krainer: 21 war keine Senkung!) – Fragestunde, oder - - (Abg. Krainer: Da war keine Senkung 21! – Ruf bei der ÖVP: Hör mal zu!) – Also vorhin haben Sie gesagt, dass die Leute zu wenig, die Unternehmen zu wenig Körperschaftsteuer zahlen, jetzt ist es plötzlich zu viel – das verstehe ich jetzt auch nicht mehr ganz, aber alles gut! (Abg. Herr: Darf ich die Frage nochmals erklären?) Ich finde es gut, wenn das Wirtschaftswachstum so ist, dass es nach oben geht und die Unternehmen dann auch ihre Steuern ent­sprechend entrichten. (Abg. Krainer: Aber wie viel haben wir über Förderungen bezahlt?)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist ein Missverständnis – warten Sie! –, wenn es ein Missverständnis in der Fragestellung gegeben hat, dann bitte um Klarstellung.


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Danke schön! – Also die konkrete Fragestellung war ja: Es gibt 12 Milliarden Euro mehr Gewinn in diesem Krisen­jahr. Wie viel Prozent von diesem Mehrgewinn, der da verzeichnet wurde, wurde durch die Cofag finanziert? Es geht ja konkret darum: Wie viel von diesen Gewinnen wurde eigentlich nur durch Wirtschaftshilfen ermöglicht? (Abg. Wöginger: Das ist aus dem Zwanzigerjahr!) Da freuen wir uns dann natürlich nicht, wenn sozusagen mehr Körperschaftsteuer entrichtet wird, weil sie sozusagen einfach nur durch die Cofag-Mittel fließen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Haben Sie sich das ausgerechnet, wie viel von diesen höheren Gewinnen durch öffentliche Fördergelder finanziert wurden? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Also da bitte ich um Verständnis, dass ich nicht jede Bilanz eines österreichischen Unternehmens kenne. – Sie vielleicht schon, Herr Krainer sicher (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP), aber ich kenne nicht jede Bilanz und weiß nicht, aus welchen Gründen welche Umsätze gemacht worden sind (Abg. Krainer: Aber wie viel Förderung haben Sie Konzernen gegeben? Ruf bei der ÖVP: Redet euch das innerfraktionell aus!), das kann ich Ihnen nicht von jedem Unternehmen Österreichs sagen, wir haben doch einige Hunderttausend Unternehmen in Österreich. (Abg. Krainer: Er will es nicht sagen! Er will es nicht zugeben!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Lindinger. – Bitte sehr.

09.42.46


Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Die Länder der Europäischen Union geben sich ja die Fiskalregeln. Diese sind dazu da, dass in den Finanzen der Länder für Stabilität gesorgt wird, und zugleich auch, dass die Verschuldung in einem gewissen Rahmen gehalten wird, was natürlich dazu führt, dass der Schuldenrucksack für die nächsten Generationen nicht zu groß wird.

Jetzt meine Frage: Es steht eine Reform dieser Fiskalregeln im Raum, dazu gibt es einen aktuellen Vorschlag: Wie beurteilen Sie diesen Vorschlag?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 289/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie beurteilen Sie den aktuellen Vorschlag zur Reform der Fiskalregeln?“

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, momentan ist das das zentrale Thema auf europäischer Ebene. Wir diskutieren die Fiskalregeln nächste Woche wieder in Brüssel beim Ecofin. Ich glaube schon, und das ist auch mein Zugang, den wir vorhin kurz angesprochen haben  das ist auch der Grund unseres gemeinsamen Briefes mit über zehn anderen europäischen Staaten gewesen , dass wir starke EU-Fiskalregeln, aber vor allem auch glaubwürdige EU-Fiskalregeln brauchen, um auch die fiskalische Nachhaltigkeit, um auch die Stabilität unserer Währungsunion, unserer Wirtschaftsunion entsprechend gewährleisten zu können.

Ziel muss es aus meiner Sicht sein, auf jeden Fall solche Fiskalregeln zu haben, die wurden jetzt ja ausgesetzt und laufen aus das Aussetzen läuft jetzt aus, aber die Fiskalregeln insgesamt laufen mit Ende des Jahres aus –, und ich glaube schon, dass wir solche Fiskalregeln brauchen, die auf der einen Seite die fiskalische Nachhaltigkeit unterstützen, die aber auch entsprechend Transparenz bieten  das ist, glaube ich, auch wichtig – und eine Durchsetzbarkeit der Regeln möglich machen; das war in der Vergangenheit vielleicht nicht so ideal. Ich denke, da sollten wir anknüpfen und daran sollten wir arbeiten: Transparenz, fiskalische Nachhaltigkeit und Durchsetzbarkeit, das sind eigentlich aus meiner Sicht die wichtigsten Punkte, dass auch gleichzeitig die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung, auch die mittel- und langfristigen budgetären Her­aus­forderungen, die wir haben, in diesen Regeln berücksichtigt werden.

Das ist jetzt eine  man würde sagen  interessante Phase, aber eine entscheidende Phase in diesen Verhandlungen, und ich hoffe, dass wir das bis zum Herbst zu einem Abschluss bringen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Es ist unbestritten, dass die Fiskalregeln für die Stabilität, für die Bürger, für die Verschuldung für die


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nächsten Generationen ganz wichtig sind. Sie haben gesagt, dass das bis zum Herbst abgeschlossen sein soll. Gibt es Chancen, und wer sind die Partnerländer, dass wir da auf eine rasche Einigung kommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, die Chancen sind auf jeden Fall da. Das ist, glaube ich, klar. Wir formieren uns und stimmen uns natürlich auch innerhalb Europas ab. Wir sind da gemeinsam mit Dänemark, mit Schweden, natürlich auch mit Deutschland, aber auch mit vielen ost- und mitteleuropäischen Staaten gemeinsam unterwegs, weil der Zugang ein ähnlicher ist: dass wir eben diese nachhaltigen Budgetpfade wieder eingehen können – und das nicht aus Selbstzweck oder weil es so gut klingt, sondern weil wir uns auf allen Ebenen Spielräume schaffen müssen. Das müssen wir in Österreich machen, auf nationaler Ebene, das sollten wir aber unbedingt auch auf europäischer Ebene tun, um dann Institutionen wie der EZB beispielsweise im Kampf gegen die Inflation auch entsprechend unter die Arme greifen zu können. Das geht nur mit nachhaltigen Budgets in allen Ländern, und deswegen drängen wir da auf klare Regeln, die für alle zu gelten haben, auch für die südeuropäischen Staaten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Krainer. – Bitte sehr.

09.46.18


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! (Bundesminister Brunner: Guten Morgen!) Sie wollten es zwar nicht beantworten, aber wir wissen ja alle, dass die Konzerne Geld bekommen haben, das eins zu eins in die Gewinne gelaufen ist. Das sagen ja Rechnungshof, Wirtschaftsforschung und so weiter. Es gibt aber noch einen zweiten Bereich bei den Cofag-Förderungen, nämlich dass die ÖVP da über 1 Milliarde Euro rechtswidrig an Förderungen ausbezahlt hat, weil sie nämlich gegen die Regeln


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der Beihilfenrechte ist. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Da geht es um über 1 Mil­liarde Euro, die ausdrücklich Konzerne zu viel bekommen haben.

Deswegen meine Frage:

295/M

„Wann und wie holen Sie die Milliarde COFAG-Überförderung von Konzernen (laut EU-Beihilfenrecht) zurück?“

(Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Also auch hier ganz klar: Ich habe noch nie gehört, dass die ÖVP Förderungen ausbezahlt hat. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. Abg. Krainer: Aber die politische Verant­wor­tung haben Sie schon!) – Sie haben aber gesagt: Die ÖVP hat Förderungen ausbezahlt: Nein! Die ÖVP hat keine Förderungen, keine Cofag- - - (Abg. Krainer: Aber die politische Verantwortung haben Sie schon!?) Aber Sie haben gesagt: Die ÖVP hat Förderungen ausbezahlt. – Nein, die ÖVP hat keine Förderungen ausbezahlt! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Unterstellung!)

Jetzt aber konkret – das gerade war natürlich ein Seitending – zu Ihrer Frage und deren Inhalt, den ich so interpretiere, dass es Ihnen um die Konzern­betrachtung geht, um diese Herausforderung und Diskussion, die wir mit der Europäischen Kommission führen; ich nehme an, dass das Ihre Frage ist. Dazu eine klare Antwort: Bei dieser Konzernbetrachtung spielt die Definition eine ganz große Rolle, und da gibt es unterschiedliche Definitionen, übrigens auch in Europa, wie: Was ist ein Konzern? Wie setzt er sich zusammen?

Wir, Sie alle hier, haben damals aufgrund einer Nichtantwort der Euro­päischen Kommission Regeln aufgesetzt und aufgestellt, und nach diesen hat man dann die Auszahlungen gemacht. – So, jetzt ist ein bissel später die


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Kommission draufgekommen, und sie hat das Wirtschafts- und Arbeitsressort informiert, dass sie von einer anderen Konzernbetrachtungsdefinition ausgehen. Deswegen sind wir jetzt auch dabei, mit der Kommission an einer Lösung dieser Herausforderung zu arbeiten, welche mit dem EU-Beihilfenrecht natürlich vereinbar ist, überhaupt keine Frage. Ich war deshalb vor einigen Wochen auch bei Kommissarin Vestager, Minister Kocher bemüht sich auch sehr darum. Deswegen kann ich jetzt nicht genau sagen, um welche Summe es da geht. Wenn es zu Rückforderungen kommen sollte, so werden wir das natürlich zurückfordern, überhaupt keine Frage, denn wir halten uns an die Regeln. Zuerst müssen wir aber jetzt mit der Kommission schauen, wie diese Regeln schluss­endlich dann ausschauen können und wie wir diese Herausforderung lösen können.

Klar ist, dass jede Beihilfe, die rechtswidrig bezogen worden ist, natürlich zurückverlangt wird, das steht außer Zweifel. Übrigens, und das erlauben Sie mir schon noch zu sagen: Bei der Cofag ist es ja so, dass 99 Prozent der Anträge – also über 1,3 Millionen Anträge von insgesamt 660 000 Antragstellern – erledigt worden sind. Die sind erledigt worden und 15 Milliarden Euro auch ausbezahlt worden, das ist also schon eine beachtliche Leistung. Die Wirtschaftshilfen haben insgesamt also schon gut funktioniert, und deswegen haben wir ja auch diese Wirtschaftszahlen, die wir letztes Jahr erlebt haben. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Nur dass wir das richtig einordnen: Der Rechnungshof hat bereits letztes Jahr gesagt, dass diese Milliarde Euro rechtswidrig war.

Ich kann nur zur Kenntnis nehmen: Wenn es darum geht, Konzernen Geld zu überweisen, kann es der ÖVP nicht schnell genug gehen; wenn es hingegen darum geht, sich 1 Milliarde Euro an rechtswidrigen Beihilfen (Ruf bei der ÖVP:


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Das ist die Frage!) zurückzuholen, dann heißt es: Bitte warten! (Abg. Hörl: Wer entscheidet, was rechtswidrig ist? Der Herr Krainer ist ein Allwissender!)

Herr Präsident, es sind alle Fragen beantwortet. Ich habe keine Zusatzfrage mehr. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hörl: Das ist ein Allwissender! – Bundesminister Brunner: Das war eine implizierte Frage!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Also da war ja am Schluss fast noch eine Frage dabei – ohne Fragezeichen, aber doch. (Abg. Krainer: Nein, da war keine Frage dabei! Es sind alle Fragen beantwortet! Danke! – Ruf bei der ÖVP: Beim Herrn Krainer stellen sich viele Fragen!)

Also die ÖVP hat mit dem nichts zu tun. Da geht es um klare Regeln, da geht es um Regeln der Europäischen Kommission, das hat nichts mit einer Partei zu tun, weder mit der Sozialdemokratie noch mit der Volkspartei (Abg. Krainer: Aber Sie sind schon bei der ÖVP, oder? Sind Sie nicht bei der ÖVP?) noch mit der Freiheitlichen Partei. Das hat mit keiner Partei zu tun, sondern es geht um Regeln, die wir haben und die wir mit der Europäischen Kommission jetzt gerade auch diskutieren. Wir sind mit dieser Lösung auch auf der Zielgeraden.

Das ist alles in Abstimmung mit der Europäischen Kommission. Es hat nichts mit der Sozialdemokratie, nichts mit den Grünen, nichts mit den NEOS, nichts mit der Volkspartei zu tun (Abg. Krainer: Darf man jetzt auf nicht gestellte Fragen auch schon antworten, Herr Präsident?), sondern es geht um Fakten. Ein bissel mehr Seriosität, Herr Abgeordneter Krainer, würde Ihnen auch nicht schaden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer und Bravoruf bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Das nützt nichts! – Abg. Matznetter: Und am Ende kassieren die Freunde der ÖVP!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Fuchs. – Bitte.

09.51.34



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 52

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Guten Morgen, Herr Finanz­minister! Beim digitalen Euro will die Europäische Kommission eine Annahmeverpflichtung in der EU einführen. Nach der aktuellen Rechtslage haben wir aber in Österreich keine rechtlich garantierte Annahmever­pflichtung für Bargeld. Da müssen die entsprechenden gesetzlichen Bestim­mungen nachgeschärft werden. Das war auch die einhellige und unwidersprochene Expertenmeinung beim Hearing im Finanzausschuss zum Bargeldvolksbegehren am 9.5. dieses Jahres. Wir Freiheitliche setzen uns bereits seit vielen Jahren für den Erhalt des Bargelds und für die Veran­kerung des Rechts auf Bargeldzahlung in der Verfassung ein.

Nun zu meiner Frage:

278/M

„Wann werden Sie in Österreich endlich eine rechtlich garantierte Annahmeverpflichtung von Bargeld sicherstellen?“

(Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, auch wir setzen uns für den Erhalt des Bargelds ein – ich glaube, da sind wir fast einer Meinung; das haben wir auch bei dieser sehr interessanten Veranstaltung hier im Parlament gesehen.

Ich habe gute Nachrichten für Sie, Herr Abgeordneter: Letzte Woche hat die Euro­päische Union einen Vorschlag für eine Verordnung über das gesetzliche Zahlungsmittel des Eurobargelds veröffentlicht, und wir haben uns Gott sei Dank durchgesetzt – nicht nur wir alleine, muss man ehrlicherweise sagen, wir hatten da schon auch Unterstützung von anderen Staaten, aber Österreich hat sich inten­siv für den Erhalt des Bargelds und auch für die Annahme­verpflichtung eingesetzt, und wir haben uns durchgesetzt, sodass in diesem


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Verordnungsvorschlag auch eine Annahmeverpflichtung für Eurobargeld drinnen ist.

Das ist sehr, sehr positiv und beantwortet, glaube ich, die Frage, die Sie gestellt haben, relativ einfach. Es ist davon auszugehen, dass durch diesen Vor­schlag jetzt auch die Annahmeverpflichtung für Bargeld noch weiter verschärft wird. Das ist gut, und diese EU-Verordnung geht ja nationalem Recht vor, das heißt, wir werden diese EU-Verordnung dann auch auf nationaler Ebene umsetzen müssen – Gott sei Dank! –, und das geht in die richtige Rich­tung, in die von Ihnen auch vorgeschlagene Richtung.

Also die EU-Verordnung von letzter Woche hat diese Annahmeverpflichtung für das Eurobargeld drinnen. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Eine Zusatzfrage zur Bargeld­obergrenze im Geschäftsverkehr: Sie sagen in den Interviews eigentlich permanent, dass Sie gegen Bargeldobergrenzen im Geschäftsverkehr sind, in Brüssel stimmen Sie aber regelmäßig Bargeldobergrenzen zu. Warum ist das so?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weil es am Schluss ein Gesamtpaket war. Jetzt haben wir uns eben Gott sei Dank durch­gesetzt, auch was die Annahmeverpflichtung betrifft, und einer der Gründe, warum wir uns jetzt durchgesetzt – auch in Ihrem Sinne – haben, ist, dass wir diesem ursprünglichen Kompromiss zugestimmt haben, um dann eben im Zuge der Verhandlungen unsere Verhandlungsposition auch entsprechend einbringen zu können. Im Rat haben wir uns ja für Einschränkungen und Aus­nahmen von dieser Barzahlungsobergrenze ausgesprochen und haben dort auch einiges erreichen können – wenn es um Blackout geht und so. Das


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war ganz gut und hat uns eben jetzt im nächsten Schritt geholfen, wenn es um die Annahmeverpflichtung geht.

Also ja, wir waren dagegen, ich habe das auch artikuliert, das ist in den Proto­kollen auch entsprechend nachzulesen. Ich habe dem Kompromiss mit den 10 000 Euro dann zugestimmt, um eben weiterverhandeln zu können und die österreichische Position, wenn es um die Annahmeverpflichtung geht, auch entsprechend durchsetzen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Pöttinger.


Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Jetzt wissen wir, dass allen Menschen hier in Österreich und auch uns das Bargeld sehr wichtig ist. Sie nannten jetzt diese EU-Verordnung. Ist aus Ihrer Sicht das Bargeld durch diese EU-Verordnung jetzt ausreichend geschützt, und was bedeutet diese Regel ganz genau?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, da hat sich letzte Woche jetzt eben einiges getan. Da geht es um EU-Sekundärrecht, zu dem eben auch diese EU-Verordnungen, die hier beschlossen worden sind, zählen, und die haben Anwendungsvorrang gegenüber nationalem Recht. Das heißt, das ist noch stärker, als wenn wir es nur auf nationaler Ebene gemacht hätten. Das ist eine noch stärkere rechtliche Absicherung des Bargelds als die geforderte Verankerung im österreichischen Recht.

Also beides ist jetzt möglich: die Regelung auf europäischer Ebene, die in dem Zusammenhang noch stärker ist als österreichisches Recht, und dann die Umsetzung auf österreichischer Ebene. Das heißt, das ist eine noch stärkere und auch sehr begrüßenswerte Maßnahme der Europäischen Kommission.


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Positiv ist auch, dass der Vorschlag vorsieht, dass die Annahmepflicht und auch die Verfügbarkeit von Bargeld von den Nationalstaaten überwacht werden sollen und überwacht werden müssen. Sollte es Probleme bei der Annahme geben, kann man also auf nationaler Ebene diese Überwachung und die Folgen daraus entsprechend im Auge und im Griff haben. Das ist also jetzt sozusagen eine doppelte Absicherung. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Tomaselli. – Bitte sehr.

09.56.52


Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Kommen wir nach Kitzbühel! Dort steht eine Villa mit Blumenwiese. Die ist vom sanktionierten Putin-Freund Rotenberg gekauft worden, genutzt wird sie von Putins Tochter. Die Nachbarn wissen Bescheid, und trotzdem tut niemand etwas dagegen. Der Skandal an dieser Geschichte ist, dass die Behörden und jene, die den Immobilienkauf abgewickelt haben, nicht genau genug nachgeschaut haben, wer eigentlich wirklich hinter der zypriotischen Scheinfirma steckt.

Letzteres fällt nicht wirklich auf, denn es gibt nämlich – anders als bei den Banken – keine Geldwäschebehörde, die zum Beispiel eben den Immobilien­treuhändern auf die Finger schaut. Meines Erachtens zeigt die Putin-Villa beispielhaft auf, dass wir ein strukturelles (Abg. Hörl: 1 Minute!) Problem bei der Geldwäsche im Nichtfinanzsektor haben. Nur lächerliche 1,3 Prozent der 6 000 Geldwäscheverdachtsmeldungen kommen aus dem Nichtfinanzsektor: Immobilien, Handel, Gewerbe, Glücksspiel. (Abg. Hörl: Herr Präsident, 1 Minute!)

Gibt es im Finanzministerium Vorbereitungen für die Umsetzung einer unabhängigen Geldwäscheüberwachungsbehörde für den Nichtfinanzsektor, um insbesondere eben die genannten Hochrisikosektoren effektiver zu über­wachen?


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*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 300/M, hat folgenden Wortlaut:

„Gibt es bereits Vorbereitungen für die Umsetzung einer unabhängigen Geldwäsche-Überwachungsbehörde für den Nichtfinanzsektor, um insbesondere Hoch­risiko­sektoren (wie Immoblilientreuhänder/-makler, Kunsthändler, Juweliere) effektiver zu überwachen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sie kennen sich in Kitzbühel ja wahnsinnig gut aus. (Lebhafte Heiterkeit. – Ruf bei der ÖVP: Das ist das Beste! – Abg. Hörl: Das ist ein Rekord! Das ist ein Rekord! – Abg. Einwallner: So wie in Mexiko! So wie in Mexiko, nicht? – Abg. Tomaselli: Ich glaube, das ist nicht so lustig, es geht immerhin um Sanktionen!) Ich war dort nur zweimal bei einem Tennisturnier. (Ruf: ... Vorarlberg!) – Ja, es ist nicht weit weg von Vorarlberg, das stimmt. (Abg. Hafenecker: Er kennt sich nur in Mexiko aus! Er kennt sich in Mexiko aus! – Ruf bei der SPÖ: Acapulco! Acapulco!)

Nein – Spaß beiseite –, für den Nichtfinanzsektor sind keine konkreten Vorbe­reitungen für die Einrichtung einer unabhängigen Geldwäschebehörde bekannt. Wir haben jetzt ja auf europäischer Ebene das Legislativpaket in Ver­handlung. Da wird eine europäische Antigeldwäschebehörde, die Amla, errichtet, die Unternehmen des Finanzsektors dann direkt und unmittelbar natürlich auch beaufsichtigen wird. Wenn es um das Gewerbe geht, dann, muss ich ehrlich sagen, ist halt das BMAW zuständig, weil diese Unter­nehmen ja dem Gewerberecht unterliegen.

Also nein, es gibt – um ganz konkret zu werden – keine konkreten Vorberei­tungen für den Nichtfinanzsektor. Die Amla wird aber, wenn sie dann


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eingerichtet wird, unter anderem natürlich auch den europäischen Nichtfinanz­sektor beobachten und auch Empfehlungen für die Aufsicht abgeben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Undurchsichtige Besitzverhältnisse gibt es auch bei der Signa Holding, die ja bekanntlich von einer intrans­parenten Stiftungskonstruktion gehalten wird. Aus den U-Ausschuss-Akten und durch ausgezeichnete Recherchen von Journalist:innen wissen wir, dass Benkos Geschäftskonzept vor allem auf drei Säulen fußt, das sind die Fremd­finanzierung, aggressive Expansion und bilanzielle Aufwertungen.

Das ist ein Geschäftskonzept – da geben Sie mir sicher recht –, das gerade bei einer hohen Zinslage nicht wirklich funktioniert, denn bei mutmaßlicher Überbewertung ist die Problematik jene, dass ein Wert nicht das ist, was in der Bilanz steht, sondern der Wert, den jemand anderer zu zahlen bereit ist. (Abg. Hörl: Die Expertin! ... Steuer ...!)

Für die geldgebenden Banken der Signa, die diese Fremdfinanzierung der Signa auch finanzieren, ist das alles, nur keine einfache Situation. In Österreich betrifft es vor allem die RBI, die Raiffeisenbank Oberösterreich, die Raiffeisenbank Niederösterreich und die Bank Austria.

Deshalb wäre meine Frage an Sie: Welche Maßnahmen zur Eindämmung sys­temischer Risiken von kreditfinanzierten Geschäftsimmobilien von Großin­vesto­ren haben Sie und/oder die FMA auf den Weg gebracht?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Gewerbeimmobilien­finanzierungen haben natürlich in den letzten Quartalen – da haben Sie vollkommen recht – aufgrund der Zinserhöhungen sozusagen eine besondere, eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Deswegen hat sich das Finanz­marktstabilitätsgremium in den letzten Sitzungen auch massiv mit diesen


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Herausforderungen beschäftigt, auch einen Fokus auf diese Themenkomplexe gelegt. Das Finanzmarktstabilitätsgremium hat den Kreditinstituten ja auch Empfehlungen weitergegeben, dass sie ihre Risikovorsorge für gewerbliche Immobilienkredite erhöhen.

Also das ist Aufgabe des Finanzmarktstabilitätsgremiums, um dann auch der Finanzmarktaufsicht Vorschläge zu machen – das hat man gemacht. Regu­lato­ri­sche Maßnahmen durch die FMA werden entsprechend gesetzt, wenn das für notwendig erachtet wird – davon gehe ich aus. (Abg. Tomaselli: Vielen Dank!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Loacker. – Bitte sehr.

10.01.41


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Aufgrund der hohen Inflation, an der auch die Erhöhung der Pensionen hängt, schauen wir einer sehr hohen Pensionserhöhung für das Jahr 2024 entgegen. Im Sozialversicherungssystem wird der Zuschuss, der aus dem Budget finanziert werden muss, voraussichtlich um 2,9 Milliarden Euro steigen. Um wie viel wird der Aufwand für die Beamtenpensionen steigen, wenn Sie dieselbe Erhöhung wie in der Sozial­versicherung auch für die Beamtenpensionen vornehmen – die 10 Prozent?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 298/M, hat folgenden Wortlaut:

„Im SV System steigt der Zuschuss zu den Pensionen von 2023 auf 2024 um 2,9 Milliarden. Um wie viel wird der Aufwand für die Beamtenpensionen steigen, wenn die Erhöhung 10% beträgt?“

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Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wenn man eine Pensionsanpassung in Höhe von 10 Prozent vornimmt – das ist eine theoretische Frage, aber die Frage, was wäre wenn, kann man natürlich stellen –, dann würde es im Bereich der Beamtenpensionen zusätzliche Kosten von 1,1 Milliarden Euro geben. Also wenn man eine geschätzte Basis von 11 Milliarden Euro an Auszahlungen für Beamtenpensionen hernimmt, dann wäre es logisch, dann sind es die 1,1 Milliarden Euro.

Der Anpassungsfaktor, der ja auf den Inflationsraten beruht – von August 2022 bis Juli 2023 für die Pensionsanpassung 2024 in diesem Fall –, steht jedoch erst Mitte September fest, darum kann man jetzt keine klare Antwort geben, aber – was wäre wenn? – die 10 Prozent, die Sie erwähnt haben, würden dann 1,1 Milliarden Euro ausmachen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Um bei den Beamten zu bleiben – die aktiven Beamten spielen ja auch eine wesentliche Rolle, und Sie haben in Ihrer Eigenschaft als Finanzminister auch auf die Bedeutung von Lohnerhö­hungen für die Inflation hingewiesen –: Wie gehen Sie zusammen mit dem Vizekanzler unter dem Aspekt der Lohnzurückhaltung und dem Aspekt der Biennien, die bei den Beamten zusätzlich zu Buche schlagen, in die Verhandlungen um die Beamtengehaltserhöhungen im Herbst?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich will jetzt natürlich nicht den Verhandlungen im Herbst vorgreifen. Ich muss sagen, unsere Partner bei den Verhandlungen letztes Jahr – das kann ich noch einmal bestätigen – waren sehr, sehr fair, das waren sehr, sehr gute und konstruktive Gespräche, bei denen wir aufeinander zugegangen sind. Ich gehe davon aus, dass das auch dieses Jahr im Herbst wieder der Fall sein wird, wenn es dann so weit ist und


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wenn wir auch die genauen Grundlagen und Zahlen für diese Verhandlungen mit der Beamtenschaft haben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Koza. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Unsere Pensionssysteme in Österreich waren ja über viele Jahre sehr vielfältig ausgeprägt – oft war auch die Frage, wie gerecht das ausgestaltet ist. Manchmal hat es einer Blumenwiese geglichen, auf der auf einmal unterschiedliche Farben da waren, jetzt ist es ja ansatzweise – wieder schrittweise, Step by Step – harmonisiert.

Darum stellt sich auch die Frage, wie sich in Summe die Pensionsmittel von 2023 bis 2050 tatsächlich entwickeln werden, und zwar sowohl im gesetzlichen Pensionssystem als auch betreffend den Pensionsaufwand für die Beamt:innen­pensionen, in Prozent des nominalen BIPs, und wie viele Pensionen bezie­hungsweise Ruhebezüge im Laufe dieser Entwicklung und dieses Harmonisie­rungs­prozesses dann tatsächlich auch in den Systemen prognostiziert werden. Kann man da schon einigermaßen genaue Auskünfte geben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Jetzt bitte ich wirklich um Verständnis, dass ich die Zahlen nicht mithabe, aber die kann ich gerne nachliefern. Das sind interessante Fragen, ja: 2023 bis 2050, Prozent des BIPs – das habe ich mir aufgeschrieben, das werde ich gerne mitnehmen. Das muss ich Ihnen nachliefern, diese Zahlen habe ich nicht dabei. – Danke. (Abg. Koza: Kein Problem! Gern!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Obernosterer. – Bitte sehr.

10.05.28



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 61

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Die österreichische Wirtschaft ist in der letzten Zeit ja von einigen Krisen gebeutelt worden. Wie, glauben Sie, geht es mit der österreichischen Wirtschaft weiter?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 290/M, hat folgenden Wortlaut:

„Die österreichische Wirtschaft war zuletzt von mehreren Krisen gebeutelt, wie geht es wirtschaftlich in Österreich weiter?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Die österreichische Wirtschaft steht ja auch im europäischen Vergleich sehr, sehr gut da. Wir haben kräftige Jahreswachstumsraten, 4,6, 4,9 Prozent – also fast 5 Prozent im letzten Jahr, 4,6 Prozent im Jahr 2021. Also die österreichische Volkswirtschaft hat sich durchaus sehr, sehr gut erholt, auch von der Pandemie – das ist das Erste.

Wir waren weit über dem europäischen Schnitt, was das Wachstum betrifft; wir waren auch weit über Deutschland, was das betrifft. Nur als Beispiel: Für den Tourismus, der natürlich in Österreich eine ganz besondere und große Rolle spielt, war der Mai 2023 der zweitbeste Mai überhaupt nach 2018. Also da sieht man, das läuft relativ rund und gut.

Auch die Beschäftigung stieg in den ersten fünf Monaten an: Gegenüber 2022 haben wir 56 000 zusätzliche Personen in Beschäftigung, also auch das läuft gut.

Wir haben ja jetzt die Prognosen, die von den Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforschern Ende Juni veröffentlicht worden sind: Auch da ist das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 62

Positive, dass die Rezession nicht eintreten wird, wie das in anderen Staaten durchschlägt – beispielsweise leider wieder Deutschland, was ja für uns auch nicht sehr positiv ist. Bei uns werden Wachstumsraten von 0,3 bis 0,5 Prozent – je nachdem – erwartet.

Also diese Rezession, die Insolvenzwelle, ist Gott sei Dank nicht so ein­ge­treten, wie sie von vielen befürchtet worden ist, natürlich auch Dank der Maßnahmen, die wir gesetzt haben, um den privaten Konsum auch ent­sprechend hoch zu halten. Der private Konsum stützt auch wesentlich stärker als in Deutschland dieses Wachstum und die Wirtschaft insgesamt. Jetzt gehen die Experten und Expertinnen davon aus, dass vor allem in der zweiten Hälfte dieses Jahres und auch 2024 die Konjunktur wieder an Fahrt gewinnen wird. Auch bei der Inflation ist mit einer deutlichen Verbesserung zu rechnen. Das Wifo prognostiziert für 2024 einen Rückgang auf 3,8 Prozent.

Also: Das Wachstum ist zu niedrig, wir hätten gerne ein höheres, und wir tun alles dafür, dass dieses Wachstum nach oben geht, aber es ist wie gesagt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine sehr, sehr positive Entwick­lung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Finanzminister, Ihre Beant­wortung hat auch schon einen Teil meiner Zusatzfrage beantwortet. Zuerst die Pandemie, dann die Energiekrise, die Teuerung: Der Staat Österreich hat sehr viel Geld in die Hand genommen, im privaten Bereich wie auch im wirtschaft­lichen Bereich.

Ich sage immer: Zahlen sind Fakten, das sind keine Geschichten. Wie steht Österreich im internationalen Vergleich, konkret im Verhältnis zu Deutschland, wirklich da? Ist das Geld im Vergleich gut investiert worden, oder wie sehen Sie das?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 63

Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, die Zahlen lügen nicht, vollkommen richtig. Die reale Wirtschaftsleistung Österreichs im ersten Quartal war um 3,5 Prozent über dem Vorpandemieniveau – also gegenüber dem vierten Quartal 2019 –, in der Eurozone waren es im Durchschnitt 2,2 Pro­zent, also wir sind da deutlich darüber. In Deutschland ist die Wirtschaftsleistung im vergleichbaren Zeitraum leider sogar um 0,5 Prozent zurückgegangen.

Österreich hat sich also besser entwickelt als die Eurozone und sich auch wesentlich von der Entwicklung Deutschlands abgehoben. Das ist ja auch interessant – wir sind sehr stark von den deutschen Märkten, von Deutsch­land insgesamt abhängig –, das ist sehr bemerkenswert, weil die Bundesrepublik ja unser wichtigster Handelspartner ist und dementsprechend auch einen sehr wichtigen Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs insgesamt darstellt. Das ist sehr bemerkenswert.

Da ist insbesondere die österreichische Industrie sehr positiv hervorzuheben, und auch da gibt es eine sehr erfreuliche Entwicklung. Die Industrie­produktion war zuletzt um fast 30 Prozent höher als noch im Jahr 2015, wäh­rend in Deutschland, weil wir natürlich immer Vergleiche heranziehen müssen, im gleichen Zeitraum die Leistung um 4 Prozent zurückgegangen ist. Also auch da sieht man: Im europäischen Vergleich, im Vergleich zu Deutschland liegen wir doch wesentlich besser.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Brückl. – Bitte.


Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Die Finanzmarktaufsicht hat im Vorjahr die sogenannte KIM-Verord­nung erlassen und damit die Regeln für die Vergabe von privaten Wohn­baukre­diten massiv verschärft. Mittlerweile sind die Zinsen ebenfalls massiv gestiegen, und dadurch wurde die Schaffung von Eigentum gerade im privaten Bereich ja fast verunmöglicht. Die Prognosen sagen mittlerweile, dass die


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Bauwirtschaft nicht nur leidet, sondern dass sie bis Jahresende komplett einbrechen wird.

Herr Bundesminister, wie werden Sie dieser Entwicklung entgegentreten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank. – Ja, auch ich finde, dass das ein sehr wichtiges Thema ist. Ich habe meine Meinung dazu schon öffentlich kundgetan, und auch hier kundgetan, was ich davon halte, nämlich nicht sehr viel, hat doch die KIM-Verordnung zu einer Verschärfung am Wohnkreditmarkt insgesamt geführt. Da geht es ja um Empfehlungen des Finanzmarktstabilitätsgremiums, die dann an die FMA, an die unabhängige Behörde, weitergegeben werden: Empfehlungen werden ausgesprochen und die FMA hat das umzusetzen.

Das ist eine unabhängige Behörde, ich kann nur meine Meinung kundtun, aber meine Meinung ist klar: Ich glaube, dass man noch weitere Anpassungen vornehmen müsste. Es wurden im April bereits einige Anpassungen vorgenom­men. Das ist gut. Da ist es um Zwischenfinanzierungen gegangen, die erleichtert werden; es ist um Zuschüsse gegangen, die ins Eigenkapitel mitein­berechnet werden. Das ist durchaus positiv, aber aus meiner Sicht noch zu wenig. Ich glaube, dass die FMA da noch einen Schritt machen müsste und zu weiteren Erleichterungen beitragen müsste.

Mein Zugang – oder das, was ich tun kann – ist, darauf hinzuweisen, dass sich in den letzten Monaten auch die Rahmenbedingungen geändert haben. Sie haben das richtigerweise angesprochen: Das Zinsniveau ist ein anderes, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert. Deswegen sollte man auf diese Rahmenbedingungen Rücksicht nehmen, auf diese Veränderungen Rücksicht nehmen. Das versuche ich der FMA immer zu sagen. Sie ist eine unabhängige Behörde; ich hoffe, mit vereinten Kräften gelingt es, dass sie dann einmal zu entsprechender Einsicht kommt.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte sehr.

10.12.37


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Schönen guten Tag, Herr Finanz­minister! Wir, vier Parteien, haben im Februar im Budgetausschuss und dann im März im Plenum einen Entschließungsantrag angenommen, in dem wir Sie auffordern, einen in der Umsetzung wirklich sehr relevanten Schritt in der Implementierung der SDGs, der nachhaltigen Entwicklungsziele, zu setzen, durch den auch wir als Gesetzgeber und Gesetzgeberinnen einen besseren Einblick, mehr Transparenz in der Frage bekommen, welchen Impact denn unsere Gesetzesvorhaben auf die Erreichung oder auch Nichterreichung der SDGs haben.

Daher meine Frage:

296/M

„Wann werden Sie dem Nationalrat eine Novelle zum Bundeshaushaltsgesetz vorlegen, mit der in der Beurteilung von Gesetzesvorhaben die Auswir­kungen auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verpflichtend zu berücksichtigen sind?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Die Nachhaltig­keitsziele, SDGs, decken ja verschiedene Bereiche ab, auch solche, die sich in den bereits vorhandenen WFA-Dimensionen, die wir schon haben, finden. Darum ist eine Integration dieser Agenda 2030 in das System der WFA eine Querschnittsmaterie, die natürlich entsprechend eingeplant werden muss.

Gemeinsam mit dem BMKÖS, das da natürlich gewisse Zuständigkeiten hat, werden momentan gerade verschiedenste Optionen, wie so eine Integration schlussendlich erfolgen kann, geprüft – auch aufgrund des


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Entschließungsantrages von Ende März. Übrigens: Danke für die Initiative, es war Ihre Initiative, die wir dann entsprechend unterstützt haben, danke auch für die konkreten Vorschläge, die Sie dabei gemacht haben. Und ebendiese Vorschläge werden jetzt in der Umsetzung entsprechend einfließen, einfließen müssen.

Im Mai hat es einen Workshop dazu gegeben, bei dem man die verschiedenen Optionen der Umsetzung diskutiert hat, vorgestellt hat, bei dem auch Ihre Vorstellungen sozusagen eingebracht wurden. Jetzt wird gerade an einem Text zur Reform der Wirkungsorientierung gearbeitet, und da muss es natürlich einfließen, das muss Hand in Hand gehen. Die Wirkungsorientierung im Haushaltsrecht insgesamt wird gerade erarbeitet, und ich glaube schon, dass es sinnvoll wäre, das zusammen zu sehen, gemeinsam zu sehen, damit man dann auch die richtigen Schlüsse zieht, was die Nachhaltigkeitsziele betrifft. Die beiden Bereiche hängen ja systematisch zusammen, daher ist das aus meiner Sicht dann gemeinsam vorzulegen, und das werden wir auch tun. (Abg. Krainer: Wann? Die Frage war: Wann?!)

Wie gesagt, danke noch einmal für Ihre Initiative und für die Vorschläge, die Sie dabei gemacht haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Die Frage nach dem Wann haben Sie jetzt zwar nicht beantwortet (Bundesminister Brunner: Doch!), aber lassen Sie mich zur Zusatzfrage kommen.

Wir haben hier vorgestern den Zwischenbericht der Bundesregierung zur Umset­zung der SDGs diskutiert, auch mit einem großen Kapitel aus Ihrem Res­sort. Ich möchte jetzt speziell das Sustainable Development Goal 17.4 nennen, das Entschuldungen behandelt. Wir wissen, dass wir seit Jahren eine Diskussion über die finanztechnische Behandlung der Entschuldung des


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Sudans führen, und es liegt dazu auch seit einiger Zeit ein Antrag im entwick­lungspolitischen Unterausschuss auf. Wir wissen, dass ganz viel an entwicklungspolitischen Geldern aus Ihrem Ressort kommt; Ihr Ressort, das Finanzressort, ist also ein ganz relevanter Player in der Entwicklungszusammenarbeit.

Ich würde gerne wissen – das ist wieder eine Wannfrage –: Wann sind Sie denn bereit, in den entwicklungspolitischen Unterausschuss zu kommen – es gab schon einige Versuche, Sie einzuladen (Bundesminister Brunner: Wirklich?) –, um über diesen Antrag zu sprechen, der dort liegt und der mit Ihnen zu diskutieren ist, nicht mit dem Außenministerium, sodass wir einmal besprechen können, wie man diese Behandlung der Entschuldung in der Vorschau in künftiger Zeit behandeln könnte? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Das waren zwei Wannfragen. Um noch einmal zur ersten Wannfrage zurückzukommen, wenn ich darf: Da kann ich Ihnen keinen konkreten Zeitpunkt sagen, aber eben nur den Hinweis geben, dass es aus meiner Sicht schon sinnvoll wäre, wenn man diese systematischen Zusammenhänge sieht und das gemeinsam macht – ich glaube, das ist unbestritten.

Zur zweiten Wannfrage: Wann komme ich in den Unterausschuss? – Jederzeit gerne. Es ist ja nur die Frage, ob es nicht mehr Sinn macht, das mit dem Außenminister zu besprechen, aber wenn Sie darauf bestehen, dass ich komme, komme ich gerne. Ich komme immer gerne ins Parlament und in alle Aus­schüsse; als ehemaliger Parlamentarier mag ich es hier wahnsinnig gern, und ich komme immer gerne. Da müssen wir terminlich schauen und natürlich die Frage stellen, ob ich wirklich etwas beitragen kann. Sinnvoller ist aus meiner Sicht der Außenminister, aber wir können auch gerne zusammen kommen oder einmal zusammen auftauchen – da müssen wir schauen.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Disoski. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Bundesminister! Ich kann da gleich anknüpfen: Kollegin Bayr hat die Nachhaltigkeitsziele angesprochen, ich fokussiere auf Nachhaltigkeitsziel Nummer 5, Gleichstellung der Geschlechter.

Wir haben Genderbudgeting ja seit 2009 im Bundesverfassungsgesetz veran­kert. Dementsprechend sind Bund, Länder und Gemeinden bei der Haus­haltsführung auch beauftragt, die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen anzustreben. Die zugrunde liegende Idee ist ganz klar – ein politisches Umsteuern zugunsten geschlechtergerechter Verteilung öffentlicher Mittel –, aber bei der Umsetzung hapert es noch ein bisschen, da ist noch Luft nach oben. Wenn ich ein Bild dafür finden müsste, dann würde ich formulieren: Genderbudgeting ist in Österreich noch ein zartes Pflänzchen, aber noch nicht diese saftige Blumenwiese, die wir brauchen und an der wir uns erfreuen könnten.

Deshalb ist ganz klar, dass, wenn das Bundeshaushaltsgesetz novelliert wird, auch das Genderbudgeting dringend weiter verbessert werden müsste. Diesbezüglich hat der Budgetdienst schon sehr konkrete Verbesserungs­vor­schläge gemacht, ausgearbeitet und – ich glaube, im Jahr 2019 – auch einen sehr umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt.

Welche dieser Vorschläge des Budgetdienstes wollen und werden Sie konkret aufgreifen, um tatsächliche Verbesserungen beim Genderbudgeting zu erreichen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, Genderbudgeting ist sehr wichtig. Neben dem Green Budgeting ist auch Genderbudgeting eine Initiative, die wir sehr unterstützen, und wir versuchen immer, diesbezüglich


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Verbesserungen reinzubringen. Ja, es gibt Luft nach oben. Die saftige Blumenwiese, die wir hoffentlich irgendwann erreichen werden, finde ich ein gutes Bild. Wir werden es unterstützen, dass diese Blumenwiese auch entsprechend bunter und saftiger wird.

Jetzt zu den konkreten Vorschlägen des Budgetdienstes des Parlaments: Wir sind dabei, die zu analysieren – im Hinblick darauf, was auf den zweiten Blick vielleicht auch gescheit ist, was im Sinne der Sache gescheit ist. Ich glaube, das muss man immer analysieren, und das tun wir.

Was das Anliegen an sich betrifft, ist, glaube ich, für jeden hier im Raum ganz klar, dass wir da noch Fortschritte machen müssen. Wir haben auch schon einige Fortschritte gemacht, glaube ich, aber wir haben noch keine saftige Blumen­wiese, um bei Ihrem Bild zu bleiben, und in die Richtung werden wir natürlich weiterarbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die letzte Anfrage stellt Abgeordneter Hanger. – Bitte.

10.19.31


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Die Erhöhung des Leitzinses durch die EZB hat natürlich weitreichende Aus­wirkungen auf private Haushalte, zum Beispiel im Bereich der Wohnraumfinan­zierung, natürlich auch auf den Bereich der Unternehmensfinanzierung, aber natürlich auch auf den Bundeshaushalt.

Welche konkreten Auswirkungen auf den Bundeshaushalt durch die erhöhten Zinsen sehen Sie derzeit?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 291/M, hat folgenden Wortlaut:


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„Wie wirken sich die Erhöhungen des Leitzinssatzes durch die Europäische Zentralbank auf den Bundeshaushalt aus?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ja, das hat natürlich Auswirkungen. Im Vergleich zum Zeitpunkt der Erstellung der damaligen Prognose, Ende September, hat sich die Erwartung hinsichtlich der Leitzins­entwicklung natürlich stark verändert. Im Euroraum hat sie sich um 80 Basispunkte erhöht, das ist schon gewaltig.

Im Vergleich zum aktuellen EZB-Leitzinssatz in der Höhe von 3,5 Prozent bedeutet das, dass der Markt derzeit noch mit weiteren Zinsanhebungen von insgesamt circa 40 Basispunkten rechnet. Aus heutiger Sicht rechnet man für 2023 mit einer durchschnittlichen Effektivverzinsung für Schuldenauf­nahmen von 3,18 Prozent. Das hat also durchaus große Auswirkungen. Im Ergebnishaushalt – es ist ja auch immer wichtig, das zu berücksichtigen –, in dem Aufwände nach Werteinsatz periodengerecht abgegrenzt werden, ergibt die aktuelle Prognose für 2023 Mehrausgaben in der Höhe von 90 Millionen Euro.

Im Vergleich zum BFG 2023 beziehungsweise im Vergleich zum Erfolg von 2022 – wenn wir den Erfolg des letzten Jahres hernehmen – wäre das ein Anstieg von 1,4 Milliarden Euro aufgrund der Erhöhungen des Leitzins­satzes.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hanger? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Wir haben aufgrund der Pandemie und der wirtschaftlichen Situation ein Jahr einer sehr expansiven Budgetpolitik hinter uns. Sie fordern zu Recht ein, dass es jetzt natürlich notwendig ist, wieder auf einen nachhaltigen Budgetpfad zurückzukehren. Wir


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haben den Schuldenstand in den letzten Jahren ausgebaut. Meine konkrete Frage ist: Wie sehen Sie die Entwicklung des Schuldenstandes in der Republik Österreich in den nächsten Jahren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Das hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab, die jetzt auf uns zukommen werden. Der größte Einflussfaktor auf die Finanzschuldenentwicklung ist natürlich die Neu­verschul­dung. Gerade deswegen ist eine nachhaltige Budgetpolitik, die Sie angesprochen haben, nach den Jahren der Krisenbewältigung so wichtig. Es ist ja kein Selbstzweck, und daher reden wir ja gemeinsam darüber, dass wir wieder zu einer nachhaltigen Budgetpolitik zurückkehren müssen.

Wir sind Gott sei Dank in der Situation, dass es in Österreich rechtzeitig eine Fixierung und auch Ausnützung der günstigen Zinskonditionen der Vorjahre gegeben hat, und das führt derzeit dazu, dass die Zinsbelastung nicht so abrupt ansteigt, wie es aufgrund der aktuellen Marktprognosen und Marktkon­ditionen erwartet würde.

Die hohe Inflation bringt natürlich auch Zinserhöhungen mit sich, das muss man ehrlicherweise sagen. Auf der anderen Seite führt die Geldentwer­tung auch zu einer – sozusagen – Reduktion der realen Staatsverschuldung. Das ist im eigentlichen gesamtvolkswirtschaftlichen Sinne zwar nicht gut, aber es ist ein Faktum. Das ist die Entwicklung, die ich momentan sehe.

Wie gesagt gibt es darum immer den Hinweis auf eine nachhaltige Budgetpolitik, nämlich nicht aus Selbstzweck, sondern um das entsprechend in den Griff zu bekommen und um die europäischen Vorgaben – der Schuldenpfad, der dann hoffentlich drinstehen wird, wenn die Fiskalregeldiskussion und die -verhand­lungen gegen Ende des Jahres ein Ende finden werden – einhalten zu kön­nen.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da nun alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären.

Ich bedanke mich bei Herrn Bundesminister Brunner herzlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.23.55Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhand­lungs­gegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 15671/J bis 15726/J

2. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 und das Bundesfinanzgesetz 2023 geändert werden (2170 d.B.)

B. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition betreffend "Medizinisches Cannabis in Österreich erlauben", überreicht von den Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd und Mag. Gerald Loacker (127/PET)

Petition betreffend "Aufwertung der Strecke Villach-Feldkirchen–St. Veit/Glan–Friesach–Bruck/Mur ab Dezember 2025 mit hochrangigem (überregionalem Railjet-) Verkehr", überreicht vom Abgeordneten Klaus Köchl (128/PET)


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*****

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 3 und 4 sowie 8 und 9 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidial­konferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Dem­entsprechend wird die Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ so aufgeteilt, dass sich für die ÖVP 156, für die SPÖ 108, für die FPÖ 88, für die Grünen 80 sowie für die NEOS 64 Minuten Redezeit ergeben.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 32 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

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Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, darf ich Sie darüber informieren, dass es ein Sensitivitätstraining in Bezug auf die unterschiedlichen Formen von Behinderungen in der Säulenhalle, im Empfangssalon und auch im Theophil Hansen Lokal gibt. Die Damen und Herren der Verbände würden sich sehr freuen, wenn sie auch heute von Ihnen besucht werden, so Sie noch Zeit finden.


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Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.25.351. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 3407/A(E) der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Süleyman Zorba, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Stärkung der digitalen Souveränität durch flexibleren und vermehrten Einsatz von Open-Source-Produkten (2137 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort.


10.26.10

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich sehr, dass wir mit dem Tagesord­nungspunkt zum Thema Einsatz von Open-Source-Produkten und Schaffung von digitaler Souveränität in diesen Tag starten dürfen.

Was soll beschlossen werden? – Beschlossen werden soll eine Evaluierung der geschäftskritischen IT-Verfahren, um auszuloten, inwieweit wir digitale Souveränität durch den vermehrten Einsatz von Open-Source-Produkten her­stellen können, sowohl kurz- als auch mittelfristig. Es soll gewährleistet werden, dass ein Produktkatalog erstellt wird und zur Verfügung steht, in dem mögliche Produkte, die durch die öffentliche Verwaltung, durch sämtliche Einrichtungen eingesetzt werden, beschrieben werden, um somit den einzelnen Stellen ein Portfolio zu bieten. Zu guter Letzt soll auch eine Evaluierung vorgenommen werden, um den verstärkten Einsatz von Open-Source-Software im Bereich der Bildung und der Lehre zu gewährleisten. Es freut mich sehr, dass


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dieser Antrag auch heute einstimmig Zustimmung finden wird. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie der Abg. Kucharowits.)

Worauf zielt dieser Antrag ab? – Beginnen wir mit der Entstehungsgeschichte: Es hat vor längerer Zeit hier vonseiten der SPÖ einen Antrag gegeben. Parallel dazu hat es bereits im Ministerium eine Initiative gegeben, um Hand­lungsbereiche der digitalen Souveränität – wobei auch dieses Papier (ein Schriftstück in die Höhe haltend) entstanden ist – auszuarbeiten.

Meine Aufgabe beziehungsweise mein Ansinnen war es dann auch, diesen guten Antrag der SPÖ gemeinsam mit den Erhebungen und der ersten Analyse des Ministeriums zusammenzufassen, um diesen gemeinschaftlichen Antrag zu for­mulieren.

Was ist das Ansinnen dieses Antrages? – Zum einen geht es darum, Abhängig­keiten abzubauen, weil gewisse Systeme und Softwareprodukte vermehrt und stark im Einsatz sind, was zu Abhängigkeiten von Produktherstellern führt. Es geht natürlich auch darum, die Verhandlungsposition der öffentlichen Verwal­tung zu stärken, indem einfach mehr Produktvielfalt zur Auswahl steht. Es geht darum, Konformität zu stärken – ich komme selbst aus dem Datenschutz­be­reich –, das ist natürlich ein wichtiges Anliegen. Man denke nur an die Aufhebung des Privacyshield und die vielen bestehenden offenen Fragen, die es dazu gibt. Es geht auch um Zugriffsberechtigungen, um Datenexport in Drittländer wie zum Beispiel die USA. Es geht darum, Kosten zu senken. Man darf jedoch nicht dem Irrglauben verfallen, nur weil gewisse Open-Source-Produkte kostenlos im Internet zur Verfügung stehen oder generell so ange­bo­ten werden, dass sie grundsätzlich gratis sind. Parallel dazu sind natürlich auch mehr personelle Ressourcen und Wissen notwendig, was natürlich auch wieder Geld kostet.

Ich habe auch den Punkt Sicherheit verbessern aufgeschrieben. Sicherheit kann durchaus durch Open Source verbessert und gewährleistet werden, aber auch da muss man die Open-Source-Software an sich betrachten. Es geht darum,


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welche Community dahintersteckt, wie groß diese Community ist und welches Wissen sie und welches Wissen man selbst mitbringt.

Es geht auch um Kompetenzerweiterung. Ich glaube, die öffentliche Verwaltung kann da eine Vorbildwirkung einnehmen. Sie kann dazu beitragen, dass ein Ökosystem geschaffen wird, um in Österreich, aber auch insgesamt in der EU die Entwicklung von Open-Source-Software voranzutreiben und zu stärken.

Open-Source-Software ist nur ein Teil, wenn wir über das Thema digitale Souve­ränität sprechen. Es gibt da viele Bemühungen, sowohl in Österreich als auch gesamt in der Europäischen Union. Ich darf, wenn es um die Schaffung von Rechen­zentren mit europäischen Standards geht, als Beispiel das Thema Gaia-X herausgreifen. Wir reden über den Chips Act, wenn es um Halbleitertech­nolo­gien und deren Anwendung geht und vor allem darum, diesen Bereich in Europa zu stärken. Es geht natürlich auch um die Zurverfügungstellung und Nutzung von Daten, Daten als Grundlage für eine Wissensgesellschaft und für die Entwicklung von Produkten. Da setzen auch der Data Act sowie der Data Governance Act der Europäischen Union an. Derzeit in Verhandlung ist auch der Cybersicherheitsbereich, also der Cyber Resilience Act, bei dem es auch darum geht, die Sicherheit von digitalen Produkten, Anwendungen, Software zu gewährleisten.

Das alles geht natürlich einher mit dem Thema KI-Entwicklung. Ich freue mich, dass wir uns in den letzten Tagen sehr intensiv mit diesem Thema aus­einandergesetzt haben, bei einer Veranstaltung hier im Parlament sowie auch mit unserer Initiative – da danke ich auch dem Herrn Obmann des Aus­schusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung –, mit einer Aussprache mit Expertinnen und Experten. Wir sind da auf einem guten Weg, uns mit dem Thema intensivst auseinanderzusetzen. Gestern haben wir wieder mit einem Antrag eine Initiative gesetzt, um im Bereich der Bildung, der Schule den vermehr­ten KI-Einsatz bestmöglich zu begleiten.


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Ich danke noch einmal für die Einstimmigkeit zu diesem Antrag, ich freue mich auf weitere Initiativen in diesem Zusammenhang und auf eine lebhafte Debatte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist Klubobmann Kucher. – Bitte.

*****


10.31.51

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir haben jetzt alle die Ausführungen der Kollegin Himmelbauer zum bedeu­ten­den Bereich Forschung, Innovation und Digitalisierung verfolgen dürfen. Ich glaube, da geht es um zentrale Zukunftsfragen für die Republik Österreich, und wir haben zumindest zwei zuständige Regierungsmitglieder: Es wäre ein Staatssekretär dafür zuständig, der Herr Bundesminister für Finanzen, im wei­testen Sinne auch der Wissenschafts- und Forschungsminister; und ich glaube, es wäre auch ein gemeinsames Zeichen des Respektes, dass zumindest ein Regierungsmitglied dieser Debatte hier auch beiwohnt (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf bitten, dass wir bis zum Erscheinen des Regierungsmitglieds die Sitzung unterbrechen.

10.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kollege Hafenecker ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.32.37

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte mich den Ausführungen des Kollegen Kucher anschließen. Ich glaube nicht, dass wir jetzt auf irgendeinen Nachschleicher warten müssen oder Sonstiges, damit wir jemanden auf der Regierungsbank sitzen haben. Es


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gibt zwei Mitglieder, die sachlich zuständig wären, niemand von beiden ist da, und auch ich stelle den Antrag, die Sitzung so lange zu unterbrechen, bis die Ministerin herbeigeschafft ist. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

10.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Himmelbauer, zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.


10.33.08

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich darf nur anmerken: Es ist ein Entschließungsantrag. Das ist eine Initiative dieses Parlaments, es ist nicht zwingend notwendig, dass auch ein Minister oder Staatssekretär anwesend ist. Ich glaube, es ist in unserer Verantwortung, dass wir dieses Thema vollumfänglich diskutieren, somit geben wir den Auftrag an das Bundesministerium weiter. (Abg. Heinisch-Hosek: Respektlos!) Ich glaube daher, es ist ausreichend (Abg. Lausch: Ist es nicht!), hier umfänglich zu debat­tie­ren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner: Nein, es ist keine erste Lesung! – Abg. Heinisch-Hosek: Da wird was beschlossen, bitte!)

10.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Frau Klubobfrau Maurer. – Bitte.


10.33.52

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Wir machen uns die Rahmenbedingungen für diese Sitzungen in der Präsidiale aus, bei der Tagesordnung wird besprochen, wer anwesend sein soll.

Im FID-Ausschuss sind ganz viele unterschiedliche Minister:innen zuständig. Mir ist nicht bekannt, dass die Sozialdemokratie (Abg. Schroll: Geh bitte!) in dieser Frage die Anwesenheit von einer bestimmten Ministerin gefordert hat, und es gehört einfach zu einer normalen Umgangsweise in diesem Haus dazu, dass man


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das, wenn man es will, davor bespricht und auch ausmacht. (Abg. Einwallner: ... Oberlehrerin, ... unfassbar! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube, es hätte sich niemand gewehrt, zu kommen, aber es ist mir völlig unbekannt, dass das gefordert gewesen wäre, bei einem einstimmigen Entschließungsantrag, der aus dem Parlament kommt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Einwallner: Abgehobenes Gehabe!)

10.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es noch eine weitere Wortmeldung? – Bitte, Herr Abgeordneter Kucher, noch einmal zur Geschäftsbehandlung.


10.34.44

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Frau Kollegin Maurer hat gerade angesprochen, das sei sozusagen eine Frage des Umgangs miteinander, wie man sich das ausmacht. Für mich ist es auch eine Frage des Respekts, wie die Bundesregierung mit dem Nationalrat umgeht. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Wir haben mehrere Regierungsmitglieder, die sachlich für diesen wichtigen Themenbereich zuständig sind. Wir haben einen eigenen Staatssekretär für Digitalisierung, und es kann nicht sein, dass alle Regierungsmitglieder anschei­nend schon in Sommerpause sind, wenn wir hier Zukunftsthemen mit­einander diskutieren. (Abg. Voglauer: Mah, bitte! – Ah-Rufe bei ÖVP und Grü­nen.)

Ich würde wirklich als Zeichen des Respekts dem Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung gegenüber ersuchen, dass ein Regierungsmitglied hier teilnimmt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

10.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es noch eine Wortmeldung?

Ich darf vielleicht anmerken: Es gab in der erwähnten Präsidiale keine Anmerkung, dass jemand anwesend sein soll. Dann muss man die Personen auch


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informieren – ich hätte das auch gerne getan. (Bundesminister Brunner betritt den Saal.) – Der Finanzminister; vielleicht kann er dableiben, wenn es ihm ein Anliegen ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Ragger. – Heiterkeit der Abgeordneten Herr und Holzleitner.)

Zur Geschäftsbehandlung: Abgeordneter Scherak. – Bitte.


10.36.01

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte nur eine Sache klarstellen, weil sie jetzt auf die Präsidiale angespielt haben: Es ist nicht so, dass wir in der Präsidiale darüber diskutieren, wer zu welchem Tagesordnungspunkt da sein soll und man sich extra zu Wort melden muss, dass man sich ein Regierungsmitglied oder einen Staatssekretär wünscht.

Es ist selbstverständlich so, dass entsprechend der Tagesordnung die Minis­terinnen und Minister oder die Staatssekretäre, so wie sie im Ausschuss waren, auch hier im Plenum anwesend sein sollen. Man muss nicht extra dazusagen, dass jemand kommen soll! (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wünscht noch jemand zur Geschäfts­behandlung das Wort? – Das ist nicht der Fall.

10.36

*****

Dann ist als Nächste Kollegin Oberrauner zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Erasim: Dass der Finanzminister einen Staatssekretär vertritt, das hatten wir auch noch nie! – Bundesminister Brunner: Gut, gell? Das ist bei uns normal! – Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.)


10.36.55

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident, würden Sie für Ruhe sorgen? – Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister, ich


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freue mich, dass Sie heute den Staatssekretär vertreten. Wir sind eigentlich in einer Zeit einer Revolution, einer Umwandlung in vielen Bereichen, in der Bildung, am Arbeitsmarkt und so weiter, und ich glaube schon, dass es nicht Aufgabe des Parlaments ist, die Ministerinnen und Minister oder die Staatssekretäre aufzufordern, zu hören, was das Kontrollorgan zu diesem Thema zu sagen hat. Ich finde das fadenscheinig und ich finde es wichtig, dass wir uns da als Kontrollorgan auch entsprechend zu Wort melden. (Beifall bei der SPÖ.)

Bedauerlich ist, dass die Ausschussvorsitzenden nicht anwesend sind. Wir nehmen das zur Kenntnis und machen weiter die Arbeit auch für diese Regierung mit.

Es geht heute um das Thema digitale Souveränität durch Open Source. Wie Sie wissen, ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung von Digita­lisie­rung die Rede, sie wird immer mehr durchdrungen von Digitalisierung. Digitalisierung ist kritische Infrastruktur, und der Staat ist nicht mehr handlungs­fähig, wenn sie nicht funktioniert.

Gerade aus diesem Kontext heraus ist es wichtig, dass diese Infrastruktur sicher ist, der Staat muss digitale Verwaltungsprozesse kontrollieren, verstehen, nachvollziehen und selbstständig gestalten können. Eine Studie des deutschen Innenministeriums hat 2019 aufgezeigt: Es gibt große Abhängigkeiten von wenigen Anbietern; Abhängigkeit ist besonders kritisch im Hinblick auf den Datenschutz und die Informationssicherheit; dominante Unternehmen haben Einfluss auf Preisgestaltung und Innovation; und die digitale Souveränität ist gefährdet. Eine Anfrage an den Bundeskanzler in Österreich zu diesem Thema hatte zur Antwort: Das ist vergleichbar.

Staaten und Unternehmen nutzen digitale Abhängigkeiten und Marktmacht, um Druck auszuüben. Digitale Abhängigkeit erzeugt nicht nur politische Abhän­gigkeiten, es ist auch schlecht für die Kosten, für die Ausgaben des Staates für IT-Entwicklung. Es schwächt die Innovationsfähigkeit sowie die Fähigkeit, die


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Infrastruktur nach eigenen Bedürfnissen und Werten aufzubauen – wieder einmal Datenschutz als Beispiel.

Der Einsatz von Microsoft- und Google-Produkten an Schulen, obwohl der Datenschutz nicht gesichert ist und die Jugendlichen zu passiven Nutzern und nicht aktiven Anwendern werden, ist ebenfalls problematisch.

Eine weitere Entwicklung bezüglich Abhängigkeit sehen wir darin, dass die Menschen, die Förderungen zum Beispiel im Sozialbereich – jetzt im Rahmen der Teuerung – beantragen möchten und müssen, nicht in der Lage sind, diesen Antrag auch zu stellen.

Es muss digital geschrieben werden, zusätzlich sind Tausende Informationen zu berücksichtigen, und gerade jene Menschen, die diese Gelder brauchen, können nicht einmal ihr Recht durchsetzen, weil sie keinen Computer haben oder nicht in der Lage sind, diese Sachen zu beantragen.

Wie wir wissen, gibt es ein Gesetz, dass man die Bürgerrechte sowohl analog als auch digital ausüben können muss, und ich würde wirklich darum bitten, diese Form der Ausgrenzung und des Verunmöglichens der Teilhabe auch bei allen notwendigen und wichtigen Komponenten und Umset­zungsmöglichkeiten der Digitalisierung mitzuberücksichtigen.

Natürlich ist es in vielen Bereichen leichter und man braucht weniger Personal, aber es gibt auch eine Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und den Bürgern, die ihr Recht so nicht durchsetzen können. Wir selbst haben probiert, da zu helfen: Wir brauchen dringend Dienstleistungen in diesem Bereich, womit sich die Menschen dieses Recht nehmen können, ohne dass sie das digital machen oder einen Computer zur Hand nehmen müssen, was für viele auch gar nicht verständlich ist.

Ich möchte auch darauf zu sprechen kommen, dass man in vielen EU-Ländern und in der Europäischen Kommission damit begonnen hat, digitale Abhän­gigkeiten zu verringern, und dabei auch auf die Vorteile von Open Source setzt.


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Ich freue mich, dass wir das hier debattieren und diesen Antrag, der die Stärkung der digitalen Souveränität der öffentlichen Verwaltung durch flexi­bleren und vermehrten Einsatz von Open Source zum Ziel hat, gemeinsam beschließen.

Open Source ist nicht nur wichtig für die Souveränität, sondern ist auch aus folgendem Grund wichtig: Wenn ein Staat die Nachfrage ankurbelt, dann gibt es auch positive Effekte im Wettbewerb und für österreichische IT-Unternehmen. Eine Studie der EU-Kommission hat gezeigt, dass Investitionen in Open Source ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1 : 4 und 1 : 10 haben. Open-Source-Angebote erleichtern Start-ups und KMUs den Markteinstieg und die digitale Transformation.

Damit wir die Vorteile von Open Source in der öffentlichen Verwaltung und für die Wirtschaft nutzen können, brauchen wir auch Fachkräfte und entsprechende Expert:innen. Dazu braucht es aber auch umfassende Lehrpläne für Schüler:in­nen, die die Chance bekommen müssen, frühzeitig zu lernen, wie man kreativ mit Open Source umgeht, und deshalb darf ich bitten, dass – so wie wir es im Ausschuss gemacht haben – alle diesen wichtigen Antrag unterstützen und der Jugend die Chance geben, sich jetzt schon zu überlegen, welche Open-Source-Formate sie brauchen, was sie wie einsetzen wollen, um nicht von amerika­ni­schen Großkonzernen abhängig zu werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Deimek. – Bitte.


10.42.53

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Leider sind Sie jetzt ums Frühstück umgefallen, weil der Herr Staatssekretär anscheinend gerade die Eintrittskarten fürs Ministerium digitalisiert.


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Trotzdem: Der Antrag, den wir heute behandeln, ist sinnvoll, er ist gut. Es soll angeschaut und überarbeitet werden, welche Prozesse digitalisiert wer­den, es soll auch evaluiert werden, wo Open Source sinnvoll verwendet werden kann. Wir als Freiheitliche sind immer bestrebt, solche Entscheidungen mit dem sprichwörtlichen Hausverstand und mit Vernunft zu treffen. Was heißt das? – Wir sind auf diesen Entschließungsantrag genau deswegen nicht als Antragsteller draufgegangen, weil wir rein zeitlich gesprochen glauben, dass die Verantwortlichen vom Schreiben des Antrages über das Einbringen und das Diskutieren im Ausschuss bis zum Beschluss heute schon lange Zeit gehabt hätten, genau das, was darin enthalten ist, zu machen.

Die Regierung oder die Regierungsparteien müssen sich nicht immer wieder selbst über das Plenum und über den Nationalrat auffordern, etwas Sinnvolles zu tun. Der Hausverstand gebietet es von selbst, das zu machen. Es ist natürlich nett – man kann sich auch ein bisschen selbst beweihräuchern –, aber es geht auch inhaltlich darum, wichtige und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Es reicht nicht, Schlagworte zu publizieren.

Zum Beispiel habe ich gestern in der Bildungsdebatte gehört, dass der Herr Bildungsminister jetzt in der Schule digitalisieren will und dass er einmal mit der Digitalisierung der Schülerausweise anfängt. – Ja, eh nett, aber das hilft den Schülern, das hilft denen, die Bildung durch das Bildungssystem brauchen, noch gar nicht weiter.

Frau Kollegin Oberrauner hat es erwähnt: Wie ist das mit jenen, die keinen PC haben? – Ja, richtig! Und das Zweite ist: Wir brauchen aus unserem Bildungssys­tem, aus den Volksschulen heraus Leute und Schüler, die lesen, schreiben, rechnen können – und dann können wir auf Digitalisierung setzen. Wenn die Digitalisierung hilft, dass sie das besser können, ist es auch recht, aber nur allein irgendeinen Ausweis oder irgendeine Formalität zu digitalisieren, hilft dem System noch gar nichts. (Beifall bei der FPÖ.)


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Daher wäre meine Bitte an die Bundesregierung – ich weiß, sie wird manchmal möglicherweise umsonst sein –: Weniger PR, weniger Werbung, mehr Handeln, mehr Hausverstand und mehr Vernunft! (Beifall bei der FPÖ.)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zorba. – Bitte.


10.45.42

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin froh, dass wir heute gleich am Anfang der Tagesordnung über ein Thema sprechen, das in den letzten Jahren und insbesondere bei den Herausforderungen der aktuellen Zeit immer dringender wird: die Souveränität. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und die damit verbundenen wirtschaftlichen und energiepolitischen Auswirkungen haben uns vor Augen geführt, wie wichtig Unabhängigkeit ist. Diese Ereignisse führen uns auf die Frage zu, die sich überall stellt, aber in einem Bereich oft vernachlässigt wird: Sind wir wirklich souverän in unserer digitalen Welt und auch bei den Lösungen?

Die überwiegende Mehrheit der Programme und Apps, die wir tagtäglich nützen, haben keinen offenen Quellcode. Das bedeutet, dass große Techgiganten die Kontrolle über diese Werkzeuge, mit denen wir arbeiten, kommunizieren, lernen, haben. Sie bestimmen die Preise, sie legen leider oft auch die Regeln fest. Sie entscheiden auch, wie diese Applikationen entwickelt, wie diese Daten genutzt und wo sie gespeichert werden. Wo bleibt da unsere Unabhängigkeit?

Da setzt Open Source an: Open-Source-Software ist transparent, flexibel und unabhängig. Sie ermöglicht uns, die Kontrolle über unsere digitalen Werkzeuge zu behalten, sie gibt uns die Möglichkeit, sie nach unseren Bedürfnissen anzupassen und zu verändern. Sie stärkt unsere digitale Souveränität und Sicherheit.


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In der Wissenschaft ist es bereits Konsens, dass Open Source, also das öffentliche Zurverfügungstellen von Forschungsergebnissen und Erkenntnissen, der Weg zum Erfolg ist und gesamtgesellschaftlich Fortschritt bringt. Warum setzen wir also diese Standards nicht auch in der digitalen Welt um?

Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, den NEOS und auch der SPÖ für diese gemeinsame Initiative bedanken. Gemeinsam fordern wir, eine Evaluierung der geschäftskritischen IT-Verfahren des Bundes in Bezug auf die digitale Souveränität durchzuführen und zu untersuchen, ob beziehungsweise inwieweit eingesetzte Softwareprodukte kurz- und mittelfristig durch quelloffene Alternativen ersetzt werden können.

Vor allem durch die verstärkte Nutzung von digitalen Mitteln während der Pandemie im Bildungsbereich ist auch eine berechtigte Debatte über Software­lösungen entstanden; dabei hat sich auch Open-Source-Software als gute Alternative erwiesen. Aus diesem Grund möchten wir mit einer Evaluierung heraus­finden, in welchen Anwendungsbereichen im Bildungsbereich Open Source verstärkt zum Einsatz kommen kann, damit die Daten unserer Schülerinnen und Schüler nicht in den Staaten oder in China landen.

Open Source verbessert auch die Sicherheit unserer digitalen Systeme: Da der Quellcode öffentlich ist, können Fehler und Sicherheitslücken von der Com­munity schnell identifiziert und auch behoben werden.

Schließlich hilft Open Source auch, Ressourcen zu schonen und trägt auch zur Nachhaltigkeit bei. So helfen Sie zum Beispiel, Elektromüll zu reduzieren oder den Lebenszyklus von Hard- und Software zu verlängern – jeder von uns kennt das: Man hat irgendein Gerät zu Hause, das leider den Softwaresupport verliert und dadurch nicht mehr sicher zu verwenden ist oder auch gar nicht mehr funktioniert.

Open Source ist also nicht nur ein technisches Konzept, sondern es ist ein Weg, unsere digitale Welt gerechter, sicherer und nachhaltiger zu gestalten.


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Unabhängige und transparente Applikationen bieten die Möglichkeit, unsere digitale Souveränität zu stärken. Wir sind leider noch weit davon entfernt, aber das Ziel muss heißen: Public money, public code.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen für diese gemeinsame Initiative. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Kucharowits.)

10.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


10.49.10

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir verhandeln heute einen gemeinsamen Antrag, der ja schon im Ausschuss einstimmig angenommen wurde. Ich glaube, es ist ein positives Zeichen, dass bei einem so durchaus wichtigen Thema – es wird oft verkannt, welche Relevanz es haben kann – alle an einem Strang ziehen.

Die Vorredner haben es schon gesagt: Das Thema Open Source hat verschie­dene Aspekte. Einerseits geht es um Sicherheit, Datensicherheit, ande­rerseits aber auch grundsätzlich darum, dass wir als Staat souverän sind, und Souve­ränität bedeutet gerade in Zeiten wie diesen natürlich auch, dass man genau darauf achten kann, was wir mit Software machen beziehungsweise wie diese weiterentwickelt wird beziehungsweise welche Lücken möglicherweise bewusst oder unbewusst in einer solchen Software sind.

Dementsprechend ist es natürlich gut, wenn wir hier evaluieren und schauen, wie wir in diesem Bereich weiterkommen können, auch um Europa generell ein Stück weit souveräner zu machen. Wir haben über die letzten Jahrzehnte erlebt, dass da leider schlechte Politik gemacht wurde, schlechte Industriepolitik, und der europäische Markt dadurch Schritt für Schritt ausgehungert wurde. Das ist in vielen IT-Bereichen der Fall, aber auch im Softwarebereich, wo wir


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momentan sehr stark von amerikanischen Konzernen abhängig sind, aber auch die chinesischen Konzerne immer mehr überhandnehmen.

Was man aber schon zu der ganzen Thematik sagen muss, ist: Ich finde es sehr schade, dass der Herr Staatssekretär heute nicht da ist. Das zeigt so ein bisschen, wie die Regierung generell mit Digitalisierungsagenden umgeht. Es wurde jetzt ein Digitalisierungsstaatssekretariat eingerichtet, er hat ein PR-Budget. Das ist so ziemlich die einzige budgetäre Veränderung, die es dadurch gegeben hat, außer, dass noch ein paar Mitarbeiter zusätzlich eine Stelle bekommen haben, aber sonst ist nicht viel passiert.

Es gibt jetzt diesen großartigen Digital-Austria-Act, in dem noch einmal zusammengefasst wird – so die Blumenwiese des Regierungsprogrammes, was da genommen wurde –, was schon im Regierungsprogramm drinnen steht, und eigentlich nichts Neues drinnen ist. Die maßgeblichen Entscheidun­gen, die maßgeblichen Schritte kommen nicht vom Herrn Staatssekretär, sondern kommen, wie heute, hier vom Parlament, wo der Herr Staatssekretär nicht einmal anwesend ist, weil er sagt, er hat Besseres zu tun.

Es ist alles im luftleeren Raum, was hier passiert beziehungsweise eben nicht passiert. Wenn wir uns anschauen, was gerade jetzt die Unternehmensgrün­dungen betrifft, dass man da wirklich in digitale Gründungen investiert, dass man da Schritte geht – da passiert viel zu wenig! Auch Sie, Herr Staatssekretär, müssten - - Ah, Herr Bundesminister, Entschuldigung! (Bundesminister Brunner: Ich war Staatssekretär!) – Ja, waren Sie einmal. Schauen Sie, ich bin schon ganz verwirrt, weil der Herr Staatssekretär nicht da ist. (Heiterkeit des Abg. Scherak.) – Auch Sie müssten ja Interesse daran haben, dass wir hier Meter machen, dass wir hier wirklich innovative Unternehmen gründen, dass wir Ausgründungen an Universitäten erleichtern.

Gerade im digitalen Bereich gibt es da viel zu tun. Es passiert leider nichts vonseiten dieser Bundesregierung. Es ist, glaube ich, sehr sinnbildlich, dass sich der Herr Staatssekretär hier jetzt leider vertreten lässt, aber ich danke Ihnen,


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dass Sie zumindest bei uns geblieben sind, damit Sie das vielleicht in Ihrem Haus weitertragen können. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.


10.52.23

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Herr Kollege Hoyos ist wirklich sehr groß. Da muss ich das Rednerpult ein bissl herunterfahren. – Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich freue mich sehr, Herr Bundesminister für Finanzen, dass Sie hier im Haus sind. Es ist auch eine Selbstverständlichkeit, gerade auch bei diesem Thema, dass wir uns hier intensiv – und das hat die Bundesregierung ja schon längst erkannt – in der digitalen Transformation an die Spitze stellen und das einheitlich und gesamtheitlich machen.

Dem, was Kollege Hoyos-Trauttmansdorff hier betreffend die Initiative des Herrn Staatssekretärs etwas – möchte ich fast sagen – verächtlich dargestellt hat, möchte ich natürlich inhaltlich völlig widersprechen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Ui, jetzt habe ich aber Angst!) Es geht darum, dass 117 Maßnah­men und 36 ganz konkrete Lösungsgrundsätze festgelegt wurden (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Alle im Regierungsprogramm! Keine Lösungsvorschläge, nur politisches Blabla!), an deren Umsetzung ja schon seit vielen Monaten gearbeitet wird. Mit dieser neuen Beschlussfassung und dem, was der Herr Staatssekretär gemeinsam mit Bundesminister Rauch vorgeschlagen hat, zeigt er ganz klar, dass die Integration der Transformation des digitalen Wandels hier in Österreich auch stattfindet. Dafür ist auch wirklich ein Dankeschön zu sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Dank gilt aber auch dem Präsidenten, der hier eine Initiative dahin gehend gesetzt hat, dass wir uns intensiv mit dem Thema der künstlichen Intelligenz auseinandersetzen, weil es ja alle Lebensbereiche durchdringt. Ich glaube, das


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Hohe Haus hat auch in der Einstimmigkeit, wie wir diesen Antrag beschließen werden, erkannt, wie notwendig es ist, dass wir hier zusammenarbeiten.

Deswegen zwei grundsätzliche Ziele, die, glaube ich, auch hier im Haus außer Streit stehen – ich darf diese auch benennen –: Erstens einmal muss die Technik immer den Menschen dienen und nicht umgekehrt.

Zweitens: Die digitale Souveränität schafft Sicherheit und schafft Selbstbestim­mung einerseits für die Republik und die nachgelagerten Institutionen wie die Verwaltung und die verschiedenen politischen Gebietskörperschaften, und andererseits schafft sie auch Freiheit und Selbstbestimmung für das Indivi­duum.

Da möchte ich auch auf die Initiative hinweisen, die gemeinsam mit Bundes­minister Polaschek gesetzt wurde, um gerade im Bereich der digitalen Grund­kompetenzen ein Pflichtfach einzuführen. Das ist heute auch zu benennen, und ich darf allen Schülerinnen und Schülern – und deren Eltern – gratulieren, die – so wie in Kärnten – heute ihren letzten Schultag haben. Meine liebe Frau hat mir gerade ein Foto unserer Tochter geschickt, wie sie stolz das erste Zeugnis hält. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass wir eine Bundesregie­rung haben, die auf diese Zukunft setzt und die auch gemeinsam den Wandel umarmt.

Daher ist Open Source ein Weg dazu, um eine Vielfalt zu schaffen, wo auch neue Betriebe entstehen. Das gepaart mit der tollen Initiative des Finanzminis­ters, hier im Bereich von Start-ups einen großen Schritt zu setzen, also die Rahmenbedingungen für die Betriebe zu schaffen, was das interessante Umfeld von Anreizen betrifft, gemeinsam mit dem Setzen auf neue Technologien wie der offenen Haltung betreffend Open Source sind gute Garanten dafür, dass Österreich auch in Zukunft diese Chancen einerseits wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich nutzt. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne: Danke für die einstimmige Beschlussfassung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.55



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


10.55.52

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir müssen ehrlich sein: Wir haben als Europa das Zeitalter der Digita­lisierung völlig verschlafen, weil wir es ganz einfach den anderen überlassen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es haben anscheinend damals der Mut, die Weitsicht, aber vielleicht auch das Bewusstsein dafür gefehlt. Wir haben uns damit von riesigen Internetgiganten abhängig gemacht, den Big Tech. Und die sitzen natürlich nicht in Europa, sondern in den USA und in Asien. Und was haben die? – Die haben unseren größten Schatz, nämlich unsere Daten.

Man darf da aber jetzt nicht resignieren, sondern es wäre einfach dringend an der Zeit, diesen Schritt hin zur digitalen Souveränität, hin zu Datensouveränität auch zu gehen. Wir als Sozialdemokratie trommeln, offen gesprochen, schon sehr, sehr lang in diesem Haus, diesen mutigen Schritt auch definitiv zu gehen.

Ich sage es ehrlich: Ich freue mich, dass dieser Antrag zu mehr Open-Source-Produkten in der öffentlichen Verwaltung heute gelungen ist, nämlich schrittweise gelungen ist. Da müssen wir einfach auch Vorreiter:innen sein. Kollegin Oberrauner hat es angesprochen und auch ich gestern schon: Es geht einfach nicht, dass Microsoft- und Google-Produkte in unseren Schulen drinnen stecken und damit Datenunsicherheit für Schüler:innen und Lehrer:innen herrscht. Deshalb ist es ganz wichtig, dass heute der einstimmige Beschluss auch wirklich auf die Füße kommt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Weidinger.)

Das bedeutet aber auch, Herr Bundesminister, dass Sie einen Auftrag haben, den es ganz einfach auch zu erfüllen gilt.


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Ich glaube aber, dass darf nicht das Ende sein. Wir haben das digitale Zeitalter verschlafen; was wir aber nicht verschlafen dürfen, ist die aktuelle Zeitenwende, in der wir stecken. Betreffend künstliche Intelligenz – und wir haben uns im Parlament vor allem im Forschungsausschuss schon sehr lange damit befasst, ob im medizinischen Bereich, aber auch im sicherheitspolitischen Bereich –: Seit Herbst hat diese aufgrund von Chat-GPT einfach in unserer Gesellschaft, in unserem Alltag Fuß gefasst. Und damit gilt sozusagen auch hier, die Hoheit darüber nicht den Big Tech zu überlassen. Das ist aktuell so. Konzerne bestimmen, Konzerne beeinflussen, Konzerne gestalten. Da gilt es ganz klar, einen Riegel vorzuschieben. Das braucht es dringend! (Beifall bei der SPÖ.)

Der AI-Act, der auf europäischer Ebene auch im Parlament bereits ver­ab­schiedet wurde, ist meiner Meinung nach ein wichtiger erster guter Schritt – übri­gens der erste gesetzliche Rahmen, um gegen Konzerne vorgehen zu können. Wichtig!

Was braucht es aber jetzt in den Trilogverhandlungen, Herr Bundesminister? Was fehlt uns? – Die Transparenz bei den Daten. Ich habe gestern schon gesagt, was Chat-GPT als Antwort ausspuckt, ist zum einen von der Fragestellung abhängig, aber zum anderen auch davon, mit welchen Daten es gefüttert wird und welche Daten gespeichert wurden. Diese Datentransparenz umfasst der aktuelle Verordnungsentwurf des EU-Parlaments und auch der Kommission nicht. Das bedeutet, wir müssen das dann auch ganz klar in die Triologverhand­lungen einbauen. Dazu fordere ich Sie an dieser Stelle auf.

Was braucht es aber noch? – Wir sind wahnsinnig schwach – und das sage nicht ich hier vom Pult, sondern renommierte Forscherinnen und Forscher –, was die Grundlagenforschung betreffend künstliche Intelligenz in Österreich anbelangt. Läppische 7 Millionen Euro, Herr Bundesminister! Das ist nichts. Wir haben ganz grandiose Forscher:innen, die gehen, weil wir ihnen die Infra­struktur nicht bieten. Entschuldigung, es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, hier Kohle in die Hand zu nehmen, wenn ich das so sagen darf (Beifall bei der SPÖ),


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und der KI-Forschung auch wirklich den Raum zu geben, den sie sich ver­dient.

Was braucht es noch? – Ich glaube, wir müssen alle im KI-Bereich fit werden. Wir müssen uns kritisch damit auseinandersetzen können. Es braucht wirklich eine Offensive für Schüler:innen, aber nicht nur für sie, sondern auch für jedes Lebensalter, um einfach auch irgendwann unterscheiden zu können und kritisch zu hinterfragen: Habe ich es hier mit KI zu tun - apropos Kenn­zeich­nungspflicht, auch ganz wichtig –, oder nicht?

Und dieses differenzierte Lernen ist, glaube ich, auch ein Auftrag der öffent­lichen Hand. Bitte erfüllen Sie ihn! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.


11.00.09

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­mi­nis­ter, danke, dass Sie zurückgekehrt sind! Ich glaube, Digitalisierung und digitale Ungleichheit sind ein wichtiges Thema. Ich möchte in meinen letzten 3 Minuten Redezeit bei diesem Punkt sehr grundsätzlich werden, weil wir auch viele Zuseherinnen und Zuseher haben, die sich quasi digitale Kompetenzen noch nicht erwerben konnten, die gerade dabei sind, sich diese zu erwerben, oder die sich diese nicht mehr erwerben können. Trotzdem erleben wir bei diesem Wandel vor allem in der Arbeitswelt, aber auch bei Formularen, wie es Kollegin Oberrauner gesagt hat, einen Automatisierungsschub, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, im Gegenteil, der uns – uns, die wir mittleren Alters sind – noch begleiten wird und sehr wohl unsere Kinder und Jugend­lichen.

Diesbezüglich ist nicht so viel passiert, wie schon hätte passieren können, das ist keine Frage. Es ist zaghaft bereits gelungen, die Fächer Mathematik,


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Naturwissenschaften, Informatik, Technik schon im Kindergarten, in der Volksschule zu forcieren, und die digitale Grundbildung ist ein kleiner Bereich, der vorhanden ist.

Wir müssen aber noch einmal auf die digitale Ungleichheit zwischen den Geschlech­tern in der Gesellschaft, in der Arbeitswelt, ein Augenmerk legen. Gewisse Branchen, in denen sehr viel automatisiert werden konnte, stellen Jobs nicht mehr zur Verfügung, in denen vor allem Frauen tätig waren, und jene Jobs, in denen Informatik beherrscht werden muss, sind eher Männern vorbehalten. Ich glaube, gegen diese digitalen Ungleichheiten in der Arbeitswelt kann man vorgehen und dagegen müssen wir auch vorgehen. Ich denke, es wäre hoch an der Zeit, hier im Hohen Haus, im Parlament, viel öfter über Digitalisierung zu reden, weil sie eben eine Querschnittsmaterie ist. – Sie sind heute hier, aber das betrifft ja viele, viele Ministerien. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Zur Wirtschaft, um ein anderes Beispiel zu nennen: Die Arbeitnehmer:innen sind die eine Seite, aber auf der anderen Seite sind auch Unternehmen, die zum Beispiel KI-Software verwenden und Bewerberinnen und Bewerber auffordern: Schick uns ein Video und wir screenen dann, wie wir mit dir umgehen! – Da kann es natürlich zu Diskriminierungen kommen, denn wenn die KI mit dem Erschei­nungsbild eines weißen, durchschnittlich gesunden jungen Mannes gefüttert ist, kann als Ergebnis herauskommen, dass eine Person, die sich bewirbt und vielleicht eine Gesichtslähmung oder einen Migrationshintergrund hat, aufgrund der Merkmale, die die KI nicht erfüllt, weil sie damit nicht gefüttert wurde, diskriminiert wird.

Es fehlt uns also sowohl in der Wirtschaft als auch, wie ich glaube, im Bildungs­bereich, in der Lehre – wurde gerade gesagt – eine Grundausstattung. Wir haben wunderbare Forscher, Forscherinnen, die aber eine Grundausstattung von 500 Millionen Euro bräuchten, wie sie selber sagen, um hier zu bleiben, um hier zu forschen. Wir machen da gute Fortschritte, nur laufen die uns davon. – Das heißt: digitale Literacy, digitale Kompetenz in allen Bereichen!


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Zur Aufklärung über die Gefahren, die damit verbunden sind: Ich nenne nur als kleines Beispiel – wurde ohnehin zurückgestellt – den AMS-Algorithmus: Bei einer Frau, die über 50 ist, würde der Algorithmus zum Beispiel vielleicht ausspucken: zahlt sich nicht mehr aus, keine Schulung! – Trotzdem ist es wichtig, dass die Beraterin, der Berater des AMS noch immer eine individuelle Beratung vornimmt, um zu sagen: Okay, ich habe ein Wertegerüst und das Wertegerüst sagt mir, ich muss und werde dieser Frau auch noch eine Chance geben.

Aufgrund all dieser Dinge ist es, glaube ich, hoch an der Zeit, dass wir uns hier auch noch viel intensiver mit diesen gesellschaftspolitischen Fragen der Benachteiligung, der Bevorzugung, der Diskriminierung befassen sollten. Daher kann das heute nur ein Anfang sein. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03

11.03.56


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2137 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Stärkung der digitalen Souveränität.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen. (334/E)

11.04.272. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Datenschutzbericht 2022, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz (III-922/2154 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen damit zum 2. Tagesordnungspunkt.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Alma Zadić im Hohen Haus und erteile Herrn Abgeordneten Süleyman Zorba das Wort. – Bitte.


11.05.06

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir leben in einer Zeit, in der Daten das neue Gold sind. In der digitalen Welt von heute spielt Datenschutz eine entscheidende Rolle, die noch größer und wichtiger wird. Personenbezogene Daten sind im Kern unsere Identität, unsere Vorlieben, unser Verhalten, unsere Gewohnheiten und auch unsere Bezie­hungen. Sie sind die Basis für viele Dienste und Produkte, die wir nutzen. Aber was passiert, wenn diese Daten missbräuchlich verwendet werden oder in falsche Hände geraten?

Unser Recht auf Privatsphäre ist ein fundamentales Menschenrecht, das es zu schützen gilt. Ein robuster Datenschutz ist kein Luxus oder innovations­hemmend, sondern eine Notwendigkeit. Er sorgt dafür, dass wir die Kontrolle behalten und schützt unsere Daten vor Missbrauch. Genau deshalb ist auch die Arbeit der Datenschutzbehörde in Österreich so wichtig. Im Jahr 2022 wurden über 6 000 Verfahren geführt und abgeschlossen.

Den Bericht, über den wir heute reden (ein Schriftstück in die Höhe haltend), kann man auch auf der Website der Datenschutzbehörde herunterladen. Auf diesem Wege möchte ich mich auch bei Frau Dr.in Jelinek, der Leiterin der Datenschutz­behörde, bedanken. Mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat sie auf nationaler und auch auf internationaler Ebene maßgeblich zum Schutz unserer Privatsphäre beigetragen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit der Datenschutz-Grundverordnung genießen wir seit fünf Jahren einen sehr hohen Standard in diesem Bereich, in Zukunft stehen uns aber noch größere


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Herausforderungen bevor. Mit dem verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz muss Datenschutz einen noch höheren Stellenwert einnehmen. KI-Systeme benötigen enorme Mengen an Daten, damit sie überhaupt funktionieren können, daher ist es unerlässlich, dass wir strengere und strenge Richtlinien aufstellen und durchsetzen, um sicherzustellen, dass diese Daten ordnungsgemäß und ethisch korrekt genutzt werden. Aber auch bei aktuellen Fällen, wie zum Beispiel der Chat-Kontrolle, die die EU-Kommission durchdrücken möchte, sehen wir, wie sehr wir auf diese Standards achten müssen.

Ich bin auch sehr stolz, dass wir vergangenes Jahr gemeinsam im EU-Unter­aus­schuss einen Antrag auf den Weg bringen konnten, der uns nach wie vor einzigartig in Europa macht. Das österreichische Parlament ist das erste und nach wie vor das einzige Parlament in der Europäischen Union, das eine bindende Ablehnung dieses fragwürdigen Projekts beschlossen hat. Also noch einmal danke an euch alle, dass wir das gemeinsam machen konnten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Egal ob es ein Bürgermeister aus Niederösterreich ist, der unrechtmäßig Briefe versendet, die Social-Media-Plattform, die personenbezogene Daten für Werbezwecke missbraucht, oder der smarte Staubsauger, der Wohnungspläne nach China liefert, aber auch der smarte Rasenmäher auf der Blumenwiese, der Grundstücksdaten unsicher speichert, in all diesen Fällen ist es wichtig, dass unsere Daten geschützt und bei Vergehen Strafen und Sanktionen ausgesprochen werden. Indem wir Datenschutz ernst nehmen, streben wir einen verantwor­tungsvollen und auch vertraulichen Umgang mit personenbezogenen Informatio­nen an.

Unser Ziel ist es, dass jeder und jede Einzelne die volle Kontrolle über die Ver­wen­dung der eigenen Daten hat. So möchten wir die größtmögliche Transparenz fördern, während die Privatsphäre unserer Bürgerinnen und Bürger bestmöglich geschützt wird. Ziel muss es sein, dass der Staat gläsern wird und nicht die Bürgerin oder der Bürger.


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Abschließend noch einmal ein Danke an die Datenschutzbehörde für die wichtige Arbeit und an die namhaften NGOs, die wir in Österreich haben, wie Epicenter Works oder Noyb von Max Schrems, für ihren unermüdlichen Einsatz und an unsere Justizministerin Alma Zadić, die sich national sowie international für bessere Datenschutzstandards einsetzt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


11.08.47

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Prä­sidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Werte Zuseher und Zuhörer! Wir haben das Verlangen gestellt, dass dieser Datenschutzbericht, der jährlich erstellt wird – dies ist der neunte –, auch im Plenum behandelt wird. Wir haben auch deshalb dieses Verlangen gestellt, weil wir einerseits der Datenschutzbe­hörde, vor allem insbesondere Frau Dr. Jelinek, die in kurzer Zeit ausscheidet, Dank sagen wollen. Wir wollen andererseits auch der Frau Bundesministerin, die die Datenschutzbehörde eigentlich mit sehr gutem Personal ausstattet, Dank sagen, und wir wollen auch dem gesamten Team der Datenschutzbehörde Dank sagen, das diesen Bericht jährlich immer sehr umfangreich erstattet.

Es ist aber nicht nur Danksagung notwendig, ich hätte auch einige Punkte, die mir ganz wichtig sind, die zu erneuern sind. Es fehlt einiges: Es fehlt die Telekommunikation im Bericht, und, Frau Bundesministerin, eine wesentliche Entscheidung wird sein, wer zukünftig die unabhängige Leitung der Datenschutzbehörde macht. Wir dürfen nicht den Fehler machen – unsere Fraktion will das unbedingt rasch lösen –, dass so wie bei der Bundes­wettbewerbsbehörde oder auch beim Bundesverwaltungsgericht eine Frage über die Leitung entsteht, die eventuell auch von politischen Agenden abhängig gemacht wird.


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Wir fordern Sie daher auf, die Datenschutzbehörde sehr schnell und rasch mit einer guten, unabhängigen Leitung zu versehen. Ich fordere aber gleichzeitig, dass wir die Datenschutz-Grundverordnung immer mehr ernst nehmen, denn es gibt schon Punkte, bei denen ich meine, dass wir in den nächsten Jahren einiges zu tun haben.

Schauen wir uns an, wie viele Unternehmen und Konzerne dorthin gehen, wo es am wenigsten Datenschutz gibt, wo die Datenschutzbehörde am bequemsten ist: Das ist in Irland, Stichwort Facebook, wenn man sich das anschaut. Wir müssen deshalb auch schauen, dass nicht nur in Österreich, sondern auch in der EU Regelungen kommen, damit der Datenschutz im Verfahren vereinheitlicht wird, sodass die überlangen Verfahren verkürzt werden und wiederum in die richtige Richtung gehen. Wir müssen aber auch schauen und danach trachten, dass die Datenschutz-Grundverordnung, die seit fünf Jahren besteht, evaluiert wird. Es gibt Sanktionsfragen, es gibt auch Fragen, bei denen es darum geht, dass wirklich neue Themen wie künstliche Intelligenz, aber auch Cybersicherheit, aufgenommen werden sollen.

Eigentlich wollte ich so weiterreden und einiges darüber erzählen, wie gut und wie wichtig Datenschutz ist. Gestern aber gab es eine Rede zu einem wichtigen Punkt, bei dem wir alle gemeinsam außer der FPÖ – die FPÖ war nicht dafür – Datenschutz und -sicherheit als Wissensquelle für Kinder und Jugendliche von sechs bis 14 Jahren beschlossen haben. Dann lese ich eine Aussendung des Kollegen Hauser, der heute nicht da ist, und diese Aussendung sagt Folgendes: Wir als FPÖ sind die einzige Partei, die wirklich vor dem „gläsernen Menschen“ schützt. Wir als FPÖ sind die einzige Partei, alle anderen Parteien sind nicht dafür, die treiben „Schindluder“. Wir sind für Datenschutz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FPÖ! Kollege Ragger spricht dann zwar nach mir, ich finde das aber echt empörend. Sie waren es, die 2018 das Sicherheits­paket geschnürt haben. (Abg. Ragger – in Richtung ÖVP weisend –: Da habe ich rübergezeigt!) Ihr damaliger Innenminister Kickl, der heute nicht da ist, hat damals den Bundestrojaner geschaffen! Ihr habt die Überwachung geregelt, ihr habt


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eine versteckte Identifikation oder Feststellung von Kennzeichentafeln im Straßenverkehr umgesetzt und ihr wolltet auch das Sicherheitspaket, laut welchem die Sectioncontrol alles umfasst. Ihr seid diejenigen, die eigentlich den Überwachungsstaat wollen und den Überwachungskapitalismus fördern. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Wir haben damals, 2019, mit den NEOS gemeinsam das Verlangen gestellt, und das Verfassungsgericht hat genau das gesagt, was ich jetzt gesagt habe. Deshalb bin ich der Meinung, dass es nicht sein kann, dass ihr mit Kreide sprecht, wenn es um Datenschutz geht. Ihr sprecht darüber, dass ihr die einzige Partei seid, die das macht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Hafenecker.) Die anderen vier Parteien machen es laut euch nicht. Genau ihr seid es, die mit Kreide sprechen und im Endeffekt seid ihr der Wolf im Schafspelz, wenn es um Datenschutz geht. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich sage offen und ehrlich: Es ist auch nicht nur der Punkt Datenschutz. Gestern ging es um die Patientenmilliarde. Ihr wolltet die Patientenmilliarde umsetzen. Was habt ihr gemacht? – Eine Umfärbung, damit eigene Leute in die Sozialver­sicherung gekommen sind. Das wart ihr! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Zwischen­rufe bei der FPÖ.) Euch interessieren die Versicherten nicht, euch interessieren diejenigen, die von Datenschutz leben, nicht. Das hat man eh gesehen: Die Kinder und Jugendlichen lasst ihr im Stich. Ihr habt nicht mitgestimmt.

Ihr seid eigentlich diejenigen – nochmals –, die immer mit Kreide sprechen, aber im Endeffekt etwas anderes machen. Ich hätte das gerne Kollegen Hauser gesagt, der heute nicht da ist. Ich hätte das auch gerne - - (Abg. Hauser – aufste­hend –: Bist du blind?) – Oh, jetzt ist er auf einmal da! Es ist gut, dass er da ist, weil Kollege Hauser gestern derjenige war, der als Tourismussprecher einer FPÖ über Datenschutz gesprochen hat. Der Datenschutzsprecher, der jetzt auch anwesend ist, Herr Herbert, war nicht da. Er war auch nicht da, als es um die Abstimmung gegangen ist, er ist draußen gewesen. (Abg. Loacker: Ja wenn es ums


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Arbeiten geht ...!) Das ist die FPÖ: scheinheilig, unglaubwürdig – und in dem Punkt nicht richtig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13

11.14.02*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Drobits, für den Ausdruck „scheinheilig“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Ragger zu Wort. – Bitte.


11.14.11

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Justizministerin! Wenn wir mit Kreide sprechen, dann hast du (in Richtung Abg. Drobits) heute in der Früh wahrscheinlich rohes Fleisch gekriegt, weil du so aggressiv gewesen bist. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Es ist aber offensichtlich der neue Stil der burgenländischen Abgeordneten, hier einen aggressiveren Ton an den Tag zu legen, um zumindest die rechte Seite noch vom ganzen linken Komplex der SPÖ abzudecken.

Ich glaube aber, wir sollten uns inhaltlich mit dem Thema auseinandersetzen, und das ist das, was Sie nicht verstanden haben. Es geht immer um Verhält­nismäßigkeit. Der Datenschutzbericht, der heute zur Diskussion steht, bildet das Spektrum dessen ab, was im letzten Jahr passiert ist. Was ist im letzten Jahr passiert? – Es hat 5 000 Beschwerdefälle gegeben, in denen es unrechtmäßige rechtliche Festlegungen, Datenschutzübertretungen bei den Impfungen gegeben hat. Davon sind Hunderte Fälle aufgehoben worden. Das hat die Datenschutz­behörde festgestellt. Darum ist es für uns so wichtig, dass es vor allem in diesem Bereich eine klare, verhältnismäßige Zugangssituation für diesen Datenbereich gibt. (Abg. Holzleitner: Durch den Bundestrojaner?) Datenschutz muss gesichert werden. (Abg. Holzleitner: Sie stehen ja für Massenüberwachung!) Datenschutz muss


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einerseits einer Sicherung unterlegt sein, und auf der anderen Seite gibt es auch grenzübergreifend nicht nur gute Menschen, die hier Gutes tun wollen, sondern es gibt auch Organisationen, die Schlechtes tun wollen. (Abg. Drobits: Ihr wollt die Daten weitergeben, tschüss! – Auch die Gesundheitsdaten!)

All das passiert auf dem Rücken des Datenschutzgesetzes. Dafür gibt es heute Software, die zur Überprüfung notwendig wäre, daher gibt es die Möglichkeit eines Trojaners. (Abg. Zorba: Briefe versenden ist schlimm, aber der Trojaner ist gut?) Daher ist es notwendig, im Datenschutzbereich auch Maßnahmen zu haben, die letztendlich eine Überprüfung von solchen Missbrauchsfällen zulas­sen. (Abg. Drobits: Ist der Bundestrojaner okay?) Das ist das, was bei Ihnen noch nicht angekommen ist! Sie wollen letztendlich auf der einen Seite Ihr linkes Ideologiegut festlegen, wenn Sie sagen: Ja, es muss alles im Datenschutzbereich geschützt werden!, sobald es aber irgendwelche Organisationen gibt, die hinter diesem Datenschutz dazukommen, wollen Sie nichts mehr davon wissen. Das ist letztendlich Schutz, den wir auch garantieren werden. Das ist Teil einer öffentlichen Einrichtung, ein Teil des öffentlichen Staates, der auch dafür Sorge tragen muss – um den Schutz des Datenschutzes zu gewährleisten! Das verstehen Sie offensichtlich nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie ist es denn sonst möglich, dass wir laut diesem Datenschutzbericht trotzdem auf der anderen Seite 1 200 Beschwerden haben? – Es muss hier doch etwas passiert sein, seid doch ehrlich. Auf der einen Seite wollt ihr eine große DSGVO-Novelle nach fünf Jahren noch einmal evaluieren, dabei wissen wir, was es für den Unternehmer und für die einzelne Unternehmerin gekostet hat – Milliardenbeträge! –, diese ganzen Umstellungen durchzuführen. Sie haben es aber in Zeiten von Corona gemeinsam mit der Regierung mit einem Finger­schnipp außer Kraft gesetzt. Da war Datenschutz auf einmal sekundär, Datenschutz war nicht mehr vorhanden, da ist man einfach durchgefahren. Da hat man sich jede einzelne Person, jede einzelne Frau und jeden einzelnen Mann in Österreich rausgeholt. Sie von der SPÖ waren alle dabei, Sie waren alle dabei. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das ist das, worauf Herr Hauser hinweist. (Abg. Drobits: Der Herr Tourismus­sprecher!) Sie können nicht dauernd unseren Abgeordneten Hauser hinun­terziehen, wenn Sie selbst solche Fehler machen. Sie missbrauchen diesen Staat und waren ein willfähriger Erfüllungsgehilfe von der ÖVP und von den Grünen. (Beifall bei der FPÖ.) Stellen Sie sich also nicht hierher und sagen: Sie, mit kreidiger Stimme sprechende FPÖ! – Gar nichts! Sie waren dabei und Sie haben in Hunderten Fällen missbraucht. (Abg. Drobits: Aber nicht beim Bundestrojaner!) Sie haben nur das Glück, dass es für Sie keine Strafbestimmungen gibt, sonst täten Sie bis ans Ende Ihrer Tage zahlen. Das ist der Unterschied! (Beifall bei der FPÖ.)

Um aber auch einen Sinn in diesem Datenschutzbericht zu sehen: Man muss der Justizministerin trotzdem Danke sagen, auch ihrem Team. Sie hat zehn Leute eingesetzt, die im Grunde genommen diese einzelnen Übertretungen aufgear­bei­tet haben.

Es ist noch nicht am Ende. Derzeit werden sogar noch weitere notwendige Maß­nahmen gesetzt, nämlich im grenzübergreifenden Bereich. Da bin ich abso­lut (in Richtung Bundesministerin Zadić) bei dir. Es ist notwendig, auch hier im grenzübergreifenden Bereich noch viel stärker in diesem Bereich zu wirken. Die neuen Herausforderungen – ob Chat-GPT oder künstliche Intelligenz, oder aber auch was den Bundestrojaner oder Sonstiges betrifft – werden ein riesiges Thema für die Datenschutzbehörde werden.

Daher: absolute Unterstützung von unserer Seite. Immer, sobald es um sinnvolle, verhältnismäßige (Abg. Holzleitner: Wie Massenüberwachung!) – SPÖ, aufpassen: verhältnismäßige! – Maßnahmen geht, sind wir dabei. Daher unter­stützen wir diesen Datenschutzbericht. (Beifall bei der FPÖ.)

11.18


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Karl Schmidhofer zu Wort. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 104

11.18.45

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und alle, die diese heutige Parlamentssitzung mit­verfolgen! Der Datenschutz in Österreich war schon immer wichtig. Wir haben Ende der Siebzigerjahre schon damit begonnen, mit der Datenschutzkom­­mission daran zu arbeiten, und seit 1993 – auch in den Berichten auf der Home­page der Datenschutzbehörde nachzulesen – gibt es die Berichterstattung bis inklusive 2022.

In diesem Bericht der Datenschutzbehörde mit über 80 Seiten ist insbesondere dargestellt – die Statistik wurde schon genannt –, dass die Frau Bundes­ministe­rin reagiert hat, wenn es zusätzlich Ressourcen brauchte, weil im Zuge der Covid-19-Impfung zusätzliche Beschwerden aufgetreten sind. Das zeigt, dass man das Problem ernst nimmt und dass man sich den Herausforderungen, die auch ungeplant kommen können, stellt.

Ich darf auch darauf verweisen, dass die Datenschutzbehörde auf ihrer Homepage sehr viel Hilfestellung anbietet. Man kann sich gut informieren, man kann – präventiv – sehr viel herauslesen. Jeder Bürger und jede Bürgerin in Österreich kann sich informieren.

Zusätzlich darf ich auch noch sagen, dass die WKO, die Wirtschaftskammer Österreich, gerade was den Datenschutz und die DSGVO betrifft, auch eine ganz, ganz tolle Hilfestellung bietet.

Herr Drobits, du hast es angesprochen, und mir ist es auch noch ein Anliegen, zu sagen, dass es auch ganz wichtig ist, Kindern und Jugendlichen alle Aspekte, die für sie diesbezüglich wichtig sind, aufzuzeigen. Daher gibt es – danke auch dafür, Frau Bundesministerin! – das Projekt Privacy4Kids, in dessen Rahmen Sechs- bis Zehnjährigen und Zehn- bis 14-Jährigen sehr, sehr anschaulich mit Filmen, Lehrvideos alle für Kinder und Jugendliche wichtigen Aspekte aufgezeigt werden. Es geht da um Social Media, Influencer, um das


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Preisgeben persönlicher Daten, um den digitalen Fußabdruck, um Cookies, um Hass im Netz. Über all diese Themen kann man sich da wirklich sehr, sehr gut informieren.

Wir haben ja gerade gestern einen Beschluss gefasst, bei dem es darum geht, dass wir Kinder und Jugendliche auch im Rahmen der Schulausbildung verstärkt über das Thema Datenschutz informieren wollen.

Datenverarbeitung ist aber nicht nur eine Herausforderung, bei der es Gefahren abzuwehren gilt, sondern sie bringt uns auch viele Vorteile. Ich erinnere an die E-Rezepte. Rund sechs Millionen E-Rezepte werden pro Monat ausge­stellt und mit Datensicherheit hinterlegt, das sollten wir dabei auch erwähnen.

Zusammengefasst gilt es jedenfalls, die Chancen der Digitalisierung für die Zukunft zu nutzen und die Risken zu minimieren. Das nehmen wir mit, auch aus den Berichten und aus den vielen Fällen, die bearbeitet werden. Ich darf mich auch im Namen der ÖVP-Fraktion bei Frau Dr. Jelinek bedanken. Da sind wirk­lich Expertinnen und Experten gesessen, die europaweit wirken und Beachtung gefunden haben, das darf ich hier im Hohen Haus auch erwähnen.

Frau Bundesministerin, die Bundesregierung – ÖVP und Grüne gemeinsam – wird diese Stelle auf Ihren Vorschlag hin sicher gut besetzen, damit wir in Öster­reich auch weiterhin datensicher sind. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


11.22.59

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Kollege Ragger, Ihr flammendes Plädoyer für die Über­wachungsfantasie und den Bundestrojaner habe ich jetzt nicht ganz


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verstanden. (Abg. Ries: Das hat er nicht gesagt! Du kannst es ...!) Sie sind ja an und für sich ein sehr vernünftiger Jurist. In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen nur raten, dass Sie sich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Bundestrojaner durchlesen.

Wir NEOS haben das über Jahre hinweg bekämpft, haben mit der Unterstützung der SPÖ dann eine Verfassungsbeschwerde eingebracht; und der Verfas­sungsgerichtshof hat ganz klar festgestellt, dass das, was Sie einfordern, nämlich Verhältnismäßigkeit, beim Bundestrojaner natürlich nicht gegeben ist, und dementsprechend den Bundestrojaner als verfassungswidrig aufgehoben.

Lesen Sie sich das durch und hören Sie auf mit den Überwachungsfantasien! Es reicht, dass diese (in Richtung ÖVP) Fraktion das will. Setzen Sie sich ein bisschen mehr für Grund- und Freiheitsrechte ein! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Wir diskutieren ja hier den Datenschutzbericht, und da gibt es zwei Aspekte, die mir sehr wichtig sind und die ich gerne herausnehmen würde – insbesondere dass man schaut, dass da nicht über Gebühr überwacht wird.

Das eine ist die Fluggastdatenrichtlinie beziehungsweise die Fluggastdaten­speicherung. Es ist seit mehreren Jahren so, dass, wenn man mit einem Flugzeug in die EU hineinfliegt oder aus der EU hinausfliegt, Daten gespeichert werden. Da wird gespeichert, wohin Sie geflogen sind, unter Umständen auch, ob Sie dort, wo Sie angekommen sind, ein Mietauto gemietet haben, was Sie gegessen haben, wo Sie gesessen sind, Kreditkartendaten. Diese Daten werden viele Jahre gespeichert, bis zu fünf Jahre lang.

Da Kollege Ottenschläger, ich glaube, gestern oder vorgestern, die Wertschät­zung der NEOS so vermisst hat, kann ich ihm da gerne einen Gefallen tun: Ich kann es sehr wertschätzen, dass Kollege Zorba durchgesetzt hat, dass zumindest die innereuropäischen Fluggastdaten nicht mehr gespeichert werden. Das war ein Erfolg der Grünen in der Regierung. Ginge es nämlich nach der ÖVP, würden Sie ja gar nicht aufhören, weitere Daten zu speichern, insbesondere auch die


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Fluggastdaten innerhalb der Europäischen Union. Insofern gilt meine Wert­schät­zung hier der grünen Fraktion. – Das habt ihr sehr gut gemacht, vielen Dank dafür. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Fakt ist, dass aber immer noch Fluggastdaten gespeichert werden, und das verdachtsunabhängig. Es ist nichts anderes als eine anlasslose Massenüber­wachung. Der Europäische Gerichtshof hat klar gesagt, dass das – insbesondere in einem Fall in Bezug auf Belgien – in diesem Ausmaß, wie da Fluggastdaten gespeichert werden, nicht möglich ist.

Es gibt zwar in Österreich diese Verordnung nicht mehr, dass auch inner­euro­pä­ische Fluggastdaten gespeichert werden, aber es gibt die Verordnungsermächtigung für den Innenminister, und da hat der Europäische Gerichtshof in Bezug auf Belgien gesagt – die haben eine sehr ähnliche Rechtslage –, dass das zu weitge­hend ist. Man kann nicht einfach dem Innenminister eine Ermächtigung geben, quasi willkürlich zu sagen: Na gut, weil es mir jetzt gerade passt, mache ich auch die Fluggastdatenspeicherung von innereuropäischen Flügen!

Wir als Österreich müssen unsere Gesetzeslage anpassen. Ich habe vernommen, dass im Innenministerium daran gearbeitet wird. Ich hoffe, dass das auch so gemacht wird, dass es dann den europäischen Regelungen ent­spricht.

Ein zweiter Punkt, der mir sehr wichtig ist, ist das Thema Gesichtserkennungs­software. Wir erleben, dass immer wieder die Diskussion hochkommt, wie man mit automatisierter Gesichtserkennungssoftware Aufnahmen entweder in Echtzeit oder auch ex post durchleuchtet. Dabei wissen wir, dass die Gesichts­erkennungssoftware aus vielen Gründen sehr gefährlich ist.

Erstens ist sie fehleranfällig. Das heißt, es werden unter Umständen Menschen erkannt, die gar nicht gesucht werden, und die müssen sich dann mit Polizei­behörden auseinandersetzen. Andererseits ist es gefährlich, weil es natürlich massiv in die Privatsphäre von allen Bürgerinnen und Bürgern eingreift, weil man


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natürlich die ganze Zeit Gefahr läuft, überprüft zu werden und dass eine Gesichts­erkennungssoftware die Kameras, die im öffentlichen Raum sind, über­spielt und schaut, wer sich denn wo bewegt; ob die Frau Bundesministerin, ich oder sonst jemand irgendwo unterwegs sind.

Genau dieses Merkmal, dass man Bürgerinnen und Bürger dauerhaft überwacht und schaut, was sie denn tun, zeichnet Diktaturen aus. So etwas sehen wir in China, wo die Behörden ganz bewusst schauen, wo ihre Bürgerinnen und Bürger sich herumbewegen, und das auch entsprechend verwenden, um ihre Bürger zu unterdrücken.

Es gibt jetzt auf europäischer Ebene eine Diskussion dazu, was man verbieten kann. Das Europäische Parlament hat sich zum Glück sehr klar dafür ausgesprochen, dass die Echtzeitgesichtserkennung bei Kameras im öffentlichen Raum so nicht sein soll, also verboten werden soll. Ich halte das für ganz wichtig und hoffe, Frau Bundesministerin, dass Sie sich gemeinsam mit anderen Parteien hier im Haus, die sich für Datenschutz und Grundrechte einsetzen, auch dafür einsetzen, dass dieses Verbot auf europäischer Ebene auch wirklich kommt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.27


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Corinna Scharzenberger. – Bitte.


11.27.50

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seien wir ehrlich, der Datenschutz ist ein Thema, das sich durchaus schwertut, an allgemeiner Beliebtheit zu gewinnen.

Im Alltag begegnet er uns ja oft in mühsamen Datenschutzerklärungen. Er ist sowohl für die Unternehmer- als auch für Konsumentenseite ein oft not­wendiges Übel, aber– ich glaube, so ehrlich darf man sein, und ich bin davon


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überzeugt, dass viele in diesem Raum mir da zustimmen – wie so oft im Leben sind genau diese etwas mühsameren Dinge mitunter auch die wichtigsten.

Datenschutz ist ein grundlegendes Menschenrecht, das haben wir heute schon gehört, wobei es darum geht, dass unsere persönliche Freiheit, die Privat­sphäre und unsere Würde geschützt sind. Es ist daher unumgänglich, dass wir uns bewusst für den Schutz unserer Daten einsetzen, um eine sichere und vertrauenswürde digitale Welt aufzubauen.

Die österreichische Datenschutzbehörde ist für die Überwachung und Durch­set­zung des Datenschutzgesetzes in Österreich zuständig und wurde im Zuge der Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung eingerichtet. Heute liegt uns ihr Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2022 vor.

Mit knapp 4 900 Beschwerden im Zusammenhang mit Corona war die Arbeit der Behörde stark von der Pandemie geprägt. In Kooperation mit der Uni Wien werden aber auch so wichtige Projekte – wir haben es heute schon gehört – wie Privacy4Kids umgesetzt. Ziel dieses Forschungsprojektes war es, Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 14 Jahren das Thema Datenschutz näherzu­brin­gen und sie mit den Gefahren des Internets vertraut zu machen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade durch die Unterstützung solcher Projekte einen besseren Schutz für die nächste Generation gewährleisten können. Durch dieses Projekt lernen sie, kritisch über den Umgang mit ihren Daten nachzudenken, ihre persönlichen Informationen zu schützen, Onlinerisiken zu erkennen und ihre Privatsphäre zu wahren.

Im Zusammenhang mit den Gefahren des digitalen Raumes möchte ich an dieser Stelle aber auch ein großes Dankeschön an unsere Staatssekretärin Claudia Plakolm richten, die sich voller Tatenkraft beim EU-Jugendrat im Mai für ein kommendes europäisches Jahr gegen Hass eingesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Als Volkspartei sind wir uns vollkommen einig, dass der digitale Raum in keiner Hinsicht straffrei sein darf und wir Lücken in diesem Gesetz dringend schließen müssen, um unter anderem auch dem steigenden Extremismus und Antisemi­tismus analog und digital entschieden entgegentreten zu können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stögmüller: Ich erinnere euch in zwei Jahren!)

Wenn wir schon über Datenschutz und über das Lückenschließen reden: Kollege Ragger hat von Verhältnismäßigkeit gesprochen. Kollege Scherak, ich kann Ihnen schon sagen, wo die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist, nämlich genau dann, wenn wir zwei Dinge miteinander vergleichen. Auf der einen Seite ist es recht­lich einfacher, Handys sicherzustellen, deren kompletter Inhalt zum Akteninhalt eines Verfahrens werden kann, nicht zuletzt aufgrund von Großverfahren, aufgrund von Aktenleaks, bei denen dann der gesamte Handyinhalt an die Öffent­lichkeit gelangt. Auf der anderen Seite, wenn es um Terrorismusbekämp­fung geht, ist es nicht möglich, Attentäter im digitalen Raum aufzuspüren, weil die DSN eben nicht auf Handyapps zugreifen kann, anders als zum Beispiel in Deutschland. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stögmüller: Da hätten wir den Schmid gleich gehabt!)

Wir sind also in dieser Hinsicht auf die Warnungen der ausländischen Geheimdienste angewiesen. Der Attentäter genießt in diesem Zusammenhang mehr Datenschutz als die Privatperson. Da stimmt etwas massiv nicht zusammen. Um genau das zu ändern, braucht es einen Schulterschluss der Parlamentsparteien. (Abg. Stögmüller: Den wird es nicht geben!) An diesem Ungleichgewicht und an dieser Unverhältnismäßigkeit müssen wir dringend arbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Abgeordneter Zorba ist ein zweites Mal zu Wort gemeldet. – Bitte.



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11.32.10

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Ich möchte gerne ein paar Dinge zurechtrücken und festhalten: Da stellt sich Kollege Ragger von der FPÖ heraus, skandalisiert Briefe, die an den Impftermin erinnern sollen, und meint, das ist ein großer Datenschutzskandal. Ja, es ist ein Problem. In seiner weiteren Rede spricht er dann an, wie sehr wir den Bundestrojaner brauchen und dass dieser kein Problem ist.

Auf der einen Seite Datenschutz zu fordern und auf der anderen Seite Massen­überwachung schönzureden ist wirklich ein sehr, sehr spannendes Kunst­stück. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es ist aber auch in Österreich und in Europa so, dass ihr diese Scheinheiligkeit lebt. Das tut mir weh, aber es ist noch nicht zu spät, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. Gemeinsam mit dem Digitalisierungs­staatssekretär haben wir die digitale Kompetenzoffensive umgesetzt. Es wird eine Grundausbildung mit Workshops in vielen Gemeinden in Österreich geben. Machen Sie Gebrauch davon! Es werden auch Seminare für Erwachsene dabei sein, da kann man das eine oder andere über Datenschutz lernen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.33


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, da Sie den Vorwurf der „Schein­heiligkeit“ nicht direkt an eine Person gerichtet haben, erteile ich Ihnen jetzt keinen Ordnungsruf. Er gehört aber trotzdem zu jenen Formulierungen, die wir im Hohen Haus nicht verwenden. (Abg. Stögmüller: Man weiß es jetzt nicht mehr so genau! – Zwischenruf des Abg. Ragger.)

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić. – Bitte, Frau Ministerin.


11.33.34

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es freut mich wirklich sehr, dass wir den Datenschutzbericht hier im Plenum


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besprechen und behandeln, insbesondere weil heuer der Datenschutz eine ganz besondere Bühne verdient. Warum ist das der Fall? – Am 25. Mai hat die Datenschutz-Grundverordnung ihren fünften Geburtstag gefeiert, und deswe­gen ist es schön, dass wir heute über den Datenschutz sprechen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ja, wir können zu Recht sagen, die Datenschutz-Grundverordnung ist ein Meilenstein. Sie ist ein unionsrechtlicher Meilenstein zum Schutz unserer Grund­rechte, sie stärkt unsere Datenschutzgarantien, sie schafft zusätzliche und stärkere Rechte für Einzelne und sie erhöht auch die Transparenz. Sie nimmt auch diejenigen in Verantwortung, die personenbezogene Daten verarbeiten.

Zudem stattet die DSGVO auch unsere Datenschutzbehörden, die unabhängig sind, mit wirkungsvollen Durchsetzungsbefugnissen aus. Ich halte das nicht nur unionsrechtlich für einen Meilenstein, es ist auch weltweit ein Meilenstein, wenn man sieht, dass diese Befugnisse und auch diese Rechte weltweit kopiert wer­den. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wurde auch erwähnt, die Arbeit der Datenschutzbehörde war im Jahr 2022 besonders gefordert. Die Datenschutzbehörde hatte mit 5 000 Be­schwerden zu tun, die im Zusammenhang mit Covid erstattet wurden. Mir als Justizministerin war es ein besonderes Anliegen, dafür zu sorgen, dass diese Beschwerden auch rasch aufgearbeitet werden können. Daher haben wir zehn zusätzliche Verwaltungspraktikanten und Verwaltungsprakti­kantinnen in die Behörde gesetzt, damit rasch Unterstützung vorliegt. Zusätzlich haben wir den Personalstand erhöhen können. Es gibt jetzt insge­samt – und das ist der Höchststand – 60 Personen, die in der Datenschutz­behörde arbeiten. Das ist, glaube ich, ein Meilenstein für unseren Datenschutz. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hervorheben möchte ich auch noch einen weiteren Aspekt der Datenschutz­behörde. Die Datenschutzbehörde trägt einiges dazu bei, dass Bürger und Bürgerinnen von ihren Rechten erfahren. Das ist auch der Grund, warum die


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Datenschutzbehörde mit ihrer Initiative Privacy4Kids mit einem Forum gestartet ist, um gerade Kindern und Jugendlichen den Datenschutz näherzu­bringen. Es wurde ja heute schon erwähnt: Chat-GPT, Artificial Intelligence stellen ja nicht nur uns vor neue Herausforderungen, auch unsere Kinder und Jugendlichen werden damit konfrontiert, und sie müssen wissen, was ihre Rechte sind.

Ich möchte Sie auf ein Spiel aufmerksam machen, das die Datenschutzbehörde entwickelt hat: Das ist dieses Lernquartett. Bitte schauen Sie sich das an, die Datenschutzbehörde verteilt es auch. Man kann Datenschutz spielerisch erler­nen, man kann spielerisch erlernen, was die Rechte eines jeden im Zusam­men­hang mit Datenschutz sind. Bitte, schaut euch das an, ich halte das wirklich für ein schönes Projekt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal ausdrücklich und öffentlich bei der Leiterin der Datenschutzbehörde Dr.in Jelinek bedanken, die sich leider in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Sie war eine großartige Vorreiterin und ist nach wie vor eine großartige Vorreiterin für den Datenschutz, hat diesen nicht nur österreichweit, sondern auch europaweit geprägt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Frau Dr.in Jelinek. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.37

11.37.53


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, den vorliegenden Bericht III-922 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.


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11.38.203. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2093 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesver­waltungsgerichtsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023) (2155 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2094 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen (Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz – VirtGesG) erlassen wird (2156 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Julia Herr. – Bitte sehr.


11.38.59

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir beschließen heute, dass Verhandlungen im Zivilprozess künftig auch per Video stattfinden können. Das wurde während Corona ausgetestet und soll jetzt eingeschränkt beibehalten werden. Es soll auch für Verfahren nach der Exeku­tionsordnung oder nach der Insolvenzordnung diese Möglichkeit der Video­verhandlung geben. Wir stehen dem grundsätzlich offen gegenüber und werden heute auch zustimmen.

Wenn wir aber schon bei der Insolvenzordnung sind, muss ich andere Punkte ansprechen, die wir sehr wohl für dringend reformbedürftig halten. Aktuell wird


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ja die größte Insolvenz der letzten zehn Jahre abgewickelt: Kika/Leiner, und diese Insolvenz dürfte jetzt noch größer ausfallen als anfangs gedacht.

Im Juni hat der Insolvenzverwalter noch erklärt, dass zumindest die Mitarbei­ter:innen der Gastrogesellschaften, der Restaurants, die bei Kika/Leiner angeschlossen sind, nicht betroffen sein werden. Jetzt ist es erneut anders gekommen. Gestern wurden wieder Hunderte Mitarbeiter:innen gekündigt, diese haben ihren Job verloren. Laut Gewerkschaft ist nicht einmal klar, ob diese Kündigungen rechtmäßig sind. Das ist ja gleich die nächste Frechheit in dieser Causa.

Es läuft einfach so weiter, wie es begonnen hat: Unternehmen sanieren sich auf Kosten der Mitarbeiter:innen, die nichts zu dieser Misere beigetragen haben. Das ist ungerecht, das geht uns nahe. Ich sage es noch einmal: Die SPÖ steht da ganz klar aufseiten der Beschäftigten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind mittlerweile Tausende, die ihren Job verloren haben, und das muss man einfach gegeneinanderstellen: Während die einen ihren Job verlieren, um ihre Zukunft bangen müssen, weil Kika/Leiner krachen geht, ist René Benko mit seiner Signa, die das Unternehmen übernommen hat, der große Profiteur. Diese Übernahme ist damals mit dem Versprechen geschehen, Tausende Arbeitsplätze zu retten, unterstützt von ÖVP und FPÖ, die sich für diese Übernahme abge­feiert haben. Aus diesem Versprechen ist leider nichts geworden, übrig geblie­ben ist davon nichts. Dieser René Benko ist jetzt fein raus, der hat mit dieser ganzen Geschichte vermutlich 300 Millionen Euro Gewinn gemacht – und die Beschäf­tigten stehen jetzt auf der Straße.

Der Punkt ist: Wir haben versprochen, dem nicht tatenlos zuzuschauen, und deshalb bringe ich heute auch einen Antrag ein, den Antrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“, denn so etwas darf nicht mehr passieren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Da wurde ein Unternehmen in zwei Teile geteilt: auf der einen Seite die gewinnbringenden Immobilien der Kika/Leiner-Filialen, die ja jetzt verscherbelt wurden – davon ist ja fast alles weg. Auch René Benko hat selbst zugegriffen, wahrscheinlich bei diesen Deals auch gut abgecasht. Diese Seite des Geschäfts wurde gewinnbringend verkauft, und der andere Teil, der operative Teil, der Möbelverkauf mitsamt den Beschäftigten, soll jetzt in die Insolvenz geschickt werden. Die profitablen Teile des Unternehmens hat man also herausgelöst, und um den Rest soll sich die öffentliche Hand kümmern. Das finden wir ganz einfach nicht akzeptabel. Das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu muss man noch sagen, wie viel Steuergeld da an Kika/Leiner geflossen ist. Der größte Gläubiger bei der Kika/Leiner-Insolvenz ist ja die Republik, sind ja bitte wir alle. Alle Steuerzahler und alle Steuerzahlerinnen in Österreich müssen für diesen Unfug jetzt herhalten, weil man einem maroden Unternehmen, von dem jeder gewusst hat, dem geht es gerade schlecht, Millionen an Steuerstun­dun­gen gewährt hat – ganz ohne Sicherungen. Cofag-Gelder sind geflossen, alles ist da geflossen, und jetzt haben wir den Schmarrn.

Deshalb fordern wir fünf Punkte:

Erstens, Frau Ministerin: Steuergeld muss Vorrang haben. Steuerschulden müssen in Zukunft bei einer Insolvenz natürlich als Erstes bezahlt werden. Es dürfen nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler draufzahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens, Frau Ministerin: Wir fordern die Einrichtung einer Behörde für solche Großinsolvenzen. Es braucht da wirklich Ressourcen, es braucht das not­wendige Personal, um solche möglichen, potenziellen Insolvenzverschlep­pun­gen, die auch im Raum stehen, aufzuklären und aufzuarbeiten.

Drittens: Dieses Filetieren von Unternehmen, dass man sich die guten Stücke rausholt und beim Rest dann schaut, wo die Beschäftigten bleiben, muss in Zukunft ganz einfach verboten sein.


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Viertens: Wir wollen die Haftungen bei Unternehmensspaltungen ausweiten. Das heißt, in Zukunft sollen auch die abgespalteten Unternehmen für einen durch die Spaltung entstandenen Schaden haften müssen. – Das brauchen wir.

Und fünftens: Nach dem Vorbild Deutschlands und der USA sollen Ansprüche von Gläubigern in Zukunft in Unternehmensanteile umgewandelt werden. So kann sichergestellt werden, dass die auch ein langfristiges Interesse daran haben, dass das Unternehmen überleben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

*****

Das sind fünf ganz konkrete Punkte. Wir haben den Beschäftigten versprochen, wir bleiben bei diesem Thema dran, dass so etwas nicht mehr passieren kann. Ich bitte Sie heute alle inständig, diesem Vorschlag zuzustimmen.

Für René Benko, einen der reichsten Menschen dieser Welt, wurden ja auch Steuerdeals eingehängt. Da hat man sich ja extra im ÖVP-Finanzministerium bemüht, dass der seine Steuern ja nicht zahlen muss. Setzen Sie sich einmal auch so vehement für die Beschäftigten in Österreich ein, dass so etwas nicht mehr passieren kann! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne: Beschließen wir heute diesen Antrag, stimmen wir ihm gemein­sam zu, damit so ein Skandal nicht mehr stattfinden kann, damit es eine Lex René Benko nicht mehr geben kann! Heute können wir alles, was wir sozusagen rechtlich beschließen können, in die Wege leiten. Politisch müssen wir dann sowieso bei der nächsten Wahl schauen, dass so eine Politik, bei der es nur um die befreundeten Milliardäre geht, die bevorzugt werden, endlich abgewählt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.44

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:


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Antrag

der Abgeordneten Julia Herr, Genossinnen und Genossen

betreffend Dringende Reform des Insolvenzrechts

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2093 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023) (2155 d.B.)

Begründung

Die aktuellen zivilverfahrensrechtlichen Vorschriften eröffnen den zuständigen Behörden sowie den Gerichten zu wenig Möglichkeiten, darauf zu reagieren, dass sich einzelne Spekulanten auf Kosten der Allgemeinheit bereichern. Die Machenschaften von René Benko rund um kika/Leiner zeigen dies eindrücklich. Sie offenbaren wesentliche Lücken im Insolvenzrecht. Benko soll mit dem kika/Leiner-Deal unterm Strich einen satten Gewinn von 300 Mio. Euro eingestrichen haben, während tausende Mitarbeiter:innen ihren Job verloren haben. Die Arbeitnehmer:innen und die Steuerzahler:innen sind bei diesen Deals die Dummen.

Auch bei anderen Konzernen wird vermutet, dass die Sanierung auf Kosten der Allgemeinheit durch Abspaltung von Unternehmensteilen oder Verlustverschiebung zu Tochter-/Schwesterunternehmen sogar systematisch betrieben wird und somit Teil eines Geschäftsmodells ist. So werden aber die Bestimmungen des Insol­venz­rechts, die darauf abzielen, Arbeitsplätze zu sichern und ehrliches Unterneh­mertum zu fördern, missbraucht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den


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Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, die folgende Punkte enthält, bzw. – sofern dies im Rahmen der bestehenden Gesetze möglich ist – die entsprechenden Maßnahmen zu setzen:

1.         Neues Konzerninsolvenzrecht

Bislang herrscht im Insolvenzrecht das ‚Trennungsgebot‘: Jedes Unternehmen wird für sich allein betrachtet, auch wenn es Teil eines Konzerns ist. Dadurch wird es erst ermöglicht, die Schulden bei einem einzigen Unternehmen anzuhäufen, während die anderen Unternehmen des Konzerns fette Gewinne schreiben. In Zukunft sollen Unternehmen desselben Konzerns daher vom Insolvenzgericht gemeinsam betrachtet werden können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es zu Vermögensverschie­bungen zu Lasten der Gläubiger gekommen ist.

Diese Konzernbetrachtung kann auf zwei Arten gelingen: Entweder wird es bei einer Insolvenz ermöglicht, Vermögensverschiebungen zwischen den Konzernunternehmen rückabzuwickeln (vergleichbar mit den bestehenden Anfechtungstatbeständen der Insolvenzordnung), wobei eine Beweiserleichterung eintritt (‚familia suspecta‘ iSd § 32 IO). Oder es werden Vermögen der verschiedenen Konzernunternehmen generell als eine Einheit betrachtet. Für letzteres spricht v.a., dass damit der Verantwortung der Eigentümer am besten entsprochen wird. In diesem Zusammenhang sollen die von UNCITRAL empfohlenen Grundsätze für Konzerninsolvenzen berücksichtigt werden.

2.         Eigentümer:innen in die Verantwortung nehmen

Bei Insolvenzen kommt es bislang zu keinen Änderungen an den Eigentumsver­hältnissen der beteiligten Unternehmen: Die bisherigen Eigentümer bleiben – sofern sie nicht verkaufen – auch weiterhin Eigentümer. In den USA geht man schon seit Jahrzehnten und in Deutschland seit einigen Jahren einen anderen Weg: Um


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funktionierende Unternehmen am Leben zu erhalten, werden die Ansprüche der Gläubiger in Unternehmensanteile umgewandelt (sogenannter Debt-Equity-Swap).

Dies hat den Vorteil, dass einerseits auch die bisherigen Eigentümer zur Sanierung beitragen, aber auch die Gläubiger ein Eigeninteresse am Fortbestehen des Unternehmens entwickeln. Österreich hat bei der Umsetzung der EU-Restrukturie­rungs- und Insolvenz-Richtlinie darauf verzichtet, eine solche Regelung zu erlassen, was nunmehr behoben werden soll.

3.         Vorrangige Befriedigung öffentlicher Abgaben

Bei einer Insolvenz werden gewisse Schulden vorrangig, andere nachrangig bedient. Gerade bei Überschuldung bedeutet dies, dass etwa nachrangige Schulden ein höheres Ausfallsrisiko tragen. Aber gerade dann, wenn der Staat schon eingesprungen ist – etwa durch Kurzarbeitshilfen oder Krisen-Förderungen (Covid-19-Steuerstun­dun­gen oder COFAG-Hilfen) –, ist nicht einzusehen, dass diese Beträge nicht vorrangig befriedigt werden. So werden etwa in den Niederlanden bereits jetzt Steuer­schulden bei einer Insolvenz als erstes bezahlt. In Österreich werden bisher nur Abga­ben von Grundstücken (wie die Grundsteuer) bevorrechtet – das soll auf öffentliche Krisenhilfen ausgeweitet werden.

4.         Stärkung der Kompetenzen bei der Justiz

Die zentrale Rolle im Insolvenzverfahren hat bislang der Insolvenzverwalter. Dies ist meistens eine vom Gericht bestellte Anwaltskanzlei. Diesen fehlen aber immer wieder die notwendigen Ressourcen, da auch die Entschädigung begrenzt ist. In Österreich gibt es keine spezialisierte Behörde, die sich mit Großinsolvenzen befasst und etwa mögliche Insolvenzverschleppung oder Krida-Handlungen mit entsprechenden forensischen Methoden aufarbeiten kann. Die Finanzprokuratur beschränkt sich auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen, wird aber nicht selbst als Insolvenzverwalterin tätig.

Vergleichbar mit der WKStA soll daher eine eigene staatliche Insolvenzbehörde geschaffen werden, die mit dem entsprechenden Know-how und Ressourcen die


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Interessen der Allgemeinheit in großen Insolvenzverfahren vertritt. Außerdem sollten die gerichtlichen Zuständigkeitsregeln überdacht werden, da gewisse Großinsol­ven­zen auch auf Seite der beteiligten Richter:innen besonderes Know how und Kapazitäten erfordern. Bei der Beauftragung von Anwaltskanzleien sollen außerdem Vergabevorschriften zur Anwendung kommen.

5.         Ausweitung der Haftung bei Unternehmensspaltungen

Bereits jetzt haften die Geschäftsführer:innen und Vorstände von Unternehmen gemäß § 3 Abs. 5 SpaltG für den Schaden, der bei Spaltungen eintritt. Das Modell der Teilung von profitablem und defizitären Geschäftsbereichen mit Blick auf eine mögliche Insolvenz wird dadurch aber nicht unterbunden.

Um dies zu ändern, soll die Haftung insofern erweitert werden, als dass auch die abgespaltenen Unternehmen für den durch die Spaltung entstandenen Schaden gegenseitig haften. Das Benko-Modell wird dadurch unattraktiv: Die Trennung von operativem Geschäft und Immobiliengeschäft würde für einen bestimmten Zeitraum der Haftung oder bei Vorliegen gewisser Gründe (wie Missbrauch der Bestimmungen) unattraktiver, da ein Weiterverkauf des Immobiliengeschäfts erschwert wird.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Die Frau Abgeordnete hat einen Antrag eingebracht, den sie im Zuge ihrer Rede in den Grundzügen erläutert hat. Dieser wird verteilt und steht daher mit in Verhandlung.

Nun gelangt Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer zu Wort. – Bitte.


11.45.24

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Ich möchte am Schluss ganz kurz an den Antrag anknüpfen, möchte aber vorher zum digitalen Verfahren in der Justiz zurückkehren.


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Das ist nämlich wirklich etwas, bei dem man sagen kann, da ist die Fortent­wick­lung des Rechts oder vielmehr die Fortentwicklung der Praxis dem gefolgt, was uns eine Krise vorgegeben hat. Das zeigt auch sehr gut, dass man aus Krisen gestärkt, mit neuem Mut und mit neuer Energie hervorgehen kann.

Wir werden Verfahrensregelungen übernehmen, die sicherstellen, dass Ver­fahren effizienter geführt werden können, ohne irgendwelche Einbußen bei den Verfahrensgarantien hinnehmen zu müssen. Ich denke, das ist wirklich wichtig. Das war uns auch von Anfang an wichtig, schon während der Pandemieregelun­gen, aber erst recht jetzt. Jetzt ist es nämlich nicht mehr notwendig und vor­gegeben, dass man Abstand hält, sondern jetzt ist es etwas, wovon das Verfahren profitieren kann, wovon die Justiz profitieren kann und wovon vor allem die Menschen profitieren können, die dadurch einen besseren und niederschwelli­geren Zugang zur Justiz bekommen.

Gerade in den Gerichtsverfahren ist es wichtig, dass auch die Prinzipien der Öffentlichkeit gewahrt werden. Deshalb haben wir sichergestellt, dass ein Verfahren in einem Gerichtssaal stattfinden muss. Es kann nicht sein, dass der Richter zu Hause auf der Blumenwiese sitzt und sich von dort zuschaltet und die Parteien zugeschaltet werden, sondern es muss so sein, dass das Ver­fahren in einem Gerichtssaal stattfindet, sodass auch die Öffentlichkeit teilnehmen kann. Auch in den anderen Verfahren haben wir es so gelöst, dass nur dort, wo tatsächlich ein Mehrwert entsteht, die virtuelle Teilnahme möglich ist, und dort nicht, wo eine Gefahr für den Rechtsschutz besteht.

Kurz noch zu den insolvenzrechtlichen Punkten: Das sind natürlich alles wichtige Punkte, aber ich habe jetzt auf den ersten Blick – man muss sich das natürlich im Detail noch näher anschauen – nichts entdeckt, was nicht nach dem bestehen­den Recht auch schon sehr gut gewährleistet ist.

Erstens einmal finde ich das Misstrauen gegenüber den Masseverwaltern nicht gerechtfertigt, nämlich gar nicht gerechtfertigt. Ich weiß aus eigener Erfah­rung, niemand schätzt Pi mal Daumen irgendwelche Dinge ein. Nein, man


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bedient sich natürlich des Sachverstands von Sachverständigen, und sehr, sehr oft sind Institutionen wie zum Beispiel die WKStA eingeschaltet, weil natürlich schon beim geringsten Verdacht eine Anzeige gemacht wird, wie es auch in diesem Verfahren der Fall ist. Und es ist ja vollkommen klar, dass es Vorgänge gibt, die man gerichtlich aufarbeiten muss und die auch gerichtlich aufgearbeitet werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbstverständlich sind das Vorgänge und Dinge, die in dieser Dimension keines­falls zu akzeptieren sind, und da stimmt alles daran: Ja, es geht zulasten der Steuerzahler, es geht zulasten der Allgemeinheit, und das darf natürlich nicht passieren. Deshalb muss man schauen, dass man das Geld von dort wieder herholt, wohin es unberechtigterweise geflossen ist, keine Frage.

Wie gesagt, auf den ersten Blick kann ich jetzt nichts feststellen, was durch die bestehende Rechtslage nicht gedeckt ist, aber natürlich sind das Dinge, die auch wir uns sehr, sehr genau anschauen wollen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


11.49.12

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich nehme jetzt einmal Stellung zum Tagesordnungspunkt, der wiederum zweigeteilt ist. Da geht es in erster Linie darum, dass Sonderregelungen, die es zur Coronazeit gegeben hat, jetzt ins Dauerrecht übernommen werden sollen. Da ist einmal der erste Teil, der schon von Frau Kollegin Prammer angesprochen wurde: die Möglichkeit, dass Verhandlungen im Zivilprozess künftig virtuell geführt werden können, und da erscheint mir die Regelung, die getroffen wurde, durchaus sinnvoll.


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Uns war wichtig, dass es ein Widerspruchsrecht der Parteien geben muss, und zwar ohne jede Begründung. Das ist hiermit aufgenommen. Die technischen Voraussetzungen müssen vorliegen, und es muss natürlich um Themen gehen, die man bei einer virtuellen Verhandlung auch abhandeln kann. Da stimmen wir also zu.

Beim zweiten Teil dieser Debatte geht es darum, dass auch Generalver­sammlungen oder auch Versammlungen von Vereinen und so weiter künftig virtuell durchgeführt werden können. Da sind wir deutlich kritischer. Auch das ist wiederum aufgeteilt: Es gibt Generalversammlungen von GmbHs, an denen vielleicht zwei, drei Personen teilnehmen und bei denen es in erster Linie um formelle Dinge geht; auch bei Aktiengesellschaften könnte das der Fall sein. Da macht es Sinn, wenn man das virtuell durchführt, wenn die technischen Voraussetzungen vorliegen.

Wo es aber wirklich problematisch ist, ist bei börsennotierten Gesellschaften, wo es regelmäßig sehr viele Aktionäre gibt, einen Streubesitz gibt, Hunderte oder Tausende Aktionäre. Da gab es eben in den letzten Jahren aufgrund der Covid-Bestimmungen die Möglichkeit, das virtuell durchzuführen, und das wurde auch gemacht. Jetzt will man das ins Dauerrecht übernehmen. Ich halte das für falsch. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin der Überzeugung, dass man sagen kann, dass Menschen, wenn es eine wirkliche Krisensituation gibt, nicht zusammenkommen können. Wir sind der Meinung, dass es in der Coronazeit ja sowieso völlig überzogen war. Wenn es aber diese Situation wirklich gibt, dass Menschen nicht körperlich zusam­men­kommen können, dann sollte es als zweitbeste Lösung für eine Krise die Möglichkeit geben, eine virtuelle Versammlung abzuhalten.

Was aber jetzt gemacht wird, bedeutet, dass der Vorstand festlegen kann, dass eine Sitzung virtuell abgeführt wird. Es gibt zwar die Möglichkeit, dass sich 5 Prozent der Aktionäre dagegen aussprechen und verlangen, dass die nächste ordentliche Hauptversammlung wieder vor Ort stattfindet, aber was bedeutet


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das, 5 Prozent der Aktionäre? – Es sind Hunderte Aktionäre, die sich da zusammen­finden müssen. Wie organisieren sich Hunderte Aktionäre einer börsennotierten Gesellschaft? Das ist völlig unrealistisch. Das heißt also, auch dieses Minder­heitenrecht ist in Wahrheit gar kein Recht. Das heißt, der Vorstand kann von sich aus beschließen, es wird virtuell gemacht.

Warum halte ich das für problematisch? – Das Virtuelle bedeutet, dass es keine echte Diskussion geben kann. Die Unmittelbarkeit wird genommen. Es ist aber der Sinn der Hauptversammlung, dass sich der Vorstand und der Auf­sichtsrat einmal im Jahr ihren Aktionären zu stellen haben. Das ist ja der Sinn der Sache, deswegen sind es ja Aktionäre. Die sind an dieser Gesellschaft in kleinem oder großem Ausmaß beteiligt, sie sind letztendlich die Eigentümer der Gesellschaft.

Sich diesen einmal im Jahr zu stellen, das müsste, finde ich, unbedingt der Fall sein, und das sollte man nicht dadurch unterlaufen können, dass man eine virtuelle Versammlung abhält und diese Rechte der Aktionäre stark beschneidet. (Beifall bei der FPÖ.)

Man darf ja auch nicht vergessen: Es gibt auch Aktionäre, die keinen digitalen Zugang haben. Auch das kann der Fall sein, also man diskriminiert unter Umständen auch digital.

Es gab Argumente für diese virtuellen Versammlungen, dass die Internatio­nalisie­rung einkehren würde. – Das stimmt nicht. Wir haben aus den vergangenen Jahren und auch aus Deutschland bereits die Erfahrung, dass sich die institutionellen, internationalen Anleger nicht zuschalten, sondern die haben einen Stimmrechtsvertreter in Österreich. Hunderte Stimmen werden von einem Vertreter gebündelt, der dann bei der Versammlung anwesend ist. Die Institutionellen schalten sich nicht zu.

Es gibt jetzt also sogar deutlich weniger Teilnehmer an den Hauptversamm­lungen, obwohl es ja an sich eh nicht so schwer ist, einmal einzuschalten. Das


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stimmt also nicht. Dann werden solche Argumente gebracht wie, es würde CO2-Ausstoß reduziert werden – in Wien reisen, glaube ich, in Wirklich­keit alle mit der U-Bahn zu einer Hauptversammlung an, die meisten Hauptversammlungen in Österreich finden hier statt, also das ist auch kein echtes Argument – oder man würde den Unternehmen Geld sparen, weil es kein Buffet gibt.

Erstens einmal finde ich es durchaus in Ordnung, dass auch kleine Aktionäre ein­fach einmal an einer Versammlung teilnehmen und sich da vielleicht auch besprechen können. Zweitens: Diese Beträge, um die es da geht, könnte man sehr leicht ganz woanders einsparen, indem man etwa weniger Berichts­pflichten für Unternehmen machen würde. Da würden sich auf einen Schlag zehn Buffets ausgehen, wenn man einen, keine Ahnung, Diversitätsbericht nicht machen müsste oder Ähnliches.

Es sind also meines Erachtens Scheinargumente, und es ist ein falscher Zugang, dass man die Rechte der Aktionäre beschneidet. Ich halte das für einen falschen Weg. Man hat offenbar in der Coronazeit erkannt, dass das bequem ist. Für manche Vorstände und Aufsichtsräte wird angenehmer sein: Ich muss mich dem nicht stellen!, und das will man jetzt ins Dauerrecht überführen. Das ist wie gesagt ein falscher Weg, man sollte die Aktionärsrechte weiterhin aufrechterhalten.

Jetzt noch ein letzter Punkt zum Antrag von Frau Kollegin Herr: Ich habe ihn jetzt gerade erst bekommen. Er ist doch recht komplex. Eine neue Behörde ein­zuführen scheint uns einmal grundsätzlich problematisch. Sonst würden wir uns einmal in Ruhe anschauen, ob es da wirklich diesen Bedarf der Verbes­serung des Insolvenzrechtes gibt, bevor wir zustimmen. Heute werden wir auch hier einmal dagegenstimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Michaela Steinacker. – Bitte.



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11.55.50

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer, wo immer Sie sich gerade befinden! Ich spreche heute zum Tagesord­nung­spunkt 4, zum Bundesgesetz über die Durchführung von virtuellen Gesellschafterversammlungen, und darf da dann auch gleich anschließen und mit Kollegen Stefan von der FPÖ in einen Diskurs treten.

Corona hat uns einiges an Schwierigkeiten gebracht (Abg. Martin Graf: Selbst verursacht! – Abg. Salzmann: Corona haben wir nicht selbst verursacht, Martin!), aber doch auch, und das sehen wir ja alle in allen Bereichen des Lebens, eine Digitalisierungsoffensive, die in vielen, vielen Bereichen sehr viel Wertvolles und einen Schwung nach vorne gebracht hat.

Wir arbeiten effizienter und auch vernetzter mit der Möglichkeit, Videokon­fe­ren­zen durchzuführen. Es ist praktisch, wir haben alle gelernt, dass wir uns Reisetätigkeiten ersparen, wir haben gelernt, dass man oft große Strecken nicht bewältigen muss, und wir haben gelernt, dass auch die Pünktlichkeit einen guten Vorschub bekommen hat, denn üblicherweise starten diese Videokonfe­renzen doch immer sehr pünktlich.

Was ich auch glaube, ist, dass es ganz wichtig und richtig ist, dass wir jetzt Bestim­mungen ins Dauerrecht übernehmen. Wir haben sorgsam abgewogen. Die Bestimmungen sind im Vergleich zum Covid-19-Justiz-Begleitgesetz noch schärfer und noch klarer geworden.

Ich denke, dass all das, was jetzt für die Aktiengesellschaften, Kapitalgesellschaf­ten, Vereine, Versicherungsvereine möglich ist, auch ganz klare Regelungen in den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen – in der Satzung oder im Gesellschafts­vertrag – verlangt. Erst wenn diese Dinge in der Satzung verankert sind, besteht die Möglichkeit, dass Gesellschaftsversammlungen virtuell oder hybrid oder natürlich weiterhin in Präsenz stattfinden können.


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Es wird ganz intensiv auf die Sicherheit von personenbezogenen Daten und ebenso auf die Sicherheit von Daten ganz allgemein Wert gelegt, um diesen Teil der Grundrechte auch entsprechend abzudecken.

Jetzt komme ich zu dem Punkt hinsichtlich börsennotierter Aktiengesellschaften, den Kollege Stefan doch sehr lange diskutiert hat, weil da seiner Meinung nach die Rechte von Kleinaktionären nicht ausreichend gewahrt sind.

Wir sehen das nicht so. Wir haben uns in langen Diskussionen mit Aktio­närsvertretern, Kleinanlegervertretern, Stakeholdergruppen, mit großen und mit kleinen Gruppen unterhalten, und, Kollege Stefan, es sind nicht 5 Prozent der Aktionäre, sondern es sind Aktionäre, die 5 Prozent des Grundkapitals halten; das ist schon ein gewisser Unterschied, also es müssen nicht 5 Prozent der Aktionäre da sein. (Abg. Stefan: Noch schlimmer!) – Ja, man muss nur korrekt sein, wenn man so etwas sagt. (Abg. Stefan: Danke! Es ist dadurch noch schlimmer, noch schwieriger!)

Wenn die sich zusammenschließen, und die sind ja genauso oftmals durch Kleinanlegervertreter vertreten, dann funktioniert das sehr gut und sie können dann eben die Versammlung virtuell oder hybrid verlangen.

Die Kostenersparnis kann man negieren oder verharmlosen oder so hin­stellen, als wäre sie nicht notwendig – ich erachte diese großen Beträge, die allenfalls eingespart werden können, jedoch als wichtig. Sie können dann ins Unternehmen investiert werden, was für unsere Unternehmerinnen und Unter­nehmer und für ihren direkten Unternehmenszweck ausgesprochen wichtig ist.

Ich glaube auch nicht, dass alle Aktionäre Österreichs in Wien beheimatet sind und mit der U-Bahn zu einer Aktionärsversammlung fahren können. Sie kommen aus ganz Österreich. Sie sind international unterwegs. Also von Tirol mit einer U-Bahn nach Wien zu fahren wird wohl nicht so leicht möglich sein.


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Wohl kann man den Zug nehmen, aber trotzdem, auch das hinterlässt einen CO2-Fußabdruck.

Ich finde es positiv. Es sind Regelungen mit Augenmaß gelungen, Frau Bunde­sministerin. Ich denke, state of the art wollen wir alle sein, und wir sind als Gesetzgeber auch dazu berufen. Daher: Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


11.59.53

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich bin froh, dass die Regierungsbank jetzt richtig besetzt ist. Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsicht­bar.“ – Wer kennt es nicht, dieses Zitat aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry? Es wird Sie jetzt vielleicht verwundern, dass ich meine Rede zu einer so staubtrockenen Materie wie jener, um die es bei Tagesordnungspunkt 3 geht – die Änderung der Zivilprozessordnung –, mit einem poetischen Zitat beginne.

Die Erklärung ist ganz einfach: Es geht darum, dass wir die gesetzlichen Voraus­setzungen schaffen sollen, damit Verhandlungen, in denen eben Zivilrechte gegeneinander abgehandelt werden, per Videoübertragung durchgeführt werden können. Das Video überträgt ein Bildsignal, das wir sehen können, und ein akustisches Signal, das wir hören können. Es ist aber so, dass ein Zivilprozess wesentlich darauf aufgebaut ist, die Wahrheit zu finden, und dass ein wesentliches Beweismittel zur Wahrheitsfindung die Parteienvernehmung ist.

Aufgrund meiner Berufserfahrung – ich bin nach wie vor aktiv, es ist nicht lange her, dass ich die letzte Zivilprozessverhandlung gemacht habe – kann ich


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Ihnen versichern, dass es ein wesentlicher Unterschied ist, ob es eine Video­vernehmung ist, wie wir sie während der Pandemie durchgeführt haben, oder eine Vernehmung in Präsenz. Da spürt man ganz anders, ob ein Mensch sich sicher ist, ob eine Person gerade versucht, Ausflüchte zu finden, die Realität anders darzustellen, und das ist ein Prozess, der für die Wahrheits­findung sehr, sehr wichtig ist. Daher will ich nicht in die Hurrastimmung, wie toll und super es jetzt ist, dass wir diese Verhandlungen per Video durchführen können, einstimmen.

Das soll nicht bedeuten, dass wir dem Projekt insgesamt negativ gegenüber­stehen. Es gibt durchaus Verhandlungen – und in diesem Gesetzespaket sind ja noch andere Verfahrensarten vorgesehen –, bei denen es nicht so sehr um die Wahrheitsfindung geht, sondern darum, irgendein Prozedere abzuhandeln, Standpunkte zu klären. Da sind wir gegenüber dem, dass man das in einer Videokonferenz erledigt, durchaus aufgeschlossen. So ganz allgemein aber gibt es eben Unterschiede. Dort, wo der Wahrheitsfindung eine ganz wesentliche Bedeutung zukommt, würden wir uns wünschen, dass die Entscheidung, ob die Verhandlung in digitaler Form oder in Präsenz durchgeführt wird, von der Zustimmung der Parteien abhängig gemacht wird und es nicht so ist, dass eine Partei gegebenenfalls Widerspruch erheben muss.

Es gilt insbesondere für das Eheverfahren – und § 460 im Reformpaket sieht das ja Gott sei Dank vor –, dass die Zustimmung beziehungsweise der Widerspruch nur dann möglich ist, wenn die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Das sollte aber allgemein und für alle Verfahrensarten gelten, weil eine unvertre­tene Partei, die noch nie mit einem Gericht zu tun gehabt hat, einfach beim besten Willen nicht beurteilen kann, was es bedeutet, wenn in der Ladung drin­nen steht: Es ist beabsichtigt, die Verhandlung in Form einer Videokonferenz durchzuführen.

Was bedeutet das? Ist das jetzt wichtig? Wie schaut das aus? – Da braucht es Praxis, da braucht es Erfahrung. Diese kann nur ein rechtsberatender Beruf


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bereitstellen, daher sollte die Regelung auf alle streitigen Zivilprozessverhand­lun­gen und auch auf die außerstreitigen Verhandlungen ausgedehnt werden. Da das im Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist, werden wir diesem Entwurf nicht zustimmen.

Noch in aller Kürze zu Tagesordnungspunkt 4, dem Virtuelle Gesellschafterver­sammlungen-Gesetz: Auch da haben wir Bedenken, ich kann mich den Argumenten von Kollegen Stefan im Wesentlichen anschließen. Wir meinen, dass es Gesellschafterversammlungen gibt, speziell im GmbH-Bereich, bei denen das kein Problem ist, aber bei börsennotierten Aktiengesellschaften sollte nicht die Möglichkeit bestehen, dass – sofern das Gesetz in Kraft tritt – eine kleine Gruppe von Kernaktionären sofort eine Satzungsänderung beschließt und sagt: Nur mehr virtuell! – Da sollte zumindest die hybride Form zwingend vorgesehen werden, sodass es auch Kleinaktionären nach wie vor möglich ist, in Präsenz an einer Hauptversammlung teilzunehmen, dem Vorstand direkt Fragen zu stellen und, und, und. Da kommt wieder die Erfordernis nach unmittelbarer Kommunikation, die wir einfach brauchen, die digital nicht ganz ersetzt werden kann, zum Ausdruck.

Ein allerletzter Punkt noch zum Antrag der SPÖ: Dieser enthält wirklich tolle Dinge, die ich der SPÖ nie zugetraut hätte. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Vor allem die Idee, Gläubigerforderungen in Beteiligungskapital umzuwandeln, ist eine schöne Sache. Es ist aber ein Punkt drinnen, der für uns nicht infrage kommt: dass man wieder in das System, in dem die Forderungen des Fiskus bevorrechtet sind, zurückfällt. Ich denke, das ist etwas zu kurz gegriffen. Die Insolvenzrealität ist die, dass kleine Handwerker oft ihrerseits in Zahlungsprob­leme kommen, weil sie einen großen Forderungsausfall haben. Sie haben für einen Bauträger gearbeitet, der in Konkurs geht, und sie schauen dann durch die Finger.

Die tun sich viel, viel schwerer damit, einen Forderungsausfall wegzustecken, als der Fiskus. Deswegen war es schon vor vielen, vielen Jahren eine gute Ent-


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scheidung des Gesetzgebers, dass die Abgabenforderungen nicht mehr bevorrech­tet sind, sondern gleich behandelt werden wie alle Insolvenzforderungen. Ich denke, die Allgemeinheit kann so einen Forderungsausfall leichter ertragen als ein kleiner Unternehmer, der dann selber in Zahlungsschwierigkeiten kommt. Daher werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.06.28

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir beschließen heute zwei Novellen: zum einen die Zivilverfahrens­novelle und zum anderen das Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz.

Worum geht es? – Mit den neuen Regeln für Zivilverfahren soll es in Zukunft möglich sein, dort, wo es sinnvoll erscheint, wenn es sich um ein geeignetes Gerichtsverfahren handelt, dieses auch rein digital durchzuführen. Ich halte das für wichtig und gut, weil unsere Justiz dadurch bürger:innennäher und auch moderner wird. Der Zugang zum Gericht muss niederschwellig möglich sein. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Steinacker.)

Genau deswegen muss auch die Justiz mit der Zeit gehen und es den Menschen ermöglichen, sich digital zuzuschalten. Ich höre von sehr vielen Richterinnen und Richtern, dass es durchaus sinnvoll ist, wenn Zeuginnen und Zeugen zuge­schaltet werden können. Viele – das darf man nicht unterschätzen – können sich vielleicht manchmal das Zugticket nach Wien oder wo immer die Verhandlung stattfindet, nicht leisten und bleiben dann zu Hause. Wir haben einige Verhandlungen – auch Hauptverhandlungen – erlebt, bei denen vielleicht der oder die Beklagte anwesend war und zwei- oder dreimal kommen musste, bei


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denen aber die Zeuginnen und Zeugen gefehlt haben. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dass wir mit dieser Regelung in der heutigen Zeit auch digitale Verhandlun­gen möglich machen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Steinacker.)

Und ja, natürlich ist eine physische Teilnahme auch weiterhin möglich. Natürlich sieht man mit dem Herzen mehr, Herr Abgeordneter Margreiter, da stimme ich Ihnen vollkommen zu, genau deswegen braucht es ja auch das Einverständnis der Parteien. Das ist ein Schutzmechanismus, der mir besonders wichtig ist. Ich glaube, dass wir mit dem geforderten Einverständnis – dass also der Anwalt beziehungsweise die Anwältin oder eine Partei auch sagen kann: Nein, ich will das nicht! – einen gewissen Schutzmechanismus eingeführt haben.

Und ja, wir haben, glaube ich, einen gut austarierten Weg gefunden, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, aber gleichzeitig die Rechte und Interessen der Betroffenen zu schützen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Kaufmann und Steinacker.)

Nun zum zweiten Teil der Regierungsvorlage, der virtuelle Gesellschaftsver­samm­lungen betrifft: Ich weiß, dass es im Begutachtungsverfahren sehr, sehr viele Stellungnahmen gegeben hat, und ich möchte darauf hinweisen, dass es mit dieser Rechtsgrundlage möglich sein soll, virtuelle und hybride Gesellschaftsver­sammlungen abzuhalten. Die Unternehmen, die das nicht machen wollen, müssen das nicht machen. Umfasst sind Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft, Generalversammlungen einer GmbH oder einer Genossenschaft und auch die Mitgliederversammlungen eines Vereins.

Besonders wichtig war mir dabei sehr wohl auch die Wahrung der Minder­heitenrechte. Und ja, wir haben deswegen explizit vorgesehen, dass bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft eine Aktionärsminderheit von 5 Prozent verlangen kann, dass eben nicht eine virtuelle Hauptversammlung stattfindet, sondern das Ganze in Präsenz oder hybrid durchgeführt werden muss. Wir haben dann noch einen weiteren Schutzmechanismus eingeführt: Es muss auch


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in der Satzung explizit vorgesehen sein, dass eine digitale Durchführung der Hauptversammlung möglich ist.

Um eine Satzung zu ändern – das wissen Sie sehr wohl –, braucht es nicht nur eine kleine Mehrheit, sondern es braucht eine umfassende Mehrheit, und diese Satzungsänderung muss alle fünf Jahre erneuert werden. Das ist auch noch einmal ein zusätzlicher Schutzmechanismus, der, glaube ich, auch wesentlich zu einer Modernisierung unseres Gesellschaftsrechts beitragen kann. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Ich halte diese Verbesserungen bei den Gesellschafterversammlungen für einen sehr wichtigen Beitrag, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu modernisieren und auch vielen Kleinanlegern zu ermöglichen, tatsächlich an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, denn nicht immer fahren alle hin, und manchmal ist es bequem, sich von zu Hause aus irgendwo dazuzuschal­ten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Johanna Jachs zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.11.21

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn dieser Debatte hat sich Abgeordnete Julia Herr besonders ausgezeichnet: Sie hat eindrucksvoll bewiesen, dass sie nur mehr an einen vermeintlichen Klassenkampf denken kann und nicht in der Sache. – Liebe Julia, ich lade dich ein – du bist ja gar kein Mitglied des Justizausschusses –: Wenn du schon zu Justizthemen sprichst, dann komm auch gerne einmal zu uns in den Justizausschuss! Das würde das juristische Denken ein bisschen trainieren, und das wäre nicht schlecht, wenn man über das Insolvenzrecht spricht. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gestern über die Krisenresilienz unseres Staates gesprochen. Die Justiz hat in der Pandemie bewiesen, dass sie sehr resilient und effektiv arbeiten kann. Videoeinvernahmen sind ja auch schon seit gut 20 Jahren möglich, jetzt übernehmen wir sie ins Dauerrecht, nämlich im gesamten Zivilprozess, im streitigen Verfahren und im Außerstreit­verfahren.

Es ist klar, dass es gerade im Außerstreitverfahren Verfahrensarten gibt, die geeigneter für Videoverfahren sind, und solche, die vielleicht ein bisserl ungeeig­neter für Videoverfahren sind. Das sind zum Beispiel Erwachsenen­schutzver­fahren, Obsorgeverfahren, Unterbringungsverfahren, also Ver­fahren, in denen es darum geht, sich einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person zu machen, deren Entscheidungsfähigkeit eventuell eingeschränkt ist. Das berück­sich­tigt diese Novelle.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, worum geht es bei Gerichtsprozessen im Wesent­lichen? – Bei Gerichtsprozessen geht es im Wesentlichen immer darum, Parteienrechte zu wahren, und das steht im Zentrum dieser Novelle. Wir haben es schon gehört: Es gibt die Möglichkeit, dass eine Partei einen Widerspruch gegen die Anordnung einer Videoverhandlung einlegt. Das ist ganz wesentlich, denn dieser Einspruch kann ganz unbegründet erfolgen – und schon findet die Verhandlung wieder in Präsenz statt. Auch für den Fall, dass es technische Probleme gibt, greift die Novelle, weil die ZPO sowieso allgemeine Regeln vorsieht, die jederzeit anzuwenden sind und auch Abhilfe schaffen, sollte es Probleme geben.

Die Richter- und Anwaltschaft waren ganz eng in die Vorbereitung dieser Novelle eingebunden und befürworten diese auch. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sprechen: Ich war während der Pandemie am BG Freistadt und am Landesgericht Linz auf Gerichtspraxis, und da habe ich gesehen, wie gut Videoverfahren in der Pandemiezeit funktioniert haben. Deshalb bin ich auch sehr überzeugt davon, dass die Richterinnen und Richter auch in Zukunft sehr


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angemessen mit diesem Instrument umgehen und auch garantieren wer­den, dass Zivilprozesse auch in Zukunft ordentlich und rechtmäßig abgehalten werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.14


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Petra Oberrauner zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.14.22

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Frau Vorsitzende! Geschätzte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und hier im Raum! Gegen die Möglichkeit virtueller Gesellschaftsver­samm­lungen hat die SPÖ im Grunde genommen nichts einzuwenden. Allerdings ist es Aufgabe des Gesetzgebers, sicherzustellen, dass es da zu keiner Diskri­minierung von Aktionär:innen kommt, die nicht an rein virtuellen Versammlun­gen teilnehmen können oder wollen. Es ist außerdem die Aufgabe des Gesetzgebers, sicherzustellen, dass auch die Interessen von Minderheitsaktio­närinnen und -aktionären angemessen berücksichtigt werden. Beides ist bei diesem vorliegenden Gesetzentwurf nicht der Fall.

Virtuelle Versammlungen sind nicht mit Präsenzversammlungen vergleichbar. Wenn Aktionär:innen mit Aufsichtsrat und Vorstand in einem Raum sind, gibt es andere Möglichkeiten des direkten Gesprächs, des Fragestellens, des Austau­sches mit dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und mit den anderen Aktionär:innen. Es ist auch viel einfacher, die Stimmung im Raum und die Gefühlslage der Gesprächspartner zu erkennen, was in solchen Versammlungen nicht immer unwesentlich ist.

Durch rein virtuelle Versammlungen werden somit wichtige Mittel des Hinter­fragens und der Kontrolle beschränkt, die gerade für Klein- und Kleinstaktionäre wichtig sind, weil sie zumeist auf keine anderen Informationsquellen zurück-


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greifen können – anders natürlich als die Großanleger. Laut dem Interessen­verband der Anleger waren die virtuellen Versammlungen auch deutlich schlechter besucht als die Präsenzversammlungen.

Es ist daher kritisch zu sehen, wenn der Vorstand, der sich auf den Versammlungen gegenüber den Aktionär:innen verantworten muss, die Anzahl und die Zusammensetzung der Teilnehmer:innen beeinflussen kann, und zwar indem er entscheidet, ob die Versammlung digital, hybrid oder in Präsenz stattfindet.

Um die Interessen von Kleinaktionär:innen gegenüber dem Vorstand und dem Hauptaktionär besser schützen zu können, hätte man in dem Gesetzentwurf festlegen sollen, dass Versammlungen, wenn nicht in Präsenz, dann zumindest hybrid stattfinden müssen. Damit könnten die Aktionär:innen selber entscheiden, ob sie an der Versammlung physisch oder virtuell teilnehmen. So aber schränkt der vorliegende Gesetzentwurf unserer Meinung nach die Rechte der Möglichkeiten von Klein- und Kleinstanlegern ein. Wir werden daher nicht zustimmen.

Kollegin Jachs möchte ich sagen: Man muss nicht Jus studiert haben, um sich der Rechte und der Wünsche der Bevölkerung anzunehmen und Verantwortung zu übernehmen. Das kann man auch in keinem Ausschuss lernen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Aber in den Ausschuss kann man gehen!)

12.17


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Martin Engelberg zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.17.04

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Es ist mir eine besondere Freude, einen besonderen Ehrengast hier begrüßen zu dürfen: Herr Massud Mossaheb und seine Tochter Fanak Mani sind heute zu Gast auf der Galerie. (Allgemeiner Beifall.)


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Vielleicht erinnern Sie sich noch: Wir haben vor einem halben Jahr sehr bestimmt für seine Freilassung appelliert. Es war noch dazu gerade an seinem Geburtstag, den er im Gefängnis verbringen musste. Bald darauf hat uns dann die freudige Nachricht erreicht, dass er freigelassen wurde.

Es muss auch noch einmal erwähnt werden, wie verdient sich Herr Mossaheb um die österreichisch-iranischen Beziehungen gemacht hat. Er lebt seit 1964 in Österreich und ist einer der Gründer der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft.

Ich wollte das einfach jetzt hier noch einmal sagen: Herzlich willkommen zurück in Österreich und in der Freiheit! (Allgemeiner Beifall.)

Und auch an die Tochter wirklich großen, großen Dank für Ihren Einsatz für Ihren Vater: Sie haben wirklich Großartiges geleistet. – Danke vielmals! (Allgemeiner Beifall.)

12.18

12.18.26


Präsidentin Doris Bures: Dem können wir uns nur anschließen.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend Zivilverfahrens-Novelle 2023 samt Titel und Eingang in 2155 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz samt Titel und Eingang in 2094 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

12.19.525. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2028 d.B.): Bun­des­gesetz, mit dem zur Umsetzung der Gesellschaftsrechtlichen Mobilitäts-Richtlinie 2019/2121 ein Bundesgesetz über grenzüberschreitende Umgrün­dun­gen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union (EU-Umgründungsgesetz – EU-UmgrG) erlassen wird und das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Übernahmegesetz, das Aktiengesetz, das Umwandlungsgesetz, das Bankwesengesetz sowie das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechtliches Mobilitätsgesetz – GesMobG) (2157 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen jetzt zum 5. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Die Frau Bundesministerin kommt gleich. Sie hat ersucht, vielleicht 1 Minute verspätet zur Debatte kommen zu dürfen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


12.20.28

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verhandeln in diesem Tagesord­nungspunkt das Gesellschaftsrechtliche Mobilitätsgesetz, eine EU-Richtlinie, die bis Jänner 2023 hätte umgesetzt werden sollen und jetzt umgesetzt werden wird – mit Mehrheitsentscheidung von ÖVP und Grünen und möglicherweise auch anderen Parteien, jedoch ohne unsere Zustimmung. Ich möchte Ihnen auch gerne erklären, warum wir diesem Gesetz keine Zustimmung erteilen.

Ohne Frage, internationale Unternehmen, Großkonzerne, die auf mehreren Ebenen agieren, sind per se nicht zu verurteilen. Wir unterstützen das, wir brauchen eine gute, florierende Wirtschaft, und dem ist nichts entgegenzu­hal­ten. Was ich aber hier kritisiere, ist, dass Sie eine Chance, die sich mit diesem Gesetz ergibt, nicht nützen.

Wir wissen, dass in Österreich nicht weniger als über 1 000 Menschen um ihre Existenz bangen. Wir haben gehört, dass das Kika/Leiner-Insolvenzverfahren das größte der letzten zehn Jahre ist. Wir haben auch gesehen, mit welchen Gesell­schaftskonstruktionen 300 Millionen Euro aus einem gut laufenden, florierenden Unternehmen entnommen werden können, eben durch Umgründungen, durch Spaltung, und so den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in Wahrheit entzogen werden und wie Vertriebsgesellschaften dann in Konkurs geschickt werden. Und dieses Gesetz hätte uns die Möglichkeit gegeben, da ein paar Punkte zu setzen. Sie, jene Parteien, die sich an die Fahnen heften, Wirtschaftskompetenz zu haben und so bürgerinnen- und bürgerfreundlich zu sein, könnten hier etwas tun, tun aber nichts – nichts, um diese missbräuchlichen und teilweise auch betrüge­rischen Absichten zu unterbinden!


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Sie könnten hergehen und bei dieser grenzüberschreitenden Umstrukturierung missbräuchlichen und betrügerischen Absichten entgegenstehen, indem Sie verhindern, dass Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte umgangen werden können, weil man mit diesem Gesetz natürlich bei derartigen Gesell­schafts­formänderungen den hier gewachsenen Strukturen, nämlich Arbeitneh­mer:innen in Aufsichtsräten, die Möglichkeiten nehmen kann.

Sie könnten, was diese Unternehmen durch Umgründungen auch machen, nämlich den nationalen Staaten, in diesem Fall Österreich, Sozialver­sicherungszahlungen vorzuenthalten, einen Riegel vorschieben. Das machen Sie aber nicht!

Sie könnten auch steuerliche Aspekte einbauen. Sehr viele dieser Unternehmen haben in der Coronazeit aus dem Vollen geschöpft, Millionen haben sie sich ungeprüft und am Parlament vorbei geholt, öffentliche Gelder mitgenommen –nach Vorgaben einer privatrechtlichen Gesellschaft, die Sie – ÖVP und Grüne – ermöglicht haben! Sie könnten dem mit diesem Gesetz, das Sie heute hier beschließen, einen Riegel vorschieben.

Sie könnten aber auch das, was jetzt bei Kika/Leiner passiert ist, was durch René Benko perfektioniert wurde, verhindern, indem Sie sagen: Aha, es gibt die Verpflichtung zur Veröffentlichung, wenn solche Vorhaben geplant sind.

Dann könnten wir all das, was meine Kollegin Julia Herr im vorhergehenden Diskussionspunkt eingebracht hat, diese fünf Punkte, auch hineinnehmen, unter anderem auch, um Missbrauch von Fördergeldern zu vermeiden. Das alles tun Sie nicht und vergeben hiermit eine Chance. Daher, Frau Ministerin, werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 142

12.24.49

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Bundesministerin! Ich möchte auch diesmal gleich an meine Vorrednerin anknüpfen, denn sie hat hier von sehr vielem gesprochen, was in diesem Gesetz nicht drinnen steht, und auch ich möchte von etwas sprechen, was im Gesetz nicht drinnen steht, und damit wieder an den ersten Punkt anknüpfen und auch an diese Bedenken: Wir haben hier ein Gesetz, das aufgrund einer Richtlinienumsetzung zustande gekommen ist und mit dem wir grenzüberschreitende Umwandlungen und grenzüber­schreitende Verschmelzungen besser strukturiert und auch mit besseren Schutzmechanismen regeln wollen.

Was wir nicht regeln und bewusst nicht regeln wollen, sind grenzüberschrei­tende Spaltungen, denn da stimme ich sehr wohl zu: Da gibt es tatsächlich ein sehr hohes Missbrauchspotenzial. Da besteht wirklich stark die Gefahr, dass man damit Vermögensverschiebungen einerseits zulasten der Staaten, zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, macht, aber auch, dass man große Vermögens­verschiebungen bewirkt, die sich dann auch auf Haftungsdurchgriffe und Ähnliches auswirken. Genau aus diesem Grunde haben wir das nicht mitge­regelt.

Auch da, glaube ich, ist es also eine sehr ausgewogene Umsetzung geworden, mit der wir auch bei diesem sperrigen Thema wirklich wieder auf die Quintessenz dessen zurückkommen können, was wir in allen unseren Projekten versuchen: dass wir das regeln, was sinnvoll ist, was für den Standort gut ist, was die Wirtschaft erleichtert, was aber den größtmöglichen Schutz für die Rechtsunterworfenen und vor allem auch für diejenigen bietet, die dann ganz, ganz unten von den unternehmerischen Entscheidungen betroffen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.26



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 143

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


12.26.58

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Justizministerin! Ja, Umgründung, Steuerrecht, eine heikle Materie, eine hoch komplizierte Materie: Dieser Richtlinie, die wir aus dem 2021er-Jahr übernommen haben, geben wir heute eine eigene gesetzliche Form. Das muss man der ÖVP auch zugutehalten – im Ausschuss –, wir haben nämlich schon ein gutes Gesetz; zur Verschmelzung, Umgründung und zur Spaltung ist in Österreich bereits eine gute Grundlage vorhanden, auf dieser wird das auch fußen und damit sind wir auch international vergleichbar.

Wir haben jetzt diese Umgründung das erste Mal grenzübergreifend festgelegt, damit unionsrechtlich auch eine weitere Vereinheitlichung, und das erfüllt auch Sinn und Zweck, weil es in einer Europäischen Union, wo man unterschied­liche Kapitalformen hat, natürlich auch wichtig ist, dass man da eine ganz klare Regelung findet.

Ich verstehe die Vorrednerin nicht, dass Sie darüber geredet hat, dass sie zwar für Umwandlungen und für Verschmelzungen ein offenes Ohr hat, aber für die Spaltungen nicht. Gerade das sieht dieses Gesetz aber jetzt vor, und daher frage ich mich, warum Sie dann überhaupt diesem Gesetz zustimmen, da genau mit diesem Gesetz Hinaus- und Hereinspaltungen hinkünftig möglich sind. Das heißt, mit diesem Gesetz machen Sie es sogar Großkonzernen noch etwas leichter, zu agieren, weil es eine ganz klare gesetzliche Regelung gibt.

Wenn jemand, so wie in diesem Fall bei Kika/Leiner, um es anzusprechen, wirk­lich eine Spaltung vornimmt, was sicherlich juristisch sauber gemacht ist, wird man heute auch in diesem Haus niemals verhindern können, dass jemand fraudulent agiert, das heißt, quasi in Absicht dieses Instrument schädigend einsetzt. Das wird eine Frage der Staatsanwaltschaft sein und am Ende eine


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Gutachtensfrage, ob die Juristen, die Anwälte, die Notare des Herrn Benko korrekt gearbeitet haben oder nicht.

Weil aber quasi sozusagen aus ideologischer Sicht von den Roten regel­mäßig hier eingebracht wird, dass wir da jetzt quasi den Klassenkampf ausrufen: Das werden Sie nicht mehr verhindern können, weil es heute eine internationale, klare Festlegung im Bereich des Unternehmensrechtes gibt, und das ist auch dieses Gesetz, das wir heute hier beschließen. Am Ende werden Sie sich leider Gottes vor dieser Tatsache wiederfinden.

Sollten Sie unsere exportorientierte Wirtschaft in weiterer Folge verhindern wollen, dann müssen Sie das machen. Dann greifen Sie ein, dann nehmen Sie auch diese Dinge weg, aber seien Sie sich im Klaren: Österreich orientiert sich danach, dass wir davon, dass wir international tätig gewesen sind, die letzten Jahrzehnte profitiert haben, und daher ist das für uns sogar notwendig, weil wir auch viele Firmen im Ausland übernehmen. Das wäre nicht möglich, wenn wir da eine massive Einschränkung machen, wie es die SPÖ von uns verlangt. Man kann nicht am Ende des Tages die Rosinen herauspicken und den restlichen Teil einfach weglassen. Das funktioniert nicht.

Daher ist es auch notwendig, dass wir heute mit diesem Gesetz ganz klare Regelungen für grenzübergreifende Umgründungen, auch mit anderen Fristen, als sie das österreichische Recht innerstaatlich vorsieht, festlegen, dass wir dieses Gesetz betreffend grenzüberschreitende Verschmelzungen, Umwand­lungen und Spaltung beschließen – zum Nutzen unserer Wirtschaft, zum Nutzen unserer Entwicklung in Europa und in Österreich und auch für unseren Export. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 145

12.30.48

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Saal! Liebe Gäste! – Allzu viele sind es heute nicht mehr, aber heute ist ja auch der letzte Tag, bevor die Ferien beginnen.

Ich darf mich auch zur vorliegenden Richtlinie äußern. Wir haben in diesem Gesetzentwurf, der uns jetzt zum Beschluss vorliegt, die EU-Mobilitätsrichtlinie umzusetzen. Wir müssen sie umsetzen. Es geht um die grenzüberschreitenden Umgründungen von Kapitalgesellschaften, das heißt von Aktiengesellschaften und GmbHs. Das gibt uns die EU vor, und wir regeln das. Wir haben zwar in Österreich selbst ein gutes gesetzliches Regelwerk, das eigentlich nicht zu ergän­zen ist, aber in Umsetzung der Richtlinie haben wir jetzt diesen Gesetzent­wurf vorgelegt.

Ziel dieser Richtlinie ist, die Mobilität der Kapitalgesellschaften zu erhöhen. Ja, meine Damen und Herren, die österreichische Wirtschaft ist eine, die natürlich auch ganz stark auf den Export ausgelegt ist. Wir haben sehr starke internationale wirtschaftliche Beziehungen, und von daher ist die Umsetzung dieser Richtlinie für uns nicht nur ein Muss, sondern natürlich auch eine Notwen­digkeit für die wirtschaftliche Tätigkeit unserer Firmen. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Mit der Umsetzung geben wir somit einen Rechtsrahmen für Spaltungen und für Verschmelzungen, sodass alle gesetzlichen Regelungen jetzt in einem Bundesgesetz umfasst sind. Das macht es natürlich auch übersichtlicher und leichter.

Wie schaut das jetzt in der Praxis aus, meine Damen und Herren? – Bisher waren Verschmelzungen zum Beispiel von österreichischen Aktiengesellschaften mit einer deutschen GmbH nicht gesetzlich geregelt, auch nicht solche einer österreichischen GmbH mit einer deutschen GmbH. Das konnte eigentlich nur über die Judikatur, über die Rechtsprechung gemacht werden. Durch diese


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 146

Gesetzesänderung schaffen wir jetzt eine Basis und auch Rechtssicherheit für diese Umgründungen.

Eine wesentliche Maßnahme, die in diesem Gesetz auch vorgesehen ist, ist die Missbrauchskontrolle, die künftig für alle drei Umgründungsarten durch die Behörde des Wegzugsstaates durchgeführt wird. In Österreich, meine Damen und Herren, ist das das Firmenbuch. Durch die Umsetzung dieser Richtlinie können wir missbräuchliche, betrügerische und auch kriminelle Verwendungen grenzüberschreitender Umgründungen verhindern und sorgen so auch für Rechtssicherheit. Das halte ich für sehr wesentlich.

Da sich das österreichische Umgründungsrecht bewährt hat, müssen wir also keine gesetzlichen Ergänzungen vornehmen, sodass wir das Gesetzeswerk so auch zum Beschluss vorlegen können.

Geschätzte Frau Ministerin, ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den meine Vorrednerinnen und Vorredner noch nicht genannt haben, den ich aber auch für sehr wesentlich halte, nämlich: In diesem Gesetzentwurf ist auch vorgesehen, dass wir die Erhöhung der Gerichtsgebühren, die im Zuge der Inflation eigentlich ansteht, jetzt um 18 Monate hinausschieben. Aufgrund der Anpassung an den Verbraucherpreisindex müssten wir eigentlich die Gerichts­gebühren um 18 Prozent erhöhen, meine Damen und Herren. Das wäre eine kräftige Erhöhung. Aufgrund der Teuerungen, mit denen die Bürgerinnen und Bürger ja in vielen Lebensbereichen konfrontiert sind, haben wir im Geset­zespaket vorgesehen, dass wir diese Erhöhung um 18 Monate verschieben, sodass die Erhöhung der Gerichtsgebühren derzeit nicht greift.

Summa summarum ist es eine sehr sinnvolle Umsetzung dieser Richtlinie, die wichtige gesetzliche Regelungen beinhaltet, sodass ich um breite Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bitte. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

12.34



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 147

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Johannes Margreiter zu Wort. – Bitte.


12.35.03

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Ein sehr erfreulicher Tagesordnungspunkt – die Vereinig­ten Staaten von Europa lassen grüßen! Es wird erleichtert, innerhalb des EU-Raums gesellschaftsrechtliche Anteilsverschiebungen, gesellschaftsrechtliche Änderungen vorzunehmen. Das ist durchaus erfreulich. Es ist angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtungen auch höchst an der Zeit, dass diese Pro­zesse zwischenstaatlich erleichtert werden.

Ein kleiner Wermutstropfen ist – es wurde schon angesprochen –, dass die Spaltung zur Aufnahme nicht vorgesehen ist, sondern nur die Spaltung zur Neugründung. Ich bin aber überzeugt, dass das im Zuge der Praxisanwendung des Gesetzes auch kommen wird, wie auch die Frage der Personengesell­schaften, wenn sie sich zwischenstaatlich im EU-Raum verflechten wollen, wenn es da Beteiligungen gibt, noch ein Thema werden wird, das uns beschäftigen wird.

Jetzt ist dieses Gesetz aber einmal sehr zu begrüßen, wie auch der Gerichts­ge­bührenstopp zu begrüßen ist. Daher werden wir diesem Gesetzespaket zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Salzmann.)

12.36

12.36.24


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2157 der Beilagen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 148

Hierzu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Selma Yildirim vor. Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 8 Z 4a in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer ist in dritter Lesung für den Gesetzentwurf? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

12.37.426. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2098 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korruptionsbe­kämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korruptions­strafrechtsänderungsgesetz 2023 – KorrStrÄG 2023) (2158 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 149

12.38.09

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hätte das strengste und schärfste Korruptionsgesetz der Welt sein sollen, wenn ich an die Ansagen von Ministerin Edtstadler denke. Geworden ist es allerdings etwas, worin wir eigentlich mehr Ankündigungen aus der vorhergehenden Diskussion als Taten erkennen können. Dreieinhalb Jahre lang verhandeln Sie auf Ebene ÖVP-Grün über die Korruptionsbekämpfung in diesem Land. Dreieinhalb Jahre lang große Ankündigungen – und geworden ist es an und für sich wiederum eine Mogel­packung, muss ich sagen, Frau Ministerin. Daher können wir dieser Regierungs­vorlage absolut nicht unsere Zustimmung geben. (Abg. Haubner: Ah geh!)

Ich möchte ganz kurz in Erinnerung rufen, dass wir international, seit insbe­sondere die ÖVP in dieser Regierung ist, in den Rankings, wenn es um die Korruptionsbekämpfung geht, auf Platz 22 gelandet sind. (Abg. Scharzenberger: Warum? Weil es ein Wahrnehmungsindex ist!) Wir fallen also zurück, die Korruptionsbekämpfung wird geschwächt. (Abg. Scharzenberger: Ein Wahrneh­mungsindex!) Bei der Pressefreiheit – ganz, ganz wichtig, wenn es um eine liberale Demokratie geht – sind wir auf Platz 31. Mir fallen jetzt die Länder im Süden des afrikanischen oder des südamerikanischen Kontinents, die besser platziert sind, nicht ein. Auch im Demokratieindex sind wir auf Platz 20 zurückgefallen. Das sind jetzt keine Rankings der Opposition, sondern jene von internationalen Organisationen.

Der Rechtsstaatlichkeitsbericht: Die EU-Kommission hat jetzt drei Jahre hintereinander zu Recht kritisiert, dass wir die unabhängige Bundesstaats­anwalt­schaft noch nicht umgesetzt haben, dass wir das Informationsfreiheitsgesetz noch nicht auf den Weg gebracht haben und dass das Ganze hängt. (Zwischenruf des Abg. Schnabel.) All das ist aber wichtig für eine liberale, moderne Demokratie, in der Rechtsstaatlichkeit funktioniert. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 150

Sie haben es verabsäumt, Korruptionslücken zu schließen. Sie haben es verabsäumt, Transparenz zu schaffen, Kontrolle herzustellen. Daher glaube ich einfach, dass Sie mit dieser Sache eigentlich nur eine Augenauswischerei machen und im Grunde genommen all diese Hunderttausenden von Menschen, die das Rechtsstaat- und Antikorruptionsvolksbegehren unterstützt haben, die ehren­amt­lich durch das Land gezogen sind und dafür mobil gemacht haben, enttäuscht haben, weil Sie es nicht geschafft haben, in diesem parteipolitischen Hickhack etwas Gutes für dieses Land zu tun (Beifall bei der SPÖ), weil Sie das Zeitfenster, um Korruption effektiv bekämpfen zu können, versäumt haben. Daher, muss ich sagen, bedauern wir es sehr, dass Sie diese Chance vergeben haben und das Ganze Ihrer gegenseitigen Blockadehaltung zum Opfer haben fallen lassen.

Wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, große Projekte, große Reformen in der Justiz oder auch in der Rechtsstaatlichkeit umzusetzen, dann machen Sie den Weg frei, blockieren Sie nicht länger diese Republik! Machen Sie den Weg frei und lassen Sie die Wählerinnen und Wähler noch einmal entscheiden (Abg. Pfurtscheller – erheitert –: Was heißt noch einmal?), wohin und mit wem sie dieses Land führen wollen und wie die Gesellschaft ausschauen soll! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Jede Wahl steht für sich, nicht noch einmal!)

Daher finde ich das sehr, sehr schade und gebe hier noch einmal bekannt, dass wir dieser Vorlage nicht zustimmen können (Abg. Steinacker: Überhaupt nicht zur Sache! Das bin ich von dir nicht gewohnt!), weil Sie die Lücken bei der Korrup­tionsbekämpfung, die Sie angesprochen haben, nicht schließen konnten und vor allem die Unabhängigkeit nicht gewährleisten können. Die unabhängige, effiziente Korruptionsbekämpfung ist nicht möglich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Dann würde ja die ganze österreichische Staatsanwaltschaft dane­benliegen!)

12.42


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer zu Wort gemeldet. – Bitte.



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12.42.54

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Justizministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Kollegin, ich glaube, Sie haben sich da jetzt in Ihrer Rede ein bissl verrannt. (Die Abgeordneten Haubner und Steinacker: Ja!) Wir diskutieren hier eine weitere Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, die ein Lückenschluss ist.

Das österreichische Korruptionsstrafrecht ist im internationalen Vergleich ziemlich streng. Es ist also überhaupt nicht so, dass es da so viele Probleme gäbe. Die angesprochenen Platzierungen in Rankings liegen nicht an fehlender Gesetz­gebung (Abg. Yildirim: Eine Bundesstaatsanwaltschaft ist keine Gesetzesfrage, oder was?), sondern sie liegen daran, dass es in Österreich halt sehr viele Korruptionsfälle gibt und die Aufklärung und die Aufbereitung im Gange sind – es liegt aber nicht an fehlenden Gesetzen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischen­­rufe der Abgeordneten Schroll und Stefan.)

Ich möchte jetzt gerne zur Sache sprechen: Wir hier im Parlament sind ein sehr privilegierter Kreis von Menschen. Wir sind 183, die das Glück und das Privileg haben, diesen Beruf ausüben zu können. Für viele von uns ist es eine Berufung, einem Job nachzugehen, den viele von uns lieben, der großartig ist: die Republik gestalten zu können. Dieses Privileg, dieser Job geht mit einer sehr, sehr großen Verantwortung einher: einer Verantwortung gegenüber dem Amt, einer Verantwortung gegenüber den Wähler:innen, einer Verantwortung gegenüber dem Vertrauen, das bei Wahlen in uns investiert wird, wenn Menschen bei unseren Parteien – oder sogar bei unseren Namen – ihr Kreuzerl machen, wenn wir Abgeordnete werden.

Wir haben die Verantwortung, nach bestem Wissen und Gewissen für die Menschen, die uns wählen, und für die Menschen in unserem Land zu arbeiten, nach ihren Interessen zu handeln und nicht nach den eigenen. Wir alle legen einen Eid ab: „unverbrüchliche Treue der Republik“ und der Verfassung. – Wer


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dieser Verantwortung nicht nachkommt, wer diesen Eid bricht und sich für Geld kaufen lässt, der hat in Zukunft nicht nur ein Problem mit seinem Gewissen, sondern auch ein weiteres, größeres Problem mit dem Strafrecht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Scharzenberger und Stark.)

Korruption bedeutet so viel wie Zerstörung oder verdorben, und als solches kann und muss man auch ganz klar sagen: Korruption ist Gift, absolutes Gift für die Demokratie. Wir Grüne sind von Beginn an angetreten, um für saubere Politik zu sorgen, und wir haben bereits sehr viele Schritte gesetzt: Die Berichts­pflicht, die hinderlich für Hausdurchsuchungen war, wurde abgeschafft. Wir haben das Parteiengesetz trotz anfänglichen Protests – oder letzten versuchten Widerstands – der Sozialdemokratie beschlossen, das Medientransparenzgesetz, die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Studien aus Ministerien, die Transparenz bei Coronahilfen.

Ja, es sind weitere Schritte ausständig, beispielsweise das Informationsfreiheits­gesetz, zu dem gerade aus der Sozialdemokratie wieder sehr widersprüchliche Aussagen kommen. Vielleicht reden Sie mit dem Kärntner Landeshauptmann noch einmal darüber. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt gehen wir einen weiteren entscheidenden Schritt: Wir machen eine Reform beim Korruptionsstrafrecht. Die Ibizapartei hier vorne weiß, worum es geht: Wir legen ihr das Handwerk. (Abg. Scherak: Eben nicht!) Wir beschließen heute: Der Mandatskauf wird strafbar. Es gelten strengere Regeln für Politiker:in­nen, die für ein Amt kandidieren. Es gibt eine höhere Strafdrohung bei Kor­ruptionsdelikten. Es gibt den Verlust der Wählbarkeit bei Verurteilung wegen Korruption. Es gibt höhere Strafen im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz und eine Verschärfung der Regeln bei der Umgehung über gemeinnützige Vereine. (Beifall bei den Grünen.)

Wir gehen damit auf allen Ebenen gegen Korruption vor, schließen Lücken im Gesetz und setzen damit auch international höchste Standards. Weil auch das Volksbegehren angesprochen wurde: Anerkannte Expert:innen wie


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beispielsweise Martin Kreutner haben diese Änderungen im Korruptionsstrafrecht begrüßt und gelobt, wie auch andere Gesetze für saubere Politik. (Abg. Yildirim: Das glaub’ ich nicht, das ist eine Wunschvorstellung!)

Worum geht es jetzt ganz konkret? – Wir machen Mandatskauf strafbar, also wir verhindern, dass Geldgeber:innen Abgeordnete ins Parlament bringen können, die dort in ihrem Sinn und nicht für die Allgemeinheit arbeiten und damit das Vertrauen missbrauchen. In Zukunft gilt: Wer einen Listenplatz kauft, ist mit Antritt des Mandats sofort strafbar. Eine so strenge Regel gibt es bis jetzt in ganz Europa noch nicht. Österreich übernimmt da eine Vorreiterrolle.

Weiters setzen wir an, bevor Schaden entsteht. Es ist vollkommen klar, dass es strafbar ist, wenn man als Bürgermeister oder als Gemeinderat, als Amtsträger, Leistungen gegen Geld verspricht. Da gab es aber eine Lücke, und in Zukunft ist es so: Wenn beispielsweise jemand für das Bürgermeisteramt kandidiert und in der Gemeinde gegen Geld verspricht: Du, ich widme dir dann diese Blumenwiese in einen Baugrund um!, dann ist diese Person in Zukunft bereits als Kandidat:in strafbar und nicht erst, wenn sie Bürgermeister:in wird. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sorgen für Amtsverlust bei Korruption: Bei einer Verurteilung wegen Korrup­tion können Politiker:innen künftig ihr Amt verlieren. Sie haben ja mit ihrem Fehlverhalten dort auch nichts mehr zu suchen. Und wir verschärfen die Strafen: Bei schwersten Fällen von Korruption drohen künftig bis zu 15 Jahre Gefängnis, und die Geldstrafen für korrupte Unternehmen werden verdreifacht. Korruption darf sich ganz grundsätzlich nicht auszahlen! Das sind wir unseren Wählerinnen und Wählern schuldig. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordne­ten Scharzenberger und Stark.)

Demokratie lebt zentral vom Vertrauen der Wählerinnen und Wähler. Das Vertrauen ist zentral dafür, dass sie überhaupt funktionieren kann, und deswe­gen ist die Verschärfung dieser Regeln, ist saubere Politik das Um und Auf, auf das sich die Menschen in Österreich verlassen können müssen. Mit diesem


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Gesetz setzen wir einen weiteren wichtigen Schritt in diese Richtung. Ich bitte um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeord­neten Scheucher-Pichler und Tanda.)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


12.49.19

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ja, es heißt Korruptionsstrafrecht, aber wenn man sich anschaut, wie dieses Gesetz entstanden ist und wie es argumentiert wird, dann merkt man schon, dass hier Manipulation und nicht so gute Absicht dahin­terstehen.

Es beginnt nämlich damit, dass hier gesagt wird: aufgrund der Erfahrungen des Ibizavideos. Na was ist das Ibizavideo? – Das ist eine gezielte Falle, bei der jemand 7 Stunden lang aufgenommen wurde.

7 Minuten konnte man herausschneiden. Man hat nichts von all dem genommen, was in Wirklichkeit entlastend gewesen wäre: Im Nachhinein wissen wir, wie viele entlastende Sequenzen es in diesem Video gegeben hätte. (Abg. Krainer: Das stimmt überhaupt nicht!) – Das stimmt hundertprozentig. Dann haben Sie es sich nicht angeschaut. (Abg. Krainer: Ich habe das Ibizavideo gesehen, im Gegensatz zu Ihnen! – Abg. Stögmüller: Haben Sie das Video gesehen? – Abg. Krainer: Glauben Sie, dass es 7 Stunden Strache und Gudenus besser macht? Ich hätte mir die 7 Stunden gern erspart! ) Das ist eine reine Falle gewesen. Elf Freisprüche gibt es für Strache mittlerweile – elf Freisprüche! (Abg. Meinl-Reisinger: Weil es nicht strafbar war! Das ändern ...!)

Wir können gerne darüber diskutieren, welche Bedeutung dieses Video hat – einerseits darüber, wie man damit eine Regierung gesprengt hat. Wir können darüber diskutieren, was es bedeutet, wenn man elf Mal freigesprochen wird


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und finanziell ruiniert und vorverurteilt wird, gerade auch wieder aus Ihrem (in Richtung Grüne) Sektor. (Abg. Maurer: Ah, wir reden uns die Korruption gerade wieder schön, oder wie? Eine „bsoffene Gschicht“ war’s nur!) Wir können darüber diskutieren, wie die Strafverfolgungsbehörden vielleicht ins Leere hineinarbeiten und Leute kaputt machen. Darüber können wir gerne diskutieren, dafür ist das Ibizavideo wirklich ein gutes Beispiel. (Beifall bei der FPÖ.)

Strache war aber, wie wir wissen, nach diesem Video noch zwei Jahre im Amt. Ihm wird aus diesen zwei Jahren nichts vorgeworfen – nichts! –, sondern Sie versuchen, im Nachhinein zu rechtfertigen, warum Sie ihn vorverurteilt haben. (Abg. Maurer: Es war alles total okay!? – Abg. Stögmüller: Spesen ...! – Weiterer Ruf bei den Grünen: Der Strache war nicht korrupt, nur sein Hund!) Im Nachhinein wollen wir heute ein Gesetz beschließen, damit die Vorverurteilung jetzt im Nachhinein gerechtfertigt ist. Das ist der Inhalt des heutigen Gesetzes. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Ihr habt ihn doch selber vorverurteilt! Ihr habt ihn ja selber rausgeworfen aus der eigenen Partei!) Dann ist natürlich schon klar, wo es hingeht.

Noch dazu ist dieses Gesetz schlecht formuliert, hat unklare Gesetzesbegriffe: Wie ist das mit dem Wahlkampf? Wann ist es ein Wahlkampf? Wer ist das wirklich, der Verantwortliche einer wahlwerbenden Partei? Was ist der aussichts­reichste Listenplatz, auf dem ich als Kandidat bin? – Das ist völlig unklar, das sind alles Dinge, die unklar sind. Wir machen hier also ein unklares Gesetz, und das Ganze machen Sie nur, um sich im Nachhinein zu rechtfertigen. (Zwi­schenruf der Abg. Tomaselli.)

Wenn wir über Korruption reden wollen – das können wir gerne tun –, können wir ausführlich darüber debattieren, wie öffentliche Gelder (Abg. Stögmüller: Schellenbacher!) in parteinahe Gesellschaften verschoben werden. (Abg. Maurer: Na wie schau ma denn aus? Die 700 000 Euro für ... Kunasek!) Da kann ich Ihnen ein paar Geschichten erzählen. Das wissen Sie alle ganz genau: Das ist alles legal, das funktioniert, aber da wird im großen Stil Geld verschoben (Abg. Stögmüller: Schellenbacher ist das beste Beispiel!), indem man Förderungen macht, die dann


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indirekt wieder in Gesellschaften fließen – in Wien sind es halt SPÖ-nahe Gesell­schaften, woanders sind es vielleicht andere. Na, darüber können wir gerne diskutieren! Das ist echte Korruption, aber das, was Sie hier machen, ist reine Polemik und reine Rechtfertigung ihrer eigenen Unfähigkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Michaela Steinacker. – Bitte.


12.52.28

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Das Korruptionsstrafrecht hat ein Ziel, und das ist eine völlig unpartei­liche und saubere Amtsführung von Amtsträgern.

Derzeit sind alle aktiven Amtsträger, also wir, alle Politikerinnen und Politiker, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in öffentlichen Bereichen oder in staats­nahen Unternehmen, vom Korruptionsstrafrecht umfasst. Sie dürfen, so ist eben die gesetzliche Regelung, für pflichtwidrige – also illegale – Amtsgeschäfte keine Vorteile erhalten. Vorteile sind nicht nur Geld, das sind auch sonstige Begünsti­gun­gen. Sie dürfen sie nicht erhalten, sie dürfen sie nicht fordern und sie dürfen sich nichts versprechen lassen. Ein bisschen kompliziert ist dieses Gesetz, aber es sind eben verschiedene Handlungen, die dann zu Korruption und zur Verur­tei­lung wegen Bestechlichkeit oder Bestechung führen.

Wir wollen, dass diese Standards zukünftig auch dann gelten, wenn jemand sich für ein Amt bewirbt. Da haben wir ganz klare Regelungen geschaffen, was den Zeitpunkt angeht, ab wann das gilt; denn: Es soll nicht sein, dass jemand, der schon weiß, dass er kandidiert und dass er ein Amt erlangen wird, im Hinblick auf das Erlangen dieses Amtes bestochen wird oder besticht – daher diese Aus­dehnung auf den Kandidaten. Das ist ein Punkt, bei dem wir miteinander festgestellt haben, dass es da eben im Hinblick auf dieses zukünftige Erlangen


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eine Lücke gibt. Es geht bei dieser Gesetzwerdung nicht, wie Kollege Stefan soeben gesagt hat, darum, die Vorverurteilung zu rechtfertigen, sondern ganz im Gegenteil darum, etwas Neues aufzusetzen.

Wir wollen auch verhindern, dass Personen von außen auf Parteien einwirken und zum Beispiel durch illegale Zahlungen Vertraute in das Parlament hieven können. Es darf in Österreich nicht möglich sein, dass mit Mandaten Einfluss auf Gesetzgebung gekauft wird. In diesen beiden Punkten wollen wir im Wesent­lichen das Korruptionsstrafrecht nachschärfen.

Ich möchte bei den Diskussionen, die wir geführt haben, ansetzen, denn wir haben es uns nicht leicht gemacht. Ganz im Gegenteil: Wir haben viele, viele Runden gedreht – mit Expertinnen und Experten, nicht nur aus dem Justizminis­te­rium, mit Universitätsprofessoren, mit verschiedenen Personen, die täglich mit diesen Korruptionsstraftatbeständen befasst sind.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Verfassung uns da eindeutige Vorgaben macht. Einerseits geht es um die Verhältnismäßigkeit des Strafrechts: Das Strafrecht ist unsere schärfste Waffe zur Durchsetzung des Rechtsstaates, und es darf nur dort eingesetzt werden, wo keine anderen Maßnahmen mehr greifen. Diese Verhältnismäßigkeit, das war uns besonders wichtig, war einer der wesentlichen Punkte in den Verhandlungen.

Das Zweite ist das Bestimmtheitsgebot des Strafrechts: Es muss aus dem Wort­laut des Gesetzes klar hervorgehen, wann etwas strafbar ist und wann nicht.

Wir haben also bei den Formulierungen besonders auf diese Punkte geachtet und sorgsam abgewogen. Gerade deswegen, weil es, wie ja Kollegen vorhin schon gesagt haben, auch europaweit Neuland ist, war es uns besonders wichtig, jedenfalls eine Evaluierung nach fünf Jahren zu verlangen, die dann hier im Hohen Haus zu berichten ist, die hier diskutiert wird, und dann zu schauen, ob diese Neuerungen, die Vorverlagerung der Strafbarkeit und der neue Tatbestand Mandatskauf, in dieser Form gut und sinnvoll sind.


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Wer ein Kandidat ist, das haben wir sehr genau diskutiert und definiert. Es ist immer wichtig, dass die Kandidatur nach außen erkennbar ist, und als zweites Kriterium war uns die objektive zeitliche Nähe zur tatsächlichen Amts­erlangung ganz wichtig. Es geht also nicht darum, dass jemand in der Sandkiste etwas sagt und dann vielleicht irgendetwas bekommt – das wäre nicht der Sinn der Sache und würde auch den Bestimmtheitsgebot des Strafrechts und der Verfassung nicht entsprechen.

Der Kandidat ist konkret ein Wahlwerber, der sich am Stichtag oder bei Neu­wahlbeschluss dann eben bewirbt. Es sind aber zukünftig auch Personen umfasst, die sich in öffentlichen Unternehmungen, im staatsnahen Bereich bewerben. Da gilt die Bewerbungsfrist als Stichtag. Regierungsfunktionen sollen auch mitumfasst sein, es gilt also auch, wenn ein eine Regierung Bildender jemanden fragt, ob er vielleicht Minister werden will.

Ich glaube, das ist ja ganz klar, und daher ist dann die Regelung getroffen worden, dass Kandidaten, wenn sie Geld oder auch einen Vorteil dafür nehmen, dass sie später ein illegales Amtsgeschäft abwickeln, sofort strafbar sind. Wenn aber ein Kandidat einen Vorteil fordert, verspricht oder sich versprechen lässt oder wenn ihm jemand das anbietet, würde nur dann eine Strafbarkeit eintreten, wenn er auch tatsächlich Amtsträger wird. Wir haben da eben im Sinne der Verhältnismäßigkeit des Strafrechts abgewogen: Ist tatsächlich ein Vorteil erlangt worden, dann soll sofort die Strafbarkeit eintreten, im anderen Fall erst, wenn er tatsächlich Amtsträger wird.

Beim Mandatskauf ist, denke ich, auch eine vernünftige Lösung gelungen: Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit erfordert es, dass die Angelobung des gekauften Mandatars passieren muss, denn nur so ist eine starke Gefährdung unserer demokratischen Institutionen gegeben, die dann durch das Wahlstrafrecht auch entsprechend verhindert wird.

Neben der Verhältnismäßigkeit haben wir noch auf zwei ganz wesentliche Elemente geachtet: unsere demokratische Grundordnung, die unseren


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Bürgerinnen und Bürgern Partizipationsrechte einräumt, und die Autonomie der politischen Parteien. Wir stellen daher mit dieser Vorlage klar, dass Unter­stützung von Wahlkämpfen oder überhaupt von Parteien im Rahmen der Gesetze, wie es etwa durch eine Spende oder Mitarbeit möglich ist, selbstverständlich kein Mandatskauf ist. Auf keinen Fall darf also eine legitime politische Unterstüt­zung aufgrund inhaltlicher Übereinstimmung, wenn man mit der Partei eben inhaltlich übereinstimmt, kriminalisiert werden.

Listenerstellungen und Umreihungen aus rein politischen Gründen sind ebenfalls nicht umfasst. Wenn ein Entgelt oder nur das Entgelt der Grund für eine bestimmte Reihung ist, dann soll es strafbar sein. Wir grenzen da also auch ganz bewusst ab. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Die Stellungnahmen sind in verschiedene Richtungen gegangen: Den einen war es zu scharf, den anderen war es zu wenig weit. Ich denke, es ist eine gute Lösung gefunden worden. Wir haben vernünftig abgewogen, wir haben eine differenzierte, aber wirkungsvolle Regelung geschaffen.

Wenn die SPÖ von „Mogelpackung“ spricht, dann kann ich nur sagen: Es ist keine Mogelpackung. So wie Kollege Stefan vorhin auch gesagt hat: Der Korruptionsindex ist ein Wahrnehmungsindex, da werden eben die Wahrneh­mungen von anderen Ländern abgefragt. Ich glaube, wenn wir ein Korrup­tionsstrafrecht mit den Verschärfungen nicht nur in dem neuen Tatbestand, mit der Ausdehnung auf die Kandidaten und noch dazu mit Strafverschärfungen verabschieden, dann können wir davon ausgehen, dass in der Öffentlichkeit insgesamt und auch in anderen Ländern sehr wohl wahrgenommen wird, dass wir entsprechend gegen Korruption arbeiten.

Meiner Ansicht nach gehen wir einen ambitionierten, aber auch gleichzeitig einen rechtstaatlich einwandfreien Weg. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.00



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 160

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.00.22

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Frau Klubobfrau Maurer hat davon gesprochen, dass Korruption „Gift“ ist. Da stimme ich ihr zu 100 Prozent zu. Die Korruption in Österreich, die Freunderlwirtschaft in Österreich ist ein Gift, das nicht nur grundsätzlich unerträglich ist, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger jedes Jahr unfassbar viel Geld kostet.

Genau deswegen finde ich, dass es ein Armutszeugnis ist, dass Sie hier immer wieder nur mit sehr halbernsten Reformen kommen. Der Herr Bundespräsident hat diesen „Wasserschaden“, den das Haus Österreich hat, angesprochen. Sie nehmen weiße Farbe und pinseln über den Wasserschaden drüber. Wer das schon einmal gemacht hat, der weiß, was passiert: Am nächsten, am übernächs­ten Tag ist der Wasserfleck immer noch da. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim.)

Das ist auch deswegen, wie ich schon gesagt habe, so katastrophal, weil es ja nicht nur atmosphärisch etwas mit einem Land macht, sondern es ist ein volks­wirtschaftlicher Schaden, der entsteht. Wenn Sie sich die Studie von Prof. Schneider von der JKU Linz durchlesen: Er geht davon aus, dass die Kor­ruption, die in Österreich passiert, jährlich knapp 15 Milliarden Euro an Schaden verursacht. Jetzt überlegen Sie sich einmal, was Sie mit 15 Milliarden Euro machen könnten, wie viele sinnvolle Zukunftsinvestitionen Sie machen könnten! Das tun Sie aber nicht.

Deswegen finde ich so wichtig – Kollege Stefan hat es schon angesprochen –, was der Ausgangspunkt dieser gesamten Diskussion hier in Wirklichkeit ist. Was war denn der Auslöser dafür, dass wir über Verschärfungen im Korruptions­strafrecht diskutieren? – Der Auslöser war ein feuchtfröhlicher Abend auf Ibiza, als H.-C. Strache schwadroniert hat: Wenn er einmal in der Regierung ist, wenn


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er einmal Vizekanzler ist, dann wird er so ein bisschen die halbe Republik verhökern. Er hat auch darüber gesprochen, wie man denn am Rechnungshof vorbei über Vereine Parteispenden lukrieren kann.

Deswegen haben Sie als Regierung dann beschlossen: Wir reformieren das Parteiengesetz. Das ist ja grundsätzlich etwas Positives: dass man ein Problem sieht und sagt, wir müssen dieses Problem ändern.

Sie haben nur etwas vergessen: Sie haben vergessen, dass es nach Ihrem Parteiengesetz weiterhin möglich ist, am Rechnungshof vorbei Parteispenden über Vereine zu lukrieren. (Beifall bei den NEOS.) Es ist ja vollkommen absurd, was Sie da gemacht haben. Das, was H.-C. Strache auf Ibiza erzählt hat, ist weiterhin möglich, und Sie haben versucht, uns zu verkaufen, dass Sie die große Reform gemacht haben.

Jetzt könnte man meinen, man wird gescheiter, man versucht, das nächste Gesetzespaket ins Parlament zu bringen und verschärft das Korruptions­strafrecht. Frau Kollegin Maurer hat das sehr inbrünstig hier zu verteidigen versucht, hat gesagt: Jetzt gehen wir dagegen vor, damit das, was auf Ibiza passiert ist, in Zukunft nicht mehr möglich ist!

Das stimmt nur wiederum nicht. Ich kann es Ihnen an ein paar Beispielen zeigen: Das erste ist die Kandidatenbestechung, von der die Rede war. Sie erinnern sich: H.-C. Strache hat Unternehmen Vorteile gegen Parteispenden in Aussicht gestellt, wenn er einmal in der Regierung ist. Jetzt gaukeln Sie uns vor, dass das in Zukunft nicht mehr möglich sein soll. Nur: Es ist weiterhin möglich. (Abg. Steinacker: Ja, aber das Strafrecht verlangt die Bestimmbarkeit!) Es geht nur um den Zeitpunkt, wann man denn den Kandidaten besticht. Wenn man zwei Monate vor einer Wahl einem Kandidaten Geld in die Hand gibt und sagt: Wenn Du einmal Vizekanzler bist, dann hätte ich gerne etwas von dir!, und der das annimmt und es nachher macht, ist das weiterhin komplett legal. (Beifall bei den NEOS.)


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Das ist vollkommen daneben. Sie gaukeln uns vor, dass Sie etwas geändert haben, und es hat sich schlichtweg nichts geändert! Man muss die Kandidatin oder den Kandidaten nur zum richtigen Zeitpunkt bestechen, dann ist weiterhin alles in Ordnung. (Abg. Steinacker: Sag mir eine verfassungsmäßig passende Lösung! Die gibt es nicht!)

Die nächste Absurdität, Frau Kollegin Steinacker, ist der Mandatskauf. Es stimmt, Sie haben den Mandatskauf strafbar gemacht. Das ist grundsätzlich etwas Positives, aber wenn man so viele Ausnahmeregelungen drin lässt, wie Sie das gemacht haben, dann konterkariert das natürlich die Intention des Gesetzes. Es ist nämlich weiterhin möglich, dass man jemandem Ausgleichs­zahlungen dafür zahlt, dass er auf sein Mandat verzichtet. Wer weiß, wie in der österreichischen Innenpolitik, im Nationalrat, mit Mandatsverzichten umgegangen wird, der weiß, dass es natürlich weiterhin möglich ist, dass man sich quasi ein Mandat erkauft, indem man jemandem Geld dafür gibt, dass er auf sein Mandat verzichtet. Das ist dementsprechend natürlich nicht das strengste Korruptionsstrafrecht der Welt, sondern eine Mogelpackung. (Beifall bei den NEOS.)

Gehen wir weiter! Sie haben noch etwas gemacht: Sie haben es verschärft, sodass ein Kandidat in Zukunft dann strafbar sein soll, wenn er ein pflichtwid­ri­ges Amtsgeschäft für die Zukunft verspricht und dafür einen Vorteil fordert. Wenn er ein pflichtgemäßes Amtsgeschäft verspricht, ist das weiterhin nicht strafbar. (Abg. Steinacker: Das geschützte Rechtsgut ist korrekte Amtsführung!) Und das ist deswegen so absurd, weil es in Bezug auf Amtsträger natürlich strafbar ist, wenn wir als bestehende Amtsträger Geld dafür nehmen, dass wir ein pflichtgemäßes Amtsgeschäft versprechen. Nur: Es ist beim Kandidaten nicht strafbar. Diesen Widerspruch können Sie schlichtweg nicht auflösen.

Sie haben da eine Reformchance nicht genutzt. Das ist insbesondere deswegen traurig, weil wir wissen, wie unsere europäischen Partner auf uns schauen, wie die Europäische Kommission jetzt auch im Rechtsstaatlich­keitsbericht auf uns schaut und wiederum daran erinnert, dass wir endlich ein


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Informationsfreiheitsgesetz brauchen, dass wir endlich einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt brauchen.

Wem es in meiner Rede nicht aufgefallen ist, für den kann ich es noch einmal wiederholen: Der Ausgangspunkt dieser gesamten Diskussion über ein verschärftes Korruptionsstrafrecht war ein Video auf Ibiza. Sie erinnern sich auch, dass damals, 2019, nur deswegen überhaupt Neuwahlen gekom­men sind, und Sie erinnern sich vielleicht auch, dass die Grünen damals ein Plakat gehabt haben, auf dem, glaube ich, Joschi Gudenus abgebildet war, und darunter ist gestanden: Wir versprechen saubere Politik!, und der Slogan war: „Wen würde der Anstand wählen?“

Ich möchte mich jetzt ganz gerne an die Menschen wenden, die damals gesagt haben: Ja, ich will anständige Politik! Ich wähle die Grünen! – Nichts von dem, wovon H.-C. Strache auf Ibiza geträumt hat, wird durch dieses Gesetz verboten. Alles, was H.-C. Strache auf Ibiza gesagt hat, ist weiterhin möglich. Überlegen Sie sich, wo Sie beim nächsten Mal Ihr Kreuzerl machen! (Beifall bei den NEOS.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun zu einer Stellungnahme: Frau Bundesminis­terin Dr.in Alma Zadić. – Bitte schön, Frau Minister.


13.06.16

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Aktuelle Umfragen zeigen, dass zwei Drittel der Menschen meinen, Österreich sei korrupt, sogar sehr korrupt. Ja, das ist erschreckend, denn es zeigt, dass wir als Gesellschaft dringenden Handlungsbedarf haben und dass wir auch als Politik gemeinsam gegen Korruption vorgehen müssen.

Ich denke, wir alle hier sind uns einig, dass wir Korruption bekämpfen wollen. Wir müssen da zwei Schritte zurückgehen. Lassen Sie uns einmal kurz zusammenfassen: Was ist denn Korruption? – Korruption bedeutet, dass sich


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Geld und Macht auf eine missbräuchliche Weise verbinden und so den Beteilig­ten Vorteile verschaffen, die den Beteiligten gar nicht zustehen.

Damit beschädigt die Korruption dauerhaft das Vertrauen in unsere Demokratie und ist, wie vorhin auch schon gesagt wurde, „Gift“ für unsere Demokratie und für unsere Gesellschaft; denn Korruption bricht zwei Grundversprechen unserer Demokratie: Das ist, dass jeder und jede zu gleichen Teilen an der Demo­kratie mitwirken kann, weil wir uns gemeinsam Regeln geben, wie wir zusammenleben wollen. Das zweite Grundversprechen der Demokratie ist, dass diese Regeln, die wir uns gemeinsam geben, für alle gleich gelten. Bei Korruption ist das aber nicht der Fall. Die Regeln gelten dann nicht für alle gleich, weil Macht und Geld sich missbräuchlich zusammenfügen und diese Regeln für manche Menschen weniger gelten als für andere.

Und ja, so wenden sich immer mehr Menschen von der Politik ab. Sie wenden sich auch von unserer Demokratie ab. Genau das gefährdet unser Zusam­menleben, unsere Demokratie. Deswegen möchte ich an die Worte des Bundes­präsidenten anschließen, wenn er sagt: Wir brauchen eine „Generalsanierung“ gegen Korruption.

Für diese Generalsanierung braucht es drei Sachen: Es braucht Prävention durch Transparenz – ich erinnere an das Parteiengesetz –, es braucht Prävention durch raschere und effizientere Ermittlungsverfahren – ich erinnere daran, dass wir in den letzten drei Jahren sehr viele Ressourcen in die Justiz hineingesteckt haben, damit es nicht zu einem „stillen Tod“ der Justiz kommt, wie das mein Amtsvorgänger prognostiziert hat –, und zum Dritten brauchen wir strengere Korruptionsgesetze, damit Korruption, wenn sie passiert, auch effektiv verfolgt werden kann. (Beifall bei den Grünen.)

Mit der heutigen Regierungsvorlage leiste ich als Justizministerin und leisten wir als Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zu dieser Generalsanierung.


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Ich möchte kurz die Regierungsvorlage skizzieren: Der Mandatskauf wird straf­bar. Wir haben leider gesehen, dass es hin und wieder Versuche bestimmter Gruppen oder Personen gab, sich ungerechtfertigt Einfluss auf unsere Demo­kratie, auf die Gesetzgebung zu erschleichen, indem sie Mandate kaufen. Dem schieben wir jetzt einen Riegel vor. Damit verhindern wir, dass sich in Österreich Externe unter Ausschaltung der innerparteilichen Demokratie gewählte Akteur:in­nen kaufen. (Beifall bei den Grünen.)

Und ja, wir führen auch strengere Regeln für Politiker und Politikerinnen ein, die für ein Amt kandidieren, aber nicht nur für jene, die für ein Amt kandidieren, auch für all jene, die sich um ein Amt bewerben; damit sind also nicht nur Politi­ker und Politikerinnen, sondern auch Beamtinnen und Beamte umfasst. Niemand, der sich um ein Amt bewirbt, sollte bestechlich sein, niemand, der kandidiert, soll bestechlich sein. Genau deswegen weiten wir den Straftat­bestand der Bestechlichkeit und die Bestechung auch auf Kandidaten aus. Ich halte das für einen Meilenstein. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Krisper.)

Und ja, bei einer Verurteilung wegen Korruption kommt es dann automatisch zu einem Amtsverlust, und das halte ich für richtig. In Zukunft reicht schon eine rechtskräftige Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Mona­ten, um sein Amt zu verlieren. Damit verschärfen wir das deutlich im Vergleich zu den bisher geltenden Regelungen.

Weiters führen wir strenge Regeln für Vereine ein. Wir haben immer wieder gesehen, dass das Wohlwollen von Politikern erkauft werden möchte, indem man bestimmten gemeinnützigen Vereinen Geld spendet. Das war bis jetzt nur strafbar, wenn der Politiker oder die Politikerin selbst Einfluss oder maßgeblichen Einfluss auf diesen Verein hatte. Und ja, wir verhindern jetzt Umgehungs­konstruktionen, indem auch nahe Verwandte wie zum Beispiel die Ehefrau oder der Ehemann solch einen Verein nicht führen darf, weil wir verhindern wollen, dass diese Bestimmungen allzu leicht umgangen werden können und so Wohl­wol­len weiterhin erkauft werden kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 166

Wir verschärfen auch die Strafen für Korruptionsdelikte, der Strafrahmen wird erhöht. Bei Bestechung und Bestechlichkeit beträgt die Höchststrafe künftig zum Beispiel bis zu 15 Jahre. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte noch auf eine Regelung aufmerksam machen, die seit Jahrzehnten von uns gefordert wurde. Es ist nämlich eine langjährige OECD-Forderung, dass wir auch für Unternehmen die Strafen deutlich verschärfen müssen, damit sie abschreckend wirken. Wenn man sich die Erhöhung des Strafrahmens und die entsprechende Erhöhung im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz anschaut, dann vervierfachen sich die Strafen. Ich halte das für eine entscheidende Maß­nahme im Bereich der Wirtschaftskorruption. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich an dieser Stelle beim Koalitionspartner, bei den Beamtinnen und Beamten meines Hauses und auch noch einmal explizit bei der Zivil­gesellschaft, bei der Wissenschaft, aber auch bei den Personen aus der Praxis, bedanken. Diese haben sich in verschiedenen Phasen der Gesetzeswerdung intensiv eingebracht. Danke für diesen gemeinsamen Einsatz, um die Korruption besser zu bekämpfen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.13.50

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Warum ist denn Korruption so schlimm? Man könnte sagen, wir haben doch im Moment recht viele andere Probleme: alles wird teurer, wir haben einen Krieg, die Energiekosten steigen und wir wissen zurzeit nicht, wie wir die Leute unterstützen können, damit sie sich das Leben noch leisten können. Warum also reden wir über Korruption? – Gerade deshalb, denn wenn die falschen Menschen zur falschen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 167

Zeit am falschen Ort sitzen und dort aus den falschen Motiven heraus politische Entscheidungen treffen, dann passiert genau das: Dann fließen Mittel in die falschen Kanäle, dann entgeht dem Staat sehr viel Geld und damit sehr, sehr viel an Möglichkeiten, um die Menschen zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist der Grund, warum wir Korruption an der Wurzel bearbeiten müssen, warum wir sie bekämpfen, effektiv bekämpfen müssen. Wir können sie uns schlicht und einfach nicht leisten. Es darf nicht sein, dass Menschen, die von irgendjemandem durch Packelei, aufgrund von Freunderlwirtschaft, durch Geldzahlungen auf irgendwelche Stellen befördert worden sind, Entscheidungen treffen, die zwar Relevanz für die Gesamtheit, für den gesamten Staat, für jeden Einzelnen von uns haben, die jedoch nicht uns allen, nicht dem Staat und nicht der Bevölkerung verantwortlich sind, sondern allein denjenigen, auf deren Rechnung sie in den jeweiligen Positionen sitzen. Das dürfen wir nicht zulassen! (Beifall bei den Grünen.)

Korruptionsbekämpfung ist auch deshalb so wichtig, weil es, wie wir auch heute wieder gesehen und gehört haben, in bestimmten Parteien offenbar immer noch kein Bewusstsein dafür gibt, dass da etwas so massiv schiefgelaufen ist, wie es nur schieflaufen kann. Herr Kollege Stefan etwa sagt: Ja, Herr Strache war dann aber noch zwei Jahre im Amt, nachdem er diese Dinge auf Ibiza gesagt hat! – Ja, weil das eben zwei Jahre lang keiner gewusst hat, deshalb ist er zwei Jahre lang in einem Amt gesessen, in das er nicht mehr gehört hätte. (Abg. Stefan: Und hat er in diesen zwei Jahren irgendetwas getan, was er da gesagt hat?) – Ja, es ist im Übrigen auch kein Geld geflossen.

Das Problem ist, dass es da absolut kein Unrechtsbewusstsein gibt. Schauen wir doch nach Graz, schauen wir uns die Angelegenheit in Graz an: Dort hat diese Partei diejenigen, die versucht haben, Korruption in den eigenen Reihen aufzudecken, abserviert! So funktioniert Korruptionsbekämpfung Marke FPÖ! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das ist der Grund, warum es uns so wichtig war, die vorliegenden Gesetzesän­derungen auf den Weg zu bringen. Nur wenn Korruption wirksam bekämpft


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 168

wird, kann unser Staat, kann Demokratie funktionieren und sich dann auch gegen solche Machenschaften zur Wehr setzen. (Beifall bei den Grünen.)

Eines der größten Probleme ist ja, dass die Menschen, die davon betroffen sind und die darunter leiden, oft gar nicht wissen, was von wem und aus welchen Gründen über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Bleiben wir bei dem Bild: Niemand im Ort hat eine Idee davon, warum statt der Blumenwiese plötzlich das Einkaufszentrum dasteht. Das weiß niemand! Denn niemand sieht, wo Gelder geflossen sind; alles passiert im Geheimen. Es wird gepackelt, es wird gemau­schelt und es wandern die Geldkoffer hin und her. Das ist das größte Problem in einem Staat, und das ist auch der Grund für unsere Initiative. Natürlich ist es ein Vertrauensindex, aber man kann einem Staat nicht vertrauen, der nicht wirksam gegen Korruption vorgeht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es gibt viele Schrauben, an denen noch gedreht werden muss, aber diese Änderung jetzt ist wirklich wegweisend und bringt uns dem Ziel saubere Politik einen riesengroßen Schritt näher, denn eines steht fest: Österreich kann sich Korruption nicht leisten! (Beifall bei den Grünen.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr. Harald Troch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.18.26

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Korruption ist Gift, das haben wir gehört; ich kann dem nur beipflichten. Zunächst einmal zur Frage, warum es jetzt zu einer Änderung des Korruptions­straf­rechts kommt: Natürlich hat das mit dem Ibizavideo zu tun, diesem unglaub­lichen Schock, den Österreich erlebt hat, als man sah, wie da über Rechtsstaat, Kauf und Käuflichkeit der Politik gesprochen wurde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 169

Die Medienberichterstattung darüber, der Untersuchungsausschuss ÖVP-Korruption im Parlament haben die öffentliche Meinung beeinflusst. Eine wesentliche Säule, das muss man sagen, ist auch die unabhängige Justiz, die es möglich gemacht hat, dass Korruption in Österreich beinhart verfolgt wird.

In einem Punkt, Frau Justizministerin, darf ich schon gratulieren: Mandatskauf wird strafbar. Er wird strafbar, das ist okay, aber, und das durchzieht den vorliegenden Gesetzentwurf, der Mandatskauf an und für sich ist eben nicht strafbar, sondern nur zu bestimmten Zeiten.

Ich darf einen einfachen Vergleich bringen, den wohl jeder versteht: Man geht in einen Supermarkt, stiehlt eine Tafel Schokolade und begeht so einen Diebstahl. Sobald man den Supermarkt verlässt, also an der Kassa vorbeigeht, ist es ein Straftatbestand.

Nach der Logik dieses neuen Korruptionsstrafrechts, nach der Logik dieses Gesetzes, stehle ich die Tafel Schokolade, und erst, wenn ich sie zu Hause esse, tritt die Strafbarkeit ein: Erst wenn ich es umsetze, wenn ich die Schokolade konsumiere, werde ich strafbar. Das heißt, es ist einfach eine Beruhigungs­tab­lette, die da serviert wird. (Abg. Steinacker: Du musst halt prüfen, was der Schutzzweck der Norm ist! Das solltest du als Jurist wissen!) Es ist kein effizientes Vorgehen gegen den Mandatskauf. (Beifall bei der SPÖ.) Und dass beim Mandatsverzicht Abschlagszahlungen möglich sind, ist ja auch eine Form des Mandatskaufs, die nun eigentlich dezidiert legalisiert wird. – Das kann es ja wohl nicht sein.

Insgesamt muss ich sagen – es ist ja auch hier schon gesagt worden –, brauchen wir mehr Politiker und Politikerinnen mit Berufung, die es gerne machen und nicht ein Mandat kaufen. Es gibt aber auch eine Beihilfe zur Kriminalität. Beihilfe zur Kriminalität ist, wenn man die Personalsituation so gestaltet, dass Krimina­lität nicht ausreichend verfolgt und bekämpft werden kann. Man macht es damit den Tätern leichter.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 170

Das heißt, wir brauchen eine unabhängige Justiz. Die SPÖ fordert seit vielen Jahren einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt, der frei von politischen Ein­flüssen, frei von parteipolitischen Interessen im Sinn einer unabhängigen Justiz agieren kann. (Beifall bei der SPÖ.) Daher sagt die SPÖ Nein zu diesem Placebo, und wir werden natürlich dagegenstimmen. (Abg. Steinacker: Natürlich! Das Gesetz nicht ...!) Es genügt nicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Schwere Kritik an der Justizministerin war das jetzt!)

13.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Christian Stocker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.22.28

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Vorweg: Es ist mir eine Freude, Herrn Vizebür­ger­meister aus Bad Goisern Hansjörg Peer mit Begleitung begrüßen zu dürfen. – Herzlich Willkommen im Hohen Haus! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Zum aktuellen wie auch zum vorigen Tagesordnungspunkt finde ich Ihre Argu­men­tation, sehr geehrte Frau Yildirim, bemerkenswert und auch erstaunlich, da Sie ja auch Juristin sind. Sie haben hier ausgeführt, dass Sie dem Vorigen nicht zustim­men, weil Ihrer Meinung nach eine missbräuchliche Anwendung einer Geset­zesbestimmung dazu führt, dass man die Gesetzesbestimmung ablehnt. Das führt wiederum – wenn man es konsequent weiterdenkt – dazu, dass man gar keine mehr hat, weil wir wissen, dass jede Bestimmung auch missbräuchlich verwendet werden kann.

Sie meinen zu diesem Tagesordnungspunkt, dass die Unabhängigkeit der Justiz nicht gewährleistet sei und wollen das ins StGB schreiben. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie mir erklären, wie das geht. (Abg. Yildirim: Sinnerfassend zuhören!) – Ich habe Ihnen genau zugehört. (Abg. Yildirim: Sinnerfassend zuhören!) Ich finde es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 171

auch erstaunlich, dass Kritik an der Justiz so geäußert wird, weil in der Vergan­genheit die Unabhängigkeit der Justiz von Ihnen ja auch immer so vor sich hergetragen wurde. In dieser Gesetzesmaterie hat sie aber wahrscheinlich nichts verloren. (Abg. Yildirim: Das entscheiden Sie?! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu Ihrem Ansatz, die Indizes herzunehmen, um ein Korruptionsthema aufzuladen und in anderen Zusammenhängen darzustellen: Wir wissen beide, dass es ein Wahrnehmungsbericht ist, und dass gerade das, was wir hier machen, nämlich über Verhinderung von Korruption zu reden, dazu führt, dass die Wahrnehmung verbessert wird und wir auch im Index entsprechend beurteilt werden. (Abg. Yildirim: Was? Politische Handlungen verhindern Korruptionsbekämpfung! – Abg. Meinl-Reisinger: Also nur die Berichterstattung ist das Problem, nicht die Korruption! Nehmen wir das zur Kenntnis!)

Das wird in der Folge hoffentlich weniger werden. Wenn man aber meint, dass das Strafrecht dazu geeignet ist, um Straftaten grundsätzlich zu verhindern, muss ich Ihnen sagen, dass das auch nicht gelingen wird, weil ein präventiver Charak­ter natürlich in jedem Strafrecht enthalten ist. Wenn es so leicht wäre, dass man durch Verschärfung und eine drohende höhere Strafe strafbares Verhalten verhindert, dann würde in allen Ländern, wo es die Todesstrafe gibt, auch keine Kriminalität herrschen – und wir wissen, dass das ganz und gar nicht der Fall ist. (Abg. Yildirim: Da haben Sie jetzt echt ...!)

Strafrecht heißt, dass Verhalten verpönt wird. Das passiert mit diesem Gesetz­entwurf, weil mehr Verhaltensweisen verpönt werden. In diesem Sinne ist es eine Verschärfung des Strafrechts in Korruptionsbestimmungen und natürlich auch ein Lückenschluss und eine Erfüllung des Regierungsprogramms, in dem sich dieses Vorhaben auch niederschlägt.

Ich sage aber auch ganz offen, dass die Rechtsanwendung eine Herausforderung darstellt und die Auslegung der Gesetzesbegriffe, die hier enthalten sind, noch mit einigem Interesse zu betrachten sein wird. Beim Begriff des Kandidaten ist


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 172

definiert: „sofern die Erlangung [...] nicht gänzlich unwahrscheinlich ist“. – Damit haben wir zweimal eine Unbestimmtheit, nämlich gänzlich und unwahrscheinlich, und das wird unter anderem die Rechtsanwendung vor Herausforderungen stellen.

Ich sage auch ganz offen: Ich bin schon dafür, dass wir den Strafrahmen ausdeh­nen, wenn wir das Verhalten verpönen wollen. Ein Strafrahmen von einem Jahr bis 15 Jahren ist aber mit Ausnahme des Jugendstrafrechts – so wie ich es im Kopf habe – eine Systemwidrigkeit, weil wir von einem Jahr bis 10 Jahren oder von fünf bis 15 Jahren reden.

Es soll aber so sein, damit man sieht: Wir tragen der Intention der Korruptions­bekämpfung Rechnung. In diesem Sinne ist es selbstverständlich auch eine Verschärfung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.26

13.26.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2158 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenom­men.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 173

13.27.127. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (2088 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert werden (2159 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.27.37

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Stichwort Cybercrime: Es klingt ein bisschen sperrig, es ist etwas, womit man vielleicht nicht gleich von Anfang an etwas verbindet. Jeder denkt an irgendwelche Hacker in dunklen Räumen, die sich in Computersysteme hacken und dort veranlassen, dass Überweisungen getätigt oder Anlagen stillgelegt werden. – Ja, das ist es auch, aber es ist noch viel mehr. Es geht auch darum, dass Informationen, die man erlangt, missbräuchlich genutzt werden. Es geht darum, dass Systeme missbräuchlich verwendet werden. Es geht unter anderem aber auch um das, was man klassisch Industriespionage nennt.

Es geht in diesem Gesetzespaket darum, dass sehr viele Bestimmungen verschärft werden, die Verbrechen im digitalen Raum sanktionieren. Es geht darum, dass wir Sanktionen in einem Maße verschärfen, dass die Strafdrohungen bei der Begehung von digitalen Verbrechen jenen angeglichen sind, die bei der angreif­baren, fassbaren Begehung in der echten Welt drohen.

Wir erhöhen die Strafen nicht, weil man ein Zeichen setzen will, sondern weil dadurch vor allem auch eine effektive Strafverfolgung ermöglicht wird. Das ist ein sehr wesentlicher Anknüpfungspunkt, denn die Strafhöhen sind in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 174

unserem System ein Gradmesser dafür, als wie schlimm ein Verbrechen, ein Vergehen von der Gesellschaft eingeschätzt wird und wie hoch der Eingriff in die Grundrechte ist, der bei Ermittlungsmaßnahmen getätigt werden kann. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

All diese Maßnahmen, die wir setzen, werden sehr wohl dazu führen, dass viele, viele Verbrechen besser aufgeklärt werden, schneller aufgeklärt werden und dass ein großer Schaden von wirtschaftlichen Systemen, aber auch von der Gesell­schaft insgesamt und vor allem auch vom Staat selbst abgewendet werden kann. Deshalb bitte ich um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.30.26

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Digitalisierung in unserer Gesellschaft schreitet enorm voran. Wir erleben das im Privatleben genauso wie in der Wirt­schaft, im Berufsleben, auch im öffentlichen, im staatlichen Bereich. Die Coronapandemie, die das in vielen Bereichen auch notwendig gemacht hat, hat sich als ein Turbo der Digitalisierung erwiesen. Das ist in sehr vielen Bereichen eine positive Entwicklung, aber überall dort, wo Licht ist, ist auch Schatten, und gerade im Bereich der Digitalisierung haben wir in den letzten Jahren, vor allem in den Jahren der Coronapandemie, einen enormen Anstieg an Cybercrimedelikten in Österreich miterleben müssen.

Ich habe vor ein paar Tagen E-Mails mit offiziell wirkenden Dokumenten von Europol oder dem Landeskriminalamt Salzburg bekommen. Sehr viele Leute erkennen nicht, dass es sich bei derartigen, öffentlich wirkenden Schreiben, bei Anwaltsschreiben, bei Schreiben von Banken, in denen man aufgefordert wird, Bankdaten, Codes, Kennwörter und dergleichen bekannt zu geben, um Betrugsmaschen handelt, und das kann für viele Menschen letztlich teuer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 175

werden. Das kann zu einem persönlichen Schaden führen, und wenn es im öffentlichen, im wirtschaftlichen Bereich ist, kann das enorme Dimensionen annehmen.

Die Cybercrimeberichte des Bundeskriminalamts der letzten Jahre zeigen auf, wie enorm die Cybercrimedelikte wirklich zugenommen haben. Schauen wir uns das an: 2016 waren das 13 103 Cybercrimedelikte und 2021 hat es insgesamt ungefähr 46 000 solcher Delikte gegeben. Das zeigt den enormen Handlungsbe­darf, den wir in diesem Bereich haben.

Als SPÖ haben wir diese Entwicklung seit einigen Jahren auch sehr kritisch gesehen und fordern entsprechende Maßnahmen ein, die leider bislang von der Bundesregierung nicht beachtet wurden und nicht mit aufgenommen worden sind.

Der vorliegende Gesetzesvorschlag ist jetzt eine Reaktion auf diese wirklich sehr bedrohliche Entwicklung. Wir werden dieser Gesetzesvorlage zustimmen, weil auch wir glauben, dass eine Ausdehnung der Strafrahmen bei den Cybercrimede­lik­ten eine abschreckende Wirkung haben und entsprechend zu einer Eindäm­mung führen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden zustimmen, ich habe es schon gesagt, ich habe im Ausschuss aber auch darauf hingewiesen, Frau Ministerin, dass eine alleinige Ausweitung des Strafrahmens in diesem Bereich nicht ausreichen wird. Wir brauchen da ganz viele zusätzliche Maßnahmen, um diese negative Entwicklung entsprechend einbremsen und eindämmen zu können. Wir fordern vor allem viel mehr Ressourcen im Bereich der Aufklärung, viel mehr Ressourcen im Bereich der Prävention – Sie haben ja auch schon erste Schritte dazu angekündigt. Ich glaube, da müs­sen wir zukünftig explizit mehr Maßnahmen setzen, damit wir dieser Kriminalität einen Riegel vorschieben können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Harald Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 176

13.33.45

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Fall stimmen wir dem Antrag zu und finden es richtig, dass im Zusammenhang mit der Cyberkriminalität eine Maßnahme gesetzt wird. Es ist richtig: Das ist ein Deliktsfeld, das immer stärker wird, das weitet sich aus. Daher ist es wichtig, dass man das Problem erkannt hat und dem auch größere Aufmerksamkeit widmet.

Es werden Strafrahmen erhöht. Das führt dann auch dazu, dass es eine andere Zuständigkeit gibt – von den Bezirksgerichten zu Landesgerichten – und dadurch auch eine Bündelung sowie auch eine bessere Verfolgung der Straftaten an sich möglich ist. Auch die Veränderung, dass man im unlauteren Wettbewerb von einem Privatanklage- zu einem Ermächtigungsdelikt geht, erweitert die Möglich­kei­ten der Verfolgung. Insgesamt ist das wie gesagt also ein richtiger Ansatz, ein wichtiges Thema.

Wir lösen damit natürlich das Problem an sich nicht, das Problem des Absaugens der Daten, das ja noch in ganz anderem Umfang passiert. Immerhin aber wird hier im Zusammenhang mit dem sehr gefährlichen Ausspähen von Geschäftsge­heimnissen oder auch Manipulieren von Computersystemen und so weiter ein Schritt gesetzt, der richtig ist. Daher stimmen wir wie gesagt zu. (Beifall bei der FPÖ.)

13.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Klaus Fürlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.35.23

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Das österreichische Strafrecht beinhaltet ja eine ganze Reihe von Regelungen, die Computersysteme von Privaten wie von Unternehmen, die Daten der Menschen innerhalb dieser Systeme, aber auch das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 177

Telekommunikationsgeheimnis schützen. Diese Bestimmungen sind in einem Teil des Strafgesetzbuches enthalten, der sich im Wesentlichen mit Cybercrime beschäftigt.

Nicht nur der widerrechtliche Zugriff auf das Computersystem, gemeinhin als Hacking bezeichnet, ist strafbar – nein, es ist auch die Verletzung des Tele­kommunikationsgeheimnisses, es ist das missbräuchliche Abfangen von Daten sowie der Missbrauch von Computerprogrammen und deren Zugangsdaten. Dadurch entstehen im Wesentlichen auch immer wieder Schäden, es werden ja Systeme oder Daten vernichtet, darum haben wir auch einen guten Teil dieses Sonderparagrafen im System der Sachbeschädigung implementiert: § 126c Strafgesetzbuch.

Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb enthält ebenfalls Straf­bestimmungen – Strafbestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheim­­nissen, die jemandem zum Beispiel als Dienstnehmer anvertraut worden sind und die dieser missbräuchlich weitergibt oder zum eigenen Vorteil, Vorteil eines Dritten nutzt. Erinnern wir uns an den klassischen Fall des Außenhandelsver­treters, der den Laptop und alle Kundendaten mitgenommen hat, die er dann für den nächsten Arbeitgeber abgearbeitet hat! Das war klassischer unlauterer Wettbe­werb, nur das Mitnehmen des Laptops und der Daten ist schon ein bisschen old style, mittlerweile holt man sich diese Daten auf andere Art und Weise.

Wir haben für all das höhere Strafdrohungen gemacht. Ich schließe mich sämt­lichen Vorrednern an, die über die Höhe der Strafdrohungen philosophiert haben. Ob diese denn tatsächlich wirken, ist der andere Teil, aber wir haben als Gesetzgeber ein höheres Unwerturteil abgegeben, wir haben gesagt, okay, wir wollen das noch mehr hervorheben, weil wir natürlich in diesem Bereich mit vielen und auch sehr neuartigen technischen Angriffen auf unsere Computersys­teme konfrontiert sind.

Was vielleicht wenig spektakulär klingt: Wir haben eine Änderung der Delikte im Unlauteren-Wettbewerbs-Gesetz vorgenommen. Vielleicht ganz kurz: Das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 178

Strafrecht kennt eigentlich drei Arten der Delikte. Es sind Ermächtigungsdelikte, das sind jene, bei denen man der Strafbehörde sagt, sie dürfe im jeweiligen Namen ermitteln und verfolgen; Offizialdelikte, das ist der größte Teil der Delikte – dort, wo die Strafbehörde von einer Straftat Kenntnis erlangt, muss sie aus Eigenem tätig werden –; und dann gibt es noch eine kleine Art von Delikten, die Privatanklagedelikte, da muss man selber Strafantrag stellen.

Genau dieses Selber-Strafantrag-Stellen nach dem Selber-Ermitteln war ein wesentlicher Teil dieser UWG-Delikte, das heißt, ein Unternehmer, der geschä­digt worden ist, musste auf eigene Kosten mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln nachweisen, dass ihm dieser Schaden entstanden ist, und die Ermitt­lungen selber führen. Jetzt wird es im UWG zum Ermächtigungsdelikt, das bedeutet, wir entlasten in diesem Fall auch die Geschädigten, die Opfer von solchen Straftaten. Sie müssen nicht mehr selber ermitteln, sondern es ermittelt der Staat für sie.

Zusammenfassend kann man daher sagen, dass wir einerseits mit der Erhöhung der Strafdrohung eine klare Erklärung abgeben, dass wir als Gesetzgeber auf die Verletzung des Datengeheimnisses, die Verletzung der Datensysteme ein erhöhtes Augenmerk legen, zum anderen helfen wir jenen, die durch unlauteren Wettbewerb geschädigt sind, bei der Aufarbeitung und Ermittlung. Ich ersuche Sie daher um Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Haubner: Bravo! Hervorragend!)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Schmidhofer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.39.26

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und alle, die diese heutige Plenarsitzung mitverfolgen! Ja, wir haben es schon von den Vorrednern gehört: Die Zahlen von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 179

Cybercrimedelikten steigen sehr stark: 2016 gab es 13 000 Fälle und 2021 bereits 46 000 Delikte – Frau Kollegin Schatz hat das ausgeführt. Das ist beinahe eine Vervierfachung. Deshalb – dafür bin ich sehr dankbar – sind wir im Ausschuss einstimmig unterwegs, dem entgegenzuwirken.

Ich darf dazu auch ausführen, dass die Aufklärung der Nutzerinnen und Nutzer in diesem Bereich besonders wichtig ist. Ich war erst kürzlich am Bezirksposten der Polizei bei uns in Murau und habe mich sehr darüber gefreut, als eine junge Polizistin erzählt hat, dass sie in die Schulen geht und dort auch über dieses Thema gesprochen wird – das ist in Absprache mit den Ministerien so vorgesehen –, ich bin aber auch glücklich, dass zum Beispiel der Seniorenbund eine Reihe von Veranstaltungen macht, um die ältere Generation zu informieren. Ich darf für die Wirtschaftskammer feststellen, dass die Firmen Möglichkeiten haben, über den Wirtschaftsbund, über die Wirtschaftskammer diesbezüglich Vorsorge zu treffen und natürlich Informationen einzuholen.

Privacy4Kids habe ich schon in meiner Rede bei einem Tagesordnungspunkt vorhin erwähnt, mit dem wir in den Schulen den Jugendlichen, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, mit Lernbeispielen, mit Videos diesbezüg­lich sozusagen vorzusorgen. Das kann auch jeder von uns tun: zu animieren, sich da zu erkundigen.

Angesichts der Tatsache, dass der Strafrahmen nun erhöht wird und künftig zwei Jahre Freiheitsstrafe drohen, wenn ein Computer gehackt wird, und fünf Jahre bei krimineller Vereinigung, kann man nur sagen: Diese Regierung arbeitet das Regierungsprogramm ab – auf Seite 27 haben wir uns das vorgenommen. Das ist wieder ein Punkt dieser Bundesregierung aus Grünen und ÖVP, die die Punkte Thema für Thema abarbeitet und sehr, sehr erfolgreich arbeitet, sodass vom Regierungsprogramm bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr viel übrig­bleiben wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.42

13.42.05



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 180

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2088 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.

13.42.418. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3474/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert wird (2160 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3401/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begleitende Maßnahmen für die aus dem Maßnahmenvollzug zu Entlassenden (2161 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 181

Zu Wort gelangt Mag.a Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.43.31

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle betreffend Änderung im Maßnahmenvollzug betrifft insbesondere den Bereich der Jugend­kriminalität. Das ist ein doch sehr sensibler Bereich, sowohl in der Gesell­schaft als auch in der Politik, in dem wir hier besonders gefordert sind.

Eines ist glaube ich immer auch voranzustellen: Kein Kind, kein Mensch kommt kriminell auf die Welt. Viele junge Leute müssen das ausbaden, was ihre Um­gebung an Vernachlässigung zu verantworten hat.

Ich habe mir jüngst die Zahlen betreffend Jugendkriminalität angesehen. In Deutschland stagnieren die Zahlen. Es ist dort auch kein klarer Trend absehbar, aber interessant ist, dass sich die Zahlen in manchen Bundesländern zwischen 2012 und 2022 mehr als halbiert haben. Es gibt eben regional sehr starke Unterschiede.

In Österreich ist es so, dass seit Längerem eher eine leicht steigende Tendenz zu beobachten ist. Das betrifft vor allem die klassische Straßenkriminalität, es gibt aber auch insgesamt mehr Tatbestände, als es sie früher gegeben hat. Dazu zählen zum Beispiel das Cybermobbing, Drohungen und auch Betrug im Internet.

Bei der Jugendkriminalität hat natürlich die Prävention eine sehr große Bedeu­tung, und da müssen die Behörden auch übergreifend, gemeinsam agieren. Das geschieht sehr oft, dass Jugendamt, Jugendzentren, Schulen wie auch Sozialar­beiter zusammenarbeiten und auch in die Schulen gehen.

Eine unterschiedliche Entwicklung ist in den letzten Jahren auf Bundesebene feststellbar, zum Beispiel bei der Jugendgerichtsbarkeit. Ich erinnere daran, dass vor 20 Jahren unter Schwarz-Blau der Jugendgerichtshof aufgelöst wurde; das ist damals in Fachkreisen sehr stark kritisiert worden. Nun ist es das


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Ziel der Bundesregierung, bei der Unterbringung von Jugendlichen nachzubes­sern. Konkret handelt es sich bei dieser Novelle, die mit dem Maßnahmen­vollzugsanpassungsgesetz im September 2023 in Kraft tritt, um Folgendes: Beispielsweise sollen künftig bei längeren Unterbringungen – also bei solchen von über zehn Jahren – verpflichtende Fallkonferenzen stattfinden, um den Untergebrachten bei einer bedingten Entlassung den bestmöglichen Start zu ermöglichen. Solche Fallkonferenzen sollen zumindest alle drei Jahre stattfinden.

Die Nachbesserungen mögen natürlich in Ordnung sein, was aus unserer Sicht aber außer Acht gelassen wird, ist das zentralere Problem, nämlich was mit den straffälligen Jugendlichen in Österreich nach deren Entlassung passiert. Das fragen sich auch Fachleute, und ich möchte da Frau Strafrechtsprofessorin Katharina Beclin zitieren, die Folgendes sagt: „Ich sehe da große Probleme auf uns zukommen [...]. Personen, die bisher in einem geschlossenen System waren, wo ihnen komplett alles abgenommen wurde, werden von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt“. – Es sei nicht gewährleistet, dass die bei Einweisung Gefährlichen und bei der Entlassung womöglich nicht Geheilten ihre Medikamente nehmen.

Ich darf daraus politisch folgern, dass es unter Schwarz-Blau mit Verschlech­terungen beim Einsperren von Jugendlichen angefangen hat, und Schwarz-Grün führt das heute bei der Entlassung von jungen Menschen fort, das geht nahtlos weiter. (Abg. Kugler: Haben Sie die Vorlage gelesen?) – Ja! (Abg. Steinacker: Wirklich?)

Einige Kritikpunkte im Entschließungsantrag, die wir haben, wurden auch von unserem Kollegen Dr. Margreiter berücksichtigt. Dem werden wir unsere Zustimmung geben; die Novelle lehnen wir ab. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.48



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Agnes Sirkka Prammer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.48.12

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Kollegin Becher, es wäre schon wichtig, dass man, wenn man hier spricht, auch zur Sache spricht, denn am Anfang gab es zuerst einmal 2 Minuten lang einen Vortrag über Jugendkrimina­lität, über die wir hier gar nicht reden (Abg. Kugler: Ja, genau!), und dann haben Sie vollkommen ignoriert, was eigentlich im Antrag drinnen steht. (Abg. Michael Hammer: Die neue Linie: einfach faktenbefreit!) Das verstehe ich nicht, denn ich hatte eigentlich den Eindruck, dass Ihnen das Thema wichtig ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wovon reden wir denn hier? – Es geht darum, dass der Maßnahmenvollzug für psychisch kranke Menschen gedacht ist. Es kommen Menschen, die psychisch krank sind und die eine Straftat begehen, in den Maßnahmenvollzug, und für uns war es von Anfang an wichtig, dass der Maßnahmenvollzug keine Endstation ist, dass Maßnahmenvollzug nicht bedeutet, Menschen lebenslänglich irgendwo wegzusperren, nur weil die Gesellschaft nicht mit ihnen umgehen kann. Das ist es nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

Was es aber sehr wohl ist, ist, dass Menschen, die eine Gefahr für die Gesell­schaft darstellen, dort untergebracht werden und dass sie dort auch eine Behandlung bekommen, dass es aber sein könnte, dass sie trotz Behandlung – jetzt sind wir beim eigentlichen Punkt – teilweise ihre Gefährlichkeit nicht verlieren. Dieser Gefahr sind wir uns bewusst und diesem Umstand trägt diese Änderung Rechnung.

Was wir machen, ist, dass wir beide Prinzipien vereinen, nämlich einerseits dürfen wir nicht zulassen, dass Menschen, die psychisch krank sind, lebensläng­lich irgendwo eingesperrt bleiben, insbesondere dann nicht, wenn sie diese Taten in einem Alter begehen, in dem sie noch Jugendliche sind, wenn sie ihr


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ganzes Leben noch vor sich haben. Andererseits dürfen wir aber auch nicht zulassen – und wir werden dann von Herrn Kollegen Lausch, bin ich ganz sicher, in allen wunderschönen Farbschattierungen hören, was da alles passieren könnte –, dass Menschen rauskommen, die weiterhin eine Gefahr für die Gesellschaft sind.

Deshalb haben wir da eine sehr ausgewogene Regelung getroffen. Für diejeni­gen, die bei der Tatbegehung jugendlich waren und jetzt schon in der Maßnahme sind, werden wir hier jetzt beschließen, dass sie dann einen Weg in die Freiheit finden können, wenn sie die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung erfüllen. Das ist wichtig, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, denn die bedingte Entlassung bedeutet zwei Dinge: einerseits, dass sie dafür auch geeignet sein müssen, das heißt, dass sie dafür von der Einschätzung ihrer Gefährlichkeit, aber auch von der Einschätzung ihres Gesundheits- und ihres Genesungszustandes her in der Lage sind, andererseits aber auch, dass sie einer weitergehenden Kontrolle unterliegen, nämlich der Bedingung – darum heißt es bedingte Entlas­sung –, dass sie sich an gewisse Auflagen halten. Wenn sie das nicht können oder nicht tun, dann kommen sie wieder in die Maßnahme zurück – und es gibt eine sehr engmaschige und sehr dichte Überwachung dieser Auflagen.

Deshalb ist das eine sehr gute Lösung, um die Menschen, die jetzt eigentlich nicht mehr in den Maßnahmenvollzug gehören würden, da aber drinnen sind – und das ist wirklich ein wesentlicher Punkt – und dort quasi verlernt haben, wie es ist, in Freiheit zu sein, wie es ist, für sich selbst verantwortlich zu sein, wie es ist, einem alltäglichen Leben zu folgen, das nicht von Zusperren und Aufsperren abhängig ist, sondern vielleicht von einem Spaziergang auf der Blumenwiese, von einem Gang zum Arzt, auch von normalen Interaktionen zwischen Menschen geprägt ist – die haben das verlernt, das ist richtig –, um die Menschen durch diese Auflagen langsam wieder an das Leben draußen ranzuführen.

Der zweite Punkt ist – und das ist fast noch der wesentlichere Punkt –: Die Menschen, die diese Höchstdauer erreichen, Jugendliche, sollen nicht ohne


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irgendeinen Anhaltspunkt, wie lange der Maßnahmenvollzug dauern wird, unbestimmte Zeit da drinnen sein, sondern sie sollen immer Ziele haben, auf die es sich hinzuarbeiten lohnt. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es muss immer ein Ziel geben, wofür es sich zu arbeiten lohnt. Wenn ich weiß, ich habe einen gewissen Zeitraum, und wenn ich hart an mir arbeite oder wenn ich das mache, was mir an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung gestellt wird, dann habe ich die Chance, auch wieder nach draußen zu kommen.

Das wird jetzt nach einem an und für sich schon sehr aus den Justizanstalten heraus gewachsenen System gemacht, es werden nämlich Fallkonferenzen eingesetzt. An diesen Fallkonferenzen sind alle Expertinnen und Experten beteiligt, die sich zuvor schon mit den Jugendlichen oder dann auch schon Erwachsenen während des Vollzugs beschäftigt haben, und auch diejenigen, die dann draußen in der Freiheit mit ihnen zu tun haben werden. Das sind Angehörige, das sind aber auch Einrichtungen, Wohneinrichtungen, und das ist auch die Psychiatrie in den Anstalten. All diese Menschen, die sich hier einen informierten und einen auf Erfahrung und auf Evidenz basierten Eindruck machen können, beraten dann gemeinsam, wie der Plan für diese Menschen weitergeht.

Ich denke, wir haben hier einen wirklich guten Weg gefunden, um beiden Umständen Rechnung zu tragen: einerseits dem Sicherheitsgedanken, anderer­seits aber auch den Rechten der Betroffenen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.54.00

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Ja, ich muss da jetzt ein bissl Licht in die Sache hineinbringen (Abg. Kugler: Ich bin sehr gespannt!), denn man glaubt ja, wir reden hier von


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Jugendlichen. Also man muss schon richtigstellen: Die wurden als Jugendliche vor circa 15 Jahren als gefährlich, als geistig abnorme Rechtsbrecher eingestuft, wurden damals in die Maßnahme gesetzt, verbüßen jetzt 15, 16, 18 Jahre in dieser Maßnahme. Kein Einziger, der, wie es geplant war, am 1.9. rauskommt – das, was ja jetzt nicht passiert, es ist ja verschoben worden –, ist da jugendlich. Der war einmal jugendlich. Jetzt sind das Männer im mittleren Alter – sagen wir einmal so, weil man das jetzt eben so vermanscht.

Ich habe mit Bundesrat Spanring von unserer Fraktion am 4. April 2023 die Justizanstalt Göllersdorf und anschließend jene in Asten besucht. Es war erschreckend, was uns dort die Anstaltsleitungen mitteilten: dass sie in die Erstellung dieses mit Regierungsparteienmehrheit verabschiedeten Gesetzes – die Oppositionsparteien waren ja durchwegs dagegen – in keiner Phase der Gesetzesfindung eingebunden waren.

Wenn man immer sagt, man bindet die Experten ein: Die wahren Experten, liebe Damen und Herren, sind die, die mit geistig Abnormen täglich arbeiten, täglich mit ihnen die Zeit verbringen müssen; die wissen es am genauesten. Man hat sich vom Bundesministerium nicht die Mühe gemacht, diese Menschen nach Wien einzuladen, mit den Anstaltsleitungen das Thema durchzusprechen. Sie wussten auch am 4. April noch nicht, wie sie vorgehen sollen. Und 4. April bis 1.9. – so war es dazumal – ist ja ein sehr knappes Zeitfenster, was natürlich bedrohlich wirkt, auch auf die dortigen Leitungen, denn die haben natürlich bewusst gesagt: In der Vergangenheit, wenn es solche Entlassungen gegeben hat, sind am Ende des Tages immer die Anstalten oder die dort mit den geistig Abnormen Arbeitenden die Schuldigen gewesen, sind übrig geblieben. Und das kann es nicht sein.

Frau Bundesministerin, Sie haben noch nicht einmal die Hausaufgaben im Maß­nahmenvollzug, im forensischen Zentrum erfüllt. Wir haben den Zubau der Justizanstalt Göllersdorf oder des Forensischen Zentrums Göllersdorf, wenn Sie wollen, budgetiert. Dort ist noch nicht einmal der Spatenstich erfolgt. Man


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weiß, die Maßnahmen für die geistig Abnormen werden immer mehr, werden nicht weniger, weil natürlich auch schwerlich Entlassungen erfolgen.

Uns ist aber auch Folgendes wichtig: Es gibt auch einen Umbau, neue Abteilun­gen in Asten, die sind fertig. Die waren am 4. April vollkommen fertig, aber in Geisterhand, nicht besetzt. – Frau Bundesministerin, warum schütteln Sie so den Kopf? Ich war ja dort und habe gesehen, diese Abteilungen waren nicht besetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sagt, man findet kein Personal: Gerade das Justizministerium hat das Glück oder Unglück, wie wir es immer bezeichnen, eine Justizbetreu­ungs­agentur zu haben, wo man eh schon Personalgelder aus dem Sachaufwand verwendet. Und was macht die Justizbetreuungsagentur? Findet die niemanden? Das Landeskrankenhaus Mauer ist 37 Kilometer, 26 Minuten von Asten entfernt. Bitte, das kann es ja nicht sein, dass man Abteilungen fixfertigstellt, aber sie nicht besetzen kann und dann noch eine Außenstelle von Göllersdorf in der Justizanstalt Josefstadt unterbringt! Da ist ja die Unterbringung schon ein Chaos.

Dieser Gesetzentwurf als Ganzes, da müsste man fast sagen, wenn wir ehrlich sind: Zurück an den Start! Man muss es neu überarbeiten. Auch dieser Gesetzentwurf ist ein Chaos und gefährdet die österreichische Bevölkerung. Es ist wichtig, dass man Ziele im Maßnahmenvollzug hat – ja, dem kann ich etwas abgewinnen, natürlich –, aber noch wichtiger ist uns Freiheitlichen der Schutz der österreichischen Bevölkerung, der Frauen und Kinder. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann sagen, ich habe miterleben dürfen, dass sehr viele, deren Entlassung am 1.9. angestanden ist, sehr wohl Triebtäter, Vergewaltiger, Kinderschänder und, und, und, und sind. Man darf nicht vergessen, die sind hospitalisiert. Die führen sich dort einwandfrei. Man kann in die Menschen nicht hineinschauen. Das sind Fallkonferenzen, da werden Papierakten von den Experten, die das besprechen, angeschaut – das ist zu wenig!


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Wissen Sie, was mir wichtig ist, Kollegin Prammer? – Mir ist wichtig, wie sich derjenige dann in Freiheit verhält: Geht er in den nächsten Park, versucht er, Frauen zu vergewaltigen? Das ist wichtig! Das ist Schutz der Bevölkerung! Das ist Vorbereitung! Und das kann nie und nimmer ein Papierakt einer Fallkonferenz erfüllen. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist ein Irrglaube. Da hat man sich wie gesagt mit der Praxis nicht beschäftigt. (Abg. Prammer: Das ist ein Mehr zu jetzt!)

Ein bissl überrascht bin ich schon von den NEOS und von den Sozialdemokraten, die ja die letzten Jahre immer gefragt haben: Was ist mit dem fixfertigen Maßnahmenvollzugsänderungsgesetz? Wann kommt das endlich? Wann wird das endlich umgesetzt? – Man wusste ja, es wurde von Bundesminister außer Dienst Dr. Wolfgang Brandstetter vorbereitet, er war ja der große Erfinder dieses Gesetzes. Man hat es in der Lade gehabt. Damals konnte es den Sozialde­mokraten und den NEOS nicht schnell genug gehen, das endlich umzusetzen.

Bitte, die Frau Bundesminister hat diesen Gesetzentwurf herausgenommen, überarbeitet, hat ihn jetzt dem Parlament vorgelegt – und nun herrscht plötzlich Aufregung, der Gesetzentwurf sei zu gefährlich. Ja, er ist gefährlich! Davor habe ich ja immer gewarnt. Dieser Gesetzentwurf ist aber immer schon so in der Lade gelegen, als es den NEOS und den Sozialdemokraten nicht schnell genug gehen konnte. Die ÖVP spielt jetzt natürlich seit 13 Jahren Justizminister. Vorbe­rei­tet wurde dieses Gesetz betreffend Änderungen im Maßnahmenvollzug in den Jahren 2014–2015 – seit 2016 liegt es fix fertig in der Lade – von ÖVP-Ministern, und zwar schlecht vorbereitet, wie wir sagen. Es ist gefährlich für die Bevölkerung.

Ich sage Ihnen aber eines: Sie haben es jetzt umgesetzt, Frau Bundesminister. Sie werden sehen – man kennt die ÖVP –: Sollte etwas sein, dann wird die ÖVP nichts mehr damit zu tun haben. Sollte es zu irgendeinem tragischen Vorfall kommen – ich hoffe es ja nicht –, dann wird die ÖVP nicht mehr sagen: Wir haben das 2016 durch unsere Minister vorbereitet! – Sie werden sich von Ihnen verabschieden und sagen: Zadić war es, wir haben damit nichts zu tun! – Das kennen wir ja schon. Die ÖVP sitzt da aber mit im Boot. Sie hat den schlechten


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Gesetzentwurf natürlich ebenfalls vorbereitet, ihre Minister haben ihn ausgear­beitet, auch mit den Experten – die Experten aus der Praxis waren damals eben­falls nicht eingebunden –, und Ministerin Zadić setzt es jetzt um.

Ich habe es auch nicht ganz verstanden, aber wo ich Kollegin Becher recht gebe: Im Jugendstrafvollzug könnte man viel tun. Auch im Maßnahmenvollzug muss man Perspektiven geben, aber da muss es eine Stufenentlassung geben. Da muss es einfach so sein, dass man, wenn in der ersten Stufe begleitete Ausgänge aus den Justizanstalten Asten und Göllersdorf gemacht werden, dann ein forensisches Entlassungshaus hat. Dann schaut man sich das einmal an. Dann lässt man diese untergebrachten Menschen einmal mit elektronischer Überwachung – Fußfessel und Bodycam – raus und schaut sich an: Was tut diese Person mitten in Wien in Freiheit? Das ist wichtig, aber das gehört ja - - (Zwischenruf der Abg. Prammer.) – Ja, aber das lässt man nicht - - (Abg. Prammer: Das kann man alles beschließen! Ihr seid ...!) Bei euch lässt man nur die Fallkonferenzen raus, und das ist zu wenig. Das ist einfach zu wenig. (Abg. Steinacker: Dazu muss man sich aber ein bissl mit Gesetzen auskennen! – Abg. Kugler: Wir sind im Parlament! Wir machen Gesetze! Die muss man lesen können!)

Zusammengefasst und abschließend sagen wir – ich weiß, es wird jetzt immer erklärt, dass eh alles nicht so ist und dass eh alles gemacht wird –: Uns Frei­heitlichen ist wichtiger, dass die Frauen und Kinder, die österreichische Bevölkerung hundertprozentig geschützt sind, als dass gefährliche Straftäter, die jahrelang, jahrzehntelang unter Medikamenten standen und mit Freiheit nichts am Hut haben, husch, pfusch und schnell entlassen werden. Man muss diese Menschen behutsam, langsam auf die Freiheit vorbereiten. Ihr werdet sehen, wenn nach dem Gesetz 50 infrage kommen, gehen nicht mehr als zwei, drei raus, weil es nicht möglich ist. Ihr müsst einmal einsehen, dass man auch als Justizministerin, auch als Regierungsparteien nicht immer nur den Tätern, sondern auch den Opfern verpflichtet ist.

Ich sage es jetzt noch einmal, wie schon so oft von diesem Rednerpult: Hinter jedem Täter steht ein oder stehen mehrere, viele Opfer, und die würden es nicht


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verstehen, wenn sie dann draußen mitten in Wien demjenigen, der vor 15 Jah­ren ihre Schwester drangsaliert hat, begegnen. Das müsst ihr auch verinner­lichen. Macht gescheite Gesetze, sichere Gesetze, schützt die Bevölkerung, sie hat sich das verdient! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Prammer: Dann stimmt zu!)

14.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Gudrun Kugler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.03.41

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Frau Minister! Man hat bei der FPÖ das Gefühl, es ist ihr lieber, dass wir ein schlechtes Gesetz haben, damit sie sich darüber aufregen kann, als dass sie mitwirkt, ein gutes Gesetz zu erstellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Lausch: Das ist eine Überheblichkeit!)

Herr Lausch, ich komme noch zu Ihnen und auch zu den anderen Kollegen, aber ich möchte zuerst einmal erklären, worum es hier eigentlich geht: Wir haben im November 2022 auf Wunsch der Justizministerin begonnen, den Maßnah­men­vollzug zu reformieren. Das ist wichtig, und seit vielen Jahren sagen wir, dass da etwas getan werden muss. Damals wurde ein Gesetz eingeführt, das wir jetzt ändern. (Abg. Lausch: Euer Gesetz! Ein schwarzes Gesetz!)

Laut diesem Gesetz ist es so, dass ein Jugendlicher, wenn er eingesperrt wurde und dann mehr als 15 Jahre im Vollzug war, wegen einer neu eingeführten Höchstgrenze mit 1. September entlassen werden sollte. Nach vielen Gesprächen der Justizministerin mit den Ländern und den Betroffenen und den Vertretern der unterschiedlichen betreuenden Sparten ist sie zum Schluss gekommen, dass man das ändern muss und dass das mit 1.9. so nicht geht. Das beschließen wir heute. Ich sage nur in Stichworten – auch für Frau Becher interessant –: keine Höchstgrenze von 15 Jahren, diese Höchstgrenze wird mit dieser Novelle


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abgeschafft. (Abg. Lausch: Das ist ein Unglück!) – Nein, Entschuldigung, Herr Lausch, verstehen Sie nicht, was 15 Jahre Höchstgrenze heißt? Das heißt, dass man nicht länger als 15 Jahre im Vollzug bleiben darf, sondern dann entlassen werden muss. (Abg. Stefan: Das haben wir ja kritisiert!) Wir schaffen das ab.

Es kommt hinzu, dass regelmäßige Fallkonferenzen stattfinden müssen. Warum? – Weil wir nicht sagen können: Du bist als Jugendlicher mit einer psychischen Störung straffällig geworden, du bleibst jetzt für immer im Gefängnis! – Wir nehmen uns die Zeit, uns mit allen Experten und dem Umfeld der betreffenden Person zusammenzusetzen und zu fragen: Wie geht es dir und was sind deine Chancen? – Das ist wichtig, und für alle betroffenen Fälle sollen diese Konferenzen noch in diesem Jahr beginnen.

Weiters ändern wir, dass es für die Entlassung eine gerichtliche Anordnung braucht, was bedeutet, dass dann auch Weisungen gegeben werden können, welche Art von Nachbetreuung stattfinden soll. Auch das ist ganz wichtig. Eine weitere kleine Änderung: Nachbetreuung kann nicht nur durch Psychiater stattfinden, sondern auch durch Psychologen, weil wir nicht ausreichend Personal haben. (Abg. Lausch: Das ist ja schlimm!)

Das, Herr Lausch, ist es, was wir heute beschließen. (Abg. Lausch: Das wollen wir nicht! Wir wollen das nicht!) – Frau Becher, das ist es, was wir beschließen. Was machen Sie? – Frau Becher erzählt uns etwas zum Thema Jugendkriminalität, worum es überhaupt nicht geht, und liest uns die Rechtsmeinung einer Profes­sorin der Uni Wien vor, die sich auf die alte Rechtslage bezieht, nicht auf das, was wir hier machen. Genau diese Rede, Frau Becher, hätten Sie vor sechs Monaten halten müssen, da wäre sie ein guter Beitrag in der Diskussion gewe­sen. Frau Becher, diese Änderung, die Sie hier angesprochen haben, ist übrigens nicht schwarz-blau, sondern stammt erst von vor einem halben Jahr. Damals hat uns Ihr Beitrag gefehlt.

Herr Lausch, als Sie angefangen haben, zu reden, habe ich mich schon gefreut und mir gedacht, Sie haben vielleicht doch die Unterlagen gelesen. Im Ausschuss


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hatten Sie sie ja nicht gelesen, das war eindeutig. Als ich Ihnen dann weiter zugehört habe, ist mir dann aber die Hoffnung wieder geschwunden, denn Sie sagen, die Entlassungen würden einfach verschoben. Das stimmt ja gar nicht. (Abg. Lausch: Sicher!) Wir haben jetzt Fallkonferenzen, die entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen eine Entlassung geht. Wenn keine Entlassung möglich ist, dann kommt es auch nicht zu einer Entlassung. Herr Lausch, das ist nicht kompliziert, das sind eineinhalb Seiten zu lesen. (Abg. Lausch: Aber gefähr­lich! Gefährlich ist es!) Ich verstehe nicht, was Sie da nicht verstehen. Hauptsache, Sie können sich aufregen, aber Sie wollen nicht dazu beitragen, hier eine ordentliche Lösung zu finden. Was wir heute machen, ist eine ordentliche Lösung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Kollege von den NEOS wird erst sprechen, aber wir haben heute auch TOP 9, also seinen Antrag, auf der Tagesordnung, und ich möchte den NEOS kurz Folgendes sagen: Die NEOS möchten laut ihrem Antrag an den frühzeitigen Entlassungen festhalten. Damit, liebe NEOS, scheren Sie jeden Fall über einen Kamm. Die Menschen sind unterschiedlich, die Fälle sind unterschiedlich, man kann eben nicht sagen: Wir halten daran fest, dass man spätestens nach 15 Jahren entlassen werden muss! – Das geht nicht, weil die Fälle so unter­schiedlich gelagert sind. Ja, Sie haben recht, es braucht mehr Nachbetreuung. Das tun wir ja auch. Auch dafür ist heute dieser Antrag da. Zu sagen, es geht nur bis 15 Jahre, das geht sich aber nicht aus. Warum, haben die Vorredner eh gut erklärt. Hier können wir dem Antrag der NEOS also nicht folgen.

Nun haben wir aber, wenn wir beim Maßnahmenvollzug sind, diese Reform noch nicht abgeschlossen. In den letzten Wochen gab es zahlreiche Vorwürfe, auch vom Antifolterkommitee des Europarates, die sagen, in Österreich ist es noch nicht so gut, wie es sein sollte: Isolation, marode Zustände und so weiter. Die Frau Minister hat sehr deutlich gesagt, dass sie das jetzt ganz engagiert angehen wird, damit wir die Situation für alle Betroffenen verbessern können.

Jetzt kommt der Sommer, und einige Abgeordnete denken schon an Blumen­wiesen. Dieses Thema ist zu wichtig! Wir brauchen mehr Personal, wir brauchen


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Projekte, um mehr Personal zu finden. Wir brauchen weiterhin eine Reform des Maßnahmenvollzugs – wir müssen ihn, wie Sie, Frau Minister, selber gesagt haben, ins 21. Jahrhundert holen. Wir müssen den betroffenen Menschen im Maßnahmenvollzug Perspektiven eröffnen, aber wir dürfen sie nicht alle über einen Kamm scheren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.10.06

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Es ist ein Drama, es ist ein beschämendes Drama, was da passiert.

Frau Kollegin Kugler, Sie haben das Gesetz mitbeschlossen, Sie haben am 15. Dezember 2022 das, was Sie jetzt als ein Über-einen-Kamm-Scheren denunzieren, mitbeschlossen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Warum? Was hat Ihren Gesinnungswandel jetzt ausgelöst? Das war eigentlich der Kernpunkt des ersten Schrittes der Maßnahmenreform: dass man einmal diese Anhaltung zeitlich beschränkt. Das wird jetzt gekübelt, obwohl eigentlich schon am 15. Dezember alle Fakten bekannt waren. Es war bekannt, es hat die Stellungnahme vom Netzwerk Kriminalpolitik gegeben, das genau auf diese Problematik hingewiesen hat, und trotzdem ist die Koalition drübergefahren und will sich jetzt abfeiern lassen, dass das vielleicht auch noch gut sei. Es ist ein Drama! Es ist ein beschämendes Drama, wie wir mit kranken Menschen in dieser Gesellschaft umgehen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim.)

Kranke Menschen können Tatbestände verwirklichen, die dann, wenn sie gesund wären, eine Straftat wären. Dadurch aber, dass sie eben nicht gesund sind, sind


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sie keine Straftat. Diese Menschen muss man behandeln. Man hat dann diese Reform gemacht, und wir waren dagegen, weil wir schon damals gesehen haben, dass das so nicht funktionieren kann, nämlich wenn man statt wie bisher Anhaltung zu sagen dann das Wording ändert und von forensisch-therapeu­ti­schen Zentren spricht, die wir einfach nicht haben. Diese haben wir nicht, aber wir würden sie brauchen, und dazu braucht es auch Geld. Wir sind an und für sich eine wohlhabende Gesellschaft, und es ist sehr, sehr blamabel und es ist sehr, sehr peinlich, dass wir uns immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilen lassen müssen, weil wir nicht in der Lage sind, diesbezüglich die richtigen Maßnahmen zu setzen. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist immer ein Zeichen dafür, dass etwas ganz schlecht läuft, wenn man Gesetze, die dieses Hohe Haus – dieses ganz Hohe Haus – beschlossen hat, aufheben muss, noch bevor sie in Kraft treten, weil man eben bei der Beschluss­fassung nicht auf die Fachleute gehört hat, weil man nicht darauf gehört hat, welche sachlichen Einwände es gibt, sondern weil man irgendetwas verkaufen wollte, weil Marketing das Allerwichtigste für diese Bundesregierung ist, die sich immer nur abfeiern lassen will, weil sie alles so toll und so gut macht. – In Wirklichkeit bringt sie überhaupt nichts auf die Reihe! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch. – Abg. Steinacker: Na hallo! Du kriegst dann eh eine Antwort von der Frau Bundesminister!)

Diese Situation, die auf dem Rücken von kranken Menschen ausgetragen wird, ist unerträglich. – Frau Bundesministerin, ich weiß, dass Ihnen das Anliegen wichtig ist. Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie das Heft in die Hand und machen wir wirklich eine Maßnahmenvollzugsreform, die diesen Namen verdient und die speziell den menschenrechtlichen Anforderungen einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts gerecht wird! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Amesbauer.)

14.13



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Matznetter: Der war schon, Herr Präsident! – Abg. Kugler: Das macht’s nicht richtiger, noch einmal rauszugehen!)


14.13.44

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Abgeordnete Kugler hat mich jetzt dazu bewogen, noch einmal hier heraus­zugehen und einiges klarzustellen.

Wir sind absolut bereit, an einem gescheiten Gesetz mitzuarbeiten. Frau Kugler, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ich habe den Gesetzentwurf gelesen, aber es ist, wie Sie jetzt gehört haben, nicht nur meine Meinung, sondern viele Experten sagen, dass dieser Gesetzentwurf gefährlich ist. Wir wollen das so nicht. (Abg. Kugler: Warum?) – Schauen Sie, was uns von der ÖVP unterscheidet, ist – ihr seid ja die Erfinder dieses Gesetzes beziehungsweise eure ehemaligen Minister –, dass für uns die Sicherheit der Bevölkerung Vorrang hat, und dann kommt alles andere. (Beifall bei der FPÖ.) Wir lassen nicht zu, dass jemand gefähr­det wird.

Ich erkläre Ihnen noch einmal, warum die Fallkonferenzen allein nicht ausreichen: Man braucht eine Dreistufenentlassung, und diese haben wir nicht. Die Ministerin hat auch nicht das Budget dafür. Da gehört einmal ein forensisches Entlassungshaus geschaffen – das gibt es gar nicht. Da müsste man irgendein geschlossenes Hotel anmieten und so weiter. Es gehören einmal Ausgänge in den Forensischen Zentren Göllersdorf und Asten gemacht – beglei­tet.

Zweite Phase: Die Personen kommen dann in das Entlassungshaus; dort werden sie weiter betreut. Wir reden von einem Vorgang, der nach unseren Vorstel­lungen zwischen eineinhalb und zwei Jahren dauert, bis sie auf die Straße gehen können – bestvorbereitet, um eben nicht, wie Sie das wollen, die Gesellschaft zu gefährden, sondern sichere Sache zu machen. (Abg. Kugler: Zum Antrag!) – Das sehen wir auch mit diesem Abänderungsantrag nicht, das sehen wir einfach


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nicht. Das ist uns zu wenig, der Schutz der Bevölkerung, unserer Frauen und Kinder ist uns wichtiger.

Erst in der dritten Stufe kann es sein, dass man diese Person einmal mitten in Wien – elektronisch überwacht mittels Bodycam, Fußfessel, Bewegungs­radius eingeschränkt – hinauslässt und schaut: Wo geht sie hin? Wie verhält sich die Person? Was macht sie? Ist sie wirklich gesund?

Man redet immer davon, dass 15 Jahre genug seien: Da geht es ja nicht um die 15 Jahre, sondern es geht darum, dass man einen psychisch kranken Menschen erst dann entlassen kann, wenn er gesund ist. Das kann fünf Jahre, aber das kann auch 35 Jahre dauern (Abg. Kugler: Genau das macht dieser Antrag!) – leider Gottes sind in der Justizanstalt Stein auch schon welche verstorben –, oder es geht auch nie, weil es einfach nicht geht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kugler: Genau deswegen machen wir das! Das ist der Grund!)

Das ist euch nicht wichtig! Ihr macht da Fallkonferenzen, aber das ist nichts anderes als ein Stapel Papier. Man entscheidet in der Anstalt, wie er sich bisher in der Anstalt geführt hat. Es gibt bei Straftätern auch die sogenannte Schein­führung. Es kann sein, dass er sich drinnen wohlverhält, dann herauskommt und sofort eine brutale Straftat setzt. Das wollen wir nicht. (Abg. Kugler: Deswegen heute zustimmen!) Ihr wollt das, wir wollen das nicht. Das wird uns von der ÖVP unterscheiden. (Beifall bei der FPÖ.)

Man hat es ja schon in Ihrer Rede gehört: Ihr sagt, die Frau Bundesminister (Abg. Kugler: Wird es dir jetzt erklären!) wollte, die Frau Bundesminister hat – und ihr seid die Ersten, die sich verabschieden. Wenn es da nach einer Entlassung zu einer schweren Straftat kommt, dann war es die Zadić, dann habt ihr nichts damit zu tun – man kennt euch ja. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundes­minis­terin Dr.in Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.



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14.17.21

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz im Parlament beschlossen, und ich habe schon damals darauf hingewiesen, dass ich das für eine sehr wichtige Reform halte, weil wir diesen Maßnahmenvollzug endlich ins 21. Jahrhundert bringen, weil wir endlich 50 Jahre Stillstand im Maßnahmenvollzug beenden und mit dieser Reform endlich Bewegung in das Ganze kommt. Ich halte das für richtig, ich halte das für wichtig und längst an der Zeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ja, die Umsetzung der Reform ist nicht einfach. Warum ist die Umsetzung der Reform nicht einfach? – Weil man sich immer, wenn es um psychisch kranke Menschen gegangen ist, auf die Justiz verlassen hat. Man hat immer psychisch kranke Menschen eingesperrt. Psychisch kranke Menschen – das wurde heute schon ein paar Mal gesagt – müssen behandelt werden. Dafür gibt es Psychi­atrien, dafür gibt es Krankenhäuser, dafür gibt es den Gesundheitsbereich.

Deswegen müssen wir im Maßnahmenvollzug einmal starten. Wir müssen das, womit uns der Menschenrechtsgerichtshof beauftragt hat, endlich auch erfüllen, nämlich tatsächlich diesen Maßnahmenvollzug reformieren und dafür sorgen, dass nur jene, die gefährlich und psychisch krank sind, im Maßnah­menvollzug eingesperrt sind, und jene, die behandelt werden sollen, woanders behandelt werden, nämlich in Psychiatrien und Krankenanstalten. (Beifall bei den Grünen.)

Genau deswegen haben wir ja in diesem Gesetzentwurf auch eine mehrmona­tige Übergangszeit vorgesehen: damit man für jene Personen, die entlassen werden sollen, tatsächlich auch ein Entlassungsmanagement vorsieht, tatsächlich auch anschaut: Was kann passieren? – Es kommt zu Sozialtrainings, man spricht mit der Bewährungshilfe, man spricht mit den Familien, es kommt zum


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Austausch mit Stakeholder:innen, nämlich auch den Ländern. Weil: Letzten Endes sind die Länder jene, die diese Personen übernehmen müssen.

Ja, es hat sich herausgestellt, dass Corona nicht spurlos an uns vorübergegangen ist. Es hat sich auch herausgestellt, dass die Voraussetzungen außerhalb des Maßnahmenvollzugs in den psychiatrischen Versorgungseinrichtungen nicht ausreichend gegeben sind. Und ja, da müssen wir auch Verantwortung überneh­men für jene Personen, die bereits jetzt im Maßnahmenvollzug sind. – Genau deswegen ändern wir das.

Bei jenen Personen, die im Maßnahmenvollzug drinnen sind, bei denen teilweise bereits ein Hospitalisierungseffekt eingetreten ist, schauen wir uns in Fallkon­ferenzen noch einmal an, ob die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung gegeben sind oder nicht. Warum sage ich: bedingt? – Es kam nach der Begut­achtungsfrist die Kritik von einigen Professoren, die gesagt haben, es wäre ganz gut, wenn man nicht sofort entlässt, sondern bedingt entlässt, damit man unter Auflagen schauen kann, ob sich die Person in der Freiheit bewährt oder nicht.

Genau aus diesen Gründen gehen wir jetzt auf dieses System zurück, dass man nach einer Fallkonferenz mit all diesen Gegebenheiten, mit all den Voraus­set­zun­gen, die in der Fallkonferenz zutage gekommen sind (Abg. Hörl: Das dauert Jahrhunderte, ...!), zum Gericht geht und das Gericht noch einmal entscheidet, ob bedingt entlassen werden soll oder nicht. Ich halte das für einen sehr, sehr wichtigen Schritt.

Herr Abgeordneter Margreiter, Sie haben gesagt, das Kernstück der Reform wird jetzt zurückgenommen. – Das stimmt ja so nicht. Der Kernpunkt dieser Reform war die Anpassung der Voraussetzungen, und die Voraussetzungen, nach denen jemand in eine Maßnahme eingewiesen wird, bleiben die gleichen.

Das heißt, wir haben die Voraussetzungen für die Einweisungen nachgebessert, wesentlich nachgebessert, so wie es der Europäische Gerichtshof für Men­schenrechte auch gesagt hat, und die bleiben die gleichen; für jene Personen, die


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jetzt im Maßnahmenvollzug drin sind, übernehmen wir aber die Verantwor­tung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.21

14.21.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2160 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 2161 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.


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14.22.5110. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 3406/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Geneh­migungen im Zusammenhang mit Sanktionsmaßnahmen in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens geändert wird (2162 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Christian Ragger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.23.32

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Justizminister! Ich werde mich relativ kurz halten. Da dies heute hier eine Zweidrittelmaterie ist, werden wir von unserer Seite gleich einmal festhalten, dass wir dieser Regelung nicht zustimmen werden.

Warum stimmen wir dem nicht zu? – Das ist relativ einfach. Es geht einmal mehr um die Verlängerung der Russlandsanktionen. Es ist im Bereich der öffentlichen Hand möglich, dass man für diese Sanktionen einzelne Ausnahmen vorsieht, wobei man das Ihrer Kompetenz überantwortet hat.

Woran wir uns in diesem Kritikpunkt stoßen, ist, dass diese Regelung, die jetzt bis zum Jahre 2023 festgelegt worden ist, über die Gesetzgebungsperiode hinausgeht. Das heißt, sie geht bis 2025, und daher wollen wir in diesem Bereich auch kein Präjudiz für die nächste Justizministerin oder den nächsten Justiz­minister schaffen.


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Daher wird von unserer Seite die Verlängerung der Zuständigkeit für die Aus­nahmen von den Russlandsanktionen abgelehnt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Scharzenberger: Und das ist der Grund? Das ist der einzige Grund?)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.24.46

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseher:innen zu Hause! Man hat das Gefühl, manche Diskussionen in diesem Haus ändern sich nie und laufen immer im Kreis. Wenn es um Russlandsanktionen geht und um den Krieg in der Ukraine, ist das so ein Fall.

Ich habe hier eine Anfrage von vor acht Jahren an den Wirtschaftsminister, die sich genauso liest, wie freiheitliche Argumentationen sich seitdem lesen: Hier steht kein Wort der Kritik an Russland, kein Wort der Unterstützung für die Ukraine, sondern es geht nur um die Frage, warum die Sanktionen Österreich so sehr schaden, der EU so sehr schaden, und wie lange das in irgendeiner Form noch geht. – So läuft die ganze Diskussion seit Jahren.

Hätten wir uns im Fall der Krim härter für die Unterstützung der Ukraine und die Eindämmung der russischen Aggression eingesetzt, nämlich mit härteren Sanktionen, hätten wir vielleicht diese Diskussion jetzt gar nicht mehr. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Haubner.)

Wir haben sie aber immer noch, und deswegen verlängern wir jetzt wieder Sanktionen. Vier Parteien werden das machen, die Freiheitlichen sind natürlich nicht dabei. Die SPÖ ist dabei, aber ich streue auch der SPÖ dafür keine Blumen: Wie Sie bei diesem Thema agieren, ist so zwiespältig, dass das so nicht geht.


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Wissen Sie, warum? – Die Anfrage, die ich hier habe (ein Schriftstück in die Höhe haltend), ist keine freiheitliche Anfrage, sondern eine SPÖ-Anfrage von Kollegen Matznetter von vor acht Jahren, der genau in derselben Diskussion schon vor acht Jahren gegen Sanktionen argumentiert hat.

Dieses Mal stimmen Sie mit. Das müssen Sie auch, weil die Verlängerung der Sanktionen so gestaltet ist, dass die Stadt Wien weiterhin Gas einkaufen kann, im Winter eine Energieversorgung hat, und dafür müssen wir sorgen, darum kümmern wir uns als Grüne auch. Deswegen stimmen Sie mit, aber nicht aus Überzeugung, das haben wir bei der Rede des Präsidenten Selenskyj gesehen. Das geht jetzt so weiter, und das Ganze ist ein außenpolitisches Prob­lem für Österreich. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Es ist ein außenpolitisches Problem für Österreich, weil Sie Kollegen Matznetter vorgestern zum Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses gemacht haben, und gestern hat er in dieser Funktion außenpolitisch wieder Schaden angerichtet, behaupte ich einmal. Ich würde Sie wirklich dringend bitten, zu überdenken, ob das in dieser Form geht.

Wir hatten gestern als Abgeordnete ein Treffen mit der spanischen Botschaf­terin, nämlich zu Spaniens EU-Vorsitz, bei dem es um das nächste halbe Jahr EU-Politik hätte gehen sollen – oder über weite Teile gegangen ist. Dabei haben sich dreieinhalb Parteien zum Kosovo geäußert beziehungsweise dazu, was Spanien im nächsten halben Jahr im Vorsitz unternehmen wird. Spanien erkennt den Kosovo nicht an. Die ÖVP hat das kritisiert, die Grünen haben das kritisiert, die NEOS haben das kritisiert und von Spanien proeuropäische Politik verlangt.

Ihre Kollegin Holzleitner hat das auch kritisiert – deswegen sage ich: dreiein­halb –, und dann meldet sich der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses zu Wort, lobt die Spanier dafür, dass es den Kosovo nicht anerkennt, lobt noch die Art und Weise, wie sie das machen, äußert Verständnis dafür, dass das nicht geht, äußert Verständnis für die Nichtanerkennung durch Serbien, unterstützt


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wieder einmal proserbische und prorussische Politik in diesem Haus, und das als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses. Das ist unpackbar! (Oh-Rufe und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie Beifall der Abg. Meinl-Reisinger.)

Kollege Matznetter war lange Zeit Vizepräsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft. (Abg. Amesbauer: Und?) Das war eine rot-blaue Organisation. Als sie von den Blauen übernommen wurde, wurde eine eigene rote russisch-österreichische Gruppe, Forum Österreich-Russland heißt sie, gegründet, in der jetzt solche Politik gemacht wird. Und die prorussische Gruppe hat jetzt den Vorsitz im Außenpolitischen Ausschuss des österreichischen Nationalrates. Das ist ja unpackbar! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wissen Sie, was dann gefallen ist, der inhaltliche Punkt? – Spanien ist ja bei der Nato, und 1999 hat sich die Nato im Kosovokonflikt falsch verhalten. (Abg. Amesbauer: Unpackbar verhalten, ja! Belgrad bombardiert!) Das ist die Diskussion, die wir bei der spanischen Ratspräsidentschaft dann führen, anstatt über die Zukunftspolitik der Europäischen Union zu reden. Das geht so nicht!

Kollege Matznetter ist jetzt nicht im Saal; ich hoffe, er kommt wieder herein. Ich würde erwarten, dass er hier dazu spricht. Er ist nicht auf der Redner:innenliste (Abg. Stögmüller: Das wird Herr Matznetter schon wissen, warum!), obwohl das seine Funktion ist und obwohl er seit zehn Jahren die Russlandpolitik der SPÖ in dieser Form macht.

Kollege Drobits ist untadelig, ist aber der Konsumentensprecher. Ich habe jetzt nachgeschaut, was Kollege Drobits in den letzten zehn Jahren zu Russland geäußert hat, habe aber keine einzige Aussendung dazu gefunden. Vielleicht soll es ja etwas Unverbindliches sein, wenn jemand so dazu spricht, aber so geht das nicht. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)


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Ich erwarte von der SPÖ, dass sie proeuropäische Politik macht. Ich erwarte von der SPÖ, dass sie sich klar von der russischen Aggression abgrenzt und eine Lösung dafür findet, wie die österreichische Außenpolitik im österreichischen Nationalrat gemacht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross. – Abg. Wurm: Christian, du entscheidest selber den ...!)

14.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.30.26

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Kollross: Christian, geh wieder rein! Du darfst nicht reden, hat er gesagt!) Nun, Kollege Reimon hat mich als „untadelig“ bezeichnet – das hoffe ich zumindest. Ich bin auch untadelig, und in dieser Sache rede ich einerseits als Redner unserer Fraktion, weil ich ja auch das letzte Mal zu diesem Punkt gesprochen habe, andererseits weil ich auch im Justizausschuss sitze und drittens weil ich als Jurist durchaus kompetent bin, über Bundesgesetze zu sprechen. (Abg. Leichtfried: Du braucht dich nicht rechtfertigen!) Es gibt keinen Grund, warum ich nicht reden soll, und ich werde auch reden. (Abg. Reimon: Das habe ich nicht gesagt! – Abg. Ribo: Das sagt ja keiner!)

Ich habe beim letzten Mal klar festgehalten, was ich auch heute deponiere (Abg. Stögmüller: Außenpolitisch rutscht ihr immer mehr ab!): Die Grünen haben das letzte Mal dieses Gesetz sehr schnell beschließen müssen, weil wir eigentlich säumig waren Wir waren säumig, Frau Bundesministerin, wir haben in Zurufen von Deutschland gehört, dass Österreich hintennach ist. Wir haben diese Säumigkeit mitgetragen und auch gesagt: Wir sind verantwortlich und wollen dieses Bundesgesetz, das die Ausnahmen bei der Genehmigung von öffent­lichen Aufträgen rechtfertigt, mittragen. Es war eine


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Zweidrittelmehrheitskompetenz, eine Kompetenzdeckungsklausel, die wir als Fraktion mitgetragen haben.

Damals war aber schon klar, Frau Bundesministerin, dass wir gesagt haben: Wir tragen das mit, solange nicht ein Sanktionsgesetz erlassen wird, damit das Bundesgesetz, das wir jetzt heute neuerlich verlängern, außer Kraft treten kann.

Nun, wir haben heute ein Bundesgesetz vorliegen, mit dem wir bloß eine Verlängerung bis Ende 2025 haben, weil dieses Sanktionsgesetz bis dato nicht vorliegt. Es ist eine Lösung, die es notwendig macht, die Befristung dieses Bundesgesetzes zu verlängern, und dieser Verlängerung werden wir genauso wie beim letzten Mal zustimmen, indem wir die Zweidrittelmehrheit ermöglichen. Wir sehen durchaus die Verantwortung für die Landesenergieunternehmen, aber auch für die Daseinsvorsorgeeinrichtungen in verschiedenen Bereichen, sodass wir das machen.

Vielleicht noch ein Aspekt: Es gibt auch die Oberschwellenwerte und die Unterschwellenwerte beim Vergabegesetz. Wir haben in Österreich fast keine Oberschwellenwerte, nur Unterschwellenwerte. Da wäre es unabhängig von der Regelung durchaus möglich, gewisse Möglichkeiten zu schaffen. Man muss sagen, es bestehen auch Lücken. Wir werden diesem Gesetzentwurf trotzdem zustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag.a Corinna Scharzenberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.33.03

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Seit dem Angriffskrieg Russlands hat die EU Sanktionen in Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftragswesen erlassen. Das heißt auf gut Deutsch, dass es der öffentlichen Hand grundsätzlich verboten ist, Aufträge und Konzessionen zu vergeben oder fortzuführen, und zwar an


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Personen, an Organisationen, an Einrichtungen aus der Russischen Föderation. Es gibt aber Ausnahmen, um zum Beispiel Rohstoffe aus Russland zu beschaffen.

Diese Regelung soll jetzt bis Ende 2025 verlängert werden, es soll eine allge­meine Regelung der Zuständigkeit und eine zentrale Abwicklung der Ausnahme­geneh­migungen geschaffen werden. (Abg. Stögmüller – in Richtung des mit mehreren Abgeordneten in den Bankreihen sprechenden Abg. Matznetter –: Ich würde Petra Bayr fragen! Die hat eine bessere Position!) Selbstverständlich sind wir angehalten, die Sanktionen stets zu evaluieren und uns damit einhergehend auch damit zu beschäftigen, was wir mit unseren wirtschaftlichen Sanktionen erreichen.

Wir müssen ganz klar realistische Maßstäbe ansetzen. Es ist ein bedeutender Fortschritt, dass es für Putin zunehmend schwieriger wird, diesen Krieg zu finan­zieren, und dass wir somit seine Kriegskassa dementsprechend auch reduzieren. Als demokratisches Land ist es nicht zuletzt unsere moralische Pflicht, mittels unserer wirtschaftlichen Sanktionen ein klares Bekenntnis gegen diesen Krieg abzugeben. (Abg. Amesbauer: Es gibt keine moralische Pflicht!) Es ist ein gesamt­europäischer Kraftakt. – Herr Kollege Amesbauer, wir dürfen nicht müde werden, gegen ein solches völkerrechtliches Unrecht entschieden vorzugehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: Die Moral, die Moral!)

Für die Beschlussfassung dieses Antrages ist heute eine Zweidrittelmehrheit notwendig. – Frau Kollegin Yildirim, wenn ich die letzten Tagesordnungs­punkte anschaue: Die SPÖ stimmt mit allen möglichen Begründungen und Ausreden fast nirgends zu und übt sich weiterhin in ihrer Blockadehaltung. (Abg. Stöger: Habt ihr das falsche Protokoll genommen? Zuerst anschauen, was wir tun! Zuerst anschauen, was wir tun!)

Diese Sache ist zu wichtig, um weiterhin Mehrheiten im Parlament zu blockieren, nämlich einfach nur weil man kann, und das auf Kosten der Demokratie. (Abg. Steinacker: Corinna, die stimmen zu! – Abg. Stöger: Die Oberbelehrungen könnts euch sparen!)


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Zur Freiheitlichen Partei: Ich würde bitten, Ihr russisches Narrativ endlich abzu­legen. Haben Sie wenigstens die Moral und den Anstand, dass Sie vor diesem menschlichen Leid und vor diesem Unrecht haltmachen und sich endlich auch zu den Opfern dieses Krieges bekennen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Stöger: Die könnts euch sparen, die Belehrungen! – Abg. Amesbauer: Moralgeleitete Politik ist schlechte Politik!)

14.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Stephanie Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.36.05

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Liebe Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Reden wir über Sanktionen und darüber, was hier in Österreich bei deren Umsetzung passiert und nicht passiert! Wir wissen, dass viele Russen auch weiterhin im Land sind, wir waren und sind eine Oase für Spione, für Oligarchen, für russisches Geld. (Beifall bei den NEOS.)

Wie ist die bisherige Bilanz zur Überprüfung und Umsetzung von Sanktionen? – Sie ist desaströs! Die Regierung zeigt nämlich bei der Umsetzung der Sanktionen gegenüber Russland leider sehr wenig Engagement.

Ein paar Beispiele: Erst vorletzte Woche wurde der Fall der ominösen Putin-Villa in Kitzbühel bekannt, deren Kauf von Arkadi Rotenberg, einem Putin-Freund, der seit 2014 auf der EU-Sanktionsliste steht, finanziert wurde und deren Eigen­tümerverhältnisse von den Behörden nicht geklärt werden konnten. Der Fall der Putin-Villa ist kein Einzelfall. Alexei Nawalny hat mehrere Fälle aufgezeigt, insbesondere in Tirol.

Es liegt aber nicht in der Verantwortung von Investigativjournalistinnen und -journalisten, solche Fälle aufzudecken, sondern in der Verantwortung des Innenministeriums aus Eigenem heraus, wobei sich auch die Frage stellt: Wie


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sehr geht man dann solchen Hinweisen durch Berichterstattung auch wirklich schnell nach, wenn es um verschachtelte Eigentümerkonstruktionen geht, mit denen versucht wird, die Sanktionen zu umgehen?

Dass viel zu wenig geschieht, merken wir dank einer Anfragebeantwortung an uns, in der klar wurde, dass unsere Behörden in knapp zwölf Monaten seit Kriegsbeginn im Grundbuch Vermögen von nur vier natürlichen Personen und von keiner juristischen Person eingefroren haben, im Firmenbuch Vermögen von einer natürlichen Person und von zwei juristischen Personen eingefroren haben – eine unfassbar schlechte Bilanz. (Beifall bei den NEOS.)

Ein weiteres Beispiel: Motoren und Teile des von Chinesen kontrollierten Flugzeugbauers in Österreich, Diamond Aircraft, landeten auf dem Umweg über China bis mindestens November 2022 in einer Firma, die auch das russische Militär beliefert und bei der es starke Indizien gibt, dass sie Teil des staatlichen russischen Rüstungskonzerns Rostec ist. Russischen Einfuhrlisten nach kamen zahlreiche Diamond-Lieferungen für die Firma bis Ende Juni 2022 sogar direkt aus Österreich.

Was ist los in den Ministerien? Am Anfang des Aggressionskriegs von Putin gegen die Ukraine war man nicht gut vorbereitet. Fair enough – aber die Zeit vergeht und es wird nicht besser, und während dieser wertvollen Zeit wird weiterhin à la russisch, à la Babuschka verschachtelt, verschleiert und versteckt. (Beifall bei den NEOS.)

Mittlerweile ist es eine politische Entscheidung, sich nicht effizienter in den Ministerien aufzustellen, weil man anscheinend kein gesteigertes Interesse daran hat, russisches Geld zu verfolgen und damit Putins Russland zu schaden. Über welche Ministerien rede ich da? – Insbesondere Innen-, Finanz- und Außenminis­terium, alles ÖVP-Ministerien, mit wenig Dynamik, was Sanktionsumset­zungen angeht. Dynamik zeigen diese Ministerien aber, wenn es um die Geneh­mi­gung von Ausnahmen von EU-Sanktionsbeschlüssen gegen Russland geht – siehe Sberbank.


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Ich möchte daran erinnern, wie dynamisch – Titel: „Los geht’s“ – in diesem Jahr, vor ein paar Monaten, also länger als ein Jahr nach Kriegsbeginn (eine Broschüre mit der Aufschrift „WKO“, „Russland“, „Los geht’s“ in die Höhe haltend), der Appell der Vorfeldorganisation Wirtschaftskammer Österreich – auf dieser Broschüre zu lesen – rausging. Mittlerweile ist es nicht mehr online. Vielleicht hat man es gedruckt und muss es postalisch verschicken – ich hoffe nicht. Was findet sich nämlich darin? – Ein indirekter Aufruf zu Korruption, würde ich sagen. Ich zitiere:

„Bitte beachten Sie, dass derzeit sanktionsbedingt westliche Kredit- und Banko­matkarten in Russland nicht funktionieren. Nehmen Sie Bargeld ausreichend für Ihre Geschäftsreise mit. [...] Die Zusammenarbeit mit der russischen Bürokratie gestaltet sich oftmals schwierig. Große Ermessensspielräume, informelle Netzwerke und niedrige Gehälter einfacher Beamter begünstigen Problem­situa­tionen, die zu unorthodoxen Vorgehensweisen führen können.“ – Opti­mistisch in Richtung Korruptionsanwendung. (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht kann mir das der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, Kollege Karlheinz Kopf, später erklären. (Ruf bei der ÖVP: Ja!)

Zeigen Sie von der ÖVP doch Engagement in die richtige Richtung! Wie ginge das? – Schwächen Sie Putins Regime durch eine effiziente Vollziehung der bestehenden Sanktionen! Die Reaktion von Bundesminister Brunner heute auf die Kritik von Kollegin Tomaselli, dass nur 1,3 Prozent von 6 000 Geld­wäscheverdachtsmeldungen aus dem Nichtfinanzsektor kommen – man plane da nichts –, war wieder ein trauriger Klassiker an mangelndem Engagement.

Zeigen Sie ein Bekenntnis, indem im Innenministerium zum Beispiel sofort eine eigene Sanktionseinheit von Juristinnen und Juristen, weil es eine komplizierte Materie ist, und Ermittlerinnen, Ermittlern eingerichtet wird, am besten unter der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, wo auch die DSN angesie­delt ist, um da eine Zusammenarbeit zu garantieren, und am besten gleich eine Sondereinheit Oligarchen in Tirol!


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Und sagen Sie nicht: Das Gesetz ist schuld, die Zuständigkeiten sind nicht klar! – Meines Wissens liegt schon seit einem Jahr eine Novelle zum Sanktionengesetz in den Ministerien, zwischen den zuständigen Ministerien abgestimmt und erarbeitet, fixfertig. Was ist damit? – Bringen Sie es im Parlament zur Diskussion! Arbeiten Sie daran! (Beifall bei den NEOS.)

14.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.42.03

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Nach dieser etwas unerhörten Art und Weise, wie Kollege Michel Reimon es hier gemacht hat, möchte ich Folgendes sagen: Wir haben als neutrales Land, als solidarisches Land innerhalb der Europäischen Union gerade in der Außenpolitik bisher versucht, einen Kurs zu fahren, mit dem wir auf der Seite der Opfer und nicht auf der Seite der Täter stehen, und das haben wir gemeinsam gemacht. Dass er hier damit beginnt, parteipolitisches Kleingeld, noch dazu mit Falschmeldungen, zu machen, ist absolut neu.

Vielleicht stellen wir die Sachverhalte einmal klar, Herr Kollege Reimon: Wenn wir hier die Botschafterin und bevollmächtigte Ministerin der spanischen Regierung, die derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, haben und die Frage aufkommt, ob es in Ordnung sei, dass das Königreich Spanien völkerrechtlich prüft, bevor es eine Anerkennung für den Kosovo ausspricht, dann ent­spricht es der normalen diplomatischen Courtoisie, dass man nicht darauf los­geht, sondern sagt: Wir haben Verständnis dafür, wenn ein Staat das prüft. (Abg. Stögmüller: Und wie war das mit der Nato bei Ihnen?)

Die österreichische Anerkennung des Kosovo stand nie zur Diskussion. Wir haben alle gelobt, dass wir die österreichischen Gesetze beobachten, und darun-


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ter fällt, dass der Kosovo von uns anerkannt und aus österreichischer Pers­pektive ein ganz wichtiger Baustein unserer Westbalkanpolitik ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da brauchen Sie kein politisches Kleingeld daraus zu machen, Herr Kollege Reimon! Ich brauche auch nicht Ihre Unterstellungen einer Russlandfreund­lich­keit. Ich bin mein Leben lang gegen alle imperialen Formen der Unter­drückung anderer Länder und gegen Kriegsführung aufgetreten. (Abg. Stögmüller: Und die Nato?) – Na vielleicht schreit jetzt auch noch Kollege Stögmüller hinein! Ich war nämlich schon bei den Antivietnamkriegsdemonstrationen, als damals eine andere atomare Supermacht auf ein Land losgegangen ist, Kriegsverbrechen begangen hat! Da haben wir für den Frieden demonstriert, und ich werde es wieder tun! Ich war deswegen auch bei der Rede des Präsidenten Selenskyj hier und nicht, wie Sie unterstellen, weg. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Ich finde, dass es Unterstützung für die Opfer geben muss.

Meine Damen und Herren! Österreich ist aber gut beraten, die Grundsätze der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit immer und ausreichend hochzuhalten. Das geht nie einseitig, das gilt für alle. Daher werde ich auch dafür eintreten, dass wir die Kriegsverbrecher verfolgen, aber dann alle! Und ich hoffe, dass die Täter, die in Butscha diese Verbrechen began­gen haben, nicht genauso straffrei ausgehen wie jene zum Beispiel in Vietnam. Ich hoffe, dass das nicht so ausgeht wie für die Täter in Vietnam, worüber keiner mehr redet. (Abg. Stögmüller: Wer greift denn da wen an? Unglaublich!)

Wir sollten als Österreicher dafür eintreten: Wer auch immer gegen Menschen­rechte verstößt, ist zu verfolgen! Vielleicht schaffen wir das einmal gemein­sam – und lassen Sie das mit dem parteipolitischen Kleingeldmachen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Matznetter – von seinem Platz aus –: Die Menschenrechte sind unteilbar! Die Rechte des Menschen sind unteilbar! Auch für euch ...! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

14.45

14.45.14



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 212

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2162 der Beilagen.

Ich ersuche die Kontrahenten, bei der Abstimmung vielleicht kurz die Diskussion zu pausieren.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Ich stelle wiederum ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.46.25 11. Punkt

Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vorschlages für die Wahl der Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungs­schutz gemäß § 17a Abs. 5 Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz (2130 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 213

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.46.51

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Der Beschluss, der jetzt bevorsteht, und der Prozess, bis es zu diesem Beschluss gekommen ist, sind für mich persönlich einer der absoluten Tiefpunkte meiner bisherigen parlamentarischen Tätigkeit. (Abg. Schmuckenschlager: Ein bissel tiefer geht es immer!) Ich werde jetzt begründen, warum, und da muss ich ein bissel ausholen.

Wir Freiheitliche haben ja damals am Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz mitgearbeitet, mit dem die DSN, die Nachfolgeorganisation des BVT, geschaffen wurde. Ich mag jetzt gar nicht darauf eingehen, was im BVT alles passiert ist und warum das notwendig war. Ich weiß schon - - (Abg. Michael Hammer: Weil der Kickl einmarschiert ist!) – Schau, da kommt wieder ein unqualifizierter Zwischenruf des Kollegen Hammer. Ja, gehen Sie hinaus! Passt schon!

Ich weiß, es gibt zu dem Ganzen eine unterschiedliche Wahrnehmung, aber wir haben unsere Verantwortung, unsere staatspolitische Verantwortung wahrge­nommen, haben da gemeinsam mit allen Parteien mitgearbeitet. Die Opposition hat da konstruktiv mitgearbeitet, das war in dieser Phase noch möglich. (Abg. Michael Hammer: Das BVT zerstört hat er, der Herbert K.!) Wir haben Vorschläge gemacht, und einer dieser Vorschläge war, eine unabhängige Kontrollkommis­sion zur Kontrolle der Arbeit des Verfassungsschutzes zu etablieren. Das ist auch international üblich und war auch unseren europäischen und internationalen


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Partnerdiensten, wo es ja bekannterweise einen Vertrauensverlust gegeben hat, sehr, sehr wichtig.

Diese Kontrollkommission sollte ursprünglich aus drei Mitgliedern bestehen. Die werden mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gewählt und sind zehn Jahre weisungsfrei im Amt. Jetzt haben es die fünf Parlamentsparteien über ein Jahr lang nicht geschafft, sich auf drei Namen zu einigen, die eine Zweidrittelmehr­heit haben. Das ist peinlich genug fürs Parlament.

Wir Freiheitliche haben damals – das schicke ich auch vorweg –, als es die ursprüng­­liche Dreiervariante gab, keinen eigenen Vorschlag gebracht. Wir haben da auch andere Kandidaten unterstützt. (Abg. Schmuckenschlager: Ihr seid für eure Mitarbeit bekannt!) Wir haben keinen eigenen Vorschlag gebracht. Dann ist eine typisch österreichische Lösung gemacht worden: Es wurde mit einer Novelle die Anzahl der Kommissionsmitglieder von drei auf fünf erhöht.

Ich kann mich noch genau daran erinnern – das war noch in der Hofburg drüben –, wie die Kollegen Stocker und Bürstmayr auf mich eingeredet haben: Na geh doch mit, das wäre ein wichtiges Zeichen, dass das Parlament da einheitlich dahintersteht! (Abg. Stocker schüttelt den Kopf.) – Jetzt schüttelt er wieder den Kopf, aber die Handschlagqualität der ÖVP kennen wir ja eh. Lassen Sie mich weiterreden!

Nach Rücksprache mit meinem Klubobmann und nach internen Diskussionen, weil wir der Meinung waren, eine Dreierkommission ist genug – da müssen halt alle Parteien jemanden vorschlagen, der mehrheitsfähig ist –, habe ich gesagt: Okay, wir gehen da mit – unter der Voraussetzung, dass dann natürlich, wenn es fünf Mitglieder gibt, logischerweise auch die Freiheitliche Partei jemanden vorschlagen wird und dieser Vorschlag ernsthaft geprüft und diskutiert wird. Das wurde mir zugesagt, und ich hoffe, das Erinnerungsvermögen ist so weit intakt. (Abg. Deimek: ... Grünen und Schwarzen!)


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Dann haben wir einen Kandidaten vorgeschlagen, haben die Lebensläufe an die einzelnen Klubs verteilt; wirkliche Rückmeldungen sind nicht gekommen. Eines Tages habe ich, da war schon ein guter Monat vergangen, einen Anruf von einem Journalisten bekommen, der mich gefragt hat: Herr Amesbauer, was sagen Sie dazu, dass Ihr Kandidat von den Grünen abgelehnt wird?

Ich habe gesagt: Was, warum?! Er hat gesagt: Das müssen Sie ja wissen.

Ich habe gesagt: Nein, das höre ich jetzt das erste Mal. – Das hat er mir gar nicht geglaubt.

Er hat gesagt: Die Grünen behaupten, Ihr Kandidat hat eine Nähe zum Rechtsextremismus. – Dann habe ich einmal geschluckt.

So ist das dann weitergegangen. Dann ist der ORF gekommen, hat einen Beitrag gemacht, und immer wieder hat es geheißen: Aus dem grünen Klub kommen Rechtsextremismusvorwürfe. (Abg. Schmuckenschlager: Verfolgungs­wahn!)

Da wurde zuerst einmal gesagt, er war vor vielen Jahren Büroleiter des ehe­maligen steirischen FPÖ-Landesrates Gerhard Kurzmann,war Verkehrslandesrat von 2010 bis 2015, Pau gegen den überhaupt nie etwas vorgelegen ist, also quasi eine Kontaktschuld konstruiert. So weit sind wir schon in diesem Land.

Wenn die ÖVP einen Kandidaten vorschlägt, der als parteiunabhängig gilt, aber Kabinettschef im Kabinett von Innenminister Ernst Strasser, der dann im Gefängnis gesessen ist, war, so ist das kein Problem. – Ist grundsätzlich auch kein Problem, wir haben gegen euren Kandidaten nie argumentiert, muss ich auch sagen, weil es um die fachliche Eignung und nicht um irgendeine Kontaktschuld geht. Aber dann schlägt die Freiheitliche Partei jemanden vor, und die Grünen rotieren und konstruieren Rechtsextremismusvorwürfe. (Abg. Deimek: Wie in der DDR!)


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Angeblich hat Klubobfrau Maurer ein Dossier über diesen Kandidaten angelegt, wurde mir von den Medien gesagt – das haben auch andere Parteien hier so gehört –, in dem drinsteht, da gäbe es irgendwelche bedenklichen Unterschriften bei irgendwelchen bedenklichen Petitionen – was komplett aus der Luft gegriffen und frei erfunden ist.

Dann hat es auf mein Drängen hin noch einmal eine Runde der Sicherheits­sprecher gegeben, und ich habe gesagt: Ich will auf den Tisch gelegt haben, was die Vorwürfe sind. Dann hat Herr Bürstmayr gesagt, er hört das selbst gerade zum ersten Mal, er hat von Rechtsextremismusvorwürfen noch nie etwas gehört.

Aber die Grünen haben eine Kandidatin, die besser geeignet ist und zudem eine Frau ist, die interessanterweise am gleichen Institut am Wiener Juridicum wie Frau Zerbes beschäftigt ist. Jetzt haben wir zwei vom gleichen Institut, zwei von den Grünen vorgeschlagen, die natürlich auch ein näheres Arbeits- und wahr­scheinlich persönliches Verhältnis haben. So schaut das aus.

Die Botschaft, die ich Ihnen jetzt mitgeben möchte - - Dann ist übrigens noch von größter parteipolitischer Nähe die Rede gewesen – und Herr Bürstmayr behauptete vor wenigen Tagen auch dem „Kurier“ gegenüber: Na wir wollen ja nicht, dass da parteipolitische Naheverhältnisse bestehen.

Ja wollen Sie die Leute veräppeln? Eine Fünferkommission, die vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt wird, in der fünf Parteiunabhängige ohne jegliches Naheverhältnis drinsitzen? – Das können Sie dem Weihnachtsmann erzählen, Herr Bürstmayr, das glaubt Ihnen doch kein Mensch! So funktioniert ja Österreich nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Bürstmayr: ... sicher nicht!)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Sie haben wahrscheinlich dann diese Argumen­tationslinie geändert, weil Sie gewusst haben, dass an diesen Rechtsextre­mis­musvorwürfen nichts dran ist. Wissen Sie, was Sie damit anrichten? Sie haben in der vorigen Debatte viel von Moral geredet, herummoralisiert, Sie sind die


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moralische Instanz. Aber dieses Verhalten, das Sie an den Tag legen, ist so dermaßen schäbig. (Abg. Deimek: ... keine Moral!)

Die Person – dass das alle wissen –, die wir vorgeschlagen haben, ist ein untade­liger Beamter. Der Herr war Rechtsanwalt, ist seit vielen Jahren im Landes­dienst, ist Spitzenbeamter im Land Steiermark, ist Hofrat, ist Oberstleutnant der Miliz, hohe Kommandofunktion im Jägerbataillon Steiermark in der Miliz, wird regelmäßig vom Bundesheer penibelst sicherheitsüberprüft. Gegen diesen Mann liegt nichts vor. Das ist ein anständiger Beamter, der seinen Dienst für dieses Land leistet. (Beifall bei der FPÖ.)

Und diesen Mann in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken, obwohl er nicht einmal eine politische Funktion hat – meines Wissens hat er nie eine innegehabt?! Wenn das auf einmal ein Problem sein sollte, dass er jetzt unter anderem auch beim Dritten Landtagspräsidenten in der Steiermark tätig ist (Abg. Kassegger: Büroleiter!), dann hätte man das sofort sagen können. Sie sagen ja immer – Sie tragen das ja so vor sich her –, Sie sind der Herr Volljurist. Steht das mit einer Zeile im Gesetz drinnen, dass das ein Ausschlussgrund ist?

Wenn man das nicht will, hätte man das von Anfang an besprechen können. Also bei dem Ganzen muss man schon ein bisschen bei der Wahrheit bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Was richten Sie denn an? Was richtet man an, wenn man gegen einen völlig untadeligen Menschen Rechtsextremismusvorwürfe konstruiert, gegen einen Mann, der Familie hat, der Kinder hat, der Freunde und Bekannte hat und der von seinem Umfeld darauf angesprochen wird? (Abg. Bürstmayr: Den treten Sie breit, Herr Kollege! Den treten Sie breit!)

Eines sage ich Ihnen: Ich erwarte mir von Frau Maurer – sie ist wieder nicht da – oder zumindest von Ihnen (in Richtung Abg. Bürstmayr), Sie stehen ja auf der Rednerliste, von diesem Rednerpult aus eine Entschuldigung diesem Mann gegen­über, diesem unbescholtenen, untadeligen Beamten gegenüber, der von Ihrer


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Fraktion aufs Übelste diffamiert und verunglimpft wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrücklich beim Kollegen Einwallner und der sozialdemokratischen Fraktion bedanken, die dieses üble Spiel nicht mitgespielt haben, die sich den Lebenslauf angeschaut haben, die sich die Person angeschaut haben, unabhängig, und gesagt haben, an diesen Vorwürfen seitens der Grünen ist nichts dran – und offenbar war ja nichts dran, weil dann in letzter Konsequenz diese Vorwürfe bestritten wurden. Ja wo kommen diese Vorwürfe dann her? Wo kommen die dann her, warum stand das vorgestern schon wieder im „Kurier“? Warum?

Also das ist ja keine Art, wie man miteinander umgeht. Mir tut es leid, weil mir diese Kontrollkommission ein Anliegen war, ein echtes Anliegen. Ich finde, dass der Verfassungsschutz – es gibt ja nach wie vor Probleme mit dem frühzeitigen Abgang des stellvertretenden Direktors, mit dem Personal, mit der Rekrutierung, mit ständigen Abwerbungsversuchen, mit undichten Stellen, nach wie vor; mir und der gesamten Freiheitlichen Partei wäre es ein Anliegen gewesen, das war eigentlich das erklärte Ziel aller fünf Parteien, dass wir einen einstimmigen Beschluss haben – und die Kontrollkommission auf das geschlossene Vertrauen des Parlaments zählen können sollen. Das wurde auf­grund parteipolitischer Spielchen der Grünen ruiniert, und die ÖVP hatte nicht den Mumm, diesem üblen Spiel entgegenzuwirken. Das ist wirklich schade, das ist schäbig, das ist ein Tiefpunkt des Parlamentarismus, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Mir bleibt jetzt nichts anderes übrig – leider, das wollte ich nicht –, als zu sagen, dass diese Kommission aus meiner Sicht und von mir aus jetzt mit einem gewissen Misstrauensvorschuss startet. Ich wünsche der Kommission trotzdem viel Erfolg bei dieser wichtigen Tätigkeit. Wir werden uns das ganz genau anschauen.


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Aber das, was Sie gemacht haben, was die Grünen gemacht haben (Abg. Deimek: Ist staatsschädigend!), diese miese Art und Weise, das kann nicht sein, und es ist für jeden ersichtlich, dass diese Partei – und das sollte sich die ÖVP hinter die Ohren schreiben, weil das jeden treffen kann, so ein frei erfundener Vorwurf, so eine miese Taktik –, dass diese Leute kein Partner sind und dass mit diesen Herrschaften kein Staat zu machen ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Eßl. – Abg. Hafenecker: Was soll ich mit den Grünen? Das sind eure Freunde!)

14.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Dr. Christian Stocker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.57.37

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Sehr geehrte Zuse­herinnen und Zuseher hier in diesem Saal oder zu Hause oder von wo sonst aus Sie diese Sitzung auch immer verfolgen! Zum einen ist mir wichtig vorauszuschicken: Meinerseits gibt es keine unterschiedlichen Auffassungen, warum wir die DSN gegründet haben und warum es notwendig war, nach dem BVT eine Nachfolgeorganisation zu finden. Für mich ist das eine ganz klare Geschichte, die Ursache, der Grund dafür sitzt mir hier gegenüber. Herr Klubob­mann Kickl hat als Innenminister alles dazu getan, dass es notwendig wurde, die DSN zu gründen, nachdem er das BVT so geschwächt hat, dass die Sicherheit dieses Landes gefährdet war. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Das BVT war ein Sauhaufen, als ich gekommen bin!) – Wenn Sie jetzt meinen, „das BVT war ein Sau­haufen“ (Abg. Kickl: Ein schwarzer Sauhaufen!), so ist das auch ein Zeugnis, das Sie sich selbst als Innenminister ausstellen. Ich will das gar nicht kommentieren.

Aber diese Nachfolgeorganisation DSN ist ja dann im großen Einvernehmen hier im Haus beschlossen worden, und das ist gut so. Bei der Kontrollkommission allerdings haben wir in der Folge gesehen, dass diese Beschlussfassung, die wir


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damals vorgenommen haben, im guten Glauben hier das Richtige zu tun, die Tücken dann doch im Detail hatte.

Da sage ich nicht, es ist entscheidend, ob drei oder fünf Mitglieder diese Kom­mis­sion bilden, sondern entscheidend war, dass im Gesetz definiert wurde, welche Ausschlussgründe für die Mitglieder dieser Kommission bestehen, und da sind dann sehr viele im aktiven Berufsleben stehende und geeignete Persön­lichkeiten leider nicht mehr in Frage gekommen.

Das nächste Thema, das aufgekommen ist, war, dass eine zehnjährige Funktions­dauer auch etwas ist, zu der sich der eine oder andere überlegt hat, ob, wenn er einen Kandidaten unterstützt, eine so lange Funktionsdauer für diesen Kandidaten sinnvoll ist. Man hat also die Beschlussfassung auch in diesem Licht gesehen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Es war natürlich so – und das sage ich schon und gebe ich auch zu –, dass wir eine Mehrheit für drei Kandidaten nicht gefunden haben, weil da sehr viele Kriterien mitgespielt haben. Parteipolitik gibt es zwar im politischen Leben, aber das war meines Erachtens nicht das Ausschlaggebende, denn ich habe sehr viele Gespräche mit Kandidatinnen und Kandidaten geführt, die das durchaus interessiert hätte. Dazu kommt ja dann noch, dass diese Kommission auch in sich funktionieren muss, daher ist es sinnvoll, dass man eine Kommission bildet, in der sich die einzelnen Mitglieder untereinander auch verstehen und miteinander diese Kommission bilden wollen; wenn ein Kommissionmitglied sagt, dass es nur unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung steht, so ist das auch zu akzeptieren. Das sage ich deshalb, damit die Zuseherinnen und Zuseher – die, die beteiligt waren, wissen es ohnehin – eine Idee und eine Ahnung davon bekommen, warum es dann fünf geworden sind und wie schwierig dieser Findungs­prozess war.

Als Sicherheitssprecher meiner Partei, sage ich, ich bin sehr froh, dass wir heute eine Beschlussfassung vornehmen können, denn in einem stimme ich Kollegen Amesbauer zu: Ein Ruhmesblatt ist das nicht für das Parlament, wenn gerade die


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parlamentarische Kontrollkommission so lange auf sich warten lässt. Ich sage aber auch dazu, dass alle Kandidatinnen und Kandidaten, mit denen ich gesprochen habe, die mir genannt worden sind, aus meiner Sicht – und zwar ausnahmslos – respektable Persönlichkeiten sind und jede und jeder für sich auch geeignet gewesen wäre, aber, wie es in einem politischen Prozess, in einem demokrati­schen Prozess halt ist, man braucht eine Mehrheit für eine Kommission. (Zwischen­ruf des Abg. Deimek.)

Wir haben jetzt eine Mehrheit gefunden, die sicherstellt, dass die parlamen­tarische Kontrolle des Nachrichtendienstes und des Staatsschutzes ins Arbeiten kommen kann. (Abg. Deimek: ...! Das Ganze nur wegen der Feigheit der ÖVP! ... jämmerlich!) In diesem Sinne freue ich mich über diesen Beschluss, wünsche der Kommission viel Erfolg und alles Gute bei ihrer schwierigen Arbeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer. – Ruf bei der FPÖ: Das ist typisch ÖVP, im Liegen umgefallen!)

15.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Nationalrat Einwallner. – Bitte.


15.02.17

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuschauer! Ja, heute ist der Tag, an dem wir endlich diese unabhängige parlamentarische Kontrollkom­mis­sion beschließen. Und ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Einer der Gründe, warum wir diesem Gesetzentwurf grundsätzlich zugestimmt haben, ist, dass diese Kommission, diese Kontrollkommission ein Herzstück dieses neuen Gesetzes ist und die DSN auch kontrolliert werden kann. Das war uns von Anfang an sehr, sehr wichtig.

Ich glaube, es gibt uns Parlamentariern ein ganz ein wichtiges Instrument in die Hand: den Nachrichtendienst und die DSN zu kontrollieren und auch Kon­trollaufträge zu erteilen. Ich denke, dass das eine Aufwertung dieses Hauses,


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eine Aufwertung des Parlaments ist. Das halte ich für enorm wichtig, und das ist ein großer Schritt vorwärts und einer der wichtigsten Schritte, die wir in dieser Reform der Nachrichtendienste gemacht haben.

Dieser Prozess – und da stimme ich mit meinen beiden Vorredner überein –, bis wir zu dieser Zusammenstellung dieser Kommission gekommen sind, ist tatsächlich kein rühmlicher. Er hat viel, viel zu lange gedauert, und ich halte das für sehr bedauerlich. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es war tatsächlich ein sehr mühevoller Prozess, bis zum Schluss dieser Bestellung, und ich muss - - (Abg. Scherak: Wer war denn da so langsam? Abg. Maurer: Ja, ich weiß auch nicht! Wer war denn da so langsam? Abg. Krisper: Was war denn los?) – Nein! Wir können jetzt das Ganze noch einmal aufrollen, Frau Klubobfrau. (Ah-Rufe bei den Grünen.) Frau Klubobfrau Maurer, wir können es noch einmal aufrollen. Ich kann mich an Gespräche erinnern, Frau Klubobfrau, in denen Sie gesagt haben: Das geht nicht, diese Dame ist gleich alt wie ich, mit der war ich in der ÖH, darum kann die nicht Teil dieser Kommission sein! (Oh-Rufe bei SPÖ und FPÖ); nur so viel zur Konstruktivität bei der Kommissionszusammenstellung. (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Nein, das lasse ich jetzt nicht so stehen! Das lasse ich nicht so stehen, Frau Klubobfrau! (Beifall bei der SPÖ.)

Und ja, dass wir jetzt hier keinen einstimmigen Beschluss bekommen, das halte ich für bedauerlich. Ich glaube, es wäre möglich gewesen. Es war ein Kandi­datenpool da, mit dem es möglich gewesen wäre, einen einstimmigen Beschluss heute hier im Hohen Haus zu fassen, und ich hätte es auch für richtig gehalten. Ich hätte es für richtig gehalten, dass wir hier dieser Kommission vom ersten Tag an einstimmig den Rücken stärken (Zwischenruf des Abg. Deimek) und auch zeigen, dass dieses Haus zu 100 Prozent hinter diesen Kommissionsmitgliedern steht. Das wäre ein gutes Signal gewesen, aber es geht jetzt leider nicht auf.

Es geht leider nicht auf und das liegt nicht an der Position der Sozialdemokratie. Herr Kollege Amesbauer hat ausgeführt, woran es liegt: Es liegt tatsächlich an der Position der Grünen in dieser Frage. (Abg. Deimek: Und der Feigheit der ÖVP!) Es liegt an der Position der Grünen. Mir ist wichtig, dass es jetzt endlich zur


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Einsetzung dieser Kommission kommt, denn wir brauchen sie so notwendig. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Wir haben von Anfang an in dieser Frage eine klare Haltung gehabt: Wir wollten eine klare Kompetenz in dieser Kommission abgebildet haben (Zwischenruf der Abg. Maurer), das heißt, wir wollten jemanden, der die Datenschutzkompetenz und eine Kompetenz im technischen Bereich hat. Und das ist wichtiger denn je, denn wenn wir uns anschauen, was in den letzten Tagen, Wochen und Monaten immer wieder von den Nachrichtendiensten gefordert wird, wenn es darum geht, mehr Befugnisse zu wollen, dann ist genau das wichtig, dass wir diese Kompetenz abgebildet haben, und das haben wir mit unserem Vorschlag auch garantiert, dass diese sich dementsprechend wieder­findet. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, das ist kein Ruhmesblatt im parlamentarischen Prozess, da gebe ich Ihnen recht, es ist bedauerlich, dass es so lange gedauert hat. Es gibt viel zu tun für diese Kommission. Einen Punkt habe ich bereits angesprochen: Wenn es um die Erweiterung der Befugnisse geht, wird diese Kommission eine wichtige Aufgabe haben, sich das auch genau anzu­schauen.

Abschließend wünsche ich den dann gewählten und im Amt befindlichen Kommissionmitgliedern alles erdenklich Gute für diese vertrauensvolle Aufgabe, die wir ihnen hiermit übertragen – alles Gute! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Deimek: Kommt jetzt eine Entschuld­igung für dieses miese Verhalten? Abg. Amesbauer: Die Frau Maurer wär jetzt eh da, die kann sich gleich entschuldigen! Abg. Maurer: Oh, ich denke nicht daran! Abg. Amesbauer: Weil Sie keinen Charakter haben! Abg. Maurer: ... keine ...kommis­sion! Abg. Amesbauer: Was haben Sie gesagt?! Keine Rechtsextremen in der Kommission?! Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

15.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 224

15.07.10

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie auf die Regierungsbank blicken, werden Sie sehen, dass jetzt gerade keine Ministerin und kein Minister hier sitzt. Warum? – Weil das Gesetz über die DSN eines ist, das das Parlament erarbeitet hat, und weil die Kommission, von der heute die Rede ist, ein Hilfsorgan dieses Parlaments und ganz konkret des Ständigen Unterausschusses des Innen­aus­schusses sein wird. Das ist also kein Regierungsprojekt.

Das ist ein Hilfsorgan des Parlaments für die Kontrolle der Direktion für Staats­schutz und Nachrichtendienst – und das ist nicht irgendeiner von den vielen Beiräten, die wir in Österreich haben, das ist nicht irgendeine Kommission, sondern das ist eine Gruppe von Menschen, die soll: zusammenpassen wie ein austarierter Strauß Blumen, Whistlebloweranlaufstelle sein, Einblick in hochsensible Unterlagen erhalten, Zutritt zu allen Räumlichkeiten der DSN auch ad hoc bekommen und nicht zuletzt Prüfaufträge eben dieses parlamentarischen Unterausschusses zur Kenntnis nehmen und – ohne dass wir ihnen etwas anschaffen können – angeregt von diesem Unterausschuss auch ausführen und davon berichten.

Warum haben wir diese Kommission geschaffen? – Weil es auf der einen Seite parlamentarische Kontrolle unserer Nachrichtendienste braucht, und weil es auf der anderen Seite im 21. Jahrhundert zunehmend schwierig wird, Direktoren oder Direktorinnen von Nachrichtendiensten vor einem Gremium mit 15, 20, 25 Leuten zu befragen und dort zu kontrollieren, denn eine alte Erfahrungstatsache sagt: Geheim ist etwas spätestens dann nicht mehr, wenn zehn Leute davon wissen! (Ruf bei der FPÖ: Und die Grünen!)

Das heißt, dass diese Kontrollkommission auch eine Art Brückenfunktion zwischen dem Unterausschuss des Innenausschusses und der DSN und den hochsensiblen Informationen, die in der DSN verarbeitet werden, bilden soll.


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Wir hätten uns auch überlegen können, dass jedes einzelne Mitglied des Unter­ausschusses des Innenausschusses selbst persönlich Zutritt zur DSN, zu den Räumen und zu allen Akten erhalten soll. Das wäre schon aufgrund der hohen Zahl dieser Personen ein Unding gewesen. Deshalb war diese Einrichtung in diesem hochsensiblen Bereich überfällig. (Abg. Kassegger: Das wissen wir eh alles!)

Sie haben jetzt vielleicht gehört, dass es ziemlich lange Parteienstreit um die Besetzung gegeben hat. Ich bedauere das sehr und ich bedauere auch, dass sich in der Freiheitlichen Partei offensichtlich die Überzeugung breitgemacht hat: Wenn eine Kommission fünf Mitglieder hat, dann ist es völlig klar und quasi ungeschriebenes Gesetz, dass jede einzelne Partei eine Person nominieren darf (Abg. Amesbauer: Ihr aber zwei!), die ihr vielleicht nahesteht. Darum geht es nicht (Abg. Deimek: Warum müssen zwei Grüne drinnen sein?), sondern es geht um einen Gesamtvorschlag. Diesen Gesamtvorschlag haben wir jetzt endlich vorliegen, darüber bin ich sehr froh. (Abg. Amesbauer: Aber vier Parteien ...!)

Herr Kollege Amesbauer, nur noch ein kurzer Satz: Die angeblichen Gerüchte über den von Ihnen vorgeschlagenen Kandidaten habe nicht ich breitgetreten, sondern die haben Sie an diesem Pult 5 Minuten lang breitgetreten. Warum Sie das machen, weiß ich nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Amesbauer: Das steht in allen Medien seit Monaten! Das hat die Frau Maurer verbreitet, ...! Die Frau Maurer hat jetzt rübergeschrien: Keine Rechtsextremen in der Kommission!)

Ich ersuche daher um möglichst breite Zustimmung für den Vorschlag des Hauptausschusses und danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen.)

15.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. (Abg. Hafenecker – auf dem Weg zum Redner:innenpult, in Richtung Abg. Krisper, die sich ebenfalls zum Redner:innenpult begibt –: Entschuldigung, Frau Kollegin Krisper, ich bin Kontraredner! – Abg. Krisper: Ein spontaner!)



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15.11.57

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke, Herr Bürstmayr, dass Sie hier am Rednerpult gerade wieder einen Einblick gegeben haben, sodass man sieht, wie die Grünen so ticken. Wissen Sie, Frau Kollegin Maurer hat sich ja ohnehin gerade selbst beschuldigt. Sie hat vorhin einen Zwischenruf getätigt, der hoffentlich auch den Weg ins Protokoll findet, in dem sie gesagt hat: Keine Rechtsextremen in die Kommis­sion! (Abg. Deimek: Ist das elendig! Und so was sitzt herinnen! Das ist eine Frechheit! – Ruf bei der FPÖ: Absolut letztklassig!) Das heißt, Sie haben sich nicht nur nicht entschuldigt, Frau Kollegin Maurer, sondern Sie haben an Ihrer Diffamierung festgehalten und haben einen unbescholtenen Mann als Rechts­extremisten bezeichnet. Das ist ein starkes Stück. Sie verstecken sich hier nur hinter Ihrer Immunität, Frau Kollegin Maurer, aber irgendwann einmal wird auch dieser Spuk vorbei sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Bürstmayr, wenn Sie jetzt erklären und glauben, das nimmt Ihnen irgendjemand ab, dass man, wenn eine Kommission von drei auf fünf Personen aufgeblasen wird, daraus natürlich nicht den Rückschluss ziehen kann, dass diese politisch besetzt wird, dann halten Sie auch alle anderen Menschen hier im Saal für dumm. (Beifall bei der FPÖ.)

Selbstverständlich ist es so. Die Einzigen, die in diesem Zusammenhang nicht nominieren dürfen – daran sieht man einmal, welche totalitären Ansätze Sie von den Grünen haben –, sind wir von der Freiheitlichen Partei.

Herr Kollege Stocker, auch zu Ihnen: Ich halte Sie grundsätzlich für einen sehr gescheiten Mann, aber ich weiß nicht, warum Sie immer auf dieses Ammenmärchen hereinfallen, das alle anderen erzählen, und warum Sie nicht die Geschichte vom BVT so erzählen, wie sie tatsächlich war. Gerade Sie als hochkarätiger ÖVPler müssen ja wissen, dass Sie selbst mit Ihrer Partei und mit Ihrer Parteipolitik im BVT das BVT zerstört haben, von innen heraus. (Rufe


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bei der ÖVP: Geh bitte! – Ja, genau! Genau! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie selbst haben sich das zuzuschreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil ich da jetzt das Raunen aus den Reihen der ÖVP höre, sage ich Ihnen auch eines dazu: Warum ist das BVT tatsächlich aus dem Berner Club ausgeschlossen worden? – Weil Ihre ÖVPler da drinnen mit den Informationen in der ganzen Welt herumgeschachert haben und weil das BVT genau deswegen das Vertrauen verloren hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Na, überallhin haben Sie verschachert, zu Wirecard und weiß der Teufel was. Überall sind Sie und Ihre Emissäre unterwegs gewesen. (Ruf bei der ÖVP: Wer hat die Hausdurchsuchung veranlasst?) Also wenn jemand das BVT zerstört hat, dann war es die ÖVP.

Ich glaube, man kann auch nachvollziehen, dass ein Innenminister Kickl wohl kaum das BVT zerstört haben kann (Abg. Hanger: Was war mit der Hausdurchsuchung, die rechtswidrig ist?), wenn es eine staatsanwaltschaftliche Anordnung zur Hausdurchsuchung gegeben hat. Ich weiß nicht, ob Sie politische Bildung gehabt haben, Herr Kollege Hanger, ich weiß auch nicht, ob Sie über rechtliche Kenntnisse verfügen, aber dass ein Innenminister keine Hausdurchsuchung anordnet, das wirst sogar du kapieren, Herr Kollege Hanger. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Vielleicht ist das bei der ÖVP anders!)

Reden wir darüber aber weiter: Jetzt hat die ÖVP das BVT ruiniert – gut, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Es ist wirklich schlimm, wenn ein Geheimdienst so zerstört wird (Ruf bei der ÖVP: Das entspricht nicht den Tat­sachen!) und wenn schlussendlich auch solche Ergebnisse dabei heraus­kommen, dass wir nicht einmal mehr einen Terroranschlag vereiteln können (Ruf: Die Wahrheit tut weh!), vor dem wir sogar von den Nachbarländern gewarnt worden sind.

Gut, dann ist also das BVT kaputt und dann wird eine neue Organisation aufge­baut: Dann wird die DSN aufgebaut – und da nützt man wieder nicht die Möglichkeit, einmal etwas Vernünftiges daraus zu machen, sondern da geht es Ihnen wieder nur um Macht, um Posten, um den Fortbestand Ihres tiefen


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Staates (Ruf bei der SPÖ: Deep State!) im Innenministerium, im Finanzministerium und auch im Justizministerium.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, was haben Sie gemacht? – Sie haben den nächsten Parteisoldaten an die Spitze der DSN gestellt. Herr Haijawi-Pirchner ist bis vor Kurzem mit Ihrer Wahlkampfjacke herumgelaufen – ist ja gut –, und jetzt haben wir einen Geheimdienstchef, der eigentlich eh ein ÖVPler ist und auch gar keinen Hehl daraus macht; er hat nur nicht die Schneid, zuzugeben, dass er es ist. Sie aber haben einen ÖVPler dorthin gesetzt, anstatt einmal dafür zu sorgen, dass die Politik beim Geheimdienst eben keine Rolle spielt. Also man sieht schon, wie Sie hier agieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist aus der DSN geworden? – Na ja, Sie haben jetzt Ihren ÖVPler installiert. Gut, der darf hin und wieder ein paar Vorstöße für Sie erledigen. Wenn Sie wieder einen Bundestrojaner einführen wollen, um die Bevölkerung auszuspio­nieren (Zwischenrufe bei der ÖVP), dann muss er halt ein bisschen eine Pressekonferenz möglichst spontan, am Sonntag geschwind am Vormittag, abhalten, damit Sie Ihre Allmachtfantasien und Ihre Überwachungsfantasien durchsetzen können. Das ist seine einzige Aufgabe: Ihnen politisch ein bisschen aufs Pferd zu helfen. – Das machen Sie mit Herrn Haijawi-Pirchner.

Und was ist mit seinem Stellvertreter? – Der hat schon wieder das Handtuch geworfen, den gibt es schon wieder nicht mehr. Was ist mit vielen anderen hoch­karätigen Positionen dort? – Die sind noch gar nicht besetzt.

Dieser Geheimdienst funktioniert nicht. Er funktioniert deswegen nicht, weil Ihnen immer Ihre Parteipolitik wichtiger ist als das Wohl dieses Landes.

Genau deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP und auch von der Radikalfraktion der Grünen, werden Sie schon demnächst vom Wähler eine saftige Ohrfeige bekommen, und die haben Sie redlich verdient. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

15.16



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 229

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte.


15.16.54

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich sehr, dass wir heute endlich eine Kontrollkommission für unseren Verfassungsschutz auf Schiene bringen, indem wir deren Mitglieder wählen. Ich freue mich auch sehr über die Personen, die da letztendlich tätig werden dürfen. (Abg. Deimek: Über zwei Kommunisten? Da kann man sich nicht freuen!)

So sehr ich mich freue, ärgere ich mich auch sehr darüber, dass erst jetzt die Kontrollkommission ins Tun kommen kann, denn wenn wir dazurechnen, dass es in Wahrheit auch noch dauern wird – mit der Vertrauenswürdigkeitsprüfung und den anderen Formalita –, dann wird sie erst fast zwei Jahre oder vielleicht zwei Jahre, nachdem die DSN zu werken begonnen hat, wirklich arbeiten können. Das ist schon unfassbar, dass da das Kontrollgremium zwei Jahre zu spät beginnt, seine Arbeit zu tun. (Beifall bei den NEOS.)

Wie konnte diese Verzögerung passieren? – Den absurden Prozess der letzten eineinhalb Jahre aus meiner Perspektive zu beschreiben, das tue ich Ihnen jetzt nicht an. Klar ist: Es war wieder klassisch österreichisch. Man hat nicht groß bekannt gemacht, dass Mitglieder für die Kontrollkommission gesucht werden, sondern die Parteien wollten unter sich grübeln, wer ihnen halt so einfällt. Da setzt man sich zusammen und sagt: Ich hätte den, und ich hätte den!, und da fielen dann Sätze wie: Aber dem haben wir es schon versprochen!, oder: Kollegin, wenn du den unterstützt, dann machen wir dich medial fertig, wenn wir aber unseren reinkriegen, dann stimmen wir zu und der kommt mit ins Paket! (Abg. Kassegger: Das können nur die Grünen sagen! –Ruf bei der FPÖ: Das ist ja inter­essant! – Abg. Kickl: Wieso steht man da nicht auf und geht?), oder: Wenn ihr alle eure Personen drinnen habt, dann wollen wir auch unsere!, wie jetzt vonseiten der FPÖ. Und genau das ist das grundsätzliche Problem.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 230

In der idealen Welt – und hier geht es um unsere Sicherheit (Abg. Kassegger: Ihr schwafelt was von Abbildung des Volkes im Parlament und lasst zu, dass eine Partei, die 30 Prozent der Leute repräsentiert, nicht vertreten ist! – Abg. Kickl: Und dann wird ein ÖVP-Wahlkampfhelfer Direktor von diesem Verein! – Abg. Kassegger: Ihr schwafelt herum ...!) – haben parteipolitische Spielchen bei einer so ernst­haften Debatte überhaupt nichts verloren. (Beifall bei den NEOS.)

Es sollten sich alle fünf Sicherheitssprecher hinsetzen, breit bekannt machen, dass man sich dafür melden kann. Ich habe es dann absurderweise dadurch gemacht, dass ich über die „Kronen Zeitung“ darüber berichten lassen konnte, dass es diesen Prozess gibt, und habe gehofft, dass kompetente Leute „Kronen Zeitung“ lesen oder Ö1 hören und sich melden, dass es nicht unter den Parteien und deren Wissensstand bleibt, wer da vielleicht kompetent wäre, und dass man sich dann mit den Leuten, die zur Verfügung stehen, hinsetzt und nach Kompetenzkriterien diskutiert. Davon waren wir weit weg. Es hat die anderen, die anderen vier Sicherheitssprecherkollegen, übermannt, im wahrsten Sinne des Wortes.

Dass es nämlich nicht so gedacht war, dass jeder seine Parteiideen einbringt, zeigt sich darin, dass wir – wir alle gemeinsam – eigentlich drei Mitglieder vorgesehen haben. Also das war überhaupt nicht einmal mitgedacht von denen, die vorhatten, ihre Leute da reinzusetzen.

Gut, jetzt mussten wir von drei auf fünf gehen – auch danke für die Steuergeld­verschwendung an dieser Stelle –, und dann wurde es wieder schwierig. Das Ergebnis ist: Letztendlich haben wir uns auf Personen geeinigt, die wirklich gut sind. (Abg. Kirchbaumer: Redezeit!)

Ich danke auch diesen Personen, dass sie die Geduld hatten, zuzuwarten, bis wir im Parlament uns endlich einigen – das ist ja auch eine Zumutung für Prof. Zerbes et cetera.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 231

By the way: Wir haben überhaupt keinen Kandidaten, sondern Schwarz-Grün haben gesagt: Zerbes et cetera!, wir haben gesagt: Schauen wir, wer am Ende da ist, und dann reden wir!, aber wunderbar. Wir haben explizit keinen Kandidaten, sondern Argumente – pro und kontra –, Kompetenz und nicht Ideologie et cetera eingebracht. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Maurer und Reimon.)

Was ich für die Zukunft hoffe, ist, dass das Learning nicht ist: Jessas, Zweidrittel­mehrheit, urmühsam, machen wir nicht mehr! – denn gerade bei so wichtigen Institutionen wie einer Kontrollkommission für den Verfassungsschutz ist es ganz bedeutend, das Ganze verfassungsgesetzlich abgesichert zu haben –, sondern dass das Learning ist: Es war unfassbar peinlich, ein demokratiepoliti­sches Desaster, im Parlament so lange zu brauchen. Wir setzen uns das nächste Mal hin und entscheiden einfach nach Kriterien und Inhalten und nicht nach parteipolitischen Spielchen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Oder wir würfeln es aus, das geht genauso! – Abg. Kickl: Auch nicht nach Geschlechtern!)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. – Bitte sehr.


15.21.15

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Zuseherinnen und Zuseher! Man kann über vieles hier diskutieren, man kann zu dem Prozess, der für die Findung der Kontrollkom­mission abgelaufen ist, durchaus unterschiedlicher Meinung sein, man kann über die Zeitschiene reden und alles Mögliche differenziert sehen, aber eines, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, kann man nicht: zu diesem Tagesordnungspunkt so sprechen wie Kollege Hafenecker. Das geht sich nicht aus. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 232

Herr Kollege Hafenecker, Sie setzen das fort, was Ihr Klubobmann als Innen­minister begonnen hat: Sie gefährden die Sicherheit dieses Landes. Da sitzen die Gefährder der Sicherheit dieses Landes. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Heiterkeit der Abgeordneten Kickl und Wurm. – Abg. Amesbauer: Geh bitte! – Abg. Kickl: Das machts ihr! ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich weiß schon, Herr Klubobmann, Sie finden das alles lustig, aber die Menschen werden es nicht lustig finden, und der Geheimdienst wird es auch nicht lustig finden, dass ein Abgeordneter Ihrer Fraktion hier steht und sagt: Der Staatsschutz funktioniert nicht! (Abg. Scherak: Das sind deine Freunde! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Meine Damen und Herren von der FPÖ, in welcher Welt leben Sie denn? Haben Sie vielleicht zufällig Zeitungen gelesen, die Medien verfolgt, was der Staats­schutz gerade in der letzten Zeit für dieses Land und die Sicherheit geleistet hat? (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Hafenecker: ... Anschlag auf die Regenbogen­parade ...!)

Und was machen Sie? – Sie tun das, was Herr Klubobmann Kickl als Innenminister schon gemacht hat, nämlich ein Signal in die ausländischen Dienste zu senden: Bei uns funktioniert es nicht! (Zwischenruf des Abg. Deimek.) – Sie sollten wissen, dass es falsch ist. Wenn Sie wissen, dass es falsch ist, so behaupten Sie es gegen besseres Wissen. Sie erweisen diesem Land einen Bärendienst. Sie sind eine Gefahr für die Sicherheit und hoffentlich nie wieder in einer Regierungsverant­wortung für so einen Bereich. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Wer nimmt sie denn in die Regierungsverantwortung? Ihr koalierts ja ...! Unglaub­lich! – Abg. Amesbauer: ...erbärmlicher Haufen! Eine linkslinke Partei! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

15.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 233

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


15.23.39

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent, ich dulde diese Zwischenrufe der FPÖ (Heiterkeit bei den NEOS), vor allem von Kollegen Amesbauer, nicht mehr (Abg. Hanger: Das ist letztklassig! – Zwischen­rufe bei der FPÖ): ihr linkslinker Rüpelhaufen, gestern hat er Wapplerpartie gesagt. Das geht so nicht.

Ich fordere ein, dass wir bei der nächsten Präsidialkonferenz darüber reden (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), weil man das vielleicht am Präsidium nicht hört – das verstehe ich, aber so können wir miteinander nicht umgehen. Das ist inakzeptabel, und ich lasse mir das auch nicht mehr gefallen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Feichtinger und Holzleitner. – Abg. Amesbauer: Die Frau Maurer darf rechts... herüberschreien!)

15.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir werden die Präsidiale nutzen, um Möglichkeiten zu finden, den Umgang wieder auf ein angemessenes Niveau zu heben.

*****

15.24.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf um Aufmerksamkeit bitten. Es ist dazu kein Debattenredner mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen jetzt zur Wahl der Mitglieder der unabhängigen Kontrollkom­mission Verfassungsschutz gemäß § 17a Abs. 5 Staatsschutz- und Nach­richten­dienst-Gesetz.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 234

Ich lasse über den vorliegenden Wahlvorschlag des Hauptausschusses, sofern keine Einwendungen erhoben werden, im Sinne des § 66 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung durch Erheben von den Sitzen beziehungsweise entsprechendes Handzeichen abstimmen.

Ich stelle zuerst im Sinne des § 87 Abs. 4b der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest. – Diese ist gegeben.

Ich bitte nun die Damen und Herren, die dem Antrag des Hauptausschus­ses in 2130 der Beilagen, Univ.-Prof. Dr. Reinhard Klaushofer, Univ.-Ass. MMag. Dr. Monika Stempkowski, Dr. Theodor Thanner, Ing. Mag. Dr. Christof Tschohl und Univ.-Prof. Dr. Ingeborg Zerbes zu Mitgliedern der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz zu wählen, ihre Zustim­mung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist damit gegeben, das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich danke. – Wir gelangen nun zum 12. - - (Abg. Krainer: Ausdrücklich stelle ich die Zweidrittelmehrheit fest! Bitte!)

Und ich stelle ausdrücklich noch einmal die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Damit ist die Wahl der Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz vollzogen.

15.26.2912. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „ECHTE Demokratie – Volksbegehren“ (2074 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 235

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Neumann-Hartberger. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


15.26.49

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Volksbegehren hat den Titel Echte Demokratie –Volksbegehren. In diesem werden viele Gesetzesänderungen gefordert. 131 619 Österreicherinnen und Österreicher haben dieses Volksbegehren unterschrieben und repräsentieren damit 2,07 Prozent der Wahlberechtigten. Die Forderungen zu den Gesetzestexten und deren Begründungen, welche weitere Forderungen enthalten, sind sehr umfangreich auf 26 Seiten erläutert, und ich möchte die vier Grundforderungen kurz ansprechen.

Erstens: „Echte Demokratie = absolutes Diktaturverbot! Demnach soll kein Gesetz, zu keinem Zeitpunkt oder aus irgendeinem Anlass beschlossen werden, das der Bundesverfassung widerspricht.“

Zweiter Punkt: „Echte Demokratie braucht“ Versammlungsfreiheit, und die „echte Versammlungs-und Veranstaltungsfreiheit ist wieder herzustellen“.

Dritter Punkt: „Echte Demokratie braucht Volksabstimmungen“, „Volksabstim­mungen, die auch durch das Volk einleitbar sind (z.B. durch Volksbegehren)“.

Und der vierte Punkt: „Echte Demokratie braucht ein faires Wahlrecht“, „wo jede Stimme gleich viel zählt (z.B. keine %-Hürden)“.

Vor einigen Jahren hatten wir hier im Hohen Haus eine umfangreiche Debatte über die Stärkung der Demokratie in Österreich. Im Rahmen einer parlamentari­schen Enquete befassten sich Abgeordnete, Bürger und Bürgerinnen sowie Experten und Expertinnen in den insgesamt acht Sitzungen mit diesem Thema. Es gab auch die Möglichkeit, sich online an den öffentlichen Sitzungen zu beteiligen. Einige der oben genannten Punkte waren schon damals Teil der Diskussion, und die Ergebnisse von damals könnten bei den nun zu erfol­genden Ausschussberatungen auch berücksichtigt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 236

Einige der damaligen Forderungen waren beispielsweise, offizielle Informa­tions­broschüren mit sämtlichen Sachargumenten als Entscheidungshilfe für Volksabstimmungen und Volksbefragungen bereitzustellen, die Ergebnisse von Begutachtungsverfahren zu Gesetzentwürfen überblicksmäßig darzu­stellen, ein zentrales Wählerregister einzurichten und die elektronische Einbrin­gung von Bürgerinitiativen leichter zu ermöglichen. Oder: Über eine Onlineplattform sollen sowohl alle offiziellen Stellen als auch alle Bürger:innen Stellungnahmen abgeben und bereits vorhandene Anmerkungen unter­stützen können.

Sie erkennen vielleicht, dass sich seit damals einiges getan hat.

Ich denke, wir sind alle jederzeit an der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft sowie unseres politischen Systems interessiert (Beifall bei der ÖVP), voraus­gesetzt, es passiert in einem verfassungsrechtlich abgesicherten Rahmen unter Einhaltung unserer Verträge und im Bewusstsein unseres föderalen Systems.

Es wird im Verfassungsausschuss die entsprechende Zeit für die Diskussion darüber geben, und ich möchte festhalten, dass Gesetzesänderungen zur Stärkung der Demokratie sowie die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in ebendiese Demokratie durchaus zu begrüßen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


15.30.41

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Liebe Initiatorinnen und Initiatoren des Echte-Demokratie-Volksbegehrens! Ganz grundsätzlich begrüße ich es, wenn Menschen sich engagieren, und es passiert jetzt immer öfter, dass Elemente der direkten Demokratie, die unsere repräsentative Demokratie ja zulässt, in


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Anspruch genommen werden und wir die Möglichkeit haben, uns mit ganz, ganz zentralen Themen, die die Gesellschaft in Österreich bewegen und beschäftigen, hier auseinanderzusetzen.

130 000 Menschen – das ist sehr beeindruckend, Kompliment! Ich möchte aber an dieser Stelle unmissverständlich unterstreichen: Es sind 28 Seiten Vorschläge, durchaus spannend, aber ich bin nicht mit allem, was dort ausgeführt ist, einverstanden. Ich bekenne mich und wir, die Sozialdemokratische Partei, bekennen uns zur repräsentativen Demokratie mit den Elementen der direkten Demokratie.

Wobei ich Ihnen aber durchaus recht geben kann: Irgendwie ist Sand im Getriebe. Ich habe das in meinen Reden heute schon einmal thematisiert: Wir stürzen in internationalen Rankings, wenn es um die Beurteilung der Frage, wie die Qualität einer Demokratie in einem Land ist, geht, drastisch ab. Das macht mich schon besorgt, und ich verstehe auch, dass das viele in diesem Land beschäftigt, weil sie spüren, dass da irgendetwas nicht passt.

Ich möchte exemplarisch nur eines nennen: Wie gehen denn Gesetze durch das Parlament? – Ganz zentral dabei ist natürlich der Umgang der Mehrheits­parteien mit den Oppositionsparteien, und insbesondere in den vergangenen fünf Jahren haben wir da zum Beispiel deren Missachtung der Opposi­tions­parteien gesehen. Das ist auch ein Teil dessen, wie mit Demokratie umgegangen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie werden Gesetze gemacht? – Wir sehen, dass sehr viele Initiativanträge gestellt werden, und darunter leidet natürlich der demokratische Prozess. Es ist nämlich vorgesehen, dass es eine Begutachtungsfrist gibt, in der Expert:innen und Rechtsanwender:innen Stellungnahmen abgeben, und idealerweise sollte man diese Stellungnahmen einarbeiten. Das passiert nicht.

Ein ganz aktuelles Beispiel: Wir haben heute über das Maßnahmenvoll­zugs­anpassungsgesetz debattiert, das im Dezember beschlossen wurde – trotz aller


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Kritik von Expert:innen, trotz aller Anträge der Oppositionsparteien; all das wird in den Wind geschlagen, dann wird irgendetwas beschlossen und als Reform, die es nicht ist, präsentiert; ein halbes Jahr später nehmen es dieselben Parteien Schritt für Schritt wieder zurück.

Das ist zum Beispiel ein Zeichen dafür, dass es hakt. Ich bin der Meinung, wir müssen über die Demokratie reden, aber auch unsere Kinder müssen das sehr früh schon an den Schulen lernen, und da denke ich nicht an Parteipolitik, sondern an die politische Bildung, an das Bewusstsein, wie wichtig Demokratie ist und wie Demokratie funktioniert.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschussdebatte und gratuliere Ihnen ganz grundsätzlich auch zu Ihrem Engagement, auch wenn ich vielen Punkten in den Ausführungen nicht wirklich zustimmen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.34.11

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch ein bisschen deutlicher sein als meine Vorrednerin. Blumen, wie sie den Betreibern von Volksbegehren üblicher­weise gestreut werden, hätte ich nämlich in diesem Fall für Herrn Marschall keine, und das liegt an der Begründung des Volksbegehrenstextes.

Wir in diesem Hohen Haus haben doch alle gelernt, Anträge auch dahin gehend zu prüfen, wie sie denn begründet sind. In dieser Begründung ist die Rede davon, dass diese Koalition ein „Regierungskartell“ wäre, dass Österreich eine „Diktatur auf Zeit“ wäre, dass wir es in Österreich mit manipulativen Wahlen zu tun hätten und dass unsere Form der repräsentativen Demokratie diesem Land letztlich „aufgezwungen“ worden wäre.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 239

Ich habe beim Studium der 28-seitigen Begründung dieses Volksbegehrens ein bisschen den Eindruck gewonnen, dass das, was Herr Marschall unter Demo­kratie versteht, doch etwas deutlich anderes ist als das, was unser Verfassungs­vater Hans Kelsen, aber auch wir hier in diesem Parlament darunter verstehen.

Seine Auffassung von Demokratie läuft nämlich darauf hinaus, dass einige Tausend Demonstrierende auf der Straße ihren Willen haben sollen, und wenn sie den nicht haben können, ist es undemokratisch. Wir haben in letzter Zeit ja auch erlebt, dass Volksbegehrenbetreiber gar nicht mehr ins Parlament kommen, aber vielleicht kommt Herr Marschall ja ins Parlament, dann können wir darüber eine offene Aussprache führen.

Trotzdem an dieser Stelle: mein Respekt für alle Menschen, die Volks­be­gehren unterzeichnen. Ich weiß nicht, ob alle 130 000 alle 28 Seiten der Begründung erstens studiert haben und zweitens sich dieser anschließen, das lasse ich jetzt einmal dahingestellt; die Grundforderungen des Volksbe­gehrens lesen sich auf den ersten Blick ja ganz in Ordnung, aber wie gesagt: Unter dem Begriff Demokratie kann man durchaus verschiedene Dinge verstehen.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine mögliche vertiefende Auseinander­setzung mit Herrn Marschall im Ausschuss. – Ich danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte sehr.


15.37.01

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Wir sprechen über das Echte-Demokratie-Volks­begehren. Wie meine Vorredner und -rednerinnen auch schon ange­sprochen haben, geht


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es da nicht um echte Demokratie, sondern es geht um die Wunschvorstellung eines Initiators, und er hat für diese Wunschvorstellung die Unterschriften von 130 000 Menschen gewonnen, die sein Anliegen unterstützen. Das ist zu respektieren, und deswegen debattieren wir es auch heute.

Inhaltlich, muss man in aller Klarheit sagen, sind viele Forderungen, die da ent­halten sind, für uns NEOS nicht mittragbar – ob es die Reduktion einer Legislaturperiode auf zwei Jahre ist, ob es ein Verbot von Koalitionen ist, wodurch es keinen Raum für stabile parlamentarische Mehrheiten, die auch Reformen hervorbringen können, gibt, ob es, was durchaus auch impliziert ist, eine so kritische Haltung zur Europäischen Union ist, dass sie einen Austritt nahelegt, oder auch die Rückkehr zum Schilling und viele andere sehr konkrete Forderungen, die ganz weit weg von dem sind, was heute Fundament für eine erfolgreiche Zukunft ist.

Es lassen sich aus diesem Volksbegehren aber auch – und zwar im Detail auf diesen 28 Seiten – die Erfahrungen herauslesen, die der Initiator in der Vergangenheit selbst gemacht hat, zum einen als Begründer einer Kleinpartei, die mehrfach bei Wahlen kandidiert hat und nicht ausreichend erfolg­reich war. Da sind durchaus sehr genau begründete Inhalte zu finden, nämlich betreffend die Fragen: Wie kann ich in Österreich eine Partei gründen, kandidieren? Wie wird mit Stimmen umgegangen, wenn man mit seiner Partei nicht über der Einzugshürde landet? Wie wird im Wahllokal mit meiner Stimme umgegangen? Wie sind überhaupt die Zulassungskriterien? Da gibt es durchaus sehr konstruktive Vorschläge, und auf die werden wir NEOS uns auch im Ausschuss konzentrieren.

Ein zweiter Punkt, der auch aus diesem Volksbegehren herauslesbar ist, ist die tiefe Unzufriedenheit aufgrund der Erfahrungen aus der Pandemie: wie wir mit Grund- und Freiheitsrechten umgegangen sind, wie wir und wie auch Medien mit Information umgegangen sind. Dahin gehend kann man das Volksbegehren durchaus zu einer kritischen Reflexion nutzen und sagen: Es war


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in der Vergangenheit nicht alles gut – was können wir in Zukunft besser machen?

Wir stehen dem Anliegen, dem, was diese 130 000 Menschen unterstützen, insofern auch konstruktiv gegenüber, dass wir diese Stimmen hören wollen und diese Stimmen quasi für eine Verbesserung nutzen wollen. Das, was der Initiator ursächlich beabsichtigt, nämlich die Destabilisierung einer parlamen­ta­rischen Demokratie im Herzen Europas, werden wir nicht mittragen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.39

15.39.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich weise das Echte-Demokratie-Volksbegehren, 2074 der Beilagen, dem Verfassungsausschuss zu.

15.39.4813. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „Beibehaltung Sommerzeit“ (2075 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 13. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hörl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.40.11

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Ich darf zur Diskussion um die Sommerzeit reden. Über 160 000 Mitglieder haben dieses Volksbegehren unterschrieben. (Abg. Leichtfried: Was für Mitglieder haben da unterschrieben? Das waren doch keine Mitglieder!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 242

Ich denke, dass wir, vielleicht auch zur Entspannung, vielleicht doch ein bisschen zurückgehen und nachdenken sollten, woher diese Zeiten überhaupt kommen. Als es noch die Postkutsche gab, brauchte man mit der Postkutsche oder zu Fuß von Wien bis Innsbruck immerhin 93 Stunden. Das wären nach SPÖ- und Babler-Rechnung drei Arbeitswochen. (Heiterkeit der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Leichtfried: Wenn man von Mitgliedern redet, soll man besser ruhig sein!) Da war es natürlich egal, welche Zeit man gehabt hat, wenn man von Ort zu Ort gereist ist. Der Zeitunterschied war im Übrigen 20 Minuten.

Diese unterschiedlichen Ortszeiten waren jahrhundertelang in Gebrauch und bei den gemütlichen Ortskundigen auch kein ganz großes Problem. Erst durch die steigende Reisegeschwindigkeit wurden sie zu einem Problem, wofür natürlich eine Lösung gesucht werden musste.

Als dieses wunderschöne Parlament vor 140 Jahren, 1883, gerade fertiggestellt wurde und sich Österreich über eine Fläche von 676 615 Quadratkilometern erstreckte – also nicht über rund 84 000, wie es jetzt der Fall ist –, gab es in Österreich zwei Zeitzonen: Es gab eine österreichische, nämlich die Prager Zeit, und eine Budapester Zeit, die um 19 Minuten differierte. Es gab also Zeitzonen für Cis- und Transleithanien, eine für die österreichische und eine für die ungarische Reichshälfte. An der Zeitzonengrenze mussten Bahnreisende ihre Uhren – je nachdem, in welche Richtung sie fuhren – um 19 Minuten vor- oder zurückstellen.

Die Lokomotiven waren damals ja noch mit Kohle betrieben. Mit dem Wasser­stoff dauert es etwas länger. (Heiterkeit der Abg. Pfurtscheller.) Innovative Projekte in Österreich und insbesondere in Tirol dauern sehr, sehr lange, und Pioniere haben es manchmal schwer.

Diese beiden Zeitzonen galten aber nur für Österreich und Ungarn. Andere Länder fanden andere Regeln und Lösungen, um die jeweiligen Ortszeiten miteinander in Einklang zu bringen. In Deutschland galten die Berliner und die


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Hamburger Zeit, und ab der oberösterreichischen Grenze galt die Münchner Zeit für Bayern.

Der große Fortschritt war dann 1891 die Einführung der mitteleuropäischen Zeit, zuerst nur für den Bahnbetrieb, 1893 dann für das tägliche Leben für alle. Dies sorgte innerhalb der eigenen Staatsgrenzen und in Mitteleuropa für Einheitlichkeit. Das, glaube ich, ist der Hauptpunkt.

Etwas Unruhe in das wirtschaftliche System brachte 1973 der Jom-Kippur-Krieg, die Energiekrise, denn da begann man aus Energiespargründen mit Sommerzeit und Winterzeit, aber erst 1976 wurde diese Sommerzeit eingeführt.

Ich denke, für uns ist es wichtig, dass es einheitliche Regelungen für Mittel­europa gibt. Ich fordere ein konzertiertes Vorgehen für Österreich als Export- und Tourismusregion, die mitten in Europa liegt und von Nachbarn umgeben ist. Gerade wenn man wirtschaftlich und vor allem familiär so eng mit den europäischen Nachbarn verbunden ist, drohen jeder Alleingang und jede Abweichung zu Verwerfungen und Komplikationen zu führen. Gerade in der Coronapandemie haben wir ja gesehen, dass nationale Alleingänge und differenzierte Regelungen zu großen Problemen und Verwerfungen führen.

Es geht also nur gemeinsam. Ein zeitlicher Fleckerlteppich ist unbedingt zu vermeiden. Wenn alle im europäischen Team so weit sind, können wir gerne die Sommerzeit beibehalten und uns die zweimalige Zeitumstellung pro Jahr ersparen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

15.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke für das lehrreiche Stück Zeitgeschichte.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Feichtinger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 244

15.44.04

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens! In Österreich wurde die Sommerzeit 1916 das erste Mal im Zuge des Ersten Weltkrieges eingeführt. Bis 1920 ist es so weitergegangen. Dann gab es wieder Abschaffungen, dann wurde sie wieder eingeführt. Schlussendlich haben wir dann die Sommerzeit 1996 über die EU in Österreich bekommen. Sie ist jetzt in der gesamten EU gültig. Sie hat viele Vorteile: Es gibt am Abend länger Tageslicht, man kann mehr mit der Familie anfangen, man kann es sich am Abend besser einteilen, am Morgen ist es länger kühl.

Aus meiner Sicht fällt auch das Thema der Zeitverschiebung in die Normalzeit im Oktober weg. Der Biorhythmus bei Mensch und Tier ist einfach ein großes Thema. Besonders bei den Kleinkindern merkt man es an der Stunde, um die sie dann früher munter werden. Es ist dann für den Elternteil oft nicht so lustig, wenn man schon um 5 Uhr morgens aufsteht, weil die Zeitverschiebung wieder aktuell ist.

All diese Dinge sind einfach sehr unangenehm: über das ganze Jahr die Zeitver­schiebungen, immer wieder eine Stunde vor, eine Stunde zurück. Daher gibt es sehr viele positive Dinge, die dafür sprechen, die Sommerzeit endlich als Normalzeit zu übernehmen.

Allerdings fordert dieses vorliegende Volksbegehren die bundesverfassungs­rechtliche Verankerung. Das ist einfach in dieser Form nicht möglich und ein Problem.

Obwohl es die Entschließungen des EU-Parlaments auf Vorschlag der EU-Kommission zur Beibehaltung der Sommerzeit gibt, konnten die Mitgliedstaaten sich noch immer nicht einigen und das einheitlich umsetzen. Es braucht einen gemeinsamen Standpunkt im Rat, um die Sommerzeit beizubehalten. Ein Vorgehen der einzelnen Mitgliedstaaten ohne Abstimmung würde zu einem


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Zeitzonenfleckerlteppich führen, wie es Kollege Hörl auch schon erwähnt hat.

Ich appelliere an die Regierungsfraktionen, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Sommerzeit nun endlich zur Normalzeit gemacht wird und ein einheitliches Vorgehen innerhalb der EU umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

15.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.


15.46.16

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Auch von unserer Seite ein herzliches Danke an die Initiatoren dieses Volksbegehrens und gleichzeitig natürlich auch an alle Unterstützer, über 168 000 Menschen, die diesem Anliegen positiv gegenüberstehen.

Der historische Ausflug von Kollegen Hörl reichte ja von der Kutsche bis zur Transsibirischen Eisenbahn. Okay, es ist legitim, das in dieser Art historisch zu betrachten, aber in der Gegenwart, in der wir uns jetzt befinden, wäre es höchst an der Zeit, sich auf europäischer Ebene zu einer einheitlichen Herangehens­weise an dieses Thema zu einigen und dieses auch zu begründen. Da ist natürlich die Bundesregierung gefordert, sich dementsprechend einzusetzen, um ein einheitliches Vorgehen und keinen europaweiten Fleckerlteppich zu organisie­ren, und aktiv zu werden. Der Beschluss im Europäischen Parlament auf Vorschlag der Kommission, wie wir schon gehört haben, war ja schon 2019.

Es hat natürlich auch auf den Menschen, auf den Organismus, und auf die Tiere Auswirkungen: Es kommt zum Jetlag, der Biorhythmus ist gestört.

Das Volksbegehren ist also in dieser Art und Weise zu unterstützen. National nicht, aber auf europäischer Ebene wäre es höchst an der Zeit, diesen Beschluss auch umzusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.47



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 246

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Litschauer. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


15.47.57

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Volksbegehren Beibehaltung Sommerzeit.

Bei der Vorbereitung heute ist mir eine kleine Geschichte in die Hände gefallen. Die beginnt so: „Auf der bunten Blumenwiese geht ein buntes Tier spazieren, wandert zwischen grünen Halmen, wandert zwischen Schierlingspalmen, freut sich, dass die Vögel singen, freut sich an den Schmetterlingen, freut sich, dass sich’s freuen kann. Aber dann ...“

Sie haben es erkannt. Das ist „Das kleine Ich-bin-ich“ von Mira Lobe. Warum ist mir das heute eingefallen? – Sie haben es gehört: Das endet mit „Aber dann ...“.

Eigentlich haben wir uns bei der Debatte rund um die Sommerzeit schon gefreut, nämlich darüber, dass die Zeitumstellungen in der EU bald beendet sein werden. Die Freude war sehr groß, und dann kam das große Ich-bin-ich in der EU. Die einen wollten die Winterzeit, die anderen wollten die Sommerzeit, und plötzlich gab es Stillstand.

Jetzt ist die große Frage: Wie kommen wir aus diesem Stillstand in der Lösungsfindung heraus?, denn ich glaube, alle sind daran interessiert, dass das Umstellen der Uhren in Zukunft beendet wird. Dazu, glaube ich, wäre es vielleicht notwendig, ein bisschen von dem Ich-bin-ich zurückzutreten und eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Wir können ja vielleicht auch unsere Beginnzeiten anpassen: wann die Schule beginnt, wann die Arbeit beginnt, wann wir frei haben werden. Das ist manches Mal sehr individuell, manchmal in der Gruppe zu entscheiden, aber auch das kann man nach dem Festlegen der Zeit machen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 247

Wir haben gemerkt, beim Energiesparen hat es uns nicht mehr geholfen, da bringt es uns nichts mehr. Es gibt sehr viele Turbulenzen im Fahrplan, wenn immer umgestellt wird. Das ist ein großer Nachteil. Sehr viele andere Nachteile, glaube ich, sind auch im Volksbegehren angeführt. Ich glaube, diese wollen wir beseitigen. Deswegen: Schauen wir, dass wir das gemeinsam in der EU hinkriegen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Seidl. – Bitte.


15.50.01

Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich sage Ihnen ganz ehrlich, seit wir diese Zeitumstellungsdebatte führen, und die führen wir ja schon ziemlich lange, raubt sie mir wirklich mittlerweile auch schon den Schlaf, nicht nur die Zeitumstellung selbst, sondern auch die Debatte darüber. Es geht wahrscheinlich niemandem anders, aber jedes Mal, wenn es zur Zeitumstellung kommt, ist das besonders in Familien mit Kindern eine Riesendebatte, wie sich das auswirkt.

Ich habe darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn sozusagen ewig Sommer wäre. Das klingt ja auf den ersten Blick wahnsinnig attraktiv, und es wäre länger hell. Auf den zweiten Blick wäre es halt auch in der Früh viel länger dunkel, das heißt, die Kinder hätten den Weg zur Schule viel länger in der Dunkelheit zurückzulegen. Die Sonne geht dann frühestens um 9 Uhr auf.

Das sage ich, obwohl ich ein Morgenmensch bin, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich in meiner Familie nachfrage, dann wird nicht ganz klar, was wir wollen. Wir wollen lediglich, dass nicht mehr umgestellt wird, und das ist auch genau das, was die Europäische Union beschlossen hat. Die hat eben nicht beschlossen, dass die Sommerzeit kommen soll, sondern dass wir nicht mehr umstellen sollen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 248

Wie mein Vorredner bereits ausgeführt hat, ist die Debatte dann eingeschlafen. Nach 2019 ist nichts mehr passiert, weil man sich eben auch in der EU-Familie wie in meiner Familie nicht darauf hat einigen können, welche Festlegung besser wäre. Man darf ja auch nicht vergessen, was das in Portugal für Auswirkungen hat, wenn wir es bei der ewigen Sommerzeit belassen wollen. Bei denen geht dann nämlich um 3 Uhr in der Früh die Sonne auf. Da gibt es natürlich zwischen den verschiedenen Ländern Riesenunterschiede. Deswegen sollten wir auch ganz genau darüber nachdenken, was wir tun werden. Dieses Familiendilemma in der EU aufzuheben wird sehr, sehr schwierig. Deswegen ist auch schon lange nichts mehr passiert und wurde die Debatte ausgesetzt.

Ich glaube, bis 2026 gibt es jetzt noch die Möglichkeit, dass man sich einigt. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Einigung funktionieren wird. Wir alle haben vielleicht auch selber noch ein bisschen Zeit, darüber nachzudenken. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob ich für die Sommer- oder Winterzeit bin.

Trotzdem danke ich den Initiatoren des Volksbegehrens sehr dafür, dass sie dieses Thema noch einmal aufs Tapet gebracht haben. Und falls es Sie interes­siert, auch bei den NEOS sind wir uns noch nicht ganz einig, worauf es am Ende des Tages hinauslaufen soll. Beide Varianten haben ihre gute Berechtigung und auch Vor- und Nachteile. Ich appelliere an die Bundesregierung, dass sie trotzdem im europäischen Kontext im Gespräch bleibt, denn irgendwann werden wir eine Entscheidung treffen müssen, und dann wäre es gut, wenn wir in Österreich eine Haltung dazu hätten, mit der wir in diese Entscheidungsfindung hineingehen könnten. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.52

15.52.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort dazu ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich weise das Volksbegehren Beibehaltung Sommerzeit in 2075 der Beilagen dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zu.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 249

15.53.0014. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „GIS Gebühren – NEIN“ (2076 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Diesner-Wais. Ich darf ihr das Wort erteilen.


15.53.11

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Ja, wir behandeln das Volksbegehren mit dem Titel GIS-Gebühren – Nein, und das schließt inhaltlich voll an der Diskussion und den Beschlüssen an, die wir am Mittwoch gehabt haben. Das Volksbegehren verlangt, dass es keine allgemeinen Gebühren oder Abgaben zur Finanzierung des ORF geben soll. 167 406 Unterzeichner gab es; damit liegt es im Mittelfeld aller bisherigen Volksbegehren. Das Volksbegehren greift ein Thema auf, das die Menschen sowohl politisch als auch gesellschaftlich bewegt, und es ist natürlich immer populär, wenn man Abgaben oder Gebühren abschaffen will. Zu einer Zeit, in der es sehr viele irreführende Meldungen, Berichte, Informationen und Medien gibt, ist es, glaube ich, wichtig, einen öffentlichen Rundfunk zu haben.

Vielleicht noch einmal ganz kurz zu den Fakten: Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 30. Juni 2022 festgestellt, dass die Finanzierung des ORF eben nicht verfassungskonform, sondern verfassungswidrig ist, eben wegen dieser Streaminglücke. Nun gibt es eine Neuregelung, die wir beschlossen haben, mit der wir viele Faktoren berücksichtigt haben. Auch die soziale Ausgewogen­heit wurde berücksichtigt, indem es weiterhin für all jene eine Befreiung von der Rundfunkgebühr gibt, die schon bis jetzt nichts bezahlt haben. Insgesamt ist die neue Regelung fair, transparent und auch eine Lösung, die günstiger ist, als sie es zuvor war. Natürlich fällt auch die Vor-Ort-Kontrolle weg, in deren Rahmen die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 250

Kontrollore an die Haustüren gekommen sind. In diesem Sinn haben wir das ORF-Gesetz reformiert.

Ebenso haben wir eine solidarische Basis geschaffen, dass eben ein öffentlicher Rundfunk fair, transparent, günstiger und mit einem Programm mit vielen Angeboten, das so bunt wie eine Blumenwiese sein kann, ist. Wir nehmen aber natürlich jedes Volksbegehren sehr ernst und werden es daher im Ausschuss nochmals behandeln. (Beifall bei der ÖVP.)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte sehr.


15.55.39

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir behandeln das Volksbegehren GIS-Gebühren – Nein, das von 167 000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt worden ist, jetzt in der ersten Lesung. Von der Intention und den Forderungen her ist dieses Volksbegehren jenem Volksbegehren sehr ähnlich, das wir vor zwei Tagen hier im Parlament behandelt haben, nämlich mit der Forderung, die GIS-Gebühren abzuschaffen, sämtliche Abgaben und Gebühren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abzuschaffen.

Als SPÖ bekennen wir uns ganz klar zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. (Beifall bei der SPÖ.) Wir sehen ihn als Garant zur Erfüllung eines breiten Informations- und Bildungsauftrages. Für diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen wir natürlich eine gesicherte Finanzierung, die eine unabhängige Berichterstattung möglich macht. Die GIS-Gebühren, die im Volksbegehren angesprochen sind, sind nach der Beschlussfassung des ORF-Gesetzes vom Mittwoch bald Geschichte, die wird es nicht mehr geben. Notwendig geworden ist dieses Abgehen von der geräteabhängigen GIS-Finanzierung aber auch, weil der Verfassungsgerichtshof uns den Auftrag gegeben hat, eine neue Finanzierungsgrundlage für den ORF auf den Weg zu


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 251

bringen. Künftig gibt es diese geräteabhängige GIS-Gebühr nicht mehr, sondern eine Haushaltsabgabe.

Und ja, wir haben am Mittwoch auch sehr klar gesagt, wo wir den Haken an dieser Haushaltsabgabe sehen, nämlich daran, dass es keine soziale Staffelung gibt, dass es keinen Unterschied macht, ob ich eine teilzeitbeschäftigte Alleinerziehende bin, ob ich einen Mehrpersonenhaushalt mit gut verdienenden Personen habe oder ob ich Millionärsgattin oder Millionär bin und in einer Seevilla wohne. Die Haushaltsabgabe macht da keinen Unterschied, aber wir wollen eine soziale Staffelung der Haushaltsabgabe haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir die Befreiung von den GIS-Gebühren und von der Haushaltsabgabe miteinander vergleichen, zeigen sich ganz konkrete Verschlechterungen. Und ja, da wollen wir, dass das nachgeschärft wird, dass es auch bei den Befreiungen von der Haushaltsabgabe wieder zu mehr Gerechtigkeit kommt.

Leider haben ÖVP und Grüne zusätzlich auch noch verabsäumt, mit dieser ORF-Reform die Unabhängigkeit des ORF als rot-weiß-rotes Leitmedium sicher­zu­stellen. Das wäre wirklich dringend notwendig gewesen.

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade in Zeiten von Fakenewsplattformen, die uns überschwemmen, brauchen wir gesicherte Informationen eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir als Sozialdemokratie wollen daher einen starken ORF entsprechend unterstützen. Nutzen wir die Diskussion zu diesem Volksbegehren im Verfassungsausschuss, um das ORF-Gesetz entsprechend nachzuschärfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Blimlinger; bei ihr steht das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 252

15.58.47

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Meine Vorredner:innen haben schon darauf hingewiesen, dass wir bereits vor zwei Tagen ein ähnliches Volksbegehren debattiert haben. Ich möchte in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Bevollmächtigte wiederum Mag. Marcus Hohenecker ist und das für ihn offensichtlich ein Geschäftsmodell ist. Ich finde es wirklich zutiefst traurig, muss ich fast sagen, dass dieses total zentrale und wichtige Element der Demokratie gewissermaßen zu einem Geschäftsmodell gemacht wird und die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner – es sind immerhin rund 170 000 – eigentlich in einer Weise funktionalisiert werden, die mich wiederum ganz im Sinne der Demokratie sehr bedenklich stimmt, und wenn man dann – wir haben das besprochen – nicht einmal zur Besprechung des Volksbegehrens kommt, umso mehr.

Es ist obsolet, es wird ein ORF-Beitrag eingeführt. Ich darf zur Frage der sozialen Staffelung darauf hinweisen: Es verhält sich ähnlich wie bei der Kinderbeihilfe, sie ist auch nicht sozial gestaffelt (Abg. Erasim: Aber da bekommen die Leute was!), weil solche Beiträge beziehungsweise Abgaben gleich sein müssen und eine Umverteilung nur über Steuern und nicht über Abgaben zu funktionieren hat. Das wissen aber Sie eigentlich besser. Der ORF-Beitrag wird also eingeführt: für alle gleich, außer für die, die davon befreit werden.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es einen autofreien Heldenplatz geben muss, der – wir haben heute einen sehr heißen Tag – Wiesen, Blumenwiesen, viele Bäume und selbstverständlich einen Bach zur Abkühlung braucht. Wenn es nicht der Ottakringer Bach ist, könnte man auch einen kleinen See machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Singer.)

16.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brandstötter. – Bitte sehr.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 253

16.01.12

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Bei manchen Vergleichen weinen Blumenwiesen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen.) Die einen wollen GIS-Gebühren abschaffen, andere haben sie schon abgeschafft. Die Rede ist von den medienpolitischen Verfehlungen der Grünen, von den grünen medien­politischen Sündenfällen.

Ich zähle sie einmal der Reihe nach auf, beginnen wir mit den Sideletters. Dazu hat Kollegin Blimlinger in ihrem Antrittsinterview gemeint: „Wir wollen zumindest dafür sorgen, dass das Führungspersonal des ORF anders, öffentlicher und weniger parteipolitisch bestellt wird.“ – In Wahrheit gab es geheime Nebenvereinbarungen zwischen ÖVP und Grünen betreffend Postenbesetzun­gen im ORF. Vermutet wurden diese rechtswidrigen Sideletters ja schon länger, die auch die Unabhängigkeit des ORF weiter unterminieren. Die Grünen wollen dasselbe wie ÖVP und FPÖ: Sie wollen Einfluss, sie wollen den Druck auf die Berichterstattung ausüben können, wenn ihnen diese nicht passt. Sie haben ja auch ihre Jobs bekommen. Ich erinnere daran, dass der Stiftungsratsvorsitzende des ORF Lothar Lockl von den Grünen bestellt worden ist.

Es wurde auch zwischen ÖVP und Grünen vereinbart, wie die ORF-Direk­toren aufgeteilt werden: Die ÖVP bekommt drei Direktoren und den Generaldirektor, die Grünen bekommen zwei Direktoren. Und als diese Sideletters ruchbar wurden, hat Kollegin Blimlinger Folgendes gesagt: Man muss sich entscheiden, ob man ein korrupter Idiot oder ein naiver Idiot ist. – Dass man einfach nur redlich sein kann, das kommt einem bei den Grünen anscheinend überhaupt nicht mehr in den Sinn. (Beifall bei den NEOS.)

Nächster Punkt ist die Regierungswerbung: Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, und da gönnt sich die Regierung, also ÖVP und Grüne – aus ihrer Sicht absolut logisch –, auch das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 254

teuerste PR-Budget aller Zeiten. Ich erinnere daran, dass sich vor zwei Jahren ÖVP und Grüne einen sehr eindrucksvollen Rahmen gegeben haben: 180 Millionen Euro können demnach in den dann darauffolgenden vier Jahren für Regierungswerbung ausgegeben werden, weitere 30 Millionen Euro stehen für die Kreation dieser Werbung zur Verfügung. Wenn man mit diesem Geld aber nicht auskommt, dann kann man diesen Rahmen auch noch überziehen.

Ganz vorne mit dabei sind die Grünen da mit Umweltministerin Gewessler, die hat nämlich letztes Jahr in ihrem Ministerium mehr als 12 Millionen Euro für Werbung ausgegeben – also Propaganda statt patenter Politik scheint da auch das Motto zu sein.

Der nächste Sündenfall ist die „Wiener Zeitung“. Da weiß man überhaupt nicht, wo man anfangen und wo man aufhören soll. (Abg. Voglauer: Einfach digital nachschauen! So toll: wz.at! Wir sind da ganz modern!) 6 Millionen Euro werden da in Zukunft unter Aufsicht des Bundeskanzleramtes für Journalistenausbildung ausgegeben – 6 Millionen Euro, um auch da ein Einfallstor für Parteipropaganda zu bauen. Die Grünen haben das vehement verteidigt.

Man spricht ja auch in anderen Bereichen mit gespaltener Zunge. Kollegin Blimlinger hat noch vor drei Jahren gesagt: „Uns geht es schon massiv darum, die ‚Wiener Zeitung‘ auf Papier zu erhalten.“ (Abg. Blimlinger: Ja, haben wir eh getan!) – Gemäß dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von vor drei Jahren?, sieht man das jetzt ganz anders. Man hat übrigens auch gesagt, dass die Jobs aller Mitarbeitenden erhalten bleiben, stattdessen wurden sie hin­ausgeschmissen. Dazu habe ich übrigens nirgendwo Solidaritätsbekundungen gehört.

Es gab dann aber stattdessen den Vergleich des Zusammenbruchs des Dritten Reichs in Österreich mit der Reduzierung der ältesten Tageszeitung der Welt auf eine Onlineausgabe. Wie man so einen kruden Vergleich zusammenbringt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 255

Kollegin Blimlinger, das bleibt einfach ein Rätsel. (Abg. Voglauer: Dafür hat sie sich entschuldigt danach, also bitte!)

Nächster Punkt: Keine Entpolitisierung des ORF. Wir haben diese Woche ein neues ORF-Gesetz beschlossen, darin nicht enthalten ist die Klärung der Aufgaben und Funktionen des ORF. Weiterhin enthalten ist stattdessen ein Stiftungsrat, in dem ja die Grünen den Vorsitz halten; weiterhin enthal­ten ist auch ein Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektoren.

Das sind nur einige Punkte einer grünen Medienpolitik, die ein einziger Sünden­fall ist. Man kann sich aber nicht immer hinter dem Klimawandel verstecken, da helfen auch noch so viele Kampagnen der Umweltministerin einfach nichts. Es ist eure klare Mitverantwortung: Sideletters und Postenschacher im ORF, Megabudgets für Selbstbeweihräucherung, Niedergang der „Wiener Zeitung“ und dann auch noch ein verpfuschtes ORF-Gesetz. – Ich gratuliere dazu. (Beifall bei den NEOS.)

16.05

16.05.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich weise das Volksbegehren GIS-Gebühren – Nein dem Verfassungsausschuss zu.

16.06.0115. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „Lieferkettengesetz Volksbegehren“ (2077 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 15. Punkt der Tages­ordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 256

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


16.06.12

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir sprechen jetzt über das Lieferkettengesetz-Volksbegehren. Es ist auch eines der sieben Volksbegehren, das im Frühling unterzeichnet werden konnte. Mit 120 000 Unterschriften wird es selbstverständlich auch vom Parlament behandelt und nun dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen.

Lassen Sie mich vielleicht ganz am Anfang sagen: Ich bin natürlich absolut dafür, dass sich Unternehmen für Menschenrechte und für hohe soziale und ökologische Standards einsetzen. Trotzdem möchte ich vielleicht jetzt ein bisschen Objektivität in diese Lieferkettendiskussion einbringen.

Vorab: Die einseitige Wortwahl auf der Homepage der Initiative Lieferketten­ge­setz Österreich, wo Unternehmen pauschal verurteilt, als unmenschlich und gierig dargestellt werden, kann und möchte ich nicht begrüßen. (Beifall der Abgeordneten Haubner und Kopf.) Der absolute Großteil der österreichischen Unternehmen nimmt nicht nur seine Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschen­rechte und soziale und ökologische Standards wahr, sondern er handelt eben auch ökologisch vorbildhaft, nicht nur in der eigenen Produktion. Lassen Sie uns hier ehrlich sein: Wir sind einer der größten Produzenten und Exporteure von Umwelttechnologie. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Scherak.)

Nun aber zum Volksbegehren: Das Volksbegehren fordert ein Lieferketten­ge­setz, das Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte, Arbeits-, Tier- und Umweltschutz entlang der gesamten Lieferkette zu garantieren. Da bin ich ein bisschen ratlos, wie sich das die Verfasser vorstellen, denn – noch einmal: ja, ich bin dafür, dass wir Menschenrechte, ökologische und soziale Standards einhalten – wir müssen schon ein bisschen über die Verhältnismäßigkeit sprechen. Man kann das natürlich für seine eigene Produktion und auch für seinen direkten Lieferanten garantieren, das kann man über Audits et cetera,


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aber was einem nicht zuzumuten ist, ist, das für die indirekten Lieferanten, für die gesamte Lieferkette, auf die man einfach keinen Einfluss hat, zu garantieren. Das ist schlicht und einfach nicht möglich und somit realitätsfern. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Scherak.)

Ich würde Sie bitten, da vor allem an die kleinen Unternehmen zu denken, denn es ist klar, auch dann, wenn wir sie vom Gesetz ausnehmen – es wird da ja Regelungen und Schranken geben –, werden die natürlich indirekt inkludiert werden. Wenn ich diese Standards als großes Unternehmen für meine gesamte Lieferkette garantieren muss, dann werde ich natürlich dafür sorgen, dass auch die kleinen KMUs diese Standards implementieren. Das bedeutet natürlich auch für diese dann den gesamten Bürokratieaufwand, und im End­effekt kostet das ganz einfach Zeit, die sie ansonsten nutzen könnten, um zu produzieren – und das gerade in Zeiten, in denen wir händeringend nach Arbeits­kräften suchen.

Es ist mir vor allem auch wichtig, zu sagen: Wir verhandeln momentan über ein europäisches Lieferkettengesetz beziehungsweise eine Richtlinie. Ich glaube, es ist nicht wahnsinnig clever, wenn wir hier anfangen, vorab ein österreichisches Lieferkettengesetz zu schaffen. Wir sollten uns daher aktiv in die Trilogverhandlungen einbringen und schauen, dass wir da auch im Sinne der Unternehmen für Verhältnismäßigkeit sorgen.

Ich betone es noch einmal: Ich bin absolut dafür, dass unsere Unternehmen die Menschenrechte, die sozialen und die ökologischen Standards befolgen und dass wir auch dafür sorgen, so gut es geht, dass diese in der Lieferkette garantiert werden. Österreich ist aber längst ein führendes Land im Hin­blick auf verantwortungsvolles Unternehmertum. Ich möchte das wirklich betonen.

Und: Wir müssen im internationalen Wettbewerb dafür sorgen, dass unsere Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, denn ansonsten ist es zwar vielleicht


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gut gedacht, aber es ist nicht gut gemacht. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Stöger: Menschenrechte einhalten ist ...!)

16.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.


16.10.15

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Jeden Tag schuften 160 Millionen Kinder und Jugendliche, statt in die Schule zu gehen. Sie schuften auf Kakaoplantagen, in Bergwerken oder in der Textilindustrie, damit letztlich dann große Unternehmen und Konzerne möglichst niedrige Produktionskosten haben – so nennt man das dann –, während sie dadurch natürlich fette Gewinne einfahren können. Diese Ausbeutung ist auf unserem Globus tagtäglich gegeben.

Die Ausbeutung betrifft natürlich nicht nur Kinderrechte oder auch sonstige arbeitsrechtliche Standards, sondern es sind immer zwei Seiten einer Medaille: Das bedeutet natürlich auch Ausbeutung unserer Natur. Tag für Tag wird weltweit Regenwald der Fläche Wiens zerstört, für Rohstoffe, für Tropenhölzer, auch für Viehzucht. Da lassen wirklich große Unternehmen und Konzerne Regenwald roden, um dort billig Landwirtschaft zu betreiben, um dann eben große Gewinne damit einzufahren.

Der Punkt ist doch: Niemand will diese Produkte. Niemand in Österreich sagt: Ich will Schokolade kaufen, in der Kinderarbeit mit drinsteckt! Niemand sagt: Ich will ein Produkt kaufen, für das der Regenwald gerodet wurde! Der Punkt ist nur: Kein Konzern schreibt das auf die Schokolade drauf. Es steht ja nirgends offen drauf, es gibt ja die Transparenz für die Konsumenten und Konsumentin­nen nicht. So wird man tagtäglich, auch in österreichischen Supermärkten beispiels­weise, gezwungen, Produkte zu kaufen, die weder menschenrechtliche Standards noch Kinderrechte noch Umweltschutz beinhalten – und das muss ein Ende nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 259

Der Punkt ist: Das Thema ist ja nicht neu. Ich danke auch den Initiatoren dieses Volksbegehrens. Wir diskutieren das ja schon lange. Man kommt dann immer mit irgendwelchen fadenscheinigen Argumenten, von wegen: Nein, man arbeite eh daran; es gibt freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen. Die nutzen nichts! Gerade beim Thema Schokolade ist es schon seit Jahren, seit Jahrzehnten so, dass die Branche sagt: Nein, wir ändern das, wir verpflich­ten uns jetzt freiwillig! – Es hat nichts gebracht!

Es braucht das Lieferkettengesetz, denn es müssen endlich diejenigen in die Verantwortung genommen werden, die es ändern können (Abg. Haubner: Ah!): die Unternehmen und die Konzerne selbst, die anders produzieren müs­sen. Sie müssen wir in die Verantwortung nehmen, deshalb braucht es das Liefer­­kettengesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich braucht es das nicht nur auf europäischer Ebene – ja, da brauchen wir es auch, und da darf sich die österreichische Bundesregierung nicht länger so verhalten wie bisher, wo man blockiert hat; auch das muss man ehrlicherweise sagen –, sondern wir brauchen es auch in Österreich. Meine Kollegin Penny Bayr und ich, wir haben vor mittlerweile Jahren einen Vorschlag vorgelegt, wie ein österreichisches Lieferkettengesetz ausschauen könnte. Das wurde vertagt, vertagt, vertagt, vertagt. (Abg. Haubner: Man kann den Standort so auch ruinie­ren!)

Es gibt ja andere Länder, die es vormachen. Deutschland: Lieferkettengesetz, Frankreich: Lieferkettengesetz. Es gibt auch die nationalen Lösungen, und diese unterstützen natürlich die Lösung auf europäischer Ebene. (Zwischenruf der Abg. Niss.) Und die darf uns ja nicht reichen: Die Lösung auf europäischer Ebene trifft 0,1 Prozent der Unternehmen überhaupt (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Niss), so weit ist da der Rahmen gefasst. Natürlich muss man dann in Österreich nachschärfen. In Österreich wird es überhaupt kaum ein Unterneh­men treffen – so groß muss es sein, dass es zur Anwendung kommt. Also ja, wir müssen da ganz, ganz dringend nachschärfen. (Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Niss.)


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Ich höre nicht, was Sie rausschreien, Kollegin Niss, aber dann darf ich Ihnen auch sagen: Sie haben sich vorhin hierhergestellt und gesagt, Österreich sei ein führendes Land, was verantwortungsvolles Unternehmertum betrifft. (Abg. Niss: Ist es auch!) – Das würde ich auch so sagen, ganz klar (Abg. Niss: Ja eben!), aber trotzdem können wir nachweisen, wie immer wieder Produkte ihren Weg nach Österreich finden, in denen sklavereiartige Zustände mit drinstecken, in denen Kinderarbeit mit drinsteckt (Abg. Linder: Natürlich haben wir das!), in denen Umweltzerstörung mit drinsteckt. Das landet auch in unseren Unternehmen, in unseren Geschäften. Wenn Sie das einfach so wegwischen, ist das nicht okay! Auch wir haben hier eine Verantwortung, dagegen vorzugehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen wir die Unternehmen und Konzerne endlich in die Pflicht! Auch öster­reichische Unternehmen müssen ihre Lieferketten endlich kontrollieren, gerade im Textilbereich - - (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Niss.) – Ich höre Sie nicht. Bitte, kommen Sie nachher zu mir, dann reden wir es aus! – Gerade vom Textilbereich beispielsweise wissen wir, wie oft da Schindluder getrieben wird. Es muss ein Ende finden, auch wir haben eine Verantwortung für Menschen­rechte (Zwischenruf der Abg. Tanda), und diese können Sie hier nicht wegwischen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


16.14.39

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst möchte ich mich bei den 120 397 Menschen in Österreich bedanken. Vielleicht schauen Sie, die Sie dieses Volksbegehren unterschrieben haben und damit den Fokus auf das Thema Lieferketten richten, gerade zu. – Danke.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 261

Gleichzeitig möchte ich sagen: Wir beschäftigen uns seit mehreren Jahren intensiv mit dem Thema, diskutieren es immer wieder, und es ist ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, während vor Jahren noch gar nicht klar war: Was ist denn eine Lieferkette? Überhaupt machen wir uns jetzt Gedanken: Wo kommen unsere Produkte her? Wie werden sie produziert, unter welchen Bedingungen – Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Umweltzerstörung? Gibt es dort noch Blumenwiesen oder ist dort nur mehr Wüste? All das beschäftigt uns intensiv. Auch: Wer profitiert denn von den Produkten beziehungsweise von diesen Lieferketten? – Geldwäsche, Terrorismus, Sanktionen; eine Fülle von Themen, die uns in dem Zusammenhang beschäftigen.

Die Forderung nach einem Lieferkettengesetz ist also naheliegend, und auch ich verweise auf die EU. Wir sind in der EU, und ja, Deutschland war ein Vorreiter mit dem Lieferkettengesetz, ich muss aber auch sagen, dass das deutsche Liefer­kettengesetz gewisse Schwächen hat.

Der europäische Vorschlag ist ambitionierter. Er liegt bereits vor, das Europäische Parlament tritt in Trilogverhandlungen mit den Mitgliedsländern. Insofern würde es jetzt, in der Phase, in der wir jetzt sind, keinen Sinn machen, eine österreichische Lösung vorzulegen. Als Land, das sehr stark im internationalen Handel ist, macht es Sinn, dass wir uns an dieser euro­päischen Lösung gut beteiligen, mit starken Vorschlägen. Danke daher für diese Rückenstärkung durch das Lieferkettengesetz-Volksbegehren, dass wir uns für eine starke Lösung einsetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Ich möchte das auch noch ganz kurz aus der Perspektive der Unternehmen beleuchten. Ich glaube, für die Unternehmen, die bereits sorgfältig und gut handeln – und das sind sehr viele Unternehmen in Österreich; Kollegin Niss ist jetzt nicht da oder ich sehe sie gerade nicht (Abg. Niss: Hier bin ich!), Entschul­digung, ja, sie sitzt woanders; sie hat darauf verwiesen, wie viele das sind –, für diese ist das auch eine gute Nachricht, denn die sind ja sowieso nicht betroffen. Es geht eher um die schwarzen Schafe sozusagen, die Unternehmen, die von


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diesem Wettbewerb nach unten profitieren und hier billigst anbieten können, weil sie the race to the bottom, also diese billige Ausbeutung vor Ort, ausnützen und dadurch Wettbewerbsvorteile haben.

Was wir gleichzeitig aber schon sicherstellen müssen, ist, dass die Unternehmen die Auflagen, die sie durch Lieferkettengesetze bekommen, auch erfüllen können. Insbesondere wenn es kleine Unternehmen sind, wird es entsprechende Unterstützung brauchen, und wir müssen uns überlegen, wie kann bei­spielsweise Mam, das Gummi für Schnuller aus ich weiß nicht woher bezieht, nachweisen, dass dort die Umwelt- und Arbeitsbedingungen so sind, wie das im Lieferkettengesetz geregelt wird?

Wir stehen also vor einer Fülle von Aufgaben, aber ich glaube, wir brauchen uns nicht zu fürchten. Wir sind bisher auch im Export stark gewesen. Auch im Import müssen wir uns der Verantwortung stellen, und wir schaffen das. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist wiederum Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.


16.18.32

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollegin­nen und Kollegen! Ja, die Europäische Union ist eine Wertege­meinschaft, und das sind wir nicht zuletzt aufgrund unserer gemeinsamen Werte. Es ist klar, dass diese Werte nicht an den europäischen Grenzen oder in unserem Fall an den österreichischen Grenzen Halt machen. Wir sind aber natürlich auch eine Interessengemeinschaft. Unseren Wohlstand verdanken wir einem europäischen Markt, der seit Langem gemeinsame wirtschaftliche Interessen vertritt, und ein gemeinsames Lieferkettengesetz vertritt sowohl unsere Werte als auch unsere Interessen.


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Ich hoffe, dass niemand hier im Saal will, dass wir Produkte nur deshalb billig kaufen können, weil anderswo Kinder zur Arbeit gezwungen werden oder Menschen mit krebserregenden Inhaltsstoffen ungeschützt hantieren müssen. Da bezahle ich selber – und ich glaube, da sind wir uns einig – lieber etwas mehr, damit diese Produkte nicht mit Leid und Elend erkauft werden.

Das alles ist aber nicht nur eine Gefühlsduselei. Wenn unsere Produktions­stan­dards irgendwo anders auf der Welt missachtet werden, dann bedeutet das auch, dass unsere Produzentinnen und Produzenten preislich einfach nicht mit­hal­ten können. Wenn wir verlangen, dass in Europa nur Produkte verkauft werden können, die auch unseren Werten entsprechen, dann schützen wir ja damit auch unsere Unternehmen vor unlauterer ausländischer Konkurrenz.

Man darf dieses doch sehr noble Unterfangen jetzt aber auch nicht naiv angehen. Es kann ja nicht sein, dass die Politik die Aufgaben von Regulatoren dann einfach den Unternehmen umhängt. (Abg. Kopf: Genau!) Gerade bei kleinen Unternehmen, bei mittleren Betrieben muss man schon sehr genau hinschauen, wie viel Einfluss etwa ein österreichischer Importeur auf die Produktionsstan­dards eines riesigen Produzenten im doch sehr intransparenten China hat.

Wir müssen sehr genau darauf achten, dass bei diesen Gesetzen auch die Due Diligence – also vor allem das Due in Due Diligence – ein deutlicheres Gewicht hat, nämlich die Verpflichtung, das so zu gestalten, dass die Rahmen­bedingungen so sind, dass es unseren Unternehmen einfach auch zumutbar ist – nämlich auch zumutbar gemessen an ihrer Position in einer Lieferkette. Volkswagen beispielsweise kann sich sehr schnell eine Compliancefirma leisten, die genau das für sie erledigt, aber unsere KMUs können das einfach nicht. (Beifall des Abg. Scherak.)

Beim Zulieferer eines kleinen Ersatzteiles muss man nämlich ganz genau hinschauen, ob die Kosten mit der Wirtschaftsaktivität dort überhaupt zu verantworten sind. Wenn wir nicht wollen, dass dieses Gesetz die kleinen


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Betriebe aus dem Markt drängt, dann müssen wir einfach auch schauen, wie wir dieses Gesetz bauen.

Um ein Beispiel zu nennen: Stellen Sie sich einmal eine Schneiderei vor, die Reiß­verschlüsse kauft. Die braucht sie, um für die Kunden Reißverschlüsse ausbessern zu können. Woher soll diese kleine Schneiderei wissen, wo auf der Welt und unter welchen Umständen dieser Reißverschluss produziert worden ist, ob das mit Leid und Elend und schlechten Umweltstandards ver­knüpft ist? – Das kann sie einfach nicht wissen!

Es gibt für mich noch einen weiteren wichtigen Punkt: Es darf im finalen Text auch keine Möglichkeiten für Zivilklagen geben, denn anderenfalls bekommen wir ganz schnell eine internationale Klagsindustrie mit Anwaltskanz­leien, die ganz genau schauen, wo man am schnellsten Geld herausholen kann. Wenn wir mit dem Lieferkettengesetz einen solchen Markt für Klagen schaffen, dann werden die einfach kommen, und bezahlen werden die Kleinen, weil die sich einfach nicht wehren können. Die haben nicht die Luft, nicht die finanziellen Kapazitäten, um sich diesbezüglich zu wehren.

Mein Appell beziehungsweise unser Appell lautet also, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen sehr genau darauf achtet, dass diese Gesetze einfach so formuliert sind, dass die Verantwortlichkeiten ganz genau geregelt sind und dass man diese auch dorthin legt, wo sie hingehören, und auch die Kapazitäten der betroffenen Unternehmen berücksichtigt.

Ich wünsche allen einen schönen Sommer. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lukas Hammer.)

16.22

16.22.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist dazu niemand mehr. Damit ist die Debatte geschlossen.


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Ich weise das Lieferkettengesetz-Volksbegehren in 2077 der Beilagen dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zu.

16.22.4616. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „Unabhängige JUSTIZ sichern“ (2078 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 16. Tagesordnungspunkt.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Scharzenberger; bei ihr steht das Wort. – Bitte.


16.23.01

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir kommen zum nächsten Volksbegehren. Es geht beim Volksbegehren Unabhän­gige Justiz sichern im Wesentlichen um drei Punkte.

Der erste Punkt des Begehrens lautet: „Untersuchungsrichter wieder einset­zen“. – Dieser ist im Rahmen der StPO-Reform 2008 abgeschafft worden; seither leiten die Staatsanwaltschaft und die Polizei das Ermittlungs­verfahren. Für bestimmte Ermittlungsmaßnahmen ist aber weiterhin die Bewilligung durch einen weisungsfreien Richter erforderlich. Im Regierungsprogramm ist die Stärkung der Staatsanwaltschaften zur unabhängigen Ermittlungsarbeit im verfassungsrechtlichen Rahmen vorgesehen.

Die Staatsanwaltschaft muss unabhängig von Beeinflussung arbeiten können, weswegen auch die Einsetzung eines Bundesstaatsanwaltes in Verhandlung ist – und das bringt mich auch schon zum zweiten Punkt, dem unabhängigen Bundesstaatsanwalt. Da sieht das Volksbegehren vor, dass sich dessen Verant­wortlichkeit gegenüber dem Parlament nur auf die nachträglichen Aus­kunftspflichten beschränken soll.

Diesbezüglich hat es 2021 einen Ministerratsvortrag gegeben, der die Schaffung einer unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwaltschaft vorsieht. In


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einer umfangreichen Justizreform sollen aber auch die Beschuldigtenrechte gestärkt und die Verfahrensdauern verkürzt werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass Beschuldigte nach einer Verfahrenseinstellung einen entsprechenden Kostenersatz erhalten.

Zur parlamentarischen Kontrolle gehört auch das Interpellationsrecht, das ist die Möglichkeit der Anfrage durch die Abgeordneten im Parlament. Wir sollten viel mehr darüber diskutieren, wie man die parlamentarische Kontrolle ausdehnt, als darüber, wie man sie einschränkt, und zusätzlich soll das Parlament in die Bestellung des Bundesstaatsanwaltes eingebunden werden.

Der dritte Punkt im Volksbegehren lautet, die WKStA in die Verfassung zu bringen. – Dazu ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaften ohnehin auch in Artikel 90a der Bundesverfassung geregelt sind. Unumgänglich wird aber sein, dass das Management von Großverfahren evaluiert wird, um rasche Erledigungen zustande zu bringen.

Aus dem Untersuchungsausschuss wissen wir ja auch, welche Problematiken sich aus Großverfahren ergeben. Die Führung von sehr großen Akten mit vielen Delikten und vielen Beschuldigten, wie es zum Beispiel im Casag-Verfahren der Fall ist, ist ein Grund für die häufigen Veröffentlichungen von Aktenbe­stand­teilen in den Medien. Da wird es Überlegungen betreffend die Bestimmungen zur Trennung von Verfahren brauchen.

Die Frau Justizministerin war ja selbst als Auskunftsperson im Untersuchungs­aus­schuss geladen, und sie ist uns dort ehrlich gesagt mehr Rede als Antwort gestanden, und auch die Chefin der WKStA, Frau Vrabl-Sanda, hat uns keinen Überblick über die Verfahren der WKStA geben können: weder über die Anzahl noch über die Erledigungen. Da gibt es definitiv noch Optimierungsbe­darf.

Was uns das Volksbegehren jedenfalls aufzeigt, ist, dass es noch einiges abzuarbeiten gibt. Die Themen sind sehr breit zu diskutieren, insbesondere


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hinsichtlich der Stärkung der Beschuldigtenrechte wie der Regelung der Sicherstellung von Mobiltelefonen, die ja aus dem Jahr 2004 stammt. Da gibt es noch einiges zu tun, weil bei der rasch fortschreitenden Digitalisierung diese Regelung mehr als veraltet ist: Heutzutage hat nämlich jeder neben unzähligen Fotos und Nachrichten viel schützenswertere Informationen auf seinem Handy als beispielsweise in seinem Büro. Der Schutz von Büros ist aber immer noch strenger geregelt als der von Handys, und da besteht ein nicht sachgerechtes und auch ein nicht zeitgemäßes Ungleichgewicht.

Im Justizausschuss haben wir schon darüber geredet, und ich bin davon überzeugt, dass unsere Frau Justizministerin auch diesbezüglich nicht lockerlassen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim; bei ihr steht das Wort. – Bitte.


16.27.21

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Initiator:innen des Volksbegehrens Unabhängige Justiz sichern! Zu 150 000 Unterstützungserklärungen für Ihr Volksbegehren kann ich nur gratulieren – das ist ein Dauerbrenner, würde ich sagen. Eine unabhängige Justiz ist ganz elementar und zentral für eine funk­tionierende Demokratie und einen funktionierenden Rechtsstaat.

Sie haben drei Punkte aufgegriffen:

Bezüglich der Wiedereinführung des Untersuchungsrichters kann ich sogar nachempfinden, welche Überlegungen sie hatten. Das klingt auch verlockend, weil wir im Zuge der vergangenen Jahre, insbesondere in den Unter­suchungsausschüssen, gesehen haben – Auskunftspersonen haben das zu Protokoll gegeben –, nämlich wie eine politische Partei – in dem Fall


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kann ich sie auch benennen: die ÖVP – versucht hat, irgendwie Einfluss zu neh­men, beziehungsweise wenn sie keinen Einfluss nimmt, dann halt durch permanente Attacken – das kennen wir eigentlich aus Ländern wie Ungarn oder Polen oder jedenfalls Ländern, in denen die liberale Demokratie nicht funktioniert, und zwar schon lange nicht funktioniert; das ist etwas, was auto­kratische Regierungen anwenden – einfach die Glaubwürdigkeit von Institutionen zu schwächen.

Ich glaube aber, der Ansatz muss die Frage sein, wie bei uns Staatsanwältinnen und Staatsanwälte grundsätzlich bestellt werden, und ich bin überzeugt davon, dass man den Antrag, den wir als SPÖ in die parlamentarische Debatte geschickt haben, aufgreifen sollte, nämlich den Antrag betreffend das Abgehen von diesem Dirimierungsrecht, durch das eigentlich der verlängerte Arm der politischen Führung mehr oder weniger das Mehrheitsrecht und damit das Dirimierungsrecht hat, und die Hinwendung zu Personalsenaten, wie sie eben die Richterinnen und Richter auch haben.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die im zweiten Punkt thematisiert wird, hat eine sehr wichtige Rolle, muss unabhängig und mit entsprechenden Ressourcen versorgt sein und auch effektiv handeln können. Dazu gehört es einfach, dass man ihr auch das Werkzeug dafür gibt. (Beifall bei der SPÖ.) Das bedeutet vor allem, dass man ihr Teams zur Seite stellt, Expert:innen, Wirtschaftsexpert:innen. Man darf nämlich nie übersehen, dass Korruptionsverfahren nicht nur mit sehr, sehr mächtigen Personen in der Politik, Verwaltung und der Wirtschaft zu tun haben, sondern auch international sind. Das heißt, das ist immer zeitaufwendig.

Ich habe wirklich bedauert, dass meine Vorrednerin, die ÖVP-Abgeordnete Scharzenberger, eine Tradition der ÖVP fortsetzt, von der wir gehofft haben, dass das aufhört (Zwischenruf der Abg. Scharzenberger), nämlich eine Institution wie die WKStA wieder subtil anzugreifen, sie schlecht aussehen zu lassen. Ich finde es traurig, dass das gerade im Rahmen der Debatte zu einem


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legitimen Volksbegehren, das diese Institutionen eigentlich stärken will, passiert.

Ich freue mich aber auch, dass die ÖVP nach 20 Jahren Blockadehaltung nun endlich so weit ist, dass sie einen Antrag der SPÖ unterstützen möchte, nämlich den für eine weisungsfreie, unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft. Mit dem politischen Partner, mit dem Regierungspartner, mit den Grünen, ist es jetzt allerdings so, dass immer mehr Bedingungen daran geknüpft werden, sodass sich bei mir – aber nicht nur bei mir, bei uns allen – der Eindruck verfestigt, die ÖVP habe natürlich kein Interesse daran, eine weisungsfreie, unabhängige Bundes­staats­anwaltschaft zu haben. Daher glaube ich ein­fach, dass das in dieser Legislaturperiode – so traurig es ist – nicht umgesetzt werden wird.

Das sind alles legitime Forderungen, über die wir sehr gerne im Fachausschuss debattieren werden. Ich sage einfach Danke dafür, dass Sie diesen Punkt im Rahmen dieses Volksbegehrens auch wieder zum Thema machen und damit seine Aktualität und Wichtigkeit unterstreichen.

In diesem Sinne bedanke ich mich und wünsche Ihnen allen für diese sitzungs­freie Zeit eine angenehme Zeit. (Abg. Haubner: Ihr wollt ja keine sitzungsfreie Zeit!) – Vergessen wir niemals, dass Menschen in diesem Land unter der hohen Teuerung leiden! Vielleicht werden Sie einsichtig und wir können zumin­dest die Ausschüsse, die so wichtig wären, um Antiteuerungsmaßnahmen zu beschließen und zu diskutieren, über die Sommermonate in Betrieb halten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Prammer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.



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16.31.49

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Ich muss ehrlich gestehen, ich bin bei diesem Volksbegehren ein bisschen zwiegespalten, denn grund­sätzlich finde ich, Volksbegehren sind ein sehr wichtiges Mittel der direkten Demokratie, auf der anderen Seite tue ich mir mit diesem Volksbegehren ein bisschen schwer, weil es leider sehr so wirkt, als wäre jemand auf der Suche nach einem Thema gewesen, mit dem er sich ein bisschen in den Mittelpunkt rücken kann. Es scheint, als wäre jemand irgendwo auf einer Blumenwiese gelegen und hätte nachgedacht, wie er sich bemerkbar machen könnte, und ist dann draufgekommen: Ein Volksbegehren mit einem catchy Thema wäre vielleicht eine gute Methode.

Unabhängige Justiz sichern – ja, selbstverständlich! Ich glaube, das ist ein Anlie­gen, gegen das niemand etwas hat. Wir sehen es ja auch: Über 148 000 Menschen haben dieses Volksbegehren unterschrieben. Was sind denn aber die Forderun­gen, die konkret formuliert wurden? Es gibt drei Forderungen. Die erste heißt: Untersuchungsrichter wieder einführen. Die zweite heißt: WKStA in die Verfassung. Die dritte heißt: unabhängige Bundes- oder Generalstaatsan­walt­schaft – je nachdem, wie man es halt nennen will.

Wissen Sie eigentlich, dass diese Forderungen einander vollkommen wider­sprechen? Wenn ich den Untersuchungsrichter wieder einführe, wozu tue ich dann die WKStA in die Verfassung, wenn sie keine Ermittlungsbehörde mehr ist? Wenn wieder nur mehr der Untersuchungsrichter ermittelt, wenn ich der WKStA alle Ermittlungsbefugnisse wegnehme und sie nur mehr zu einem Anklageorgan mache, wozu sie in die Verfassung geben? Da brauche ich sie ja gar nicht. Genauso die Bundesstaatsanwaltschaft: Wofür brauche ich eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft, wenn der Untersuchungsrichter wieder das Ermittlungsverfahren führt und wieder Herr des Ermittlungsverfahrens ist?

Wie gesagt: Für das Anliegen unabhängige Justiz sichern gibt es selbstver­ständlich größte Unterstützung von uns, und wir arbeiten seit mittlerweile über


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drei Jahren daran. Glauben Sie mir, wir haben sehr viel in diesem Bereich umgesetzt und werden auch noch sehr viel umsetzen. Jeden Tag, jeden einzelnen Tag arbeiten wir ja daran, die Unabhängigkeit der Justiz abzusichern, zu verteidigen und mit allem, was uns zur Verfügung steht, gegen alle Angriffe immer und immer wieder in Schutz zu nehmen. (Beifall bei den Grü­nen.)

Ich freue mich sehr darauf, wenn wir dieses Volksbegehren im Justizaus­schuss besprechen werden. Wir werden dort vielleicht den Widersprüchlich­keiten ein bisschen auf den Grund gehen können. Grundsätzlich ist es ein Anliegen, das wir voll und ganz unterstützen, die Hintergründe dieses Volksbegehrens möchte ich aber schon ganz gern hinterfragen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Margreiter. – Bitte sehr.


16.34.32

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, 2,26 Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung Österreichs haben die drei Anliegen, die ja schon referiert worden sind, unterstützt, indem sie das Volksbe­gehren unterschrieben haben. Damit zeigt sich – nebenbei bemerkt – sehr schön, dass die Instrumente der direkten Demokratie wohl funktionieren, da die Anliegen dieses Volksbegehrens mit diesen 2,26 Prozent hier im Haus sehr sachlich behandelt werden. Natürlich wird es Differenzen geben, wie es halt in der Justizpolitik ganz normal und legitim ist, dass man unterschiedliche Zugänge hat.

Generell ist das Anliegen aus der Titulierung des Volksbegehrens sehr zu begrüßen. Wir brauchen eine unabhängige Justiz und die Justiz muss unabhängig


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bleiben. Das ist auch ein ganz tragender Grundsatz unserer Verfassungsarchi­tektur: die strikte Trennung zwischen der Exekutive, der Legislative, die sich hier im Haus abspielt, und der Justiz, der Jurisdiktion. In diesem Sinne ist das Volksbegehren dem Grunde nach sehr zu unterstützen. Was die detaillierten Forderungen betrifft, möchte ich jetzt noch nicht ins Detail gehen, kann mich aber teilweise den Vorrednern anschließen.

Natürlich ist es schon problematisch zu sehen, wenn man heute das Rad der Zeit zurückdrehen will. Ich sehe keinen großen Gewinn an Rechtsstaatlichkeit, wenn man jetzt die Rechtslage von vor 2008 wiederherstellt, denn grundsätzlich funktioniert das System der Ermittlungsbehörden, die die Staatsanwaltschaften darstellen. Natürlich unterstützen wir das Anliegen einer unabhängigen Weisungsspitze im Bereich der Ermittlungsbehörde, sprich der Staatsanwalt­schaft. Das ist ein Anliegen, das absolut zu teilen ist.

Ob es gescheit ist, eine besondere Staatsanwaltschaft in der Verfassung zu verankern, kann durchaus diskutiert werden, aber generell ist – aus Anlass der Wortmeldung der Kollegin Scharzenberger – doch festzuhalten: Wir müssen, wenn wir Justizpolitik machen, immer das große Ganze im Auge habe. Wenn da auf der einen Seite einer Stärkung der Beschuldigtenrechte das Wort geredet wird, darauf hingewiesen wird, dass die Auswertung von Handyinhalten relativ leicht passiert, dann konterkariert das irgendwie die Aus­sagen der DSN-Spitze anlässlich eines verhinderten Attentats auf die Prideparade, wo ein viel größerer Hunger nach Überwachung, nach Kontrolle, nach Auswertung von Beweismitteln besteht. So wird es nicht gehen, dass man sagt, wenn es links- oder rechtsterroristische Täter oder islamistische Täter sind, dann wird jeder Damm gebrochen und ist alles erlaubt, aber wenn es um Korruptionspublikum, um korruptionsaffine Straftäter geht, dann wollen wir die Beschuldigtenrechte möglichst schützen. So wird es auch nicht gehen. Bitte bedenken Sie bei Ihren Forderungen, dass, wenn Ermitt­lungsmaßnahmen einen Rahmen bekommen, der dann für alle gelten muss.


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Vielen Dank, und ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen von Herzen einen sehr schönen und erholsamen Sommer. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Eßl: Habt ihr alle nichts zu tun im Sommer? Kollege, habt ihr alle nichts zu tun im Sommer?)

16.38

16.38.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich darf das Volksbegehren Unabhängige Justiz sichern dem Justizausschuss zuweisen.

16.38.2617. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „NEHAMMER MUSS WEG“ (2079 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 17. Tagesordnungspunkt.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Berlakovich. – Bitte, bei Ihnen steht das Wort.


16.38.44

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! An sich ist das Volksbegehren ja ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie, und ein Volksbegehren sollte ein Gesetzgebungsverfahren einleiten, sollte Gesetzesvorschläge machen oder vielleicht sogar Gesetzesänderungen initiieren.

Dieses vorliegende Volksbegehren heißt: „Nehammer muss weg“. Da stellt sich schon die Frage: Ist das politisch legitim, rechtlich legitim, ist das verfas­sungsrechtlich legitim? – Das mag schon sein, aber andererseits halte ich es rein von der Semantik her für problematisch, zu sagen, ein Mensch – in diesem Fall Nehammer – müsse weg. Das nächste Mal trifft es jemand anderen. Ich


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halte das grundsätzlich vom Ansatz her für problematisch, weil das in Wahr­heit eine politische Parole ist (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ), aber kein Gesetzesvorschlag.

So legitim die politische Parole, dass man mit der Politik eines Politikers, einer Politikerin nicht einverstanden ist, sein mag, so kann doch nicht das Volks­begehren dazu verwendet werden – und nicht optimal verwendet werden –, zu sagen: Ich will diese politische Parole durchsetzen! Daher ist sehr wohl darüber zu diskutieren, um das Instrument des Volksbegehrens nicht zu gefährden und es nicht ad absurdum zu führen. Unterschrieben wurde es von 1,68 Prozent der Menschen, also nicht von der großen Masse, wobei ich diesen Menschen ja nicht unterstelle, dass sie etwas falsch machen (Ruf bei der ÖVP: Oh ja!), aber: Die Gefahr, eine derartige politische Parole im Sinne eines Volksbegehrens zu postu­lieren, ist schon eine, die zu einer Radikalisierung führt, und das sollte man hintanhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn es jedenfalls um Bundeskanzler Karl Nehammer geht, so sagt er ja selber, dass wir alle miteinander – die Bundesregierung, wir alle – mit einer Pandemie konfrontiert waren wie noch nie jemand vor uns in den letzten 100 Jahren und dass in einer solchen Situation natürlich nicht alles optimal läuft; das sagt Nehammer selbst auch. Die Experten haben diese Meinung und jene Meinung, und sich nur auf die Experten zu verlassen geht halt nicht. Das ist etwas, das kritisiert wird.

Wenn man aber schon von Karl Nehammer spricht, dann offensichtlich von dem Bundeskanzler Nehammer, der dazu beigetragen hat, die kalte Progression abzuschaffen, die den Menschen bis 2026 bis zu 20 Milliarden Euro Entlastung bringt (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP), von dem Karl Nehammer, der Entlastungen für die Österreicherinnen und Österreicher bringt, die wir gemeinsam beschlossen haben: Maßnahmen gegen die Teuerung von 2022 bis 2026 – 40 Milliarden Euro an Entlastungen; Stromkostenbremse – 3,8 Mil­liarden Euro bis 2024 an Entlastungen; Energiekostenzuschuss für heimische


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Unternehmen – 7 Milliarden Euro an Entlastung; Klima- und Antiteuerungs­bonus – 500 Euro für die Erwachsenen; Einmalzahlungen für vulnerable Gruppen; Erhöhung des Familienbonus; Senkung der Körperschaftsteuer für Unternehmen.

Das sind also summa summarum viele Maßnahmen, die wir gemeinsam unter der Führung von Bundeskanzler Nehammer erkämpft haben, um die Repu­blik in eine bessere Position zu bringen, und die Erfolge sind da. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Größte Inflation! – Abg. Herr: Überdurchschnittlich hohe Inflation!)

Daher ist es wichtig, dass man das anerkennt und daher hoffentlich auch weiter einen Kurs unterstützt, der Österreich in Richtung Stabilität und in eine prosperierende Zukunft bringen soll. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Duzdar. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


16.42.12

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Abgeordnete! Herr Kollege Berlakovich, ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, es gibt zunehmend eine Fülle an Volksbegehren. Ich bin auch der Meinung, dass das auch eines schön darlegt: Es zeigt das Bedürf­nis in unserer Gesellschaft nach politischer Mitsprache, nach demokrati­scher Mitsprache, und es zeigt auch sehr schön, dass dieses Bedürfnis immer stärker vorhanden ist.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob es in Ordnung ist, dass sich ein Volksbegehren gegen eine Person richtet. Was man aber schon sehr deutlich sieht, ist, dass es in unserer Gesellschaft zunehmend einen politischen Unmut gibt.


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Auch wenn wir als Sozialdemokratie die in diesem Volksbegehren vertretene Meinung nicht teilen, so muss ich Ihnen schon sagen, dass wir diese positive Meinung, die Sie in Ihrer Rede über Regierungschef Nehammer vertreten haben, keineswegs so teilen – ganz im Gegenteil. Ich muss Ihnen sagen, ich bin jetzt seit drei Tagen wieder hier im Parlament, und bei einem bestimmten großen Thema ist mir eine gewisse politische Ignoranz sehr stark aufgefallen (Rufe bei der ÖVP: Na!), nämlich beim Thema der Inflation. (Rufe bei der ÖVP: Na geh! – Abg. Steinacker: Da musst du nachlesen die letzten Monate! Da musst du nachlesen!) Wir sitzen seit drei Tagen in diesem Plenum, und ich frage Sie: Welches Gesetz haben wir zu diesem Thema beschlossen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Herr: Null! Keines! – Ruf bei der ÖVP: ... Excel-Listen!)

Welches Gesetz haben wir zur Eindämmung und zur Bekämpfung der Inflation beschlossen? – Kein einziges Gesetz haben wir diesbezüglich beschlossen! (Abg. Haubner: Ihr eh nicht!) Ja, ich gebe Ihnen recht, wir haben einige Gesetze beschlossen (Abg. Steinacker: Ihr nicht!), Geld zu verteilen, Geldförderungen zu machen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das sind aber Maßnahmen, die die Inflation noch befeuern. (Rufe bei der ÖVP: Welche? Strompreisbremse! Eine Wirtschafts­wissenschaftlerin spricht da! Keine Ahnung! – Abg. Voglauer: EIWOG!)

Ich frage Sie wirklich: Österreich liegt in der Inflation bei 8 Prozent und die Regierung lässt sich feiern – wir liegen nur mehr bei 8 Prozent und nicht mehr bei 10 Prozent! (Abg. Herr: Super!) Dann brauchen Sie bitte nicht so zu tun, als ob das ein reiner Zufall wäre, dass wir so eine hohe Inflation haben.

Ich glaube, dass das die Ursache für den politischen Unmut in diesem Land ist, weil in Wirklichkeit auf die Sorgen und auf die Probleme der Menschen auch nicht Bedacht genommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Inflation ist politisch hausgemacht. (Ruf bei der ÖVP: Keine Ahnung!) Warum ist sie hausgemacht? – Weil Sie vonseiten der ÖVP nicht bereit sind, in den Markt einzugreifen. Immer, wenn jemand sagt, man muss den Markt im Bereich der Energie, im Bereich der Lebensmittel, im Bereich der Mieten regulieren,


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kommen Sie daher und erklären uns, das hat etwas mit Kommunismus und Marxismus zu tun. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Mir wäre es neu, dass die Schweiz ein kommunistisches Land ist, aber die Schweiz hat die Energiepreise reguliert. (Beifall bei der SPÖ.) Die Schweiz hat die Mietpreiserhöhung mit 40 Prozent des Verbraucherpreisindex gedeckelt und wir nicht.

Ich frage Sie abschließend, weil ich leider zum Schluss kommen muss: Warum haben Sie nicht die Mietpreisbremse beschlossen? Warum sind Sie dagegen? (Abg. Voglauer: Wie ist das denn in Wien?) Ich habe bisher immer nur ein Nein vonseiten der ÖVP gehört (Ruf bei der ÖVP: ... nicht notwendig!), aber ich habe nie gehört, warum Sie dagegen sind. Ich weiß, warum Sie dagegen sind: Weil Sie sich ansonsten hinstellen und der Bevölkerung erklären müssten, dass Sie gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung arbeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das tut weh!)

Sie müssten ihnen erklären, dass Sie gegen die Interessen der Mieter und Miete­rinnen arbeiten, und das ist genau der Grund, weshalb es eine derartige Frustration und Verzweiflung in unserer Bevölkerung gibt: weil die Probleme und Sorgen in Wirklichkeit nicht ernst genommen werden.

Ich möchte abschließend noch eines sagen: Wir von der Sozialdemokratie (Ruf bei der ÖVP: Wer ist das „wir“ bei euch? – Heiterkeit bei der ÖVP) kritisieren die Regierungsarbeit nicht aus einem Selbstzweck heraus, auch wenn Sie das glauben. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen.) Wir haben ein bestimmtes Anliegen (Ruf bei der ÖVP: Donaustadt oder Liesing?), und unser Anliegen ist jenes: Wir haben aus der Geschichte gelernt und wissen, dass Armut Demokratie zerfrisst. Wenn Sie in Wirklichkeit nichts tun, um die Sorgen und Probleme der Leute ernst zu nehmen, wenn Sie nicht versuchen, die Inflation zu bekämpfen, dann wird der Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft unaufhaltbar sein, und dann tragen Sie die Verantwortung dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

16.46



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 278

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Voglauer. – Bitte.


16.46.44

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Spoštovana Visoka Hiša! Ich komme zu den Bürgeranliegen zurück, denn deshalb stehen wir heute zu diesem Tagesordnungspunkt hier. Mehr als 100 000 Menschen haben dieses Volksbe­gehren unterschrieben. Auch wenn ich die Meinung dieser Menschen nicht teile, aus ähnlichen Gründen, die auch schon mein Kollege Niki Berlakovich hier angeführt hat (Ruf bei der SPÖ: Das ist ein Kollege?) – ja, ein Abgeordnetenkollege schon, so wie auch Sie (Abg. Einwallner: Ich glaub’, schon ein Parteikollege! – weiterer Ruf bei der SPÖ: ... den Unterschied schon fast nicht mehr merken! – Abg. Wöginger: Das geht sich in Vorarlberg nicht aus, oder? – neuerlicher Ruf bei der SPÖ: Ein Parteikollege fast!) –, nämlich wenn man sagt, jemand muss weg, auch in seiner politischen Funktion, auch wenn es sich um eine Person des öffentlichen Lebens handelt, muss ich sagen, das soll nicht das Verständnis sein, wie wir unsere liberale Demokratie verstehen.

Das, was in diesem Volksbegehren begehrt wird, erscheint nämlich so, als würde man die Demokratie ausbauen. Letztendlich ist aber, wenn man das genau liest, das Gegenteil der Fall.

Natürlich haben die Korruptionsvorwürfe stark am Ruf unserer österreichischen Demokratie genagt, allerdings kann man da ja keinen Punkt machen. Erstens ermittelt in Österreich eine unabhängige Justiz – und ein funktionierender Rechts­staat ist halt einfach kein Vogerl auf der Blumenwiese (Beifall bei den Grünen) –, zweitens haben wir gerade heute wieder weitere Schritte gesetzt, denn dieses Parlament funktioniert. Wir haben ein umfassendes Antikorruptionsgesetz beschlossen und die Regeln massiv verschärft. Das heißt, wir lernen, und das ist wiederum auch ein demokratischer Prozess.


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Die Menschen, die das unterschrieben haben, haben aber schon auch recht, wenn sie der Meinung sind, dass die letzten Jahre uns allen – uns als Gesell­schaft – vieles abverlangt haben. Ja natürlich, die Covid-Pandemie hat bei uns Spuren hinterlassen. Wir sind bis heute als Gesellschaft gefordert, nämlich darin gefordert, liebe Kolleginnen und Kollegen, einander zuzuhören, wieder ein offenes Ohr für die Menschen um uns herum zu haben, für die Menschen, die gemeinsam mit uns diese Gesellschaft gestalten, und da geht es auch darum, unterschiedlicher Meinung zu sein und diese Meinungen auszuhalten und sich nicht spalten zu lassen, wenn es andere Meinungen gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wissen Sie, was das Potenzial dieses Volksbegehrens sein kann? (Abg. Matznetter: Ich sage nur: Blumenwiese!) – Dass wir in Zukunft auf Teilhabe setzen, dass wir in Zukunft auf Partizipation setzen. Wir haben ein tolles Beispiel gesetzt, wir haben nämlich auf Antrag meiner Kollegen Lukas Hammer und Johannes Schmuckenschlager den Klimarat gegründet. (Abg. Heinisch-Hosek: Und was kommt raus?) Das ist Teilhabe: Menschen einzubinden, Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Und was braucht es dann – da müssen wir auch noch einiges lernen, das gebe ich zu –? – Diese Anliegen auch in Politik zu gießen, diese Anliegen in Gesetze zu gießen und somit die Zukunft zu verändern, nämlich von uns allen gemeinsam getragen. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Schon ein Klimaschutzgesetz ...?)

Bei solchen Prozessen können wir so eine wichtige Drehscheibe gründen, breit getragen von politischen Entscheidungsträgerinnen und -entschei­dungsträ­gern und unserer Bevölkerung. Lassen Sie uns bitte daran arbeiten! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.50

16.50.11



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 280

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich darf das Volksbegehren Nehammer muss weg dem Verfassungsausschuss zuweisen.

16.50.2118. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „BARGELD-Zahlung: Obergrenze NEIN!“ (2080 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 18. Tagesordnungspunkt.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Baumgartner. – Bitte, bei Ihnen steht das Wort.


16.50.38

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Im Text des Volksbegehrens steht: „Bargeld bedeutet Freiheit und darf weder beschränkt noch abgeschafft werden.“ (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Abschaffung des Bargeldes steht auf EU-Ebene nicht zur Diskussion, und auch in Österreich gibt es keine Pläne zur Beschränkung des Bargeldes. Der Finanzminister hat es heute in der Fragestunde erwähnt: Die Europäische Union hat einen Vorschlag veröffentlicht, in dem die Annahmeverpflichtung von Bargeld verankert ist. Das haben wir auch immer so gefordert. Im Rahmen der EU-Verordnung zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sollen ausschließlich nationale und unionsrechtliche Beschränkungen zulässig sein, die zur Abwehr von Missbrauch, von Steuerbetrug beziehungsweise zur Abwehr von Terrorismusfinanzierung dienen.


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Österreich hat sich auch da gegen Bargeldobergrenzen positioniert und Annahme­bestimmungen in dieses wichtige Paket gegen die Bekämpfung von Geldwäsche auf EU-Ebene hineinverhandelt. Auch im Regierungsprogramm ist klar und unmissverständlich das Bekenntnis zum Erhalt des Bargeldes im Rahmen der geltenden Geldwäschebestimmungen festgehalten. Da gibt es keine Zweifel.

Volksbegehren sind wichtige Initiativen in unserer Demokratie. Sie konzen­trie­ren sich aber leider zusehends auf wenige Initiatoren. Volksbegehren sind Instrumente, die einen respektvollen Umgang verdienen, vor allem die Unter­stützer der Volksbegehren. – Danke. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte sehr, das Wort steht bei Ihnen.


16.52.45

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist jetzt das zweite Volksbegehren innerhalb relativ kurzer Zeit, in dem man sich Sorgen um den Erhalt des Bargeldes macht. Das zeigt, dass das ein Thema ist, das viele Menschen in Österreich berührt und bewegt. Das Bargeld wird ja in der Regel in den Ländern der Europäischen Union, in denen es de facto, aber nicht gesetzlich eingeschränkt ist, nicht auf­grund eines politischen Beschlusses eingeschränkt, sondern das passiert ja schleichend, indem die Bankomaten immer weniger werden, sodass es in ganzen Regionen, Gemeinden einfach gar keine Bankomaten und damit keine Bar­geldversorgung mehr gibt. Das passiert schleichend, indem immer mehr Geschäfte mitunter sagen: Wir nehmen kein Bargeld, bei uns kann man nur bargeldlos zahlen!

Da ist, glaube ich, der wesentliche Punkt, dass wir darauf eine Antwort geben müssen. Wir haben das bereits beim letzten Volksbegehren zu diesem Thema formuliert. Wir brauchen eine Versorgungssicherheit mit Bargeld. Das heißt, in


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jeder Gemeinde muss ein Bankomat sein, damit es überhaupt einen Zugang zu Bargeld für die Bevölkerung in Österreich gibt. Das ist heute in der Stadt nicht das Problem, aber bereits in einigen ländlichen Regionen. Da sind die Koali­tionsparteien bisher unseren Vorschlägen nicht gefolgt. Das ist ein Fehler, denn die Abschaffung des Bargeldes passiert ja wie gesagt nicht auf Knopfdruck oder per Gesetz, sondern schleichend.

Das Zweite ist die Annahmeverpflichtung. Dazu haben wir auch bereits einen Vorschlag gemacht, wie man das gesetzlich regeln kann. Auch da sind ÖVP und Grüne säumig.

Der dritte Punkt, den ich noch erwähnen wollte, ist der Datenschutz, denn einer der Gründe dafür, dass so viele sagen, sie wollen mit Bargeld und nicht bargeld­los zahlen, ist, dass sie sagen: Wenn ich bargeldlos zahle, bin ich ein glä­serner Mensch, dann wissen die Firma und irgendwelche Konzerne in den USA ganz genau, wo ich wie viel Geld und so weiter ausgegeben habe! – Wir haben klar gesagt: Datenschutz muss doch für alle gelten, unabhängig davon, ob man mit Bargeld oder mit einer Karte zahlt. Datenschutz ist ein Mens­chenrecht; der ist auch heute noch nicht ausreichend verwirklicht. Auch dazu liegen bereits unsere Vorschläge vor, aber die Koalition hat sie noch immer nicht umgesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt komme ich zum vierten Punkt, und das ist, glaube ich, der Knackpunkt, um den es da auch geht. Das ist die Frage: Darf man Bargeldbenützung ein­schränken? Es passiert, glaube ich, fast niemandem von uns hier herinnen, dass wir 10 000 oder 15 000 Euro, dass wir überhaupt so viel Geld eingesteckt haben – also mir ist das noch nie passiert.

Da geht es jedoch in Wahrheit um die Frage, wie man Drogengeldwäsche ver­hindert. Da gibt es Gott sei Dank europaweit vernünftige Regelungen. Wir wissen, dass alleine in Österreich jedes Jahr mehrere Milliarden Euro von der Drogenmafia gewaschen werden oder zu waschen versucht werden. Deswegen brauchen wir diesbezüglich effektive Regeln, dass sie nicht aus


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Bargeld, sage ich einmal, Aktien oder sonstiges Finanzkapital machen kann. Das ist der Punkt, bei dem auch die Mehrheit der Österreicherinnen und Öster­reicher sagt: Ja, für diesen Fall bin ich der Meinung, dass es richtig ist, dass wir da eine Grenze einziehen und besondere Schutzmaßnahmen haben!

Ich freue mich auf die Diskussion mit den Einbringern dieses Volksbegehrens. Weil einige gesagt haben, das Volksbegehren hätten ja nur knapp über 100 000 Menschen unterschrieben und das letzte eine halbe Million: Ehrlicher­weise muss man sagen, egal ob 100 000, 200 000 oder 800 000 Men­schen ein Volksbegehren unterschreiben, sie sind alle ernst zu nehmen und respektvoll zu behandeln. Ich glaube, das sind wir ihnen schuldig.

Zum Schluss der Sitzung und vor der Sommerpause wollte ich noch eines sagen: Wir haben immer ganz vielen zu danken, ich möchte heute aber nur einer Gruppe von Personen danken, weil sie meiner Meinung nach eine ganz wichtige Arbeit für uns machen. Sie bringen nämlich das, was wir hier mündlich von uns geben, in ganze Sätze, sind bei allen Sitzungen dabei und halten für die Nachwelt fest, was wir hier tun. Deswegen ein herzliches Danke an die Damen und Herren der Stenographischen Protokolle. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

16.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.


16.57.12

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Bargeld ist Freiheit, Bargeld bedeutet Freiheit. Dieses Volksbegehren haben 121 000 Men­schen unterstützt, das vorige zu diesem Thema über 500 000, über 530 000 Personen. Man merkt, dass das wirklich ein spannendes und ein heißes Thema ist, das den Österreicherinnen und Österreichern auch unter den Nägeln brennt.


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Warum? – Weil es da oder dort natürlich Tendenzen gibt, das Bargeld einzu­schränken im Sinne von: Es gibt zu wenige Bankomaten. Mittlerweile wird auch schon mit Gebühren gedroht, dass das eine oder andere Geldinstitut bei Bargeldzahlungen Gebühren verlangen möchte oder – im Umkehrschluss – auch bei Bargeldabhebungen mit Gebühren droht.

Ein Beispiel, das nicht allzu lange her ist, war der Rewe-Konzern, der in über 100 Filialen seine Bankomaten aufgrund der Kosten, Gefährdungen durch Einbrüche und Diebstähle abgebaut hat, was natürlich die eine Argumentation eher in den Vordergrund rückt, weil es für den Konzern auch einfacher ist, wenn nicht mit Bargeld, sondern mit Karte bezahlt wird und, wie auch mein Vorredner Kai Jan Krainer schon erwähnt hat, es damit auch den gläsernen Menschen gibt.

Wenn man mit Karte zahlt, weiß man natürlich genau, was man einkauft, zu welchem Preis, mit welcher Summe und auch, wo das Einkaufsverhalten hingeht. Da gibt es eine ganz klare Unterstützung von unserer Seite.

Was die Obergrenzen von Bargeld betrifft: Alles auf die Kriminellen hinzuschieben geht nicht, für diese Organisation gibt es schon andere Mittel und Wege. Also: Das Bargeld muss in Österreich in die Verfassung! (Beifall bei der FPÖ.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte sehr.


16.59.28

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Hohes Haus! Wir haben es schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gehört: Es geht hier um ein Volksbegehren zum Thema Bargeld. Wir hatten gerade eines im Finanzaus­schuss. Das heißt, es ist tatsächlich das zweite Volksbegehren in recht, recht kurzer Zeit zu diesem Thema. Ich kann mich beiden Volksbegehren wirklich


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sehr, sehr gut anschließen. Bargeld bedeutet Freiheit, und Freiheit ist für uns Liberale immer etwas, was wir ganz, ganz nach vorne stellen werden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP sowie Bravoruf bei der ÖVP.) Damit ist Bargeld für uns – auch das möchte ich ganz, ganz genau so ausschildern – ein wesentlicher Ausdruck, ein wirklich wesentlicher Ausdruck von Freiheit.

Ich finde es schon tatsächlich auch immer interessant, wenn man dann den Diskus­sionen zuhört, dass man Menschen, die halt gerne mit Bargeld bezahlen, immer sofort ein bisschen ins Eck des Kriminals stellt und sagt: Warum muss man denn mehr als 10 000 Euro Geld zu Hause haben? Da hat man doch etwas Böses vor. Da wird man doch zumindest Schwarzarbeit damit finanzie­ren. – Das finde ich wirklich absurd, meine Damen und Herren! Es soll doch bitte jeder und jede mit dem Geld, das verdient wurde, tun und lassen, was er oder sie möchte. Deswegen sprechen wir uns auch gegen diese Bargeld­obergrenze aus. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Ich fand es auch sehr spannend, denn im letzten Finanzausschuss hatten wir NEOS ja auch Herrn Professor Schneider als Experten zu diesen Thema geladen. Auch er hat sehr klar ausgeschildert, dass es gerade bei diesem Problem mit der Schwarzarbeit nicht das Problem ist, dass da sozusagen irgendwie Schwarzgeld ausgegeben werden muss, sondern tatsächlich ist das Problem, dass wir einfach viel zu viele Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit haben. Das wäre es, was wir in diesem Land wirklich ändern müssen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte auch noch sagen, warum wir dieses Volksbegehren dann doch ein wenig kritisch sehen. Das ist schon das Gleiche wie beim letzten Volksbegehren, weil auch bei diesem Ansuchen verlangt wird, dass man eben Bargeld in die Verfassung aufnimmt. Dazu möchte ich sagen: Die Verfassung, meine Damen und Herren, ist keine Blumenwiese, wo es schön ist, wenn alles sprießt und


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wächst und sich streut, sondern die Verfassung ist natürlich ein ganz, ganz wich­tiges, konkretes Gebilde, das nicht für alles zuständig ist. Wir haben eh schon viel zu viele Dinge drinnen. Das heißt, die Verfassung sollen wir so halten, wie sie ist. Sie ist wunderschön, sie ist großartig, sie ist elegant. Deswegen würden wir diesen Punkt ein wenig kritisch sehen.

Damit sei gesagt – und damit möchte ich auch enden –: Bargeld bedeutet Frei­heit, und dafür stehen wir NEOS. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Wöginger.)

17.02

17.02.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf das Volksbegehren Bargeld-Zahlung: Obergrenze – Nein dem Finanzausschuss zuweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.02.38Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 3 bis 8 sowie 10 und 11 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.

Ich verlese:

Tagesordnungspunkt 3:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2155 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 287

Tagesordnungspunkt 4:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2156 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 5:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2157 der Beilagen in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung [...] und in dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 6:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2158 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 7:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2159 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 8:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2160 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 10:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 2162 der Beilagen – bei Anwesenheit der vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten – in zweiter und dritter Lesung [...] – und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – angenommen.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll226. Sitzung, 226. Sitzung des Nationalrats vom 7. Juli 2023 / Seite 288

Tagesordnungspunkt 11:

„Der Antrag des Hauptausschusses in 2130 der Beilagen,

Univ.-Prof. Dr. Reinhard Klaushofer,

Univ.-Ass. MMag. Dr. Monika Stempkowski,

Dr. Theo Thanner,

Ing. Mag. Dr. Christof Tschohl und

Univ.-Prof. Dr. Ingeborg Zerbes

zu Mitgliedern der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz zu wählen, wird – bei Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehen Anzahl der Abgeordneten und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit [...] angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieser verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 3523/A bis 3539/A(E) eingebracht worden sind.


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*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 17.05 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.05.28Schluss der Sitzung: 17.05 Uhr

 

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