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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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812. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 19. Juli 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

812. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19. Juli 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Juli 2012: 9.04 – 20.53 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein BFA-Einrichtungsgesetz und ein BFA-Verfah­rensgesetz erlassen sowie das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Einführungsgesetz zu den Verwal­tungs­verfahrensgesetzen 2008 geändert werden (Fremdenbehördenneustrukturie­rungs­gesetz – FNG)

2. Punkt: Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Luftfahrtgesetz geändert werden

4. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird

6. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Österreichischen Stabilitätspakt 2012 – ÖstP 2012

7. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über eine Transparenzdatenbank

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz 1989, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Wert­papier­aufsichtsgesetz 2007 geändert werden

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien über soziale Sicherheit

10. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die teilweise Suspendierung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien über soziale Sicherheit im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo

11. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geän­dert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz über den Erwerb des Pflichtschulabschlusses durch Jugend­liche und Erwachsene (Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozial­ver­siche­rung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) und das Bundes­gesetz vom 9. Dezember 1981 über den Kunstförderungsbeitrag (Kunstförderungs­beitragsgesetz 1981) geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien, das Bundesgesetz BGBl. Nr. 91/1993 und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich)

19. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology Austria samt Anhang

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 340/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/2011, geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz über die Haltung von Mindestvorräten an Erdöl und Erdöl­produkten (Erdölbevorratungsgesetz 2012 – EBG 2012)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über medizinische Assistenz­berufe und die Ausübung der Trainingstherapie (Medizinische Assistenzberufe-Gesetz – MABG) erlassen und das MTF-SHD-G, das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, das MTD-Gesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Kranken­anstalten-Arbeitszeitgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine So­zial­versicherungsgesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfen­gesetz 1983 geändert werden

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen erlassen und das Ärztegesetz 1998 geändert wird

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Tierärztekammergesetz erlassen und das Tierärztegesetz geändert wird

26. Punkt: Übereinkommen zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog

28. Punkt: Wahl einer/s Ordnerin/s für den Rest des 2. Halbjahres 2012

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 39


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 3

27. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Zukunft Land: Trends, Herausforderungen und Lösungen“ (191/A-BR/2012)

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes in den Bundesrat    ............................................................................................................................... 13

Antrittsansprache des Präsidenten Georg Keuschnigg .......................................... 14

Antrag der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 191/A-BR/2012 der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Zukunft Land: Trends, Herausforderungen und Lösungen“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittel­bar in Verhandlung zu nehmen – Annahme              39, 39

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 195

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 195

28. Punkt: Wahl einer/s Ordnerin/s für den Rest des 2. Halbjahres 2012 .................. 197

Redner:

Mag. Gerald Klug ........................................................................................................ 197

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsruf ................................................................................................................. 187

Aktuelle Stunde (15.)

Thema: „Schritt für Schritt zu mehr Sicherheit und weniger Leid auf Österreichs Straßen“         ............................................................................................................................... 16

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ..... 17

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ..... 19

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 22

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................  25, 35

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 28

Michael Lampel ....................................................................................................... ..... 30

Mag. Christian Jachs .............................................................................................. ..... 31

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 34

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend seinen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ....................................................................................................... 38


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 4

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 39

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 37

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein BFA-Einrichtungsgesetz und ein BFA-Verfahrensgesetz erlassen sowie das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Nie­der­lassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Einführungsgesetz zu den Ver­wal­tungsverfahrensgesetzen 2008 geändert werden (Fremdenbehörden­neu­strukturierungsgesetz – FNG) (1803 d.B. und 1889 d.B. sowie 8774/BR d.B.) ............................................................. 40

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 40

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 42

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 43

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 45

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ..................................................... ..... 46

Christoph Kainz ...................................................................................................... ..... 48

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 52

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon (1796 d.B. und 1849 d.B. sowie 8766/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 52

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................... 52

Redner:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 2 BVG iVm Artikel 50 Abs. 4 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen           ............................................................................................................................... 53

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Luft­fahrtgesetz geändert werden (1809 d.B. und 1867 d.B. sowie 8768/BR d.B.) ...................................................................................... 54

Berichterstatter: Klaus Konrad ..................................................................................... 54

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 54

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 55

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 57

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ..... 58

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ..... 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 61


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 5

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (1770 d.B. und 1884 d.B. sowie 8786/BR d.B.) ...................................................................................... 61

Berichterstatter: Robert Zehentner .............................................................................. 61

Redner/Rednerinnen:

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 61

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 63

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 65

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ..... 66

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................................. 70

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird (1784 d.B. und 1885 d.B. sowie 8787/BR d.B.)                       70

Berichterstatter: Michael Lampel .................................................................................. 70

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Öster­reichischen Stabilitätspakt 2012 – ÖstP 2012 (1792 d.B. und 1886 d.B. sowie 8788/BR d.B.) ...................................................................................... 70

Berichterstatter: Michael Lampel .................................................................................. 70

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 71

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ..... 73

Ing. Maurice Androsch ................................................................................................ 74

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 75

Franz Wenger .......................................................................................................... ..... 76

Klaus Konrad .......................................................................................................... ..... 77

Karl Petritz ............................................................................................................... ..... 79

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ..... 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 82

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über eine Transparenzdatenbank (1788 d.B. und 1887 d.B. sowie 8789/BR d.B.) ................................................................................................................. 82

Berichterstatter: Robert Zehentner .............................................................................. 82

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 83

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 83


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 6

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 84

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 85

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ............................................. ..... 86

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 88

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 88

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz 1989, das Im­mobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 geändert werden (1806 d.B. und 1888 d.B. sowie 8764/BR d.B. und 8790/BR d.B.) ........................................................ 89

Berichterstatter: Michael Lampel .................................................................................. 89

Redner/Rednerinnen:

Josef Steinkogler .................................................................................................... ..... 89

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 90

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 91

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 94

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien über soziale Sicher­heit (1682 d.B. und 1851 d.B. sowie 8769/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 94

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner  ......................................................................... 95

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die teilweise Suspendierung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien über soziale Sicherheit im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo (1737 d.B. und 1850 d.B. sowie 8770/BR d.B.) ............................................................. 95

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner  ......................................................................... 95

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 95

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 96

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 97

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 97

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird (1652 d.B. und 1852 d.B. sowie 8771/BR d.B.) ...... 97

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner  ......................................................................... 97


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt .............................................................................................................. ..... 98

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 99

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ... 100

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 102

Josef Saller .............................................................................................................. ... 103

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 104

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 105

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............................................................................................... ... 108

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pen­sions­gesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1987/A und 1858 d.B. sowie 8772/BR d.B.)                     108

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar  ....................................................................... 108

Redner/Rednerinnen:

Juliane Lugsteiner .................................................................................................. ... 108

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 110

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (1951/A und 1857 d.B. sowie 8773/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 110

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner ........................................................................ 110

Redner/Rednerinnen:

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 110

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 112

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 113

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 114

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1975/A und 1863 d.B. sowie 8775/BR d.B.) .........              114

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ........................................................................ 114

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 115

Christian Füller ....................................................................................................... ... 116

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ... 117

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 119

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 12


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 8

1

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied ............................................................... ... 121

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 123

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1789 d.B. und 1864 d.B. sowie 8776/BR d.B.)               124

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ........................................................................ 124

Redner/Rednerinnen:

Johann Schweigkofler ........................................................................................... ... 124

Franz Wenger .......................................................................................................... ... 125

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 125

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 126

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied ............................................................... ... 127

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 129

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz über den Erwerb des Pflichtschulabschlusses durch Jugendliche und Erwachsene (Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz) (1802 d.B. und 1865 d.B. sowie 8760/BR d.B. und 8777/BR d.B.) .............................. 129

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch .................................................................... 129

Redner/Rednerinnen:

Christian Füller ....................................................................................................... ... 129

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 130

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 131

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 132

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied ............................................................... ... 133

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 134

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialver­sicherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) und das Bun­des­gesetz vom 9. Dezember 1981 über den Kunstförderungsbeitrag (Kunst­förderungsbeitragsgesetz 1981) geändert wird (1965/A und 1836 d.B. sowie 8778/BR d.B.) ........................................................ 134

Berichterstatter: Franz Wenger ................................................................................... 134

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 135

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 136

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 136

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 137

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied ............................................................... ... 138

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 139

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien, das Bundesgesetz BGBl. Nr. 91/1993 und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich) (1805 d.B. und 1834 d.B. sowie 8767/BR d.B.) ............................................................................. 140


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 9

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 140

Redner/Rednerinnen:

Mag. Klaus Fürlinger .........................................................................................  140, 144

Juliane Lugsteiner .................................................................................................. ... 142

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 143

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 144

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ... 145

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 147

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Nieder­österreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology Austria samt Anhang (1783 d.B. und 1875 d.B. sowie 8779/BR d.B.)                147

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 147

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 340/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/2011, geändert wird (1994/A und 1876 d.B. sowie 8780/BR d.B.) ............................................................... 147

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 147

Redner/Rednerinnen:

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 148

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 149

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 149

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 150

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 151

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................. ... 151

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 153

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 153

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundes­gesetz über die Haltung von Mindestvorräten an Erdöl und Erdölprodukten (Erdölbevorratungsgesetz 2012 – EBG 2012) (1801 d.B. und 1873 d.B. sowie 8781/BR d.B.) .................................................................................... 153

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 153

Redner/Rednerinnen:

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 153

Michael Lampel ....................................................................................................... ... 154

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................... ... 155

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 10

Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ......................................................... 155

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1800 d.B. und 1874 d.B. sowie 8761/BR d.B. und 8782/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 156

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 156

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 156

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 157

Michael Lampel ....................................................................................................... ... 159

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 160

Elisabeth Reich ....................................................................................................... ... 162

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................... ... 163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 165

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über medizinische Assistenzberufe und die Ausübung der Trainingstherapie (Medizinische Assistenzberufe-Gesetz – MABG) erlassen und das MTF-SHD-G, das Gesundheits- und Krankenpflege­gesetz, das MTD-Gesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstal­ten-Arbeitszeitgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine So­zial­versicherungsgesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihil­fengesetz 1983 geändert werden (1808 d.B. und 1821 d.B. sowie 8762/BR d.B. und 8783/BR d.B.) ............................................................................................................... 165

Berichterstatter: Friedrich Reisinger .......................................................................... 165

Redner/Rednerinnen:

Johanna Köberl .......................................................................................................... 166

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 167

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 168

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 169

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 170

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 171

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen erlassen und das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1807 d.B. und 1822 d.B. sowie 8763/BR d.B. und 8784/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 171

Berichterstatter: Friedrich Reisinger .......................................................................... 171

Redner/Rednerinnen:

Johanna Köberl ....................................................................................................... ... 171

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ... 173

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 173

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 174

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé ..................................... ... 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 177


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 11

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Tierärztekammergesetz erlassen und das Tierärzte­gesetz geändert wird (1734 d.B. und 1824 d.B. sowie 8785/BR d.B.) ............................................................................................................... 177

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ...................................................................... 178

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 178

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 178

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 179

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 180

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé ..................................... ... 180

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 181

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Überein­kommen zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zen­trums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (1743 d.B. und 1816 d.B. sowie 8765/BR d.B.) ............................................................................. 181

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch .................................................................... 181

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 181

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 184

Christoph Kainz ...................................................................................................... ... 187

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 189

Marco Schreuder ........................................................................................................ 190

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 190

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner .................................................................. ... 191

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 194

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ...................................................... 195

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 195

27. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Georg Keuschnigg, Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Zukunft Land: Trends, Herausforderungen und Lösungen“ (191/A-BR/2012) ........... 196

Annahme des Selbständigen Antrages 191/A-BR/2012 .............................................. 196

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Georg Keuschnigg, Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Zukunft Land: Trends, Herausforderungen und Lösungen“ (191/A-BR/2012)

Anfragen der Bundesräte

Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Razzia in Deutschland gegen das rechtsextremistische Internet-Forum „Thiazi.net“ (2896/J-BR/2012)


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 12

Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Razzia in Deutschland gegen das rechtsextremistische Internet-Forum „Thiazi.net“ (2897/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend: ORF-Journalist als KP-Agent mit österreichischen Steuergeldern bezahlt (2898/J-BR/2012)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend: ORF-Journalist als KP-Agent mit österreichischen Steuergeldern bezahlt (2899/J-BR/2012)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen zur Verhinderung von Schockrechnungen der Telekomunternehmen im Grenzgebiet zur Schweiz (2900/J-BR/2012)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ladendiebstähle (2901/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klage gegen die ÖBB durch Farrokh Sharif (2678/AB-BR/2012 zu 2890/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klage gegen die ÖBB durch Farrokh Sharif (2679/AB-BR/2012 zu 2889/J-BR/2012)


 


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 13

09.04.04Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Georg Keuschnigg: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 812. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 811. Sitzung des Bundesrates vom 6. Juli 2012 sind aufgelegen und unbeanstandet geblieben. Sie gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Adelheid Ebner und Günther Köberl.

09.04.44Einlauf

 


Präsident Georg Keuschnigg: Eingelangt ist ein Schreiben des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatzmitgliedes:

                                                                                                                                                 „Tiroler Landtag

                                                                                                                                           Landtagspräsident

                                                                                                                                    DDr. Herwig van Staa

An die

Parlamentsdirektion – Bundesratsdienst

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Nachwahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates                             Innsbruck 06.07.2012

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Ersatzmitglied des Bundesrates, Herr Martin Schaffenrath, hat mit Ablauf des 31. Mai 2012 auf sein Mandat verzichtet.

In der Folge hat der Tiroler Landtag in seiner Sitzung vom 04. Juli 2012 mit sofortiger Wirksamkeit Herrn Stefan Posch, Breitweg 19e, 6067 Absam, als Ersatzmitglied gewählt.

Das beglaubigte Wahlergebnis liegen dem Schreiben bei.

Es wird ersucht, die notwendigen Veranlassungen zu treffen.

                                                                                                                                Mit freundlichen Grüßen

                                        DDr. Herwig van STAA

                       Präsident des Tiroler Landtages

Anlage“

„WAHLERGEBNIS

Herr Stefan Posch wird zum Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 14

Es wird beurkundet, dass der Tiroler Landtag diese Wahl in seiner Sitzung vom 4. Juli 2012 mit der verfassungsmäßigen Mehrheit durchgeführt hat.

                                                                                                                                 Der Landtagspräsident“

09.05.09Antrittsansprache des Präsidenten

 


9.05.10

Präsident Georg Keuschnigg: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich darf zum Beginn des Tiroler Vorsitzes hier im Bundesrat ein herzliches „Grüß Gott!“ an Sie hier und an die Zuseher zu Hause an den Fern­sehschirmen entbieten und mich auch bei allen bedanken, die zu unserem Tiroler Empfang am 2. Juli gekommen sind. Wir haben mit einer Musikkapelle und einer Schützenkompanie diesen Festakt begangen. Wir begehen in Tirol jeden würdigen Anlass auf diese traditionelle Art, und wir wollen damit den Respekt vor der Aufgabe hier im Bundesrat, aber auch gegenüber dem Parlament und der Republik Österreich zum Ausdruck bringen.

Tirol war in seiner Geschichte – und ist es immer noch – ein selbstbewusstes, ein eigenständiges Bundesland, aber auch ein verlässlicher und konstruktiver Partner, und das seit Hunderten von Jahren. Ich darf hier nur einen kleinen Einblick in die Tiroler Geschichte geben.

Im Jahre 1363 – im nächsten Jahr werden es genau 650 Jahre sein – hat Landes­fürstin Margarete Maultasch, abgesichert durch die Unterschriften und Siegel der Tiroler Landstände – das sind also die Fürsten, die Städte, die Geistlichkeit und die Bauern, und ich sage das bewusst, um auf diese demokratische Tradition unseres Bundeslandes hinzuweisen, auf diese demokratischen Rechte und damit auf die Jahrhunderte alte demokratische Tradition dieses Landes –, das Land Tirol Rudolf IV. von Österreich übergeben. Die Konkurrenten waren damals die Wittelsbacher, also Bayern, und das Staatsgefüge Europas würde heute völlig anders aussehen, wäre Tirol damals an Bayern gegangen. Das hätte durchaus geschehen können, und diese geografische Zusammengehörigkeit ist heute nicht umsonst in der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, deren aktueller Vorsitzender derzeit der Herr Landeshauptmann von Tirol, Günther Platter, ist, nachgebildet.

Knapp 150 Jahre später, unter Kaiser Maximilian, ist Tirol im Mittelpunkt seiner Reichs­aktivitäten gestanden – eine Blütezeit unseres Landes im Zusammenhang mit unserer österreichischen Geschichte. Der Grund dafür ist so einfach wie auch eigennützig: Tirol war damals durch die Silberbergwerke in Schwaz ein reiches Land, und das hat dem expansionsfreudigen Kaiser sehr geholfen.

Schließlich hat 300 Jahre später Andreas Hofer für die Freiheit Tirols, aber auch für die Zugehörigkeit zum Hause Österreich gekämpft – mit tragischem Ausgang, wie wir wissen. Wenn ich das sage, hat das den Hintergrund: Wenn wir Tiroler stolz auf unsere föderalistische, aber auch demokratische Tradition sind, dann ist das auch ein Ausfluss unserer Geschichte, und wir legen Wert auf einen effizienten, leistungsfähigen, bürger- und dienstleistungsorientierten Föderalismus.

Und da darf ich hier im Bundesrat aus aktuellem Anlass schon auch ein offenes Wort sagen. Wir prüfen seit dem Vertrag von Lissabon alle europäischen Gesetzesvorlagen auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips. Was die untere Ebene besorgen kann, das soll sie auch tun. Wir sind zu Recht stolz auf diese Errungenschaft, aber wir sollten das in Zukunft auch mit den österreichischen Gesetzen so halten. Was wir von Europa verlangen, das sollen wir auch zu Hause tun.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 15

Ein paar Worte zum Bundesratsvorsitz. Ein halbes Jahr ist eine kurze Zeit. Heuer fällt aber – möglicherweise; wir werden sehen, wie die Geschichte spielt – in dieser Zeit die Entscheidung, ob es zu einer Verkleinerung von Nationalrat und Bundesrat kommt, sprich zu einer Verfassungsänderung. Wir werden diese Gelegenheit nicht vorbei­gehen lassen, ohne nicht auch die inhaltliche Reform des Bundesrates zu betreiben.

In der Europapolitik ist die Reform des Bundesrates schon geschafft. Die Län­der­kammer hat in der Umsetzung des Vertrages von Lissabon in allen Fragen der Euro­päischen Union die vollen Rechte einer nationalen Parlamentskammer und hat zudem die Aufgabe übernommen, das „Scharnier“ der Bundesländer für die Initiativen in Richtung Europäische Union zu sein. Und wir üben diese Rechte intensiv aus. Da hat sich ein Quantensprung auch in der direkten, praktischen Zusammenarbeit des Bundesrates mit den Bundesländern ereignet, etwas, was vielen noch gar nicht richtig bewusst ist.

Ich war in der vergangenen Woche mit den Fraktionsobleuten unserer Parteien hier im Bundesrat in Berlin beim deutschen Bundesrat. Die deutschen Kolleginnen und Kolle­gen haben uns neben vielen interessanten Hintergründen über die Funktions­weise des Zusammenwirkens der deutschen Bundesländer mit dem Bund berichtet, dass die Materien in Bezug auf die Europäische Union schon fast 50 Prozent der Arbeit aus­machen. Europa ist gerade jetzt mehr denn je in Bewegung, und der Bundesrat kann da eine staatstragende Rolle als Europakammer der Gemeinden, der Regionen und der Bundesländer einnehmen.

Neben der Neuaufstellung in europäischen Angelegenheiten braucht es als Schritt zwei eine innerösterreichische Reform, und diese kann und wird nur gelingen, wenn es den Willen der Länder dazu gibt, sprich: eine klare Verhandlungsposition der Bundesländer. Ich werde die Gespräche mit den Landeshauptleuten und den Parteiobleuten der Bun­desländer führen, damit dann, wenn es zu einer Verfassungsreform kommt, der Bun­desrat mit dabei ist.

Inhaltlich werde ich dieses halbe Jahr dazu nützen, eine große und in dieser Schärfe und gesellschaftspolitischen Dimension neue Frage der österreichischen Politik zu thematisieren. Das ist die Frage, welche Antworten wir auf den globalen Trend der Verstädterung einerseits und der Abwanderung aus den Regionen andererseits geben – in der Bildungspolitik, auf den Arbeitsmärkten, bei der öffentlichen Mobilität, bei der Daseinsvorsorge.

Damit die Größenordnungen dieser Thematik allen bewusst sind: Die Statistik Austria prognostiziert, dass von den 107 politischen Bezirken Österreichs – ohne die Wiener Gemeindebezirke – im Jahr 2034 ein Drittel der Bezirke bei der erwerbstätigen Bevölkerung im Alter von 19 bis 64 Jahren ein Minus von zehn und mehr Prozent haben wird. Da sind die regionalen Ballungszentren eingerechnet. Das bedeutet, dass in den Tälern ein Minus von 20 Prozent und mehr zu verzeichnen sein wird.

Eine der Konsequenzen dieser Entwicklung ist, dass diese Regionen auch das Steuer­geld verlieren, weil bei unserem Finanzausgleich die Bürger das auf sie entfallende Steuergeld quasi als Rucksack mitnehmen. Diese Regionen kommen in eine Negativ­spirale, und wir müssen uns damit befassen, wie wir politisch darauf reagieren, vor allem bezüglich dessen, wie wir für alle Bürger und Bürgerinnen eine gleichwertige Daseinsvorsorge, von der Kinderbetreuung bis zur Pflege, gewährleisten können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Länderkammer sind wir wohl der am besten geeignete Partner, diese existenziellen Fragen der Regionen aufzuarbeiten und in die Gesamtpolitik einzubringen. Ich möchte dazu drei Veranstaltungen durchführen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 16

Die erste über die Zukunft der Gesundheitsversorgung in den Regionen hat bereits gestern stattgefunden, und ich möchte mich bei allen sehr herzlich für ihr Mittun bedanken. Unsere Aufgabe ist es, klarzumachen, wo die Stellschrauben sind, um auch in Zukunft eine gute Versorgung mit Allgemeinmedizinern auf dem Land anbieten zu können. Jede Bürgerin und jeder Bürger, egal, wo sie/er wohnt, hat das Recht, in erreichbarer Nähe einen Arzt konsultieren zu können. Und ich glaube, wir liegen mit diesem Thema ganz gut. Das sieht man, wenn man die heutigen Tagesmedien anschaut, die großen Medien „Salzburger Nachrichten“, „Kurier“, „Die Presse“, „Stan­dard“. Wir haben es sogar in die „ZIB 1“, in die „ZIB 2“, in die 13 Uhr-„ZIB“ geschafft mit diesem Thema. Ich glaube, die Aufgabe, die diese Veranstaltung gehabt hat, nämlich den Fokus auf diese Situation zu richten, hat sie auch erfüllt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Am 10. Oktober wollen wir dann in einer Enquete wieder hier im Saal des Bundesrates gemeinsam mit der Bundesregierung, mit dem Städtebund, mit dem Gemeindebund, mit mehreren Bundesländern und mit Fachleuten auf breitester Basis über die Zukunft der Regionen reden und die Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten analy­sieren. Wir legen das Programm bewusst auf ein Miteinander von Stadt und Land an, weil es nur miteinander geht.

Als dritte Veranstaltung möchte ich im November ein internationales Hearing anbieten, bei dem andere Regionen in Europa zeigen, wie sie diese Thematik im Finanz­aus­gleich regeln. Ich habe in der Schweiz diesbezüglich interessante Aspekte gefunden, aber auch in Südtirol und in Bayern. Bei dieser Veranstaltung soll es darum gehen, wie es gelingen kann, die Daseinsvorsorge auch dort zu sichern, wo weniger Menschen leben. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Kraft und die Solidarität haben, um das Ziel, gleichwertige oder einigermaßen vergleichbare Lebensbedingungen für alle an­bieten zu können, zu erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Ziel ist es, mit den skizzierten Initiativen jene Politik zu machen, die von uns erwartet wird, nämlich einen Beitrag dazu zu leisten, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung und danke Ihnen schon vorab dafür. Das sind keine parteipolitischen Fragen, sondern Grundsatzfragen von Bund, Ländern und Regionen.

Es ist viel zu tun, und ich hoffe, wir können im nächsten Halbjahr einige Bausteine dazu beitragen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

9.16

*****

Bevor wir mit der Tagesordnung fortsetzen, darf ich sehr herzlich der, glaube ich, in der Zwischenzeit nicht mehr im Saal befindlichen Bundesrätin Blatnik zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren. Aber wir werden es nachholen, wenn sie wieder hier im Saal ist.

09.17.12Aktuelle Stunde

Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Schritt für Schritt zu mehr Sicherheit und weniger Leid auf Österreichs Straßen“

mit der Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Doris Bures, die ich somit noch einmal sehr herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 17

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann erfolgt die Stellungnahme der Frau Bundesminis­terin, die ebenfalls 10 Minuten in etwa nicht überschreiten soll. Danach folgt eine Rednerin/ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner/eine Red­nerin der Fraktionen mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglich­keit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stadler. Ich erteile es ihm.

 


9.18.14

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Georg Keuschnigg, ich darf dir zu deinem Vorsitz für das halbe Jahr herzlich gratu­lieren und alles Gute und viel Kraft wünschen!

Geschätzte Frau Bundesministerin, ich möchte mich bei dir sehr herzlich bedanken, dass du für die heutige Aktuelle Stunde die Verkehrssicherheit zum Thema gemacht hast. „Schritt für Schritt zu mehr Sicherheit und weniger Leid auf Österreichs Straßen“: ein Thema, das nicht nur dir als zuständiger Ministerin seit deinem Amtsantritt immer ein großes Anliegen war, sondern es ist auch für uns tagtäglich Auftrag, für die Ver­kehrssicherheit zu arbeiten und uns dafür einzusetzen.

Der Blick zurück auf die Statistik zeigt, geschätzte Frau Ministerin, du hast in den letz­ten drei Jahren sehr viel erreicht. Dazu kurz ein paar Zahlen. 2008 gab es noch 679 Tote im Straßenverkehr, 2011 waren es 532. Ebenfalls verringert haben sich, Gott sei Dank, die Unfälle insgesamt sowie die Unfälle mit Personenschaden. Aber, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, jeder Unfall ist einer zu viel, und jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Daher ist es notwendig, dein Ziel „Vision Zero“ kontinuierlich zu ver­folgen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit für mehr Verkehrssicherheit benötigt viele Akteure. Verkehrssicherheit ist eine Gemeinschaftsaufgabe unterschiedlicher Ent­scheidungsträger. Wichtig dabei ist das Zusammenwirken der einzelnen Akteure.

Im Zentrum der Verkehrssicherheitsarbeit steht das Verkehrssicherheitsprogramm. Erstmals gab es das 2002, es war gültig für die Jahre 2002 bis 2011. Seit 2011 gibt es ein neues, überarbeitetes Verkehrssicherheitsprogramm. Dieses gilt bis 2020 und wurde voriges Jahr von der geschätzten Frau Minister veröffentlicht.

Im Jahre 2006 wurde zu diesem Verkehrssicherheitsprogramm vom BMVIT ein Ver­kehrssicherheitsbeirat initiiert, dessen Arbeit in der Erstellung und der laufenden Evaluierung und Weiterentwicklung dieser Verkehrssicherheitsprogramme für alle Ver­kehrsteilnehmer besteht. Zusätzlich dazu gibt es einen eigenen Arbeitsausschuss, der für die gesamte Laufzeit für die Straßen-, für die Verkehrssicherheit zuständig ist.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das erste Verkehrssicherheitsprogramm  wie gesagt, 2002 bis 2010  führte zur Reduktion der Zahl der Unfalltoten um annähernd 50 Prozent. Die im Programm festgeschriebenen Maßnahmen legten den Fokus damals, 2002, auf die motorisierten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Schaut man sich die letzten beiden Jahre an, belegen die Zahlen aus der Statistik, dass man auch da auf einem sehr guten Weg ist und die richtigen Maßnahmen gesetzt hat.

In Erinnerung zu rufen sind da die strengeren Strafen für Raser, längerer Führer­scheinentzug bei Alkohol am Steuer, Kampagnen gegen Alkohol am Steuer, eine bes-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 18

sere Moped-Ausbildung und seit Jahresbeginn das Vorgehen gegen Extremraser. Ganz wichtig ist auch  ich glaube, es war schon des Öfteren ein Thema  die Möglichkeit der Strafverfolgung von ausländischen Rasern auf unseren Straßen.

Die Statistik zeigt auch da den positiven Trend. Wie gesagt, die Zahl der Unfälle ist 2010 um 13 Prozent zurückgegangen, das war der stärkste Rückgang der Unfälle seit 14 Jahren. Die Zahl der Alko-Unfälle ist um 12 Prozent zurückgegangen, und beson­ders erfreulich ist der Rückgang der tödlichen Moped-Unfälle, diese verringerten sich um 44 Prozent, Vergleich Jänner/Oktober 2009/2010.

Man sieht, geschätzte Frau Bundesministerin, du bist mit deinen Maßnahmen, wie gesagt, auf dem richtigen Weg in Sachen mehr Verkehrssicherheit.

Eine Ergänzung zum ersten Verkehrssicherheitsprogramm ist das von der Frau Bun­des­ministerin 2011 vorgestellte Verkehrssicherheitsprogramm 2011 bis 2020, der Schwerpunkt liegt auf den schwächeren Verkehrsteilnehmern. Das vorliegende Pro­gramm mit seinen über 250 Maßnahmen entstand in einem einjährigen Kooperations­projekt des BMVIT gemeinsam mit den Mitgliedern des Arbeitsausschusses Straße. Ich möchte mich an dieser Stelle bei dir, geschätzte Frau Ministerin, bei deinen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern sowie bei allen beteiligten Institutionen und ExpertIn­nen für den unermüdlichen Einsatz für mehr Verkehrssicherheit bedanken.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich erlaube mir, aus dem neuen Verkehrs­sicherheitsprogramm 2011 bis 2020 zwei Beispiele zu erwähnen, wo bereits im Vorjahr in der ersten Jahreshälfte erste Schritte gesetzt wurden.

Erstens: „Mehr Schutz auf Schutzwegen“. Da gibt es ein Pilotprojekt des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zur Videoüberwachung von nicht ampelgeregelten Schutz­wegen. Nach der positiven Evaluierung soll eine Schaffung der rechtlichen Grundlage für Videoüberwachung an ungesicherten Schutzwegen erfolgen.

Wahrscheinlich ist nicht nur mir – das haben wir vor gut einem Jahr hier diskutiert und Gott sei Dank damals umgesetzt und für richtig befunden, zwar nicht von allen, aber Gott sei Dank von den meisten – die Radhelmpflicht für Kinder ein besonderes Anliegen. Wie gesagt, seit Mai 2011 gibt es in Österreich die Radhelmpflicht für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr auf öffentlichen Straßen. Mit dieser Maßnahme wurde sicher ein ganz wichtiger Schritt zur Prävention von Kopfverletzungen bei Kindern gesetzt. Wir müssen uns eines vor Augen führen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Kopfverletzungen sind fast für die Hälfte der Todesfälle bei Radunfällen verantwortlich.

Wenn man sich ein Jahr danach – es wurde evaluiert – diese Radhelmpflicht anschaut, kann man festhalten: Die Radhelmpflicht wirkt, sie hat zu einer deutlichen Erhöhung der Tragequote bei Kindern und auch nachweislich zu weniger Kopfverletzungen geführt. Die Evaluierung ergab auch, dass die Einstellung zum Tragen des Helmes beim Radfahren überwiegend positiv ist, nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei den Erwachsenen. 87 Prozent aller Befragten halten es für wichtig, beim Radfahren einen Helm zu tragen. Ganze 98 Prozent der Befragten bejahen, dass Kinder bis 12 Jahre einen Helm tragen sollen. Diese Evaluierung, wie gesagt, bringt wirklich nur, Gott sei Dank, positive Ergebnisse.

Vielleicht noch ganz interessant zu diesem Beschluss vor einem Jahr ist Folgendes anzumerken: Ich habe mich erinnert, nachgeschaut und ein Protokoll mitgebracht. Ich habe es eingangs gesagt, es waren sehr viele, Gott sei Dank fast alle, die das positiv gesehen haben, aber es gab auch andere Meinungen. Da habe ich mir ein Protokoll von dieser Sitzung im Mai 2011 ausgedruckt und darf den Herrn Bundesrat Gerd Krusche zitieren, der damals zu diesem Thema gesprochen hat. Nach der Evaluierung


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 19

sieht man, wie positiv das über die Bühne gegangen ist und was erreicht worden ist. Dazu die Zeilen, die Krusche gesagt hat – ich zitiere ihn :

Und dann stellt sich natürlich die Frage: Was soll eigentlich ein Gesetz ohne jegliche Sanktionen? Es gibt keine Strafen bei Nichteinhaltung.“ Er sagt dann weiter: „Also ist das Ganze eigentlich nur ein Alibigesetz, das das Papier nicht wert ist.“

Herr Kollege, Sie sehen, Sie hatten nicht recht, Gott sei Dank. Wir haben dabei an unserer Meinung festgehalten. Es war für die Jugendlichen sehr positiv; es geht um Verletzungen, es geht um die Gesundheit unserer Jugendlichen.

Ich möchte noch ein Thema ansprechen, wofür ich mich persönlich in meiner Region in Sachen Verkehrssicherheit eingesetzt habe. Es ist das Jugendtaxi in meinem Bezirk Schärding, wo es für Jugendliche vom 16. bis zum 21. Lebensjahr die Möglichkeit gibt, billiger mit dem Taxi zu fahren. Es gibt mehrere Gemeinden, die dabei sind, die das beschlossen haben, und das Land Oberösterreich unterstützt das. Die Jugendlichen bekommen im Jahr bis zu 50 € wieder zurück. Ich glaube, das ist eine wichtige Ent­scheidung gewesen, eine wichtige Maßnahme.

Es ist das damals auch nicht von allen positiv gesehen worden, speziell in dem Bezirk, wo ich bin, wo die Gemeinden das entscheiden müssen. Leider gibt es einige ÖVP-Bürgermeister, die sagen, das hat ein roter Bundesrat vorgeschlagen, das ist nichts, weil es ein Roter gemacht hat, jetzt haben sie es im Gemeinderat nicht beschlossen. Ganz besonders die FPÖ im Bezirk hat gesagt, mit dieser Maßnahme animieren wir die Jugendlichen zu mehr Alkoholkonsum. Herr Bezirksvorsitzender der FPÖ Brückl, so ist das nicht, wie Sie meinen. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Gegenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, das ist eine wichtige Idee und soll ein ganz kleiner Schritt zu mehr Verkehrssicherheit sein. Wenn wir nur einen Unfall in unserem Bezirk damit verhindert haben, dann haben wir schon sehr viel erreicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss kommend, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Der gezielte Maßnah­menmix aus gesetzlichen Neuerungen und bewusstseinsbildenden Maßnahmen im Verkehrssicherheitsprogramm 2011/2020 soll Österreich an die europäische Spitze in puncto Verkehrssicherheit führen. Wir sind alle aufgerufen, Österreichs Straßen noch sicherer zu machen.

Geschätzte Frau Ministerin, ich danke dir nochmals für deine Arbeit im Bereich Ver­kehrssicherheit und kann dir von hier aus versprechen, die SPÖ-Fraktion wird dich bei dem ehrgeizigen Ziel, Österreich in puncto Verkehrssicherheit an die europäische Spitze zu bringen, voll unterstützen.  Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

9.29


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Greiderer. Ich erteile es ihr.

 


9.29.21

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bereits viel von meinem Vorredner darüber gehört: Betrachtet man die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre, was die Unfallzahlen betrifft, gab es noch nie so wenig Verletzte, noch nie so wenig Getötete und noch nie so wenig Unfälle auf Österreichs Straßen. Erfreulich ist, dass die Tendenz auch im heurigen Jahr so weitergeht. Das ist eine hervorragende Entwicklung, obwohl die Zulassungsdaten jedes Jahr steigen und die Verkehrsdichte zunimmt. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Letztlich ist jedes Unfallopfer eine Tragödie. Wir müssen gemeinsam dazu beitragen, Unfälle zu ver­meiden und deren Auswirkungen zu minimieren. Dazu ist es erforderlich, die Unfall-


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ursachen zu erforschen und die darauf aufbauenden Erkenntnisse in die Verkehrs­sicherheitskonzepte einfließen zu lassen.

Mein Vorredner ist bereits auf das österreichische Verkehrssicherheitsprogramm ein­ge­gangen. Da hat es das Vorgängerprogramm von 2002 bis 2010 gegeben, und dem jetzigen, 2011 bis 2020, ist zu entnehmen, dass schon beachtliche Fortschritte und Ergebnisse erzielt werden konnten, Österreich aber immer noch im EU-Mittelfeld liegt, ja sogar unterhalb des Durchschnitts der EU-15-Staaten.

Es ist unsere Aufgabe, alles zu unternehmen, das durch Verkehrsunfälle bewirkte menschliche Leid zu reduzieren. Dazu hat sich Österreich ein engagiertes Ziel gesteckt, will zu den besten Ländern der EU wie Niederlande, Großbritannien und Schweden aufschließen und bis zum Jahr 2020 die Zahl der Verkehrstoten um 50 Prozent, die der Schwerverletzten um 40 Prozent und die Zahl der Unfälle mit Personenschaden um 20 Prozent reduzieren.

Ich möchte nun einige, mir wichtige Maßnahmen und Strategien aus diesem Programm herausgreifen. Bereits im Kindergarten und in der Schule sollten Kinder verstärkt auf das Verhalten im motorisierten Verkehr vorbereitet werden. Die Erziehung junger Menschen zu nachhaltigem und umweltfreundlichem Mobilitätsverhalten ist eine Maß­nahme, die auf lange Sicht wohl den wichtigsten Beitrag zu weniger Kraftfahrzeug­verkehr und somit mehr Sicherheit im Verkehrssystem leistet.

Die Schüler von heute sind die Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Personen­nahverkehrs von morgen, die RadfahrerInnen und AutofahrerInnen von morgen. Aus diesem Grund ist auch die Verdichtung und Attraktivierung des öffentlichen Per­sonennahverkehrs sowie die Schaffung attraktiver, intermodaler Schnittstellen in Form von Park & Ride- oder Bike & Ride-Zonen notwendig.

Im österreichischen Verkehrssicherheitsprogramm sind – wie es mein Vorredner schon gesagt hat – 250 Maßnahmen in 17 verschiedenen Handlungsfeldern angeführt. Diese umfassen, damit man sich ein Bild machen kann, Themen wie Verkehrserziehung und Kampagnen, die Fahrausbildung, die Verkehrsüberwachung, Kinder, junge und ältere VerkehrsteilnehmerInnen, die FußgängerInnen, Fahrrad, Moped, Lkw, dann die Eisenbahnkreuzungen, Unfallnachsorge, Rehabilitation und Diagnostik, Infrastruktur und straßenseitige Verkehrstelematik, Fahrzeugsicherheit und Ausrüstung, Datenban­ken und Unfalldatensammlung. Also wir sehen, wie umfangreich dieses Programm und auch die Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sind.

Die Tatsache aber, dass zu den Hauptrisikogruppen Jugendliche von 15 bis 26 Jahren zählen, lässt mich, neben der bereits erwähnten Bewusstseinsbildung im Kindergarten und in der Schule, auf die Fahrausbildung eingehen. Mit der Umsetzung der 3. EU-Führerschein-Richtlinie, die ab 19. Jänner 2013 in Kraft tritt, übernimmt auch Öster­reich die Kriterien zur Qualitätssicherung des Ausbildungs- und Prüfungssystems, in denen eine hochwertige Aus- und Weiterbildung von Fahrlehrern, von Fahrsicher­heitsinstruktoren und auch Fahrprüfern vorgeschrieben wird.

Weiters wird es ab 19. Jänner 2013 nur mehr einen stufenweisen Zugang zum Motor­radführerschein für Motorräder in den höheren Hubraumklassen geben. Zum Beispiel der A1-Führerschein, der 125er-Schein, wie man ihn nennt, ist ab 16 Jahren möglich, der A2, also die nächste Stufe, mit 18 Jahren und dann der große A mit unbe­schränk­tem Hubraum erst mit 20 Jahren, wenn man es stufenweise macht. Der Direkteinstieg wird erst mit 24 Jahren möglich sein.

Auch die Mehrphasenausbildung wird entsprechend weiterentwickelt. Die Mehr­phasen­ausbildung ist die zweite Phase, nachdem man den Führerschein bereits hat. Die gibt es seit vielen Jahren im B-Bereich. Das heißt, man muss in dem Jahr nach Erteilung


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des Führerscheines eine Feedback-Fahrt in der Fahrschule machen, dann Fahr­sicherheitstraining in einem Zentrum und noch einmal eine Feedback-Fahrt.

Im Motorradbereich ändert sich jetzt insofern etwas, als man nicht nur ein Fahr­sicher­heitstraining innerhalb von drei bis neun Monaten nach Erteilung des Führerscheins machen muss, sondern man muss auch noch einmal ein Gefahrentraining, eine Per­fek­tionsfahrt in der Fahrschule machen.

Leider ist allerdings die für die Umsetzung notwendige 31. KFG-Novelle noch nicht beschlossen, was wiederum großen Zeitdruck und Stress für alle in die Umstellung involvierten Institutionen bedeutet. Das geschieht leider Gottes immer wieder oft im letzten Moment.

Die 10. Novelle zur Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung ist derzeit in Begut­achtung. Da ist mir aufgefallen, dass die Gruppengröße für diese Motorradperfek­tionsfahrt, die neu eingeführt wird, drei Teilnehmer sein können. Davon halte ich nicht viel, denn wie will man denen in einer Stunde ein Gefahrentraining beibringen? Gerade in Wien ist der Zeitaufwand, bis man an der Stadtgrenze ist, sehr groß, genauso der Zeitaufwand, bis man Motorräder startklar macht, man Sicherheitsbekleidung ange­zogen hat, den Funk installiert hat, der vorgeschrieben ist. Da ist ja die halbe Zeit schon um. Also ich denke, darüber sollte man nachdenken.

Weiters finde ich das erfahrungsbasierte Lernen wichtig. Alles, was man im Leben erfahren hat, das begreift man und das sitzt. Deswegen möchte ich auch auf die Erfolgsgeschichte des L17-Führerscheins eingehen. Da kann bereits der 16-Jährige mit der Führerscheinausbildung beginnen und fährt ein Jahr in Begleitung mit den Eltern. Er kann dort viel Erfahrung sammeln, fährt 3 000 Kilometer. Das ist etwas sehr Positives, weil natürlich in dieser Zeit viele Dinge und Situationen erlebbar werden.

Aber leider können nicht alle Situationen für Fahranfänger im Laufe der Ausbildung erlebt und trainiert werden. Deswegen gefällt mir das Modell in den Niederlanden, wo 150 Fahrsimulatoren im Einsatz sind, mit welchen eben solche speziellen, außer­gewöhnlichen Fahrsituationen trainiert werden können, oder die Idee der „Safety Halls“ aus Schweden, in denen die Folgen von Unfällen eindrucksvoll demonstriert werden, nach dem Motto „Lernen durch Erleben“ und „Erleben statt Beschreiben“. Daraus leitet sich dann die Notwendigkeit und Wichtigkeit der Sicherheitseinrichtungen für die passive Sicherheit ab, wie zum Beispiel der Gurt, vor allem der Airbag, das ABS und ESP.

Wenn man sich vor Augen führt, dass die zweitgrößte Gruppe der Verkehrstoten  mein Vorredner ist auch darauf eingegangen  die Fußgänger gefolgt von den Motor­radfahrern, Radfahrern und Mopedfahrern sind, ist diesen Gruppen größte Bedeutung zu schenken. Es gilt auf alle Fälle zu untersuchen, ob die derzeitigen Schutzwegrege­lungen in der Straßenverkehrsordnung nicht zu überarbeiten sind, im Sinne der Sicher­heit für die Fußgänger auf dem Schutzweg.

Im Motorradbereich sollte neben den bereits erwähnten Neuregelungen des stufen­weisen Zugangs zum A-Führerschein die Schaffung von Anreizen zur Anschaffung von Motorrädern mit ABS überlegt werden.

Weitere wichtige Maßnahmen wären die dringende Sanierung der Motorradstrecken mit hoher Unfallhäufigkeit, wobei das Ausbessern von Rissen in der Fahrbahn in Kurven wegen der großen Rutschgefahr für Motorräder nicht mit Bitumen, sondern mittels Ausfräsen erfolgen sollte. Der Ausbau des Unterfahrschutzes bei Leitschienen auf Straßen mit hohem Motorradverkehrsaufkommen sollte ebenso erfolgen wie das Kehren und Reinigen von beliebten Motorradstrecken, bevor die Saison beginnt, um den Splitt des Winters zu beseitigen.


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Einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit leistet unsere österreichische Straßen­gesellschaft, die ASFINAG, der ich meine Anerkennung für das moderne und effiziente Verkehrsmanagement und Telematiksystem ausspreche. Der Ausbau der Verkehrs­beeinflussungsanlagen, die Alarm- und Einsatzplanung, das Radio Data System mit TMC-Funktion in Kooperation mit der ORF-Verkehrsredaktion sind auf einem sehr hohen Niveau.

Erwähnen möchte ich auch, dass der Rechnungshof der ASFINAG erst kürzlich ein positives Zeugnis in Form eines Berichtes ausgestellt hat.

Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Es ist mir ein Anliegen, nicht nur die Frau Bundesministerin zu loben, sondern auch allen anderen Personen und Institutionen, Gebietskörperschaften, Blaulichtorganisationen, Vereinen und Forschungseinrich­tun­gen, die durch ihr Wirken und Zusammenspiel einen großartigen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten, großen Dank und Anerkennung auszusprechen.

Arbeiten wir gemeinsam Schritt für Schritt weiter an dem Ziel, Österreichs Straßen sicherer zu machen, um menschliches Leid zu verhindern! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

9.40


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


9.40.58

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Werte Zuseher zu Hause vor den TV-Geräten! „Schritt für Schritt zu mehr Sicherheit und weniger Leid auf Österreichs Straßen“ ist vielleicht ein etwas pathetischer Titel für so ein nüchternes Thema. Der Titel „Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit“ hätte wahrscheinlich auch gereicht. Wie auch immer, es eignet sich eigentlich sehr wenig für ideologische Debat­ten, nur: Der Kollege Stadler hat es geschafft, sogar zu diesem Thema Parteipolitik zu betreiben. Ich werde das weitgehend vermeiden. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Das ist dir noch nie gelungen! Noch nie!)

Tatsache ist, dass, wie bereits von den Vorrednern ausgeführt wurde, die Statistiken ein sehr gutes Bild abgeben, ein gutes Zeugnis legen: Wir haben einen Rückgang bei den Verkehrsunfällen, wir haben einen Rückgang der Zahl der im Verkehr Verletzten und Getöteten. Es steht auf der Homepage des Verkehrsministeriums sehr umfang­reiches statistisches Material zur Verfügung. Es handelt sich dabei, muss man aner­kennen, um eine der informativsten Homepages aller Ministerien, Frau Minister.

Die Statistik zeigt natürlich auch, dass nicht alles so schön ist, wie man es vielleicht auf den ersten Blick glauben mag. Es ist im Zeitraum 2010/2011 eine Erhöhung der Zahl der Unfälle leider gerade bei den Zweiradfahrern und auch bei den Radfahrern festzustellen. Herr Kollege Stadler, wir waren ja nicht gegen die Helmpflicht bei Kin­dern, sondern wir waren eigentlich der Meinung, dass das auch sanktioniert gehört. Ich könnte jetzt genauso in den Raum stellen: Wäre es sanktioniert worden, wäre die Statistik noch besser – aber wie auch immer. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.) Es geht darum, anhand dieses ganzen Zahlenmaterials den Ist-Zustand zu analysieren, die Ursachen der Verkehrsunfälle zu finden, damit dieselben schluss­endlich auch beseitigt werden können.

Aber Statistiken haben es an sich, dass sie nicht immer die ganze Wahrheit sagen, dass sie auch fehlinterpretiert werden können. Frau Kollegin Greiderer hat eine Statistik genannt, bei der wir im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld liegen, und zwar, was die Zahl der Getöteten pro Million Einwohner betrifft. Was ich allerdings


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in der Statistik nicht gefunden habe, sind Zahlen, wie viele dieser Verunfallten auf Österreichs Straßen davon Ausländer waren (Bundesrat Mag. Klug: Wie war das mit der Parteipolitik?!), denn wir haben doch einen sehr hohen Transitanteil. (Zwischenrufe der Bundesräte Stadler und Mag. Klug.) – Ich rede hier vom Transitverkehr und von den Urlaubern und nicht von Immigranten!

Herr Kollege, wenn Sie behaupten wollen, dass Österreich kein Transitland und kein Urlaubsland ist, dann sei Ihnen das unbenommen, aber der Anteil ausländischer Kraft­fahrer ist in Österreich sicherlich höher als beispielsweise in Finnland. Ich glaube, das kann man ohne Weiteres sagen. Also, auch da ist die Statistik durchaus zu hinter­fragen.

Bei der Statistik über Unfallursachen steht an erster Stelle überhöhte Geschwindigkeit, an zweiter Stelle Vorrangverletzung und an dritter Stelle Ablenkung. Interessan­terweise steht die Übermüdung nur an siebter Stelle der Unfallursachen, fast gleichauf mit den Alkoholunfällen. Es gibt aber eine Untersuchung aus Deutschland, die beschei­nigt, dass Sekundenschlaf die häufigste Unfallursache – nämlich mit 25 Prozent am Unfallgeschehen – ist. Und weniger als 10 Prozent der Schlafapnoiker – das gilt jetzt für die Bundesrepublik Deutschland, aber diese Ergebnisse sind durchaus auch auf Österreich umzulegen – von den insgesamt 2,5 Millionen in Deutschland verursachen durch diese Unfälle einen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von 20 Millionen €.

Wenn man sich überlegt, dass man bei 100 km/h, wenn man eine Sekunde sozusagen abwesend ist, immerhin 29 Meter zurücklegt, dann kann man sich ausrechnen, was das bedeutet. Es ist da sicherlich auch das Gesundheitsministerium gefordert, etwas dazu beizutragen, um diese Problematik in Zukunft anzugehen.

Andere Auffälligkeiten ergeben sich beispielsweise dadurch, dass die Zahl der Getö­teten überproportional rückläufig ist im Vergleich zur Zahl der Verkehrsunfälle und der Verletzten. Da stellt sich natürlich die Frage, welchen Beitrag der technische Fortschritt im Automobilbau dazu leistet. Wir wissen, neue Fahrzeuge werden immer sicherer. Stichwort: Airbags und so weiter. Ich habe nichts gefunden, was zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen Alter und Sicherheitsausstattung des Kfz und Unfallfolgen herstellt.

Da gäbe es sicher noch interessante Fragen zu erörtern, wie beispielsweise jene, warum die Zahl der Unfälle, wie aus der Wochentagstatistik ersichtlich ist, am Freitag am höchsten ist, aber die Zahl der Getöteten am Sonntag am höchsten ist. Da drängt sich natürlich dem Autofahrer die Frage auf: Sind das die „klassischen Sonntags­fahrer“ – unter Anführungszeichen –, wie sie im Volksmund bezeichnet werden? Dazu gibt es eine Studie aus dem Jahr 2006 aus den Niederlanden, die die Fahrer und Fahrerinnen in Klassen einteilt, und zwar bis zu einer jährlichen Kilometerleistung von 3 000 Kilometern, von 3 001 bis 14 000 Kilometern und über 14 000 Kilometer. Und da sieht man, dass bei der Unfallrate pro Million gefahrener Kilometer vor allem die Wenigfahrer überproportional an den Unfällen beteiligt sind. Das gilt übrigens auch für Motorradfahrer. Das ist also weniger abhängig vom Alter, sondern vielmehr von der Fahrpraxis. Also auch da – Stichwort: Fahrsicherheitstraining – kann man wahrschein­lich noch einiges verbessern.

In diesem Zusammenhang habe ich eine sehr interessante statistische Kurve ge­funden, nämlich jene, die die Unfallrate betreffend Verunglückte in Abhängigkeit zum Alter darstellt. Wie gesagt, da bin ich auf eine klassische, eine geradezu ideale soge­nannte Badewannenkurve gestoßen, die bekannt ist aus der Technik, aus der Elektronik, um Ausfallshäufigkeiten festzustellen und zu analysieren. Da gibt es eine hohe Ausfallsrate ganz am Anfang der Lebensdauer eines Produktes, das sind Produktionsfehler, das sind Materialfehler, dann geht das auf niedrigem Niveau relativ


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lange dahin, das sind die Zufallsausfälle, und gegen Ende der Lebensdauer, natürlich aufgrund der Abnützung, steigt das wieder an. Das schaut so aus wie ein Querschnitt durch eine Badewanne. Das gilt übrigens auch für das menschliche Leben, ist also fast naturgesetzlich: Säuglingssterblichkeit, Alter. Und interessant ist eben auch hier: ganz markant bis 26 Jahre, und dann wieder ab dem 82. Lebensjahr.

Diese Statistiken widersprechen einander ein bisschen, denn beim Punkt Verkehrs­überwachung sieht man nämlich, dass die Raser, die bestraft werden, eigentlich überwiegend genau aus der Klasse der routinierten Vielfahrer kommen. Man kann jetzt die Frage in den Raum stellen, ob nicht vielleicht da der Fokus auf die Falschen ge­richtet wird, denn – und ich bin dieser Meinung; ich weiß, das betrifft nicht Ihr Ressort, Frau Minister, sondern das Innenministerium – es ist ganz wichtig, dass man ziel­orientiert bestraft und überwacht, und zwar dort, wo es wirklich gefährlich ist, und nicht dort, wo man sich am besten mit der Laserpistole verstecken kann, um die Akzeptanz bei den Bestraften zu erhöhen. Wenn man also jemanden aufhält, weil er zu schnell gefahren ist, und man sagt: Ich habe Sie deshalb aufgehalten, weil hier schon sehr viele Unfälle passiert sind!, dann ist das wahrscheinlich gescheiter, als wenn jemand das Gefühl hat, er sei ungerechtfertigt bestraft worden.

Zum Abschluss möchte ich noch ganz kurz auf den Straßenzustand eingehen, der auch ein wesentlicher Faktor im Verkehrsgeschehen ist. Der Straßenzustand trägt auch sehr zur Verkehrssicherheit bei. Ich meine damit nicht schnurgerade Bundes­straßen, die zum Rasen verleiten, sondern den Zustand der Fahrbahnoberfläche, der bei Regen und anderen Witterungseinflüssen sehr wichtig ist. Ich habe da große Sorgen, muss ich sagen – gerade als Steirer, aber auch in Anbetracht der Budget­kür­zungen, die bei uns im Verkehrsressort vorgenommen werden –, dass eine vernünftige Straßensanierung und -erhaltung kaum mehr möglich ist und dass daher da ein großes Gefahrenpotenzial schlummert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Tunnelsicherheit war mir immer ein besonderes Anliegen. Es passiert da sehr viel. Es werden jetzt die zweiten Röhren gebaut. Es sind noch nicht alle Tunnels mit zwei Röhren ausgestattet. Vor wenigen Tagen mussten wir leider erleben, dass es an einem Tag zwei tödliche Tunnelunfälle in Tunneln mit Gegenverkehr gab, und zwar in Vorarlberg. Also das beweist, wie wichtig das Ganze ist.

Auch an diesem Punkt komme ich auf die Überwachung zu sprechen. Wir haben im Plabutschtunnel eine Section Control eingerichtet – mit der Motivation, zur Steigerung der Verkehrssicherheit beizutragen. Tatsächlich aber wurden dort bis 2. Mai von insge­samt 5 959 Lenkern 3 095 mit ausländischer Zulassung sozusagen geblitzt, und die Frage ist jetzt die – und diese blieb leider in einer parlamentarischen Anfrage unbeant­wortet –, wie viele davon bestraft wurden.

Auch das betrifft nicht Ihr Ressort, Frau Minister, aber man sollte sozusagen minis­terienübergreifend die Bestrafungsmöglichkeiten ausländischer Verkehrssünder aus­loten. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Anliegen, glaube ich, weil es ganz wichtig für die Steigerung der Verkehrssicherheit ist.

Abschließend nur noch ein Satz: Es ist sicherlich einiges geschehen, aber es ist auch noch sehr viel zu tun, vor allem auch in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit anderen Ministerien, wie etwa dem Innenministerium, dem Gesundheitsministerium et cetera. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


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9.52


Präsident Georg Keuschnigg: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminis­terin für Verkehr, Innovation und Technologie Bures zu Wort gemeldet. Wunschgemäß wird auch bei ihr die Uhr auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

 


9.52.54

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Präsident, auch ich wünsche Ihnen für die Vorsitzführung viel Erfolg und alles Gute! Ich hoffe, dass Sie nicht viel Geduld brauchen werden, denn wir wissen ja, dass gerade die Diskussionen im Bundesrat immer sehr kollegial ablaufen. Ich glaube, dass schon die Redebeiträge zu einem so wichtigen Thema wie der Verkehrssicherheit gezeigt haben, dass es eine sehr hohe Diskussionskultur im Bundesrat gibt. Ich darf Ihnen nochmals alles Gute für Ihre Vorsitzführung wünschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sommerzeit bedeutet für viele Menschen Urlaubs- und Reisezeit. Für Sie noch nicht, meine Damen und Herren, Sie müssen noch arbeiten, aber viele Menschen sind gerade jetzt viel mit dem Auto unterwegs, sie fahren auf Urlaub, sie fahren in ihre Ferienwohnung. Es ist auch eine Zeit, in der wir sehr viele Unfälle auf Österreichs Straßen haben, und deshalb bedanke ich mich beim Bundesrat dafür, dass wir uns heute hier mit diesem Thema befassen können, dass wir nicht sagen, es gibt ganz andere wichtige Fragestellungen wie die Finanzmarktkrise oder die wirtschaftliche Situation allgemein, sondern dass wir uns auch mit Lebens­situationen, mit jenen Dingen befassen, die unmittelbar für die Menschen wichtig sind, nämlich, dass wir seitens der Politik alles unternehmen, um so wenig menschliches Leid wie irgendwie möglich auf Österreichs Straßen zu haben.

Meine Vorredner haben schon eine Reihe von Aspekten vorgebracht, und das zeigt deutlich, dass es gerade dann, wenn wir in unserem Bemühen um mehr Verkehrs­sicherheit erfolgreich sein wollen, ein Bündel an Maßnahmen geben muss, wo ein jeder seinen Beitrag dazu leisten kann.

Wie Sie wissen, liegt mir das Thema „Verkehrssicherheit“ seit meinem Amtsantritt, seit dem Jahr 2008, besonders am Herzen. An dieser Stelle ein Danke dafür, dass in dieser Frage immer alle an einem Strang gezogen haben. Das zeigt, wie schon erwähnt wurde, auch den Erfolg all der Maßnahmen, die wir in diesem Bereich gesetzt haben. Und da möchte ich einen Aspekt noch ergänzend zu der Frage der in der Statistik sichtbaren Wirkung all unserer Maßnahmen einbringen, und zwar: Wir haben derzeit tatsächlich die geringste Zahl an Unfällen. Wir haben noch nie so wenige verletzte Menschen auf Österreichs Straßen gehabt. Und wir haben noch nie so wenige getötete Menschen auf Österreichs Straßen gehabt. Nichtsdestotrotz sagen wir: Jeder einzelne Verletzte oder Getötete stellt ein persönliches Schicksal dar, des­sen wir uns annehmen müssen.

Aber eine Zahl hat mich besonders betroffen gemacht: nämlich jene, die aussagt, dass die häufigste Todesursache bei Kleinkindern, bei Kindern unter fünf Jahren, der Verkehrsunfall ist – gefolgt vom Badeunfall, was in dieser Jahreszeit etwas ist, worauf wir unser Augenmerk besonders richten sollten. Aber die häufigste Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren ist der Verkehrsunfall, und daher meine ich, dass unsere Entscheidung richtig war, im „Verkehrssicherheitsprogramm 2011–2020“ den Schwer­punkt auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu legen, dass wir zu Recht gesagt haben: Es ist wichtig, dass wir auf Österreichs Straßen ein friedliches Zusammenleben organisieren, so schwierig das auch sein mag!

Das ist natürlich leicht gesagt, aber wenn wir 8,5 Millionen Einwohner haben, dann haben wir, außer den unter Einjährigen, 8,5 Millionen Fußgänger in unserem Land. Wir haben über sieben Millionen Fahrräder in Österreich, und damit einen wirklichen An­stieg bei den Radfahrern, und wir haben 4,5 Millionen Autos auf Österreichs Straßen. Und die Herausforderung, vor der wir stehen, ist, nicht diese Gruppen gegen­einander auszuspielen, sondern dafür zu sorgen, dass die Verkehrsmittel, die man benützt, intelligent eingesetzt werden. Am gescheitesten ist es, mit dem Fahrrad zum Bahnhof zu fahren und dann auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Aber es ist klar,


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dass man auch oft das Auto braucht, und da geht es im öffentlichen Raum auf unseren Straßen um ein Miteinander und nicht um eine Politik, wo Feindseligkeiten geschürt werden, wo der Stärkere sich durchsetzt und der Schwächere auf der Strecke bleibt. Wir wissen, die Schwächsten im öffentlichen Raum sind die Kinder, und das ist etwas, was ich ändern möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube schon, dass, wie gesagt, die Statistiken zeigen, dass unsere konsequente Vorgangsweise die richtige war. Es hat sich gezeigt, Herr Bundesrat Krusche, dass die Hochrisikolenker eben die Raser und die Alko-Lenker sind, und daher muss man in diesem Bereich entsprechende Maßnahmen setzen. Wir müssen klar sagen, dass das kein Kavaliersdelikt ist, weil es tatsächlich viel zu häufig zu Verkehrsunfällen führt.

Ich bedanke mich für den Hinweis, dass wir auch bei der Infrastruktur für die Sicherheit sehr viel tun. Man kann das mit Gesetzen und Kontrollen machen, sich an die Innen­ministerin wenden und das auch gemeinsam sehr konsequent tun, aber es geht natürlich auch um eine sichere Infrastruktur, wo wir aber auch wissen müssen, wenn wir das vom Rednerpult einfordern, dann bedeutet das Investitionen.

Die Investitionen in zweite Tunnelröhren sind wichtige Sicherheitsinvestitionen, aber es ist viel Geld, das wir dabei in die Hand nehmen müssen, und ich halte es für gut investiertes Geld in diesem Bereich – nicht nur deshalb, weil man mit Investitionen in die Infrastruktur die Konjunktur ankurbelt und so in wirtschaftlich schwierigen Zeiten damit in einer wichtigen Branche auch Arbeit und Beschäftigung sichert, sondern auch deswegen, weil es in Zukunft ein wichtiger Mosaikstein dazu ist, dass wir weniger menschliches Leid auf Österreichs Straßen haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Wir haben letztes Jahr die zweite Tunnelröhre beim Tauerntunnel eröffnen können. Wir haben – vielleicht ist es Ihnen aufgefallen – heuer den ersten Sommer, in dem es auf Ö3 keine Verkehrsmeldungen gibt, wo es heißt: Wegen Blockabfertigung am Tauern­tunnel stundenlange Staus!, weil wir beim Tauerntunnel eine zweite Tunnel­röhre gebaut haben. Der ganz schreckliche Unfall mit zig Toten beim Brand im Tauerntunnel gehört zum Glück der Vergangenheit an, denn wir haben dort jetzt, wie gesagt, eine zweite Tunnelröhre.

Außerdem wurde auch angesprochen, dass wir in Vorarlberg mit Hochdruck daran gegangen sind, beim Pfändertunnel eine zweite Tunnelröhre zu bauen. Wir müssen jetzt auch die alte Tunnelröhre sanieren, und auch da wird mit Hochdruck gearbeitet. Im nächsten Jahr wird dann die zweite Tunnelröhre des Pfändertunnels in Betrieb genommen werden, was wiederum eine Maßnahme zu mehr Sicherheit auf Öster­reichs Straßen darstellt.

Es werden, wie gesagt, vom Unternehmen Asfinag Milliarden in Verkehrssicherheit investiert, und ich ersuche Sie auch im Hinblick auf diese Investitionen und Mittel, die wir einsetzen müssen, um Ihre Unterstützung.

Das gilt auch für andere Bereiche, in denen es dann immer Diskussionen gibt, dass das viel Geld kostet. – Ein Beispiel: Wir verzeichnen einen Anstieg von Unfällen auf Eisenbahnkreuzungen. Wir haben in Österreich überhaupt – auch im Vergleich mit ganz Europa – eine extrem hohe Zahl an Eisenbahnkreuzungen, und daher müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir diese Eisenbahnkreuzungen besser sichern.

Die erste Maßnahme, die ich gesetzt habe, war, die hundert Hot Spots, also die hun­dert gefährlichsten Eisenbahnkreuzungen, zu definieren und gemeinsam mit den


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Ländern Entschärfungen vorzunehmen, ob es sich nun um Lichtsignalanlagen, Schran­kenanlagen, Überführungen oder Unterführungen gehandelt hat. 

Außerdem habe ich eine Verordnung herausgegeben, dass wir dieses Programm verstärken müssen: Wir müssen in den nächsten 17 Jahren, was ein langer Zeitraum ist, weitere 2 000 Eisenbahnkreuzungen entschärfen und Maßnahmen setzen, damit es auch da in Zukunft weniger Unfälle gibt.

Der dritte Bereich, der mir auch wichtig ist und jetzt gerade zur Jahreszeit passt, ist der Bereich Motorrad. Das Motorradfahren wird oft auch mit Freiheit, Natur und Durch-die-Gegend-Fahren verbunden. Ich selbst bin keine Motorradfahrerin, aber viele sagen das, und wir sehen, dass Motorradfahren gerade im Sommer besonders gern betrieben wird, und auch diesbezüglich können wir eine Reihe an Maßnahmen setzen.

Ich habe eine „Motorrad-Million“ zur Verfügung gestellt, und ich habe mit den Ländern vereinbart, dass sie diese verdoppeln, so dass wir 2 Millionen € investieren. Wir haben im Frühjahr damit begonnen, damit wir schon in der heurigen Motorradsaison die Straßen für Motorradfahrer sicherer machen können, und haben entsprechende Inves­titionen getätigt. Wir haben einen Unterfahrschutz montiert, wir haben gefährliche Kurven besser gekennzeichnet, wir haben betreffend Straßenbeläge Maßnahmen gesetzt, so dass der Bund gemeinsam mit den Ländern eine sichere Infrastruktur zur Verfügung stellt.

Herr Bundesrat Krusche, Sie haben darauf hingewiesen, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Motorradunfälle gestiegen ist. Daher habe ich nicht nur diese 1 Million € zur Verfügung gestellt und mit den Ländern ein Paket geschnürt, sondern es wurde mit allen Fraktionen des Hohen Hauses, mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit, mit den Verkehrssprechern und mit den Autofahrerclubs ein Round Table abgehalten, bei dem wir voriges Jahr einen Maßnahmenkatalog beschlossen und heuer umgesetzt haben, und zwar was die Investitionen betrifft, aber auch im Hinblick auf Informationen. So gab es beispielsweise mehr Bremstechnikseminare und somit mehr Chancen, das Fahrverhalten sozusagen im Trockenen zu erproben. – Das heißt: Kaum wird eine Entwicklung bemerkbar, reagieren wir auch schon darauf, weil – wie gesagt – Ver­kehrssicherheit für uns alle im Mittelpunkt stehen muss.

Ich bedanke mich auch dafür, dass Sie, Herr Bundesrat Stadler, darauf hingewiesen haben, dass die Evaluierung der Radhelmpflicht für Kinder unter zwölf Jahren gezeigt hat, dass wir jetzt weniger Kopfverletzungen bei Kindern haben. Daher brauche ich das nicht mehr näher auszuführen. – Jedes zweite Kind, das bei einem Radunfall stirb, stirbt an einer Kopfverletzung. Jetzt zeigen alle Statistiken, dass die Kinder die Trage­pflicht von Helmen ohne hohe Strafen – also ohne dass die Keule des Gesetzes ge­schwungen werden muss – akzeptieren und Helme tragen. 98 Prozent der Bevöl­kerung sagen, dass das eine gute und richtige Maßnahme ist. Und das Allerwichtigste ist, dass wir einen massiven Rückgang an verletzten Kindern vor allem mit Kopfver­letzungen verzeichnen können, und damit hat sich diese Maßnahme auch tatsächlich bestätigt.

Ich danke sehr herzlich für diese enge und gute Zusammenarbeit im Zusammenhang mit dem Thema Verkehrssicherheit. Es ist uns damit wirklich gelungen, weniger Unfälle, weniger Verletzte und weniger Verkehrstote auf Österreichs Straßen zu haben!

Abschließend ein Appell: Der Gesetzgeber muss versuchen, alles zu unternehmen, um Verkehrsunfälle zu vermeiden, und die Exekutive ist in dieser Frage ein enger Partner. Wir versuchen, auch mit Bewusstseinskampagnen das Verhalten zu verändern. Das ist ganz entscheidend, weil – und das ist mein Appell – jeder einzelne Verkehrs­teil­nehmer/jede einzelne Verkehrsteilnehmerin, ob im Auto, ob auf dem Fahrrad oder als Fußgänger, selbst einen Beitrag dazu leisten kann, dass wir mehr Sicherheit auf


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Österreichs Straßen haben. Das können wir erreichen, wenn er/sie sich im öffentlichen Raum im Zuge der entsprechenden Mobilität verantwortungsbewusst verhält.

Dazu möchte ich einladen, weil es – wie Sie angesprochen haben – ein furchtbares Schicksal ist, wenn man in einen Verkehrsunfall verwickelt ist, den niemand freiwillig verursacht, sondern der passiert. Und das sollten wir mit allen Mitteln zu verhindern versuchen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.05


Präsident Georg Keuschnigg: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


10.06.11

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind uns einig, dass die Hebung der Verkehrssicherheit immer ein Thema sein wird und dass wir gar nicht so gut sein können, dass es nicht immer noch besser ginge.

Es ist erfreulich, dass die Zahl der Verkehrstoten zurückgegangen ist, keine Frage, und ich will jetzt auch nicht schwarzmalen. Das ist wirklich erfreulich, und es ist tatsächlich sichtbar, dass Maßnahmen Wirkung zeigen.

In einem Teilbereich, den ich jetzt noch hervorheben möchte – und den Sie schon angesprochen haben, Frau Ministerin –, gibt es aber sehr wohl noch wirklich großen Nachholbedarf, nämlich betreffend die schwächeren Verkehrsteilnehmer, also Kinder – und es gab eine Zunahme bei der Zahl von tödlich verunglückten Kindern –, Radfah­rerInnen, FußgängerInnen und ältere VerkehrsteilnehmerInnen, da insbesondere RadfahrerInnen und FußgängerInnen. Fast 50 Prozent der tödlich verunglückten Fuß­gängerInnen sind über 65, und bei den RadfahrerInnen sind fast zwei Drittel über 65. Es wird zwar immer so getan, als wären die rasenden Radfahrer das größte Verkehrs­sicherheitsproblem Österreichs, aber offensichtlich sind Radfahrer doch auch eher gefährdet, und es werden wohl nicht unbedingt die 65-Jährigen sein, die rasen!

Es geht also um die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Autos werden immer sicherer. Sie werden etwa mit Airbags – wie wir schon gehört haben – ausgestattet. Dies­bezüglich ist einiges eingeführt worden. Autos werden also immer sicherer, und den­jenigen, die drinnen sitzen, nutzt das, denjenigen, die draußen sind, nutzt das hinge­gen leider nicht sehr viel. Daher müssen wir für diese Personen Maßnahmen ergreifen. Sie haben es schon angesprochen: Es muss Sicherheit durch Infrastruktur geben. Dabei wurde gleichzeitig allerdings immer wieder erwähnt, dass die ASFINAG beispielsweise so viel für Tunnelbauten et cetera tut.

Letzten Endes wäre aber vor allem Sicherheit durch Infrastruktur für FußgängerInnen und RadfahrerInnen notwendig, und ich meine, diesbezüglich – ich spreche jetzt ein bisschen für das Land Niederösterreich, aber es ist in anderen Bundesländern wahr­scheinlich nicht viel anders – ist noch einiges zu tun. Bei uns in Niederösterreich werden das Zu-Fuß-Gehen und das Radfahren propagiert, gefördert werden jedoch landwirtschaftliche Güterwege, und gebaut werden Autobahnen.

In Korneuburg haben wir jetzt zum Beispiel das leidige Thema betreffend den Durch­gang beziehungsweise Zugang zum Bahnhof für FußgängerInnen von der südlichen Stadtseite, wo immerhin 3 000 Menschen wohnen. Dazu meint die ÖBB-Infrastruktur allerdings: Das geht uns nichts an! – Wir bekommen diesen Zugang jetzt voraus-


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sichtlich, aber nur dann, wenn gleichzeitig eine Straße gebaut wird, was schon ein bisschen eigenartig ist. Meiner Meinung nach sehr störend ist dabei auch, dass die Gemeinde zur Kassa gebeten wird: Offensichtlich muss die Gemeinde, für die es natürlich ein Fortschritt ist, wenn die ÖBB einen neuen Bahnhofszugang für Fußgänger bauen, dazu zahlen. Aber wir werden das tun. Das ist allerdings nicht selbst­ver­ständlich, und ich denke, Frau Minister, nachdem die ÖBB zu Ihrem Ressort gehören, dass es da bei der Bewusstseinsbildung des ÖBB-Managements einige Änderungen geben muss!

Ein zweites Thema, das ich ansprechen möchte, ist das Thema Alkohol. Dieses Thema wird auch immer wieder besprochen. Während die Zahl der Verkehrstoten in den letzten zehn Jahren insgesamt erfreulicherweise wirklich stark zurückgegangen ist, verhält sich das leider bei durch AlkohollenkerInnen verursachten Unfällen mit töd­lichem Ausgang nicht so, und gerade heuer gab es hier wieder einen Zuwachs.

Ich denke, die Bekämpfung dieses Problems muss man natürlich auch mit Strafen et cetera angehen. Ein wichtiges Thema dabei ist aber auch – wie Frau Kollegin Greiderer schon angesprochen hat – die Bewusstseinsbildung: Solange Menschen vor allem deshalb nicht alkoholisiert mit dem Auto fahren, weil sie sich vor der Polizei fürchten, und nicht deshalb, weil man unter Alkoholeinfluss eher jemanden verletzen könnte, ist es, glaube ich, wirklich dringend notwendig, dass man gerade im Zusam­menhang mit diesen bewusstseinsbildenden Maßnahmen noch mehr tut.

In letzter Zeit ist mir diesbezüglich sehr wenig aufgefallen, und in Anbetracht dessen, dass Herr Krusche vorher moniert hat, dass der Titel der heutigen Aktuellen Stunde so emotional sei und dass es auch trockener ginge, meine ich, dass gerade die Emotionalität in diesem Zusammenhang ganz, ganz wichtig ist, damit den Menschen wirklich bewusst wird, was passieren kann, wenn man sich ins Auto setzt. Wir alle wissen, dass das Auto, wenn man alkoholisiert am Steuer sitzt, zur Waffe werden kann.

Ich möchte aber die alkoholisierte Stunde  – Nein! Ich meine natürlich die Aktuelle Stunde. (Heiterkeit und Zwischenrufe.)

Ich möchte nur kurz anmerken: Ich hätte heute allen Grund dazu. Ich bin heute in der Früh in die Schnellbahn eingestiegen und habe erfahren, dass wir nicht fahren können, weil es in Wien im Schnellbahnnetz keinen Strom gibt. Insofern hätte ich allen Grund dazu gehabt! Ich verspreche aber, ich habe mir nicht zwischendurch einen Schnaps genehmigt, sondern ich habe eine Kollegin gebeten, mich mit dem Auto mitzunehmen.

Ich möchte jetzt noch kurz zwei Anliegen in die Aktuelle Stunde einbringen, und es würde mich freuen, Frau Ministerin, wenn Sie zwei, drei Sätze dazu sagen könnten, denn dann könnte ich mir eine schriftliche Anfrage dazu sparen.

Auto- und Flugverkehr sind nicht nur deshalb negativ für die menschliche Gesundheit, weil es Unfälle gibt, sondern es geht auch um Lärm und Schadstoffe. Diesen Faktoren des Verkehrs fallen zwar unauffälliger, aber viel mehr Menschen zum Opfer. Dort, wo die Infrastruktur ausgebaut wird, wird sie üblicherweise auch in Anspruch genommen – wenn es auch Ausnahmen wie die S 1 bei uns gibt –, und deshalb gibt es dann auch induzierten Verkehr, was ein Grund dafür ist, dass sich AnrainerInnen meist oder oft gegen solche Projekte wehren.

Es gibt jetzt ein UVP-Verfahren zur A 5. Das wurde jetzt neu kundgemacht, und zwar mitten in der Ferienzeit. Frau Ministerin! In Anbetracht dessen frage ich Sie: Meinen Sie nicht, dass irgendwie BürgerInnen-Rechte beschnitten werden, wenn die Auflage­frist eines UVP-Verfahrens genau mitten in den Sommerferien liegt und sich die Leute daher gar nicht auf eine Stellungnahme vorbereiten können, weil viele, wie Sie vorhin


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selbst gesagt haben, auf den Straßen unterwegs und gar nicht da sind? – Für mich ist das sehr wohl eine Austrickserei, und es ist mir nicht verständlich, warum man so vorgeht, wenn man das auch vorher oder nachher machen können hätte!

Ein zweiter Punkt, den ich noch kurz ansprechen möchte, betrifft Ihren Standpunkt beziehungsweise den Standpunkt der Bundesregierung zum Flughafen-Paket: Wir haben im EU-Ausschuss des Bundesrates eine Stellungnahme dazu verabschiedet, weil für uns nicht akzeptabel ist, dass die Kommission künftig in Flugverbote eingreifen und Flugverbote aufheben können will, die vorher, wie zum Beispiel in Österreich, durch ein Mediationsverfahren festgelegt wurden. Da gab es einen Deal zwischen dem Flughafen und den Anrainern, und das Verkehrsministerium war mehr oder weniger der Streitschlichter.

Daher ist es mir wichtig und würde ich mir wirklich von Ihnen erwarten, dass Sie diesen Teil des Deals nun auch einhalten und sich auch auf europäischer Ebene dafür aus­sprechen, dass das nicht geschehen kann, dass also die Kommission nicht ein Flug­verbot aufheben kann, das vorher zwischen verschiedenen Teilnehmern ausgehandelt wurde, und sagen kann, dass das doch nicht gilt. Ich würde mir wünschen, dass Sie wie die deutsche Regierung vorgehen. Ich denke, es wäre nur fair, dass auch Sie sich gegen diese Verordnung äußern! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­räten der SPÖ.)

10.13


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


10.14.04

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die Sicherheit im Straßenverkehr ist ein grundsätzliches Menschenrecht, und eigentlich sollten alle dazu motiviert sein, begeistert zu deren Verbesserung beizutragen.

Ich habe mir im Hinblick auf die Unterlagen insbesondere ein Thema angesehen, nämlich den Bereich Alkohol am Steuer. Die Ausgangslage war für mich 2008, als Frau Bundesministerin Doris Bures das Amt übernahm: Damals gab es über 39 000 Straßen­verkehrsunfälle mit Personenschaden, darunter mehr als 2 600 Alkoholunfälle. Warum nenne ich gerade diese Daten? – Gerade im Jahr 2008 erreichte der Anteil der Alkoholunfälle am gesamten Unfallgeschehen den Höchstwert der letzten zehn Jahre. Und ein Blick in die Statistiken zeigt, dass ein Alkolenker bei einem Unfall durchschnittlich zwei andere Menschen mit ins Unglück reißt.

Auf Grund dieser alarmierenden Zahlen aus dem Jahr 2008 hat die Frau Bundes­minis­terin seit ihrer Amtsübernahme mehrere wichtige Akzente in der Verkehrs­sicher­heitsarbeit, insbesondere auch im Bereich „Alkohol am Steuer“, gesetzt. Die große Verkehrssicherheitskampagne mit dem Slogan „Alkohol am Steuer tötet – können Sie damit leben?“ wurde gestartet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alkohol am Steuer war nie ein Kavaliersdelikt und wird es auch niemals sein, obwohl das von vielen Verkehrsteilnehmern leider immer noch auf die leichte Schulter genommen wird. Wir alle kennen die oft zitierten Aus­sprüche beim Trinken wie „Sei nicht so!“, „Ein Fluchtachterl geht noch!“, „Ex!“ und so weiter. Gerade deshalb möchte ich ein sehr zutreffendes Zitat von Jean Baptiste Molière wiedergeben: Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

Im Straßenverkehr hat man nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer Verantwortung zu übernehmen. Aber die meisten sehen gut, doch am liebsten weg. Zusammen mit anderen Maßnahmen wie erhöhten Strafen, verstärk-


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ten Alkohol-Kontrollen, Nachschulungen und Verkehrscoaching ergibt sich jetzt ein Ganzes, womit Österreich langsam, aber sicher stetig wachgerüttelt wird.

Genau die genannten Maßnahmen wurden von der Verkehrsministerin mit dem ersten Verkehrssicherheitspaket bereits im Jahr 2009 umgesetzt. Bereits ein Jahr später zeigte sich, dass das Maßnahmenbündel, bestehend aus der Verkehrssicherheits-Kam­pagne, der Einführung eines Verkehrscoachings für Alkolenker, der Erhöhung der Strafen für Alkolenker, längerer Führerschein-Entzugsdauer für Alkolenker, sehr posi­tive Auswirkungen hatte und sich die Zahl der Alkoholunfälle im Zeitraum Jänner bis Mai 2010 gegenüber 2009 bereits massiv verringerte. Mit dem ersten Verkehrssicher­heitspaket wurden also bereits wichtige Schritte von der Frau Bundesministerin für mehr Sicherheit auf den Straßen gesetzt.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt im Bereich „Alkohol am Steuer“ fand im Pilotprojekt „Alkolocks“ seine Fortsetzung, an welchem Berufskraftfahrer von 23 Transportunter­nehmen teilnehmen. Als Basis des positiven Abschlusses dieses Politprojekts wurden die ersten 100 Lkw, die mit „Alkolocks“ ausgestattet wurden, zu 50 Prozent aus den Mitteln den Verkehrssicherheitsfonds gefördert. Auf Grund dieser positiven Erkenntnis läuft daher seit März ein weiteres Pilotprojekt „Alkolocks“ für Menschen, deren B-Führerschein auf Grund eines Alkohol-Deliktes auf unbestimmte Zeit entzogen wurde. Aber man muss schon sagen: Dieses Projekt „Alkolocks“ sollte auch in anderen Anwendungsbereichen, wie zum Beispiel bei Schulbussen, seine Fortsetzung finden!

Dieser kurze Auszug betreffend positive Beispiele im Bereich „Verkehrssicherheit“ zeigt die gute Arbeit im BMVIT unter Frau Bundesministerin Doris Bures, und auch die Statistik bestätigt diese tolle Arbeit. Wie eingangs erwähnt wurde, war die Ausgangs­lage 2008 folgende: Es gab über 39 000 Straßenverkehrsunfälle mit Personenschaden, 2011 waren es nur mehr knapp über 35 000, also um 4 000 weniger, und die Alkohol­unfälle im Straßenverkehr sind von 2 600 auf knapp über 2 200 verringert worden, was einem Minus von 400 entspricht.

Zusammengefasst möchte ich einer Aussage der Frau Bundesministerin beipflichten, die sagte: Um die Verkehrssicherheit auf Österreichs Straßen zu verbessern, müssen mehrere Dinge zusammenspielen: Es braucht die richtigen Gesetze. Diese haben wir mit den Verkehrssicherheitspaketen. Genauso wichtig sind aber auch entsprechende Kontrollen durch die Exekutive, und überdies muss natürlich das Bewusstsein für die größeren Gefahren im Straßenverkehr geschärft werden. – Mit all diesen Maßnahmen, von denen wir heute gehört haben, kommen wir dem ehrgeizigen Ziel, das die Frau Bundesministerin in puncto Verkehrssicherheit verfolgt, dass Österreich im Jahr 2020 zu den sichersten Ländern Europas gehören soll, wesentlich näher.

Zum Abschluss möchte ich noch einen Satz zur Radhelm-Pflicht für Kinder sagen und auch andere Bürgermeister dazu aufrufen: Wir haben in Neufeld, wo ich Bürgermeister bin, die Einführung der Radhelm-Pflicht im Mai 2011 zum Anlass genommen, den Schü­lerinnen und Schülern der vierten Klasse Volksschule, die jeweils im Juni die Radfahrprüfung ablegen, jedes Jahr gratis einen Radhelm zu überreichen. Heuer geschah das schon zum zweiten Mal.

Ich bedanke mich ganz herzlich für die ausgezeichnete Arbeit der Frau Bundes­ministerin. (Beifall bei der SPÖ.)

10.19


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


10.20.19

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 32

mich bei unseren Fraktionsvorsitzenden bedanken, vor allem für die Formulierung des Titels der heutigen Aktuellen Stunde. Besser könnte man den Titel nicht wählen: „Schritt für Schritt zu mehr Sicherheit und weniger Leid auf Österreichs Straßen“. Diese Überschrift ist gleichzeitig auch Programmansage und Botschaft. Es geht darum, dass jeder von uns einen Beitrag leistet, und es geht auch darum, dass wir uns selber im Sinne von „Schritt für Schritt“ mehr bewegen, dass wir wieder das Gehen, Radfahren entdecken und dadurch unnötige Verkehrswege einsparen. Ja, das bringt nicht nur mehr Verkehrssicherheit, mehr Sicherheit auf Österreichs Straßen, nein, es ist für uns auch die große Chance und die Sicherheit, dass wir 100 Jahre alt werden. (Heiterkeit.)

Denken Sie daran, heute kann jeder von uns 100 Jahre alt werden, aber das fällt uns nicht in den Schoß. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) – Das stimmt, die Mühl­viertler haben in Wahrheit die höchste und die beste Lebenserwartung. An sich haben die schon eine Lebensversicherung und eine Garantie, 100 Jahre alt zu werden. Aber diese Chance hat jeder von uns, wenn er dafür aktiv etwas tut. Alles beginnt mit dem Gehen, mit dem Radfahren. Jeder zehnte Verkehrsweg ist unter einem Kilometer. Ich lade dazu ein, verständigen wir uns darauf: Gehen wir mehr zu Fuß, fahren wir mehr mit dem Rad! Das kommt der Verkehrssicherheit zugute, und letztlich profitieren wir selber, indem wir länger leben und gesünder durch das Leben gehen.

Das Thema ist also wirklich aktuell und auch sehr gut gewählt. Wenn wir über Verkehrssicherheit diskutieren, darüber reden, dann kommen wir nicht nur nicht am Gehen vorbei, sondern dann müssen wir uns auch mit dem Thema Geschwindigkeit beschäftigen. Wir leben ja in einer Highspeed-Gesellschaft, wir haben alles „tur­boisiert“: das Internet, die Züge, die Flüge. Wir bewegen uns quasi in „Lichtge­schwin­digkeit“, wir haben ja nicht einmal mehr für die wichtigsten Dinge im Leben Zeit, etwa für die Familie. Dafür fehlt uns die Zeit, dafür würden wir uns mehr Zeit wün­schen. Es bleibt uns für die Familie, die uns so wichtig ist, nicht mehr die Zeit, die wir uns wünschen – ja nicht einmal mehr für die Kaffeepause, da haben wir den „Coffee to go“ entwickelt.

Wenn wir über Verkehrssicherheit reden, dann müssen wir uns wirklich konsequent und ernsthaft mit dem Thema Geschwindigkeit beschäftigen, und da könnten wir uns etwas von der Relativitätstheorie von Albert Einstein leiten lassen. Der hat gesagt: Energie ist Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat. Wer etwas tun will für die Verkehrssicherheit, der muss sich mit der Geschwindigkeit beschäftigen. Die spielt in der Relativitätstheorie eine große Rolle, sie ist auch in Sachen Verkehrssicherheit sehr wichtig.

Nehmen wir Tempo aus dem Verkehr, und wir haben automatisch mehr Verkehrs­sicherheit! Dazu lade ich ein. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Ja, Frau Kerschbaum, wir müssen uns mit dem Thema Geschwindigkeit beschäf­tigen, und dort müssen wir auch die richtigen Punkte auswählen. Ganz im Sinne des Verkehrssicherheitsprogrammes, das auch die Frau Ministerin schon angesprochen hat, sollen wir uns damit beschäftigen: Wie schnell fahren wir eigentlich dort, wo viele Kinder unterwegs sind? Wie schnell fließt der Verkehr vor Kindergärten, Horten und Schulen? Da ist mitunter Tempo 50 erlaubt. Ich sage, nach den positiven Erfahrungen mit der Radhelm-Pflicht müssen wir uns auch mit dem Thema „Geschwindigkeit vor Kindergärten, Schulen und Horten“ beschäftigen.

Da gibt es ambitionierte Gemeinden. In Oberösterreich haben rund drei Viertel der Gemeinden flächendeckend, durchgehend Tempo 30 vor Kindergärten, Horten und Schulen vorgeschrieben. Das sind rund 600 Kindergärten, Horte und Schulen, die schon eine Schutzzone haben. Aber wir haben noch 300 Horte, Kindergärten und Schulen, wo Tempo 50 gefahren werden kann. Dort sind die Gemeinden überfordert,


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dort wird es nämlich schwierig, diese Kindergärten, diese Einrichtungen liegen nämlich an Bundes- und Landesstrassen, und da fehlt den Gemeinden die Zuständigkeit. Da wird es jetzt bürokratisch, da wird es ein Spießrutenlauf, da braucht man Sach­verständige, da braucht man die Bezirkshauptmannschaften, da brauchen wir die Lan­desverkehrsabteilungen.

Ich würde sagen: Seien wir mutig, ergreifen wir die Initiative und sagen wir, die Straßenverkehrsordnung soll künftig flächendeckend in ganz Österreich bei Schulen, Kindergärten und Horten Tempo 30 als zulässige Höchstgeschwindigkeit im Sinne unserer Kinder, unserer Schwächeren, unserer Jüngsten, unserer Zukunft des Landes vorgeben! Da wäre es sicher angebracht.

Wenn wir heute in der Aktuellen Stunde über Verkehrssicherheit diskutieren, dann möchte ich folgende Anregung machen: Ich würde mir wünschen, dass der Bundesrat im Herbst, wenn die Schule losgeht, eine gemeinsame Initiative einbringt: Tempo 30 flächendeckend in Österreich vor Kindergärten, Schulen und Horten. Vielleicht können wir uns am Rande dieser heutigen Bundesratssitzung auf so eine gemeinsame Initiative verständigen. Das wäre ein Signal für mehr Verkehrssicherheit, ein Signal, mit dem der Bundesrat auch gehört wird, mit dem der Bundesrat aus der Arbeit, aus der heutigen Diskussion heraus das ambitionierte, engagierte Verkehrssicherheits­pro­gramm 2020 verstärken kann.

Was ich noch ansprechen möchte, weil es vielen Städten, vielen mittelgroßen Gemeinden und kleinen Städten so unter den Nägeln brennt: Graz, Wien, Salzburg diskutieren derzeit über Verbotszonen, Parkpickerl, Umweltzonen. Wir in den kleinen und mittelgroßen Städten haben nicht diese Frequenz. Wir würden uns solche Probleme in Wahrheit wünschen, dass unsere Städte so boomen würden, so eine Frequenz hätten. Wir in den mittelgroßen Städten, mittelgroßen Gemeinden würden uns etwas anderes wünschen: eine Innovation, eine Alternative zur Fußgängerzone, zur Zentrumszone, zur Umweltzone, nämlich Begegnungszonen. Die brauchen wir. Das wäre ein Instrument im Sinne von gemeinsamer Platz, eines vernünftigen Mit­einander von allen Verkehrsteilnehmern, das der Wirtschaft zugutekommen würde, das auch mehr Sicherheit schaffen würde: für die Fußgänger, für die schwächeren, vor allem für die älteren und für die jüngeren Verkehrsteilnehmer, das alle gut integriert, den Radfahrverkehr genauso wie den Autoverkehr.

Dieses Missing Link brauchen wird, und ich appelliere wirklich an alle Kolleginnen und Kollegen: Ergreifen wir die Initiative, und werden wir so etwas wie Botschafter für Zentrumszonen und Begegnungszonen, im Sinne eines vernünftigen Miteinander unter allen Verkehrsteilnehmern! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Da wäre für uns auch noch Platz, etwas zu tun, das Verkehrssicherheitsprogramm abzurunden und noch effizienter zu machen.

Zum Schluss möchte ich sagen, Frau Bundesministerin: Die wichtigste und eine der effizientesten Verkehrssicherheitsmaßnahmen ist der Straßenbau. Wir kommen um den Straßenbau nicht herum, weder bei Schnellstraßen noch bei Landstraßen. Wir müssen den Straßenbau weiterhin forcieren, weil er wichtig ist, weil wir damit auch Unfallhäufungspunkte entschärfen. Und da gibt es genügend davon. Wir wissen, dass die Landstraßen eigentlich die gefährlichsten Straßen sind, und mit dem Bau von Umfahrungen, Schnellstraßen werden diese Unfallhäufungspunkte entschärft.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir in unserer Region die S 10 bekommen, die Schnell­straße von Linz hinauf nach Freistadt, eine autobahnähnliche Schnellstraße. Die kommt wirklich 20 000 Anrainern zugute. Wir haben dort weniger Lärm, weniger Abgase und mehr Verkehrssicherheit. Das ist eine ganz, ganz wichtige Maßnahme.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 34

Daher dürfen wir auch in Zukunft den Schnellstraßenbau, den Umfahrungsbau, den Autobahnbau nicht vernachlässigen, weil er ein wichtiger Beitrag zu mehr Verkehrs­sicherheit ist und weil er in Zeiten, in denen sich die Konjunktur eintrübt, auch ein wichtiger Beitrag zu Wirtschaftswachstum und zu Beschäftigung am Bau ist.

Stellen Sie sich vor, die S 10 ist eine Schnellstraße, 20 Kilometer lang, 700 Millionen schwer, 1 500 Mitarbeiter bauen derzeit an dieser Straße, haben dort Beschäftigung und Arbeit bis 2015. Im Sinne von „2020“ lade ich Sie ein, Frau Bundesministerin, bauen wir die S 10 weiter, hinauf bis zur Staatsgrenze! Bauen wir aber nicht nur die Straße, sondern setzen wir uns auch dafür ein, dass die Bahn ausgebaut wird, die Nord-Süd-Achse, die Schober-Pyhrn-Achse! Wir brauchen die! Das ist ein Herzstück im künftigen europäischen TEN-Netz. Tschechien, Polen brauchen den Adriazugang – Österreich, Steiermark, Oberösterreich, unsere starken wirtschaftlichen Zentren und Herzen in den Bundesländern brauchen den Zugang zur Nord- und zur Ostsee.

Frau Bundesministerin! Ich hoffe, dass es uns gelingt, auch im Sinne des europäischen Konjunkturprogrammes, Impulse für den Ausbau der Bahnstrecken und der Auto­bahnen zu setzen, und dass es uns gemeinsam gelingt, als Bundesrat etwas zu tun für mehr Sicherheit unserer Kinder vor Schulen, Kindergärten und Horten. Dazu lade ich ein. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.29


Präsident Georg Keuschnigg: Ich darf jetzt die Gelegenheit nützen, weil sie zu mir aufs Podium gekommen ist, unserer Kollegin, Frau Bundesrätin Ana Blatnik, zu ihrem heutigen halbrunden Geburtstag sehr herzlich zu gratulieren. Alles Gute, viel Glück und Gesundheit! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


10.30.36

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich schwierig, nach Herrn Kollegen Jachs, der hier eine polit­philosophische Abhandlung zwischen Albert Einstein und den TEN-Knotenpunkten zum Besten gegeben hat, zu reden. Aber ich möchte gleich daran anschließen, weil das Herzstück, das er genannt hat, nämlich der Straßenbau, natürlich ein ganz wesentlicher Punkt ist, der auch für uns in der Ostregion eine unablässige Forderung in Zukunft darstellen wird. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte als klassisches Beispiel die Südosttangente nennen, die A 23, die den Menschen aus den westlichen Bundesländern hauptsächlich ein Begriff aus den Nachrichten in der Früh ist: 170 000 Fahrzeuge jeden Tag. Eine unglaubliche Fre­quenz, die sich auf dieser Südosttangente abspielt. Wir alle wissen, was dort passiert. Da braucht gar kein Unfall mit Personenschaden zu sein, da genügt ein Blechschaden, und wir haben fünf bis zehn Kilometer lange Staus, gerade in den Sommermonaten, wo immer wieder Sanierungsarbeiten durchgeführt werden, wie aktuell gerade wieder mit Fly-over-Lösungen. Für uns ist es eine Notwendigkeit, dass diese Südosttangente eine Entlastung bekommt.

Eine Entlastung wurde ja teilweise schon umgesetzt. Wir brauchen jedoch die Nord­ostumfahrung, natürlich auch mit dem Lobau-Tunnel. Ich weiß, da bin ich jetzt bei Frau Kollegin Kerschbaum nicht unbedingt im richtigen „Fahrwasser“, aber ich halte es trotz allem für eine Notwendigkeit, denn eine Entlastung der Tangente ist unabdingbar, stammt doch deren verkehrspolitische Entwicklung aus den frühen 1970er Jahren, und wir müssen heute, im Jahr 2012, immer noch mit dieser Stadtautobahn leben. Ich weiß, sie ist ausgebaut worden, es sind teilweise Spuren dazugekommen, aber jeder, der


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sich einmal in der Hauptverkehrszeit über diese Tangente gequält hat, weiß, was das bedeutet.

Die Tangente ist die stärkstbefahrene Straße Österreichs und eine der fünf stärkst­befahrenen Straßen in ganz Europa. Dass da die Notwendigkeit für eine Entlastung besteht, vor allem für die Bevölkerung in Wien, aber natürlich auch für die Autofahrer, die diese Straße nicht aus Jux und Tollerei benützen, zumindest die meisten nicht, liegt auf der Hand. Dass man hier eine entsprechende Achse durch Wien durch bekommt oder eben die Möglichkeit schafft, wie wir uns das wünschen, Wien großräumig umfahren zu können, das halten wir für notwendig

Daher ist auch mein Appell heute an Sie, Frau Bundesministerin, gerichtet. Ich weiß, dass das neben der politischen Entscheidung natürlich auch eine finanzielle Frage ist, weil es auch eine große finanzielle Belastung ist. Das ist uns allen klar. Aber was für uns keine Option ist: dass man jetzt sagt, der weitere Ausbau ist bis zum Jahr 2025 verschoben. Wir haben jüngst erlebt, dass das UVP-Verfahren am Flughafen Wien abgeschlossen wurde, wir wissen, wie stark Umweltverträglichkeitsprüfungen Projekte verzögern können. Daher ersuchen wir, hier die Planungen weiter voranzutreiben. Die Finanzierung wird irgendwann einmal gesichert sein müssen, und dann wäre es gut, wenn man den Plan schon in der Tasche hätte und nicht von vorn wieder mit dem ganzen Verfahren beginnen müsste.

Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen möchte, weil er heute, was mich wundert, weil ich der letzte offizielle Redner bin, noch nicht angesprochen wurde und weil er auch zum Thema der Aktuellen Stunde passt, ist die Frage Rettungsgasse. Leider Gottes ist es so, dass trotz massiver Werbung, massiver Aufklärung, massiver Pro­paganda in sämtlichen Medien – egal, ob das Print- oder Funkmedien sind – diese Rettungsgasse bis zum heutigen Tag nicht einwandfrei funktioniert. (Bundesrat Stadler: Nicht überall!)

Das ist gerade jetzt in den Sommermonaten ein wichtiger Punkt, weil es jetzt natürlich vermehrtes Verkehrsaufkommen gibt. Da würde ich mir auch vom Verkehrsministerium wünschen, dass man weiterhin verstärkt Initiativen in diesem Bereich setzt, um hier für weitere Aufklärung zu sorgen. Denn eines ist erfreulich, und das wurde heute von allen Rednern schon erwähnt: Die Unfallstatistik zeigt, dass die Zahlen nach unten gehen, aber trotz allem – und da spreche ich im Sinne aller Abgeordneten und aller Öster­reicher –, jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Und natürlich darf man sich jetzt nicht auf den Lorbeeren, die man erreicht hat, ausruhen, sondern das Ziel muss sein, diese Statistik weiter nach unten zu drücken. Wenn das gelänge, dann wäre schon sehr viel erreicht. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

10.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.

 


10.35.51

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Ich werde mich bemühen, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beginne mit zwei Fragen, die an mich gerichtet wurden, die eher unter den Titel „Sonstiges“ fallen und nicht direkt mit der Frage der Verkehrssicherheit verknüpft sind.

Das eine ist die öffentliche Auflage für die A 5. – Frau Bundesrätin, Sie haben recht, die öffentliche Auflage findet während der Sommerzeit, nämlich vom 13. Juli bis


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28. August, statt. Das heißt, wir haben eine öffentliche Auflagezeit – es gibt auch eine gesetzliche Sommerpause, an die man sich hält – von eineinhalb Monaten. Wir haben auch davon gesprochen, dass wir – und ich halte mich daran und halte es auch für notwendig – Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Infrastrukturmaßnahmen machen, dass wir uns aber bemühen, diese zügig durchzuführen. Ich denke, eineinhalb Monate Auflagefrist ermöglicht es jedem – der Österreicher/die Österreicherin ist durchschnitt­lich 14 Tage im Sommer auf Urlaub –, sich das seriös anzusehen, und da kann man absolut nicht davon sprechen, dass da etwas durchgepeitscht wird.

Das Zweite, was das sogenannte Flughafenpaket der EU betrifft: Da hat es ja meh­rere Teile gegeben, zum Beispiel den Bereich der Liberalisierung der Bodenabfer­tigung, wo ich mich der Stimme enthalten habe, weil einzelne Fragen noch offen sind, was nämlich die Liberalisierung auf der einen Seite und die Sicherheit auf den Flughäfen auf der anderen Seite betrifft. Das heißt, Österreich hat da in meiner Person eine andere Stellungnahme beim Verkehrsministerrat abgegeben.

Bei der zweiten Frage, nämlich was diese lärmbedingten Regelungen betrifft, teile ich Ihre Skepsis: Wie wäre das, wenn es in ganz Europa Anwendung fände, mit den österreichischen Ergebnissen der breitesten Bürgerbeteiligung, die wir hatten, nämlich dem Wiener Mediationsverfahren, vereinbar? Und damit dem Rechnung getragen wird, habe ich in die Verhandlungen hineinreklamiert, dass in dem Dokument drinnen steht, dass die Regelungen des Wiener Mediationsverfahrens von dieser europäischen Regelung nicht betroffen sind. Das heißt, es ist eindeutig so, dass das Mediations­verfahren, das das Verkehrsministerium initiiert hat und das in ganz Europa als eines der besten Formen der Bürgerbeteiligung gesehen wird, und die Ergebnisse, die mit der betroffenen Bevölkerung im Rahmen dieses Mediationsverfahrens vereinbart wur­den, berücksichtigt werden.

Nun zur Frage der Verkehrssicherheit. Da habe ich nur zwei Bemerkungen. Und zwar: Das eine ist die Entwicklung der Verkehrsunfälle bei den Radfahrerinnen und Radfahrern. Wir haben in diesem Bereich einen Anstieg. Das hat aber sehr viel damit zu tun, dass wir einen massiven Anstieg der Zahl an Radfahrerinnen und Radfahrern insgesamt haben. Sie müssen sich vorstellen, in den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Radfahrerinnen und Radfahrer um 40 Prozent gestiegen. Das heißt, wir haben fast doppelt so viele Radfahrerinnen und Radfahrer wie vor fünf Jahren.

Es wurde darauf Bezug genommen, dass gerade ältere Radfahrer betroffen sind. Es sind zwei Gruppen. Und zwar: Die eine Gruppe sind die Jungen, und deshalb war die Radhelmpflicht so wichtig. Und wir sollten auch appellieren, dass man mit 12 den Radhelm nicht runternimmt, sondern die Eltern auch einen aufsetzen. Und die zweite Gruppe sind die älteren Radfahrerinnen und Radfahrer. Das habe ich mir natürlich auch im Detail angesehen: Der Grund ist nicht der, dass mehr ältere Menschen in Radunfälle verwickelt sind, sondern, dass bei älteren Menschen die Unfallfolgen immer viel schlimmer sind. Das kann sich ja jeder vorstellen, bei einem älteren Menschen, der mit dem Rad stürzt, sind die Unfall- und Verletzungsfolgen viel größer, ist die Gefahr, tödlich zu verunglücken, wesentlich höher. Das heißt, es ist nicht so, dass die Älteren mehr Unfälle verursachen, sondern das Problem ist, dass ältere Menschen insgesamt bei Stürzen und sonstigen Unfällen größere Unfallfolgen zu tragen haben. Daher wäre die Radhelm-Pflicht, und zwar unabhängig vom Alter, eine sinnvolle Maßnahme.

Das Entscheidende ist das Miteinander im öffentlichen Raum. Es geht nicht, dass der Autofahrer, wenn er im Auto sitzt, glaubt, er ist der, dem die Straßen gehören. Es geht aber auch nicht, dass der Radfahrer, wenn er auf dem Rad sitzt, glaubt, ihm gehören die Straßen auf dieser Welt (Beifall bei Bundesräten der ÖVP), sondern da gibt es auch Schwächere, wie die Fußgänger und die Kinder. Daher geht das nur mit diesem Rücksichtnahmegebot, das wir beschlossen haben, und nur mit diesem Miteinander.


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Ich teile die Einschätzung, dass wir uns, wenn sich das Mobilitätsverhalten der Men­schen ändert, zum Glück in Richtung mehr öffentlicher Verkehr, mehr Radfahren entwickeln, was auch für die Fragen des Umweltschutzes und Maßnahmen gegen den Klimawandel entscheidend ist. Wir sollten den Gemeinden und Ländern die Möglichkeit zur Aufhebung der Benützungspflicht von Fahrradwegen geben, aber auch Begeg­nungs­zonen wirklich umsetzen. Es gibt einen Gesetzentwurf meinerseits, der auf dem Tisch liegt, den wir auch mit den Radfahrorganisationen und den Expertinnen und Experten erarbeitet haben. Das erfordert offensichtlich auf parlamentarischer Ebene noch eine Diskussion, aber ich unterstütze diesen Vorschlag auch mit einem Gesetz­entwurf auf stärkere Berücksichtigung der unterschiedlichen Mobilitätsverhalten, der im Haus liegt. Auch die Begegnungszonen sind gerade für mittlere Städte und Gemeinden von großer Bedeutung.

Abschließend noch die Frage der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. – Ja, wir investieren in die Straße, wir investieren jeden zweiten Euro in eine sichere Infra­struktur, das heißt, in Verkehrssicherheitsmaßnahmen. Ganz konkret: Es ist 1 Milliar­de €, die jährlich investiert wird – so viel wie noch nie! Wir investieren das in die Sicherung – gerade bei der Südosttangente gibt es massive Investitionen in die Sanierung –, in den Bestandserhalt unserer Hochleistungsstraßen und, wie gesagt, vor allem in Sicherheitsmaßnahmen.

Ergänzen möchte ich, dass es trotzdem eine Schwerpunktsetzung auf den öffentlichen Verkehr gibt. Ich bin schon dafür, dass man sagt, die Länder müssen mitzahlen, wenn es um den öffentlichen Verkehr geht, oder die Gemeinden bei Wegen in Richtung Bahnhöfe. Wir müssen alle einen Beitrag leisten, und wir können das nur dann gut organisieren, wenn jeder einen Beitrag leistet – ob das der Bund ist, wir tun das mit 2 Milliarden € jedes Jahr – in eine umweltfreundliche und die sicherste Infrastruktur, die es überhaupt gibt. Die Länder müssen ihren Beitrag leisten, und auch die Gemeinden müssen ihren Beitrag leisten. Die Länder tun das mit großer Verantwortung – der größte Anteil sind natürlich Bundesmittel –, aber mit den Ländern geht es um die Investitionen und die Verkehre.

Daher bin ich sehr froh darüber, dass es gelungen ist, bei der letzten Landesverkehrs­referententagung mit allen Landesverkehrsreferenten eine Gruppe zu bilden, die sich damit befasst, wie wir den öffentlichen Verkehr österreichweit noch besser verknüpfen können, wie wir noch stärker schauen können, dass wir das Hochleistungsschienen­netz, das Nebenbahnenschienennetz mit dem regionalen öffentlichen Verkehr besser verknüpfen können, wie wir bessere Tarife anbieten können, wie zum Beispiel ein Jugendticket von 60 € pro Jahr für den VOR, für die ganze Ost-Region.

Wir werden bei der Infrastruktur, bei der umweltfreundlichen Infrastruktur, bei den Investitionen, aber vor allem bei der Frage der Verkehrssicherheit nur dann erfolgreich sein können, wenn wir an einem Strang ziehen. Das hat in der Vergangenheit wirklich sehr gut funktioniert, wofür ich mich abschließend noch einmal bei Ihnen allen bedanken möchte. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.44.00Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, verviel­fältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2678/AB bis 2679/AB beziehungsweise

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, sowie


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jenes Schreibens des Bundeskanzlers betreffend seinen Aufenthalt vom 7. bis 20. Juli 2012 innerhalb eines Mitgliedstaates der EU

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 12)

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) geändert wird (1986/A und 1879/NR der Beilagen)

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Schreiben des Bundeskanzlers betreffend dessen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Werner Faymann

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG

Parlament

1017 Wien

GZ 350.100/0007-I/4/12

Wien, am 5. Juli 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich mich innerhalb des Zeitraumes vom 7. bis 20. Juli 2012 im Ausland, aber innerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, aufhalten werde.

Mit den besten Grüßen“

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Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich begrüße Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner ganz herzlich hier bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (All­gemeiner Beifall.)

Darüber hinaus ist der Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011 eingelangt, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zuge­wiesen wurde.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 39

10.44.57Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe bekannt, dass von den Bundes­rätinnen und Bundesräten Georg Keuschnigg, Mag. Gerald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Selb­ständige Antrag 191/A-BR/2012 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Zukunft Land: Trends, Herausforderungen und Lösungen“ eingebracht wurde.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatungen in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Keuschnigg, Mag. Klug, Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen, den gegenständlichen Antrag 191/A-BR/2012 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bun­desrätInnen Keuschnigg, Mag. Klug, Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, den Antrag 191/A-BR/2012 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittel­bar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ange­nommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 191/A-BR/2012 ergänzen und diesen als Tagesordnungspunkt 27 in Verhandlung nehmen.

Der ursprüngliche 27. Tagesordnungspunkt „Wahl einer/s Ordnerin/s für den Rest des 2. Halbjahres 2012“ wird daher als 28. und somit letzter Tagesordnungspunkt in Verhandlung genommen.

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände beziehungsweise die Wahl einer/s Ordnerin/s für den Rest des 2. Halbjahres 2012 sowie den Selbständigen Antrag 191/A-BR/2012 der Mitglieder des Bundesrates Georg Keuschnigg, Mag. Ge­rald Klug, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen zum Thema „Zukunft Land: Trends, Herausforderungen und Lösungen“ auf die Tagesordnung der heutigen Sit­zung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 und 6, 9 und 10 sowie 19 und 20 jeweils unter einem durchzuführen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 40

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

10.47.341. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein BFA-Einrichtungsgesetz und ein BFA-Verfahrensgesetz erlassen sowie das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Grundversorgungs­gesetz – Bund 2005 und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsver­fahrens­gesetzen 2008 geändert werden (Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG) (1803 d.B. und 1889 d.B. sowie 8774/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Ich bitte um den Bericht.

 


10.47.47

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bevor ich den Bericht des Innenausschusses bringe, möchte ich mich bei dir, Frau Ministerin, bedanken, dass du für diesen Tagesord­nungspunkt extra deinen, sicher wohlverdienten Urlaub unterbrochen hast und heute mit deiner Anwesenheit hier die Wichtigkeit deines Ressorts darstellst. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich bringe nun den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein BFA-Einrichtungsgesetz und ein BFA-Verfahrensgesetz erlassen sowie das Asyl­gesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufent­halts­gesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


10.49.09

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Laut Statistischem Amt der Europäischen Union, Eurostat, liegt Österreich mit der Zahl der positiv erledigten Asylanträge deutlich über dem EU-Durchschnitt. 30,8 Prozent der Anträge wurden 2011 in Österreich positiv beschieden, der EU-Durchschnitt liegt bei 25,1 Prozent. Im Berufungsverfahren gingen weitere 19 Prozent positiv aus, Österreich liegt damit im vordersten Feld der EU. Insgesamt wurden in Österreich im Vorjahr 14 416 Asylanträge gestellt.

Woher kommen diese Asylanten in unser Land, wo wir doch von sicheren Herkunfts­staaten umgeben sind? – Und da wir inmitten von sicheren Herkunftsstaaten liegen, müssen wir jetzt 194 Behörden zusammenlegen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 41

Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, dazu einige Daten und Fakten zu nennen, die Aufschluss darüber geben, wie wichtig es ist, der Schlepperkriminalität und der illegalen Zuwanderung einen Riegel vorzuschieben.

2011 wurden knapp 10 000 Personen aufgegriffen, die über unsere Grenzen ge­schleppt wurden. Das ist ein Plus von zirka 44 Prozent gegenüber dem Jahr davor.

Weiters stieg die Zahl der aufgegriffenen illegalen Grenzgänger um fast 30 Prozent auf zirka 21 000. Die meisten aller Asylsuchenden, und zwar 70 Prozent, kamen aus Afghanistan, gefolgt von Tschetschenien, Russland und Pakistan.

2011 stieg der Asylmissbrauch um satte 30 Prozent; eine Dunkelziffer kann hier nicht genannt werden.

Jährlich werden zirka 200 Millionen € für den Asylbereich aufgewendet.

Bei all diesen Problemen ist es mit der vorliegenden Neuregelung der Kompetenzen im Asyl- und Fremdenrecht und der Einrichtung eines zentralen Bundesamtes leider nicht gelungen, die dringend notwendigen Maßnahmen zu setzen, um den organisierten Asylmissbrauch weitgehend zu verhindern. Eine effizientere und raschere Verwal­tungsstruktur, wie angekündigt, kann ich bei diesen Änderungen nicht erkennen, ganz im Gegenteil, denn diese Regierungsvorlage ist ein unvollendetes, verworrenes Regel­werk. Man könnte tatsächlich den Eindruck bekommen, dass da jemanden nach monatelangen Diskussionen und Begutachtungen der Mut verlassen hat und er das Handtuch geworfen hat, nicht zuletzt durch die Beteuerung, dass für den Herbst noch inhaltliche Änderungen zu erwarten sind. (Bundesrat Kainz: Stimmt ja nicht!)

Billiger wird es mit dieser Umstrukturierung wohl auch nicht werden. Immerhin werden zirka 100 Beamte und Beamtinnen und eine Vielzahl an berufsbegleitender Fortbildung benötigt, um, wie es heißt, deren Qualifizierung sicherzustellen. Es handelt sich hiebei um eine Verwaltungsreform, die genau das Gegenteil dessen bewirkt, was eine Ver­waltungsreform bewirken sollte. Es kommt zu keinen Einsparungen, sondern zu im­mensen Verteuerungen. Aber mittlerweile habe ich ja schon einige Verwaltungs­refor­men gesehen, die genau das Gegenteil bewirkt haben. Ich erinnere da nur an den Flughafen Schwechat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Genau, bei den Bezirksgerichten ist es dasselbe. (Bundesrätin Zwazl: Was hat der Flughafen Schwechat damit zu tun?)

Nicht berücksichtigt sind die nicht abschätzbaren Mehrkosten für die Schaffung des Rechtsberatungssystems aufgrund der Vorgaben der Rückführungsrichtlinien. Diese Änderungen steigern die Gewinne der Asylindustrie.

Auch die Einrichtung der Regionaldirektionen in den einzelnen Bundesländern wird aller Voraussicht nach nicht kostenneutral ablaufen. Mit der Schaffung zusätzlicher Aufenthaltstitel, der sogenannten Rot-Weiß-Rot-Karte und der Rot-Weiß-Rot-Karte plus, ist zu befürchten, dass unsere Regierung den falschen Weg geht. Anstatt sich um österreichische Familien und Jugendliche zu kümmern, wird die Arbeitsmarktsituation in unserem Land noch verschärft.

Dazu möchte ich Ihnen auch einige Daten nennen. Im ersten Quartal 2012 gab es 184 000 Arbeitslose, aber nur 72 600 offene Stellen. Die Arbeitslosenquote betrug bei den Österreichern 3,7 Prozent, bei den Ausländern 8,9 Prozent. Diese Zahlen geben keinen Anlass, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt weiter aufzuweichen.

Seit Jahren fordert die Freiheitliche Partei die Regierungsparteien auf, mehr in die Ausbildung der eigenen Jugend zu investieren. Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 8,3 Prozent ist es höchst an der Zeit zu handeln. Die hochgepriesenen überbetrieb­lichen Lehrwerkstätten werden geschlossen, weil sich die Gemeinden diese Kosten


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 42

einfach nicht mehr leisten können. Da wird auf Kosten der Lehrlinge gespart! (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Ich möchte Sie an dieser Stelle an die Äußerung von ÖVP-Vizekanzler Spindelegger erinnern, der eine Zuwanderungspolitik bis 2013 für zusätzliche 100 000 Zuwanderer proklamiert hat. Woher der ÖVP-Parteichef und Außenminister diese Zahl nimmt, bleibt ein Rätsel, genauso wie seine Prognose, dass diese 100 000 Zuwanderer Österreich vor dem Untergang retten sollen. Wieso sollte es uns nicht gelingen, bis 2030 die benötigten Fachkräfte im eigenen Land auszubilden? Haben Sie, meine Damen und Herren, so wenig Vertrauen in unsere österreichische Jugend? (Bundesrätin Zwazl: Nein, wir nicht!)

Abschließend ist noch zu sagen, dass Österreich immer in vorbildlicher Weise seinen Beitrag geleistet hat, Menschen vor Verfolgung zu schützen. Das soll und das muss auch so bleiben. Selbstverständlich sind wir für die Einhaltung der Genfer Flücht­lingskonvention (Rufe bei der SPÖ: Echt?!), allgemeine Notsituationen wie Armut, Natur­katastrophen oder Arbeitslosigkeit schließen aber die Asylgewährung aus. Um dem explodierenden Asylmissbrauch in unserem Land Einhalt zu gebieten, ist die Regierung aufgefordert, diese Überlegung in der für den Herbst angekündigten Aus­arbeitung der Fremdenrechtsmaterie zu berücksichtigen.

Wir werden dieser Änderung nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Überraschung!)

10.57

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


10.57.42

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Grüß Gott! Sie sehen, der Bundesrat arbeitet. Im Gegensatz zur Medienberichterstattung, die das Parlament schon in die Ferien geschickt hat, halten wir heute die 812. Sitzung mit einer Rekordtagesordnung von 28 Punkten ab. (Bun­desrat Mag. Klug: Ganz genau!) Also Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der Bundesrat ist aktiv! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Bravorufe bei der ÖVP.)

Lieber Kollege Ertl, man kann ja über eine Verwaltungsreform geteilter Meinung sein, aber man sollte schon bei den Fakten bleiben. Dein Redebeitrag war jetzt sehr breit angelegt. Mir als Vertreter der Wirtschaft ist unverständlich, dass du diesen Zugang hast und diese Unterscheidung zwischen legaler Zuwanderung und ausgesuchten Fach­kräften mit Rot-Weiß-Rot-Karte einfach nicht zur Kenntnis nimmst.

Wenn du dir die demographische Entwicklung in Österreich nur im Mindesten vor Augen führst, dann musst auch du zugeben und muss auch die Freiheitliche Partei zur Kenntnis nehmen, dass wir Österreicher selbst – ich persönlich habe meinen Beitrag geleistet (Bundesrat Jenewein: Wie viele Kinder hast du?), ich habe vier Kinder (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ) – auf diese Entwicklungen reagie­ren müssen und eine geordnete Zuwanderung auf der einen Seite, aber auch ein geordnetes Asylwesen auf der anderen Seite haben müssen.

Die heutige Novelle und diese Neukonstruktion des Asyl- und Fremdenwesens sind, glaube ich, für die Zukunft einer der wichtigsten Beiträge, um österreichweit doch Zug um Zug, step by step zu einheitlichen Asylbedingungen und -regelungen zu kommen.

Du, Kollege Ertl, hast viele Zahlen erwähnt, aber auch ich bringe ein paar dazu: Es werden hier fünf Gesetzesmaterien zusammengeführt, zusammengeschlossen, um


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 43

Synergien zu erwirken. Man muss bedenken – wir haben im Innenausschuss die diesbezüglichen Zahlen von Herrn Direktor Mag. Taucher ganz konkret geliefert bekommen –, wenn man den Durchschnitt von 2010/2011 hernimmt, hat diese neue Institution Folgendes zu bearbeiten: 15 730 Asylanträge, 13 500 Fremdenrechts­be­scheide, 5 400 Aufenthaltstitel, 2 300 Abschiebetitel – also Arbeit genug.

Wenn man in diesem Zusammenhang noch den Asylgerichtshof damit in Verbindung bringt, der in den letzten Jahren, glaube ich, solide Arbeit geleistet und den Rucksack – diesen Asylrucksack von nicht bearbeiteten Anträgen – wesentlich dezimiert hat, so kostet natürlich auch eine neue Institution Geld, keine Frage – wir reden hier von ungefähr 600 Vollzeitäquivalenten mit Kosten von 8 Millionen € –, dem muss man aber gegenüberstellen, was wir auf der anderen Seite wahrscheinlich an Synergien ausnützen und uns an Kosten ersparen.

Nur ein Beispiel: Die Verkürzung der Aufenthaltsdauer von 1 000 Fremden, Asyl­berechtigten, um ein Monat bringt uns 550 000 €, zwei Monate Verkürzung 1 100 000 € (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug), drei Monate Verkürzung 1 650 000 € per annum. Mein Kollege Christoph Kainz wird auf diese Sachlage insbesondere aus der Sicht des Bürgermeisters von Pfaffstätten und damit als Nachbarbürgermeister der Erstaufnahmestelle Ost noch eingehen. Er weiß, wovon er spricht, und er wird das, glaube ich, konkretisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man in Österreich 194 Stellen zusam­menführt, ohne die wesentlichen materiellen Rechtsgrundlagen zu ändern – die Frem­denpolizei bleibt in den lokalen Bezirkshauptmannschaften, natürlich fremdenpolizei­liche Maßnahmen, weil man ja vor Ort verschiedene Situationen vorfindet –, dann, denke ich, ist dieser mutige Schritt ein weiterer wichtiger Schritt nach der Polizei­strukturreform, damit Österreich auch in Zukunft nicht nur menschenrechtskonform, sondern vorbildhaft in Europa sein Asyl- und Fremdenwesen auf hohem legistischem Niveau und natürlich auch angesichts einer hohen Begehrlichkeit vonseiten der Asyl­werber in Bezug auf Österreich regelt.

Das Einzige, wo ich dir, Kollege Ertl, recht geben muss, ist, dass Österreich und Deutschland natürlich die Hauptziele der Asylwerber sind. Österreich ist ein attraktives Land, und das wollen wir in Zukunft auch bleiben, mit ausgesuchter und legaler Zuwan­derung und mit vielen Facharbeitern für unsere Wirtschaft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.02.49

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich der Thematik inhaltlich widme, möchte ich auch seitens meiner Fraktion der Vorsitz­füh­rung, dem Kollegen Keuschnigg, alles Gute wünschen und hoffe auf eine gute Koope­ration wie bisher! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Hensler: Super! Bravo!)

Nun zum eigentlichen Tagesordnungspunkt. Wir werden dieser Gesetzesvorlage un­sere Zustimmung nicht erteilen, aber aus anderen Gründen, als sie die Freiheitlichen angeführt haben. Man muss das ein bisschen differenziert betrachten: Die strukturelle Änderung ist absolut begrüßenswert, und Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wissen ja, dass ich immer einer der Hauptkritiker war, dass sozusagen die rechte Hand nicht gewusst hat, was die linke tut, weil es so viele unterschiedliche Zuständigkeiten gegeben hat und selbst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem System größte


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 44

Mühe gehabt haben, da einen Überblick zu bewahren, geschweige denn die Betrof­fenen selbst.

Diese Zusammenlegung der Stellen, die vorher auf 194 Behörden verstreut waren, ist zu begrüßen. Das führt sicherlich zu mehr Effizienz und dadurch zu einer Verfahrens­beschleunigung. Das kann nur im Interesse aller Beteiligten sein, sowohl jener, die in diesem Bereich tätig sind, jener, die davon betroffen sind, als auch jener aus dem NGO-Sektor, die diese Menschen betreuen. Das ist das Positive daran.

Das, was zu kritisieren ist und weshalb wir auch unsere Zustimmung nicht erteilen werden, ist, dass es unter dem Deckmantel der strukturellen Veränderung, die ja be­grüßenswert wäre, auch zu inhaltlichen Veränderungen kommt und es da aus unserer Sicht auch einige massive Verschärfungen geben wird, wie zum Beispiel die Aus­weitung der Festnahmetatbestände oder auch die Anhaltung für die Dauer von bis zu 120 Stunden. – Das haben wir ja nicht einmal bei der Untersuchungshaft, denn da liegt die Grenze, glaube ich, bei 96 Stunden. (Bundesrat Kainz: Das haben wir ja jetzt schon! Wir haben es jetzt schon! 120 jetzt, 120 zukünftig!)

Ja, aber das war der Grund, Kollege Kainz, warum ich auch im Ausschuss nachgefragt habe: Es ist nicht klar verständlich rübergekommen, ob es sozusagen anstatt der Schubhaft ist – die Schubhaft bleibt ja weiterhin bestehen, die wandert jetzt nur sozusagen von der Zuständigkeit her von der Polizei zum Amt, und zusätzlich kommen jetzt noch diese 120 Stunden dazu. Und das ist doch ein gravierender Einschnitt in die Freiheitsrechte der Betroffenen. – Das ist die eine Geschichte.

Die zweite Sache: Kollege Ertl, nicht nur du, sondern auch die Kollegen deiner Partei sprechen immer von Asylmissbrauch. – Man kann das noch so oft zelebrieren, aber man muss offensichtlich immer wieder gerade in eure Richtung kommunizieren: Dem eigentlichen Asylverfahren ist ein Zulassungsverfahren im Erstaufnahmezentrum vor­geschaltet – das weißt auch du (Zwischenruf bei der ÖVP) oder das solltest du wissen –, und in diesem Zulassungsverfahren wird geprüft: Liegen asylrelevante Gründe vor, ja oder nein? Und erst dann, wenn asylrelevante Gründe vorliegen, kommt es zum eigentlichen Asylverfahren. – Stimmt das, Frau Ministerin? – Genau.

Deswegen: In diesem Kontext von Asylmissbrauch zu sprechen ist wirklich eine Irreführung der Bevölkerung und ein Aufwiegeln einer Bevölkerungsgruppe gegen die andere, und das ist eine Bevölkerungsgruppe, die leider Gottes politisch überhaupt keine Lobby hat und auf die immer wieder verbal eingedroschen wird. Und es ist für unser gesellschaftliches Zusammenleben nicht begrüßenswert, wenn hier Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber es gibt schon welche, ...!) – Das ist der eine Punkt. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Ertl: Wir leben mitten unter sicheren Herkunftsländern!)

Der zweite Punkt ist, dass in deiner Rede die legale Zuwanderung mit der illegalen und AsylwerberInnen und Arbeitsmarktzugang in einem diskutiert worden ist. Das spiegelt auch die Geisteshaltung wider: Das ist eh wurscht, die sind eh alle gleich! So nach dem Motto ist das. Aber so ist es eben nicht! (Bundesrätin Mag. Duzdar: Eh alles Aus­länder!) – Es sind eh alles Ausländer, ja. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber es ist schon auch vernünftig, dass ...!) – Man muss da fein differenzieren.

Um beim Punkt Asylwerber zu bleiben – ich wiederhole mich hier, denn das sage ich wirklich immer wieder und ich lasse keine Gelegenheit dazu aus –: Das, was wir gegenwärtig haben, ist aus ökonomischer und menschlicher Sicht eigentlich eine Katastrophe. Wir haben hier in Österreich Menschen, die nach dem Zulassungs­ver­fahren zum Asylverfahren zugelassen worden sind, wir haben auch rechtlich die Mög­lichkeit, dass diese Menschen nach drei Monaten auf dem Arbeitsmarkt tätig sein könnten, aber de facto dürfen sie das nicht. Stattdessen müssen sie von der öffent-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 45

lichen Hand in der Grundversorgung untergebracht werden, gleichzeitig jammern wir aber, dass wir keine Arbeitskräfte haben. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Selbst wenn diese Menschen zurück in ihre Herkunftsländer müssen, weil das Asylverfahren negativ ausgeht, wäre es doch nur sinnvoll, wenn diese Menschen diese Zeit hier in Österreich nutzten, indem sie einen gescheiten Beruf erlernen, indem sie handwerkliche Fähigkeiten erwerben, um – falls sie dann zurückkehren müssen – am Aufbau ihres Landes mitwirken zu können. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.) Sie können hier nicht arbeiten, stattdessen müssen wir sie aus der öffentlichen Hand subventionieren. (Bundesrat Ertl: Das sagen wir immer unserer ...!) Wenn sie aber dann, wenn das Asylverfahren rechtskräftig negativ abge­schlossen wird, zurückkehren, haben sie wieder nichts erlernt. Es ist eine tote Zeit, es ist eine Lose-lose-Situation. Ich ersuche hier daher wirklich – diese Kammer und auch den Nationalrat –, sich diese Thematik einmal ganz genau anzuschauen, denn da gibt es wirklich massiven Optimierungsbedarf. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Es hat eine Verbesserung seitens des Sozialministeriums gegeben, das darf man auch nicht unter den Tisch kehren, nämlich dass die Menschen im Bereich der UMF mittler­weile unter bestimmten Voraussetzungen einen Zugang zum Arbeitsmarkt haben (Bundesrätin Posch-Gruska: Ja!), der sich wahrscheinlich wieder nur auf die Theorie beschränken wird, denn bevor jemand hier eine Lehre aufnehmen kann, muss er sich sozusagen beim AMS einer Prüfung unterziehen lassen, ob für diesen Bereich nicht jemand anderer in Frage kommt. Das heißt, die haben wieder sehr, sehr schwierige Voraussetzungen, eine Beschäftigung aufzunehmen.

Wir werden uns in einem Jahr die Sache genauer ansehen, schauen, wie viele UMF, also unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, durch diese Regelung, die ja begrüßens­wert ist, dann de facto Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen haben.

Abschließend möchte ich Folgendes festhalten: Diese strukturelle Änderung ist be­grüßens­wert, aber diese Gesetzesmaterie beschränkt sich nicht nur auf eine struk­turelle Änderung, sondern beinhaltet auch eine inhaltliche Verschärfung, daher werden wir dieser Gesetzesmaterie unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.10


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.10.23

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Gospa president! Gospa ministrica! Liebe Kollegen und Kolle­ginnen! Drage kolegice in kolegi! Auch ich möchte hier appellieren, dass gerade bei einem solch sensiblen Thema nicht populistisch gehandelt wird. Ich glaube, dass ein Thema, das so sensibel ist wie dieses, ganz einfach eine verantwortungsvolle Wert­schätzung im Umgang mit sich bringen sollte.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es geht um eine Strukturveränderung. Es geht hier um eine organisatorische Veränderung. Eine bessere Struktur bedeutet für mich eine Vereinfachung, eine bessere Struktur bedeutet für mich eine Verkürzung des Ver­fahrens, eine bessere Struktur bedeutet für mich ein Mehr an Klarheit für die Betrof­fenen.

Der Beamte im Ausschuss hat gesagt, dass es hier um die Kompetenz, die Zu­ständigkeit geht, und zwar um eine Neuordnung der Kompetenz, die österreichweit einheitlich sein sollte.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 46

Wie Herr Kollege Perhab auch schon erwähnt hat, gibt es bis dato 194 Behörden, die diese Fragen behandeln. Jetzt sollte die Kompetenz konzentriert und sollten alle Fragen zu Asyl und Teilen des Fremdenrechtes in einer einzigen prüfenden Behörde, nämlich dem BFA, gebündelt, entschieden und erledigt werden. Ich finde, das ist ein großer Vorteil, denn gerade damit werden Schnittstellen abgebaut, und dort, wo Schnittstellen abgebaut werden, führt dies zu einer Verkürzung des Verfahrens. Das haben wir immer wieder eingefordert, und das ist ein wirklich positiver Schritt.

Da Herr Kollege Ertl gesagt hat, dass es zu keiner Einsparung kommt, möchte ich schon sagen, dass der Beamte im Ausschuss auch Folgendes gesagt hat: Kurzfristig nicht, aber langfristig kommt es vor allem durch das rasche Abwickeln des Verfahrens und das kürzere Verweilen in der Grundversorgung zu einer Einsparung. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Erarbeitung dieser Vorlage, bei diesem Dis­kus­sionsprozess wurden alle Bundesländer und Fachleute mit einbezogen. Sie haben mitdiskutiert, und so ist man zu dieser Regierungsvorlage gekommen.

Zusammenfassend: Es geht um Strukturveränderung. Es geht um eine Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen. Es geht hier darum, dass Doppelgleisigkeiten abge­baut werden. Es geht hier darum, dass Verwaltung vereinfacht wird. Es geht um eine schlankere Organisation, dadurch beschleunigte Verfahren, verkürzte Verfahrens­dauern, schnellere Entscheidungen, und dadurch kann auch mehr Rechtsicherheit erreicht werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir werden dieser Regierungsvorlage selbstver­ständlich zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

 


11.14.40

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf gleich an die Ausführungen der Frau Bundesrätin anschließen. Das Bundesministerium für Inneres steckt inmitten eines umfassenden Reformpro­zesses.

Warum sage ich „eines umfassenden Reformprozesses“? – Weil wir zwei ganz große Verwaltungsreformen auf den Weg gebracht haben: zum einen die größte Behör­denreform in der Zweiten Republik – eine Behördenreform, mit der wir es schaffen, 31 Behörden zu neun Behörden zusammenzuführen, eine Reform, die uns die Mög­lichkeit gibt, dadurch noch schlanker, effizienter, kostengünstiger und damit auch schlagkräftiger zu werden – und zum anderen die Errichtung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, wo sich natürlich die Frage stellt, warum wir dieses Bun­desamt für Fremdenwesen und Asyl brauchen.

Die Antwort liegt ganz klar auf der Hand – die Daten, Zahlen und Fakten wurden heute bereits genannt –: weil Europa und im Speziellen natürlich auch Österreich intensiv von Migrationsströmen betroffen sind. Die Asylanträge zeigen es: Es gibt eine massive Steigerung im Ausmaß von 31 Prozent allein in den letzten Monaten. Derartige Migrationsströme brauchen natürlich ganz klare Antworten.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 47

Es bedarf da vor allem einer strukturellen Antwort, und die strukturelle Antwort heißt Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; ein Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, mit dem wir es schaffen, für klare Strukturen zu sorgen, wodurch wir in Zukunft nicht mehr 194 Behörden damit beschäftigen, sondern wo die Zuständigkeit bei einem Bun­desamt für Fremdenwesen und Asyl liegt, mit dem wir schlanker, effizienter und schlagkräftiger werden, wodurch es uns gelingt, Doppelgleisigkeiten, Mehrfachgleisig­keiten abzustellen, und mit dem wir auch im wahrsten Sinne des Wortes ein Kompetenzzentrum schaffen; ein Kompetenzzentrum, wo rasche, schnelle und klare Entscheidungen getroffen werden können, mit einer Zentrale hier in Wien und jeweils einer Außenstelle in den Bundesländern.

Ich glaube, gerade diese raschen, schnellen Verfahren sind wohl die beste Antwort, die wir den Asylwerbern, den Fremden geben können, denn das ist meines Erachtens wohl die höchste Gerechtigkeit und die größte Fairness, die wir den Fremden, den Asylwerbern entgegenbringen können.

Es wurde heute auch schon angesprochen: Wichtig ist natürlich vor allem, immer wieder auf die spezielle Situation der Fremden und Asylwerber einzugehen. Deswegen sind uns in Zukunft auch der Faktor Rechtsberatung und selbstverständlich auch die Opfer von Menschenhandel sehr, sehr wichtig. Das heißt auch, auf beide Dinge – sowohl Rechtsberatung als auch Opfer von Menschenhandel – wird der Fokus gerichtet, und sie werden unsere spezielle Unterstützung bekommen.

Das vorliegende Gesetzeswerk wurde in den letzten Monaten intensiv und umfassend diskutiert, diskutiert hier im Bundesrat, im Nationalrat und vor allem auch diskutiert mit den einzelnen Bundesländern, wodurch wir im Einvernehmen mit Letzteren eine Struk­tur geschaffen haben. Wichtig war uns in diesem Prozess vor allem auch die Begut­achtungsphase – eine Begutachtungsphase, für die wir uns Zeit genommen haben, wo 155 Organisationen und Institutionen die Möglichkeit und die Chance hatten, ihre Stellungnahme abzugeben. 30 Stellungnahmen sind zurückgekommen, 30 kritische Stellungnahmen, mit denen wir uns intensiv beschäftigt haben und die wir versucht haben zu berücksichtigen.

Mit diesem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führen wir all jene Dinge zusam­men, die letztendlich zusammengehören. Das heißt, alle fremdenrechtlichen und asylrechtlichen Fragen werden in diesem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch geklärt und entschieden.

Das, was wir hier vorliegen haben, ist ein Organisationskonzept, ein Organisations­gesetz, das ganz klar die Grundzüge der Organisation und die Grundzüge der Zustän­digkeiten regelt. Parallel dazu haben wir hier ein Verfahrensgesetz geschaffen, das vor allem alle Fremden im gleichen Ausmaß betrifft beziehungsweise ganz klare Rege­lungen aufstellt.

Da gerade die Grünen gemeint haben, sie können diesem Bundesamt für Fremden­wesen und Asyl nicht zustimmen – wobei heute hier schon betont worden ist, dass es sich hier ausschließlich um ein Organisationsgesetz handelt –: Ja, es stimmt, dass es hier auch zu inhaltlichen Änderungen kommt, mit denen wir uns aber erst im Herbst beschäftigen (Bundesrat Ertl: Herr Hensler, haben Sie gehört? Im Herbst! – Zwi­schenruf des Bundesrates Hensler), nämlich aufgrund der Materiengesetze. Das heißt, Sie haben noch ausreichend Zeit, sich einzubringen, nämlich dann, zur richtigen Zeit, im Herbst, wenn es um die inhaltlichen Änderungen der Materiengesetze geht, wenn es vor allem auch um die Anschlussstücke zur Verwaltungsgerichtsbarkeit geht.

Wir haben uns den Zeitplan gesetzt, im September beziehungsweise ab Oktober umfassend und intensiv darüber zu diskutieren.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 48

Wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Arbeit mit 1. Jänner 2014 gemeinsam mit der Ver­waltungsgerichtsbarkeit aufnimmt, was auch Sinn macht, was letztendlich auch klug und vorausschauend ist.

Gerade die nächsten Monate bis zum 1. Jänner 2014 geben uns Zeit, die Vorberei­tungsarbeiten gut zu erledigen. Was haben wir in den nächsten Monaten zu tun? – Zum einen haben wir die ganz große Aufgabe, das Personal, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, optimal zu schulen. Aus diesem Grund wird in den nächsten Monaten ein umfassendes Schulungskonzept in enger Kooperation des Bundesministeriums für Inneres mit der Sicherheitsakademie ausgearbeitet, damit auch wirklich alle asyl- und fremdenrechtlichen Agenden umfassend bearbeitet und entschieden werden können. Sie alle wissen, dass gerade das Fremdenrecht eine äußerst schwierige Materie ist, wo es gilt, Spezialisten heranzuziehen. Zum anderen brauchen wir natürlich auch die not­wen­digen Raumressourcen. Und so haben wir in den nächsten Monaten die Zeit, diese Raumressourcen auch zu schaffen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit 1. Jänner 2014 mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl starten können und dass wir dadurch vor allem den Asylwerbern und den Fremden die beste Unterstützung zukommen lassen können.

Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, auch einmal Danke zu sagen, nämlich allen NGOs und den Bundesländern, die umfassend mitdiskutiert haben, die auch mitent­schieden haben. Ich sage Danke für dieses konstruktive Miteinander. Ein Danke vor allem auch an den Koalitionspartner, an die SPÖ, für die intensive und umfassende Zusammenarbeit innerhalb der letzten Monate.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dieser Entscheidung heute hier im Bundesrat einen richtigen Schritt nach vorne und wieder einen richtigen Schritt in Richtung Ver­waltungsreform tun. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Da sich der nächste Redner, Herr Bun­desrat Kainz, nicht im Saal befindet  (Ruf bei der ÖVP: Nehmen Sie den da! – Bundesrat Kainz: Wenn Sie mich nehmen!) – Falscher Sitzplatz führt zur Irritation im Vorsitz. – Bitte, Herr Bundesrat Kainz.

 


11.22.33

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Nach dem Motto „Das Ergebnis zählt“ bin ich jetzt am Rednerpult und melde mich natürlich gerne zu Wort, und besonders gerne als Nachredner der Frau Bundesminister, die sehr sachlich auf den Punkt gebracht hat, dass wir heute im Asylwesen wirklich einen großen Schritt vorwärts gehen, einen großen Schritt in Richtung Rechtssicherheit, einen großen Schritt auch im Sinne der Asylwerber.

Dieses heutige Gesetz und dieser heutige Schritt zur Umsetzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl stellen letztendlich auch einen weiteren Schritt dar, der zeigt, dass das Bundesministerium für Inneres Verwaltungsreform nicht nur sagt und schreibt, sondern auch mit diesem Bundesamt umsetzt. Zukünftig haben wir ein Bun­desamt für Fremdenwesen und Asyl und neun Landesämter. Insgesamt 194 Behörden werden in dieser Struktur zusammengeführt, gehen in dieser Struktur auf.

Dieses Einrichtungsgesetz zeigt auch, dass man sich im Vorfeld, nämlich innerhalb der Koalition, im Ausschuss und in der Beamtenschaft des Innenministeriums mit der Frau Bundesminister an der Spitze, sehr intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat. Aber man nimmt sich jetzt auch die Zeit, um bis zum 1. Jänner 2014 jene Struktur zu finden, die unter Einbindung aller Betroffenen – nämlich vor allem der NGOs, aber


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 49

auch des Innenministeriums – funktioniert, die passt und die letztendlich auch auf die neuen Anforderungen, die ja tagtäglich an das Asyl- und Fremdenwesen gestellt werden, die richtigen Antworten geben kann.

Kollege Perhab hat es schon erwähnt, ich melde mich auch als Bürgermeister der Weinbaugemeinde Pfaffstätten zu Wort, die unmittelbar an der Erstaufnahmestelle Ost, wie sie aus Rücksichtnahme auf die Traiskirchner Bevölkerung seit rund zwei Jahren offiziell genannt wird, liegt. Ich bin der Nachbarbürgermeister, und daher kenne ich natürlich auch die lokale Situation sehr gut. An dieser Stelle müssen wir auch der Traiskirchner Bevölkerung Danke sagen, weil sie die Last und den Rucksack der Asylpolitik nicht nur in der Gemeinde, sondern auch in der Region trägt. Aber wir tragen sie gerne, weil sich in den letzten Jahren auch sehr viel verändert – um nicht zu sagen verbessert – hat. Das möchte ich schon an dieser Stelle auch ganz besonders darstellen und unterstreichen, weil sich gerade auch am Beispiel der Erstaufnah­me­stelle Ost und der lokalen und regionalen Situation gut herausarbeiten lässt, dass wir mit der Veränderung im Asylwesen in Österreich auch die richtigen gesetzlichen Antworten gegeben haben. Wir haben heute eine Situation, die diese Einrichtung in dieser Region auch zulässt.

Österreich ist ein Land mit einer großen und langen Asyltradition. Wir können auch zu Recht stolz sein. Jeder hat in Österreich Anrecht auf Asyl, wenn die Gründe wirklich vorhanden sind. Die Gründe sind nun einmal, dass er aus religiösen, politischen oder gesellschaftspolitischen Gründen in seinem Heimatland um Leib und Leben fürchten muss. Wir bieten ihm Sicherheit und jene Strukturen, damit er nicht um Leib und Leben zittern muss. Das stellt Österreich auch sehr gut unter Beweis.

Diese gute Asylpolitik, die Österreich zu Recht hat und auf die wir auch mit Recht stolz sein können, lasse ich mir nicht schlechtreden, weder von den Grünen und Linken, denen alles viel zu streng und viel zu unmenschlich ist, noch von den Freiheitlichen und dem BZÖ, denen alles zu schwach und viel zu locker ist. Ich glaube, genau in der Mitte zu gehen ist ein sehr vernünftiger Weg, nämlich die Kritik und die Beiträge schon erst zu nehmen, aber auch Linie zu halten. Dafür steht die Österreichische Volkspartei und die Frau Bundesminister Mikl-Leitner ganz an der Spitze.

Es ist auch die Aufgabe der Politik, auf veränderte Bedingungen die richtigen Ant­worten zu geben. Wir haben in der Asyl- und Fremdenrechtssituation veränderte Bedin­gungen. Es gibt Veränderungen in den Asylströmen, und es gibt auch Verän­derungen in den Asylgründen, die angegeben werden. Es ist leider vermehrt der Fall, dass wirtschaftliche Gründe und Perspektivenlosigkeit in den Ländern letztendlich das Schlepperunwesen forcieren. Diese Tragödien – muss man fast sagen –, die teilweise auch vorhanden sind, stellen natürlich für die betroffenen Menschen, die oft ihre Existenz aufgeben und dem Schlepperunwesen ausgeliefert sind, etwas ganz Drama­tisches dar. Da müssen wir die richtigen Antworten geben.

Deswegen ist es richtig – und ich bin froh darüber – und es ist ein guter Beweis für diese verantwortungsvolle Politik, dass wir auch in den letzten Jahren gesetzliche Veränderungen beschlossen und Anpassungen vorgenommen haben. Ich denke da nur an die Altersfeststellung. Das ist auch etwas, das vor fünf oder zehn Jahren undenkbar war. Wir mussten Antworten geben, und es ist eine Antwort, die funktioniert. Oder die Mitwirkungsverpflichtung: Das versteht, glaube ich, auch jeder. Wenn jemand um Asyl ansucht, dann kann es nur im Interesse des Asylwerbers sein, im Verfahren von Beginn an mitzuwirken. Deswegen würde ich es nicht so dramatisch darstellen, mit Schubhaft und anderen Dingen. Es ist eine Mitwirkungsverpflichtung, sich die ersten 120 Stunden zur Verfügung zu stellen. Oder die Videoüberwachung, die wir auch in der Erstaufnahmestelle Ost eingeführt haben, weil niemand verstanden hat, warum Asyl-


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werber nicht den legalen Weg über den Haupteingang wählen, sondern irgendwo hinten über den Zaun springen.

Ich glaube, das sind alles Maßnahmen, die auch zu mehr Verständnis bei der Bevöl­kerung geführt haben. Es sind Maßnahmen, um einerseits unsere gute Asyltradition weiter aufrechtzuerhalten, und andererseits jenen, die unsere Gastfreundschaft aus­nützen, dementsprechend die gelbe Karte zu zeigen oder ihnen zumindest klar zu sagen, wie wir uns das vorstellen.

Mit dem heutigen Beschluss legen wir die Grundlage zur Errichtung dieses Bundes­amtes und beschließen das Organisationsgesetz, eben die Ausführung bis zum 1. Jänner 2014. Ich glaube, das ist ein guter Beweis einer guten Vorbereitung und auch dafür, dass wir hier Veränderungen durchführen wollen, die einerseits Verfahrens­sicherheit gewährleisten und andererseits einen großen Beitrag zur Verwaltungsreform darstellen.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei all jenen, die bis jetzt im Rahmen der Struk­tur ihren Beitrag im Asyl- und vor allem im Fremdenwesen eingebracht haben, auf­richtig bedanken. Bedanken möchte ich mich vor allem bei meiner Bezirkshaupt­mann­schaft in Baden, die sicher besondere Arbeit geleistet hat, bei Bezirkshauptmann Zimper, aber auch beim Leiter der Fremdenrechtsabteilung, Herrn Prugger, der tag­täglich damit konfrontiert ist.

Der heutige Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Österreich bleibt ein Asylland mit guter Tradition, aber wir setzen einen Schritt in Richtung Verwaltungsreform und Effizienzsteigerung. In dem Sinne stimmen wir diesem Gesetz gerne zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


11.30.17

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Die Vorredner haben schon vieles gesagt. Ich möchte mich jetzt darauf beschränken, Antworten zu geben, weil manche Redebeiträge doch so waren, dass ich mir denke: Wir leben in Österreich, und – Kollege Kainz hat es gerade gesagt – wir haben in Österreich eigentlich eine gute Tradition, was Asyl, Hilfe und Solidarität betrifft. In der letzten Zeit haben wir es durch einige Aussagen so bunter Parteien ge­schafft, unsere Solidarität und unseren eigentlich guten Ruf leider in den Schatten zu stellen. Da möchte ich mich dem Kollegen anschließen: Wir haben es wirklich nicht notwendig, hier so menschenverachtende Aussagen zu treffen.

Die Zahl der Asylansuchen ist in Österreich wieder gestiegen, das ist richtig. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ertl.) Das heißt, dass Menschen bei uns Schutz suchen, Herr Kollege. Wir müssen darauf schauen, dass jene Menschen, die zu uns kommen, die schon Opfer sind, nicht in unserem Land noch einmal Opfer werden: Opfer von Diskriminierungen und Opfer von Beschimpfungen. Daher ist dieses Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, diese Strukturvereinfachung, die gemacht wird, eine sehr gute, wichtige und richtige Entscheidung.

Das Asylgesetz ist ein sehr kompliziertes Gesetz. Das Asylgesetz ist ganz sicher auch verbesserungswürdig, weil es eine sehr komplexe Materie ist. Es wird jetzt ermöglicht, dass wir vor allem raschere Verfahren haben. Ich denke, dass es auch der FPÖ, FPK, BZÖ – oder wie sie sonst noch heißen – nicht entgangen ist, dass wir sehr viele menschliche Schicksale in Österreich hatten, wo Familien schon bis zu 12, 15 Jahre hier gewohnt haben und dann erst einen Bescheid bekommen haben, dass sie nach


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Hause gehen müssen. Wir werden raschere Verfahren haben. Das ist notwendig, denn Menschen kommen zu uns.

Ich glaube, dass auch Sie, wenn Sie in der Zeitung lesen, dass wieder Menschen ertrunken sind, weil sie in einem anderen Land Schutz gesucht haben, nicht davon ausgehen, dass diese Menschen das freiwillig machen, dass sie ihren Heimatort freiwillig verlassen und sich in ein unsicheres Gebiet begeben. Ich glaube, dass es auch für Ihre Parteien notwendig und wichtig ist, einmal über die Menschen nachzu­denken. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die Leute, die zu uns kommen – das habe ich schon gesagt –, bekommen jetzt raschere Verfahren, eine schnellere Rechtssicherheit, was ganz wichtig ist, und vor allem menschenrechtskonforme Unterstützungen.

Das Thema Asyl ist ein Thema, mit dem sehr verantwortungsbewusst umgegangen werden muss. Wir haben im ersten Halbjahr 7 354 Anträge gehabt, das sind um 26,75 Prozent mehr Anträge als im Vorjahr, wie uns Herr Mag. Taucher im Ausschuss gesagt hat. Es sind aber von diesen Anträgen 1 633 positiv entschieden worden, das sind 22 Prozent. Vielleicht ist es in Ihrer Politik auch möglich, auch das einmal zu er­wähnen und zu sagen, dass nicht alle Anträge immer positiv erledigt werden. Es kann auch nicht sein, dass alle Anträge positiv erledigt werden. Aber stellen Sie es nicht immer so dar, als würden nur Menschen zu uns kommen, die uns etwas wegnehmen wollen, die uns berauben wollen, die Arbeitsplätze oder das Eigentum anderer weg­nehmen wollen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Es gibt in diesem Land auch etwas zu arbeiten. Wir müssen arbeiten in Österreich. Arbeiten heißt nicht, nur mit populistischen Meldungen in die Medien zu gehen. Arbei­ten ist teilweise harte Knochenarbeit – harte Knochenarbeit, die ganz sicherlich jetzt vom Ministerium erledigt wurde, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ver­suchen, eine Verwaltungsvereinfachung zu erreichen.

Ich möchte auf einen positiven Aspekt im Zusammenhang mit jugendlichen Asyl­werbern ein bisschen eingehen. Es gibt jetzt die Möglichkeit, dass minderjährige Jugendliche bei uns eine Lehre beginnen können. Es stimmt schon, dass im Vorfeld geschaut wird, ob kein Österreicher diese Lehre annehmen kann. Es ist noch nicht der wirklich wahre Schritt, aber es ist ein erster richtiger Schritt.

Herr Kollege Ertl, es wäre vielleicht auch eine Möglichkeit, zu sagen: Nicht nur für österreichische Jugendliche wird auf dem Arbeitsmarkt etwas getan – weil Sie verges­sen haben, die positiven Dinge zu erwähnen –, sondern auch für jugendliche Asyl­werber wird etwas getan. Wir haben im Jahr 2004 durch Minister Bartenstein die Rege­lung bekommen, dass Asylwerber nicht mehr arbeiten gehen dürfen. Das heißt: Alle Asylwerber sitzen zu Hause – in den Unterkünften, Entschuldigung –, sie dürfen nicht arbeiten gehen. Das ist sicherlich kein humaner Zugang. Nicht nur die NGOs haben sich dagegen ausgesprochen, sondern auch die Industriellenvereinigung meint, dass diese Maßnahme eigentlich unsinnig ist und dass wir da Änderungen brauchen. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, diesen ersten Schritt zu gehen, und ich bin auch sehr glücklich darüber.

Zurück zum Bundesamt für Asyl: Zweifelsohne ist das eine große Herausforderung. Ein Danke an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch ein Danke an Sie, dass das gemacht wird. Ich wünsche viel Kraft für dieses Ressort, denn ich glaube, die wird für die Veränderungen gebraucht werden, die noch hinzukommen.

Was mich aber besonders freut, ist, dass in die Aus- und Fortbildung investiert wird, und das ist eine gute Investition. Sie haben auch die Schulden, die wieder gemacht werden, angesprochen. Ich glaube, dass das eine sehr gute Investition ist. Dass für die


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 52

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Supervision und Burn-Out-Prävention angeboten werden, ist aus meiner Sicht höchst notwendig.

Was mich besonders freut, ist, dass es, wie ich im Ausschuss gehört habe, Gespräche mit den NGOs gegeben hat. Auch Sie haben das gesagt. Es gibt noch kein regel­mäßiges Jour fixe, aber vielleicht kommt es dazu, sodass hier wirklich alle Kräfte gemeinsam für die Menschen arbeiten können, die zu uns kommen und Schutz und Hilfe brauchen. Denn ich glaube, das können wir und das werden wir auch machen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.36

11.36.10

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen damit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun darf ich Herrn Staatssekretär Ostermayer ganz herzlich hier bei uns im Bundesrat begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)

11.37.042. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Protokoll zu den An­liegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon (1796 d.B. und 1849 d.B. sowie 8766/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen somit zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte um den Bericht.

 


11.37.18

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Födera­lismus über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon vorlegen.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 2 B-VG in Verbindung mit Artikel 50 Abs. 4 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.38.13

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße auch die Zuschauer an den Fernsehschirmen zu Hause und alle, die uns über Live-Stream im Internet zu­sehen. Ein herzliches Grüß Gott!


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 53

Es ist eine besondere Ehre für mich, auch für Kollegin Kerschbaum sprechen zu dürfen. Ich hoffe, dass ich diesem hohen Auftrag auch zur Genüge folgen kann. (Heiter­keit.)

Ich darf deshalb in aller Kürze zum vorliegenden Zusatzprotokoll zum Vertrag von Lissabon Stellung nehmen: Es stellt einerseits eine Hommage an die irische Bevöl­kerung dar, andererseits beinhaltet es auch einige Klarstellungen, die natürlich auch für die Nationalstaaten in der EU von entsprechendem Vorteil sind.

Die Iren haben es also vorgezeigt, dass es Zeit ist für mehr direkte Demokratie in der EU, und das kann man natürlich auch für Österreich entsprechend einfordern. Das Zusatzprotokoll trägt dem Ansinnen der Iren Rechnung, wo es um den Schutz der Familie, den Schutz des Rechts auf Leben und besondere Rechte im Bildungsbereich geht.

Deshalb enthält dieses Zusatzprotokoll auch keine materiellen Änderungen des Vertrages von Lissabon, sondern es geht bei den Klarstellungen auch darum, dass die steuerlichen Kompetenzen der EU-Mitgliedstaaten nicht verändert werden. Ein wesentlicher Punkt liegt auch im Bereich der Neutralität. Ich denke, das ist nicht nur in Irland ein besonderes Anliegen, sondern hat auch für Österreich einen besonderen Stellenwert.

Im Prinzip ist das alles nachvollziehbar, und es sind das unterstützenswerte Themen­bereiche. Es ist daher höchst erfreulich, dass es heute hier offensichtlich einen einstim­migen Beschluss geben wird, da ja sonst fast alles, was sich auch nur im Dunstkreis des Lissabon-Vertrages bewegt, von den Freiheitlichen mit schweren Geschützen bekämpft wird. Und da sogar harmlose Doppelbesteuerungsabkommen meistens vom Kollegen Pisec hier versenkt werden, freuen wir uns jetzt sehr über die Zustimmung.

Also offensichtlich eine Trendwende in der EU-Politik der Freiheitlichen (Heiterkeit – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), und ich freue mich besonders, mit meiner Fraktion an diesem historischen Tag dabei gewesen zu sein. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum und Zangerl.)

11.40

11.40.10

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 50 Abs. 1 Z 2 Bundes-Verfas­sungsgesetz in Verbindung mit Artikel 50 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mit­glieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, dem gegen­ständlichen Beschluss gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 50 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Be­schlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 54

11.41.493. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 und das Luftfahrtgesetz geändert werden (1809 d.B. und 1867 d.B. sowie 8768/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Konrad. – Bitte um den Bericht.

 


11.42.09

Berichterstatter Klaus Konrad: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglich­keitsprüfungs­gesetz 2000 und das Luftfahrtgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich stelle deshalb sogleich den Antrag:

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht – und begrüße Herrn Minister Berlakovich ganz herzlich hier bei uns im Bundesrat. Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Ertl –: Jetzt redest du über die Landwirtschaft ! – Bundesrat Ertl: Pass auf, der Herr Minister sagt zum Schluss wieder etwas anderes als du!)

 


11.43.06

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der wesentliche Inhalt dieser Regierungs­vorlage führt zur Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes und des Luftfahrtgesetzes und soll der Verfahrensvereinfachung sowie der Lösung von Voll­zugs­problemen dienen und einem EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nicht­beteiligung von NGOs im Feststellungsverfahren begegnen.

Im Luftfahrtgesetz werden Enteignungen bei Flughafenprojekten in Anlehnung an das Bundesstraßengesetz geregelt.

Mit der Schaffung eines Überprüfungsantrages oder einer Beschwerdemöglichkeit für anerkannte Umweltorganisationen bei negativen UVP-Feststellungsentscheidungen will die Regierung eine Klage der EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof abwenden.

Sonderregelungen sind für Industrie-, Gewerbeparks sowie Städtebauvorhaben vorge­sehen.

Bei den UVP-pflichtigen Flughäfen wird die Enteignung von Grundstücken auch für die Anlage von Ablagerungsplätzen und Zufahrten ermöglicht.

Wir sind aus folgenden Gründen dagegen: Grundsätzlich muss im vorliegenden Fall die extrem kurz angesetzte Begutachtungsfrist kritisiert werden – diese Vorgehens­weise unterläuft ja nahezu das Begutachtungsrecht. Nichtsdestotrotz kamen weit mehr als 100 Stellungnahmen zurück. Das zeigt auch die besondere Bedeutung dieser No­velle.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 55

Selbst der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes weist auf die grundsätzliche Dauer der Begutachtungsfrist von sechs Wochen hin und stellt fest, dass eine umfas­sende und abschließende Begutachtung des übermittelten Entwurfes nicht möglich ist.

Auch die Industriellenvereinigung weist den Entwurf als verfahrensverzögernd und investitionshemmend zurück.

Pro Jahr kommt es zu zirka 150 Feststellungsverfahren, und in mehr als 70 Prozent der Fälle wird die Notwendigkeit einer UVP nicht zuerkannt.

Durch den jetzt geplanten Überprüfungsbescheid wird die Verfahrensdauer von derzeit ungefähr fünf Monaten – vorgesehen wären sechs Wochen – auf rund ein Jahr ausge­weitet, da von dieser Möglichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über­bordend Gebrauch gemacht werden wird.

Gleiches gilt natürlich auch für die Verkehrs-UVPs. Es könnten vor allem wichtige Verkehrsprojekte durch die Möglichkeit des Überprüfungsantrages für NGOs verzögert werden und massive Investitionsunsicherheiten entstehen.

Zum Luftfahrtgesetz: Mit dieser neuen Regelung sollen die Enteignungsmöglichkeiten ausgedehnt werden, und zwar auf die Errichtung oder Änderung von Flughäfen samt den dazugehörigen Bodeneinrichtungen. Es sollen auch die für die Anlage von Ablagerungsplätzen – wie Schottergruben, Platz für Aushubmaterial –, Zufahrten sowie die zur Aufrechterhaltung der Verkehrsbeziehungen erforderlichen Grundstücke im Wege der Enteignung erworben werden können.

Das ist sehr umfassend und ohne Befristung formuliert und verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Ein solch massiver Eingriff in die Eigentumsrechte ist auf jeden Fall abzulehnen. Wir werden dieser Änderung nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.47.41

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Ja, der bestmögliche Schutz unserer Umwelt in Balance mit der wirtschaftlichen Weiter­ent­wicklung unseres Landes ist natürlich eine wichtige Sache, und so entstand auch diese UVP-Novelle.

Herr Kollege Ertl, Sie haben angeführt, dass nicht ausreichend diskutiert worden ist. Dem muss ich entgegnen (Bundesrat Ertl: Eine Woche!), es hat im Vorfeld einen lan­gen Diskussionsprozess gegeben, wo man unter Einbindung aller Kräfte – ob das die NGOs, die Wirtschaft, die Bundesländer oder andere waren – zu dem Ergebnis und zu dem Ziel gekommen ist, das Sie auch schon angesprochen haben: Es sollen die Verfahren in Zukunft kürzer werden, es soll weniger Bürokratie für die Wirtschaft geben, damit Österreich als Wirtschaftsstandort auch in Zukunft sehr attraktiv bleibt.

Ein sehr wichtiger Punkt dabei ist aus unserer Sicht die Aufrechterhaltung der hohen Umweltstandards, die wir in Österreich haben, denn diesbezüglich sind wir auch Vorreiter, und das ist auch gut so.

Weiters: Es sind mehr Bürgerrechte zu berücksichtigen, ein klares Bekenntnis zur erneuerbaren Energie, und die UVP-Ergebnisse müssen auch umsetzbar sein und nachvollzogen werden können. – All das wurde erreicht.

Ich möchte nun die einzelnen Punkte ein bisschen näher erläutern. Zuerst zu den einfacheren, schnelleren Verfahren: Bisher brauchte man für Projekte, die gerade im


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 56

Grenzbereich lagen, nämlich ob man eine UVP braucht oder nicht, ein Feststellungs­verfahren, und die Prüfzeiten für das Feststellungsverfahren waren oft sehr lang. In Zukunft gibt es eben die Möglichkeit, dass man sich gleich dafür entscheiden kann, freiwillig eine UVP zu machen, wodurch man sich die Vorprüfung erspart und die Verfahrensdauer verkürzt wird.

Bisher mussten schon bei Projektbeginn alle Unterlagen da sein – in Zukunft kann man jene Dinge, die für die Umweltprüfung nicht relevant sind, später nachbringen.

Es gibt ein starkes Bekenntnis zur erneuerbaren Energie – der Herr Bundesminister sitzt ja hier, er hat sich das große Ziel gesetzt, Österreich energieautark für die Zukunft zu machen. Nun gibt es auch klare Richtlinien betreffend die UVP zum Ausbau der Wasserkraft, und für die kleineren Windkraftanlagen fällt in Zukunft die UVP weg, was auch ein Positivum ist.

Die Aufrechterhaltung der hohen Umweltstandards ist aus unserer Sicht ein wichtiges Thema. So hat es in Niederösterreich im Zusammenhang mit den Schiefergas­bohrungen schon im Vorfeld sehr viele Diskussionen gegeben – Sie alle werden das wahrscheinlich in den Medien mitverfolgt haben. Wir wissen, die weltweiten Erdgas­vorräte sind nicht unbegrenzt, also ist auch der Abbau des Schiefergases weltweit ein Thema geworden. Im Weinviertel hat diesbezüglich in der Bevölkerung sehr große Be­sorgnis geherrscht, daher ist es wichtig und ein guter Schritt, dass wir in diesem Gesetz verankern, dass Schiefergasbohrungen und bereits auch Probebohrungen UVP-pflichtig sind, und damit eine Aufklärung der Bevölkerung gegeben ist und nicht Ungewissheit herrscht.

Mehr Bürgerrechte: Bis jetzt gab es schon im Materienverfahren die Anrainerrechte. Neu ist, das haben wir schon gehört, dass bei negativen Feststellungsverfahren aner­kannte Umweltorganisationen einen begründeten Überprüfungsantrag einbringen kön­nen.

Die UVP-Ergebnisse sollen natürlich auch vollzogen werden.

Auch ein klares Bekenntnis zu unserem Flughafen Wien-Schwechat, denn dieser ist ein großer Wirtschaftsfaktor, er ist Arbeitgeber für 19 000 Menschen und eine wichtige Drehscheibe für den Wirtschaftsstandort Österreich. Dort hat das größte UVP-Verfah­ren Österreichs mit einer Dauer von fünf Jahren stattgefunden und wurde soeben beendet. Es gab auch ein riesengroßes Mediationsverfahren. Dabei wurden viele Dinge festgelegt, die nun umgesetzt werden sollen, um die Belastung für die Bürger und die Umwelt möglichst gering zu halten. (Bundesrat Ertl: Von Enteignung ist aber nichts dringestanden!) So werden zum Beispiel 50 Millionen für Lärmschutz­maßnah­men für die Bevölkerung in der Region in die Hand genommen. 2 500 Haushalte bekommen Lärmschutzfenster, die praktisch vom Flughafen bezahlt werden.

Um die Ergebnisse des Mediationsverfahrens auch entsprechend durchsetzen zu kön­nen, wird in diesem Gesetz, wie Sie schon angesprochen haben, die Enteignungs­regel für Flughafenprojekte an das Bundesstraßengesetz angepasst. Mir ist es genauso ein Anliegen, dass man damit wirklich sorgsam umgeht. Ich möchte auch darauf hinwei­sen, dass gerade eine Enteignung nur die letztmögliche Variante sein kann, weil es sich um Eigentum handelt.

Zusammenfassend: Diese gesetzliche Änderung bringt eine Weiterentwicklung der UVP, sichert mehr Lebensqualität und den Schutz unserer Umwelt in der Zukunft, stellt aber auch eine Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und den Bedürfnissen unserer Bevölkerung her.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 57

Herr Minister, ich darf dir und allen Mitwirkenden gratulieren! Wir werden diesem Ge­setz natürlich zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

11.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.53.50

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Diesner-Wais, ganz so rosa wie du sehe ich das naturgemäß nicht, und ich würde jetzt auch nicht behaupten wollen, dass es das große Anliegen des Herrn Ministers war, das UVP-Gesetz zu verbessern. Der Anstoß war vielleicht doch eher das Mahnschreiben aus Brüssel, in dem es darum ging, dass die BürgerInnen­beteili­gung im UVP-Verfahren in Österreich nicht ganz so gewährleistet ist, wie das der Fall sein sollte.

Es ist schon angesprochen worden, es geht um die Feststellungsbescheide, wo AnrainerInnen, NGOs, et cetera in Wirklichkeit bis jetzt keine Mitsprache haben. Das wird sich nun ändern – prinzipiell positiv –, aber es ändert sich halt nur für die NGOs, nicht für die AnrainerInnen und nicht für die Umweltinitiativen vor Ort.

Die Zeit, die man von der Mitteilung, dass ein negativer Feststellungsbescheid be­schlossen wurde, bis zur Abgabe einer begründeten Stellungnahme hat, nämlich die vier Wochen, ist kurz, da muss man ganz schön intensiv daran arbeiten, wenn man es als NGO ernst nimmt.

Damit komme ich auch schon zum nächsten Punkt, der mir in dieser Vorlage fehlt – er fehlt mir schon seit Langem –: Diese NGOs, Bürgerinitiativen und AnrainerInnen müs­sen ohnehin eine Menge Zeit investieren, sie müssen aber auch eine Menge Geld investieren, für Gutachten et cetera, um an einem UVP-Verfahren teilzunehmen. Es gibt schon lange Gespräche darüber, ob es da nicht eine finanzielle Abgeltung geben könnte, zumindest für die Gutachten. Man braucht Gutachten, denn andernfalls wird das, was man als BürgerIn oder NGO ohne wissenschaftliche Untermauerung in einem Verfahren von sich gibt, nicht zur Kenntnis genommen. Es kann noch so logisch sein, man braucht im Prinzip immer ein Gutachten, und Gutachten kosten viel Geld.

Dieses Anliegen der Bürgerinitiativen und NGOs ist leider wieder nicht aufgenommen worden, es gibt keine Lösung für dieses Problem. Insofern ist das weiterhin ein bisschen unzureichend.

Auch noch kurz zur Schiefergasförderung, weil das angesprochen wurde, und mich als Niederösterreicherin und Weinviertlerin trifft das fast direkt: Die Schiefergasförderung wird jetzt in das UVP-Gesetz aufgenommen. Streng genommen müsste das aus­reichen, denn aufgrund der Klimaschutzvorgaben dürfte die Schiefergasförderung in Niederösterreich sowieso keine Chance haben, aber die Autobahnen in Nieder­österreich und ganz Österreich sind ja angeblich auch umweltverträglich, obwohl immer wieder zusätzliche Emissionen in die Luft gejagt werden. Und die Klimaschutz­verordnung im UVP-Gesetz ist schon sehr schwammig und weich gehalten – ob das allein reicht, sei dahingestellt.

Ein zweites Problem der Schiefergasförderung ist der Chemikalien-Einsatz beim Fracking – wir haben das im Ausschuss kurz andiskutiert. Meine Zweifel daran, dass die OMV willig ist beziehungsweise das Ministerium der OMV dann vorschreiben kann, dass die Zusammensetzung der Chemikalien, die da eingesetzt werden, offengelegt wird, sodass man in einem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren wirklich ernsthaft darüber diskutieren kann, bleiben aufrecht, denn wenn die OMV, wie sie jetzt seit


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Monaten trommelt, dieses bahnbrechende Wundermittel erfunden hat – bei allem anderen braucht man Unmengen von Chemikalien, und die OMV macht es überhaupt nur mit Wasser oder ganz homöopathisch oder wie auch immer –, diese tolle neue Methode erfunden hat, dann schaue ich mir an, wie wir das im Umweltverträglichkeits­prüfungsverfahren offengelegt bekommen.

Letztendlich wird sich zeigen – und zu diesem Schluss sind wir auch im Ausschuss gekommen, was die Schiefergasförderung betrifft –, wie solch ein Verfahren laufen kann; diese Erfahrung hat offenbar noch niemand von uns. Das wird sich sicher erst nach der Landtagswahl in Niederösterreich zeigen, das wird sich sicher erst nach den Nationalratswahlen zeigen, und es wird dann vielleicht auch die UVP so wie jetzt bei der A5 in irgendwelchen Sommerferien stattfinden, und nach den Ferien schaut es dann immer ganz anders aus. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Würden die Bundesregierung und die Landesregierung in Niederösterreich unsere Bedenken bezüglich dieser Schiefergasförderung ernsthaft teilen, dann hätte es eigent­lich nur der Zustimmung zu einem Verbot bedurft – das gibt es auch in anderen Län­dern –, dann hätten wir nicht mehr darüber diskutieren müssen, ob homö­opathische Chemikalien, die insgesamt dann doch Tonnen ausmachen, gefährlich sind oder nicht. Etwas mehr Mut in diesem Bereich hätte uns da sicher einiges erspart.

Insgesamt geht es, wie gesagt, um eine Änderung aufgrund eines Mahnschreibens der Kommission. Die Kritikpunkte, nämlich die ungenügende Beteiligung der BürgerInnen im Feststellungsverfahren, sind unserer Meinung nach nicht ausreichend gelöst, weil es eben nur NGOs betrifft und nicht auch Bürgerinitiativen und Anrainer. Zusätzlich gibt es im Gesetz weiterhin kein Energieeffizienzgebot. Es gibt Verschlechterungen beim Gesundheitsschutz für Nachbarn bei Verkehrsanlagen. Es gibt eine doch etwas schwammige Ausweitung der Enteignungstatbestände. Das, was Frau Kollegin Diesner-Wais angesprochen hat, nämlich diese Abstandnahme von der Auflage von verschiedenen Unterlagen, sofern sie nicht umweltrelevant sind, sehen wir sehr kritisch, weil das prinzipiell ein Potenzial für Streitigkeiten und Diskussionen birgt, denn was ist jetzt umweltrelevant und wie stelle ich fest, was nicht aufgelegt worden ist. Ich glaube, dass das nicht weniger Arbeit macht, ganz im Gegenteil, ich fürchte das gibt mehr Streit und mehr Arbeit.

Insgesamt gibt es ein paar kleine Plus, aber doch sehr viel mehr kleine und größere Minus, deshalb können wir dieser Novelle nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

11.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schweigkofler. – Bitte.

 


12.00.19

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ein Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz ist immer ein Kompromiss. Daran, dass die EU 1985 das erste Mal eine entsprechende EU-Richtlinie erlassen hat, in der Folge Österreich diese EU-Richtlinie 1993 erstmals umgesetzt hat und hierauf weitere EU-Richtlinien beziehungsweise natürlich auch Anpassungen in der österreichischen Gesetzgebung folgten, sieht man, dass das ein Entwicklungsprozess ist. Und ich denke, dass auch diese Novelle wieder ein weiterer Schritt zur Verbesserung des UVP-Gesetzes ist.

Für mich persönlich wichtig ist, dass die Nachbarrechte, dass die Anrainerrechte gestärkt werden, dass das Verfahren jetzt schneller abgewickelt werden kann. Sehr positiv ist auch, dass es die Möglichkeit einer freiwilligen UVP gibt.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 59

Schon erwähnt wurde, dass jetzt die NGOs noch mehr eingebunden werden, was die Schiefergasförderung betrifft, was eine Sache, denke ich, Niederösterreichs ist. Das ist etwas, was neu aufgetaucht ist und eben jetzt neu behandelt werden muss.

Gerade wir in Tirol haben ja mit den Umweltverträglichkeitsprüfungen sehr viel Erfah­rung. Ich denke nur an die ganze Seilbahnwirtschaft, die sehr schimpft, wenn eine UVP zu machen ist, aber andererseits wollen wir doch die Natur erhalten, damit sehr viele Gäste kommen. Da gibt es halt immer wieder große Kompromisse.

Von unserer Seite her kann ich nur sagen, wir werden dem gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte.

 


12.02.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ziel Österreichs ist es, dass wir einerseits eine wirt­schaftliche Entwicklung ermöglichen, den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv halten und erneuerbare Energie ausbauen bis hin zum energieautarken Österreich, wo geplant ist, dass wir die gesamte Energie, die wir in Österreich brauchen, selbst erzeugen und damit unabhängig werden vom Ausland und Arbeitsplätze in der eigenen Region, also Green Jobs schaffen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Das UVP-Gesetz ist die Basis für die Genehmigung von Wasserkraftwerken, von Straßen, von Eisenbahnschienen, von Tunnels und so weiter. Daher prallen bei diesem Gesetz die Interessen aufeinander: einerseits jene der Wirtschaftsprojektbetreiber, die möglichst viele Erleichterungen wollen, andererseits jene der Bürger, der Anrainer, der NGOs, die Mitspracherechte haben wollen.

Die vorliegende Novelle versucht, die Interessen unter einen Hut zu bringen, mit dem Ziel, dass die UVP-Genehmigungsverfahren einfacher, klarer und schneller werden, denn es hat niemand etwas davon, wenn Verfahren endlos dauern, viel Geld kosten, viel Zeit kosten, viel Bürokratie verursachen, und im Endeffekt kommt dann nichts heraus. Es sollen die Verfahren klar sein, und es sollen Entscheidungen getroffen werden, sei es, dass ein Projekt genehmigt wird, oder eben, dass ein Projekt abgelehnt wird. In Zeiten, in denen die Verwaltung sparen muss, ist das eben notwendig.

Das, was uns bei dieser Novelle gelingt, ist, dass wir die hohen Umweltstandards in Österreich einhalten, dass wir gleichzeitig der Wirtschaft Entwicklungsmöglichkeiten geben und auch die Bürgerrechte ausgebaut werden. Bei diesem Gesetz gelingt es, Ökologie und Ökonomie unter einen Hut zu bringen, also Umweltschutz und wirt­schaftliche Entwicklung zu vereinen.

Das ist auch schon in der Vergangenheit gelungen. Wir haben im Jahr 2009 eine UVP-Gesetzesnovelle gemacht und haben dabei erreicht, dass Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Haben damals die Genehmigungsverfahren rund 15 Monate ge­dauert, dauern sie nach der Novelle im Jahr 2009 im Schnitt nur mehr 11 Monate – also eine Verkürzung um vier Monate! Durch eine Reihe von Maßnahmen haben wir das erreicht.

An Sie als Länderkammer bitte ein Appell: Bei UVP-Genehmigungsverfahren ist die erste Instanz Landessache. Wir stellen fest, dass in vielen Bundesländern die UVP-Genehmigungsverfahren effizient ablaufen, dass sich dort alle Beteiligten an einen Tisch setzen, die Wirtschaft, die Projektbetreiber, die Gemeinden, die NGOs, und man


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eine Lösung erzielt. Es gibt Bundesländer, wo das nicht so optimal läuft und wo dann die Verfahren länger dauern. Im Sinne einer effizienten Verwaltung appelliere ich auch an Sie in den Bundesländern, zu schauen, dass die Verfahren entsprechend effizient ablaufen.

Es war nicht das Mahnschreiben der Europäischen Union ein Grund für die Novelle, Frau Bundesrätin, sondern der Versuch, dass wir Projekte effizienter gestalten. Zum einen haben wir mit der Wirtschaft einen runden Tisch im Lebensministerium gemacht, auch unter Beiziehung der NGOs, und haben verschiedene Dinge, Erleichterungen aufgenommen, die wichtig sind. Freiwillige UVP: Wenn klar ist, dass ein UVP-Verfahren notwendig ist, dann kann man sich das Vorverfahren ersparen. Wenn der Projektbetreiber sagt, ich mache gleich eine UVP, wird ein unnötiges Vorverfahren gestrichen.

Es haben die Bundesländer auch gesagt, sie verzichten auf Parteienstellung, wenn die Landesbehörden mitwirken, um damit auch Verfahren zu beschleunigen. Und es wurde festgehalten, dass nicht sofort bei Projektbeginn sämtliche Unterlagen da sein müssen, um durch das Vermeiden von Wartezeiten mehr Effizienz zu haben. – Das ist der eine Punkt.

Ein wichtiger Punkt ist das Schiefergas-Fracking. Schiefergasbohrungen wären nicht UVP-pflichtig gewesen. Man hat große Vorkommen im Weinviertel gefunden. Die Bevölkerung ist beunruhigt, weil sie sagt, wie kann das sein, wenn da tatsächlich gebohrt werden würde, gäbe es gar keine UVP-Pflicht. – Das haben wir jetzt gemacht, wir haben das der Bevölkerung dort zugesagt. Es wird die Bohrung, aber auch die Probebohrung UVP-pflichtig, damit alle Fakten auf den Tisch kommen.

Die OMV hat selbst gesagt, sie wird das jetzige Verfahren nicht anwenden, ein Verfahren, wo schwere Chemikalien eingesetzt werden und das Wasser verseucht wird, sondern man arbeitet an einem effizienteren Verfahren. Aber darum geht es nicht, sondern um die UVP-Pflicht für das Fracking, damit die Menschen in dieser Region im Weinviertel auch beruhigt sein können, dass alles ordnungsgemäß über die Bühne geht.

Zu den Bürgerrechten: Ich finde es seltsam, Frau Bundesrätin, dass Sie sich hier her­stellen und sagen, die Bürgerrechte sollen in allen Instanzen gegeben sein. Jetzt beim Wiener Parkpickerl hätten Sie die Möglichkeit gehabt, die Bürger zu befragen, tun das aber nicht. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das ist sehr eigenartig. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Ich meine, es ist Ihre Entscheidung. Ich halte es aber für bemerkenswert, dass eine Stadträtin, die für Bürgerbeteiligung zuständig ist, sagt, na da fragen wir nicht, denn da könnte ja etwas anderes herauskommen, wir machen das einmal und fragen hintennach. Das ist, das Pferd von hinten aufzäumen. Es geht nicht um Umweltminister oder sonst etwas, sondern es geht darum, ob man Bürgerrechte ernst nimmt oder eben nicht. (Bundesrat Todt: Sind Sie als Minister  oder als ÖVP-Verantwortlicher da?)

Wir haben das bei der UVP-Gesetzesnovelle gemacht, dass im Vorverfahren die Bürgerrechte gestärkt werden, indem die NGOs beigezogen werden und im Feststel­lungs­verfahren ein Antragsüberprüfungsrecht haben. Und, Herr Bundesrat, es stimmt nicht, dass es dadurch länger dauert, weil diese Antragsüberprüfungsrechte keine aufschiebende Wirkung haben, aber in der Qualität sehr wohl Berücksichtigung finden sollen.

Abschließend: Es muss unser aller Anliegen sein, wenn man Kosten spart, dass man effiziente Verfahren hat, dass Genehmigungsverfahren auch entsprechend durchge­zogen werden, vernünftig und unter Einhaltung hoher Umweltstandards, und dass man


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Projekte auch in Österreich beschleunigt, eben ablehnt oder umsetzt. Das ist das Ziel der Novelle. Ich danke allen, die hier einen Beitrag dazu geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.08

12.08.20

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.08.344. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (1770 d.B. und 1884 d.B. sowie 8786/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ord­nung.

Zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich Frau Bundesminis­terin für Finanzen Dr. Fekter begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Zehentner. Bitte um den Bericht.

 


12.09.11

Berichterstatter Robert Zehentner: Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­te­rin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundes­rates! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen.

Der Text liegt allen Bundesräten und Bundesrätinnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 teils mit Stimmenmehrheit, teils mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.10.18

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren das heute und hier


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 62

schon einmal diskutierte Abkommen mit der Schweiz, wo es in Wahrheit um eine Steueramnestie für österreichisches Vermögen geht, das auf Schweizer Konten liegt, das bislang nicht versteuert worden ist. Laut diesem Abkommen soll dieses Vermögen zu einem geringeren Grad versteuert werden, als wenn es in Österreich versteuert worden wäre. Und wie wir den Medien entnommen haben, soll das jetzt kurzfristig einmal 1 Milliarde € bringen und in weiterer Folge 50 Millionen € im Jahr.

Wie man auf diese 1 Milliarde € kommt oder auch auf die 50 Millionen € im Jahr, das weiß kein Mensch. Aber das klingt natürlich medial ganz super: 1 Milliarde – passt. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) Das ist eine gute PR-Stra­tegie. Man sagt 1 Milliarde und hält den Finger hoch. Wird schon irgendwie passen. Das funktioniert natürlich gut, das ist klar.

Aber in Wahrheit diskutieren wir hier jetzt über diese 1 Milliarde €. Ich weiß schon, das wird genau das sein, was die anderen Redner und Rednerinnen hier sagen werden. Worüber wir aber eigentlich diskutieren sollten – das ist das Schöne an einer Kontra­rede, dass man der Erste ist –, ist meiner Meinung nach zum einen Steuermoral, zum anderen Fairness und Gleichbehandlung von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, weiters über eine notwendige langfristige Perspektive, wie man auf europäischer Ebene der Steuerfluchtproblematik Herr werden kann. Dies sollte seitens der Europäischen Union geschehen, und zwar sowohl vom Europaparlament als auch vom zuständigen Kommissar Algirdas Šemeta.

Der hat nämlich wortwörtlich gesagt, was er vom österreichischen Verhalten im Zuge der Steuerfluchtproblematik hält. Er sei frustriert über Österreich und über Luxemburg. Der Grund: Alle EU-Länder sind bereit, internationale Informationen auszutauschen, um der Steuerfluchtproblematik Herr zu werden. Die einzigen zwei Länder, die da nicht mitspielen, sind Österreich und Luxemburg.

Sehr geehrte Frau Finanzministerin, so ist eine gemeinsame nachhaltige Strategie, die man gemeinsam in der gesamten Europäischen Union entwickelt, um Steuerflucht zu bekämpfen, nicht gewährleistet. Ganz im Gegenteil. Und es geht nicht nur um die Schweiz. Es geht auch um Länder, und Sie wissen es, wie Andorra, Liechtenstein, San Marino und so weiter. Und die Europäische Union ist wirklich bemüht, da eine Lösung zu finden. Mit diesem Abkommen, das zunächst nur mit der Schweiz gemacht wird, wird das nicht gelöst. Im Gegenteil, das ist eigentlich eine Sabotage und Torpedierung der europäischen Bemühungen, da eine Lösung zu finden.

Dieses Abkommen – das muss man leider so sagen – legalisiert in Wahrheit Steuer­hinterziehung. Wir wissen alle, dass die braven Steuerzahler und Steuerzahlerinnen nicht die sind mit den hohen Vermögen, die ein paar Konten in der Schweiz geparkt haben, denn die zahlen hier wesentlich höhere Steuern als jene, die das Geld in der Schweiz geparkt haben. Das ist eine Ungleichstellung von Steuerzahlern und Steuer­zahlerinnen, die wir nicht akzeptieren können. (Beifall bei den Grünen.)

Zudem bietet dieses Abkommen auch noch Schlupflöcher, das wissen Sie ohnehin. Jene, die das Vermögen in der Schweiz geparkt haben, schauen womöglich auch jetzt zu. Die wissen ja jetzt, was auf sie zukommt. Und es sind genug Schlupflöcher. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich kann jetzt entweder das Geld in ein anderes Land verlagern, dann ist es von der Schweiz wieder abgezogen, oder man gründet eine Firma, oder man investiert in Immobilien und Versicherungstitel, und schon ist man von diesem Abkommen nicht mehr erfasst, oder Stiftungen. Es gibt viele Möglichkeiten. Und dieses Abkommen schafft Schlupflöcher noch und nöcher.


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Folgendes möchte ich schon sagen bezüglich Steuermoral: Wir müssen – auch Monti hat das gesagt, viele sagen das – über Steuermoral diskutieren. Als Politiker und Politikerin und insbesondere als Finanzministerin muss man ja immer wieder Erklä­rungen abgeben, warum Steuern zu zahlen sind. Niemand zahlt gerne Steuern, das ist ja keine Frage. Würden wir eine Volksabstimmung über die Frage machen, ob man alle Steuern abschaffen soll, würde es womöglich eine satte Mehrheit geben.

Aber es geht hier wirklich um die Steuermoral und darum, was der öffentliche Dienst ist, wozu wir das brauchen und wieso wir das so organisieren.

Menschen mit geringem Einkommen, die auf ihrem Lohnzettel sehen, wie viel von ihrem Einkommen immer weggeht, die so viel bezahlen, werden nicht verstehen, warum man hohe Vermögen jetzt so gering besteuert. Da verstehe ich allen voran die Sozialdemokratie nicht. Also die Sozialdemokratie ist in Deutschland in der Opposition, und die hat es geschafft, dass das jetzt kritischer gesehen wird. Und warum? – Die deutschen Sozialdemokraten können den Bundesrat blockieren.

Das hier ist die Länderkammer. Hier gibt es eigentlich keine schwarz-rote Koalition. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist mir neu!) Jetzt könntet ihr ja eigentlich wirklich einmal Länderinteressen vertreten und sozialdemokratische Interessen vertreten, statt brav Parteipolitik zu machen, und gegen dieses Abkommen sein. Dafür sind wir schluss­endlich hier in diesem Bundesrat. Jetzt seid einmal mutig! (Beifall bei den Grünen.)

Also zu den deutschen Sozialdemokraten muss ich sagen: Hut ab, die sind mutiger als ihr! Ich finde es wirklich schade, dass ihr so agiert. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mayer. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.16.25

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Kollege Schreuder, ich komme jetzt nicht umhin, unsere Sozialdemokraten zu loben. Also die sind mir lieber als die deutschen; das stelle ich hier einmal ganz klar fest. (Heiterkeit.)

Unser Koalitionspartner denkt sich auch etwas dabei, wenn er das Gesetz mit be­schließt. Wir haben in guten Verhandlungen diesen Vertrag natürlich auch ent­sprechend abgeschlossen. (Bundesrat Schreuder: Das ist alemannische Solidarität!) Das ist nicht alemannische Solidarität, sondern alemannische Vernunft, Herr Kollege, und das sollte auch jenen Holländern zu eigen sein, die jetzt österreichische Staatsbürger sind. Das würde ihnen gar nicht schlecht bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben vor einigen Wochen natürlich im Rahmen des Bundesfinanz­rahmen­ge­setzes schon massiv darüber diskutiert, und die Opposition hat auch dieses ganze Konvolut in Frage gestellt, unter anderem in zwei Bereichen. Das ist eben dieses Abkommen mit der Schweiz und natürlich die Finanztransaktionssteuer. Bei der Finanztransaktionssteuer sind wir natürlich noch nicht so weit, aber wir sind auf gutem Wege, dass Österreich hier Impulse setzt und dass einige EU-Staaten dem folgen werden. Und ich denke, die Frau Ministerin wird das im Rahmen der Europäischen Union auch finalisieren können. Da bin ich mir sehr sicher.

Ich erinnere an die damalige Argumentation, Sie erinnern sich sicher, ein dies­bezüg­liches Abkommen mit der Schweiz wird es niemals geben. Und da müssen sich jetzt alle Besserwisser natürlich an der Nase nehmen. Das schaue ich mir dann später an, wenn wir das Ganze umgesetzt haben.


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Herr Kollege Schreuder, zu Ihrer Argumentation, das wäre Legalisierung von Steuer­flucht, Begünstigung von Steuersündern, Begünstigung von Steuerhinterziehung, ein­fach die Gegenfrage: Was hätten wir hier anders machen sollen? (Bundesrat Schreuder: Habe ich gesagt! Gemeinsam mit der Europäischen Union arbeiten!)

Es gibt ja keine Alternative dazu. Wenn wir dieses Abkommen nicht ratifizieren, dann ist es eine Mogelpackung. Aber ohne diesen Vertrag bekommen wir eben überhaupt nichts von der Schweiz. Das ist eine einfache Logik. Die muss auch für euch leicht ver­ständlich und begreifbar sein. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Ja, man kann applau­dieren, wenn man will, selbstverständlich, ja, ja. (Neuerlicher Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Und wenn man hier die Ungerechtigkeitsmasche strapaziert: Insgesamt kommt 1 Milliarde € nach Österreich, was von euch in Frage gestellt wird. Das beruht auf einer einfachen Addition von in der Schweiz geparkten Vermögenswerten im Finanzbereich. Das ist eine relativ einfache Rechnung. Diese Gelder werden dann in Höhe von 15 bis 38 Prozent versteuert. In Zukunft werden diese Gelder dann auch noch der Kapital­ertragsteuer unterliegen, also zum gleichen Wert besteuert werden wie in Österreich. Das ist doch etwas, was man positiv erwähnen kann, Herr Kollege Schreuder, in aller Vernunft.

Das Abkommen mit der Schweiz kann man durchaus auch mit Deutschland und mit den Abkommen von Großbritannien vergleichen. Wir haben allerdings einen anderen Zugang als Partner. Für uns gäbe es niemals diese Auseinandersetzung, dass wir sagen, wir kaufen Steuer-CDs. Österreich ist ein anderer Partner. Und wenn es dann auch in der Schweiz zu einer Volksabstimmung kommen wird – es werden ja Unter­schriften gesammelt, das ist einfach Faktum, in der Schweiz läuft das so –, dann werden meiner Meinung nach die Schweizer die Partnerschaft mit Österreich auch anders bewerten, als sie das mit Deutschland tun werden.

Deutschland ist da schon aufgerufen, vorsichtig zu sein und nicht Vertragspartner derart vor den Kopf zu stoßen.

Auch wenn die „Kronen Zeitung“ schreibt: „Die Finanzministerin sitzt in einer Doppel­mühle:“ – Frau Fekter sitzt im Sessel, und das sehr sicher, also von einer Doppelmühle kann überhaupt nicht die Rede sein! Wie die Schweiz das bewerten wird, das werden wir dann entsprechend sehen.

Herr Kollege Schreuder, zum Bankengeheimnis, das Sie angesprochen haben: Unser österreichisches Bankengeheimnis sichert natürlich auch den Wirtschaftsstandort Österreich. Das darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen.

Ein Satz zum Bankengeheimnis, was die Schweiz anlangt: Es ist zu einfach gegriffen, wenn man sagt, die Schweizer sollen das Bankengeheimnis einfach aufgeben, nur weil andere Staaten wie Österreich jetzt antreten und sagen: Wir wollen Steuerflüchtlinge verfolgen! Da werden sich die Schweizer schon fein etwas denken von uns, und sie werden genau das nicht tun. Wir haben ein Abkommen mit ihnen geschlossen, um dieses Bankengeheimnis in diesem konkreten Fall einfach zu verhandeln. Und seien wir doch ehrlich, Herr Kollege Schreuder, wir können das Ganze nicht als eine Mogelpackung bezeichnen, weil wir in diesem Vertrag auch ganz klar festlegen, worum es geht!

Sie müssen uns einen Weg aufzeigen, den Grünen Weg, die Alternative, wie wir sonst zu diesen Geldern kommen mit der Umgehung im Bankengeheimnis! Die Schweizer werden uns etwas pfeifen, wenn wir keinen Vertrag mit ihnen schließen. Das ist ganz einfach.


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Sogar Kollege Strache, glaube ich, von den Freiheitlichen hat in einer Rede erwähnt, dass das, wenn ein derartiges Abkommen mit der Schweiz kommt, wie ein Lotto-Sechser ist. Wenn man für einen Lotto-Sechser eine Garantiesumme von 1 Million € annimmt, dann ist das, ganz einfach auf den Punkt gebracht, ein tausendfacher Lotto-Sechser.

Kurz noch zur Kollegin Michalke: Ja, ich bin da nicht gleicher Meinung wie mein Arbeiterkammer-Präsident, das sage ich hier ganz offen und deutlich. Ich freue mich auch schon wieder auf deine nette Presseaussendung diesbezüglich in Vorarlberg, weil – und ich sage das noch einmal ganz deutlich –: Ich bin für „Das Geld in die Staatskasse!“. Wir können jeden Cent dringend gebrauchen und wollen nicht gezwun­gen sein, dieses Geld in einer anderen Form von den braven österreichischen Steuer­zahlern zu holen! Das ist mein Zugang. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das ist meine Überzeugung und die Überzeugung meiner Fraktion, und deshalb werden wir diesem Vertrag, diesem Abkommen auch zustimmen. Kompliment, Frau Minister, nicht jeden Tag geht die Tür zur Schweiz auf und eine Milliarde flattert herein. Das kann man in aller Form anmerken. Ich schließe deshalb mit drei besonderen „M“, MoneyMaker Maria. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lin­dinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.23.02

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn man die Medien­berichte in den letzten Wochen und Monaten in Bezug auf das Schwarzgeld aus der Schweiz oder über die Steueroasen verfolgt hat, dann kann man sagen, es gibt durch­wegs unterschiedliche Zugänge und Meinungen.

Kollege Schreuder hat vorhin gemeint, die deutschen Sozialdemokraten seien auch nicht dafür. – Aber die deutschen sozialdemokratisch/grün geführten Länder kaufen die Schwarzgeld-CDs! Das ist nicht der österreichische Weg. Der österreichische Weg ist, auch das Schwarzgeld sozusagen zu verfolgen, auch das Schwarzgeld zu versteuern beziehungsweise einer gerechten Besteuerung zu unterziehen.

Ich glaube, dass das ein guter Ansatz ist, den wir hier mit diesem Steuerabkommen treffen, denn die Europäische Union will Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuer­hinterziehung auf europäischer Ebene vertiefen und das gemeinsame Instrumentarium stärken. Die Kommission appelliert an die internationalen Partner, denn das soll über die EU hinausgehen und nicht nur in Europa bleiben. Wir wissen ja, dass es Steueroasen nicht nur in Europa gibt – etwa Luxemburg und auch Deutschland ist noch eine Steueroase, auf dem 6. Platz, glaube ich, im vorigen Jahr gelegen –, wes­halb man über Europa und auch über die EU hinaus Schwarzgeld bekämpfen und entsprechende Maßnahmen setzen sollte.

Ich glaube, dass seitens Österreich die richtigen Maßnahmen gesetzt wurden. Das sagen auch Expertinnen und Experten aus Österreich. Die Bundesvereinigung der Steuerberater spricht sogar davon, dass die Rückführung von Geld aus der Schweiz nach Österreich empfohlen wird, denn ab dem Jahr 2013 wird auch in der Schweiz das Geld mit 25 Prozent besteuert; das entspricht der Kapitalertragsteuer bei uns. Es bringt dann nichts mehr, das Geld in der Schweiz zu haben, man zahlt genauso viel Abgaben wie in Österreich.

In einer Presseaussendung der Steuerberater-Vereinigung ist zu lesen, dass sie derzeit sehr viele Gespräche über Selbstanzeigen führen, wirklich umgesetzt werde


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zirka eine pro Woche. Das zeigt schon eine gewisse Nervosität, dass sehr viel Schwarzgeld unterwegs ist und in der Schweiz liegt. Es ist nur recht und billig, dass wir unser Budget dadurch aufbessern, dass unversteuertes Geld endlich wieder in unseren Steuersäckel zurückkommt und in Zukunft vielleicht auch in Österreich veranlagt wird.

Von Fachzeitschriften werden auch drei „Waschprogramme“ für diese Schwarzgelder empfohlen. À la longue sollen diese „Waschprogramme“, die in diesem Abkommen festgesetzt sind, einen Steuersatz von höchstens 38 Prozent erwirken.

Die Steuern sollen aber nicht nur vom Schwarzgeld aus der Schweiz geholt werden. Wir wissen – das wissen die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ oder FPK am besten –, dass auch in Liechtenstein sehr viel Schwarzgeld ist. Liechtenstein will ebenfalls bald ein Schwarzgeld-Abkommen unterzeichnen. Unser Finanz-Staatssekretär ist Mitte April unterwegs gewesen und hat die ersten Gespräche geführt. Wir glauben, dass auch ein Abkommen mit Liechtenstein – wird doch sehr viel Geld in den Koffern hin- und her­getragen, und niemand weiß, woher das Geld kommt, entweder von der Schwieger­mutter oder von sonst jemandem – ein Weg in die richtige Richtung ist.

Schwarzgeld soll versteuert werden und wieder den Weg zurück für österreichische Investitionen und zu den österreichischen Banken finden und nicht bei den Schweizer Banken bleiben! In diesem Sinne werden wir auch die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesminister Dr. Fekter. – Bitte.

 


12.28.05

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Folgenden auf die Argumente von Herrn Schnauders eingehen (Heiterkeit und Zwischenrufe), dass es ja einen wesentlich besseren Weg gegeben hätte – Schreuder, Entschuldigung! –, dass es wesentlich bessere Argumente gegeben hätte. Er meinte, dass wir in Europa dem automatischen Datenaustausch zustimmen und damit unser Bankgeheimnis aufgeben sollten. Das heißt, laut Grünen sollte man der Bevölkerung laut und deutlich sagen, dass es in Österreich kein Bankgeheimnis mehr geben soll.

Ich habe den anderen Weg beschritten, und zwar deshalb, weil unser Bankgeheimnis – auch das von Luxemburg oder das von der Schweiz – ein Standortvorteil für kleine Länder ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass gerade die großen – Frankreich, Deutschland – massiv Druck auf die kleinen ausüben, um ihre Steuerflüchtlinge ver­folgen zu können. Das heißt, der Standortvorteil, den die kleinen Länder haben, ist den großen ganz egal, aber wenn eben jemand in Österreich, in Luxemburg, in der Schweiz, in Liechtenstein, in San Marino, auf den Kanalinseln, in Andorra, in Monte Carlo, auf den Cayman Islands, auf Saint Kitts and Nevis und noch an Dutzend anderen Orten sein Geld sicherer wähnt als im Heimatland, dann ist das zu hinter­fragen.

Ich habe mir das im Detail angesehen und hinterfragt: Warum sind jene Länder mit einem Bankgeheimnis zufällig die kleinen und jene, die hinterher wollen, zufällig die großen? Die großen üben massiven Druck auf die kleinen aus.

Ich habe in der Europäischen Union ganz klar gesagt, wir kooperieren aktiv, wenn es um Drogengelder, Geldwäsche, kriminelle Gelder geht – hier haben wir auch gute Ergebnisse, da schützt niemand das Bankgeheimnis –, aber wir wollen nicht, dass wir unter Druck geraten mit automatischem Datenaustausch! Es kann doch nicht sein,


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dass die Sparbücher unserer Bevölkerung im Hinblick auf die Daten plötzlich von jeder Behörde in ganz Europa angefordert werden können. Das lasse ich nicht zu!

Aber: Gerechte Steuern abzuführen und dafür zu sorgen, dass Österreich die Steuern bekommt, die uns zustehen, dafür kämpfe ich. Daher habe ich eben einen Weg gesucht, dass wir das Bankgeheimnis aufrechterhalten können, keinen automatischen Datenaustausch pflegen müssen und trotzdem unsere Steuern, die uns zustehen, bekommen.

Die Schweiz würde ihr Bankgeheimnis, nur weil die Grünen in Österreich sich das wünschen, niemals aufgeben. Es ist unrealistisch, das zu glauben. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Ich weiß schon, eure Forderung ist, ich soll alle Steueroasen trockenlegen. Wie lange, glauben Sie, würde das dauern, bei Andorra, bei San Marino, bei Monte Carlo, bei den Kanalinseln, bei Luxemburg, bei der Schweiz, bei Liechtenstein? Wir haben dem Kommissar im Detail gesagt: Solange diese Länder keinen automatischen Datenaustausch haben, also einen Standortvorteil gegenüber Österreich, so lange werde ich meinen Standortvorteil nicht aufgeben.

Sagen Sie der Bevölkerung, Sie wollen den Standort verschlechtern, Sie wollen vorauseilend das Bankgeheimnis aufgeben und dann im Wettbewerb mit San Marino, mit den Kanalinseln, mit der Schweiz, mit Liechtenstein stehen! Was glauben Sie, welch enormen Kapitalabfluss wir dann hätten? – Das ist kein sehr durchdachter Weg, sondern das ist in Wirklichkeit eine Vision (Bundesrat Mayer: Höchstens!), aber nicht verfolgbar.

Wir haben ganz anders agiert und pragmatisch gesagt: Wir geben unser Bankge­heimnis nicht auf, weil es gute Tradition hat und unseren Standortvorteil schützt, aber wir wollen die Steuern einheben, die uns zustehen, und zwar als Abgeltungssteuer für das, was schon länger dort geparkt ist, und pro futuro, weil es dort geparkt ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Mit diesem Abkommen wird erstens mehr Steuergerechtigkeit gegeben sein und zweitens der Anreiz, das Geld anderswo zu parken, schwinden. Daher bin ich sehr stolz, dass uns das so rasch gelungen ist, dass bereits ab dem Jahr 2013 die Steuern fließen werden. Ich gehe davon aus, dass diese Milliarde eine Untergrenze ist, und ich gehe davon aus, dass die 50 Millionen auch eine Untergrenze sind.

Sollten diejenigen, die das Geld derzeit in der Schweiz haben – im Übrigen ist das nicht alles Schwarzgeld, es liegt dort auch versteuertes Geld, das dort angelegt wurde, wofür in der Schweiz auch die schweizerischen Steuern bezahlt wurden –, zur Auffas­sung gelangen, sich, wenn die Schweiz ihr Geld jetzt steuerlich belastet, eine neue Destination zu suchen, dann haben wir mit den Schweizer Behörden vereinbart, dass uns bekannt gegeben wird, wohin das Geld sich dann begibt. Dann werden wir, wenn das größere Beträge sind, eben den nächsten Schritt setzen und mit dem betreffenden Land ein Abkommen abschließen. Sie gehen nur vom Europäischen Kommissar aus, ich gehe aber davon aus, dass unter Umständen die außereuropäischen Schlupf­löcher, Steueroasen auch attraktiv sein könnten.

Ich will unser Bankgeheimnis, unseren Standortvorteil nicht aufgeben, bevor nicht die anderen ähnliche Schritte beschreiten, sonst würde ich nämlich etwas, das eigentlich zum Nutzen von uns ist, den Cayman Islands, Singapur et cetera auf dem Silbertablett servieren. – Das mache ich nicht! Und genau so erkläre ich das auch der Bevöl­kerung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 68

12.36.05

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister, Sie haben richtig gesagt, es liegen natürlich in der Schweiz nicht nur Schwarzgelder. Das ist das Erste, worauf ich ganz dezidiert aufmerksam machen möchte. Gerade als Vorarlbergerin weiß ich, es gibt sehr viele Unternehmer, auch Klein­unternehmer, die ihr Geld bereits sehr hoch versteuert haben, nämlich min­destens mit 46 Prozent, das ist in Österreich der Steuersatz.

Sie haben vorhin gesagt, unter Umständen könnte auch dieses Sicherheitsgefühl nicht vorhanden sein bei den einzelnen Unternehmen. Das bekommt man zu hören, wenn man sich die Mühe macht, als Vertreterin dieses Hauses, sich in der Schweiz, nämlich bei Banken, bei Steuerberatern et cetera, über dieses Thema schlau zu machen, um sich hier auch einigermaßen fachkundig zu äußern. Man bekommt dann schon gesagt, dass man mit diesem Abkommen natürlich auch sehr viele „erwischt“ – unter Anfüh­rungszeichen –, die weniger Vertrauen in den österreichischen Fiskus gehabt haben, das Geld, das sie erwirtschaftet haben, versteuert und in die Schweiz gebracht haben, und dass sie jetzt mit diesem Abkommen – wie Kollege Schreuder richtig gesagt hat – genau drei Optionen haben.

Sie können zum einen eine anonyme Abgeltung leisten. Das heißt, mit dieser ano­nymen Abgeltung werden sie mit 15 bis maximal 38 Prozent versteuert werden. Sie müssen ihren Namen nicht bekannt geben, also anonym.

Die zweite Variante ist, sie machen sozusagen eine Offenlegung. Das bedeutet, dass sie ihre Identität bekannt geben. Dann werden sie interessanterweise sehr, sehr viel weniger hoch besteuert, dann wird es dem österreichischen Fiskus ja bekannt gege­ben, und der kann die Nachbesteuerung vornehmen.

Die dritte Option, die sie haben, ist die bekannte Selbstanzeige. Auch dann werden sie anschließend in Österreich nachbesteuert und bezahlen sozusagen in der Schweiz weniger Steuern. Das ist aber schlicht und einfach eine Ungerechtigkeit jenen gegen­über, die bereits versteuertes Geld nach gutem Wissen und Gewissen dort angelegt haben; ehrlich verdientes Geld, das wir ihnen auf diese Art und Weise jetzt strittig machen.

Die nächste Variante – und das ist eigentlich ein bisschen schade gewesen, aber im Zuge dieses Steuer-CD-Kaufs durch Nordrhein-Westfalen ist natürlich wieder einiges aufgebrochen –, das Abkommen, das Österreich mit der Schweiz macht, ist schon ein bisschen eine Variante light. Es ist nicht so wie bei den Deutschen. Die bezahlen nämlich viel, viel höhere Steuern aufgrund des Abkommens, das dort gefasst wurde, ebenso Großbritannien unter anderen. Jetzt heißt es in der Schweiz: So kann es nicht gehen! Dort sind es die Jungsozialisten, die einerseits wegen dieses automatischen Informationsaustausches auf die Barrikaden gehen und gemeinsam mit der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz“ versuchen, 50 000 Unterschriften zu bekommen, um diese Abkommen mit Österreich, Deutschland und Großbritannien zu kippen, weil sie – wie bereits ausgeführt worden ist – diesen internationalen Informa­tionsaustausch sehr wohl wünschen. Die anderen sehen eher einen Eingriff in die Souveränität des Landes und einen Schaden, der dann auf die Schweizer Banken fallen soll.

Das ist der Grund, weshalb diese Volksabstimmung kommen soll. Sie wird bekanntlich im November, wenn die 50 000 Stimmen – was sehr leicht möglich ist – beisammen sind, stattfinden. Ob dann eine Milliarde kommt – oder wie viel auch immer –, dieser Betrag steht nirgendwo geschrieben, über diesen Betrag wird in keinem Abkommen geredet. Übrigens, Frau Minister, in dem Abkommen steht auch nicht drinnen, dass Österreich keine CDs kauft. Im Abkommen steht lediglich drinnen, dass Österreich das


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nicht aktiv betreibt, aber man kann das jetzt auch hinterfragen und fragen: Was ist, wenn es angeboten wird, nehmen wir es dann oder nehmen wir es nicht?

Schade ist, dass sich die Mandatare in der ganzen Diskussionsphase diese Studie von LeitnerLeitner eigentlich nie zu Herzen genommen haben beziehungsweise sie nie erörtert haben. In dieser Studie steht zum Beispiel tatsächlich – und das hält Herr Rainer Brandl, das ist der Geschäftsführer dieses Instituts, fest –:

„Das Steuerabkommen mit der Schweiz eröffnet weitere Möglichkeiten für öster­reichische Steuerpflichtige mit bisher unversteuertem Kapitalvermögen in der Schweiz, in die Legalität zurückzukehren.“

Das bedeutet, dass wir das, was vorher illegal war, jetzt einfach im Handumdrehen gut zurückholen ... (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter sowie Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Sie bleiben nicht drüben, sondern wir verhindern jetzt aber mit dieser Rück-Lega­lisierung etwas ... (Bundesrat Kneifel: Vorher war es illegal!) Aber warum tun wir das denn mit diesem ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Warum gestehen wir mit diesem Mindestansatz das denjenigen zu, die sich namentlich melden? (Bundesrat Kneifel: Sollen wir verzichten darauf? Sollen wir verzichten? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die zahlen dann nur 5 Prozent, also wären sie ja blöde, wenn sie das nicht tun würden. Und die Schweizer haben jetzt schon Stimmen auch aus Österreich bekommen, wo es ganz klar heißt: Der österreichische Fiskus, die Finanzämter werden ordentlich schwitzen müssen, weil es durchaus einige geben wird, die das natürlich nützen werden, denn günstiger kommen sie in diesem Fall nie mehr zu dieser Legalisierung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Klar ist auch, dass zum Beispiel in diesem Abkommen Immobilien oder Gold nicht drin­nen sind, die sind nicht erfasst; keine depotfähigen Werte, keine vermieteten Liegen­schaften, keine Private-Equity-Firmenbeteiligungen oder physisches Gold. Das alles ist ausgenommen, es geht also wirklich nur um das Bare.

Auch nicht gerade schön ist, dass das eigentlich nicht kontrollierbar ist. Es kann in der Schweiz keine Behörde, kein Steuerfahnder kontrollieren, ob die Menge bezie­hungs­weise die Summen, die angegeben werden, auch die tatsächlichen Summen sind. Es ist also eine Good-will-Aktion, und – wie gesagt – ich frage mich schon eines: Präsident Keuschnigg hat vorhin in seiner Rede gesagt, dass man das, was man von Europa verlangt, in Österreich tun sollte. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schreuder.) Das ist mir schon ein bisschen im Hinterkopf geblieben.

Wenn wir dieses Abkommen mit der Schweiz wollen – was aus Ihrer Sicht der Dinge wahrscheinlich durchaus der Fall ist –, dann müssen wir uns auch überlegen, was wir beziehungsweise unsere Banken mit den Geldern tun, die von deutschen Staats­bürgern, von italienischen Staatsbürgern in Österreich liegen. Tun wir dann auch, was wir von der Schweiz verlangen? Das ist nur eine Frage; vielleicht machen wir uns dann auch Gedanken, was damit geschieht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, das tun sie genauso wenig in Italien; in Italien ist genau dasselbe  (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Aber die ist ja viel niedriger, die ist ja viel niedriger! (Rufe bei der ÖVP: KESt! steuer!)

Das Geld, das damals zurück nach Italien geflossen ist, besteuert Monti in Italien jetzt noch einmal zusätzlich. – Man kann sich auch da informieren.

Es gäbe noch verschiedene andere Dinge zu diskutieren. Es gibt auch den Fall, dass Liechtenstein sehr wohl schon mit Österreich Gespräche zu führen versucht hat, was mit den Stiftungen geschehen soll. Im Prinzip hat man von unserer Seite, von öster-


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reichischer Seite signalisiert, dass es dort eventuell eine Gleichstellung – ich rede nicht von einer Besserstellung, nur von einer Gleichstellung – geben könnte. Ich glaube, das wurde von Ihrer Seite sehr wohl positiv signalisiert, aber von einer anderen Ebene bereits schon wieder nicht so goutiert.

Ich glaube, wir haben ebenfalls unsere Bankenlobby, die sehr, sehr stark ist. Ich bin auch für das Bankgeheimnis, aber wir sind gegen diese nachträgliche Amnestie, die einfach unglaublich ungerecht aufgeteilt ist, unter den verschiedenen Varianten. (Beifall bei FPÖ und Grünen. – Ruf: Du hast nicht gesagt, ob du zustimmst oder nicht!)

12.45

12.45.10

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Mir liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

12.46.115. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird (1784 d.B. und 1885 d.B. sowie 8787/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Österreichischen Sta­bilitätspakt 2012 – ÖStP 2012 (1792 d.B. und 1886 d.B. sowie 8788/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um die Berichte.

 


12.46.42

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 71

2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme jetzt gleich zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Österreichischen Stabilitätspakt 2012.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.47.57

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Weil wir gerade so viel über die Schweiz gehört haben und berichtet wurde: Es findet zurzeit in der Schweiz eine interessante Diskussion im Schweizer Bundesrat statt, wie man den Standort Schweiz schwächen kann, weil der Standort Schweiz eigentlich viel zu attraktiv ist, weil viel zu viele Unternehmer und Firmen in die Schweiz wandern und auch dort der Facharbeitskräftemangel nur vom Hörensagen bekannt ist.

Das ist eine interessante Diskussion. Das ist Standortpolitik, und mit dieser Standort­politik können wir in Österreich sicherlich nicht konkurrieren. Ein Grund dafür ist sicherlich die viel zu hohe Steuerlast in Österreich. Steuerlast ist ein wesentlicher Eckpfeiler für eine Standortpolitik, und da sind wir absolut säumig.

Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, zum Österreichischen Stabilitätspakt 2012, der den Stabilitätspakt 2011 außer Kraft setzt. Der Stabilitätspakt 2011 wurde bekannt­lich letztes Jahr um diese Zeit für die Jahre 2011 bis 2014 geschlossen und ist bereits nach einem Jahr obsolet. Also die Bundesregierung nimmt ihre eigenen Ziele nicht ernst, ist da nicht vertrauenswürdig. Die Zielvorgaben hat die Bundesregierung selbst abgeändert.

Das, was Standortpolitik ausmacht, was die Wirtschaft benötigt, was der Finanzmarkt benötigt, den Sie unbedingt bedienen wollen, ist Vertrauen, ist Glaubwürdigkeit, ist Seriosität und vor allem Kontinuität – und das können Sie, sehr geehrte Frau Minis­terin, nicht bieten!

Ein Vertrag ist immer so viel wert wie die Vertragsparteien, die am Tisch sitzen. Der Maastricht-Vertrag wird permanent gebrochen. Die EU-Partner haben sich Mitte der neunziger Jahre schon etwas dabei gedacht, dass sie die Neuverschuldung auf 3 Prozent angesetzt haben und die Schuldenquote auf 60 Prozent. Dies wird nicht eingehalten, und das ist die Ursache für die gesamte Krise, mit der wir es jetzt zu tun haben.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 72

Faktum ist: Der Euro sinkt, er destabilisiert sich, die Importe steigen in Österreich, und das Defizit steigt. Auch die Schuldenquote ist mit dem neuen Stabilitätspakt 2012 im Steigen begriffen, sie ist bereits über 75 Prozent.

Da zuvor gesagt wurde, ich sei ein EU-Freund oder Euro-Freund: Das – Euro-Freund – muss ich bitte entschieden zurückweisen. Ich schaue mir jeden Tag den Kurs zwischen US-Dollar, Yen und Euro an, und die Destabilisierung des Euro wird letztlich den Währungsblock zerbrechen. Das ist ein Faktum, die Frage ist nur, wann, wie weit der Euro sich abwertet. Das ist die Quintessenz dieser ganzen Europrob­lematik, und mit der kann man sich als Unternehmer, als Wirtschaftler sicherlich nicht anfreunden.

Jetzt wieder zum Gesetz: Es gibt einen interessanten Artikel im Stabilitätspaktgesetz, und zwar Art. 13, zu den Haftungsobergrenzen. Interessanterweise wird in den Erläuterungen zu diesen Haftungsobergrenzen auf den Stabilitätspakt 2011 verwiesen; dort steht aber über die Haftungsobergrenzen auch nichts drinnen. Im Endeffekt sind die Haftungsobergrenzen im Haftungsobergrenzengesetz genannt, und da hat der Bund eine Grenze von über 170 Milliarden € ausgewiesen. Das ist eigentlich nur eine Addition der gesamten bestehenden Haftungen und überschreitet das Zweifache des jährlichen Steueraufkommens in Österreich.

Die Länder sind da gleichfalls nicht angeführt. Wenn man bei den Ländern schaut, so stellt man fest, es gibt da unterschiedliche Haftungsobergrenzen, und zwar zwischen 40 und 200 Prozent. Da ist also auch keine Einheitlichkeit gegeben. Und wenn ich das bei Institutionen wie IWF, EZB und Brüsseler Institution, der Kommission, zusam­menzähle, dann komme ich auf Haftungen – und Cash-Zahlungen sind da natürlich auch schon dabei – von 50 Milliarden €. Also das ist schon interessant. Und das macht das Vertrauen aus, das mit diesem Gesetz nicht gegeben ist.

Die Frage ist – Art. 13 Abs. 5 –: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Haftungen in Anspruch genommen werden? – Auch darüber steht in diesen Ausfüh­rungen nichts geschrieben. Es wäre interessant, wie der Bund die 170 Milliarden € erklärt, ob sie schlagend werden, und wenn ja, wann, denn das sollte budgetär wirk­sam werden – und dann schießen Sie mit weiteren 75 Prozent Schulden kilometerweit übers Ziel und landen wahrscheinlich bei 150 Prozent.

Wenn Sie glauben, sehr geehrte Frau Ministerin – oder eigentlich an die gesamte Bundesregierung gerichtet –, dass das der Finanzmarkt nicht merkt, dann sage ich Ihnen: Das ist eine Illusion, das ist ein Irrtum! Die Trickserei ist schon längst erkannt worden und schon längst bekannt.

Was geschieht mit unseren Steuergeldern, die uns, allen Bürgern, weggenommen werden? – Es gibt einige Gemeinden – ohne jetzt Namen zu nennen – im Osten Österreichs, die Haftungen, Cash-Zahlungen von über 1 000 Prozent des jährlichen Einkommens haben, weil herumspekuliert worden ist, durch wahnsinnige Fremdwäh­rungsgeschäfte, SWAP-Wetten, was vollkommen illusorisch ist.

Mit fremdem Gelde lässt es sich leicht spekulieren, daher fordern wir Freiheitliche, das Geld lieber gleich bei den Bürgern zu lassen und es nicht beim Bund, beim Land oder bei den Gemeinden – oder wo immer – abzugeben. Das ist auch der Unterschied zur Schweiz, denn dort funktioniert das – bei uns nicht!

Kurzer Exkurs, ein Blick über die Grenzen, zum Beispiel in die USA – weil wir immer von Währungsstabilität reden: Der Euro ist nicht stabil, der US-Dollar ist es auch nicht, der Yen interessanterweise ist wieder stabil –: Dort sind vor Kurzem Gemeinden nach dem Chapter-9-Verfahren in Insolvenz gegangen, in Konkurs gegangen; immerhin die


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200 000 Einwohner umfassende Gemeinde oder Stadt San Bernardino; in Stockton ist es bereits geschehen.

Was ist auf dem Markt geschehen? – Definitiv nichts, weil die USA ein einheitlicher Block sind, ein einheitlicher Währungsblock, eine einheitliche Volkswirtschaft. Das ist hier in Europa nicht gegeben. Weil Vizekanzler Spindelegger vor Kurzem den Vereinigten Staaten von Europa das Wort geredet hat: Da sollte man einmal schauen, wie das dort wirklich ausschaut, in den USA, denn dort herrscht Wettbewerb, dort ist eine Leistungsgesellschaft etabliert. Das ist bei uns in Österreich definitiv nicht der Fall.

Und zum ESM-Gesetz, dazu, dass praktisch mit österreichischem Steuergeld spani­sche Banken gerettet werden: Entschuldigen Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, das halte ich für eine Schnapsidee. Das ist in Spanien außerbudgetär wirksam, geht an der Schuldenquote vorbei, und bei uns belastet es das Budget. Warum man die maroden, heruntergewirtschafteten spanischen Banken rettet, ist mir ein Rätsel. (Zwischenruf des Bundesrates Konrad.)

Die spanischen Banken haben sich im Unterschied zu den USA, wo über 400 Banken in Konkurs gegangen sind, nicht bereinigt. Die spanischen Banken haben die Immo­bilienkrise seit 2009 nicht aus ihren Büchern genommen, sie haben nach wie vor die toxischen Papiere, nach wie vor die Schuldentitel in den Büchern drinnen. Und die soll man mit unserem Geld retten?! – Also das ist absolut unverständlich und eigentlich nicht erklärbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Geld bei den Bürgern zu lassen, das ist die Quintessenz, das ist die Pointe. Das ist wesentlich besser als das, was in diesen Stabilitätspakt vorgesehen ist, in dem von Stabilität eigentlich nichts zu spüren ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus diesen Gründen lehnen wir dieses Ge­setz ab: weil es nicht transparent ist, weil es zu dürftig ist, weil es unvollständig ist – und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Stabilitätspakt 2013 kommen wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.55.34

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gemeinsame Haushaltsdisziplin, aber auch gemeinsame Festlegung der Ertragsanteile von Land, Gemeinden und Bund sind sicherlich wichtig für das Funktionieren eines föderalen Staates. Ich bin sicher, die Verhandlungen der Frau Minister mit den Länder- und Gemeindevertretern waren kein Sonntagsspaziergang, aber das ist sehr wichtig für die Zusammenarbeit in der Zukunft und wird diese auch wesentlich erleichtern.

Ich möchte jetzt ein paar positive Beispiele bringen, nachdem der Kollege aus Wien – wahrscheinlich sind das die Wiener Depressionen – die Untergangsstimmung aufgezeigt hat. Oberösterreich gehört nämlich nicht zu den Reformblockierern, wir zeigen, dass wir reform- und konsolidierungswillig sind.

Ich möchte die Umsetzung der 2011 im Landtag beschlossenen Spitalsreform erwäh­nen. Bereits 2011 hat das eine Kosteneinsparung von 92 Millionen € gebracht, und heuer rechnen wir mit 103 Millionen €, ohne das Leistungsangebot für die Patienten zu reduzieren, was auch ständig überprüft wird. Wir legen Abteilungen zu Kompetenz­zentren zusammen, was aufgrund guter verkehrstechnischer Infrastruktur bei uns in den Bezirken kein Problem darstellt.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 74

Als Wirtschaftsvertreterin ist es mir wichtig, dass die öffentliche Hand auch den Wirt­schaftskreislauf in der Region aufrechterhalten kann. Aber man sieht, dass auch das in Oberösterreich funktioniert, denn Oberösterreich hat in diesem Jahr wieder den Wirt­schaftswachstumspreis für 2011 der WK Österreich bekommen, ein Preis, der eigentlich nur zwischen Vorarlberg und Oberösterreich hin- und herwandert. Vielleicht kann da ein anderes Bundesland durch gutes Wirtschaftswachstum auch einmal punkten.

Unser IV-Präsident Pöttinger, der ja ein sehr kritischer Geist ist, bestätigt: Landes­hauptmann Pühringer hält den Reformdruck aufrecht. Im Bereich Spitäler, Verwaltung, Personal ist bereits viel geschehen. Der Landeshauptmann ist mit seinen Reformen auf dem richtigen Weg und beweist den übrigen Ländern, dass Reformen notwendig und möglich sind. – Zitatende.

Frau Minister, nicht nur der Herr Landeshauptmann ist damit auf dem richtigen Weg, sondern auch du, und dafür wünschen wir dir alles Gute. Wir stimmen dem gerne zu. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Beer.)

12.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich noch Folgendes sagen: Kollege Androsch ist ja für den Kollegen Karl Boden hier in den Bundesrat eingetreten, und auch wenn Karl Boden heute nicht mehr anwesend ist, möchte ich sagen, ich habe Karl Boden hier als geradlinigen Sozial­demokraten, als engagierten Mandatar, als besonders netten Kollegen und als ein echtes Waldviertler Urgestein kennengelernt. Ich denke, ich spreche im Namen von uns allen, wenn ich zu Protokoll gebe:

Danke, Karl Boden, für die gemeinsamen Jahre und alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Androsch. – Bitte.

 


12.58.48

Bundesrat Ing. Maurice Androsch (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! In meiner ersten Rede hier im Bundesrat darf ich darüber berichten, dass auch ich aus dem Waldviertel komme, und ich hoffe auch, irgendwann hier in diesem Haus ein „Waldviertler Urgestein“ werden zu können. (Bundesrat Kneifel: Das muss man sich verdienen! – Heiterkeit.) – Ja, genau.

Ich möchte es aber auch nicht verabsäumen, an dieser Stelle Herrn Karl Boden für seine Arbeit für das Waldviertel, für unsere Region sehr herzlich zu danken!

Das Thema dieses Tagesordnungspunktes ist der Stabilitätspakt, das Finanzaus­gleichsgesetz 2008 mit seiner Abänderung, und ich darf dazu sagen, dass mit dieser Einigung im Bundes- und Ländergipfel ein wichtiger Schritt in Richtung Stabilität des österreichischen Haushaltes gemacht worden ist.

Klare Richtlinien, klare Regeln, an die sich Bund, Land und Gemeinden zukünftig zu halten haben, sind vorgegeben worden, und ich möchte an dieser Stelle auch als Bürgermeister sagen, dass gerade die Gemeinden zur Stabilität in Österreich sehr viel beigetragen haben, auch wenn es regional sehr, sehr schwierig ist – wie ich aus meiner eigenen Region berichten darf; ich weiß, dass dieser Weg nicht immer leicht ist –, diesen Weg zu gehen, aber es ist eine Notwendigkeit, die wir in den nächsten


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 75

Jahren treffen müssen, weil es nicht zuletzt auch für unsere Bürgerinnen und Bürger maßgeblich ist.

Mit diesen klaren Regeln, mit diesen klaren Vorgaben, die im Stabilitätspakt festgesetzt werden, werden auch Sanktionsmaßnahmen mit hineingetragen und mit hineingespielt. Das heißt, es wird nicht so einfach sein, diese Regeln nicht einzuhalten, es wird nicht so einfach sein, sich da herumzudrücken. Wenn es auch zwischen den einzelnen Ebenen der Gebietskörperschaften die Möglichkeit geben wird, Ausgleiche zu finden, so hat jeder in seinem eigenen Bereich, jeder in seinem eigenen Haushalt dafür zu sorgen, dass er auch seine Aufgaben erfüllt, auch wenn diese nicht einfach sind. Ich denke, wir sind da auf einem richtigen Weg.

Wenn wir uns das Finanzausgleichsgesetz ansehen und vorher von der Milliarde, die kommen soll, gehört haben, so finde ich es auch wichtig und richtig, dass da eine Regelung getroffen wird, wenn zukünftig Mittel aus der Schweiz von diesen Konten zu uns fließen sollen, dass der Bund bedient wird, aber auch die Länder und die Gemeinden. Wir sprechen da von 216 Millionen € für die Länder und von 118 Mil­lio­nen € insgesamt für die Gemeinden, die aus dieser Milliarde zu erwarten sind, und es ist wichtig, dass diese auch direkt in diesen Konsolidierungspfad mit hineinlaufen, weil es wesentlich ist, alle Einnahmen zu lukrieren, die dazu beitragen, Österreich stabiler zu machen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sie haben es eingangs schon erwähnt, in der Früh haben wir es schon gehört: Das, was wir von Europa verlangen, sollen wir auch im Haus Österreich leben. Wir verlangen Stabilität in Europa, und ich denke, es ist daher auch notwendig, das in Österreich zu leben – und wir leben es mit diesem Paket im Hause Österreich maßgeblich. Daher werden wir diesem Beschluss zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.02.12

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bei uns Grünen eine Diskussion vorangegangen. Kollege Schreuder und ich sind ja sozusagen die Ländervertreter von Bundesländern, in denen die Grünen in einer Regierungsverant­wor­tung sind, und unsere Kollegen auf Bundesebene haben aus deren Perspektive aus nachvollziehbaren Gründen dieser Regierungsvorlage ihre Zustimmung nicht erteilt.

Das bedeutet nicht, dass ich hier jetzt sozusagen eine Kontrarede gegenüber den Bundesgrünen halte, sondern der Grund, warum wir darüber diskutieren, ist, dass diese Thematik eigentlich ursprünglich eine Zweidrittel-Verfassungsmaterie war, und wir Grünen, also die Bundesgrünen haben sich ja angeboten, in dieser Materie zu einem Konsens zu kommen. Aber das ist leider Gottes am Widerstand der ÖVP gescheitert, weil sie sich einfach zum Beispiel der Einführung der Vermögenssteuern widersetzt hat. Und jetzt diskutieren wir sozusagen über eine Artikel-15a-Vereinbarung, bei der wir als Ländervertreter – ich als Oberösterreicher, wir in unserer Regierungs­verantwortung auch aus Oberösterreich – unseren Beitrag geleistet und dem auch zugestimmt haben, und es wäre dann ein Widerspruch, wenn ich hier jetzt dagegen stimmen würde.

Wir in Oberösterreich haben ja vereinbart, dass wir bis 2016 insgesamt knappe 1,2 Milliarden € einsparen, und die Länder insgesamt haben nach dem alten Pakt


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vereinbart, dass 5,2 Milliarden € gespart werden. Der Anteil von Oberösterreich beläuft sich auf 828 Millionen €, und dazu kommen in den nächsten vier Jahren 346 Mil­lionen € für die unaufschiebbaren Projekte wie zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr, beim Hochwasserschutz, in der Kinderbetreuung, bei Spitalsbauten und auch bei Schulbauten.

Eines möchte ich schon auch kritisch anmerken: Wenn die öffentliche Hand als einer der größten Investoren in Infrastrukturprojekte da jetzt auch den Sparstift ansetzt, dann, glaube ich, sind die Argumente, die die Bundesgrünen angeführt haben, durchaus berechtigt und auch nachvollziehbar.

Wir in Oberösterreich haben sozusagen einen Mix gemacht. Uns ist ganz klar, dass wir sparen müssen, aber andererseits muss auch der Spielraum für Investitionen gegeben sein. Wir haben in Oberösterreich gemeinsam mit unserem Koalitionspartner verein­bart, dass eben eine umfassende Spitalsreform stattfinden soll, dass wir im Bereich des Personals, das im Landesdienst tätig ist, die Regelungen des Bundes über­nehmen, nicht nur da, sondern auch im Pensionsbereich, dass wir in den jeweiligen Ressorts die Ermessensausgaben um 5 Prozent kürzen – bis auf den Bereich Sozia­les, da ist nach wie vor die dreiprozentige Steigerung inbegriffen –, dass wir sozusagen auch bei den Landesbediensteten einen um ein Prozent niedrigeren Abschluss als im Bundesdienst – bereits vor der Nulllohnrunde 2012 – vorweggenommen haben, und es sind insgesamt 650 Dienstposten, die eingespart werden. Das ist ein Mix zwischen Sparen und Investieren.

In diesem Sinne werden mein Kollege Marco Schreuder und ich dieser Gesetzes­vorlage unsere Zustimmung erteilen – mit dem Hinweis, dass die Argumente, die die Bundesgrünen angeführt haben, für uns natürlich nachvollziehbar sind –, und die Kollegin Elisabeth Kerschbaum wird dieser Gesetzesvorlage ihre Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

13.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


13.06.41

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Zwei ganz wichtige finanzpolitische Tagesordnungspunkte mit wich­tigen Weichenstellungen, und das Steuerabkommen mit der Schweiz sind offen­sichtlich mehr zu diskutieren als der Österreichische Stabilitätspakt mit Bund, Ländern und Gemeinden, der ja innerstaatlich vielleicht sogar wichtigere Dinge regelt. Aber betreffend das Steuerabkommen mit der Schweiz im vorhergehenden Tagesordnungs­punkt wird von allem Möglichen geredet, und relativ oft auch von Moral.

Ich weiß es nicht, zuerst ist es aus Sicht der Opposition gar nicht möglich, dass dieses Abkommen überhaupt zustande kommt, dann sucht man sich andere Gründe, warum es letztendlich wieder nicht gut ist. Vielleicht ist es die zweitbeste Lösung – das kann sein. Es ist auf jeden Fall besser, mit diesem Abkommen einen Teil der Steuerpflicht durchzusetzen und einen Teil dieser Steuererträge zu bekommen und nicht darauf zu verzichten, denn letztendlich geht es um Geld, das bisher nicht versteuert worden ist. Es ist aber auf jeden Fall gerechter und besser, zuerst einmal die Steuerflüchtlinge im Ausland zu verfolgen als auf den Steuerzahler im Inland zurückzugreifen und diesen zusätzlich zu belasten. Das ist nun einmal so.

Da immer von Steuermoral die Rede ist: Es ist auch jetzt die Volksabstimmung in der Schweiz diskutiert worden – und siehe da, wenn man sich ein bisschen um die Bericht­erstattung in der Schweiz kümmert und das regelmäßig verfolgt, dann stellt man fest,


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 77

dass auch dort der Bereich Moral momentan ein Thema ist, nämlich dahin gehend, wie moralisch es denn ist, jene Gelder, die bisher geparkt worden sind, mit einer Selbst­verständlichkeit zu parken, an wem auch immer vorbei. In der Schweiz wird jetzt im Sinne der Moral sehr wohl darüber diskutiert, welche Gelder in der Schweiz denn immer herumgelegen sind und wer denn aller die Gelder in der Schweiz geparkt hat. – Das zum Thema Moral.

Warten auf eine gemeinsame Entscheidung der EU? – Das ist auch eine Möglichkeit. Aber wenn man sich die Einigkeit der EU in der Frage der Finanztransaktionssteuer anschaut, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wie lange eine einheitliche Lösung und eine Einigkeit in diesen Dingen dauern würde. Und da ist es unserer Finanz­ministerin zu verdanken, dass Österreichs Vorgangsweise darin besteht, nicht zu warten, sondern zu handeln, etwas umzusetzen und durchzusetzen – im Sinne der österreichischen Budgetpolitik und im Sinne jener, die in Österreich ihre Steuern zahlen und ihr Geld nicht ins Ausland verfrachtet haben.

Der Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist sicherlich nicht nur ein Signal, sondern auch eine Basis, ja die Basis für eine nachhaltige Budgetpolitik, für eine geordnete, stabilitätsorientierte und gesamtstaatliche Budgetpolitik. Bund, Länder und Gemeinden haben dazu ihren entsprechenden Beitrag zu leisten und haben letztendlich gemeinsam die Ziele formuliert, um diese Vereinbarungen auch zu koordinieren.

Auch die Transparenzdatenbank ist ein Mittel zur Verwaltungsvereinfachung. Sie schafft mehr Transparenz bei staatlichen Förderungen oder auch Sozialtransfers. Ich glaube, dass es angesichts der vielen Förderungen und Transfers, die die öffentliche Hand leistet, wichtig ist, auch Transparenz zu haben, denn diese Transparenz liefert letztendlich auch jene Kennzahlen, die die Politik für ihre Entscheidungen braucht, sei es nun in der Evaluierung oder sei es auch bei künftigen Gesetzen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, abschließend ein Satz als Bürgermeister, und zwar in Richtung bevorstehende Verhandlungen zum Finanzausgleich: Ohne jetzt auf Details einzugehen, die dann gegenseitig – sei es nun vom Gemeindebund, sei es vom Städtebund – ins Spiel gebracht werden, bin ich doch der Meinung, dass eine Korrektur des abgestuften Bevölkerungsschlüssels zugunsten der kleinen und mittleren Gemeinden erforderlich sein wird.

Auch das Thema Vorsteuer bei kommunalen Bauten wird uns sicherlich noch einmal beschäftigen, wobei ich schon der Meinung bin, dass über diese Vorsteuer bei Bildungseinrichtungen, Kindergärten, Seniorenwohnhäusern – also nicht allem, was jetzt in der KG drinnen ist – noch hart diskutiert werden wird.

Aber letztendlich, sehr geehrte Frau Bundesministerin Dr. Fekter, zu den heutigen Themen in deine Richtung eine Gratulation und großes Lob für die Beharrlichkeit in deinen Verhandlungen sowohl beim Abkommen mit der Schweiz als auch bei den Verhandlungen zum Österreichischen Stabilitätspakt.

Wir werden diesen Tagesordnungspunkten sicherlich zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Konrad zu Wort. – Bitte.

 


13.12.54

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die beiden Punkte, die anstehen, sind zum einen das Finanzausgleichsgesetz


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 78

und zum anderen der Stabilitätspakt. Schon die Worte alleine sagen, dass es wichtige Themen sind. Es geht darum, einen Ausgleich zu finden, wenn es um Gelder geht, die vom Steuerzahler aufgebracht werden. Und irgendwo muss man sich da verab­schieden von der Auffassung: Das ist Bundesgeld, das ist Landesgeld, das ist Gemein­degeld; denn es ist immer das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und letztendlich wird es den Menschen in die Hand gegeben – ob es in den Gemeinden ist, ob es in den Ländern ist, ob es im Bund ist –, die bei den Projekten, für die sie die Zuständigkeit haben, diese Mittel bestmöglich einsetzen.

Wenn immer wieder darüber gesprochen wird, wie viel an Schulden man in der Vergangenheit angehäuft hat, was man alles an Geld „verjubelt“ hat, dann sollte man einen kurzen Blick zurück werfen: Wie hat es denn in Österreich ausgesehen? Was ist mit diesen Geldern geschaffen worden? – Ich bin selbst noch nicht so alt, aber doch alt genug, um zu wissen, dass es beispielsweise in der Steiermark ein kurzes Auto­bahnstück gegeben hat zwischen Gleisdorf und Graz – das wird nicht allen etwas sagen –, das vielleicht 20 Kilometer lang war. Das war die ganze Autobahn in der Steiermark! – Schauen wir uns hingegen das Verkehrsnetz jetzt an, auch das Verkehrsnetz in den anderen Bundesländern, wie viele Straßenkilometer gebaut wor­den sind, wie viele Autobahntunnels!

Wir haben ja heute in der Aktuellen Stunde über das Thema Verkehrssicherheit diskutiert. Und wenn immer wieder gefordert wird, Neues zu bauen, was ja auch wichtig und richtig ist, dann müssen wir doch auch sagen, dass wir das Geld nur in beschränktem Rahmen zur Verfügung haben.

Es war gut und wichtig, dass wir diesen Rahmen entsprechend genutzt haben, auf Bundesebene, auf Länderebene und auch auf Gemeindeebene. Jetzt gilt es natürlich, auf die Bremse zu treten. Die Rahmenbedingungen sind etwas kritischer geworden, nicht weil der Staat das Geld zum Fenster hinausgeworfen hat, sondern weil wir Maß­nahmen gesetzt haben, die für die Menschen vor Ort, die dieses Geld auch aufge­bracht haben, wichtig waren. Ob das Projekte, Bauten im Gesundheitsbereich, im Spitalswesen waren, ob es Bahntunnels waren, ob es Bildungseinrichtungen waren, die gebaut worden sind – da ist das Geld gut eingesetzt worden.

Problematisch ist es, wenn man das Geld dort ausgeben muss oder wenn es dort gebunden ist, wo die Menschen nicht wirklich viel davon gehabt haben, zum Beispiel im Bankensektor. Und, Kollege Pisec, wenn du schon davon sprichst, dass der Staat 80 Milliarden – so hast du gemeint – Haftungsgrenze hat: Man sollte bedenken, dass darin 20 Milliarden an Haftung allein für die Hypo Kärnten enthalten sind. – Da wäre ich also ein bisschen vorsichtig mit dem Ganzen, denn das als Pointe ist dann schon fast ein bisschen verwegen.

Aber nichtsdestotrotz, sehr geehrte Damen und Herren, eines ist mir in der Debatte schon aufgefallen – und das bitte ich auch so zur Kenntnis zu nehmen –, und das betrifft die Diskussionskultur hier im Bundesrat: Ich glaube, die Frau Ministerin würde es sich wünschen, wenn es bei diesen Themen auch im Nationalrat so ruhig und sachlich zugehen würde. Ich meine, das zeichnet uns aus. Wir können ja durchaus unterschiedliche Meinungen und Anschauungen haben, aber es ist dann doch gut zu wissen, dass man das auch akzeptiert, wenn einer eine andere Meinung hat.

Ich glaube, wenn es um Stabilität geht, ist es auch die Stabilität, die Parla­men­tarierin­nen und Parlamentarier zur Schau stellen, wenn es um viel Geld geht, wenn es darum geht, dem Bund, den Ländern und den Gemeinden viel Geld zuzuweisen.

Ich glaube schon, dass es wichtig ist, dass wir diese Maßnahme setzen, und es wäre schön, wenn alle dem zustimmen könnten. In diesem Sinn werden wir natürlich gerne


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 79

zustimmen. Ich würde mich freuen, wenn sich die Blauen auch dazu bewegen könnten. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Petritz zu Wort. – Bitte.

 


13.17.35

Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vorweg möchte ich in meinen Ausführungen Frau Bundesministerin Dr. Fekter für diese Initiative, die sie gesetzt hat, danken. Und, lieber Kollege Pisec, das Geld, das wir zusätzlich bekommen, diese 118 Millionen gehen direkt in die Ge­meinden und direkt zum Bürger. Ich möchte deinen Kollegen Pirolt, der auch Bürger­meister ist, in Straßburg, fragen, ob er mir nicht zustimmt, dass wir uns als Bürger­meister freuen würden und freuen, wenn zusätzlich Geld in die Gemeindekassa kommt, weil diese Finanzmittel, die zusätzlich kommen, direkt an den Bürger gehen und für uns eine große Hilfe in den Gemeinden sind – sei es bei den Kindergärten, sei es in der Strukturreform, sei es bei der Nachmittagsbetreuung oder im Bildungswesen, bei Schulen oder Straßen. Das ist zusätzliches Geld, wofür wir nur ein herzliches Dankeschön sagen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir heute über den Beschluss des Nationalrates betreffend Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden reden und das Finanzausgleichsgesetz beschließen, so möchte ich aus der Sicht der Gemeinden und als Bürgermeister einige Bemerkungen dazu machen.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, ist der Stabilitätspakt notwendig, um auf Dauer ausgeglichene Haushalte sicherzustellen, um eine weitergehende Verschuldung hintanzuhalten beziehungsweise diese auf einem niedrigen Niveau zu halten, um nicht das Schicksal Griechenlands und anderer europäischer Staaten zu erleiden.

Selbstverständlich sind in allen Bereichen Kürzungen der Ausgaben, die letztlich auch die Bürger treffen, mit Bedacht und Rücksicht vorzunehmen. Dabei ist auf soziale Ausgewogenheit Rücksicht zu nehmen, gleichgültig, ob diese Maßnahmen über den Bund, die Länder, die Gemeinden oder sonstige Körperschaften vorgenommen wer­den.

Wir wissen aber, dass wir in Österreich bereits eine hohe Steuerquote haben, die auch, wenn man die Wettbewerbsfähigkeit nicht aufs Spiel setzen will, nicht mehr erhöht werden darf. Wir wissen jedoch auch, dass viele wesentliche und notwendige Struktur­reformen umgesetzt werden müssen und dass unsere Bürger derzeit die große Sorge haben, dass sie von ihren Lebenshaltungskosten in ihrer Existenz bedroht werden.

Es wird aber auch nicht genügen, dass Österreich einen Stabilitätspakt beschließt, strenge Regeln für die öffentlichen Haushalte einführt und bei Verletzungen dieser Regeln auch Sanktionen setzt, wenn andere EU-Länder beziehungsweise Euro-Länder nicht auch Maßnahmen setzen, um ihre Haushalte zu stabilisieren. Solidarität, meine Damen und Herren, ist für mich keine Einbahnstraße! Daher begrüße ich diese Initiative unserer Bundesregierung.

Außerdem möchte ich festhalten, dass die Gemeinden in der weitaus überwiegenden Zahl die Haushaltsvorgaben schon bisher erfüllt haben und wesentliche Beiträge zum Ausgleich der Haushalte geliefert und geleistet haben. Einige Länder, darunter leider Gottes auch Kärnten, mein Heimatbundesland, sind in Rückstand. Es wird daher absolut notwendig sein, die Gemeinden in die weiteren Verhandlungen einzubeziehen und ihnen auch Gewicht bei den Entscheidungen im Zuge der Umsetzung der ein-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 80

zelnen Maßnahmen dieses Stabilitätspaktes zu verleihen. Dies sagte auch der Landeshauptmann von Vorarlberg, Wallner: Für die künftige Entwicklung der Länder werde es einer vernünftigen Partnerschaft mit dem Bund und den Ländern bedürfen.

Abschließend möchte ich dir, liebe Frau Bundesminister, für das geschickte Ver­han­deln mit der Schweiz danken, da auch auf den Mittelzufluss für die Gemeinden Bedacht genommen wurde. Zwei Drittel Bund, ein Drittel Länder/Gemeinden – lieber wäre mir gewesen, die Schlüsselaufteilung würde in umgekehrter Reihenfolge statt­finden, weil die Gemeinden die größten Auftraggeber und Investoren sind gegen­über allen anderen. Dieses Geld, das in den Gemeinden investiert wird, ist gut investiert.

In diesem Sinne kann ich dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates meine Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Dr. Fekter. – Bitte.

 


13.23.08

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Vorigen Herbst haben wir Finanzminister in Europa, aber auch die Regierungschefs, also unser Bundeskanzler, den Fiskalpakt beschlossen. Im Fiskalpakt stand die Schuldenbremse drin, Haushaltskonsolidierung, Nulldefizite und dann auch noch eine Schuldentilgungs­regelung.

Wir wollten diese Schuldenbremse in die Verfassung schreiben. Bedauerlicherweise haben sich die Oppositionsfraktionen im Nationalrat nicht dazu bereit erklärt. Unter großer medialer Begleitung haben sie Widerstand geleistet und nicht zugelassen, dass die Schuldenbremse in die Verfassung kommt.

Daher haben sich dann die Grünen oder die grüne Fraktion – Blau und BZÖ: ohnehin Europa-Gegner, von denen haben wir es also auch nicht erwartet –, hat sich die grüne Fraktion im Nationalrat nicht jetzt bei diesem Stabilitätspakt plötzlich für die Schulden­bremse erwärmen können. Sie hat die Kurve nicht mehr gekratzt, weil sie ja gar so Widerstand geleistet hat.

Daher freut es mich ganz besonders, dass sich heute zwei grüne Bundesräte schon dazu bekannt haben, in Hinblick auf die Arbeit, die wir hier mit den Ländern voran­getrieben haben, sich dann doch dazu zu bekennen, gemeinsam mit den Regie­rungsfraktionen für diesen Stabilitätspakt zu stimmen und für eine Schuldenbremse zu sein.

Wir konnten nämlich die Schuldenbremse nur einfachgesetzlich umsetzen. Sie hätte dann aber nur den Bund gebunden. Wir müssen aber gesamtstaatlich unseren Haus­halt in Ordnung halten. Wir müssen gesamtstaatlich schauen, dass wir auf Nulldefizite kommen, dass wir unsere Schulden auf ein Niveau bringen, dass für uns pro futuro nicht größere Schwierigkeiten anstehen. Daher haben wir dann, weil es in der Verfas­sung nicht möglich war, mit den Ländern verhandelt und eine 15a-Vereinbarung ge­schlossen, um diesen Stabilitätspakt mit den Ländern gemeinsam in eine ganz neue Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu bringen.

Mir als Ministerin war es wichtig, dass dieses Werk dauerhaft angelegt ist. Es bringt ja nichts, wenn wir so etwas für zwei Jahre machen, aber im Jahr 2015 oder 2016 geht es dann wieder los und haben wir unter Umständen große Defizite, oder ein Bundesland schert zu Lasten eines anderen aus. Daher ist dieser Stabilitätspakt mit den Ländern auf Dauer angelegt. Das heißt, Haushaltskonsolidierung/Nulldefizite/Schuldenabbau ist ein Dauerprogramm!


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 81

Die Länder wiederum haben gesagt: Okay, wenn wir uns dazu bekennen, dann brauchen wir aber auch Planungssicherheit in Hinblick auf die Mittel, die uns zustehen. Dann müssen wir auch dauerhaft mit Ertragsanteilen rechnen können, so wie verein­bart. Daher haben wir jetzt auch im Finanzausgleichsgesetz festgelegt, dass aus den Geldern, die zusätzlich fließen – beispielsweise aus dem Schweizer Abkommen, aus den neuen Steuern, aus dem guten Wirtschaftswachstum –, den Ländern auch dauer­haft Planungssicherheit gegeben wird und sie diese Gelder auch so wie vereinbart bekommen: ein Drittel – zwei Drittel.

Es hat dann natürlich Diskussionen darüber gegeben: Was passiert, wenn in einer künftigen parlamentarischen Zusammensetzung der Gesetzgeber auf die Idee kommt, den Ländern nur noch 15 Prozent zu geben? – Dann sind aber auch alle anderen Verein­barungen, die wir mit den Ländern getroffen haben, außer Kraft!

Daher konnten das Interesse des Bundes, gesamtstaatlich Haushaltsdisziplin, Konso­lidierung und stabile Finanzen zu gewährleisten, und das Interesse der Länder an Planungssicherheit in diesem Stabilitätspakt gut zueinander finden. Es war ausge­sprochen schwierig! Ihr habt die medialen Töne aus den Bundesländern vernommen: Da war in der Früh noch von Mega-Widerstand zu lesen, am Nachmittag oder am späten Abend haben aber dann alle den Beschlüssen zugestimmt. Daher ist das eine ganz neue Art der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, nämlich auf Augen­höhe, wo beide Interessen, wenngleich unterschiedlich, doch zu einem Gesamtwerk gebracht wurden. Das heißt, es müssen sich alle anstrengen, und es müssen alle ihre Hausaufgaben machen.

Weil ich eine Fülle von Briefen bekomme und Resolutionen beschlossen werden: Lieber Franz (in Richtung des Bundesrates Wenger), liebe Bürgermeister! Das neue System – auch mit den neuen Steuern, die wir beschlossen haben – spült 400 Mil­lionen € an neuen Steuern in Richtung Länder und Kommunen; die neue Vorsteuer­regelung kostet die Kommunen 60 Millionen. Daher ist das Verhältnis schon ziemlich eine Einbahnstraße in Richtung Geld zu den Kommunen und zu den Ländern! Ich bin davon überzeugt, dass die Kommunen bei ihren Landesfinanzreferenten ein offenes Ohr finden werden, wenn ihnen ein paar Millionen abgehen, die Länder aber Hunderte Millionen frisch bekommen.

Das heißt, in diesem Stabilitätspakt ist das System folgendermaßen: Länder und Kom­munen sind eine Einheit und werden insgesamt betrachtet. Das heißt, Länder und Kommunen müssen untereinander ihren Ausgleich finden. Da mischt sich dann der Bund nicht ein.

Der Bund wiederum wird gemeinsam mit den Sozialversicherungsträgern als Einheit betrachtet. Ich habe die Pflicht, auch mit dem Hauptverband eine ähnliche Regelung abzuschließen, dass dort nicht die Finanzen aus dem Ruder laufen, denn das würde auf den Bund zurückschlagen.

Das heißt, im Hinblick auf die Vorsteuerregelungen, glaube ich, ist das Gesetz jetzt einmal beschlossen und bleibt es so beschlossen. Im Hinblick auf die Situation in den Kommunen bin ich davon überzeugt, dass die vielen neuen Gelder fließen, einerseits durch das Schweizer Abkommen, andererseits durch neue Steuern und drittens durch eine gute Konjunktur. Unsere Arbeitnehmer liefern viel Lohnsteuer ab, unsere Wirt­schaft liefert Körperschaftsteuer ab. Das heißt, dass es durch diese vielen Steuer­einnahmen, die wir derzeit haben, nicht gerechtfertigt ist, Reformpakete aufzu­schnüren!

Ich möchte das hier gesagt haben, weil jetzt doch permanent überall Resolutionen beschlossen werden, die das Reformpaket aufschnüren wollen. Dabei vergessen diese


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 82

Resolutionen das zusätzliche Geld, das derzeit auch fließt. Das ist so üppig, wie es noch nie gewesen ist.

Wir haben keine Garantie, dass die Konjunktur dauerhaft so bleibt. Daher soll man sorgsam damit umgehen und schauen, dass wir mit den Defiziten rasch herunter­kommen und unsere Schulden abbauen, dass wir dann stabil dastehen, wenn der Wind unter Umständen wieder rauer zu wehen beginnt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.32

13.32.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Österreichischen Stabilitätspakt 2012.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

13.33.187. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über eine Trans­parenzdatenbank (1788 d.B. und 1887 d.B. sowie 8789/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Zehentner. – Bitte um den Bericht.

 


13.33.31

Berichterstatter Robert Zehentner: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwi­schen dem Bund und den Ländern über eine Transparenzdatenbank. (Präsident Keuschnigg übernimmt wieder den Vorsitz.)

Der Beschlusstext liegt den Damen und Herren Bundesräten schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Danke für den Bericht.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 83

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


13.34.29

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Transparenzdatenbank: Hier haben wir einen Gesetzentwurf, der ein trauriges Beispiel dafür ist, wie man eine gute Idee – die wir anfänglich ja auch unterstützt haben – vermurksen kann!

Es sollen hier also der Bund und die Länder ihre Leistungen, ihre Transferleistungen in eine gemeinsame Datenbank eintragen. Man fragt sich eigentlich, da wir angeblich im Informationszeitalter leben, warum wir dafür überhaupt ein Gesetz brauchen und warum es das nicht ohnehin schon lange gibt. Es hört sich eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit an.

Sie sagen, aus Datenschutzgründen, Frau Bundesminister – aber derzeit, im ersten Schritt, sind ja die Daten auch noch nicht personalisiert. Das soll erst in einem zweiten Schritt erfolgen, zuerst für den Bund und irgendwann später einmal vielleicht für die Länder. Die Gemeinden, die ja auch nicht unerheblich zu den Transferleistungen beitragen, werden überhaupt außen vor gehalten.

Wenn man sich die Zahl an Förderungen, die in Österreich ausgeschüttet werden, anschaut, dann sieht man, dass man hier eigentlich komplett im Blindflug unterwegs ist. Es gibt ja nur Schätzungen, und diese bewegen sich irgendwo zwischen 44 000 und 50 000 verschiedenen Förderungen. In einem jüngsten Bericht des Rech­nungshofes, in dem der Bund und drei Länder im Bereich der Familienförderung verglichen werden, kommt man drauf, dass es allein über hundert verschiedene Förderungen in diesem auch geographisch eingeschränkten Bereich gibt.

Auch die Art der Umsetzung, wie diese Datenbank eingerichtet und betrieben werden soll, scheint in ihrer Effizienz durchaus etwas zweifelhaft zu sein. Die Wiener SPÖ-Finanzstadträtin Brauner hat gesagt, das Einzige, was es bringt, sind Dienstposten: In Wien bräuchten wir 80 Leute, um diese Datenbank zu betreuen. – Da kann also irgend­etwas nicht stimmen! Es ist daher zu bezweifeln, dass diese Artikel-15a-Vereinbarung überhaupt von allen Bundesländern umgesetzt wird. Wenn Wien wegbricht, dann ist das Ganze sowieso nichts wert.

Wir haben die Befürchtung, dass hier nur zusätzliche Kosten entstehen, aber das eigentliche Ziel, nämlich die Transparenz und damit in weiterer Folge die Möglichkeit, eine Durchforstung dieses Förderungs- und Transfer-Dschungels in Österreich vorzu­nehmen, nicht erreicht wird, zumal ja auch die Gemeinden nicht dabei sind. Deswegen werden wir diese verstümmelte Form einer Transparenzlösung nicht gutheißen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.38


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


13.38.15

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Ministerin! Lieber Kollege Krusche, über das Sprichwort „Ist ein Glas halb voll oder halb leer?“ könnten wir ja trefflich weiterphilosophieren. Ich denke einmal, für diese Idee der Transparenzdatenbank, die 2009 von unserem damaligen Parteiobmann Josef Pröll in die Öffentlichkeit und zur Diskussion gestellt wurde, gab es seinerzeit eine ganz andere Begründung. Wir wollten von unserer Seite her einmal klarstellen, dass es vor allem im Sozialbereich zu einer größeren Treffsicherheit in Österreich kommen muss.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 84

Wenn man sich das anschaut: Kollege Krusche, wenn es dir im Sommerurlaub vielleicht nicht ganz langweilig ist, dann kannst du dir den Förderbericht des Landes Steiermark anschauen. Ich habe im Sommer schönere Aktivitäten geplant, als dieses Werk zu studieren. Es ist nämlich ein unendliches Werk, und man wundert sich nur darüber, was es alles für Arten von Förderungen allein im Bundesland Steiermark gibt.

Summa summarum reden wir hier davon, dass es in den Bundesländern 3 100 ver­schiedene Förderungsarten gibt, und auf Bundesebene sind es 2 600. Dann kommen wir zu einer Summe von über 70 Milliarden € in Österreich! Die Frau Finanzministerin hätte null Budgetprobleme, wenn man wahrscheinlich nur 10 Prozent der Summe dieser Förderungen zielgerichtet an den richtigen Mann und an die richtige Frau, an die Österreicherin und an den Österreicher bringen würde.Das ist heute der Beginn, natürlich legistisch abgesichert, eine Transparenzdatenbank aufzubauen, zunächst mit Daten des Bundes aus dem Leistungsbereich. Der Leistungskatalog ist ja sehr umfas­send. Das ist aus Sicht des Bürgers durchaus positiv, denn er soll sich informieren können, was ihm sein Staat überhaupt anbietet, seine Bundesverwaltung, seine Landesverwaltung. Wenn die Länder technisch und organisatorisch in der Lage sein werden, hierin nachzufolgen, dann wird auch dies geschehen. Erst dann kommt der dritte, für mich ganz wichtige Schritt, dass man diese Daten personalisiert und volle Transparenz einführt, um zu erfahren, ob es Doppelförderungen, Dreifachförderungen gibt, und diese auch zu unterbinden.

Ich als Nebenerwerbslandwirt habe zum Beispiel überhaupt kein Problem damit, dass unter transparenzdatenbank.at meine EU-Förderung von 423 € im Jahr publiziert wird. Ich hoffe, dass das auch in Zukunft transparent genug ist. Ich habe überhaupt kein Problem mit meinen Nachbarn und den Mitbewohnern in meiner Ortschaft. Es ist für mich auch interessant, was der größte Bauer in meiner Heimatgemeinde bekommt und was ich als kleiner Nebenerwerbslandwirt bekomme. Ich habe vom Datenschutz her kein Problem damit, und ich denke, die Österreicherinnen und Österreicher werden auch keines haben.

Diese Transparenz ist für die Wirtschaft ganz entscheidend, um zu effizienteren För­der­methoden zu kommen und damit in Zukunft auch Wettbewerbsgleichheit zu erreichen. Frau Finanzministerin! Sie werden dafür sorgen, du wirst dafür sorgen. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

13.41


Präsident Georg Keuschnigg: Als nächster Redner gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.

 


13.41.53

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Da es heute schon ein bisschen Verwirrung um meinen Nachnamen gab, erkläre ich kurz: Mein Name ist Marco „S-Chreuder“, wenn man es wie in meiner Mutter­sprache ausspricht. Ich kann aber auch mit Schreuder gut leben. Das habe ich in meiner Erstrede im Gemeinderat gesagt, und seitdem gibt es immer nur Sprachverwirrung. Wenn ich sie zitieren darf – Sie haben ja Humor – aus einem berühmt gewordenen „Report“-Interview: Niemand nennt mich Schnauders! (Zwi­schen­ruf der Bundesrätin Dr. Winzig. – Heiterkeit.) Danke schön. – Es hat mir jemand empfohlen, das zu sagen. Ich gebe es zu. Es war nicht einmal meine Idee. (Heiterkeit.)

Jetzt aber zur Transparenzdatenbank, um uns wieder ernsten Themen zuzuwenden. Herr Kollege Perhab, eigentlich haben Sie mir alle Argumente weggenommen, warum diese Transparenzdatenbank keine gute Idee ist. Wenn Sie sagen, es gibt so viele Förderungen, niemand kennt sich mehr aus bei all diesen Tausenden Förderungen,


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 85

frage ich Sie: Warum machen wir dann nicht zuerst eine Verwaltungsreform? Warum fangen wir mit einer Transparenzdatenbank an?

Ich empfehle wirklich, und mir wäre das im Übrigen sogar lieber, als dass Sie meiner Rede zuhörten, dass Sie jetzt alle auf die Parlamentswebsite gehen und die Stellung­nahme der ARGE Daten lesen. Hier (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) stehen sämtliche und sehr gute Argumente drinnen, warum diese Transparenzdaten­bank keine gute Idee ist.

Wenn Sie sagen, niemand kennt sich mehr aus, dann muss man doch sagen – und wir sind für die Verwaltung dieser Republik zuständig –, was an der Verwaltung geändert werden muss. Wir haben so oft von der Verwaltungsreform und von der Föde­ralis­musreform gesprochen, aber was tun wir? – Wir machen eine sündteure Trans­parenzdatenbank, in der, wie der Herr Kollege vorhin richtigerweise gesagt hat, die Gemeinden nicht drinnen sind. (Bundesministerin Dr. Fekter: Noch nicht!)

Okay. Ich warte ab, ich bin neugierig, aber sie sind de facto jetzt nicht drinnen in dem, was wir heute beschließen. Das muss ich ja bei meinem Abstimmungsverhalten zur Kenntnis nehmen. Und die Kosten sind auch interessant. Ich fürchte, Frau Stadträtin Brauner hat recht. Es gibt nämlich schon so eine Datenbank – ich muss das jetzt selber kurz suchen (der Redner blättert in seinen schriftlichen Unterlagen) –, nämlich eine Tierdatenbank. In diese Tierdatenbank werden 5,5 Millionen Datensätze pro Jahr eingegeben vom Bund und den Ländern.

Diese Datenbank – das hat der Rechnungshof festgestellt – kostet 7,5 Millionen €, Frau Finanzministerin. 7,5 Millionen € zahlen wir für diese Tierdatenbank. Wenn ich das jetzt umrechne – 8 bis 8,5 Millionen BürgerInnen in Österreich, zwei bis fünf Datensätze pro Jahr, wenn das alle Länder und der Bund eingeben müssen –, komme ich – und da bin ich ohnehin noch vorsichtig, und die ARGE Daten hat mir das erfreulicherweise vorgerechnet – auf 20 Millionen € im Jahr, die diese Datenbank kostet. Das hätte man meiner Meinung nach sinnvollerweise einmal in eine Verwal­tungsreform investieren können.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Punkte. Ich empfehle diese Stellungnahme (der Redner hält neuerlich ein Schriftstück in die Höhe), weil auch die Mitglieder des Bun­desrates von der ARGE Daten direkt angesprochen werden: Bitte, passt auf! Da passiert ein Eingriff in Länderrechte, der eigentlich so nicht passieren dürfte. Ich bin neugierig, ob es irgendwann einmal eine Verfassungsklage gegen diese Transparenz­datenbank geben wird.

Wir wollen Transparenz und ich bin für Transparenz, ich bin für Open Data, ich bin bekannt dafür. Das eigentliche Ziel jetzt ist jedoch, arme Menschen, die nach kleinen Förderungen suchen, die sie bekommen können, und vielleicht auch zweimal darum ansuchen, aufzuspüren. Die Transparenzdatenbank wird also gegen BürgerInnen eingerichtet. Statt dass wir zuerst einen gläsernen Staat schaffen, wird in diesem Fall der gläserne Bürger geschaffen, und dagegen sprechen wir uns garantiert aus. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

13.46


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


13.46.36

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Kollege Schreuder, Transparenz ist gut, da sind wir uns ja einig. Die Zustimmung zu einer Vereinbarung gemäß Artikel 15a zwischen dem Bund und den Ländern, damit auch eine Datenbank erstellt werden kann, kann jedoch nicht erteilt werden? Wenn man eine gute Verwaltungsreform durchführen will, und den Willen


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 86

dazu hat man, dann ist eine Transparenzdatenbank, die Daten für eine solche Reform bereitstellt, sehr wichtig. Das ist der richtige Weg, den die Bundesregierung mit den Bundesländern und vielleicht später auch mit den Gemeinden geht, um Transparenz in alle Förderbereiche und in alle Zuschussbereiche zu bekommen.

Wenn du davon sprichst, dass zwei bis fünf Datensätze pro Bürger im Jahr eingegeben werden müssen, muss ich scharf nachdenken. Ich bin ein ganz gewöhnlicher Bürger, und für mich muss in der Transparenzdatenbank kein Datensatz angelegt werden, denn die Daten, die es von mir gibt, sind schon überall abrufbar und ich bekomme keine Förderungen.

Kollege Perhab, ich gebe dir schon recht, deine 423 € ist dir niemand neidig. Wahrscheinlich wirst du die 423 € im Sommer mit Freunden oder sonst irgendwie verbrauchen und nicht zweckgebunden ausgeben. Du wirst sie vielleicht in deinem Urlaub, den du erwähnt hast, ausgeben. Es geht aber auch um jene Förderungen, wo einige Nullen dranhängen. Wenn Datentransparenz gegeben ist und Transferdaten offengelegt werden, dann können auch jene Förderungen eingesehen werden, wo noch drei oder vier Nullen dranhängen. Sie sind ja noch nicht personalisiert.

Es ist keine verstümmelte Form, wie das Kollege Krusche kritisiert hat. Es ist ein ganz normaler Start des Transparenzgesetzes, den wir hier vorlegen. 2014 soll eine Evaluierung stattfinden. Dieser Evaluierung sehen wir mit Interesse entgegen. Wir werden uns anschauen, was bis zu diesem Zeitpunkt geschehen wird, welche Maß­nahmen noch zu treffen sein werden, wo es positive Effekte gibt, aber auch die negativen Effekte, und 2014 hier im Haus wieder darüber sprechen. In diesem Sinne werden wir auch zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.49


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Fekter. – Bitte.

 


13.50.02

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 74 Milliarden € oder 26 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts sind Transferleistungen; auf diesem Gebiet sind wir unter allen OECD-Ländern sozusagen Weltmeister. Einen Gesamtüberblick über all das, was es an Transferleistungen gibt, was jemandem zusteht, hat hier im Saal nie­mand; davon bin ich überzeugt. Sie könnten den Bürger nicht umfassend beraten, was ihm konkret zusteht. Wir haben 2 300 unterschiedliche Transferleistungen vom Bund, 3 100 unterschiedliche von den Ländern und ungefähr 47 000 von den Kommunen. Wer da sagt, es ist nicht notwendig, dass es einmal einen Überblick über dieses Leistungsangebot und Transparenz geben soll, der hat die Problematik nicht erkannt.

Herr S-Chreuder (demonstrativer Beifall des Bundesrates Schreuder), es ist richtig, dass dazu eine Verwaltungsreform notwendig ist. Allerdings ist diese Transparenz­datenbank eine Verwaltungsreform, ein reformatorischer Ansatz, einmal einen Überblick über das gesamte Leistungsangebot des Staates in all seinen Gebiets­körperschaften zu schaffen. Die 15a-Vereinbarung betrifft jetzt das Leistungsangebot, damit wir einmal einen Überblick bekommen, was denn wie gehandelt wird. Es ist nämlich bürgerunfreundlich, die Bürger dumm sterben zu lassen so nach dem Motto: „Meine Transfers habe ich in der linken Westentasche, und wer anderer braucht das nicht zu wissen“. Das ist unfair all jenen gegenüber, die nicht wissen, welchen Zugang man wählt, damit man überhaupt erfährt, was es alles gibt. Das entspricht einer politischen Mentalität des vorigen Jahrhunderts, in dem man vielleicht wie mit der Gießkanne und in Firmgöd-Manier querfeldein gegangen ist.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 87

Wir wollen, dass diese Transfers transparent sind – wer macht was? – und nach gewissen Standards abgewickelt werden. Da gehören Zielvereinbarungen dazu: Welches Ziel will man mit einer Förderung erreichen? Da gehört Evaluierung dazu: Erreiche ich dieses Ziel? Wenn man draufkommt, dass man das Ziel nicht erreicht, dann muss man die Förderung auslaufen lassen oder verändern, in eine andere Maßnahme umwandeln. Da muss man sich anschauen, wo wir Lücken haben und wo wir überfördern, denn wir überfördern in manchen Bereichen ganz gewaltig, in denen das Ziel längst aus den Augen verloren worden ist.

Daher kämpfe ich auch so Schritt für Schritt. Wir haben jetzt einen Zeitplan für den Bund festgelegt, alle seine Förderungen in die Datenbank einzustellen, und dann auch für die Länder, diese Datenbank zu befüllen. Ich gebe schon zu, dass es da Bun­desländer gibt, die ausgesprochen kooperativ sind, und Bundesländer, die mega­sperrig agieren mit Argumenten, die nicht gerechtfertigt sind. Das hat jetzt einmal nichts mit unserer traditionellen Farbenlehre zu tun. Ich nenne als positives Beispiel das Bundesland Salzburg, das ausgesprochen kooperativ ist, weil es im Bundesland bereits so eine Datenbank gibt, und zwar sowohl vom Leistungsangebot als auch von jenen, die dieses Leistungsangebot genützt haben. Das ist ein Beispiel, an dem sich die anderen orientieren sollten.

Heute wird bereits alles als Förderung im Internet abrufbar ausgewiesen, was der Agrarsektor an Förderungen bekommt. Alles, was der Agrarsektor bekommt, wird transparent ausgewiesen. Im Land Salzburg werden auch alle Landesförderungen in allen Bereichen transparent ausgewiesen – egal, ob Sport oder Soziales –, und dort wird auch ausgewiesen, wer was bekommen hat.

Es gibt also Bundesländer oder Sektoren, die das können, die das auch politisch aushalten. Das ist ja immer das Argument, dass dann, wenn man das so transparent macht, womöglich die Falschen kommen und sich das abholen, man das dann wo­möglich nicht mehr mit Parteipolitik verbinden kann. – Ich will das nicht mit Parteipolitik verbinden! Ich will Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger, denn das ist zeitgemäß. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Es soll auch im Hinblick auf die politische Arbeit der Gebietskörperschaften eine ein­heitliche Kategorisierung geben, denn vieles, was gleich ist, läuft in unterschiedlichen Sektoren. Ich nenne immer dieses berühmte Beispiel der E-Bikes. Die sind einmal bei der Family-Förderung dabei, einmal bei der Tourismusförderung, einmal bei der Ökologieförderung und einmal bei der E-Mobilitäts-Förderung. Inzwischen ist ein E-Bike aber ein Produkt, das schon längst die Marktreife erreicht hat – da brauchen wir keine Innovationsförderung mehr –, das schon längst die Marktdurchdringung erreicht hat – da brauchen wir keine Anstoßfinanzierung, damit dieses Produkt Abnehmer findet. Und wenn dann ein E-Versorger, also jene in unserem Land, die als Unternehmen nicht zu den armen Schluckern gehören, alle diese Förderungen lukriert und damit seinen Mitarbeitern zu Weihnachten E-Bikes schenkt, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Das ist schön und nett, die E-Wirtschaft soll ihre Mitarbeiter zu Weih­nachten belohnen – warum aber aus Steuermitteln?

Tritt man für ein bisschen mehr Überblick ein, welche Förderung von wem angeboten wird, wie sie genutzt wird, welche Zielvorgaben man mit welcher Förderung verfolgt, ob dieses Ziel erreicht wird oder ob wir da komplett am Ziel vorbei fördern, dann ist man für diese Transparenzdatenbank. Wenn man aber nach wie vor die Bürger im Unklaren lassen will, eigentlich politische Spielchen im Hintergrund damit verknüpft, wenn es um Förderungen geht, dann ist man dagegen.

Ich will Transparenz für den Bürger, ich will, dass der Bürger weiß, was mit dem Steuer­geld geschieht, und darum kämpfe ich so intensiv, auch wenn es zugegebener-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 88

maßen ein Bohren dicker Bretter ist, bis wir zum Endausbau dieses Transparenz­portals kommen werden. Leistungsangebot – das Erste, Leistungsinanspruchnahme – das Zweite und politische Schlüsse daraus – das Dritte – so wird der Weg sein, an dem ich die nächsten Jahre arbeiten werde. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.58

 


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.58.56

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich mache es ganz kurz. Ich bin ganz Ihrer Meinung, Frau Ministerin, dass transparent aufgelistet werden muss, welche Förde­rungen es gibt, unter welchen Umständen man sie bekommt. Was meiner Meinung nach nicht transparent aufgelistet werden muss, sind Förderungen insbesondere für Menschen, die ein geringeres Einkommen haben, sagen wir einmal so. Ich weiß nicht, wie weit Sie mit den Usancen in den Gemeinden und Bezirken vertraut sind. Ich weiß, dass die vorliegende Vereinbarung die Gemeinden nicht betrifft. Im Prinzip geht es mir jedoch genau um die Leute, die es brauchen. Wenn es dann zum Beispiel um einen Heizkostenzuschuss geht, stellen die sich dann oft nicht an, weil sie nicht als arme Leute dastehen wollen. Genau diese Leute werden auch durch so etwas abgeschreckt, und ich verstehe nicht, warum man diese Transparenzdatenbank, die Auflistung, wer welche Förderung bekommt, braucht, um festzustellen, welche Förderungen es gibt. Festzustellen, welche Förderungen es gibt, müsste doch um einiges einfacher sein. (Bundesrat Schreuder: Und billiger!)

Kollege Schreuder – ich verwende noch die einfachere Aussprachevariante – hat dazu gesagt, dass wir einen gläsernen Staat oder eine gläserne Verwaltung nicht ablehnen würden. Uns geht es aber darum, dass wir den gläsernen Menschen ablehnen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

13.59


Präsident Georg Keuschnigg: Nächster Redner: Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


14.00.18

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Liebe Frau Kollegin Kerschbaum, ich teile die Meinung, dass man eine Transparenzdatenbank nicht dazu nützen soll, soziale Unterschiede hervorzukehren, nur möchte ich als Agrarvertreter schon anführen, dass wir in der Landwirtschaft schon seit drei, vier Jahren eine Transparenzdatenbank haben, wo alle Förderungen angeführt und aufgelistet werden, aber die Menschen in der bäuerlichen Landwirtschaft nur zwei Drittel des Durchschnittseinkommens der Bevölkerung bezie­hen und hier genau dieser soziale Aspekt ins Treffen zu führen wäre.

Also entweder, Herr Kollege, Transparenz für alle oder Transparenz für keinen. Und da bin ich bei Frau Bundesminister Dr. Fekter: Transparenz für alle! (Beifall bei der ÖVP.)

14.01

14.01.20

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 89

14.01.408. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz 1989, das Immobilien-Invest­mentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Wertpapierauf­sichts­gesetz 2007 geändert werden (1806 d.B. und 1888 d.B. sowie 8764/BR d.B. und 8790/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Nun kommen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Ich bitte um den Bericht.

 


14.01.55

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz, das Börsegesetz 1989, das Immobilien-Investmentfonds­gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


14.02.57

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Nationalratsbeschluss beinhaltet die Änderung der Richtlinie betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie zur Harmonisierung der Transparenz­anforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind und dadurch umgesetzt werden.

Es werden Regelungen für die Vereinfachung und Verbesserung der Anwendung der Prospektrichtlinie und der Transparenzrichtlinie geschaffen und damit auch zum Abbau des Verwaltungsaufwandes beigetragen. Auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit in der EU wird dadurch erhöht.

Im Interesse der Markttransparenz werden weitere Instrumente in die Veröffent­lichungspflicht über das Erreichen, Überschreiten und Unterschreiten relevanter Beteiligungsschwellen an Unternehmen einbezogen, um ein sogenanntes unbemerktes Anschleichen an börsennotierte Unternehmen zu verhindern.

Außerdem sieht der vorliegende Beschluss des Nationalrates die sofortige Wirksamkeit des Depotbankwechsels bei Kapitalanlage und Immo-Fonds in Krisenszenarien vor.

Die FMA wird ermächtigt, eine Verordnung zu einer rein elektronischen Datenüber­mittlung an die Aufsicht zu schaffen.

Ich glaube, diese Veränderungen sind eine entsprechende Verbesserung, denen des­halb auch mit ruhigem Gewissen zugestimmt werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 90

Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass gerade in letzter Zeit kriminelle Vorkommnisse und auch große Misswirtschaft in Großbanken, ob in der englischen HSBC, der ÖVAG, der Hypo Alpe-Adria oder bei der BAWAG, vorgekommen sind. Offensichtlich werden unter dem Deckmantel des Bankgeheimnisses weitreichende Manipulationen und faule Geschäfte zum Schaden aller gemacht, und sie erwecken auch den Eindruck, dass ihnen aufgrund der Größe nichts passieren kann und die Öffentlichkeit sowieso einspringen muss.

Es kann und darf nicht sein, dass die regionale Wirtschaft und die solid wirtschaftenden regionalen Banken für die Fehler solcher Großbanken zahlen und büßen müssen. Das ist sicherlich ein gewisser Systemfehler, der aber nur auf EU-Ebene zu beheben ist.

In diesem Sinne, glaube ich, können wir dieser Veränderung und dieser Novelle trotzdem zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.05


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster ist Herr Bundesrat Beer zu Wort ge­mel­det. – Bitte.

 


14.06.00

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute einige Gesetze, die unsere Finanzmärkte ein wenig regulieren.

Im Besonderen möchte ich auf die Regulierung beim Aktienmarkt, auf das Börsegesetz eingehen. Die Materie, die wir hier behandeln, ist für die meisten Menschen doch ein wenig trocken und auch unverständlich, obwohl diese Regulierungen immense Auswirkungen auf unser Leben, auf unser Einkommen, auf unseren Staat haben.

Ein Punkt ist das sogenannte Anschleichen, das hier geregelt wird. Was ist dieses Anschleichen eigentlich? – Beim sogenannten Anschleichen werden Aktien unbemerkt in großem Ausmaß angekauft, um ein Unternehmen, das börsennotiert ist, über­nehmen zu können.

Mit diesem Gesetz wird festgelegt, dass ab einer Höhe von 4 Prozent des Erwerbs von Aktien dies auch gemeldet werden muss. Es ist auch noch eine freiwillige Grenze ab 3 Prozent darin enthalten, aber diese ist, wie gesagt, eben freiwillig.

Warum ist überhaupt so eine Regelung notwendig? – Da gehe ich jetzt ein bisschen vom Börsegesetz weg und betrachte auch noch andere Produkte, die es teilweise schon sehr, sehr lange gibt. Wenn wir die Vergangenheit betrachten, wurden die Märkte dereguliert und de facto freigegeben. Es konnten Produkte entwickelt werden, die niemand mehr versteht, die uns allen eigentlich geschadet haben.

Der Derivatehandel wurde schon im 2. Jahrtausend vor Christus eingeführt. (Heiter­keit.) Also es hatten die Menschen, die sich damit beschäftigen, 4 000 Jahre Zeit, das weiterzuentwickeln und sich immer mehr auszudenken, um Produkte zu verschleiern.

Wir kennen auch Leerverkäufe, bei denen man, vereinfacht gesagt, etwas verkauft, das man gar nicht besitzt. Trotzdem wird es verkauft und damit Gewinn gemacht. Die Leerverkäufe waren im Jahr 1929 nicht unwesentlich schuld daran, dass es zum großen Börsencrash kam. Im Jahr 1932 wurden, da es hier auch mehrere Produkte gibt, einige Produkte verboten und andere beschränkt. Im Jahr 2007 wurde in Amerika dieses Verbot wieder aufgehoben. Was nach 2007 passiert ist, haben wir alle noch sehr gut in Erinnerung.

Ich möchte auch noch die Swap-Geschäfte, wo es auch sehr viele Produkte gibt, vergleichen, weil bei mir der Eindruck entsteht, man könnte da auch gleich ins Casino gehen. Man kann mit diesen Produkten wetten auf Staaten, man kann so unter dem


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 91

Deckmantel der Versicherung sehr hohe Gewinne machen. (Bundesrat Steinkogler: Oder auch Verluste! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist nur erstaunlich, dass bei diesen Geschäften die ganz großen Banken in Amerika zwar Verluste gemacht haben und sie auch gestützt werden mussten, diese Verluste dadurch aber eigentlich wieder egalisiert wurden.

Warum mache ich aber diesen Ausflug in den Bereich der Börsen- und auch der außerbörslichen Geschäfte? – Erstens, weil die Aktien an den Börsen gehandelt werden, zweitens, weil die Volumina dieser Produkte in schwindelerregende Höhen gestiegen sind. So hat bei den Swaps das Volumen im Jahr 2001 eine Billion US-Dollar betragen, und im Jahr 2006 wuchs dieses Volumen auf 50 Billionen US-Dollar. 50 Bil­lionen US-Dollar!

Man sieht, dass in diesem Bereich auch eine Umverteilung stattfindet, und zwar eine Umverteilung von unten nach oben, denn die meisten Menschen, die im Erwerbs­prozess stehen, haben mit diesen Produkten nicht wirklich etwas am Hut.

Es gibt auch noch Termingeschäfte. Diese Termingeschäfte beziehen sich in Amerika größtenteils auch auf Lebensmittel. Für mich persönlich gehören Geschäfte mit Lebens­mitteln absolut verboten. Es kann nicht sein, dass man darauf wettet und dass man hier auch noch teilweise manipuliert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Aktien, so wie wir sie hier in Österreich kennen, sind eher als langfristige Investitionen anzusehen und haben eigentlich den Stellenwert der Absicherung. Für Menschen, die sich vielleicht auch an ihrem Lebensabend noch etwas gönnen wollen, haben sie daher eine wirkliche Bedeutung. Durch diese anderen Geschäfte, durch die man in sehr kurzer Zeit sehr viel Geld verdienen kann, kommen aber auch die Firmen und Aktien unter Druck, da sie nicht mehr so attraktiv sind. Dadurch gehen Firmen auch dazu über, Dividenden auszuschütten, die nicht wirklich verdient wurden, die aber an der Eigenkapitalquote knabbern. Gerade wenn die Eigenkapitalquote sinkt, ist es daher auch wichtig, eben ein Gesetz zu machen, um das Anschleichen zu verhindern, weil die Firmen dann nicht mehr so finanzkräftig sind, um sich selbst retten oder sichern zu können.

In letzter Zeit hat sich auch gezeigt, dass der Aktienkurs nicht wirklich den Wert des Unternehmens widerspiegelt. Wie kann es sonst passieren, dass innerhalb weniger Tage der Aktienkurs eines Unternehmens steigt und fällt? In Wirklichkeit geht es nur darum: Gibt es eine Verknappung der Aktien am Markt, sodass man sie nicht kaufen kann, dann werden sie etwas teurer, gibt es viele Aktien, dann werden sie etwas billi­ger. Und genau in dieser Situation des Billigerwerdens ist es dann halt großen Firmen möglich – es geistern da auch immer diese Hedgefonds herum –, diese Firmen aufzukaufen, sich anzuschleichen, und mit diesem Gesetz versuchen wir, dem ein wenig Einhalt zu gebieten.

Meiner Überzeugung nach ist der Finanzmarkt – und da sind die Banken nicht ausgenommen – zu wenig reguliert. Hier werden wir sicherlich noch weitere Schritte tätigen, aber es wird notwendig sein, dass es auf internationaler Ebene zu Einigungen und Regelungen kommt.

Ein wichtiges Gesetz also, aber sicher nur ein Anfang. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.15


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pisec. – Bitte.

 


14.15.11

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke auch gleich für die richtige Aussprache des Namens, wenn wir schon bei der Namenskorrektur


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 92

sind. Bei der SPÖ wird der Name richtig ausgesprochen, und ich bitte auch die ÖVP, dies zu tun – dies vor allem auch deshalb, weil mein Onkel Karl Pisec 14 Jahre lang hier herinnen gesessen ist, und ich hoffe nicht, dass er bei Ihnen von der ÖVP in Vergessenheit geraten ist. (Bundesrätin Zwazl: Nein, aber wir können Sie nicht mit ihm in Verbindung bringen!) Genau. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Es bleibt euch überlassen, wie ihr den Namen aussprecht; das spricht für euch oder gegen euch.

Nun zum eigentlichen Thema. Dieses Gesetz für mehr Transparenz, mehr Markt­durchsicht ist sicherlich etwas Positives, und deswegen sind wir auch für die Durch­führung dieses Gesetzes. Interessant ist allerdings die Position über die – wenn ich zitieren darf – „Einführung von Beschränkungen für ungedeckte Leerverkäufe in Aktien und öffentliche Schuldtitel sowie für ungedeckte Credit Default Swaps“ – also CDS – „auf öffentliche Schuldtitel“.

Leerverkäufe dienen dazu – wie hier schon ausführlich erklärt wurde –, zu spekulieren, und spekulieren ist ja nichts anderes, als eine Erwartungshaltung vorwegzunehmen, etwa wenn ich erwarte, dass der Kurs fällt, dass der Preis fällt, dass ich jetzt schon partizipieren kann an einem zukünftigen Verlust und dadurch Gewinne einstreife. Ich würde die Leerverkäufe nicht überbewerten, sie machen insgesamt nur 5 Prozent des gesamten Volumens aus, aber interessant ist, warum das hier genannt ist.

Offensichtlich denkt der Staat daran, und nicht zu Unrecht – denn letztlich geht es hier wieder einmal um Staatsanleihen –, dass die Anleihenkurse fallen werden. Denn irgend­wann werden die Zinsen steigen, irgendwann wird dieses Nullzinsenspiel der EZB und der – muss man ganz einfach sagen – manipulierten Zinsen, die nicht dem Markt entsprechen, vorbei sein, dann steigen die Zinsen, und wenn die Zinsen steigen, dann sinkt der Anleihenkurs. Ausnahmsweise muss man einmal mit den Banken jetzt schon Mitleid haben, denn wegen der Riesenportfolios, die die österreichischen Banken aufgrund der österreichischen Staatsanleihen in den Büchern haben, werden hier irgendwann einmal enorme Verluste schlagend werden, denn irgendwann steigen die Zinsen und irgendwann fällt der Anleihenkurs.

Aus diesem Grund ist es interessant, dass die Bundesregierung offensichtlich jetzt schon vorausdenkt und eine Beschränkung dieser Leerverkäufe beziehungsweise mehr Transparenz fordert. Denn wenn die Bundesregierung über die Finanzmarkt­aufsicht jetzt schon weiß, wie viele Menschen sich mit diesen Leerverkäufen im Vorhinein eingedeckt haben, wird der Partner diese Erwartungshaltung schon vorweg wissen, wann sich der Halter des Leerkaufs eindecken muss. Der Preis wird bekannt sein, und das ist sicherlich eine Einschränkung der Marktfreiheit und hilft eigentlich dem Staat mit seinen Staatsanleihen, dass er hier praktisch einem Verlust zuvorkommt beziehungsweise diesen einschränkt. Aber so leicht wird es nicht gehen. Irgendwann wird dann die Transparenz und irgendwann wird dann die Realität zum Zug kommen. Das geht ja dann ins reale Geschäft über, ohne Leerverkauf.

Das, was die Staatsanleihen zum besonderen Problem macht, ist, dass sie bevorzugt behandelt werden, offensichtlich im Wissen, dass irgendwann keiner mehr die Staats­anleihen kauft, weil irgendwann in Europa dieser Euro einfach nicht mehr funktionieren wird. Die Staatsanleihen sind deswegen bevorzugt gegenüber der gesamten Realwirtschaft an der Börse oder gegenüber dem Over-the-Counter-Handel, weil sie, im Unterschied zu Unternehmensanleihen, nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Und das ist eine extreme Ungerechtigkeit. Das widerspricht dem Gleichheits­grundsatz zwischen Realwirtschaft und Staatswirtschaft.

Das, was sicherlich sinnvoll wäre und was ich vielleicht anregen darf, ist, den Hoch­frequenzhandel einzuschränken, denn der ist relativ simpel, beruht nur auf technischer


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 93

Performance des Computers, und 60 Prozent des ganzen Handelsvolumens werden bereits im Hochfrequenzhandel ausgeführt. Das ist sicherlich nicht förderlich und beeinflusst die Kurse wesentlich mehr als Leerverkäufe, Swap oder andere Positionen, die du, Kollege Beer, hier genannt hast.

Zur Geschichte der Börse: Die gibt es schon sehr lange, aber 2 000 Jahre, glaube ich, noch nicht. Vielleicht weißt du ja mehr, aber die erste Börsenkrise war im 17 Jahr­hundert. Derivate tauchen noch später auf, die gibt es überhaupt erst seit Einführung der ganzen Futures Markets; seit 1985, 1990, also so lange ist das noch nicht her. Diese Futures Markets sind ausgeufert. Das hängt zusammen mit der Devisenfreigabe, ist ein EU-Produkt, mit der Niederlassungsfreiheit des Kapitals. Dadurch gibt es auch diesen Futures Market. Da ist es relativ leicht, gewisse Termingeschäfte zu tätigen, die ja gar nicht so sinnlos sind.

Wenn ich schon jetzt weiß, dass der Euro im Abwärtstrend ist, wenn ich schon jetzt weiß, hier hat sich eine Tendenz, ein Trend gebildet, werde ich den Euro nicht ewig behalten, sondern ich werde versuchen, den Euro jetzt, wo er noch etwas wert ist, zu verkaufen. Warte ich dann bis Dezember, bis der Euro irgendwann weiter herun­tergeht? Nein! Ich werde nicht warten, bis die Verluste realisiert sind, sondern ich werde versuchen, das jetzt klarzustellen und Gewinne oder zumindest ausgleichende Positionen mitzunehmen. Das ist Sinn und Zweck des Termingeschäfts.

Da hier kurz das Jahr 1929 in den USA erwähnt wurde: Der Grund, warum die Krise, die im Herbst 2008 begonnen hat, halbwegs glimpflich verlaufen ist, besteht darin, dass US-Notenbankpräsident Ben Bernanke seine Habilitation über die Great Depression – 1929 bis 1932 – geschrieben hat. Bernanke hat daher gewusst, dass damals das Geldvolumen nicht entsprochen hat, dass es deswegen damals eine Deflation von über 20 Prozent gegeben hat, dass es einfach einen Run zu den Banken gegeben hat, einen Run auf die Industrie, die einfach die Produkte nicht mehr anbieten konnte, weil kein Geld mehr da war. Deswegen gibt es ja jetzt diese Geldschwemme, die es damals nicht gegeben hat. Das ist der große Unterschied zwischen heute und damals.

Es gibt einen Grundsatz, ein Prinzip: Ein Derivat kann man nur dann kaufen, wenn man das Underlying kennt. Überspitzt gesagt: Wenn die europäischen Banken Produkte kaufen, die sie nicht kennen, ist nicht der Anbieter schuld, sondern eigentlich der Käufer, denn anbieten kann ich alles, ich muss aber nicht alles kaufen.

Wenn ich in Erinnerung rufen darf: Damals, im Frühjahr 2009, als Lehman Brothers definitiv in Konkurs gegangen ist und andere vor der Tür gestanden sind, war es die Fed, die US-Notenbank, die gesagt hat: Ihr Europäer könnt euch in New York finanzieren. Das ist der große Unterschied. Und bei dem gesamten Kapital, das Ben Bernanke zur Verfügung gestellt hat – vor zwei, drei Jahren ist es im Senat herausgekommen –, haben sich zu drei Viertel europäische Banken bedient.

Das heißt, diese ganzen toxischen Papiere haben lauter europäische Banken gehabt, die USA nicht mehr. Also ist jetzt der Anbieter oder ist der Käufer schuld? Und das ist auch ein Beispiel: Warum leiden die spanischen Banken so sehr darunter? Weil sich die spanischen Banken bis heute von diesen toxischen Papieren nicht bereinigt haben, bis heute haben sie das noch in ihren Büchern. Und da sehe ich überhaupt nicht ein, dass wir Österreicher und Österreicherinnen mit unseren Steuergeldern diese spanischen Banken unterstützten, die damals diese Papiere gekauft haben und sie bis heute nicht abgeschrieben haben, sie noch immer in ihren Büchern haben. (Bundesrat Mag. Klug: Das haben wir schon gehört!)

Die Staatsanleihen werden der Fokus der nächsten Jahre sein. Die Zinsen kann man manipulieren, die Inflation kann man falsch ausweisen, den Wechselkurs aber kann


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 94

man definitiv nicht manipulieren. Wie ich heute schon gesagt habe: Am Wechselkurs des Euro wird sich die Zukunft des Euro weisen. Gott sei Dank gibt es den Terminmarkt, damit man sich gegen diese Verluste absichern kann. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.23


Präsident Georg Keuschnigg: Zur Auffrischung unserer Erinnerung: Dkfm. Dr. Karl Pisec war von 1975 bis 1988 in der Fraktion der Österreichischen Volkspartei ver­dientes Mitglied des Bundesrates. (Beifall des Bundesrates Mayer.)

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat (der Präsident versucht, den Namen „Schreuder“ niederländisch auszusprechen) Schreuder. – Bitte.

 


14.24.01

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Es war falsch, aber das macht nichts, ich bin alles gewohnt. (Heiterkeit des Redners.) Wie gesagt, ich kann auch mit (der Redner spricht seinen Namen deutsch aus) „Schreuder“ leben.

Ich mache es kurz. Nach zwei ganz interessanten Proseminaren – nein wirklich, es waren hochinteressante Reden (Heiterkeit) –, mache ich es ganz schnell. (Bundesrat Mag. Klug: Das wäre super!) Wir haben ja noch eine lange Tagesordnung. Ich bin ja für Transparenz, außerdem habe ich Hunger. (Neuerliche Heiterkeit des Redners.)

Wir sind für die Änderungen, denn es werden EU-Richtlinien in Sachen Transparenz, in Sachen Konsumentenschutz im Börse- und Wertpapierwesen umgesetzt. Das finden wir gut.

Dass Investoren nunmehr Beteiligungen ab einer Schwelle von 4 Prozent melden müssen, finden wir sehr gut. Wir können uns sogar vorstellen, dass es noch weniger Prozent sind. Also wenn man sich etwa Spanien, die Schweiz oder andere Länder anschaut, dann liegt das manchmal durchaus bei 2 oder 3 Prozent.

Dass die derivativen Finanzkonstruktionen mit hineingezogen werden müssen, halte ich für außerordentlich wichtig. Kurzum: Wir sind dafür.

Nächster Tagesordnungspunkt, bitte! – Vielen Dank. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.25

14.25.10

 


Präsident Georg Keuschnigg: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.25.589. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien über soziale Sicherheit (1682 d.B. und 1851 d.B. sowie 8769/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 95

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die teilweise Suspendierung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien über soziale Sicher­heit im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo (1737 d.B. und 1850 d.B. sowie 8770/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen nunmehr zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 9 und 10 ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. Ich bitte um die Berichte.

 


14.26.35

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien über soziale Sicherheit.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Erklä­rung der Republik Österreich über die teilweise Suspendierung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien über soziale Sicherheit im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


14.27.54

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kosovo ist eines der jüngsten Länder in Europa, mit einer sehr traurigen Geschichte. Vor den Augen der Weltge­meinschaft hat sich ein Krieg ereignet, in dem Menschen in Konzentrations­lagern umgekommen sind.

Im Zuge dieser Kriegswirren haben sich sehr viele Menschen aus diesen Ländern als Asylwerber, als Flüchtlinge in Österreich niedergelassen – Menschen, die mittlerweile ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, die hier arbeiten, hier ihre Beiträge zahlen und, indem sie Transferleistungen durchführen, einen ganz wichtigen und wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen im Kosovo überhaupt eine Existenzgrundlage haben.

Wie Sie alle wissen, ist Kosovo das Land mit der höchsten Arbeitslosigkeit in Europa, wo es einen extremen Braindrain gibt. Und gerade in diesem Kontext ein Abkommen, das die soziale Absicherung betrifft, aufzukündigen, halten wir Grüne wirklich für grob fahrlässig.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 96

Kosovo hat innerhalb kürzester Zeit sehr viele Bemühungen unternommen, hier Institu­tionen zu schaffen, ist mit vielen, vielen Ländern in Kontakt getreten, die sie anerkannt haben, wo auch Vertretungsbehörden, Botschaften installiert worden sind. Und aufgrund von Bedenken, dass Kosovo die hohen Auflagen nicht erfüllen könnte, dieses Sozialabkommen aufzukündigen, halte ich für einen wirklich sehr überzogenen Schritt.

Wir können froh sein, wenn wir so viele Sozialabkommen wie möglich haben, mit unterschiedlichsten Ländern (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), und die Aufkün­digung des Abkommens mit dem Kosovo halten wir für einen völlig falschen Schritt – insbesondere in dem Wissen, dass aus diesem Land sehr viele Menschen hier tätig sind, dass auch sonst die internationalen Beziehungen immer mehr an Bedeutung gewinnen werden, da der Kosovo viel an Investition braucht.

Österreich hat sehr viel an Know-how, und wir haben hier viele MigrantInnen aus dem Kosovo, die da die Brückenfunktion einnehmen könnten. Dieses Sozialabkommen aufzukündigen halte ich für den falschen Schritt! Deshalb werden wir Grüne dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

14.30


Präsident Georg Keuschnigg: Ich begrüße hier im österreichischen Bundesrat sehr herzlich den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


14.31.14

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien, zuerst bezüglich Arbeitslosen­versicherung, Pensions-, Unfall- und Krankenversicherung, ist nach der politischen Veränderung dort, im ehemaligen Jugoslawien, weiter angewendet worden.

Solche Abkommen haben wir mit einer Reihe von Ländern. Dieses trifft speziell viele in Österreich lebende und arbeitende Serben. Es erfolgt also grundsätzlich eine Anpas­sung an die neuen politischen Verhältnisse.

Anders ist die Situation zwischen Österreich und dem Kosovo. Man muss einmal grundsätzlich feststellen, dass seit der Anerkennung des Kosovo im Jahre 2008 das Abkommen von uns weiter angewendet wurde, wie es vorher war – das sind also jetzt immerhin schon vier Jahre. Aber das kann natürlich auf Dauer keine Einbahnstraße sein. Österreich erfüllt die Pflichten, der Kosovo kann das aber bedauerlicherweise aus innerstaatlichen Schwierigkeiten nicht erfüllen. Das ist natürlich bedauerlich, aber diese Gegenseitigkeit muss irgendwann eintreten.

Es kann nicht sein, dass es keine vergleichbare Kranken- und Arbeitslosen­versiche­rung gibt, dass es eine minimale Volkspension gibt, die wiederum an Österreich nicht ausbezahlt wird. Wir haben ohnehin lange Geduld gehabt und zugesehen, aber irgendwann müssen wir auf Rechtssicherheit drängen.

Wir hoffen, dass der Kosovo ein System aufbaut, wo es möglich ist, diese Verpflich­tungen zu erfüllen beziehungsweise ihnen nachzukommen. Dann wird garantiert, mit Sicherheit, auf schnellstem Wege ein entsprechendes Abkommen folgen.

Die Sorge, dass es außenpolitische Probleme mit dem Kosovo geben könnte, ist unbegründet, denn wir wissen, der Kosovo hat selbst festgestellt und mitgeteilt, dass die von ihm erbrachten Leistungen nicht stimmen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 97

Der Kosovo ist jetzt also mit Sicherheit, wie schon seit Jahren, weiter bemüht, die geforderten Leistungen zu erbringen. Dann steht einem Abkommen in kürzester Zeit mit Sicherheit nichts mehr im Wege. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.33

14.33.20

 


Präsident Georg Keuschnigg: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien über soziale Sicherheit.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die teilweise Suspendierung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugosla­wien über soziale Sicherheit im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

14.35.1811. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird (1652 d.B. und 1852 d.B. sowie 8771/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. Ich bitte um den Bericht.

 


14.35.41

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwi­schen dem Bund und den Ländern, mit der die Vereinbarung über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Betreuung geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 98

14.36.31

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrter Herr Minister! Wenn wir dieses Thema heute aufbereiten, so sei vorweg gesagt, dass in diesem Bereich nicht alles schlecht ist, aber auch nicht alles besonders gut, und dass vor allem in Hinblick auf die Absicherung der einzelnen Betreuungs- und Pflegemodelle viel mehr zu tun ist.

Ein Indikator dafür, dass Pflege durchaus nicht schlecht ist, ist natürlich die Tatsache, dass wir älter werden. Dies ist jedoch nicht ausschließlich der ärztlichen Kunst und unserer Genetik zu verdanken, sondern wir werden vor allem deshalb älter, weil die Betreuung durchaus gut ist. Dennoch gibt es für mich ein paar Punkte, wo man, glaube ich, Überlegungen anzustellen hat, um die Betreuung und Pflege auch in Hinkunft sicherzustellen.

Erster Punkt muss wohl ein möglichst langer Verbleib in der häuslichen Umgebung sein. Dazu ist, glaube ich, die 24-Stunden-Betreuung – Betreuung und nicht Pflege, ich glaube, auch diesen Unterschied muss man definieren – ein geeigneter Weg, die Men­schen zu Hause zu belassen. Aber wir werden mit der 24-Stunden-Pflege die Absicherung auf Dauer nicht erreichen können. Das wird nämlich einerseits von der Leistbarkeit her schwierig sein. Ich sehe da durchaus ein Missverhältnis im Bereich der sozialen Staffelung im Hinblick auf die Leistung.

Andererseits schauen die zertifizierten Betreiber mit Argusaugen auf die 24-Stunden-Betreuung, weil bezüglich Nachvollziehbarkeit, Schulungen und so weiter Ungleich­gewicht herrscht.

Wir werden vor allem darauf schauen müssen, dass wir in diesem Bereich noch einen guten Mix zustande bringen – nämlich zwischen mobiler Betreuung, häuslicher Betreu­ung, stationärer und teilstationärer Betreuung – und eben verstärktes Augenmerk in diese Richtung legen.

Das Weitere betrifft nicht ausschließlich die 24-Stunden-Betreuung: die soziale Staffelung oder die Leistbarkeit. Wenn ich jetzt auf Kärnten schaue, wo man den Pflegeregress eingeführt hat – auch die Steiermark hat diesen –, so muss ich sagen, dieser Pflegeregress ist zumutbar; denn wenn man Menschen in der häuslichen Betreu­ung hat, hat man auf vieles zu verzichten, der finanzielle Radius und der Aktionsradius sind eingeschränkt, aber auch der mobile Aktionsradius für die pflegen­den Angehörigen ist massiv eingeschränkt.

 Der dritte Punkt: Die größte „Pflegeeinrichtung“ Österreichs überhaupt sind die Familien, die den bei Weitem größten Teil dieser Arbeit leisten. Und darauf, glaube ich, müsste der massivste Schwerpunkt überhaupt liegen, dass man diese pflegenden Angehörigen besserstellt in steuerrechtlicher Hinsicht und auch, was die AMS-Betreuung anlangt, das heißt, dass man beim Wiedereinstieg in den Beruf mehr Mittel in die Hand nimmt.

Und wo aus meiner Sicht auch noch zu wenig geschieht, das ist bei der Schulung. Pflegende Angehörige haben „Learning by doing“ erlebt, egal in welcher Zeit, und das wird in Schulungen überhaupt nicht anerkennt. Ich denke, das wäre auch ein Schritt, um vor allem Frauen wieder in ein Arbeitsverhältnis zu bringen, die sich vorher zuguns­ten der Familie dafür entschieden haben, zu Hause auf die Angehörigen zu schauen.

Ich glaube, damit könnte man dem Anspruch familiengerechter sozialer Leistungen gerecht werden. Es besteht sicherlich noch viel Betreuungsbedarf, und auch deshalb, weil man das Ganze nicht nur mit Blick auf die 24-Stunden-Betreuung sehen soll, werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 99

Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


14.41.25

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In sozialen Fragen unter­scheiden wir uns eben in so manchen Dingen von der FPÖ. Das ist halt so, wir nehmen das zur Kenntnis. Sie haben ja vielen anderen Dingen auch nicht zugestimmt. (Ruf bei der FPÖ:  halt was Neues!)

Trotz alledem wird hier etwas beschlossen, was ganz wichtig ist, und zwar: Die Förderung der 24-Stunden-Pflege durch die öffentliche Hand bleibt gesichert. Und erfreulicherweise haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die im Jahr 2007 geschlossene Artikel-15a-Vereinbarung über die gemeinsame Förderung der 24-Stunden-Pflege um ein Jahr bis 2014 zu verlängern und somit an den Geltungs­zeitraum der laufenden Finanzausgleichsperiode anzupassen.

Es ist dies – und es ist mir schon sehr wichtig, das zu erwähnen – den Bemühungen unseres Sozialministers Rudi Hundstorfer zu verdanken, unter dessen Ägide zahl­reiche Verbesserungen bei der Pflege durchgesetzt wurden. Ich erinnere an die Übernahme der Landespflegegelder durch den Bund, die Reduzierung der Anzahl der Entscheidungsträger auf acht, und es wurde, was besonders wichtig ist, ein Pflege­fonds geschaffen. Die Begutachtungsfrist für die Menschen, die Pflege benö­tigen, ist um ein Vielfaches verkürzt worden. All das sind wirklich Errungenschaften, und daher danke, Herr Bundesminister, denn das waren ganz wichtige Dinge.

Der Bund übernimmt 60 Prozent der gewährten Zuschüsse für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung pflegebedürftiger Personen in den eigenen vier Wänden, die Länder 40 Prozent. Viele Menschen sind sehr dankbar dafür, dass es eine 24-Stunden-Pflege gibt. Die durchgeführten Kontrollen haben ergeben, dass in 99 Prozent der Fälle eine qualitätsvolle Betreuung gesichert ist und dass das System der 24-Stunden-Betreuung insgesamt gut funktioniert.

Derzeit gibt es 35 530 Pflegepersonen mit aktiver Gewerbeberechtigung in diesem Bereich, wovon 97 Prozent als Selbständige tätig sind. Auch hier hat Bundesminister Hundstorfer eine große Qualifizierungsoffensive für Menschen, die sich auf diesem Gebiet ausbilden lassen, gestartet.

Um die Standards zu erhalten, werden Qualitätskontrollen durch die Mitarbeiter vorgenommen. Das Kompetenzzentrum Pflege ist bei der Sozialversicherung der Bauern eingerichtet. Im letzten Jahr sind 20 000 Haushalte kontrolliert worden, und nur in 1 Prozent der Fälle sind Missstände festgestellt worden.

Bundesweit greifen durchschnittlich 3,2 Prozent der Pflegegeldbezieher auf die 24-Stunden-Pflege zurück, wobei auf das Burgenland der größte Anteil entfällt, nämlich 6,4 Prozent, in Wien ist der Anteil mit 1,4 Prozent am niedrigsten.

Meine Damen und Herren! Aufgrund der Erfahrungswerte konnte festgestellt werden, dass bei den Pflegestufen 1 bis 3 lediglich 13 Prozent des Pflegegeldes für den Zukauf von Fremdleistungen aufgewendet werden, in der Pflegestufe 7 beträgt dieser Anteil aber 70 Prozent.

Der Pflegefonds, der bis 2016 über 1 Milliarde € an Sozialhilfen für die Länder und Gemeinden bereitstellt, fängt hier auch die Kostensteigerung auf. Wir sind im Pflegebereich auf dem richtigen Weg. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.45


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hammerl. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 100

14.45.53

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke meinen Vorrednern auch für das Positive, aber trotzdem möchte ich (Bundesrat Todt: Gerne! Wir haben ja gemein­sam viel auf den Weg gebracht!) – jawohl, viel auf den Weg gebracht – doch auch ein paar kleine kritische Punkte anbringen.

Meine Damen und Herren! Unser Präsident, Herr Georg Keuschnigg, hat gestern hier im Haus zu einem Hearing eingeladen zum Thema „Land ohne Ärzte? – Zukunft der ärztlichen Versorgung in den Regionen“. Ich möchte nur einige hochrangige Teil­nehmer nennen: Mag. Georg Ziniel, Geschäftsführer von Gesundheit Österreich; Dr. Kandlhofer kennen wir alle; Dr. Arthur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer; Prof. Norbert Mutz, Vizedirektor der Medizinischen Universität Innsbruck; und Dr. Erwin Rebhandl, Universitätslektor, langjähriger Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin.

Herausgekommen sind zwei Punkte: In Österreich sind wir – keine Frage – bezüglich der ärztlichen Versorgung gut bestückt. Was Hausärzte anlangt, hat es einige kleinere Probleme gegeben, größere Probleme aber, glaube ich, gibt es dort nicht. Wo wir aber ein Problem haben in Österreich: Bei der Zahl des Krankenpflegepersonals liegen wir in Europa im unteren Bereich. Das heißt, wir haben zu wenig Personal.

Herr Minister, das ist nicht Ihre Schuld. Es ist, glaube ich, die Schuld von uns allen, dass wir die Situation der älteren Generation und wie sehr die Zahlen in diesem Be­reich steigen in den letzten Jahren wahrscheinlich viel zu wenig berücksichtigt haben.

Ich denke etwa nur an die Steiermark. Wir haben in der Steiermark 1,2 Millionen Einwohner, davon 346 000 über 60-Jährige. Wir haben 197 Pflegeheime – und alle sind voll, obwohl wir den Regress eingeführt haben und so weiter. Auch in der Steier­mark haben wir zu wenig Pflegepersonal. Es kostet natürlich nicht wenig, wenn wir mehr ausbilden, aber wir müssten wahrscheinlich pro Jahr mindestens 200 bis 300 Diplomkrankenschwestern mehr ausbilden. Und so geht es wahrscheinlich auch den anderen Bundesländern.

Einige kritische Bemerkungen, meine Damen und Herren. Bis heute gibt es öster­reichweit keine einheitliche Regelung der 24-Stunden-Betreuung. Zum Beispiel gibt es in Niederösterreich bereits ab der Pflegestufe 1 die Betreuung. Bei Demenz kann man diese Betreuung bereits ab der Pflegestufe 1 haben. Und das geht so weiter. Wir brauchen in all diesen Bereichen in der Pflege in allen Bundesländern einheitliche Regelungen.

Die Bundesförderung und keine einheitliche Regelung, Herr Minister: Wie kann das in Zukunft finanziert werden, wenn jedes Bundesland macht, was es will?

Keine Verpflichtung zur Zuzahlung bei 24-Stunden-Betreuung durch Angehörige: Das müssen wir diskutieren, auch was die Erhöhung der Förderung angeht. Wir wissen, wir haben zu wenig Personal. Wir haben in der Steiermark den Regress eingeführt, und es hat, glaube ich, halbwegs funktioniert, aber dadurch sind mehr Familien auf die 24-Stunden-Betreuung übergegangen. Und es ist, glaube ich, wichtig, dass wir auch darüber diskutieren, dass unter Umständen auch die Familie bereits dort dazuzahlt.

Wir haben ja heute auch von Kollegen aus Kärnten gehört, dass es auch in den anderen Bundesländern ähnlich ist. Warum wird nicht auch dort der Regress ein­geführt?

Es gibt in Österreich auch keine einheitlichen Gutachten bei den Ärzten. Bundes­länderweit sind diese Gutachten verschieden. Klassische Betreuungsfälle werden immer weniger werden, aber die Zahl der Pflegeleistungen nimmt zu. Diese Pflegeleis-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 101

tungen können aber aufgrund der Gesetzeslage und der geringen Ausbildung, der Heimhilfen-ähnlichen Ausbildung in der Slowakei, nämlich rund 200 Stunden, fast nicht mehr erbracht werden.

Eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause in der Familie läuft meistens so, dass die Mutter, der Vater allein ist oder vielleicht auch mit im Haus, aber wir haben hier bereits Stufe vier, fünf und sechs. Das sind Frauen und Männer aus der Tschechoslowakei, aus Ungarn – ganz egal, denn das ist alles positiv –, die eine Ausbildung haben von zirka 200 Stunden, und unsere Heimhilfen in Österreich müssen eine Ausbildung von 600 Stunden Theorie und 600 Stunden Praxis haben. Wenn sie jemanden betreuen, aber keine entsprechende Ausbildung haben in dem Bereich, sind sie zu einem großen Teil überfordert.

Jetzt kommt trotzdem noch die Hauskrankenpflege, vielleicht einmal in der Woche, dazu, und es geht darum, für die Zukunft auch festzulegen, welche Verantwortung die Hauskrankenpflege hat, die Diplomkrankenschwester, im Hinblick auf das Risiko – zum Beispiel Dekubitus, Aspiration oder Inkontinenz – beim Patienten. Wie weit geht die Verantwortung, die jetzt auf einmal die Hauskrankenpflege hat? Es kam bei uns auch schon drei-, viermal in den letzten Monaten vor, dass das Gericht sagt: Inwieweit haben Sie vonseiten der Hauskrankenpflege das überprüft?

Ich möchte das nicht negativ beurteilen, aber wir müssen in Zukunft auch darauf unser Augenmerk legen und das Ganze auch weiter diskutieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt – meine Damen und Herren, das ist gestern auch in der Diskussion hervorgekommen, und das ist auch meine Meinung –: Hausärzte gehören wesentlich mehr in die Verantwortung genommen. Da gibt es ein Ärztegesetz, § 50a und b, und da müssen wir ein bisschen nachsetzen, meine Damen und Herren, denn in vielen Fällen sieht der Hausarzt gewisse Vorgänge auch im Bereich der Pflege, und es ist wichtig, dass der Hausarzt, wenn ihm hier etwas nicht richtig erscheint im Haus oder bei dem Pflegling, diese Geschichte sofort meldet. Auch wenn man denkt, es passt schon in der Familie, muss dann die Hauskrankenpflege hier eingreifen und schauen, wie man das wieder in Ordnung bringen kann.

Die Personenbetreuer haben alle Anspruch auf ASVG-Leistungen. Meine Frage, Herr Minister, betreffend Familien-, Kinderbeihilfe: Soll das weiter so beibehalten werden, und wenn ja, sollen die Personenbetreuer für ihre Fahrtkosten selber aufkommen? Immerhin sind sie selbständig tätig, und jetzt werden die Fahrtkosten vom Kunden getragen. Und: Wie sieht die Ausbildung der Personenbetreuer in Zukunft aus?

Ich glaube, dass es möglich sein wird, wenn wir vielleicht ein bisschen dazuzahlen, jene Frauen und Männer, die jetzt aus Tschechien, aus der Slowakei, aus Ungarn, ganz gleich woher, kommen, diesen Personenkreis auch in der Ausbildung zu unter­stützen, auch finanziell zu unterstützen, denn wir brauchen diese Damen und Herren. Welche Art von Personal, meine Damen und Herren, kann in Zukunft überhaupt noch rekrutiert werden, damit ältere Menschen, welche unbedingt zu Hause gepflegt und betreut werden wollen, noch adäquat versorgt werden können?

Wichtig ist, dass wir im Bereich Weiterbildung etwas tun. Wir haben in der Steiermark vor etwa zwei Jahren vom AMS zirka 80 Frauen und Männer, die arbeitslos waren, als Pflegehelfer ausbilden lassen. Ich bin der Vorsitzende des Hilfswerks, bei mir gibt es zirka 1 400 Mitarbeiter. Von den 80 haben dann, als sie fertig waren, nicht einmal 40 diesen Beruf begonnen. Da hieß es etwa: Mir ist gesagt worden, ich soll das machen – ich habe es gemacht.

Ich glaube, Herr Minister, Sie sind auf dem richtigen Weg. Ich habe gehört, dass Sie jetzt auch dafür sind, dass sich nicht nur ein Arbeitsloser umschulen lassen kann.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 102

Angenommen, ich bin heute Gärtner, ich bin Verkäufer, und mir gefällt dieser Beruf, der Pflegeberuf, die Pflegeausbildung oder auch die Krankenpflegeausbildung, und ich kann mich dann umschulen lassen, so ist mir das viel lieber, als wenn das ein Arbeitsloser ist, der das nicht wirklich will, den man ausbildet, aber der das dann nicht macht. Ich glaube, das wäre zukünftig für uns sehr, sehr wichtig.

Wichtig wäre auch, meine Damen und Herren, eine bundesweite Vereinheitlichung von Rechtsgrundlagen, Richtlinien für Personaleinsatz und Qualität, Verträge mit Kunden und Trägerorganisationen, die Regelung von Finanzierungsfragen und die Berechnung von Tagsätzen, wenn es um die mobile Pflege geht.

Und vor allem ist der Erhalt der Wertanpassung des Pflegegeldes wichtig. Die Pflege muss aus der Sozialhilfe heraus! Wenn Sie die heutige „Kleine Zeitung“ lesen – ich glaube, es war die „Kleine Zeitung“ –: Da heißt es, bezüglich der Parteienförderung wurde alles einstimmig beschlossen, da hat alles gepasst – aber das Pflegegeld wurde nicht erhöht. Das war auch eine Aussage unseres Herrn Bundespräsidenten.

Ich glaube, auch da muss man in Zukunft daran denken, dass alles mehr kostet, und vielleicht sagt man beim nächsten Budget: Jawohl, das Pflegegeld müssen wir erhöhen!

Ich war vor 14 Tagen noch Vorsitzender hier im Bundesrat, und es sind sehr viele Bot­schafter gekommen, es gab Vorsprachen und so weiter, wie das halt so ist, und als ich gesagt habe, dass wir in Österreich sieben Stufen Pflegegeld haben, haben das die Vertreter vieler Länder nicht geglaubt. Wir sind, was das Pflegegeld anbelangt, meine Damen und Herren, gut aufgestellt, aber die Preise sind gestiegen, und in der Familie kostet das alles mehr Geld.

Ich bitte darum, Herr Minister, auch wenn wir dieser Gesetzesvorlage heute gerne zustim­men, dass die Verhandlungen zu einer echten Strukturreform sofort beginnen. Bis Ende 2012 sollte diese Reform auf dem Tisch liegen. Das sind wir den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen schuldig, und vor allem gleiche Regelungen in allen Bundesländern. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.56


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


14.56.37

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Pflege beschäftigt mich schon viele Jahre, und gerade die 24-Stunden-Pflege. Ich kann mich sehr gut erinnern, im Jahr 2001, als das Ganze begon­nen hat mit – Kollege Hammerl hat es auch schon erwähnt – ausländischen Pflege­kräften, vorrangig aus dem damals noch tschechoslowakischen Bereich, mit den böhmischen Volkshilfen, war natürlich die große Frage: Wie schaut es mit der arbeits­rechtlichen Situation in diesen Bereichen aus? Wie schaut das mit der Lohnsituation aus, wie geht man damit eigentlich um? Gerade auch aus gewerkschaftspolitischer Sicht war das sehr wohl ein Thema, und ist es auch nach wie vor, weil ich glaube, die 24-Stunden-Pflege ist im Spannungsfeld des Arbeits- und Sozialrechtes betrachtet eine komplizierte Geschichte.

Nichtsdestotrotz: Wir brauchen sie. Warum wir sie brauchen, ist ganz einfach erklärt: Alle reden davon, und auch über die Parteigrenzen hinweg, glaube ich, sind wir einer Meinung, dass wir es den Menschen ermöglichen sollen, solange es geht, zu Hause zu bleiben, im Familienverband, wo es möglich ist, und dass wir versuchen, die Pflege und die Betreuung dort aufrechtzuerhalten. Und es ist immer ein Spannungsfeld auch zwischen Pflege und Betreuung, das uns begleitet. Ich weiß das, denn meine Frau ar-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 103

beitet als Pflegehelferin in der Hauskrankenpflege. Es ist ein Spannungsfeld, und es ist immer schwer abzugrenzen: Was ist dann letztendlich Pflege? Was ist Betreuung?

Rechtlich schaut die Sache einfach aus. Die Frage ist dann, wenn man vor Ort hin­kommt und die Situation erkennt: Was darf man noch machen und was darf man nicht machen? Und gerade wenn es um die 24-Stunden-Betreuung geht, ist dieses Span­nungsfeld noch viel intensiver. Der Kollege Hammerl hat das ja schon angesprochen. Wie geht man mit der Situation um, wenn dann zur 24-Stunden-Betreuung eine Haus­krankenpflege hinkommt und erkennt, dass dort eigentlich ein Mehrbedarf an Betreu­ung da ist, nicht nur an Betreuung, sondern wirklich an Pflege? Wer ist dann letzt­endlich zuständig, und wenn was passiert, wer kommt in die Haftung?

Das ist ein Spannungsfeld. Darüber brauchen wir gar nicht diskutieren, da sind wir einer Meinung.

Klarerweise sind wir auch einer Meinung, wenn es darum geht, wie es mit dem finan­ziellen Rahmen ausschaut. Und als Steirer weiß ich es ja sehr gut. Wir haben ja vori­ges Jahr massivste Demonstrationen gehabt, wo es um Einschnitte im Pflegebereich gegangen ist. Wenn man über Jahre zweistellige Zuwachsraten bei den Finanzmitteln im Pflegebereich hat, weiß man aber auch – wir haben das heute schon auf der Tagesordnung gehabt, und ich habe dazu reden dürfen; Thema Stabilitätspakt –, dass wir finanziell am Limit sind in manchen Bereichen. Und natürlich sagen nachher Vereine und Verbände: Wir müssen mehr, mehr, mehr, mehr ! Die Frage ist: Wie viel können wir uns letztendlich leisten?

Ich glaube schon  und es freut mich sehr, wenn du, sehr geehrter Herr Minister, diese Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern unterfertigst , dass wir uns dazu bekennen, dass wir die Förderung in diesem Bereich fortführen und die Menschen, die die Hilfe brauchen, unterstützen wollen. Ich glaube, nirgends ist das intensiver als im Familien­verband, wenn man plötzlich mit einem Pflegefall konfrontiert ist. Wir haben das zu Hause lang genug gehabt, ich weiß also, wovon ich spreche. Da ist man dankbar für jede Unterstützung, die man bekommen kann.

Manches Mal ist es eben aufgrund der familiären Situation notwendig, dass man 24 Stunden eine Betreuungskraft zur Verfügung hat. Das wird dadurch ermöglicht, und dafür sage ich Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.00


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


15.00.50

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Thema Pflege sind ja viele befasst und davon betroffen, in erster Linie einmal die Betroffenen selbst – dass wir auf die nicht vergessen, die Gruppe, die unsere Hilfe braucht. Das sind keine Bittsteller, keine Almosen-Empfänger, sondern wir und viele andere haben dafür zu sorgen, dass diese Menschen die Hilfe bekommen, die ihnen zusteht. Politik und Gesellschaft, der Bund, die Länder, die Gemeinden und viele Organisationen sind seit Jahren und auch noch viel mehr in der Zukunft mit dem Thema Pflege befasst.

Der Bundesvorstand des Seniorenbundes hat sich auch eingehend schon seit längerer Zeit mit diesem Thema befasst und eine Resolution beschlossen, deren Eckpunkte ich nur ganz kurz skizzieren darf.

Wir haben einen Reformzeitplan, und die Verlängerung der Finanzmittel für den Pflege­fonds bis 2016 darf auf alle Fälle kein Grund sein, von diesem Reformplan abzu­weichen. Wichtig ist mir auch, dass auch künftig Geldleistungen vor Sachleistungen stehen. Es darf nicht so sein wie in einer Sitzung angedacht, die vor kurzer Zeit war,


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 104

nämlich der Landessozialreferenten, deren Ergebnisse das Ganze eigentlich umdrehen wollen. Ich verweise auch in dieser Sache auf den Bundesseniorenplan, wo es heißt: „Stützung der FAMILIÄREN Betreuung und Pflege älterer Frauen und Männer.“

Ich kann nur für Salzburg sagen, wir haben allein in Salzburg 14 000 Personen, die im privaten Bereich, im familiären Bereich gepflegt werden. Also eine Umdrehung von Geldleistungen zu Sachleistungen widerspricht eigentlich dieser Zielsetzung.

Neben den Finanzen sind auch inhaltliche, systematische und qualitative Punkte in Pflege und Betreuung zu klären, wobei auch in diesen Sachen der Österreichische Senio­renrat mit einzubeziehen ist, in alle diese Beratungen im Vorfeld. Dazu gehören weiters auch noch die Schnittstellen zwischen Gesundheit und Pflege, ebenso wie die künftige Pflegeausbildung und die Fragen der Sachwalterschaft. (Präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf noch anmerken, was mir besonders wichtig ist, nämlich dass ein so wichtiges und einschneidendes Thema wie die Pflege nicht einer populistischen Wahl­auseinandersetzung im nächsten Jahr ausgeliefert sein darf. Wir dürfen nicht ver­gessen, wir haben Nationalratswahlen vor uns, und es würde dann eine Debatte stattfinden, die mir nicht sehr dienlich erscheint bei der Bewältigung dieses schwer­wie­genden Themas.

Bei den Reformverhandlungen ist, glaube ich, wichtig, dass 2012 etwas weitergeht. Alle Betroffenen sind aufgefordert, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.04.31

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden der Verlängerung dieser Artikel-15a-Vereinbarung aus 2008 zustimmen. Es war damals dringend notwendig, Regelungen zu schaffen, denn da ging es sehr viel um die Illegalität, sprich, dass die Menschen damals nicht angemeldet in Österreich gear­­beitet haben, dass die betreuten Menschen Probleme bekommen haben, weil sie illegal beschäftigt haben, aber auch die betreuenden Menschen haben Probleme bekommen. Da hat sich seit 2008 vieles gebessert, und es war sicher sinnvoll, diese Regelung einzuführen.

Dass es offene Probleme gibt, ist heute auch schon von einigen angesprochen wor­den. Kollege Jachs hat auch im Ausschuss schon einige meiner Meinung nach sehr interessante Punkte gebracht, nämlich dass eben 97 Prozent nicht angestellt, sondern eigentlich freiberuflich sind. Die Frage ist, wie sie das mit den ganzen Gesetzen schaffen, wenn sie nicht aus Österreich kommen, das ist ja alles nicht so einfach.

Es gibt also schon noch offene Probleme, vor allem auch das Einkommen. Es ist nicht billig für jemanden, der zu pflegen ist, zwei Personen zu bezahlen, die ihn pflegen. Auf der anderen Seite ist es auch nicht ein besonders großes Auskommen mit dem Einkommen, das man aus der Pflege genießen kann. Es gibt offene Probleme, und ich würde mir wünschen, Herr Minister, wenn wir jetzt bis 2014 verlängern, dass diese offenen Probleme dann auch wieder intensiver angesprochen werden und dass wir nicht 2014 wieder sagen, ja, es gibt noch so viel Offenes, aber verlängern wir halt wieder. Ich denke, es ist jetzt noch einige Zeit, man braucht es nicht im Wahlkampf, keine Frage, aber darüber reden sollte man auf jeden Fall.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 105

Ich hätte mir natürlich auch gewünscht, dass ich im Ausschuss auf Nachfrage nach dem Evaluierungsbericht nicht höre: Erkundig dich im Land! Ich denke, das ist schon auch eine Bundesmaterie, und wenn Evaluierungen gemacht werden, verstehe ich nicht ganz, warum das nicht auch veröffentlicht werden kann, dass es für uns zugäng­lich ist in dem Fall.  Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


15.06.44

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie verzeihen jetzt ein paar Sätze von mir, die Sie bitte nicht missverstehen.

Ich freue mich, dass der Bundesrat Bereitschaft erklärt, die österreichische Bundes­verfassung zu ändern und die Sozialgesetzgebung zu vereinheitlichen  ich freue mich. Ich nehme das dankbar zur Kenntnis, Kollege Hammerl, dass ich diesen Durchbruch heute erzielen konnte (Heiterkeit), denn mit aller Offenheit: Die Ländervertreter, die bei mir in der Arbeitsgruppe sitzen, reden ganz anders. Sie sind der gleichen Partei zugehörig wie Ihrer, teilweise wie meiner, gar kein Thema, der Freiheitliche in Kärnten redet überhaupt ganz anders. (Bundesrat Pirolt: Das hat auch Gründe!) Es ist so. Die Gründe des Kollegen Ragger kann ich Ihnen erklären, zu dem komme ich dann noch.

Was ich damit sagen will, ist: Ich würde bitten, lassen wir das Thema dort, wo es ist, denn wir haben diese einheitlichen Standards. Es gibt für die begutachtenden Ärzte in ganz Österreich eine einzige Unterlage eine einzige! Kollege Hammerl, schütteln Sie nicht den Kopf, ich weiß ja, was ich erlassen habe, ich bin doch nicht von vorgestern! Es gibt eine Schulungsunterlage, die mit der Pensionsversicherung und mit der Ärzte­kammer erarbeitet ist. Es gibt ein einziges Schulungsreferat, das wie ein Wander­prediger durch Österreich wandert.

Aber ich kann Ihnen auch nicht erklären, warum in Vorarlberg ein 5er in Tirol ein 4er ist und der gleiche Patient im Burgenland wieder ein 5er ist, oder umgekehrt. Ich kann es Ihnen auch nicht erklären, aber es ist eine einzige Unterlage die Grundlage dessen, was wir tun. Es ist so.

Ich kann Ihnen auch nicht erklären, warum die 24-Stunden-Betreuung im Burgenland 6,4 Prozent der Pflegegeldbezieher in Anspruch nehmen (Bundesrat Todt: Weil sie Einfamilienhäuser haben!), es aber in Tirol 2,4 Prozent sind, wo es genauso viele Ein­familienhäuser gibt wie im Burgenland. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich kann es Ihnen auch nicht erklären.

Worum wir uns bemühen, ist, sehr wohl einheitlich vorzugehen. Sie wissen ja selbst, und darum kann ich das schon bald nicht mehr hören, was wir hier beschlossen haben. Wir haben nämlich hier in diesem Raum, auch bei einer Gesetzesmaterie, beschlos­sen, dass wir eine gemeinsame Arbeitsgruppe haben, die sich bis 31.12. dieses Jahres bemühen muss, einheitliche Standards festzulegen. Diese Arbeitsgruppe arbeitet mit fünf oder sechs Untergruppen und so weiter, und da sitzen alle drinnen. Beim Start­schuss dieser Arbeitsgruppe waren 90 Personen darin vertreten, weil ich alle drinnen habe. Ich habe den ganzen Seniorenrat drinnen, als Repräsentant der Betroffenen, ich habe die NGOs drinnen, ich habe die privaten Dienstleister drinnen, ich habe die Länder drinnen, ich habe mehr oder weniger alles drinnen, was nur irgendwie in die­sem Segment vorhanden ist.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 106

Wir müssen jetzt natürlich Stück für Stück abarbeiten. Es ist halt auch so, dass wir Traditionen haben, und Vorarlberg hat zum Beispiel die Tradition, den pflegenden Angehörigen 100 € Taschengeld zu zahlen. Das machen die halt, aus welchen Grün­den auch immer. (Bundesrat Mayer: Wir lieben die Menschen so sehr! – Heiterkeit.) Burgenland liebt die Menschen genauso und Niederösterreich auch. Das ist nicht das Thema. (Bundesrat Kneifel: Oberösterreich auch!) – Oberösterreich auch!

Alle lieben die Menschen, aber es ist halt so, dass wir Traditionen haben, die sich entwickelt haben. Es hat sich zum Beispiel die Tradition entwickelt, dass Vorarlberg die wenigsten stationären Pflegeeinrichtungen hat und Steiermark die meisten. Das ist 1970/1980 losgegangen. Genauso wie Kärnten und Steiermark die beiden Bundes­länder mit dem höchsten Anteil der Generation 75 plus sind, aus unterschiedlichen Gründen, aus ganz unterschiedlichen Motiven. In Kärnten wird die Situation noch schwieriger, weil der Anteil der Generation 75 plus dort noch mehr steigen wird, weil ein paar hundert Kärntner pro Monat beschließen, Kärnten zu verlassen. Das muss man sehen und bei den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen irgendwie berück­sichtigen. Das sehe ich ja vollkommen ein.

Demzufolge würde ich nur bitten und ersuchen, was Geldleistung/Sachleistung betrifft: Was haben wir wirklich beschlossen mit den Landessozialreferenten?  Was wir be­schlossen haben, ist, den Gemeinden und Städten zu helfen, und das ist unter ande­rem durch die Aufstockung des Pflegefonds und durch die Verlängerung des Pflege­fonds geschehen.

Was ist der Pflegefonds?  Der Pflegefonds ist Sachleistung, weil wir mittels Pflege­fonds den Aufwand, den die Städte und Gemeinden bei der Zuzahlung der Leistungs­erbringung haben, schlichtweg abfangen. Das ist es. Wir lassen die Geldleistung „Pflegegeld“ eh in Ruhe, das greift eh keiner an und wird auch in Zukunft nicht ange­griffen. Was wir aber natürlich angreifen mussten, war die Finanzsituation der Städte und Gemeinden, weil die mit den Zuzahlungen, die sie über die Sozialhilfe zu tätigen haben, nicht mehr zusammengekommen sind. Demzufolge mussten wir da zuzahlen, und das werden wir auch weiterhin tun müssen. Auch wenn man heute in der Dis­kussion zulässigerweise sagt, na ja, nehmen wir es raus aus der Sozialhilfe, was ändert sich dann einmal ad hoc?  Es ändern sich ad hoc gewisse Fragen des Eigen­tums­rechts, der Eigenregress wäre neu zu regeln, und, und, und.

Es ist die Frage, was das bringt, denn zahlen muss ich weiterhin. Ich muss weiterhin dieser Aufgabe nachkommen, denn der oder die Betroffene hat ein Problem. Was er braucht, kostet – Hausnummer – 5 000 €. Er hat aber nur 1 500 €. Und die Differenz muss jemand bezahlen. Das heißt, auch wenn man es aus der Sozialhilfe heraus­nimmt, wir müssen es trotzdem zahlen. Irgendwer in der Gesellschaft muss das weiter­hin zahlen. Das ist gut so, das ist in Ordnung. Wir lösen damit nicht das Problem, das wollte ich damit sagen.

Zur Frage Ausbildung: Natürlich will ich auch verhindern, dass jemand 3 Monate arbeitslos ist, damit ich ihm dann über das AMS eine Schulung bezahle. In Summe des heurigen Jahres werden es rund 4 000 Personen sein, die wir zu Pflegehelfern aus­bilden. Sagen wir, wir machen das anders, nur: Wie machen wir es anders? Den Theorieteil kann ich am zweiten Bildungsweg vermitteln. Du kannst weiterhin dort beschäftigt bleiben, wo du bist, den Theorieteil kann ich am zweiten Bildungsweg vermitteln. Ja, aber was mache ich mit dem Praktikumsteil? Zahlt die Firma X, zahlt der Herr Gastronom das seiner Kellnerin, gibt er ihr einen Karenzurlaub, damit sie das Praktikum machen kann? Funktioniert denn das wirklich? (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)


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Entschuldigung, das war jetzt kein persönlicher Angriff, überhaupt nicht. Ich wollte das nur bewusstmachen, weil das immer wieder kommt. Es gibt viele Kellnerinnen oder im Service tätige Personen, die sagen, eigentlich würden sie das gerne machen. Am zweiten Bildungsweg schaffe ich noch den Theorieteil, aber einen Praktikumsteil gibt es nicht am zweiten Bildungsweg. Der Praktikumsteil muss absolviert werden, der ist ein Teil der Ausbildung, ob man will oder nicht, und das findet untertags statt. Dort, wo ich beschäftigt bin, muss es die Bereitschaft geben, mir einen unbezahlten Urlaub zu ermöglichen, damit ich das tun kann.

Bei ein paar Großbetrieben werden wir das schon hinbekommen – vielleicht –, aber bei der Unmenge an Kleinst- und Kleingewerbebetrieben, die wir in Österreich haben, wer­den wir das nicht schaffen, aus nachvollziehbaren Gründen. Der Kleinst- und Klein­gewerbetreibende sagt nicht, jetzt gebe ich dir sechs Wochen unbezahlten Urlaub. Was macht er denn die sechs Wochen? Für sechs Wochen findet er keinen Ersatz.

Ich würde also wirklich dringlich bitten, die Realität des Lebens zu beachten! Es klingt gut: „Macht es halt!“, es klingt super, aber es löst das Problem überhaupt nicht. Noch dazu habe ich im Theorieteil am zweiten Bildungsweg ein massives Stadt-Land-Gefälle. In Ballungsräumen kann ich fünf Kurse anbieten, aber was mache ich denn im Ötztal, im Stubaital und so weiter? Was mache ich in Teilen von Kärnten, wo ich vielleicht fünf Leute habe, die aber eine Stunde nach Klagenfurt oder nach Villach brauchen?

Was ich damit sagen will, ist, dass ich dringlich um eine Versachlichung der Debatte bitten würde. Ich bin gerne bereit zu sagen, verkürzen wir diese 3-Monats-Frist. Wenn du so etwas machen willst, musst du nicht mehr drei Monate arbeitslos sein! Machen wir es von mir aus schon am nächsten Tag. Wir werden es anders nicht schaffen, daher meine Bitte und mein Ersuchen um eine wirkliche Versachlichung der Debatte. Es klingt natürlich gut: Warum muss ich arbeitslos werden, damit ich das probieren kann? Keine Frage, das klingt plakativ super, nur wenn man einmal um die Kurve schaut, stellt sich die Frage: Wie machen wir es technisch? Deshalb würde ich darum wirklich bitten.

Ich würde auch bitten, Folgendes zu sehen: Wir sind und bleiben Weltmeister. Wir haben 5,2 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die Pflegegeld beziehen, die Vereinheitlichung und die Reduktion auf acht Träger hat hervorragend funktioniert. Ein einziger Fauxpas ist uns passiert bei einer ganz, ganz minimalistischen Gruppe, der innerhalb von einem Tag erledigt war. In Oberösterreich sind wir draufgekommen, wo eine Mutter mit ihrem behinderten Kind in einer Rehab war und auf einmal das Pflege­geld eingestellt wurde. Das war innerhalb von drei Minuten erledigt. Alles andere hat funktioniert, die gesamte Umstellung, und wir haben derzeit, vielleicht auch zu Ihrer Information, eine Bearbeitungsdauer, eine Verfahrensdauer von 54 Tagen österreich­weit. 54 Tage sind, glaube ich, eine tolle Verfahrensdauer, es funktioniert.

Weil wir zuerst von pflegenden Angehörigen gesprochen haben, darf ich Sie bitten und ersuchen: Bedanken wir uns bei einer speziellen Gruppe der pflegenden Angehörigen, das sind die Töchter! Wir haben durch unsere Erhebungen bei Hausbesuchen  die gibt es nicht nur, um Qualität abzufragen, sondern es wird auch geschaut, wer tut es, wer macht es wirklich – herausgefunden, dass Schwiegertöchter und Töchter zusam­mengerechnet zu 39 Prozent diejenigen sind, die das wirklich tun, die pflegen. Der Rest der Gruppen ist viel kleiner und viel weniger. In Wahrheit sind es die Töchter und Schwiegertöchter, diese gemeinsame Gruppe, wenn ich das so sagen darf, die die Pflege machen.

Ich weiß, dass die Freiheitlichen hier nicht zustimmen können, weil im Nationalrat die FPÖ auch nicht zugestimmt hat; das ist mir vollkommen klar. (Zwischenruf der Bundes-


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rätin Mühlwerth.) Schauen Sie, das ist ja genau das Problem! Wir wissen nicht, was Sie wollen (Bundesrätin Mühlwerth: Wir wissen das schon!), und ich kann hier jetzt nur sagen, was ich im Nationalrat schon gesagt habe: Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie Menschen nicht lieben, denn wenn Sie Menschen lieben würden, würden Sie heute zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

15.20

15.20.10

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.20.4812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­siche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (1987/A und 1858 d.B. sowie 8772/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Bitte um den Bericht.

 


15.21.03

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensions­ge­setz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Bitte.

 


15.22.01

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Bundesminister! Werte Kollegen des Bundesrates! Bei dem Antrag im Nationalrat der KollegInnen Csörgits, Wöginger und Öllinger geht es um eine beson­dere Pensionsanpassung:


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 109

Erstens: Schaffung einer besonderen Pensionsanpassung unter Berücksichtigung höchst­gerichtlicher Entscheidungen zur Pensionsanpassung 2008.

Zweitens: Übernahme der ASVG-Regelung über das Recht auf Weiterbezug der Waisenpension für die Teilnehmer an einem Freiwilligendienst nach einem Freiwil­ligengesetz in das Pensionsrecht des öffentlichen Bundesdienstes.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass in der Anpassung der Pensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz im Rahmen der Pensionsanpassung 2008 mit nur 1,70 Prozent im Vergleich zur außerordentlichen Erhöhung anderer Pensionen die Möglichkeit einer verbotenen Diskriminierung der Frauen liegen kann, wenn in der in Betracht kommenden Gruppe von Pensionsbezieherinnen und Pensionsbeziehern wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen sind. Dieser Entscheidung wird nunmehr Rechnung getragen.

Bezieherinnen und Bezieher von Kleinstpensionen können im kommenden Herbst mit einer außertourlichen Pensionserhöhung rechnen. Demnach sollen Pensionen, die zum Stichtag 1. Jänner 2008 unter 747 € lagen und damals nur mit dem Anpassungs­faktor von 1,7 Prozent erhöht wurden, ab Oktober um 1,1 Prozent steigen.

Hintergrund für diesen Schritt ist ein OGH-Urteil vom Dezember 2011. Die Höchst­richterinnen und -richter haben in Anlehnung an ein EuGH-Erkenntnis festgestellt, dass eine Diskriminierung vorliegt, weil Pensionen zwischen 747 € und 1 050 € sowie der Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende PensionsbezieherInnen im Jahr 2008 um jeweils 21 € und damit um bis zu 2,8 Prozent erhöht wurden, während für Kleinstpensionen lediglich der für alle übrigen Pensionen geltende Anpassungsfaktor von 1,7 Prozent zum Tragen kam. Von dieser Rechtsprechung profitieren unmittelbar jedoch nur 152 Personen, die die Pensionsanpassung im Jahr 2008 bekämpft hatten. Nun will die Politik aus sozialpolitischen Überlegungen heraus auch die übrigen Kleinst­­pensionen nachträglich erhöhen.

Betroffen sind laut Antrag rund 620 000 Pensionsbezieherinnen und Pensionsbezieher, und zwar 455 000 Pensionistinnen und Pensionisten und 165 000 Hinterbliebenen­pen­sionen. Die jährlichen Kosten werden mit 37 Millionen € veranschlagt.

Die Änderungen schaffen Verbesserungen bei den Bezieherinnen und Beziehern von Kleinstpensionen, und wir werden dazu gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.25.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der OGH hat recht, der EuGH hat recht, im Prinzip war es eine Diskriminierung von Frauen. Ich habe im Ausschuss nachgefragt, ob das passiert ist oder bewusst gemacht wurde, und da ist mir erfreulicherweise ehrlich erklärt worden, dass es Absicht war, weil man damit gerechnet hat, dass bei diesen Pensionen – Stichwort: Ausgleichszulagenrichtsatz – ein Zusatzeinkommen oder eine Partnerpension vorliegt.

Dazu muss man aber sagen, dass die Zusatzeinkommen gerade in diesem Bereich, wo oft kleine Wirtschaftsbetriebe diese nicht weitergeben können, wo Leute wirklich weiterwurschteln müssen, weil sie sonst kein Auskommen haben, zu einem großen Teil keine üppigen Zusatzeinkommen sind. Und Partnerpensionen heißt, dass man dann vom Partner abhängig ist. Ob sie mir der gibt oder nicht, ist eine andere Ge­schichte.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 110

Insofern ist es meiner Meinung nach tatsächlich eine Benachteiligung von Frauen gewesen. Ich bin froh, dass das jetzt behoben wird, auch wenn das, was diese Men­schen verloren haben, nachträglich nicht zurückgezahlt wird.

Wir werden natürlich zustimmen, dass das jetzt ausgeglichen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.26

15.26.10

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.26.5413. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (1951/A und 1857 d.B. sowie 8773/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. Bitte um den Bericht.

 


15.27.07

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Frau Vorsitzende! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird.

Der Antrag liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


15.27.52

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Zum Arbeitsmarktpolitik-Finan­zierungsgesetz sprechen heute nicht sehr viele. Aber das liegt meines Erachtens nicht daran, dass es kein spannender Punkt ist, sondern daran, dass dieser Punkt eben nicht sehr kontroversiell ist und auf breite Zustimmung stößt.

Wir schaffen mit dieser Novelle zusätzliche Mittel beziehungsweise stellen sie bereit für die Arbeitsmarktpolitik, und dies beweist einmal mehr, dass die österreichische Politik auf den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 2012 richtig reagiert hat.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 111

Wir kennen die Zahlen. Wir wissen, dass Österreich, was die Bekämpfung der Arbeits­losigkeit in der Europäischen Union anlangt, eine Vorreiterrolle einnimmt. Wir gehören zu jenen Ländern, die eine geringe Arbeitslosenquote haben. Im Jahr 2011 hatten wir mit 3,3 Millionen unselbständigen Erwerbstätigen eine sehr hohe Erwerbsquote. Nichtsdestotrotz stellen uns aber in Österreich die Dynamik des Arbeitsmarktes und die Veränderungen der Erwerbsarbeit immer wieder vor große Herausforderungen. Auch in Österreich haben wir das Problem, dass es nicht allen gelingt, sich auf dem Arbeits­markt zu behaupten, und zudem werden die Flexibilisierung und die Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse zu einem immer größer werdenden Problem. Umso wichtiger ist es, dass wir heute dieses Gesetz beschließen, mit dem wir die öster­reichische Arbeitsmarktpolitik stärken, denn will man Arbeitslosigkeit nachhaltig be­kämpfen und nicht nur Bekenntnisse abgeben, führt kein Weg an einer aktiven Arbeits­marktpolitik vorbei.

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit innerhalb der Europäischen Union ist heute eine der größten Herausforderungen. Ich bin der festen Überzeugung, gäbe es in anderen europäischen Staaten, so wie in Österreich, auch das duale Ausbildungssystem und auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik, stünde man nicht vor dem Phänomen, dass in manchen europäischen Staaten fast die Hälfte der Jugendlichen von Arbeitslosigkeit betroffen ist.

Der rasante Anstieg der Arbeitslosigkeit innerhalb der Europäischen Union in den letzten Jahren führt uns klar vor Augen, dass die Gründe für die Arbeitslosigkeit im strukturellen Wandel und in der Veränderung der Wirtschaft unter globalisierten Bedin­gungen liegen. Wir haben erlebt, wie sich die Finanzkrise und die daraus resultierende Wirtschaftskrise auf den europäischen Arbeitsmarkt ausgewirkt haben. Nach wie vor macht die wirtschaftliche Rezession vielen Ländern zu schaffen, aber meines Erach­tens ist die Austeritätspolitik keine Lösung, sondern stürzt die Staaten in eine noch tiefere Rezession.

Ich glaube, dass spätestens seit dieser Entwicklung der letzten Jahre die Stimmen jener, die meinen, dass Arbeitslosigkeit selbstverschuldet oder freiwillig ist, oder die darin eine Individualschuld verorten, verstummt sind beziehungsweise leiser geworden sind, weil offensichtlich zutage getreten ist, dass die wirtschaftlichen Veränderungen eine direkte Auswirkung auf die Arbeitsmarktpolitik haben.

Das, was Europa bisher von anderen Kontinenten und Regionen dieser Welt unter­scheidet, zeigt sich am Beispiel des Wohlfahrtsstaates und an der aktiven Arbeits­marktpolitik, sprich an der regulierenden und ausgleichenden Funktion des Staates. Mir wird das immer dann sehr stark bewusst, wenn ich Leute aus den Vereinigten Staaten von Amerika treffe, die mir erzählen, dass sie im Jahr nur zwei Wochen Urlaub haben, die mir erzählen, dass sie mehrere Jobs annehmen müssen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Wir wissen, dass in den Vereinigten Staaten von Amerika die freie Marktwirtschaft als Dogma gilt und oft mit der individuellen Freiheit gleichgesetzt wird. Jeder Versuch vonseiten des Staates, regulierend und ausgleichend einzugreifen, wird dort oftmals als Angriff auf die persönliche, auf die individuelle Freiheit gesehen. Man sah das auch in der Auseinandersetzung bei der Durchsetzung der gesetzlichen Kranken­versiche­rung in den Vereinigten Staaten, die von sehr vielen Gruppen auch heftig kritisiert wird.

In Österreich hingegen hat die aktive Arbeitsmarktpolitik eine lange Tradition. Bis zum Beginn der achtziger Jahre verstand man unter aktiver Arbeitsmarktpolitik vor allem die Förderung der beruflichen Mobilität. Das hat sich dann geändert. Den Grundstein für eine innovative Arbeitspolitik hat der bahnbrechende Sozialminister Alfred Dallinger mit der legendären „Aktion 8000“ gelegt, die in die Geschichte einge-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 112

gangen ist. Er versuchte damit, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, weil er verstan­den hat, dass man aktiv eingreifen muss, um die Schwächsten zu unterstützen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ziel seiner Politik war es, Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Sozialminister Dallinger galt als Schöpfer sozialpolitischer Verbesserungen in einer sozialpolitisch sehr schwierigen Zeit – das muss man sich vor Augen führen –: Eine Vielfalt an Beschäftigungsinitiativen konnte entstehen, gemeinnützige Beschäftigungs­projekte und sozialökonomische Betriebe. Dabei ging es zum einen darum, die Arbeits­fähigkeit zu erhöhen und zu stabilisieren, aber gleichzeitig auch darum, strukturelle Veränderungen abzufedern, durch welche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen frei­ge­setzt wurden.

Diese Innovationen werden heute nach wie vor aufgegriffen. Und da gäbe es eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, welche man anführen könnte, wie bei­spiels­weise die seit 1998 bestehende Möglichkeit der Bildungskarenzierung oder auch die Altersteilzeit.

Oftmals waren in den neunziger Jahren – das muss man ehrlicherweise dazusagen – diese Innovationen nur sehr schwer durchsetzbar, weil leider allzu oft das Bild vom arbeitslosen Sozialschmarotzer gezeichnet wurde und dies in der Politik manchmal auch eine Defensivstrategie ausgelöst hat.

Was das heutige Gesetz betrifft, ist es eine richtige Entscheidung gewesen, die Aktivie­rungsbeihilfe zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf 76 Millionen € aufzustocken. Das ist ein richtiger Ansatz, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit 2012 zu bekämpfen. Wir konnten von den Vertretern und Vertreterinnen des Ministeriums im Ausschuss hören, dass von der Arbeitslosigkeit insbesondere Zeitarbeitskräfte betroffen sind, die bekann­ter­weise in flexibilisierten Beschäftigungsverhältnissen stehen. Durch die Mehreinnah­men in der Arbeitslosenversicherung ist – das ist uns auch berichtet worden – die Finanzierung gedeckt. Also insofern besteht da überhaupt kein Problem, weil wir, wie ich eingangs gesagt habe, 2009/2010 eine sehr hohe Erwerbsquote hatten und dadurch natürlich auch mehr Einnahmen in der Arbeitslosenversicherung.

Der Schwerpunkt soll laut diesem Gesetz, wie der Regierungsvorlage zu entnehmen ist, vor allem auf Leiharbeitnehmer gelegt werden, die sehr oft eine Art flexibler Puffer sind, und auf ältere Arbeitnehmer.

Ich denke, dass Österreich auf eine sehr reiche Tradition an innovativer und erfolg­reicher Arbeitsmarktpolitik zurückschauen kann und dass wir mit diesem Gesetz diese Tradition jedenfalls fortsetzen.

Meine Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage wohlwollend zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


15.36.13

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Oder muss man sagen: Herr Bundeskanzler!? (Bundesminister Hundstorfer: Nein, nein!) Sie vertreten ja zurzeit den Bundeskanzler. (Bundesminister Hundstorfer: Ah so! Ja, ja!) Ist ja erfreulich, Gratulation dazu! (Heiterkeit.) Man könnte sich ja daran gewöhnen. (Heiterkeit und Beifall.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zum eigentlichen Thema; Frau Kollegin Duzdar hat das jetzt weltumspannend ausgebreitet. Ich glaube, wir haben eine


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 113

einstimmige Materie heute zu beschließen; eine der wenigen Materien, glaube ich, die überall, auch im Ausschuss, einstimmig behandelt wurde.

Als erfreulich zu bezeichnen ist, dass wir zusätzlich 20 Millionen € für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung haben. Ich glaube, wenn man das quantifiziert, sind das in etwa 1 500 Personen, die entweder schwer vermittelbar oder sonst was sind, die wir damit Schritt für Schritt wieder in den Arbeitsprozess eingliedern können.

Herr Minister, ich habe als Wirtschaftskammerobmann in meinem Bezirk ein Super­verhältnis zum benachbarten AMS, weil wir gemeinsame Ziele verfolgen, und das konsequent. Wir wollen in unserer Region die Arbeitslosigkeit so niedrig wie möglich halten. Und wenn es aufgrund von Saisonalität zu erhöhten Arbeitslosenzahlen kommt, sind wir natürlich beide brennend daran interessiert, die Arbeitslosen schnellstmöglich wieder in Arbeit zu bringen, aber die Zwischenzeit dazu zu nützen, als Überbrückungs­maßnahme die Mitarbeiter zu qualifizieren.

Da ist ein alter Wunsch beziehungsweise eine Vision von mir für den Tourismus, dass es vielleicht einmal möglich wäre, ein 14-tägiges qualifiziertes Sprachtraining innerhalb der zwei bis drei Monate, in welchen unsere Mitarbeiter einen Arbeitslosenbezug haben, einzuführen. Ich glaube, das würde den Mitarbeitern helfen und das würde auch der Vermittlungsfähigkeit des AMS helfen, ohne dass man da von großer Zwangs­bewirtschaftung oder sonst irgendetwas sprechen könnte. Es wäre eigentlich ein positiver Beitrag, denn es hilft ja nichts, wenn Mitarbeiter, die jedes Jahr zwei bis drei Monate aufgrund der Saisonalität arbeitslos werden, wieder einen Kurs machen, wo sie das dritte Mal Bewerbungsschreiben oder sonstige Dinge machen. Da wäre, glaube ich, einiges mit Kreativität und gutem Willen zu machen.

Summa summarum stimmen wir natürlich dieser Novelle freudig zu und erhoffen uns auch in Zukunft erfolgreiche, aktive Arbeitsmarktpolitik. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

15.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.39.01

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es erfreulich, wenn 20 Millionen € mehr für Aktivierungsbeihilfen zur Ver­fügung stehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf Folgendes hinweisen – es ist an und für sich ein auch Ihnen sicher bekanntes Problem –: Es ist teilweise problematisch, gerade bei Langzeitarbeitslosen nach einem Jahr zu sagen, die sind jetzt sozusagen aktiviert und können wieder ganz normal ins Arbeitsleben eingegliedert werden. Also diese Beschränkung der Aktivierungshilfen auf ein Jahr ist teilweise proble­matisch. Und problematisch ist natürlich auch diese relativ kurzfristige Abhängig­keit, wo man nicht weiß, ob es das Projekt nächstes Jahr noch gibt oder nicht oder es jetzt abgedreht wird oder nicht.

Ich denke, das sind Dinge, die werden Sie jetzt nicht von heute auf morgen ändern können. Es ist nur eine Wunschliste, die ich hier deponiere, und ich hoffe, dass man sich auch da bemüht, dass sich das vielleicht doch irgendwann einmal bessern könnte.

Einen Punkt möchte ich auch noch einbringen, weil ich glaube, es muss uns allen ein Anliegen sein, dass es möglichst wenige gibt, die man dann später aktivieren muss. In Niederösterreich ist es derzeit so, dass die Landesjugendheime umstellen. Die Jugend­lichen, die aus verschiedensten Gründen Probleme haben, bei denen es darum geht, dass sie ganz normal im Arbeitsleben Fuß fassen können, eine Lehre machen, wurden


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bisher immer stationär in Landesjugendheimen betreut. Das wird jetzt geändert auf mobile Betreuung. Es werden Lehrstellen mehr oder weniger wegrationalisiert. Ich weiß nicht, ob die dann alle in der Wirtschaft unterkommen, ob man dann diverse Ausbildungen nicht mehr in diesen Landesjugendheimen anbietet, wenn man sagt, die werden jetzt alle mobil betreut, die Wirtschaft wird sich schon darum kümmern.

Es wäre mir wichtig und ein Anliegen, dass man sich da wirklich Gedanken darüber macht. (Bundesrätin Zwazl:  jetzt nicht von den niederösterreichischen Konzepten! Da bist du jetzt leider nicht ganz informiert! Weil da haben wir jetzt wirklich tolle Sachen, auch die tiergestützte Therapie, wo man mit Pädagogen !) Aber vor Ort merke ich schon, dass im Landesjugendheim bei uns, aber auch in anderen Landes­jugendheimen Werkstätten aufgelassen werden und die Lehrplätze dort nicht mehr vorhanden sind. Du kannst versuchen, sie mobil zu betreuen, aber es wird nicht so leicht und so einfach sein, dass die Wirtschaft das jetzt einfach übernimmt und sagt, wir machen das, weil das nicht funktionieren kann. Ich möchte nicht, dass da gespart wird. (Bundesrätin Zwazl: Das übernimmt nicht die Wirtschaft! Elisabeth, wir machen das gemeinsam, die Initiativen, die wir haben, schlechthin! Weil da muss ich mich wirklich rühren! Wir haben in der letzten Zeit !) – Du kannst dich ja nachher noch zu Wort melden.

Aber das ist schon der Punkt: Wenn die Jugendlichen nicht mehr in dem Ausmaß betreut werden, wie sie betreut wurden – und das ist sicher so! –, dann bauen wir uns die zu aktivierenden Arbeitslosen jetzt schon wieder auf, und das wäre schade. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.42

15.42.20

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich verabschiede den Herrn Bundesminister in eine hoffentlich schöne Sommerpause. (Bundesminister Hundstorfer: Danke! Ebenfalls schönen Sommer!)

15.42.3414. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1975/A und 1863 d.B. sowie 8775/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Bitte um den Bericht.

 


15.42.52

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des National­rates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichts­gesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor; daher verzichte ich auf die Verlesung und komme gleich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 17. Juli 2012 in Verhandlung genommen. Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir begrüßen die Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.44.13

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der heutige Tag wird als einer der skurrilsten Tage in die österreichische Parlamentsgeschichte eingehen, denn vor drei Jahren haben wir alle einstimmig beschlossen (Zwischenrufe bei der FPÖ) – Verzeihung, die Freiheitlichen nicht! –, dass die Zentralmatura einge­führt wird, und drei Jahre später stehen wir da und nehmen das, was wir damals mehrheitlich beschlossen haben, wieder zurück, obwohl es in der Zwischenzeit sehr, sehr viele positive Rückmeldungen gegeben hat, obwohl über 280 AHS-Standorte an der Prototypentwicklung „neue Matura“ mitgewirkt haben.

Da gibt es auch eine Erhebung vom BIFIE, wonach im Jahr 2011/2012 21 000 Leh­rerinnen und Lehrer in über 1 150 Fortbildungsveranstaltungen über die neue Matura informiert worden sind. Selbst Herr Direktor Dorninger sagt, dass es an allen 350 Stand­orten Lehrer gebe, die dieses Wissen weitergeben könnten, dass die Schüler und Schülerinnen, insbesondere die in der 6. Klasse, sich darauf vorbereitet haben und jetzt de facto verunsichert sind. Die sind eigentlich die Leidtragenden.

Selbst die Landesschulpräsidenten haben gesagt, es gibt kein Problem. Die Lan­desschulinspektoren haben auch bekundet, dass die Verschiebung nicht notwendig ist. Und selbst unabhängige LehrerInnenvertreter äußern sich in diese Richtung, wie etwa der Vorsitzende des Zentralausschusses in Vorarlberg Gerhard Pusnik, der sagt, dass er sich wundert, dass es zu einer Verschiebung kommt.

Da stellt sich schon die berechtigte Frage, warum es so weit gekommen ist. Leider Gottes zeichnet sich da das Bild ab, dass Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, ein sehr, sehr ambitioniertes Programm haben und nach wie vor einen sehr positiven Zugang haben, aber die Betonmischer und die Betonierer in der ÖVP wirklich jeglichen Ansatz im Bildungswesen im Keim ersticken. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie wollen alles beim Status quo belassen! Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, insbesondere aber der ÖVP! Ich bin auch in allen Sitzungen des Besonderen Ausschusses für Bildungsfragen gewesen, nur bei der letzten konnte ich nicht dabei sein, weil wir zeitgleich eine Bundes­rats­sitzung gehabt haben. Und wisst ihr, was da los war?  Einstimmigkeit hat geherrscht, so harmonisch war es. Alle Parteien haben ihre ExpertInnen eingeladen, alle haben vom Gleichen gesprochen. Die einzelnen Bildungssprecher der jeweiligen Parteien haben vom Gleichen gesprochen. Und dann geht man hinaus, und am nächsten Tag liest man in den Zeitungen genau das Gegenteil.

Wir wissen, was zu machen ist, wir wissen, was zu ändern ist, und trotzdem gibt es den Willen nicht, es umzusetzen, weil die ÖVP ihre schützende Hand über die Betonie­rer hält, anstatt dass man den Ratschlägen der Experten und Expertinnen Folge leistet,


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dass wir endlich unser Bildungssystem, das sehr an Selektion orientiert ist, an das 21. Jahrhundert heranführt! (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Mag. Duzdar.)

Das Programm, das wir hier fahren, fällt uns auf den Kopf, fällt uns auf den Kopf genau bei den Themen, die wir vorhin auch besprochen haben. Wir haben pro Jahr – das muss man sich vorstellen! – über 10 000 Schulabbrecher, Schulabbrecherinnen. Wir müssen uns – das ist dann der übernächste Tagesordnungspunkt – Maßnahmen und Konzepte überlegen, wie wir es Leuten, die den Hauptschulabschluss nicht geschafft haben, mit Angeboten sozusagen ermöglichen können, dass sie den Hauptschul­abschluss nachholen. (Bundesrätin Grimling: Na Gott sei Dank! Was soll das?) Natürlich Gott sei Dank! Man muss aber bedenken, was da an Geld gespart werden könnte, wenn wir das im Vorfeld schon abfedern.

Noch einen Vorgriff auf einen Tagesordnungspunkt, über den wir etwas später debattieren werden: Alles, was die Sprachförderung betrifft, ist auch begrüßenswert, wichtig und wertvoll. Alle sagen wir, dass das wichtig und wertvoll ist. Aber was ist die Realität? Man befristet es zeitlich, mit zwei Jahren, und dann haben wir wieder die Diskussion – bei so einer wichtigen Thematik, wo es um das Erlernen der Sprache geht. Nicht einmal einen Evaluierungsbericht haben wir dann.

Das ist die Politik, die Sie betreiben, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. Die ist jenseits des 21. Jahrhunderts. Ich kann wirklich nur appellieren, dass wir die Empfehlungen der Experten und Expertinnen – und das waren auch Experten, die Sie gestellt haben – wirklich ernst nehmen und entsprechende Änderungen im Bildungs­system implementieren. Das, was wir heute machen, ist ein Schritt zurück.

Dass im Bildungsbereich wirklich einiges geändert werden muss, liegt, glaube ich, ganz klar auf der Hand. Das, was fehlt, ist der politische Wille, und für den sind wir alle selber verantwortlich. Und ich bin nicht glücklich darüber, dass wir uns diese wichtige Thematik als ein Wahlkampfthema für 2013 aufheben, weil wir wissen, dass dann wahrscheinlich noch weniger vorangehen wird, als wenn wir die Ratschläge der Experten und Expertinnen aller Parteien befolgt und umgesetzt hätten.

Wir werden dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung nicht erteilen, denn es wäre aus unserer Sicht ein Fortschritt gewesen, die Zentralmatura einzuführen. Die Schüler und Schülerinnen hätten eine Sicherheit gehabt, man hätte auch die Ergebnisse vergleichen können. Aber nein, jetzt zieht man vor der Mauer, vor der schwarzen ÖVP-Mauer den Kopf ein und sagt: Zurück an den Start! – Das werden wir nicht mittragen, und daher werden wir auch unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Grünen.)

15.50


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth: So, jetzt muss die SPÖ das verteidigen, was da beschlossen wurde! Wie macht ihr das? Da bin ich gespannt!)

 


15.50.50

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Monaten hat es seitens der Schulpartner, der Schülerinnen und Schüler, der Eltern, der Lehrerinnen und Lehrer, im Hinblick auf die AHS-Reifeprüfung und die BHS-Reife- und –Diplom­prü­fung Bedenken zum Zeitplan gegeben, was die Einführung der „Matura neu“ anbelangt. Diese wurden geäußert, und diese werden jetzt auch einmal ernst genommen.

Und man muss auch sagen, dieser heutige Beschluss ist ein reines Optionenmodell, wo sich die Standorte über den Schulgemeinschaftsausschuss aussuchen können, welche Variante sie bevorzugen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 117

Kollege Dönmez, ich verstehe deine Kritik in diesem Fall eigentlich nicht wirklich. Wohl­gemerkt: Diese Bedenken sind rein zum Einführungszeitraum angebracht worden, nicht jedoch zum Projekt „Matura neu“ insgesamt. Dieses neue bildungspolitisch wich­tige Projekt ist und wird nicht in Frage gestellt!

Die neue Reifeprüfung an den AHS kann mittels Entscheidung des Schulgemein­schaftsausschusses mit einer Zweidrittelmehrheit in jeder Kurie wie geplant 2013/14 stattfinden. Dieser Beschluss ist spätestens bis zum Ende der siebenten Schulstufe zu fassen. Gibt es diesen nicht, dann kommt es zu dieser Verschiebung um ein Jahr nach hinten.

Bei den BHS dasselbe: Auch da kann mittels Entscheidung des Schulgemein­schaftsausschusses mit Zweidrittelmehrheit in jeder Kurie die neue Matura im Jahr 2014/15 stattfinden – ansonsten 2015/16.

Niemand wird letztendlich behaupten können, dass eine einheitlich organisierte und für alle Maturantinnen und Maturanten im Land gleich lautende Prüfung mit denselben Fragen eine Verschlechterung darstellen würde. Natürlich ist diese neue Matura gerade für die Lehrerinnen und Lehrer mit einer großen Umgewöhnung verbunden – aber wer hat denn in seinem Berufsleben nicht mit Veränderungen zu tun? Ob es einem passt oder nicht, man muss einfach damit leben, dass es diese beruflichen Verän­derungen immer wieder gibt. Im Gegenteil, ich sehe in der Zentralmatura letztendlich auch einen Vorteil für die Pädagoginnen und Pädagogen, nämlich dass sie sich so nicht dem Vorwurf aussetzen müssen, irgendwie parteiisch oder unsachlich gehandelt zu haben.

Mit diesem Gesetz wird die Möglichkeit eröffnet, den Zeitpunkt um ein Jahr nach hinten zu verschieben oder am beschlossenen Einführungstermin festzuhalten. Damit wurde seitens der Frau Bundesministerin signalisiert, dass ihr gelebte Schulpartnerschaft ein Anliegen und dementsprechend wichtig ist. Daher verstehe ich die Reaktionen, die bis hin zu Rücktrittsaufforderungen gegangen sind, überhaupt nicht und finde sie völlig unangebracht, zumal viele großen Initiativen wie Bildungsstandards, Klassenschüler­höchst­zahlen, verpflichtendes letztes Kindergartenjahr, Bildungsplan für die Kindergärt­nerinnen und Kindergärtner, Sprachförderung für die Kleinsten und vieles mehr bereits umgesetzt wurden. Allein 49 Regierungsvorlagen aus dem Bildungsbereich sprechen für sich.

Wenn du, Frau Bundesministerin, in der Debatte im Nationalrat gesagt hast, möglicher­weise bist du im Ranking dadurch etwas zurückgefallen, kann ich nur sagen: Geh diesen Weg unbeirrt weiter! Wir wissen, was von solchen Rankings in der Regel zu halten ist. Die sozialdemokratische Fraktion wird dich weiterhin unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


15.54.34

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren heute einen Beschluss des Nationalrates, wonach für den Start der teilzentralen Matura mehr Vorbereitungszeit gegeben wird, nicht mehr und nicht weniger, und vor allem denen, die sie brauchen.

Efgani, wir schaffen nichts ab, wir heben da nichts auf, wir gehen nicht zurück an den Start. Wir geben letztlich ein bisschen mehr Zeit. Das ist heute nicht der Weltuntergang in der Bildungspolitik, wie du ihn uns skizziert hast, und Gott sei Dank ist die Matura


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 118

auch nicht der wichtigste Event eines Bildungslebens, so wie du ihn dargestellt hast. Es ist dieser Beschluss lediglich eine Verschiebung, und die halten wir für sinnvoll. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich gebe zu, ich war ursprünglich auch sehr skeptisch, als die ersten Wünsche nach einer Verschiebung gekommen sind, weil ich – und ich habe das hier auch gesagt, auch für meine Fraktion – die teilzentrale Matura für einen wichtigen Schritt halte, was die Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen betrifft. Ein Schüler soll wissen, was seine Ausbildung wert ist, soll sich verlassen können, dass er, wenn er die AHS, die BHS absolviert hat, gewisse Grundkenntnisse hat, die an allen Schulen gleich sind, und er keinen Nachteil hat, wenn er vielleicht zufällig in eine Schule geht, wo etwas nicht gelehrt wird, was er später brauchen kann. Und sie lässt nach wie vor auch individuelle Elemente zu, wo man auf den Schüler, den Schultyp, den Schulort, die Schulgemeinschaft abstellen kann.

Ich war auch skeptisch, weil ich natürlich diese Veränderungsresistenz im Bildungs­wesen kenne – und die kommt nicht nur von einer Fraktion, man kann die nicht parteibuchmäßig zuteilen, lieber Kollege Efgani Dönmez. Es gibt halt einfach Men­schen, die sich mit Veränderungen schwerer tun, und Menschen, die sich damit leichter tun. Und das muss man auch ernst nehmen. Ich habe am Anfang Sorge ge­habt, dass es so ein Reflex war, aber ich glaube, das ist allen von uns so gegangen.

Ich war bei einer Diskussion beim Riesenrad, da waren Politikerinnen und Politiker aller Parteien dabei, unter anderen auch Daniela Musiol von den Grünen; du kannst sie ja fragen. Wir waren beim Riesenrad mit parteipolitisch überhaupt nicht zuordenbaren jungen Menschen, die eingeladen waren, mit Politikern ein Speed Dating zu machen, und ich kann dir sagen, in jedem Riesenrad-Waggon – wir sind mehrere Runden gefahren, immer wieder mit neuen Gruppen – war das ein Thema. Das waren Schüler, die jetzt nicht von jemandem vorher infiltriert wurden oder über die irgendein „Beton­mischer“ vorher drübergefahren ist, sondern die einfach gesagt haben: Für uns ist das ein Problem! Und ich finde, das muss man ernst nehmen.

Ich habe viele Gespräche geführt, mit Lehrerinnen und Lehrern, mit Schülerinnen und Schülern, die gesagt haben, es bereitet uns Probleme, wenn wir so rasch umstellen müssen, oder, wir haben auch noch offene Fragen, die wir gerne besser lösen würden.

Ich möchte daher die Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund stellen, in ihrer Vertretung die gewählte Bundesschulsprecherin Conny Kolmann, die es geschafft hat – und das ist in einer Demokratie so, ich muss mir eine Mehrheit mit über­zeu­genden Argumenten schaffen –, medial sehr eindrucksvoll, wie ich finde, die Argu­mente der Schülerinnen und Schüler, die sich unsicher fühlten, die da mehr Zeit wollten, darzustellen. Und dafür der Conny Kolmann und der Bundesschülervertretung große Anerkennung. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich werde mit meiner Fraktion dem Vorschlag der Verschiebung heute zustimmen und somit gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch erheben, weil ich will, dass gut Gemeintes – und wir meinen es alle gut mit dieser Reform – auch gut gemacht werden kann vor Ort, weil ich will, dass wir der Umsetzung der teilzentralen Matura mehr Zeit und damit mehr Zukunft geben, und weil ich will, dass wir mit dem Optionenmodell denen, die schon gut vorbereitet sind, die Chance geben, beim Termin zu bleiben, der vereinbart und avisiert war, aber denen, die mehr Zeit brauchen – die Welt ist halt bunt, nicht jeder ist gleich schnell –, die Zeit geben, die sie brauchen. Und weil ich damit auch die Hoffnung verbinde, dass wir alle, im Parlament wie im Ministerium, daraus gelernt haben und die Schulpartnerinnen und Schulpartner, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler vor allem, weil um die geht es, und


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 119

auch die Eltern rechtzeitiger und ernsthafter in solche Diskussionen einbinden. Dann würden wir uns nämlich manches Hin und Her ersparen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


15.59.19

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren an den Fernsehgeräten! Lieber Kollege Dönmez, ich schätze dich ja norma­lerweise wirklich sehr, höre dir auch gerne zu, aber heute hast du, als du da heraußen gestanden bist, eine Arroganz an den Tag gelegt, wenn du meinst, dass die Grünen die Einzigen seien, die wissen, wie Bildungspolitik geht. Diesen Eindruck hast du zu vermitteln versucht. Das einzig wahre Rezept hättet ihr. (Bundesrat Schreuder: In diesem Fall stimmt es sogar!)

Diese Arroganz kenne ich normalerweise nur von den Regierungsparteien; von denen sind wir das gewöhnt. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass die Grünen, die ja so gerne an der Regierung teilhaben wollen, bevor sie noch auf einer Regierungsbank Platz genommen haben, schon jetzt die Allüren von Regie­rungsmitgliedern haben, verwundert mich doch sehr. Ich würde mit diesen Allüren ein bisschen warten, bis es so weit ist; dann ist immer noch Zeit und es ist immer noch fehl am Platze.

Aber es zeigt sich schon, wie ihr tickt. Ihr sagt gerne, ihr seid immer für Demo­kratie­beteiligung, immer für Bürgerbeteiligung. Allerdings habe ich jetzt den Eindruck, offensichtlich nur in der Theorie, denn beim Parkpickerl in Wien ist das so eine Sache – das hatten wir heute schon (Bundesrat Beer: Das wird wahrscheinlich eine Matura­frage! – Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), das werdet ihr auch noch öfter hören –: Es ist halt wirklich ein Kuriosum, einfach etwas zu beschließen, dann gibt es Widerstand von der Bevölkerung, was man schon vorher wissen konnte, wenn man ein bisschen hingehört hat, und dann werden 170 000 Unterschriften dagegen gesammelt.

Was macht man? – Man führt es zuerst ein, um dann abzustimmen. Der Bezirks­vorsteher meines Bezirks, Wien 7, Neubau, hat das Gleiche versucht – auch ein Grüner. (Bundesrat Stadler: Zentralmatura!) Er hat in einer Nacht- und Nebelaktion nach der Wien-Wahl in der Gardegasse eine Fußgängerzone eingeführt – gegen den Willen der dort ansässigen Bevölkerung, bis auf zwei Grün-Sympathisanten, die davon profitiert haben. Da es aber eine sehr starke Bürgerinitiative gegeben hat, musste er das wieder zurücknehmen, weil die Bürgerinitiative einfach nicht lockergelassen hat. (Bundesrat Stadler: Sie haben sich falsch gemeldet! Allfälliges kommt ganz zum Schluss! Wir reden von der Zentralmatura!) Es gab dann erzwungenermaßen, aber eben auch im Nachhinein, eine Abstimmung im Bezirk und damit war das Ganze gegessen. Also man sieht da schon ein bisschen die Stoßrichtung.

Das Gleiche ist jetzt bei der Schulpartnerschaft. Es war ja nicht die ÖVP alleine, die daran Kritik geübt hat. Zuerst haben sich die Lehrer aufgeregt. Nicht nur die schwarzen Gewerkschafter haben nach eurem Dafürhalten die Lehrer vor sich hergetrieben, sondern es hat halt – zuerst von den Lehrern, dann aber zunehmend auch von den Eltern, aber letzten Endes auch von den Schülern – Kritik an der Umsetzung dieser Zentral­matura gegeben beziehungsweise hat man sich nicht ausreichend vorbereitet gefühlt.

Das ist Schulpartnerschaft, dass man sagt: Können wir das nicht verschieben? Wo ist das Problem? (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) Jetzt zu sagen, die Zentral-


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matura wird leider verschoben und gleich so zu tun, als ob sie auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden soll, finde ich wirklich unfair. Und das sage ich, obwohl wir damals gegen die Zentralmatura gestimmt haben, aber nicht, weil wir prinzipiell dagegen sind.

Die Zentralmatura ist eine wirklich langjährige Forderung der Freiheitlichen, die sich schon in den Bildungsprogrammen der achtziger Jahre gefunden hat. (Bundesrat Beer: Früher schon! Siebziger!) – Oder siebziger Jahre! Danke. Siebziger Jahre. Noch früher! Bitte schön. Ich sehe, die Kollegen lesen unsere Parteiprogramme. Das kann nur gut sein. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber das fordern wir wirklich schon lange. Wir waren mit der vorwissenschaftlichen Arbeit unzufrieden. Und ja, ich gebe auch zu, im Hintergrund ist auch so ein gewisses Bedenken dahin gehend gewesen, ob man nicht wieder zu einer weiteren Senkung des Niveaus kommen wird. Das ist auch noch nicht ganz ausgeräumt, muss ich sagen.

Aber ich finde es richtig, auf die Kritik oder auf die Sorgen von Eltern, Lehrern und Schülern einzugehen und zu sagen: Für jene, die sich nicht ausreichend vorbereitet fühlen, verschieben wir sie um ein Jahr. Und all diejenigen, die sich fit genug fühlen, kön­nen sie ja machen, auch wenn es wahrscheinlich ein bisschen schwierig sein wird, in jeder Kurie die Zweidrittelmehrheit zu erzielen. Ich hoffe, dass das gelingt. Also warum soll es nicht sein? Man hat dann auch Zeit, auf jene Bedenken einzugehen, die ja auch schon im Vorfeld geäußert worden sind.

Die Politik hat zuerst einmal gesagt: Nein, wir verschieben sie nicht. Dann, nachdem der Druck zu groß geworden ist, hat man gesagt: Na gut, verschieben wir sie doch. Und es gab ja auch sachliche Kritik. In Mathematik zum Beispiel hat der Mathe­matikdidaktiker Peschek gesagt: Da könnte es zu große Unterschiede geben, weil als Maßstab nicht nur das hergenommen werden soll, was man können soll, wenn man eine Zentralmatura macht, sondern auch das, was die Schüler schon können. Also dieses alte Motto, man soll die Schüler dort abholen, wo sie sind, mit dem ich auch nicht immer einverstanden bin.

Ich glaube, eine Zentralmatura hat schon den Sinn herauszufinden: Wo ist der Level? Was müssen die Schüler können? Und das, egal, ob sie jetzt aus einer AHS oder aus einer BHS kommen, halte ich schon für wesentlich.

Aber ich muss es auch in Kauf nehmen, zumindest am Anfang, dass ich sage: Okay, dann fliegen halt ein paar Schüler in der einen oder der anderen Schule durch. Das will man aber offensichtlich nicht. Man hat da irgendwie Angst, dass es ein schlechtes Bild auf das Bildungssystem oder auf die Lehrer wirft, wenn zu viele durchfallen. Ich sehe das aber durchaus als Chance zu fragen: Woran hakt es denn? Woran liegt es in der Schule, dass diese Schüler schlechter waren?

Erst dann haben wir nämlich wirklich die Vergleichbarkeit – nicht, wenn man vor lauter Angst, dass zu viele durchfallen könnten, gleich wieder die Latte nach unten legt und sagt: Das darf um Gottes Willen nicht sein. Darüber könnte und sollte man nach unserem Dafürhalten auch noch nachdenken.

Das Zweite ist, dass auch beim Fach Deutsch Kritik geäußert worden ist. Wir haben das gestern im Ausschuss besprochen. Der Herr Sektionschef hat versucht, das ein bisschen zu zerstreuen und hat gesagt: Nein, das ist alles nichts so!

Aber auch da, würde ich sagen, muss man die Kritik ernst nehmen, die sich vor allem daran entzündet, dass bei der Grammatik, Orthographie, Beistrichsetzung der Rahmen zu breit gespannt ist. Das heißt, keiner weiß genau, welche Fehler jetzt wirklich zählen und was ein gravierender oder ein weniger gravierender Fehler ist. Wie viele gravierende Fehler darf man tatsächlich machen?


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 121

Klar ist: Ein Maturant sollte schon möglichst fehlerfrei schreiben können – grammati­kalisch, aber auch rechtschreibmäßig. Nichts ist peinlicher, als wenn man die Hoch­schulreife hat und dann strotzt das Bewerbungsschreiben vor lauter Fehlern. Wir sollten nicht zulassen, dass wir eine Fehleranzahl haben, die weder gewünscht noch gut für diejenigen ist, die die Matura machen.

Das heißt, auch da könnte man noch einmal schauen, ob die Kritik berechtigt ist und gegebenenfalls noch nachjustieren. Was wir Freiheitliche von der Zentralmatura wollen, das ist Vergleichbarkeit. Wir wollen die Vergleichbarkeit der Schulen mit ein­heit­lichen Fragestellungen. Was wir nicht wollen ist quasi eine vereinheitlichte Schule, dass, was wir immer sagen, dem Einheitsbrei Tür und Tor geöffnet wird. Wir wollen jedenfalls keine Gleichmacherei.

Aber wir werden auf jeden Fall dieser Verschiebung zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


16.07.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Entschuldigen Sie, dass ich jetzt nicht über das rede, worüber ich reden sollte, aber Frau Mühlwerth hat mich jetzt doch zu einem Redebeitrag motiviert.

Ich stelle mich jetzt einfach schützend vor meinen Kollegen Efgani Dönmez. Sie haben uns und ihm im Speziellen „Arroganz“ vorgeworfen. – Sorry, Frau Kollegin, wenn ich Mitglied einer Partei bin, die in Kärnten regiert, mit einem Uwe Scheuch (Ruf bei der FPÖ: Mein Gott!) – nicht: „Mein Gott!“ (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh!) –, der glaubt, über dem Gesetz zu stehen, der glaubt, den Bundespräsidenten und die National­ratspräsidentin mit merkwürdigen Aussagen bedrohen zu können, dann würde ich das Wort „Arroganz“ an Ihrer Stelle besonders vorsichtig in den Mund nehmen. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Bundesrat Krusche:  Vassilakou !)

Besonders interessant finde ich ja, dass Sie jetzt gerade für die Vergleichbarkeit von Schulen plädiert haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja natürlich!) Und gleichzeitig haben Sie jetzt – ich komme auf das Parkpickerl – gesagt, man sollte das Volk vorher befragen, bevor man das Parkpickerl einführt.

Jetzt erzählen ich Ihnen etwas über die City-Maut-Einführung. Ich weiß, ich bin jetzt ein bisschen vom Thema weg, aber ich bin gleich fertig. Frau Kollegin Mühlwerth hat auch gedurft, jetzt darf ich auch. In Stockholm hat man die City-Maut eingeführt. (Bundesrat Krusche: Das haben wir schon gehört!) Man die Leute vergleichen lassen, so wie Sie das bei den Schulen möchten, und dann hat man sie gefragt: Was hat euch besser gefallen? – Genau das! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Und das wollen Sie uns nicht zugestehen. Wer ist jetzt arrogant?, frage ich Sie. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

16.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied – Bitte.

 


16.09.40

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich komme zurück zum Hauptthema, zur neuen Reife- und Diplomprüfung.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 122

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da richte ich mein Wort vor allem auch an Sie, lieber Herr Bundesrat Dönmez, die Reife- und Diplomprüfung ist und bleibt eines meiner großen Regierungsprojekte. Die neue Reife- und Diplomprüfung bedeutet ohne Zweifel einen Paradigmenwechsel, in allererster Linie für die Lehrerinnen und Lehrer. Den haben sie bislang alle selbst bewerkstelligt, Fragen ausgearbeitet, geprüft, beur­teilt, benotet. Ohne irgendwelche Standards, klar vorgegebene Kompetenzniveaus zu haben, erfolgt hier ein Paradigmenwechsel, jedenfalls in zentralen Fächern – das wird in den meisten Fällen Deutsch, Mathematik, lebende Fremdsprache sein –, wo an einem Tag zu einer genau fixierten Uhrzeit bei den schriftlichen Prüfungen die Fragen zentral vorgegeben werden.

Das ist ein Paradigmenwechsel für ganz Österreich. Ich sage aber gleichzeitig, das ist auch ein höchst notwendiger Paradigmenwechsel, weil diese Vorgangsweise zu einer Objektivierung der Matura führt und weil wir damit auch Anschluss an internationale Entwicklungen finden, denn immerhin haben 23 von 27 Staaten bereits standardisierte Formen der Matura im Einsatz. Und wenn wir jetzt auf europäischer Ebene zum Beispiel über nationale Qualifikationsrahmen sprechen, dann können wir auch vor internationalen Entwicklungen nicht einfach Halt machen.

Es war daher richtig, sich im Jahr 2009 auf dieses Entwicklungsprojekt einzulassen und es war wichtig, dass wir im Jahr 2009 diese gesetzliche Basis geschaffen haben, denn seit diesem Zeitpunkt arbeiten die Universitäten, die Pädagogischen Hoch­schulen und das BIFIE mit höchster Konzentration an der Vorbereitung und Umsetzung dieser Maßnahme. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders bei den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern auch des BIFIE bedanken, die hier wirklich Pionierarbeit leisten und diesen Bereich sehr gut vorbereiten.

Ich freue mich, dass speziell im Unterrichtsausschuss, auch von Ihrer Partei, vom Herrn Abgeordneten Walser, die Arbeit des BIFIE und auch aller Betroffenen und Be­teiligten explizit gelobt wurde. Ich möchte auch in Richtung von Frau Mag. Rausch sagen, die Schulpartner waren und sind laufend in die Entwicklung miteingebunden. Das ist immer schon im Projekt vorgesehen gewesen.

Das, was uns auch wichtig war – und bei einem Entwicklungsprojekt dieser Dimension ist das einfach der Fall –, ist, dass natürlich auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden mussten, Lehrpläne kompetenzorientiert, Lehrbücher kompetenzorientiert zu haben und natürlich alle Details, die dazu notwendig sind, in den entsprechenden Verordnungen zu klären, also Verordnung für den AHS-Bereich, Verordnung auch für den BHS-Bereich. Da geht es um 1 000 Kleinigkeiten.

Es sind aber dann im Einzelfall keine Kleinigkeiten: Darf das Wörterbuch verwendet werden? Ja, nein, welches? Taschenrechner? Ja, nein, welcher? Wie schaut das bei den mündlichen Prüfungsfragen mit dem Ziehen der Prüfungsgebiete aus? Geht das gezogene Prüfungsgebiet wieder zurück „in den Topf“ – unter Anführungszeichen – und kann für den neuen wieder neu gezogen werden? Das sind ganz viele Details und Einzelheiten, die zu lösen waren.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin sehr froh, auch über die Diskussion heute hier im Bundesrat, dass wir jetzt nicht mehr darüber sprechen, ob es diese neue Matura in Österreich geben soll oder nicht, sondern dass es um die Frage des Zeit­punktes und um die Frage der Vorbereitungsdauer geht.

Und wenn ich mir anschaue, Herr Bundesrat Dönmez, wie es um die Halbwertszeit bildungspolitischer Maßnahmen bestellt ist, dann stelle ich fest, wenn wir hier Maßnahmen einführen, dann haben wir eine Halbwertszeit – ich schätze jetzt einmal – von 50 Jahren.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 123

Das ist ein Projekt, das Jahrzehnte im Schulsystem leben und wirksam sein wird. Und wenn es für Eltern, Schüler und Lehrer von Vorteil ist, wenn es ihnen hilft, ihre Energie jetzt in die Vorbereitung zu investieren und nicht mehr in Verschiebungsdiskussionen, dann ist die heutige Entscheidung eine gute Entscheidung, weil sie nicht mehr die Matura an sich in Frage stellt, sondern weil es um einen Vorbereitungszeitraum geht. Ich bin sehr froh, dass auch der Regierungspartner bereit war, hier einen Initiativantrag mitzutragen – vor allem Elmar Mayer und Werner Amon haben mich sehr unterstützt – und jetzt dieses zusätzliche Vorbereitungsjahr möglich wird.

Ich bin sehr neugierig, ob es Schulstandorte geben wird, die auch zum ursprünglichen Termin antreten werden. Ich höre, da gibt es einen großen Ehrgeiz, vor allem im Bereich der Berufsbildenden Höheren Schulen zu sagen, ja, wir stehen zum ursprüng­lichen Zeitpunkt. Die Möglichkeit ist da. Natürlich können auch einzelne Schulver­suche – Frau Bundesrätin Mühlwerth hat das auch erwähnt, wir haben ja Schulver­suche schon sehr erfolgreich im Einsatz – fortgeführt werden.

Also summa summarum: Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wir hätten am ursprünglichen Zeitplan festgehalten. Das ist gar keine Frage. Ich war mir auch zum Zeitpunkt der Entscheidung dessen bewusst, dass mir das nicht die großen Jubel­meldungen der Zeitungskommentatoren bringen wird, aber ich muss Ihnen sagen, vor die Alternative gestellt, dass es jetzt weitere Landtagsbeschlüsse gibt – ich erinnere an Niederösterreich, an Kärnten, Vorarlberg war in Vorbereitung, wo auf Verschiebung plädiert wird; Frau Mag. Rausch, Petitionen der Schülerinnen und Schüler, gebt uns noch Zeit zur Vorbereitung –, sage ich, das ist eine gute Entscheidung.

Ich gehe jetzt aber auch davon aus, dass alle engagiert an der Vorbereitung mit­arbeiten, damit dieses Projekt ein Erfolg wird, denn für weitere Verzögerungen hätte wohl jetzt niemand mehr Verständnis.

Eines möchte ich abschließend schon noch betonen, weil Sie, Herr Bundesrat Dönmez, hervorgehoben haben, es waren doch so viele, die gesagt haben, wir sind gut unterwegs. – Wissen Sie, eines ist – und jetzt bin ich das sechste Jahr Ministerin – schon interessant: Laut und deutlich vernehmen wir meistens die Stimmen, die sagen, es geht nicht, wir wollen oder wir können etwas nicht, oder die Stimmen, die Kritik üben. Diejenigen, die sagen, ja, es geht, sind oft sehr leise. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass diese Stimmen, ja, es ist gut vorbereitet, ja, es geht, speziell auch vom Herrn Abgeordneten Walser, schon früher gekommen wären und nicht erst im Nachhinein.

Also ich freue mich über die Bereitschaft, dass doch sehr viele mitgehen können und uns hier unterstützen. Es ist ein großes Reformvorhaben, es wird ganz oben auf meiner Agenda bleiben. Liebe Frau Mag. Rausch, es wird auch bei jedem Schul­partnerdialog ein Fixpunkt auf der Tagesordnung sein. Da lasse ich jetzt keinen mehr aus, auch in der Vorbereitung, denn dieses Projekt wird kommen und es wird ein gutes Projekt sein. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.18

16.18.10

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 124

16.18.4615. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1789 d.B. und 1864 d.B. sowie 8776/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Damit kommen wir zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Bitte um den Bericht.

 


16.19.01

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Frau Bundesministerin! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich verzichte daher auf die Verlesung und komme gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 17. Juli 2012 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schweigkofler. – Bitte.

 


16.20.03

Bundesrat Johann Schweigkofler (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Änderung des Schulorganisations­gesetzes geht es um die Fortführung der sehr erfolgreichen Sprachförderung um weitere zwei Jahre. Diese Sprachförderkurse wurden im Schuljahr 2006/2007 einge­führt, und nach einer Evaluierung einerseits durch das BIFIE, andererseits auch durch die Universität Wien – durch das Institut für Sprachdiagnostik – wurde festgestellt, dass diese Förderkurse unbedingt weitergeführt werden sollten, denn der Spracherwerb, die Sprachförderung ist doch einer der Schlüssel für die Integration.

Diese Sprachförderung, diese Kurse werden einerseits schon in den Kindergärten durch­geführt – dort, Frau Ministerin, ist es so, dass, ich muss das leider Gottes sagen, wenn ich gerade auch meine Umgebung anschaue, gerade den Pädagoginnen und Pädagogen, sprich den KindergärtnerInnen sehr oft auch die Ausbildung dazu fehlt; es gibt Kurse, aber wir müssen schauen, dass wir da noch viel, viel mehr investieren –, und diese Kurse werden dann in der Pflichtschule fortgesetzt.

Es war im Ausschuss einhellige Meinung, dass diese zweijährige Befristung eigentlich schade ist. Wir wollten, dass es eine unbefristete Fortführung gibt, aber auch das Finanzministerium hat da ein Wort mitzureden. Es werden zwar die 24 Millionen € bereitgestellt, aber eben für diese zwei Jahre.

Wir werden selbstverständlich gerne dieser Änderung zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 125

16.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Wenger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.21.38

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kollege Schweigkofler hat schon darauf verwiesen, dass die Förde­rung der Sprache im Grunde genommen alle Handlungsfelder der Bildung und der Integration betrifft. Es ist wirklich ein umfassendes Querschnittsthema, von der Früh­förderung über den Schulbereich von der Grundschule bis zum beruflichen Schul­wesen letztendlich bis hin zur Erwachsenenbildung. Die zentrale Bedeutung im Bildungsprozess wurde ja seit 2006/2007 mit dem System der Sprachförderung kontinuierlich ausgebaut.

Sprachförderung ist nun einmal eine unverzichtbare Maßnahme zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch, und diese Kurse haben sich in den vergangenen sechs Jahren als Instrument der Vermittlung und der Festigung unterrichtssprachlicher Kompetenzen und damit auch einer Steigerung der Unterrichtsqualität, aber auch der sozialen Integration bewährt – die Evaluie­rungs­ergebnisse sind bereits erwähnt worden.

Früher investieren statt später reparieren – ich glaube, das ist langfristig das Ziel, das von der Politik zu verfolgen ist, vor allem auch für Kinder, die in einem Elternhaus aufwachsen, in dem nicht Deutsch gesprochen wird. Die Verbindung zum verpflich­tenden Kindergartenjahr wurde bereits erwähnt.

Mit der Verlängerung dieser Sprachförderung wird all dem Rechnung getragen – immerhin sind budgetär bis 2014 über 47 Millionen € veranschlagt, und es stehen zirka 440 Planstellen zur Verfügung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gute Bildungsqualität entscheidet über die Chancen, die unsere Kinder und unsere Jugendlichen künftig haben werden. Die ÖVP wird der gegenständlichen Novelle daher zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.24.01

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben ja im Wesentlichen schon gesagt, worum es bei den Sprachförderkursen geht. Das will ich jetzt auch gar nicht wiederholen, möchte aber trotzdem eines anmerken – das darf man nämlich auch nicht ganz vergessen und auch nicht verschweigen –: Es geht ja nicht nur um die Zuwandererkinder, es geht leider auch um einheimische Kinder, bei denen die Sprachprobleme ansteigen – was ich wirklich sehr bedauerlich finde –, weil offensichtlich in den Familien zu wenig geredet wird. Die sind auch davon betroffen, und auch denen wird das helfen. Sprache ist der Schlüssel zur Integration, aber auch zum eigenen Weiterkommen und Fortkommen – in dem Fall bei den Ausländern, beim anderen bei den Einheimischen.

Warum ich aber jetzt auf meine Wortmeldung nicht verzichtet habe, hat folgenden Grund: Es gibt sehr viele Fördermöglichkeiten, nicht nur die Sprachförderkurse seit 2006/2007. Es gibt ja über die Jahrzehnte eigentlich schon eine sehr lange Reihe von Schulversuchen, wo man auch einmal schauen könnte, welche davon tauglich sind, um sie ins Regelschulwesen zu übernehmen, beziehungsweise ob man sie anderenfalls auch auslaufen lässt, was fast nicht passiert. Aber was uns schon zu denken geben muss, ist, dass wir trotz aller Fördermöglichkeiten über die Jahre immer noch 20 Pro­zent an Schülern haben, die die Schule nach neun Jahren verlassen und nicht aus­reichend lesen und schreiben können.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 126

Was die Zuwanderer betrifft: Wenn es um die Arbeitslosigkeit geht, auch bei der Jugendarbeitslosigkeit, hat immer der größere Teil einen migrantischen Hintergrund. Bei den Schulabbrechern gibt es das gleiche Bild: Auch dort sind die Migranten überproportional vertreten. Das heißt, die bisherigen Maßnahmen haben nicht oder zu wenig gegriffen.

Ich glaube aber auch, dass das etwas ist, was in den Köpfen der Menschen ankom­men muss, und daher müssen wir uns in der Politik quasi selbst verordnen – das ist jetzt nicht rezeptpflichtig –, die Leute aufzuklären. Man muss hier aufklären, aufklären, aufklären, dass man wirklich nur dann als Teil der Gesellschaft ankommen kann, wenn man die Gesellschaft auch mitgestalten will, wenn man den Schlüsselfaktor Sprache beherrscht. Ich glaube, das können wir den Eltern gar nicht oft genug sagen, denn die Voraussetzungen sind da, es ist auch die Durchlässigkeit des Schulsystems da, man muss es annehmen. Dazu gehört auch Leistungsbereitschaft, dazu gehört auch Disziplin – ein Wort, das sehr lange verpönt war – und dazu gehört auch der Wille, etwas weiterzubringen. Nur dann kann es gelingen.

Da müssen wir auch bei den Eltern – nicht nur bei den Schülern – ansetzen. Aber wir werden dieser Maßnahme selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.27.20

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Bitte? (Bundesrat Mayer: Nicht betonieren!) – Nein, jetzt kriegt ihr Blumen. Ein Wechselbad!

Spaß beiseite: Die Sprache ist zweifelsohne das wichtigste Fundament. Jeder, der ein Haus gebaut hat, weiß, wie wichtig es ist, dass man ein gutes Fundament legt, denn sonst bekommt man früher oder später Risse in den Wänden oder die Decke fällt einem auf den Kopf. Wir haben in Österreich viele Kinder und Jugendliche, die, wie die Kollegin Mühlwerth schon gesagt hat, einen Migrationshintergrund haben, die neben der deutschen Sprache auch ihre Herkunftssprache – ich sage nicht: „Muttersprache“, aber die Sprache aus dem Land, aus dem ihre Eltern stammen oder wo sie selbst hergekommen sind – gut beherrschen sollten.

Ich bin nach wie vor teilweise wirklich erschüttert darüber, dass wir in der Bildungs­politik noch gar nicht realisiert haben, welch wertvollen Schatz wir hier in Österreich vorfinden. – Das ist die eine Sache.

Und die andere Sache ist, wenn ich mir dann anschaue, welche Rahmenbedingungen geboten werden, dass man das so gut wie möglich fördert und unterstützt. – Jetzt haben wir natürlich diese Sprachförderkurse, und die sind zu begrüßen. Das, was ich kritisiere, ist, dass sie zeitlich befristet sind, dass es diesbezüglich für alle Betroffenen keine Planungssicherheit gibt, denn dass man Sprache ordentlich erlernt, das passiert nicht innerhalb kurzer Zeit, wie wir wissen, sondern man braucht einen längeren Zeitraum dafür. Da wäre es meines Erachtens – und nicht nur meiner Meinung nach, sondern auch gemäß der Meinung von Experten und Expertinnen – wichtig, dass man das nicht zeitlich befristet, sondern dass es selbstverständlich sein sollte, dass es Sprachförderungen gibt. Und was das Argument der knappen Budgets anlangt: Dass man dann genau dort zu sparen anfängt, ist ja wirklich das Witzigste, das es überhaupt gibt. Also in diesem Sinne: Die Sprachförderung ist zu begrüßen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 127

Was wir auch im Ausschuss etwas kritisch angemerkt haben, ist, dass die Evalu­ierungsberichte nicht oder nur sehr schwer zugänglich sind. Wenn das so eine gute Sache ist, wie es eben propagiert wird, dann ist eigentlich nur die logische Konsequenz davon, dass wir auch die Ergebnisse einsehen können.

Eines halte ich für ganz, ganz wichtig, nämlich dass wir von dem Gedanken weg­kommen müssen: Das alles sind Kinder, die uns nur Probleme bereiten!, sondern im Gegenteil, das sind Kinder und Jugendliche, die ein immenses Potenzial in sich tragen. Unsere Wirtschaft lebt ja gerade vom Export, zu über 60, 70 Prozent. Und etwas Besseres kann uns gar nicht passieren, als dass wir Kinder und Jugendliche haben, die mehrere Sprachen sprechen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Es ist mittlerweile schon Standard, dass mindestens zwei Sprachen gesprochen werden, und in der Schule lernen sie dann noch eine dritte. – Etwas Besseres kann uns nicht passieren, und wir als Politiker haben die verdammte Aufgabe, dass wir diesen Kindern und Jugendlichen die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, dass sie diese Sprache bestmöglich erlernen können. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie müssen es aber auch annehmen!) – Hier den Fehler oder die Schuld, geschätzte Kollegin Mühlwerth, nur bei den Schülerinnen und Schülern zu suchen, halte ich für falsch; nur das System anzuprangern, halte ich auch für falsch.

Ich bin seit über zehn Jahren in der Jugendarbeit tätig, und ich kann Ihnen sagen, da ist mir wirklich alles untergekommen – Schuldirektorinnen und Schuldirektoren und Lehrer und Lehrerinnen, die einen Zugang haben, wo ich mir denke, denen würde ich nicht einmal einen Hund anvertrauen, wenn der sagt: Na, dann tun wir halt noch einen Sessel hinein und der soll sich reinsetzen (Bundesrätin Mühlwerth: Da sind wir wieder bei der Lehrerausbildung!), oder auch Kinder und Jugendliche, die wirklich kein Inter­esse daran haben, die Sprache zu erlernen, oder die generell kein Interesse am Lernen haben. Also da gibt es die volle Bandbreite. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Unsere Aufgabe als Gesellschaft sollte es sein, die Rahmenbedingungen anzubieten. Dass es aber im Verantwortungsbereich der Individuen liegt, das anzunehmen, was dann angeboten wird, das ist für mich ganz logisch.

In diesem Sinne: Wir unterstützen die Sprachförderkurse, wir werden dem unsere Zustim­mung erteilen. Über die zeitliche Befristung sind wir weniger glücklich, und es wäre auch toll, wenn wir die Evaluierungsberichte einsehen könnten, denn dann kann man auch darüber diskutieren, wo wir Veränderungen vornehmen müssen, um für alle Beteiligten das Bestmögliche herauszuholen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

16.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte, Frau Ministerin.

 


16.32.13

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich betone es, aber ich denke, es ist ja jetzt auch schon in Ihren Wortmeldungen sehr, sehr klar ausgesprochen worden: Die Verlängerung einer gezielten Sprachförderung ist einfach eine notwendige Maßnahme. Wenn wir uns die Zahlen etwa von Wien anschauen, dann sind 45 Prozent der Kinder, die heute in Wien die Pflichtschule besuchen – also Volksschule, Hauptschule, Neue Mittelschule –, Kinder, die aus Familien kommen, wo zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird. 45 Prozent, also nahezu jedes zweite Kind.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 128

Wenn wir davon ausgehen – und das sind ja Fakten –, dass diese jungen Menschen in 15, 20 Jahren über die Geschicke unseres Landes bestimmen, dann ist es ja nicht nur eine soziale Frage, alle Kinder bestmöglich zu fördern, sondern es ist natürlich in einem hohen Maß auch ökonomisch rational, auf kein Potenzial zu verzichten. Das heißt, die Maßnahme ist notwendig.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir hier im Jahr 2014 dann eine weitere Verlän­derung – Entschuldigung: Verlängerung, nicht Verländerung –, Verlängerung der Sprachförderung besprechen werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Und vielleicht gelingt es ja auch, da hier der Pflichtschulbereich angesprochen ist – und insofern war „Verländerung“ ja nicht so ganz der falsche Pfad (Bundesrätin Mühlwerth: Eben!) –, das auch aus einer Sonderdotation herauszuholen und als selbstverständliche Maßnahme im Finanzausgleich für den Pflichtschulbereich zu verankern. Das wäre dann, denke ich, der ideale Zeitpunkt.

Ich sehe diese Maßnahme, so wie es auch meine Vorredner bereits betont haben, in Verbindung mit dem verpflichtenden Kindergartenjahr. Die entsprechende Förderung kann nicht früh genug ansetzen – auch das wissen wir aus sehr, sehr vielen Studien –, und es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass junge Menschen, die in Österreich die Schule besuchen, die deutsche Sprache beherrschen müssen. Das ist ent­scheidend für den Bildungserfolg, das ist entscheidend für die weitere Laufbahn. Und – wie das Herr Bundesrat Schweigkofler auch betont hat – wir müssen selbst­verständlich die Lehrerfortbildung, aber auch die Fortbildung der Elementarpädagogen und –päda­goginnen an den Pädagogischen Hochschulen intensivieren, was das Deutschlernen für Kinder mit anderer Muttersprache betrifft, aber natürlich auch die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, die muttersprachlichen Unterricht erteilen, und natürlich auch das interkulturelle Lernen.

Ich möchte Ihre Ausführungen, Frau Bundesrätin Mühlwerth, zum Thema „Bedeutung der Sprache“ sogar noch erweitern. Es muss uns einfach gelingen, den Stellenwert von Bildung und Ausbildung in der Gesellschaft gut zu verankern, als Wert zu verankern. Wir haben als Gesellschaft nichts Wertvolleres als die nächste Generation, und der Erfolg hängt einfach davon ab – und da schließe ich mich ganz Markus Hengstschläger an –, dass wir individuelle Leistungsvoraussetzungen koppeln mit Disziplin, mit harter Arbeit, um da auch zu Spitzenleistungen, zu guten Erfolgen zu kommen. Die Zukunft liegt in allen Menschen, die hier, in unserem Land leben, und daher ist es gar keine Frage, ob wir in Bildung investieren, wir müssen in Bildung investieren.

An dieser Stelle möchte ich nur ganz kurz eine Zwischenbilanz geben, weil mich das auch selber ein bisschen interessiert hat: Wir haben seit dem Jahr 2007 49 Regie­rungsvorlagen zum Themenbereich Bildung eingebracht. 36 davon wurden im Unter­richts­ausschuss behandelt. Da geht es um bildungspolitische Maßnahmen, das heißt, um sehr, sehr viele Einzelmaßnahmen – um das verpflichtende Kindergarten­jahr, die kleineren Klassen, die Bildungsstandards, die Oberstufenreform, die Sprachförderung, Lehre und Matura, Nachholen von Bildungsabschlüssen und, und, und. Das ist ein riesiges Programm, das wir derzeit umsetzen. – All die Maßnahmen müssen dann auch bei den jungen Menschen, bei den Schülern und Schülerinnen ankommen.

Im Vergleich dazu – also ich bin jemand, der sonst nicht so mit Vergleichen lebt – gab es in der Periode 2000 bis 2006 16 Regierungsvorlagen im Bildungsbereich. Das heißt, es hat hier ein Aufholprozess begonnen.

Viele Maßnahmen müssen erst noch im Klassenzimmer ankommen, und es liegt auch noch viel Arbeit vor uns, aber ich möchte hier auch ein Plädoyer für eine positive Stimmung halten, was Schule betrifft, vor allem, was alle Menschen betrifft, die sich in der und für die Schule engagieren. Wir brauchen dringend auch eine positive Haltung


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 129

und eine Kultur des Gelingens, denn immerhin gab es bis jetzt 49 Regierungsvorlagen, davon wurden 36 in den diversen Ausschüssen behandelt, und diese sind auf dem Weg ins Klassenzimmer oder schon dort, auch mit den entsprechenden Beschäfti­gungs­effekten.

Also bitte, Sie dürfen eines nicht vergessen: Wir haben, wenn ich die kleineren Klas­sen, die Neue Mittelschule, das Teamteaching, unsere heutigen Beschlüsse, wenn ich das jetzt alles zusammenrechne, etwa 7 000 bis 8 000 Lehrerposten geschaffen. Wir müssen das ja auch unter Beschäftigungsaspekten sehen! Das heißt, wir investieren in Bildung.

Die Erfolge werden sich nach und nach, schrittweise einstellen, weil wir das natürlich auch anhand der Karriere und des Bildungswegs der jungen Menschen sehen müssen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

16.38

16.38.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.38.59 16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz über den Erwerb des Pflichtschulabschlusses durch Jugendliche und Erwachsene (Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz) (1802 d.B. und 1865 d.B. sowie 8760/BR d.B. und 8777/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. Bitte um den Bericht.

 


16.39.09

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz über den Erwerb des Pflichtschulabschlusses durch Jugendliche und Erwachsene.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Füller. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.40.02

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Am 2. Februar 2012 haben wir bereits hier die Artikel-15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern zur Förderung von Lehrgängen beziehungsweise zum kostenlosen Kursbesuch für Men-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 130

schen mit Problemen im Bereich der Basisbildung – also Lesen, Schreiben, Rechnen – beschlossen. Heute wird der nächste große Schritt in diesem Bereich vollzogen.

Der Pflichtschulabschluss stellt im Bildungsweg von jungen Menschen einen bedeu­tenden Meilenstein dar. Er bildet die Grundvoraussetzung für den Einstieg in das Berufsleben, das berufliche Fortkommen und den weiterführenden Schulbesuch.

Jugendliche und Erwachsene ab 16 Jahren, die den Pflichtschulabschluss nicht im Rahmen des üblichen Schulbesuchs erlangt haben, können so ihren Pflichtschul­abschluss an Erwachsenenbildungseinrichtungen nachholen.

Unter Pflichtschulabschluss im Sinne des Entwurfs wird der erfolgreiche Abschluss der achten Schulstufe verstanden. Je nach erlangter grundlegender oder vertiefter Allge­meinbildung ergeben sich die Berechtigungen für die Aufnahme in weiterführende Schulen.

Das neue Modell des Pflichtschulabschlusses zeichnet sich durch eine erwachsenen­gerechte und zielgruppenorientierte Ausgestaltung der Prüfungsgebiete und der Kom­pe­tenzanforderungen aus. Erwachsenenbildungseinrichtungen bereiten die Teilnehme­rinnen und Teilnehmer in Anlehnung an die Berufsreifeprüfung auf die Pflichtschul­abschlussprüfung vor.

Seit einigen Jahren bin ich selbst in der Erwachsenenbildung tätig und immer wieder mit den Problemen, die schlechte, mangelhafte oder gar keine Basisbildungs­kompe­tenzen mit sich bringen, konfrontiert. Daher freue ich mich speziell auf diese Novelle.

Die meisten betroffenen Menschen arbeiten oft in Arbeitsverhältnissen oder befinden sich in Sozialprogrammen, die es gerade noch, aber nur sehr schwer ermöglichen, den Bedarf für das tägliche Leben zu decken. Daher war bisher eine entsprechende Mobilität zum Erreichen der Einrichtungen oft auch nicht gegeben. In der Steiermark zum Beispiel ist es bis dato nur möglich, in Graz oder im Gebiet Bruck an der Mur derartige Kurse zu besuchen.

Die heutige gesetzliche Regelung ist – neben der bereits erwähnten Artikel-15a-Ver­einbarung – ausdrücklich zu begrüßen, da Betroffene in Zukunft passende Angebote flächendeckend, also auch im ländlichen Raum in Anspruch nehmen können und durch die finanzielle Absicherung die Angst unter den Erwachsenenbildungs­einrichtungen genommen werden kann, überhaupt Angebote in naher Zukunft zu erstellen.

Jede und jeder Betroffene, der durch einen nachgeholten Pflichtschulabschluss seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern oder aus einem sozialen Beschäfti­gungs­projekt heraus in den regulären Arbeitsmarkt, in ein reguläres Arbeitsverhältnis wechseln kann, ist ein Erfolg. Wir können es uns moralisch, aus sozialen und gesell­schaftspolitischen Gründen, aber auch volkswirtschaftlich nicht leisten, auf 3 500 bis 5 000 Jugendliche ohne Pflichtschulabschluss im Jahr zu verzichten und zu wissen, dass diese einer Zukunft entgegensehen, die eine äußerst schwierige berufliche Situation mit sich bringen wird. Daher unterstützen wir diese gesetzliche Regelung vollinhaltlich und freuen uns auf die Beschlussfassung. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Tiefnig zu Wort. – Bitte.

 


16.43.16

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine geschätzten Damen und Herren vor dem Bildschirm! Zirka 4 Prozent der Schüler, die die achte Schulstufe


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 131

beenden, scheinen weder auf dem Arbeitsmarkt noch im Bildungsbereich auf. Zirka 5 000 SchülerInnen, die die achte Schulstufe beenden, haben keinen Schulabschluss. Es ist daher wichtig, diesen Menschen mit diesem heutigen Gesetz die Möglichkeit zu bieten, den Schulabschluss nachzuholen. Wir brauchen sie insbesondere im Wirt­schafts­leben.

Diese Menschen haben nun durch die an die Berufsreifeprüfung angelehnte Aus­bildung die Möglichkeit, in Mathematik, Deutsch und Englisch den Schulabschluss nachzuholen.

Frau Minister! Danke, dass wir heute dieses Gesetz beschließen können für Men­schen, die es vielleicht nicht so leicht haben, auch aus familiären Gründen, diesen Abschluss zu machen, und dass ihnen jetzt damit der Zugang erleichtert wird. Zurzeit sind es 900 Österreicher und Österreicherinnen, die den Schulabschluss absolvieren. Mit diesem Gesetzesbeschluss sollte diese Zahl auf zirka 1 500 gesteigert werden.

Wir haben in Österreich zirka 280 000 Menschen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren, die keinen Schulabschluss haben. – Bitte, meine Damen und Herren, nützen Sie diese Chance, die Ihnen die Bundesregierung und der Gesetzgeber bieten, und holen Sie den Schulabschluss nach! Sie können sich dadurch weiterbilden und auf dem Arbeitsmarkt festigen.

Meine Damen und Herren! Es ist die Möglichkeit gegeben, beim bfi und in Volks­hochschulen diesen Schulabschluss nachzuholen, Sie haben die Chance! Österreich braucht Sie auf dem Arbeitsmarkt.

Wir stimmen diesem Gesetz natürlich gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


16.45.31

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie meine Vorredner schon gesagt haben, ist es nach dem, was wir vor etwa einem halben Jahr beschlossen haben, erstens ein logischer Schritt, jetzt auch zu beschließen, den Pflichtschulab­schluss nachholen zu können.

Zweitens war das zwar bisher auch möglich, aber eher nur in privaten Institutionen, wo das Geld gekostet hat, das nicht jeder hat. Ich finde es daher gut, dass man das jetzt auf diese Schiene stellt.

Wir werden uns natürlich auch hier Gedanken darüber machen müssen, warum Schüler nach acht Jahren – ich sage es jetzt etwas salopp – keinen Bock mehr auf weitere Schule haben. Man muss darüber nachdenken, was da eigentlich passiert ist.

Die Volksschüler können es gar nicht erwarten, in die Schule einzutreten, sind ganz neugierig und freuen sich darauf, etwas zu lernen, nehmen alles begierig auf, sind mit Feuereifer dabei. Und dann kann man ihnen wirklich zuschauen, wie sie Jahr für Jahr abbauen, bis sie dann so weit sind, dass sie sagen: Mich interessiert die Schule nicht mehr, da setze ich keinen Fuß mehr hinein!

Gott sei Dank ist dann aber doch die Zahl derer, die nach zwei, drei Jahren draufkommen, dass es doch keine so gute Idee war, mit der Schule aufzuhören, und dass man ohne Schulabschluss überhaupt keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, und dann versuchen, diesen Pflichtschulabschluss nachzuholen, nicht so gering. Und das wird ihnen jetzt durch diese Maßnahme erleichtert.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 132

Wir diskutieren immer wieder über Bildung, wo wir uns ja treffen, Frau Minister, Bildung soll einen Wert haben. Ich sage ja wirklich schon sehr lange, dass es auch wichtig ist, anzuerkennen, dass Bildung etwas wert ist und nicht nur irgendetwas ist, das es halt gibt und das man wo aufschreiben kann. Genauso glaube ich aber auch, dass wir nicht in unserem Bemühen nachlassen dürfen, nachzuforschen, warum Schüler nicht mehr in die Schule gehen wollen, warum sie nicht ausreichend lernen, sodass sie dann nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen können, warum sie keine weiterführenden Ausbildungen machen – es gibt ja auch welche, die den Hauptschulabschluss haben, aber dann trotzdem irgendwo verlorengehen, weil sie weder eine Lehre noch sonst irgendetwas machen.

Bei all dem darf man nicht nachlassen nachzufragen, warum dem so ist, und dann muss man die entsprechenden Maßnahmen setzen.

Wir stimmen natürlich zu. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

16.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.48.04

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Monika Mühlwerth, auf Punkt und Beistrich kann ich das, was du gesagt hast, bestätigen (Rufe: Na wow!), muss dem nicht viel hinzufügen, das heißt, meine Redezeit wird sich um deinen Beitrag verkürzen.

Es ist ein wirklich sehr wichtiger Aspekt, dass man sich anschauen muss, warum Schüler und Schülerinnen den Hauptschulabschluss nicht in der Tasche haben! Natürlich spielen dabei individuelle Faktoren eine Rolle, aber auch strukturelle Fak­toren.

Wir als Gesetzgeber bieten jetzt die Möglichkeit, dass diese Personen, die aus welchen Gründen auch immer den Hauptschulabschluss nicht in der Tasche haben, diesen nachholen können, und zwar auch dann, wenn sie in entfernteren Regionen wohnen, denn die Institutionen, die das durchführen – bfi, VHS –, sind wirklich regional verankert. Es gibt also diese Möglichkeit und dieses Angebot. Dass der Ball dann aber auch angenommen wird, liegt an den Betroffenen selbst.

Ich bin auch jemand, der immer wieder von diesen Institutionen zu Gesprächen einge­laden wird. Erst vor Kurzem war ich beim bfi, wo ich Teilnehmer/Teilnehmerinnen dieses Hauptschul-Externistenkurses besucht habe, mich mit ihnen in Gespräche und Diskussionen vertieft habe. Und ich muss ehrlich sagen: tiefen Respekt vor diesen Menschen, die bunt zusammengewürfelt in einer Klasse sitzen, aus unterschiedlichen sozialen Schichten, ÖsterreicherInnen, MigrantInnen, Leute unterschiedlichen Alters, wo 16-, 17-Jährige mit 55-Jährigen in einem Raum sitzen und die Ausbildung machen – und das Ganze unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen, denn viele haben sozusagen Verantwortung zu tragen, weil sie eine Familie haben, oder werden vom AMS gedrängt, einen Job anzunehmen, und das sind nicht leichte Rahmen­bedingungen.

Daher ist es ganz, ganz wichtig, dass wir diesen Menschen die Möglichkeit bieten, den Hauptschulabschluss nachzuholen, denn wir wissen, dass es, wenn jemand diese unterste Stufe nicht hat, sehr schwierig ist, sozusagen auf der Pyramide nach oben zu kommen, auf dem Bildungsweg voranzukommen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 133

Man muss sich ganz genau anschauen, warum junge Menschen die Pflichtschule ohne Abschluss verlassen. Und da wäre es auch sinnvoll und wichtig, sich sozusagen die Übergänge anzuschauen. Es sollte eine Art Meldesystem an die Institutionen, die diese Hauptschulabschlusskurse anbieten, geben: Da hat jemand die Schule abgebrochen, bitte schreibt den an, dass es die Möglichkeit gäbe, den Hauptschulabschluss zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen.

Und wenn man diesen Abschluss nachgeholt hat – diese Rückmeldung habe ich von KursteilnehmerInnen erhalten, das haben viele gesagt, insbesondere die Älteren –, ist es schwierig, denn dann hat man den Hauptschulabschluss nachgeholt, aber aufgrund des Alters bekommt man fast keine Lehrstelle, weil einen fast niemand nimmt. Es ist aber auch sehr schwierig, weiterführende Fort- und Weiterbildungsangebote anzuneh­men – aber nicht deshalb, weil die Ausbildungsstätten die Leute nicht nehmen würden, sondern weil es eben für diese Personengruppe besonders schwierig ist.

Es wäre daher wirklich wünschenswert, sich Gedanken darüber zu machen, welche Perspektiven man diesen Menschen nach dem Hauptschulabschlusskurs, wenn sie die Prüfung in der Tasche haben, eröffnen könnte, damit das Ganze sozusagen wirklich abgerundet ist.

Wir unterstützen das natürlich und begrüßen das. Herzlichen Dank an alle, die das mittragen.

Den Betroffenen wünsche ich viel Kraft auf diesem Weg, der sicher nicht einfach ist, aber er rentiert sich. Sie werden persönlich und auch im beruflichen Sinne davon profitieren. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

16.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Dr. Schmied. – Bitte, Frau Minister.

 


16.52.27

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Zunächst danke für die breite Zustimmung, Unterstützung und die positiven Ausführungen. Durch diese Maßnahme wird sehr vielen Menschen in Österreich der Anschluss zu weiterer Bildung ermöglicht.

Klar, dass das kein Entweder-oder ist, diese Maßnahme ist notwendig, und gleichzeitig müssen wir mit vollem Engagement natürlich auch alle anderen aktiven bildungs­politi­schen Maßnahmen setzen, damit die Zielgruppe dieser Maßnahmen in Zukunft mög­lichst klein ist.

Das ist der Punkt, aber ich denke, zur Abrundung ist dieses Programm absolut notwendig.

Die wesentlichen Punkte aus meiner Sicht sind, dass die Prüfungsvorbereitung analog zur Berufsreifeprüfung primär über die Institutionen der Erwachsenenbildung erfolgt, also zum Beispiel auch Volkshochschulen, WIFI, bfi, also Institutionen, die auch sehr nahe an den Menschen sind. Ich halte das für sehr wichtig.

Der zweite Punkt, wo ich dann auch mit Minister Stöger noch in Detailgespräche eintreten werde, ist, dass dieser Abschluss zum Beispiel auch die Grundlage für Ausbildungen und Kurse im Bereich der Pflege- und Sozialberufe ist, denn dann können wir das Bildungsziel mit konkreten Beschäftigungseffekten verknüpfen. Es wäre ja überhaupt das Beste, wenn das gelänge.

Ich möchte mich bei den Sozialpartnern, die an der Konzeption dieser Maßnahme intensiv mitgearbeitet haben, besonders bedanken.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 134

Und ich kann mich dem Aufruf von Herrn Bundesrat Tiefnig nur anschließen und einen Appell an alle Menschen, die sich durch diese Maßnahme angesprochen fühlen, richten, denn wir haben jetzt die gesetzliche Basis, wir haben die Vereinbarung mit den neun Bundesländern, wir haben die Budgets, wir haben die Vereinbarungen mit bfi, WIFI, Volkshochschulen, und jetzt ist es natürlich wichtig, dass wir auch die Menschen motivieren, diese Kurse zu besuchen und in ihren persönlichen Lebensweg, in die Bil­dung zu investieren.

Das bleibt, denke ich, auch unsere Aufgabe, und da möchte ich auch Sie bitten und motivieren, hier entsprechend zu wirken, damit wir die Menschen auch erreichen und möglichst viele diese Maßnahme auch in Anspruch nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.55

16.55.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.55.3817. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversicherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) und das Bundesgesetz vom 9. Dezember 1981 über den Kunstförderungsbeitrag (Kunstförde­rungs­beitragsgesetz 1981) geändert wird (1965/A und 1836 d.B. sowie 8778/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


16.55.54

Berichterstatter Franz Wenger: Werter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversicherung (Künstler-Sozialversiche­rungs­fondsgesetz – K-SVFG) und das Bundesgesetz vom 9. Dezember 1981 über den Kunstförderungsbeitrag (Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981) geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 135

16.57.00

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen jetzt über das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz, das wir ablehnen werden. Ich möchte kurz begründen, warum – wir sind für eine Systemänderung.

Eine Studie zur sozialen Lage der Künstler sagt, dass sie vor allem dann, wenn sie in Pension sind, in einer prekären Situation sind, die sie in Richtung Armut oder unter die Armutsgrenze führt. Damit befinden sie sich leider wirklich, wie ich betonen muss, in diesem Fall in schlechter Gesellschaft – man wünscht es ja niemanden, dass er in Armut lebt – mit den „normalen“ Seniorinnen und Senioren, die ebenfalls an oder unter der Armutsgrenze leben.

14 Prozent der Pensionistenhaushalte liegen unter der Armutsgrenze, und 22 Prozent der Frauen in Pension sind leben der Armutsgrenze. Wir haben heute Gott sei Dank die Reparatur eines Gesetzes vorgenommen, das bei der Pensionserhöhung gerade jene, die am wenigsten hatten – und das sind großteils Frauen –, benachteiligt hat.

Im Gegensatz zu den Kunstschaffenden bekommen die „normalen“ Pensionisten aber keinen Zuschuss, wenn sie in der Pension weiterarbeiten müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen.

Bisher war es so, dass die Künstler, die sich ja bei der gewerblichen Sozial­versicherung versichern konnten, was 2001 beschlossen wurde, keinen Zuschuss bekommen haben, wenn sie das Pensionsalter erreicht haben oder in Pension gegangen sind und trotzdem weitergearbeitet haben. Das wird durch diese Novellie­rung geändert.

Es ist ja nicht so, dass wir das den Künstlern nicht gönnen und sagen, dass die das nicht bekommen sollen, sondern wir halten das System generell für falsch, weil wir meinen, dass dadurch der Künstler in eine gewisse Abhängigkeit vom Staat und damit auch ein bisschen vom Willen und Wollen, wie Kunst zu sein hat, gebracht wird. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das stimmt leider schon. Den Begriff Staatskünstler gibt es ja nicht erst seit gestern, er ist auch nicht von uns geprägt worden, den haben schon ganz andere geprägt, die halt gemeint haben, auch die demokratisch gewählten Bürgermeister, Landes­haupt­leute, et cetera agieren ein wenig wie Feudalherren und halten sich Künstler mittels Subventionen.

Wir meinen, der Künstler sollte wirklich frei sein. Ich bin nicht diejenige, die den Maßstab anlegt, was in der Kunst richtig und falsch, gut und böse ist, es sei denn, es wird wirklich ungustiös und betrifft Kinder; da haben wir ja schon einige Diskussionen – nicht mit Ihnen, aber schon vor Ihnen – gehabt.

Ich meine, die Kunst soll frei sein und dass die Kunst sich die Leute findet bezie­hungsweise die Leute die Kunst finden, die sie dann erwerben wollen und können. Daher haben wir schon sehr lange dafür plädiert, hier eine Möglichkeit des Kunst­sponsorings zu schaffen, das man auch steuerlich absetzen kann, um einen freien Austausch möglich zu machen. Das funktioniert in anderen Ländern. Es ist ja nicht so, dass das jetzt eine neue Erfindung ist. Es gibt ja Länder, wo das durchaus funktioniert.

Wir halten das für das bessere System und das richtigere System, und deswegen werden wir dieser Vorlage heute nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 136

17.00.59

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Österreich genießt internationales Ansehen als ein Land, in dem Kunst und Kultur einen besonderen Stellenwert haben. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich dieser Ruf nicht nur auf bewahrte Werte der Vergangenheit stützt, sondern auch durch das zeitgenössische künstlerische Schaffen gefördert und gemehrt wird.

Selbständig tätige Künstlerinnen und Künstler hatten bereits bisher Anspruch auf Beitragszuschüsse zur gesetzlichen Pensionsversicherung bis zum Erreichen des ge­setzlichen Pensionsalters, und zwar beim Fonds zur Förderung der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, eingerichtet auf Basis des Künstler-Sozialversiche­rungs­fondsgesetzes und des Kunstförderungsbeitragsgesetzes. Danach besteht aber kein Anspruch mehr auf Beitragszuschuss, wenn bereits Pensionsleistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen werden.

Künstlerinnen und Künstler sind aber oft auch noch nach Erreichen des Pensionsalters schöpferisch tätig. Die soziale Lage vieler Kunstschaffender ist unbefriedigend, und es bedarf der Aufhebung bestehender Benachteiligungen. Die bestehende Regelung führt zu einer Benachteiligung von vor allem einkommensschwachen Künstlerinnen und Künstlern, die aufgrund geringer Pensionshöhe gleichsam zum Weiterarbeiten ge­zwun­gen sind.

Der Gesetzentwurf soll dazu führen, dass Künstlerinnen und Künstler, die beitrags­pflichtige Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielen, auch dann Zuschüsse aus dem Künstler-Sozialversicherungsfonds beziehen können, wenn sie bereits einen Anspruch auf Alterspension haben, eine solche Pension beziehen und weiterhin künstlerisch tätig sind. Die Neuregelung betrifft derzeit, nach meinen Recherchen, rund 80 Personen.

Aufgrund des derzeitigen Fondskapitals ist in den nächsten Jahren keine Beein­trächtigung der Aufgabenerfüllung durch den Fonds zu erwarten. Es erscheint daher in diesem Zusammenhang auch vertretbar, eine Reduzierung der Abgabe vorzusehen, die vom gewerblichen Betreiber einer Kabelrundfunkanlage für jeden Empfangs­berechtigten an den Fonds zu entrichten ist, sowie der Abgabe auf Satellitenreceiver für den Zeitraum von 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2017.

Durch den im Elektrohandel bestehenden Wettbewerb ist eine Weitergabe dieser Ermäßigung an die Konsumentinnen und Konsumenten zu erwarten. Das kann somit einen positiven Nebeneffekt haben.

Ich schlage daher namens unserer Fraktion vor, der Bundesrat möge dem vor­liegenden Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.04.51

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Grimling, Sie haben jetzt die Reduzierung der Mittel für den Fonds angesprochen, weil Kabelnetzbetreiber und Hersteller von Satellitenreceivern nicht mehr in diesen Fonds einzahlen werden. Das ist nämlich der Grund, warum wir dieses Gesetz ablehnen.

Ich möchte Ihnen eine persönliche Erfahrung am Anfang mitgeben. Ich war von 2005 bis 2010 im Unterausschuss des Wiener Gemeinderates zuständig für sogenannte Ehrenpensionen. Ehrenpensionen sind Zuwendungen der Stadt Wien – das wird es in


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anderen Bundesländern vermutlich auch geben, ich weiß es nicht, aber ich nehme es einmal an – für Menschen, die für die Stadt Wien besondere Dienste geleistet haben und die unter ausgesprochen prekären Verhältnissen leben. Ich war ein noch ganz junger, neuer Politiker, ich war neu in der Politik und ich muss Ihnen auch als kunst­interessierter Mensch ganz ehrlich sagen: Das war für mich ein total erschütterndes Erlebnis! Denn: Das ist ja nicht öffentlich, da geht es ja um persönliche Lebens­verhältnisse von Menschen. Das unterliegt auch einem gewissen Datenschutz.

Ich war wirklich erschrocken, welchen Menschen wir Ehrenpensionen geben mussten, bei denen ich davon ausging – das waren nämlich große Namen –, dass das nicht notwendig ist, und wo ich annahm, dass diese Personen eine schöne Pension leben werden. Von diesen Personen lernt man in der Schule. Das sind Autorinnen und Autoren von Büchern, die man üblicherweise liest, oder Kompositionen von Kompo­nisten und Komponistinnen, wo man denkt, die werden einen schönen Lebensabend haben. Und ich habe dann gesehen, was diese Menschen verdienen, und war wirklich erschüttert.

Es gibt eh ein paar gute Punkte in diesem Gesetz, keine Frage. Meine Rolle in der Opposition ist natürlich, das zu kritisieren, was mir nicht gefällt, und darauf konzentriere ich mich jetzt auch.

Frau Kollegin, Sie haben ja auch die Studie erwähnt – das finde ich auch wichtig, ich bin auch sehr dankbar, dass es diese Studie gibt –, die zeigt, unter welch prekären Verhältnissen Künstlerinnen und Künstler in Österreich leben. Fakt ist, dass ein Drittel der österreichischen Kunstschaffenden von unter 700 € im Monat lebt. Das durch­schnittliche Einkommen von Kunstschaffenden in Österreich liegt unter 1 000 € im Monat. Und 37 Prozent der Kunstschaffenden Österreichs leben unter der Armuts­grenze. Das sind Fakten, mit denen wir leider leben müssen.

Selbstverständlich kennt man einige Künstler und Künstlerinnen, aber normalerweise beschäftigt sich nicht jeder intensiv mit diesem Thema, das verstehe ich auch, ich beschäftige mich auch nicht mit jedem politischen Thema. Und wenn man sich nicht intensiv damit beschäftigt, dann nimmt man nur die Künstler und Künstlerinnen wahr, die viel in den Medien sind, die viele Auftritte haben, von denen man viel hört. Und man glaubt, denen geht es ohnehin gut. So ist es nun einmal nicht. Deswegen war ja auch diese Studie damals so enorm wichtig.

Dass jetzt eben die Kabelnetzbetreiber und die Firmen, die Satellitenreceiver her­stellen, weniger in den Fonds einzahlen, bedeutet de facto 2,5 Millionen € weniger im Jahr. Das sind für die nächsten fünf Jahre 13 Millionen €, die wir dringend für eine Grundsicherung von Kunstschaffenden in dieser Republik, wie wir sie uns vorstellen, bräuchten. – Danke schön. (Beifall bei den Bundesräten Dönmez und Kerschbaum.)

17.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


17.09.05

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich möchte eingangs noch etwas aus Vorarlberg erwähnen. Ich konnte gestern leider nicht bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele dabei sein, höre aber von den Zuhausegebliebenen von Ihrer großartigen Eröffnungsrede. Da möchte ich jetzt in aller Form noch gratulieren und als Vorarlberger danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Kollegin Grimling hat die wesentlichen Eckpunkte ausreichend erklärt. Also wir können uns die technischen Inhalte und Details ersparen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 138

Auf einige Redebeiträge meiner Kolleginnen und Kollegen darf ich kurz noch eingehen.

Herr Kollege Schreuder! Ich denke, dieser Fonds ist ausreichend dotiert. Er hat jetzt 28 Millionen € sozusagen auf der Habenseite und kann damit alle an ihn herange­tra­genen Forderungen und Beitragsansuchen, Zuschussansuchen ausreichend ab­decken. Auch wenn jetzt 2,5 Millionen € weniger dazukommen, so ist aber insgesamt doch vorgesorgt, dass dieser Fonds die Künstlerinnen und Künstler ausreichend unter­stützen kann.

Im Gesetz gibt es – das hat Kollegin Grimling schon erwähnt – einige wesentliche Verbesserungen, die man durchaus in den Vordergrund stellen kann, natürlich auch wissend, dass, so wie du gesagt hast, ein Großteil dieser Künstler unter der Armuts­grenze lebt. Frau Kollegin, du hast auch von einem Drittel der Kulturschaffenden gesprochen. Das kann man unterstreichen, wissend, dass viele Künstler von ihrem Einkommen nicht leben können.

Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass wir diesen Sozialfonds eingerichtet haben, der dann auch entsprechende Zuschüsse und Beiträge gewähren kann, auch an jene, die in Pension sind, Frau Kollegin Mühlwerth. Wir wollen die Leute doch nicht in die Pension versenken. Und Pension ist per se schon keine Abhängigkeit, so wie du das formuliert hast. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ja, dann war es halt irgendwie falsch formuliert. (Bundesrätin Mühlwerth: Falsch verstanden!) Es ist aber nicht falsch verstanden worden. Meine beiden Ohren hören noch gut, und sie können auch noch aufnehmen, was sie hören.

Was die Studie zur sozialen Lage betrifft und auch die Armutsgrenze, das kann ich alles zugestehen und unterschreiben. Aufgrund der jetzigen Regelung können wir die Künstlerinnen und Künstler motivieren, auch in der Pension tätig zu sein. Wenn sie nicht viel dazuverdienen, dann haben sie auch die Möglichkeit, diese Beiträge und Zuschüsse in Anspruch zu nehmen. Und das ist für mich einfach eine besondere Klientel, und man muss es auch besonders betrachten. Also das kann man in aller Form hier anführen.

Es ist ein Kompromiss, ein guter Kompromiss. Ich darf nochmals abschließend, um es nicht ausufern zu lassen, klar ausdrücken: Der Fonds ist ausreichend dotiert. Er wird auch in Zukunft ausreichend dotiert sein, und er wird aufgrund von Unterstüt­zungs­ansuchen an die Sozialversicherung der Künstlerinnen und Künstler Zuschüsse ge­währen können.

Insgesamt einige wesentliche Verbesserungen, denen wir gerne zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


17.12.32

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Zunächst vielen Dank, Herr Bundesrat Mayer!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist mir wichtig, und ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Bundesrat Schreuder, für die differenzierte Kritik: Die vorgelegte Novelle hat unbestritten eine, glaube ich, ganz positive Seite, das ist der schon mehrfach ange­sprochene und von der Frau Bundesrätin Grimling im Detail erörterte Teil der Pen­sionen. Und er hat einen Kompromissteil, das ist die Frage der Finanzierung des Fonds. Da ist es mir aber ganz wichtig, herauszuarbeiten, dass dieser Fonds ein Spezialfonds ist, ein Spezialvehikel, extra geschaffen für die Künstlerinnen und


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 139

Künstler, und es ist gut so. Und hier gilt es eben – und das ist Ergebnis von Verhandlungen –, auch die Einnahmen- und Ausgabenseite in Balance zu halten.

Der Fonds wird gespeist, wenn Sie so wollen, aus einer Sondersteuer, die sich über den Zeitverlauf als sehr ergiebig herausgestellt hat. So ist es letztlich auch zustande gekommen, dass wir Fondsvermögen aufbauen konnten. Und alle Berechnungen, die uns vorliegen, zeigen, dass der Fortbestand des Fonds gesichert ist.

Was für mich auch für die Zustimmung zu dieser Variante wesentlich war, das ist die zeitliche Befristung der Reduktion der Einnahmen, die nach fünf Jahren automatisch, wenn nicht eine gesetzliche Maßnahme getroffen wird, auf das derzeitige jetzt noch gültige Niveau hinaufgehen.

Also in Summe vertretbar, in Summe eine Verbesserung für viele Künstlerinnen und Künstler. Und es ist mir hier schon auch wichtig, herauszuarbeiten, dass wir seit dem Jahr 2008 viele Verbesserungen für die Künstler und Künstlerinnen aus dem Fonds heraus gemeinsam erreichen konnten. Ich nenne jetzt nur vier Punkte: Die Ausweitung der Beiträge auf Unfall- und Krankenversicherung. – Die hat es vorher nicht gegeben, wurde neu eingeführt.

Wir haben den Beitragszuschuss – aktuell sind es 1 560 € – seit dem Jahr 2008 um 80 Prozent erhöhen können. Wir haben Erleichterungen für das Erreichen der Mindest­einkommensgrenze, zum Beispiel durch Anrechnung von Stipendien und Preisen, durchgesetzt, und im Rückforderungsfall wegen Nicht-Erreichens der Einkommens­untergrenze können künftig nicht nur wirtschaftliche, sondern verstärkt auch soziale Komponenten berücksichtigt werden.

Das heißt, wir haben seit dem Jahr 2008 das Leistungsspektrum im Interesse der Künstlerinnen und Künstler deutlich verbessert, und ich darf Ihnen versichern, dass ich als Kunstministerin diesen Fonds und die Leistungen dieses Fonds immer im Auge behalten werde, wie es ja insgesamt ganz wichtig ist, dass uns die soziale Lage der Künstler und Künstlerinnen ein Anliegen ist. Und genau deshalb sind ja auch Förderungen – Stipendien, Preise, Nachwuchsprogramme – von Kulturinitiativen so wichtig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Wenn Sie gestatten, da ich jetzt nicht mehr die Absicht habe, mich heute noch einmal zu Wort zu melden: Ich möchte mich einfach bedanken für die gute und immer wertschätzende Zusammenarbeit mit Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Bundesrat. Ich schätze die Diskussion sehr. Ich nehme immer wieder auch Anregungen mit und versuche, diese auch in mein politi­sches Programm mit einzubauen. Ich darf Ihnen einen schönen Sommer wünschen und freue mich auf die Herbstarbeit. Es wird intensiv weitergehen, das verspreche ich schon heute.

Schönen Sommer und vielen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

17.16

17.16.20

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke, Frau Bundesminister! Wir wünschen Ihnen selbstverständlich auch einen sehr schönen Sommer!

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 140

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.17.2218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien, das Bundesgesetz BGBl. Nr. 91/1993 und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich) (1805 d.B. und 1834 d.B. sowie 8767/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tages­ordnung.

Zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich Frau Justiz­ministerin Dr. Beatrix Karl begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Her Bundesrat Füller. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


17.17.48

Berichterstatter Christian Füller: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien, das Bundesgesetz BGBl. Nr. 91/1993 und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 17. Juli 2012 in Verhandlung genommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keine Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.18.37

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der Bundesrat stimmt heute über eine Reform der Gerichtsorganisation ab, eine Reform, die in vielerlei Hinsicht eine sehr gute ist. Zum einen ist schon, was das Zustandekommen betrifft, den Beteiligten ein gewisses Kompliment zu machen. Es war nicht so, wie es schon einmal der Fall war, dass jemand aus Wien zu den Ländern gekommen ist und gesagt hat, ich sperre euch alle Bezirksgerichte zu und wehe, ihr sagt etwas dagegen, sondern man hat sich ganz vorsichtig herangetastet, hat das Gespräch gesucht, hat richtigerweise ein gutes Beispiel gesetzt, wie verschiedene Ebenen, wie Bund und Länder miteinander ordentliche Lösungen erzielen können. – Das ist das eine.

Man hat die Güter abgewogen. Mit Sicherheit muss man darauf Bedacht nehmen, dass der ländliche Raum nicht ausgedünnt wird, dass nicht alles, was es an Behörden, an Ämtern gibt, zentralisiert wird, sondern dass man die ländlichen Bereiche erst nimmt.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 141

Daher hat man auch nicht alle Bezirksstandorte, alle Standorte geschlossen, sondern man hat sich sehr wohl ausgewogen dort hinbewegt, wo es notwendig ist, vor allem unter dem Stichwort der Spezialisierung.

Sicherlich hat auch der Spargedanke eine Rolle gespielt, aber man muss ganz klar sagen: Der Spargedanke allein kann nicht im Vordergrund gestanden sein. Man erspart sich bei der Hardware sicher einiges, aber das ist nicht so viel, dass das der Grund ist, die ganze Software zu verlegen. Im Vordergrund steht eine Qualitätsdebatte, eine Qualitätsdebatte für die Justiz.

Aus diesem Haus kommen im Jahr mehrere tausend Seiten Gesetze. Rechtsanwälte, Richter, Notare: Alle sind sie aufgerufen, diese Gesetze anzuwenden! Ich glaube, es leuchtet jedem ein, dass es niemanden gibt, der in der Lage ist, all diese Gesetze zu kennen, sie zu zitieren und ordnungsgemäß zu beraten, also all jene Aufgaben zu erledigen, die die klassischen juristischen Berufe – Notare, Anwälte, Richter – eben umfassen.

Die Zeiten des juristischen Gemischtwarenhandels sind vorüber. Wir haben die Aufgabe, juristische Supermärkte mit guten Abteilungen zu bauen. Daher ist es richtig gewesen, festzuhalten, dass Gerichte mit ein oder zwei Richtern, die es gibt – da ist natürlich auch ein bisschen Romantik dabei, wenn es das an dem einen oder anderen Ort noch gibt –, nicht mehr der Zeit entsprechen. Das ist eine Anforderung an Richter, die nicht mehr möglich ist, die nicht mehr darstellbar ist, und das ist auch kein Angebot der Qualität für den rechtshilfesuchenden Bürger/für die rechtshilfesuchende Bürgerin, der/die ja auch gut beraten und gut beurteilt werden will, wenn er/sie in ein Gericht kommt. Die Gerichte leisten diesbezüglich gute Arbeit. Sie beraten die Bürgerinnen und Bürger heute schon im Vorhinein an den Amtstagen, es wird auch einiges zur Prozessvermeidung getan. Allerdings ist so eine Beratung schon eine, die richtig sein muss, damit einer/eine zu seinem/ihrem Recht kommt.

Diese Spezialisierung, die in den letzten Jahren vorangeschritten ist, die nirgendwo haltgemacht hat, ganz egal, ob bei Anwaltskanzleien, Steuerberatungskanzleien oder eben jedenfalls bei den Gerichten, hat dazu geführt, dass man gesagt hat: Ein Gericht mit weniger als vier Richtern sollte es nicht geben. Die zahlreichen Rechtsbereiche – das fängt bei Insolvenz- und Strafrecht an, geht über Zivilrecht, das Familienrecht, das ein ganz, ganz großer Komplex geworden ist, wo die Gerichte und die Richter auf vielerlei Ebene, von psychologischer bis hin zur juristischen, gefordert sind – sind nicht mehr bewältigbar, wenn sich ein Richter nicht auf eine Aufgabe spezialisieren und konzentrieren kann.

Ein besonderer Punkt, der bei der Reform auch noch mitgespielt hat, ist natürlich die Sicherheit der Gerichte. Meine Damen und Herren, Sie werden sich mit Sicherheit zurückerinnern an das furchtbare Ereignis im Jahr 1995 im Bezirksgericht Urfahr-Umgebung, wo mehrere Richter und ein Anwaltskollege erschossen worden sind! Erinnern wir uns an Hollabrunn vor gar nicht allzu langer Zeit, wo es einem Verbrecher möglich war, unkontrolliert reinzugehen und sich mit einer Waffe zu seinem „Recht“ – unter Anführungszeichen – zu verhelfen, so wie er es gesehen hat, wie es aber nicht war! Es ist nicht möglich, die Kleinstgerichte ordentlich zu sichern. Die Richterinnen und Richter, die Angestellten der Gerichte, aber auch die rechtshilfesuchenden Bür­gerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, im Gericht sicher zu sein und Rechts­prechung sicher zu erleben. (Bundesrat Ertl: Das hört sich so an, als wären sie im Bezirksgericht nicht sicher!)

Es gibt Gerichte, die nicht ordnungsgemäß gesichert werden konnten. Das ist so. Ich darf Ihnen sagen, dass ich im Zivilberuf Rechtsanwalt bin, und ich habe das selbst erlebt. Es ist ein Unterschied, ob Sie von einem Wachebeamten gemustert werden,


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 142

wenn Sie das Gebäude betreten, oder ob Sie durch Schleusen gehen. Und diese Schleusen müssen von qualifiziertem Personal bedient werden, das ist wieder ein relativ hoher Aufwand.

Ich denke, dass man diesen Aspekt nicht außer Acht lassen sollte, aber er spielt natürlich nicht die erste Geige. Die erste Geige aller Aspekte, die ich Ihnen genannt habe, ist die Notwendigkeit einer Qualität der Justiz.

Es gibt noch einen Teil der Reform, der – und das möchte ich betonen – für die Bür­gerinnen und Bürger, für die Rechtshilfesuchenden der Gemeinden rund um Purkers­dorf sehr gut ist. Man hat ihnen die Möglichkeit gegeben – und das ist etwas ganz Besonderes –, unter Auflösung einer Sprengelgrenze, sich an ein Landesgericht in Wien in 15 Kilometer Entfernung mit guter öffentlicher Anbindung zu wenden, anstatt 60 Kilometer weiter fahren zu müssen. Nichts gegen die Qualität von St. Pölten, aber für die Purkersdorfer wird das sicher gut sein.

Alles in allem ist diese Reform auch angesichts der Standorte, die aufgelöst worden sind, eine in jeder Hinsicht gute. Auch wir als Oberösterreicher bedanken uns für die Zusammenarbeit und bei den Leuten, die dabei wesentlich mitgeholfen haben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.24.58

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dieses Thema aus niederöster­reichischer Sicht beleuchten.

Mit diesem eigenen Gesetz soll das niederösterreichische Bezirksgericht Purkersdorf mit dem Wiener Bezirksgericht Hietzing als aufnehmendes Gericht zusammengelegt werden. Dieses Gesetz wird nur deshalb möglich, weil die Bürgermeister und die Landesregierungen zugestimmt haben, ansonsten wäre es nicht möglich gewesen. Der Wunsch, nach Wien zu kommen, war auch aufseiten der Betroffenen vorhanden. Die Wege nach St. Pölten – wie der Kollege vor mir schon angeführt hat – wären viel zu lang gewesen.

Das Bezirksgericht Hietzing ist behindertengerecht, und auch die bauliche Substanz ist besser. Purkersdorf hätte neu gebaut werden müssen, das war nicht mehr tragbar für die heutige Zeit.

Begründet wurde die Zusammenlegung auch mit den lediglich zwei Richterinnen am Gericht Purkersdorf. Es hat dadurch strukturell zu den problematischen Kleinstbezirks­gerichten gezählt.

Darüber hinaus – das ist auch schon angeführt worden – liegt es verkehrsgünstiger als St. Pölten.

Auch wird das Bürgerservice durch die Spezialisierung auf viele Fachgebiete ermög­licht.

Die aufgrund des § 8 Abs. 5 lit. d des Übergangsgesetzes vom 1. Oktober 1920 erforderliche Zustimmung der Niederösterreichischen Landesregierung ist gegeben.

Weiters möchte ich vielleicht noch anführen: Für die übrigen Bezirksgerichts­zusam­menlegungen in Niederösterreich beziehungsweise auch für jene in Oberösterreich ist keine gesetzliche Neuregelung erforderlich, sondern es sind die diesbezüglichen Verordnungen der Bundesregierung bereits erfolgt, wobei die Landesregierungen für


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 143

Niederösterreich beziehungsweise für Oberösterreich jeweils ihre Zustimmung erteilt haben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.27.03

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Guten Tag, Frau Minis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe heute Morgen, das gebe ich zu, zuallererst auf der Rednerliste nachgesehen, wer von der Freiheitlichen Partei zu diesem Verhandlungspunkt sprechen wird. – Es redet niemand von der Freiheitlichen Partei, obwohl Sie dagegen sind! Das muss man sich einmal trauen, oder? (Bundes­rätin Michalke: Abwarten! Das kommt alles noch!) Wir reden auch nicht zu jedem Tagesordnungspunkt, aber wenn man dagegen ist, dann sollte man vielleicht erklären, warum. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

Aber jetzt einmal zur Sache selbst: Wir stimmen zu. (Bundesrat Ertl lässt sich in die Rednerliste eintragen.) – Ja, ich freue mich, yes!

Zur Sache selbst: Wir stimmen dem Ganzen selbstverständlich sehr gerne zu, und ich möchte jetzt schon die Gelegenheit nutzen – normalerweise sind die Zusammen­legungen von Bezirksgerichten ja per Verordnung zu machen, das ist auch okay so, weshalb wir aber keine Gelegenheit dazu haben, uns weiter darüber zu unterhalten –, etwas näher darauf einzugehen.

Im Grunde finden wir das gut, das ist Teil einer Verwaltungsreform. Verwaltungsreform erfolgt ja auch im Kleinen, man kann nicht alles immer im Großen lösen. Das finden wir gut. Wir haben schon öfter gesagt – und ich möchte das auch an dieser Stelle deponieren –, natürlich gibt es gewisse Orte, die geografisch so entlegen von jeglichen anderen Anbindungen liegen – Lienz ist immer das klassische Beispiel oder Reutte –, dass sich tatsächlich die Frage stellt, ob eine Schließung dort Sinn machen würde, und in Purkersdorf macht das natürlich sehr wohl Sinn.

Wir wissen ja jetzt, dass die Freiheitliche Partei gegen die Schließung des Bezirks­gerichts Purkersdorf ist. Das ist doch richtig? – Herr Kollege Ertl, Sie sind von der niederösterreichischen FPÖ, Sie werden uns das ja sagen können. Wenn die Freiheit­liche Partei noch einmal eine Verwaltungsreform einfordert, dann halte ich euch die Bezirksgerichte vor, und zwar die nächsten Jahre hindurch, und wir werden uns noch oft darüber unterhalten! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Immer eine Verwaltungsreform einfordern – und dann?! Wer stellt sich denn dagegen, dass Purkersdorf mit Hietzing zusammengelegt wird? Welches Bundesland macht denn Probleme bei den Zusammenschlüssen von Bezirksgerichten? – Kärnten, no na net! Die FPÖ ist gegen eine kleine Verwaltungsreform – Verwaltungsreformen macht man auch Schritt für Schritt – mit dem Argument, es sei den Purkersdorfern und Purkersdorferinnen nicht zumutbar, in der Westeinfahrt im Stau zu stehen.

Liebe FPÖ, lies nach auf „wienerlinien.at“ oder „vor.at“! (Heiterkeit und Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) Achtzig Mal am Tag fährt eine Bahn oder ein Bus von Purkersdorf nach Wien. Die Fahrtdauer beträgt samt Fußwegen 20 Minuten, wenn man einmal Pech hat und die S-Bahn einem vor der Nase davonfährt, 30 Minuten. Das ist nicht zumutbar aus Ihrer Sicht? Ich denke, so kann es nicht sein.

Aber es ist ja nicht nur das. Drei Viertel, sehr geehrte Damen und Herren der Freiheit­lichen Partei, drei Viertel der Purkersdorfer und Purkersdorferinnen arbeiten in Wien. Das heißt, Sie wollen nicht, dass Menschen von ihrer Arbeitsstelle aus schnell zum Gericht fahren können.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 144

Wie oft besucht ein Österreicher/eine Österreicherin denn durchschnittlich ein Bezirksgericht? (Rufe bei der ÖVP: Ein Mal!) – 0,4 Mal! (Bundesrat Schennach: Die FPÖ öfters! – Heiterkeit und Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Die FPÖ öfter, Herr Kollege! Stefan, du kennst ja den Witz – der ist heute in Social Networks sehr beliebt –: Treffen sich zwei FPÖ-Politiker. Fragt der eine den anderen: Was ist dein Lieblingsgericht? (Heiterkeit bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) – Aber gut, das war ein Witz.

0,4 Mal durchschnittlich besucht ein Österreicher/eine Österreicherin ein Bezirks­gericht. Das heißt, vier von zehn Purkersdorfern/Purkersdorferinnen müssen ein Mal im Leben zum Bezirksgericht, 20 bis 30 Minuten Fahrtzeit in Kauf nehmen. Also sei mir nicht böse, Freiheitliche Partei, aber von Verwaltungsreformen reden und dann dage­gen sein, das ist einfach nur lächerlich, es tut mir leid! Bitte, melden Sie sich zu Wort. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

17.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.32.33

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind prinzipiell gegen die Schließungen und Zusammenlegungen von Bezirksgerichten. Wenn Kollege Schreuder davon gesprochen hat, dass es dadurch zu Verwaltungsreformen und zu Einsparungen kommt, so darf ich ihn darauf aufmerksam machen, dass das ein mathematischer Widerspruch ist, denn die Bezirksgerichte werden nicht nach ihrem Standort bezahlt, sondern nach der Anzahl der Verfahren. So berechnen sich die Bezirksgerichte. (Bundesrat Schennach: Wie viele Richter gibt es in Purkersdorf? – Zwei!) Die Änderungen der Örtlichkeit haben mit den Kosten der Bezirksgerichte nichts zu tun. (Beifall der Bundesrätin Michalke.)

Die Zahl der Verfahren steigt im Osten von Österreich täglich – und wir sperren die Gerichte im Osten zu und verlegen sie aus dem ländlichen Bereich in die Stadt! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es kommt dadurch zu einer Aushöhlung des ländlichen Bereiches, es kommt zum Verlust von Arbeitsplätzen, es kommt zum Verlust der Kaufkraft und einer Steigerung der Anzahl der Pendler. Wo – Sie werden mir das sicher beantworten, Frau Minister – ist da die Kostenersparnis? Es wird keine geben! Und wo bleibt die Bürgernähe? – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet – zweite Wortmeldung – ist Herr Bundesrat Fürlinger. – Bitte.

 


17.34.29

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Ich bitte um Verzeihung, dass ich mich noch einmal ganz kurz zu Wort melde, aber ich wollte nur eine kleine Replik machen, Herr Kollege. Wir haben, glaube ich, ohne dieses Gesetz 141 Bezirks­gerichte für Österreich, und wenn wir jetzt 26 schließen, dann sind es nach Adam Riese, glaube ich, noch um die 115. – Ich erinnere mich, es gab einen Justizminister namens Böhmdorfer, und der hat uns gesagt, 64 Eingangsgerichte seien genug, und wenn mich nicht alles täuscht, war er von Ihrer Partei!

Da sind wir doch relativ milde davongekommen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Schennach: Blöd gelaufen! Sehr blöd gelaufen!)

17.35



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 145

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte, Frau Minister.

 


17.35.13

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesräte! Gerade für die Mitglieder der Länderkammer ist natürlich das Thema Strukturreform im Bezirksgerichtsbereich von großer Bedeutung. Es freut mich daher sehr, dass ich Ihnen heute hier darlegen kann, warum ich diese Reform für notwendig und wichtig halte.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass immer wieder Verwaltungsreformen einge­fordert werden. Verwaltungsreformen werden eingefordert von den Oppositions­parteien, von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Medien, und nun wird im Bereich der Justiz eine wichtige Verwaltungsreform gesetzt. Diese Strukturoptimierung im Bereich der Bezirksgerichte ist nämlich eine große Verwaltungsreform im Bereich der Justiz, und es geht darum, wirklich eine moderne Struktur für eine moderne Justiz zu schaffen.

Es ist bereits angesprochen worden: Da wird ja nichts eingespart! – Wir sparen ja nicht Verfahren ein. Natürlich wird es weiter Verfahren geben, aber wir sparen sehr wohl Kosten ein, Herr Bundesrat! Wir sparen nämlich zum Beispiel Mieten ein, wir sparen etwa bei den Betriebskosten ein.

Oder – wenn ich an das heute in Diskussion stehende Thema denke – schauen Sie sich einmal das Bezirksgericht Purkersdorf an! Das ist sanierungsbedürftig. Man müsste es renovieren, man hätte dort mehr Renovierungsbedarf, als wenn man das Bezirksgericht gleich zum Bezirksgericht Hietzing dazulegt. Die Sanitäranlagen sind nicht mehr der heutigen Zeit entsprechend. Es ist keine Barrierefreiheit gewährleistet. Die Sicherheitsvorkehrungen sind dort nicht gewährleistet; die Sicherheit wurde ja schon angesprochen. Wir müssten dort die Sicherheitsvorkehrungen erst treffen. Das will ich in Zukunft bei jedem Bezirksgerichtsstandort auch tun, aber das fällt mir natürlich bei weniger Standorten leichter als bei 141, das ist vollkommen klar.

Wir sparen, wie gesagt, sehr wohl Kosten ein. Es kommt zu einer Kosteneinsparung, aber – und das möchte ich auch betonen – es geht kein Arbeitsplatz verloren. Sie haben gesagt, es gehen Arbeitsplätze verloren. – Es geht kein einziger Arbeitsplatz verloren! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb der Justiz leisten großartige Arbeit, und wir können auf niemanden verzichten. Wir brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin, nur halt an einem anderen Standort. Die arbeiten dann halt nicht mehr in Purkersdorf, sondern in Wien-Hietzing. Sie werden vom aufnehmenden Gericht aufgenommen. Wie bereits angesprochen wurde, arbeiten sehr viele Purkers­dorferinnen und Purkersdorfer schon heute in Wien-Hietzing, und zukünftig werden halt ein paar Purkersdorferinnen und Purkersdorfer mehr in Wien-Hietzing arbeiten. Sie haben dort auch eine sehr gute verkehrstechnische Anbindung, wie ebenfalls bereits angesprochen wurde.

Wie ich bereits gesagt habe, geht es aber gar nicht so sehr ums Einsparen. Wir sparen zwar Kosten ein, aber bei einer Verwaltungsreform muss nicht immer das Sparen im Vordergrund stehen. Eine Verwaltungsreform kann auch aus anderen Gründen wichtig und notwendig und richtig sein. Ich möchte noch einmal ganz kurz die drei Ziel­setzungen, die ich mit dieser Verwaltungsreform verfolge, nennen.

Es geht um eine Steigerung der Qualität durch mehr Spezialisierungsmöglichkeiten und auch eine fokussiertere Fort- und Weiterbildung.

Es geht um mehr Bürgerservice, denn wir haben teilweise Gerichtsstandorte, wo nur ein Richter arbeitet, und dieser Richter ist teilweise gar nicht jeden Tag in dem Gericht,


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 146

sondern ist an zwei oder drei Bezirksgerichten zugleich tätig. Er ist zwei Tage am Standort A, zwei Tage am Standort B und einen Tag am Standort C. Das gilt auch für den Rechtspfleger/die Rechtspflegerin. Das bedeutet für die rechtsuchende Bevöl­kerung, dass gar nicht jeden Tag ein Richter/eine Richterin im Bezirksgericht ist, auch nicht jeden Tag ein Rechtspfleger/eine Rechtspflegerin im Gericht ist. Ich möchte größere Justizzentren im ländlichen Raum schaffen, wo eben wirklich mehr Bürger­service geboten wird, indem auch regelmäßig Richterinnen und Richter, Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen et cetera anwesend sind.

Und ich möchte für eine lückenlose Sicherheit sorgen. Es wurde bereits angesprochen, dass es leider Vorfälle gegeben hat, die es notwendig machen, dass wir wirklich an allen Standorten die besten Sicherheitsvorkehrungen treffen. Wie ich bereits gesagt habe, ist das natürlich bei weniger Standorten leichter zu gewährleisten als bei 141.

Ich habe bereits mit drei Bundesländern eine Einigung erzielen können. Es ist in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark gelungen, insgesamt 26 Bezirks­gerichte zu größeren Einheiten dazuzuschlagen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden an diesen neuen Einheiten natürlich aufgenommen. Ich muss wirklich sagen, die Gespräche mit den Landeshauptleuten Pröll, Pühringer, Voves und Schützenhöfer waren sehr, sehr konstruktiv.

Das war insofern sehr wichtig, als eben die heute von einigen Rednern bereits angesprochenen landesspezifischen Besonderheiten vonseiten der Länder eingebracht wurden. Es wurde natürlich vorgebracht: Wo ist es zum Beispiel geografisch nicht sinnvoll, zusammenzulegen? Wo braucht man aus geografischen Überlegungen einen Standort, obwohl es ein kleiner Standort ist? All das fließt natürlich in die Gespräche ein, und in Summe ist es in allen drei Bundesländern gelungen, sinnvolle und gute Lösungen zu finden.

Ich führe nun weitere Gespräche, auch mit den anderen Landeshauptleuten, und hoffe, dass es auch da gelingt, durch konstruktive Gespräche zu Lösungen zu kommen, die beiden Seiten gerecht werden: einerseits einer modernen Justiz, die moderne Struk­turen braucht, andererseits natürlich auch die lokalen Gegebenheiten berück­sich­tigend. Man muss da immer beide Seiten berücksichtigen, dann kann man zu guten Lösungen kommen.

Ich möchte noch ganz kurz auf den konkreten Fall, um den es heute geht, zu sprechen kommen: Purkersdorf zu Wien-Hietzing. Es wurde schon vieles dazu gesagt, und ich kann Ihnen mitteilen, Herr Bundesrat Ertl, dass ich auch ein Gespräch mit dem Purkersdorfer Bürgermeister, Herrn Karl Schlögl, geführt habe. Er hat mir auch aus Sicht der Bevölkerung mitgeteilt: Wenn das Bezirksgericht Purkersdorf schon von einem anderen Bezirksgericht aufgenommen wird, dann bitte von Wien-Hietzing und nicht von einem niederösterreichischen Bezirksgericht, genau aus der Überlegung heraus, dass die Purkersdorferinnen und Purkersdorfer ohnehin zu einem Großteil bereits heute nach Wien pendeln, dass es eine sehr gute verkehrstechnische Anbindung gibt. Deshalb hat der Herr Bürgermeister gesagt, für die Bevölkerung wäre das die beste Lösung; wenn Purkersdorf mit einem anderen Gericht zusammengelegt wird, dann bitte mit Wien-Hietzing.

Diesem Wunsch habe ich gerne entsprochen, weil ich wirklich der festen Überzeugung bin, dass es eine sinnvolle und gute Lösung ist. Es freut mich auch, dass diese gute und sinnvolle Lösung hier auf so breite Zustimmung stößt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.41

17.41.20

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 147

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

17.42.0419. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology Austria samt Anhang (1783 d.B. und 1875 d.B. sowie 8779/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 340/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/2011, geändert wird (1994/A und 1876 d.B. sowie 8780/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 19 und 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich darf zu diesem Tagesordnungspunkt sehr herzlich Herrn Bundesminister Töchterle begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatterin zu den Punkten 19 und 20 ist Frau Bundesrätin Junker. Bitte um die Berichte.

 


17.42.57

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology Austria samt Anhang.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 340/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/2011, geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher auch da gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichte.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 148

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.45.00

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vorsitzender! Herr Bundesminister! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf zur Artikel-15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich Stellung nehmen und mich freuen, weil Forschung und Entwicklung eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, die wir auf dem Weg in die Zukunft für unsere Länder und für den Bund brauchen.

Es war 2005, als es einen Wettbewerb gab zur Frage, wo dieses neue Institut für Forschung und Entwicklung angesiedelt werden sollte. Und wir sind als Nieder­österreicher stolz, dass Niederösterreich sich da durchsetzen konnte – neben dem Standort Wien, der sicher Vorteile geboten hat. Aber das Land Niederösterreich hat sich entsprechend bemüht, finanziell bemüht, einen interessanten Standort ausgewählt und Klosterneuburg vorgeschlagen.

Was für uns Bundesräte, wie ich meine, auch interessant ist, ist, dass es immer wieder wichtig ist, solche Spitzeninstitutionen dezentral in den Bundesländern anzusiedeln.

2009 sind die ersten Forschergruppen in Klosterneuburg eingezogen, heute arbeiten dort 190 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und besonders interessant ist, dass bereits elf Preise des Europäischen Forschungsrates gewonnen werden konnten. Die letzte Auszeichnung war der Wittgenstein-Preis für Herrn Präsidenten Thomas Henzinger.

Noch interessanter ist, dass mit diesen Preisen auch Dotierungen verbunden sind, und damit konnten bereits 25 Millionen € an Förderungspreisen für diese Exzellenz­universität hereingespielt werden. Das ist ein Teil einer Erfolgsgeschichte eines Spit­zen­forschungsinstituts, aber auch der Erfolgsgeschichte Niederösterreichs als For­schungsstandort: wenn wir an Krems denken, wenn wir an Tulln denken, wenn wir eben Klosterneuburg in die Achse einbinden, bis hin nach Wiener Neustadt.

Eine Vereinbarung wie diese, zwischen Bund und Land, ist dazu angetan, wie es in den ersten zehn Jahren nach der Gründung vorgesehen war, dass Bund und Land gemeinsam finanzieren. In den ersten zehn Jahren hat Niederösterreich 130 Mil­lionen € in die Hand genommen. In der zweiten Etappe von 2016 bis 2026 werden jetzt 990 Millionen € seitens des Bundes und 368 Millionen € seitens des Landes Niederösterreich zur Verfügung gestellt, 98 Millionen € für den Betrieb und die restliche Summe für die Infrastruktur, für Gebäude, für Labors, für Wohnungen. Denn Forschung hat nur dann Qualität, wenn sie mit langem Atem betrieben wird, weil Forscher eben auch Menschen sind, die langfristig planen wollen, ja planen müssen und ihre Entwicklung darauf aufbauen.

Neben der Forschung ist auch die Bildung wichtig, und damit komme ich zum zweiten Thema der Vorlage, zu den Fachhochschulen. Auch das ist eine Erfolgsgeschichte. Die erste Fachhochschule wurde in meinem Heimatbezirk Wiener Neustadt gegründet, und heute gibt es 35 Standorte, an denen im Prinzip mit einer sehr geringen Drop-out-Rate junge Leute eine entsprechende praxisorientierte Ausbildung finden und die ersten zwei akademischen Grade erlangen können. Wir stimmen natürlich auch der Änderung des Organisationsgesetzes für die Fachhochschulen zu.

Niederösterreich ist und wird auch in Zukunft Vorreiter bei Forschung und Bildung in Österreich sein, denn für uns gilt: Wer Talente sät, wird Patente ernten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Beer.)

17.49



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 149

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.49.16

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Prinzip müsste ich jetzt alles, was Kollege Preineder über dieses großartige Institut, das in Gugging entstanden ist, gesagt hat, noch einmal wiederholen. Ich denke, er hat sehr eindrucksvoll beschrieben, was dort geschieht.

Ich glaube ganz einfach, dass das ein sehr wichtiges Vorhaben ist und die Republik Österreich gut daran tut, so ein Vorhaben zu fördern. Das Gleiche gilt für die Fach­hochschulen. Selbstverständlich stimmen wir beiden Vorlagen zu und freuen uns darüber, dass hier Einhelligkeit besteht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bun­desrates Dönmez.)

17.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.50.28

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Forschung und Entwicklung sind natürlich ein wesentliches Paradigma in einer entwickelten Gesell­schaft und gehören in jeder Hinsicht gefördert, und wenn Wissenschaftler in Österreich mehr Gehalt bekommen, ist das auch zu goutieren. Ich hoffe, das ist auch in diesem Sinne gemeint.

Der Standort Gugging ist meiner Ansicht nach fragwürdig. Besser als ein Wettbewerb der Anbieter, der Bundesländer – letztlich sind es ja ohnehin nur wieder Steuergelder – wäre ein Wettbewerb der Anbieter, wie es in Deutschland ist. In Deutschland wird eine Exzellenzinitiative alle fünf Jahre ausgeschrieben. Da können sich bestehende Universitäten an diesem Programm beteiligen und bestehende, altehrwürdige Universitäten diese Exzellenzinitiative erhalten.

Es ist natürlich schwierig und kostet enorm viel Geld, enormen Aufwand, ein For­schungsinstitut – und das ist IST Austria sicherlich, mit sehr guten Anlagen – aus der Retorte auf die grüne Wiese zu setzen, aus der Retorte zu stampfen und dann hoch­zuziehen und Wissenschaftler – entschuldigen Sie, wenn ich mir erlaube, das so zu sagen – in Fußballmanier, wie ein Fußballklub auf dem internationalen Markt einzukaufen.

Wenn sich im Wissenschaftsausschuss herausgestellt hat oder berechtigt der Einwand vorgebracht worden ist, man sollte doch versuchen, ausgewanderte österreichische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wieder nach Hause zu holen, so wäre es doch besser, man versucht gleich, junge österreichische Wissenschaftler und Wissen­schaftlerinnen zu halten und an den Standort zu binden.

Ich halte Gugging dennoch noch immer für fragwürdig, weil ein Forscher, ein Wis­senschaftler eine Community braucht; er muss inspiriert werden, er braucht den Erfahrungsaustausch, er braucht den Gedankenaustausch. Ob das da draußen in Gugging möglich ist, wage ich zu bezweifeln, aber es kann ja noch besser werden.

Besser wäre es meiner Meinung nach, zu fördern und nicht umzuschichten, denn darum geht es, bitte; nicht darum, die Gelder von bestehenden öffentlichen For­schungs­stätten zum IST Austria umzuschichten. Bestehende Forschungsstätten sind die Österreichische Akademie der Wissenschaften, eine altehrwürdige, über 150 Jahre


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 150

bestehende Institution im alten Universitätsgebäude hier in Wien, und natürlich die Universität Wien hier in unmittelbarer Nähe. Sehr geehrter Herr Minister! Auch diese zwei traditionellen Forschungsstätten sollte man nicht vergessen. Sie sind beide als naturwissenschaftliche Zentren wichtig und auch für die Geisteswissenschaft.

In diesem Sinne wünsche ich IST Austria alles Gute, in der Hoffnung, dass es besser wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez. – Ruf bei der ÖVP: Es ist gut!)

17.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


17.53.07

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass ISTA eine Erfolgsgeschichte ist und anfänglich mit Skepsis betrachtet wurde, ist, glaube ich, kein Geheimnis. Dass diese Erfolgsgeschichte und deren Fortschreibung auch mit ent­sprechenden Mitteln – sei es finanziell oder auch personell – ausgestattet werden muss, auch was die Planungssicherheit betrifft, und dass auch hier die Rahmen­bedingungen passen müssen, steht, glaube ich, außer Frage.

Kritisch anzumerken ist jedoch eines: Die Rahmenbedingungen sind für diese For­schungs­einrichtung wirklich exzellent; nur einen Bruchteil davon für die Universitäten bereitzustellen, wäre schon ein wesentlicher Quantensprung.

Das ist eigentlich der große Kritikpunkt: dass wir auf der einen Seite eine exzellente Einrichtung haben, wo sehr viele Mittel hineingebuttert werden, auf der anderen Seite aber Universitäten, die teilweise wirklich am Zahnfleisch daherkommen – wie man bei uns so schön sagt – und dennoch im internationalen Wettbewerb mithalten müssen. Dort gibt es keine langfristige Planungssicherheit, dort finden wir Arbeitsbedingungen vor, die wirklich sehr prekär sind, und Sie wissen, dass in diesem Bereich sehr viele Leute auf Werkvertragsbasis und in sonstigen prekären Arbeitsanstellungen be­schäftigt sind.

Unter diesen Rahmenbedingungen Forschung und Lehre zu betreiben, ist wirklich sehr, sehr schwierig. Die guten Köpfe – und da stimme ich dem Kollegen Pisec sehr wohl zu – müssen wir halten, aber die werden eben unter diesen Rahmenbedingungen eher frustriert sein, das bestmögliche Angebot annehmen und ins Ausland gehen. Dann haben wir einen Braindrain, der sicher nicht wünschenswert ist.

Daher: Die Investitionen, die wir Richtung ISTA getätigt haben, sind zu begrüßen, das unterstützen wir. Ich würde mir aber wünschen, dass zumindest die Universitäten auch nur annähernd diese Mittel zur Verfügung gestellt bekommen wie eben diese exzellente Einrichtung. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Was die Fachhochschulen betrifft, da werden wir auch zustim­men. Ich bin selbst Lektor an zwei Fachhochschulen in Oberösterreich für die SozialarbeiterInnen und für die SozialpädagogInnen. Da ist – da möchte ich auch den Vorrednern zustimmen – die Ausfallsquote wirklich sehr, sehr gering, weil wir schon im Vorfeld die Bewerber und Bewerberinnen – und es sind nicht wenige, die sich für diesen Studiengang interessieren und bewerben – testen, ob sie geeignet sind, ob sie die notwendigen Qualifikationen mitbringen. Da gibt es eben auch aufgrund der Kombination zwischen Theorie und Praxis ein optimales Feld, sich fortzubilden, sich das im Studium anzueignen. Um da auch die wichtigen und richtigen Schritte zu


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 151

setzen, stimmen wir natürlich auch dem zweiten Teil zu. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Ing. Androsch. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.56.36

Bundesrat Ing. Maurice Androsch (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich brauche die Aufzählungen der ISTA-Erfolgsgeschichte nicht zu wiederholen. Ich möchte mich da meinen Vorrednern, die das positiv dargestellt haben, selbstverständlich anschließen und freue mich auch als Niederösterreicher, dass wir eine solche Forschungseinrichtung in Niederösterreich bekommen haben.

Es hat eine Vereinbarung gegeben, die die Finanzierung bis zum Jahr 2016 dargestellt hat, garantiert hat. Nunmehr hat eine Evaluierung stattgefunden, die ISTA ein positives Zeugnis ausgestellt und auch die Forderung gestellt hat, nach einer langfristigen Finanzierung zu trachten. Das ist mit der gegenständlichen Vereinbarung, die nun zur Beschlussfassung vorliegt, gelungen.

Es wird mehr als 1 Milliarde € in diesen Standort investiert, und ich denke, dass es uns bis zum Jahr 2026 gelingen sollte, mit dieser Investition Spitzenwissenschaftler zu uns zu holen, woher sie auch immer kommen mögen, damit diese Erfolgsgeschichte weitergeht. Im Laufe dieser Zeit wird sich auch eine sehr gute Community bilden, in der sich die Wissenschaftler wohlfühlen und auch in Zukunft erfolgreiche Preise für den Standort Niederösterreich einheimsen werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Töch­terle. – Bitte, Herr Minister.

 


17.57.59

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Hohes Präsidium! Hohes Haus! Auch ich muss – Dank an die Vorredner! – die Erfolgsbilanz von ISTA jetzt nicht wiederholen. Ich will nur auf einige Argumente eingehen, die ge­fallen sind, insbesondere auf die Appelle, dass es auch anderen Einrichtungen so gut gehen möge. Das ist auch mein Wunsch.

Der Unterschied zwischen den erwähnten Einrichtungen und dem ISTA ist schlicht der, dass sowohl die Akademie der Wissenschaften als auch die Universitäten über eine gesetzlich fixierte langfristige Finanzierung verfügen, ISTA hingegen ab 2017 über keinerlei Finanzierungssicherheit verfügt hätte. Es war deswegen notwendig, auch für ISTA eine längerfristige Finanzierung zu sichern, zumal eben das Land Nieder­österreich dankenswerterweise bereit ist, erhebliche Summen in die Infrastruktur dieser Einrichtung zu investieren, und die Wissenschaftler – wie schon erwähnt wurde – natürlich mit längerfristigen Verträgen an das Institut gebunden werden müssen.

Diese längerfristigen Verträge sind aber keine unbefristeten Verträge; es sind befristete Verträge, so wie eben auch an den Universitäten viele Forscherinnen und Forscher vor allem auf Ausbildungsstellen nur befristete Verträge bekommen können. Das ist bei Ausbildungsstellen unausweichlich nötig. Auch da ist der Vergleich zwischen ISTA und den Universitäten einer, der die Augenhöhe der beiden Institutionen bestätigt.

ISTA hat – wie erwähnt – in den letzten Jahren wirklich große Erfolge gezeitigt, und es ist nur recht und billig, diese Erfolgsgeschichte mit einer soliden, langfristigen Finan-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 152

zierung bis 2026 fortzusetzen, wobei das Volumen dieser Finanzierung – das muss schon auch gesagt werden – nicht ganz 3 Prozent der Universitätsfinanzierung aus­macht.

Das Volumen ist ja über zehn Jahre gestreckt und kann vonseiten des Bundes maxi­mal fast 1 Milliarde betragen. Aber ein Teil ist an entsprechende Leistungen des Instituts gebunden. Solche Leistungen liegen ja jetzt auch finanziell vor: Es sind bereits ungefähr 17 Millionen an privaten Sponsorengeldern dort eingebunden. Auch das ist ein Beispiel dafür, wie es möglich ist, auch für die Grundlagenforschung in Österreich privates Geld neben öffentlichem Geld zu bekommen. Auch das ist ja ganz wichtig, um die Forschungsquote in Österreich auf internationales Niveau anzuheben. Die Grundlagenforschung, die dort betrieben wird, ist anerkanntermaßen eine zentrale und wichtige Basis jeglicher Bemühung für die Qualität von Forschung in einem Land.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit erstens bei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, dafür bedanken, dass auch Sie der Meinung sind, dass wir diese Erfolgs­geschichte weiterführen müssen, und ich möchte mich auch beim Land Niederöster­reich, das da sehr hohe Mittel investiert, bedanken.

Der Standort im Umfeld von Wien ist ein guter Standort. Es ist ein Standort, wo sich ein Campus entwickeln kann, der in enger Zusammenarbeit mit den Forschungsein­richtungen sowohl in Wien als auch in Niederösterreich und in Österreich insgesamt agiert. Da gibt es also bereits jetzt viele gegenseitige Befruchtungen, und ISTA ist ein Impuls-, aber auch ein Ideengeber und ein Anreger für die Forschung in Österreich insgesamt. Deswegen also mein Dank auch an den Ausschuss und an die Redner, dass sie das so sehen, wie ich es sehe. Und wie gesagt, die Investition ist, wie ich meine, eine überaus sinnvolle und überaus zukunftsträchtige. (Präsident Keuschnigg übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zum anderen Tagesordnungspunkt, zur Novellierung oder Ergänzung des Fach­hoch­schul-Studiengesetzes. – Einerseits war es aufgrund der Anforderung an die Fach­hochschulen einfach nötig, sich neue Strukturen, neue Kollegien zu geben, und ande­rerseits war es aufgrund der Tatsache, dass einige Fachhochschulen eben kürzlich ihre neuen Gremien beziehungsweise Leitungen gewählt haben, notwendig, eine Anpassung im Gesetz vorzunehmen, damit die Fachhochschulen nicht schon wieder neu wählen müssen und die Leute, die sie gerade angestellt haben, teilweise inter­na­tionale Experten, wieder verunsichern und sozusagen ihre Anstellung in Frage stellen müssen. Deswegen war diese Anpassung notwendig, die leuchtet eigentlich überall ein.

Wir haben den Fachhochschulen damit Planungssicherheit geben können, und wir haben die Kontinuität der Gremien dort sichern können. Diese Novelle zu machen, war, wie ich meine, eine wichtige Maßnahme.

Ich bedanke mich auch hier für die Akzeptanz dieser Novelle. Ich denke, damit kann auch die Erfolgsgeschichte der Fachhochschulen, die ebenfalls erwähnt wurde, erfolg­reich weitergeschrieben werden. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

18.03

18.03.10

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 153

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich zur Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology Austria samt Anhang.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fachhochschul-Studiengesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.04.46 21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Haltung von Mindestvorräten an Erdöl und Erdölprodukten (Erdölbevorra­tungsgesetz 2012 – EBG 2012) (1801 d.B. und 1873 d.B. sowie 8781/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nunmehr zum 21. Punkt der Tages­ordnung.

Ich begrüße Herrn Wirtschaftsminister Dr. Mitterlehner sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Bitte um den Bericht.

18.05.34

 


Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Wirtschafts­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bun­desgesetz über die Haltung von Mindestvorräten an Erdöl und Erdölprodukten, das Erdölbevorratungsgesetz 2012.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


18.06.32

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um das Erdölbevorratungsgesetz 2012. Das heißt, es geht eigentlich um leichte Anpassungen an eine EU-Richtlinie und


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 154

an internationale Vereinbarungen. Es besteht daher wenig tatsächlicher Handlungs­bedarf.

Es gab 1974 die Erdölkrise, 1976 das erste Erdölbevorratungsgesetz in Österreich und dann laufende Anpassungen. Tatsächlich ist vorgesehen, dass im Ausmaß von 25 Prozent des Importes im Vorjahr, oder für 90 Tage, Vorrat in Österreich für Erdöl­pro­dukte und neuerdings auch für importierte Biokraftstoffe besteht. Versorgungs­sicher­heit ist uns im Erdölbereich und auch im Gasbereich wichtig, in den Bereichen eben, wo wir importabhängig sind. Meine Eltern haben mich gelehrt: Der beste Rat ist der Vorrat. (Allgemeine Heiterkeit.)

Als junger Mann habe ich festgestellt: Es ist nicht immer der beste Rat, denn der beste Rat im Fall der Energieversorgung ist die Eigenversorgung, ist die erneuerbare Energie, die wir forcieren wollen und sollen. Aber wir stimmen trotzdem dem zweit­besten Rat zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.07


Präsident Georg Keuschnigg: Gemeint war natürlich: der beste Rat nach dem Bundesrat. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


18.08.07

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Mit dem heute zu beschließenden Gesetz, dem Erdölbevorratungsgesetz 2012, wird die EG-Richtlinie zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl oder Erdölerzeugnissen zu halten, umgesetzt.

Da das bisherige Erdölbevorratungs- und Meldegesetz bereits oftmals novelliert wurde, wurden die Änderungen aus der EG-Richtlinie zum Anlass genommen, das Erdölbe­vorratungs- und Meldegesetz auch der besseren Lesbarkeit halber als neues Gesetz zu erlassen.

Der Kern dieses Gesetzes ist – es wurde großteils schon gesagt –, dass Importeure von Erdöl, Erdölprodukten, Biokraftstoffen oder Rohstoffen zur direkten Erzeugung von Biokraftstoffen Pflichtnotstandsreserven zu halten haben.

Das gegenwärtig geltende System der Erdölbevorratung in Österreich enthält weitestgehend bereits jene Anforderungen, die mit der Erdöl-Bevorratungsrichtlinie formuliert wurden, sodass nur wenige ergänzende Regelungen erforderlich sind. Österreich hat ja bei der Berechnung seiner Pflichtnotstandsreservehaltung schon bisher die täglichen Durchschnittsnettoöleinfuhren für 90 Tage zugrunde gelegt. Und die bestehende ELG, die Erdöl-Lagergesellschaft m.b.H., erfüllt bereits alle Voraus­setzungen, die an die Errichtung einer zentralen Bevorratungsstelle, die durch die neue Richtlinie der EU erforderlich ist, geknüpft sind. Daher erfolgt nur die Ver­ankerung dieser ELG als zentrale Bevorratungsstelle.

Kurz gesagt: Mit den neuen Bestimmungen im Erdölbevorratungsgesetz 2012 ver­pflichten sich die Mitgliedstaaten im Wesentlichen, ab 31. Dezember 2012 ständig Erdölvorräte zu halten, die mindestens den täglichen durchschnittlichen Erdöleinfuhren für 90 Tage oder dem täglichen durchschnittlichen Inlandsverbrauch für 61 Tage entsprechen.

Damit bleibt weiterhin die gute Versorgungssicherheit in Österreich gewährleistet. Daher wird meine Partei diesem Gesetz auf jeden Fall zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

18.10



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 155

Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


18.10.27

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist inhaltlich alles schon zum Ausdruck gebracht worden, daher darf ich zusammenfassend feststellen: Es geht eigentlich um die formale Umsetzung der Erdölbevorratungsrichtlinie auf EU-Ebene in nationales Recht. Da wir aufgrund verschiedener anderer Entscheidungen vorher schon alles inhaltlich recht genau geregelt haben, sind wenige inhaltliche Anpassungen notwendig gewesen. Es geht um bestimmte Klärungen, Substitutionsfragen beispiels­weise. Früher waren Autoreifen und anderes auch einzubeziehen. Das haben wir jetzt gestrichen und damit da eine ganz klare Ausrichtung.

Auf der anderen Seite haben wir die Möglichkeit, Pflichtnotstandsreserven auch ande­rer Länder bei uns einzurichten. Das können wir dann selber entscheiden und damit auch die Rolle Österreichs als Energiedrehscheibe möglicherweise verstärken.

Insgesamt war dies auch im Nationalrat eine Materie, die die Zustimmung aller Par­teien gefunden hat. Ich gehe davon aus oder hoffe, dass das auch hier im Bundesrat genauso ist. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.11

18.11.10

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig der Fall. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 156

18.12.5722. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1800 d.B. und 1874 d.B. sowie 8761/BR d.B. und 8782/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Bitte um den Bericht.

 


18.13.12

Berichterstatter Franz Perhab: Herr Präsident! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec junior. (Lebhafte Heiterkeit.) – Bitte.

 


18.13.56

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Also ich kann mit diesem Titel gut leben und scheue mich nicht, in die Fußstapfen der Unternehmer­familie Pisec zu treten – vor allem weil das Unternehmertum ja in der ÖVP nicht mehr so stark vertreten ist und daher zur FPÖ abwandert. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz befürworten wir, hätten wir noch massiver befürwortet, wenn die Liberalisierung für die Gewerbeordnung besser, ver­mehrt durchgesetzt worden wäre. Das freie Gewerbe, der Mut zum Unternehmertum, die Risikofreudigkeit – an diesen wollen wir arbeiten, daran mangelt es in Österreich. Das sollte verbessert werden.

Sie haben selber, sehr geehrter Herr Minister, den „Doing Business“-Report 2012 prä­sentiert, durch den publik geworden ist, dass Österreich wieder einmal um Plätze abgerutscht ist. Mittlerweile nehmen wir hinsichtlich der Unternehmensgründungen nur mehr den 32. Platz ein. In der EU sind wir nur mehr auf Rang 14; 13 EU-Staaten sind schon besser als wir. Das sollte einem zu denken geben.

Ich möchte mich bei Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, sehr herzlich bedanken für die ausführliche Beantwortung meiner Anfrage, warum es so eine geringe Anzahl von Unternehmensgründungen in Österreich gibt. Das ist wirklich das Who is Who der Förderungen, das kann man gebrauchen – das werde ich auch mit meinen Freunden aus dem Kreis der Unternehmer verwenden, um den Weg zu bereiten, wie man eben an Förderungen kommen kann.

Aber dieser Begriff „Förderung“ ist in den Ausführungen bei der Beantwortung der Anfrage sehr intensiv verwendet worden, er kommt über 30 Mal vor. Und das ist das Problem der ganzen Wirtschaftsstruktur in Österreich: dass wir uns nur über die Förde­rungen definieren, auf der einen Seite nur Gelder wegnehmen, einen riesengroßen Verwaltungsapparat kreieren und auf der anderen Seite Förderungen verteilen.

50 Prozent dieser gesamten Gelder, die den Unternehmen und letztlich auch den Mitarbeitern – denn die profitieren ja auch davon – weggenommen werden, landen in


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 157

einer überbordenden Verwaltung, werden praktisch dafür verwendet, dass jene Leute, die dafür angestellt sind und angeheuert werden, diese Förderungen dann wieder verteilen. (Bundesrat Mag. Klug: Ist das eine eigene Studie?) – Jetzt warst du so lange nicht da, jetzt auf einmal bist du da! Du bist mir wirklich abgegangen. (Bundesrat Mag. Klug: Das denk ich mir! Kommt noch was zu Friedman heute?) – Du warst nicht da, ich habe schon etwas erzählt; aber du kannst gerne nachlesen.

Wir Freiheitliche verstehen den Wirtschaftskreislauf anders und sehen den Wirt­schaftskreislauf in folgendem Sinne: Mehr Gelder für die Unternehmen, mehr Möglich­keiten zum Verdienst für die Mitarbeiter der Unternehmen, die an diesen Unternehmen partizipieren. Und: weniger Förderungen und damit auch weniger Lobbyismus, weniger Verwaltung und eine ehrliche Geschäftsgebarung.

Denn: Jedes Geschäft muss sich aus der eigenen Produktion, muss sich aus dem eigenen Umsatz rechnen. Wenn sich ein Geschäft nur durch Förderungen rechnet, nur durch Zuruf seitens des Staates oder des Bundes oder der Länder, wo halt diese Förderungen herkommen, dann bringt das nichts. Das sind Einmalförderungen. Ein Unternehmer braucht Dauerförderungen, ein dauerndes Gestalten seines eigenen Unternehmens, und das geht nur durch Steuersenkung beziehungsweise durch Freibeträge.

Was ein Standort, ein Wirtschaftsstandort wie Österreich weiters braucht, sind leis­tungsabhängige Grundstrukturen im Steuersystem. Wir brauchen mehr Freibeträge, und das in Kontinuität. Es ist schade, dass der Gewinnfreibetrag, der vor vier Jahren eingeführt worden ist, letztes Jahr wieder halbiert worden ist. Das ist keine Kontinuität. Österreich braucht nicht nur einen Verlustvortrag, sondern so wie in Deutschland auch einen Verlustrücktrag, sodass man sich gerade in Zeiten wie diesen, wo man nicht weiß, wie es nächstes Jahr weitergeht, auch einen Verlust rücktragen kann und vortra­gen kann. Es gibt übrigens bei der Bemessungsgrundlage für die Sozialversiche­rung keine Gleichstellung zwischen Verlustrücktrag und Verlustvortrag. Das ist also auch eine gewisse Ungerechtigkeit.

Wir Unternehmer brauchen geringere Lohnstückkosten. Es hat keinen Sinn, wenn es immer heißt, Exporte werden angekurbelt, indem der Euro sinkt. Das bringt nichts. Wir brauchen eine stabile Währung, wir brauchen lange Planungsfestigkeit. Österreich hat vor dem Euro, vor der Euro-Destabilisierung genauso viel an Exporten gehabt. Was sich jetzt bei dieser Euro-Destabilisierung zeigt, ist, dass sich die Importe erhöhen, dass wir 2011 erstmals bereits eine negative Handelsbilanz ausgewiesen haben.

Wenn eine Wirtschaft nur dadurch überleben kann, dass die Währung sinkt, dann stimmt etwas am System nicht. Dann sind einfach die Kosten zu hoch, dann ist die Struktur falsch – und die gehört aufgebrochen und erneuert.

Aus diesem Grund, sehr geehrter Herr Minister, lehnen wir dieses Gesetz ab. Wir Freiheitliche wollen eine größere Liberalisierung, mehr Freiheit für die Unternehmer. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.19


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


18.19.18

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich vor allem auf die Gewerbe­ordnung, die wir heute beschließen, beschränken. Aber es ist mir schon wichtig, dir, Kollege Pisec, auch Folgendes zu sagen, denn gerade das hat schon mit Sorgfältigkeit und Absicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich zu tun, nämlich wenn ich schaue, dass sich jemand nicht nur mit Hurra-Geschrei selbständig macht, sondern


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 158

dass er auch selbständig bleibt, dass wir eine hohe Überlebensquote haben. Und da sind wir ganz einfach Weltmeister! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das ist auch eine Aufgabe, die wir in der Wirtschaftskammer sehr ernst nehmen und wo wir sehr gut unterwegs sind. Allein in Niederösterreich machen wir im Jahr über 16 000 Gründungsberatungen, und es machen sich dann knapp 6 000 selbstständig. Da sieht man schon, wie viele glauben: Ich kann mich selbstständig machen, ich mache das große Geld! – Man muss das aber wirklich gut vorbereitet und mit einem guten Konzept angehen.

Was ich eingangs schon gesagt habe und was mir ganz wichtig ist: Wir schauen immer, wie das nach fünf Jahren aussieht. Wir haben in Niederösterreich eine um 4 Pro­zent höhere Überlebensquote. Wir haben überhaupt eine hohe Überlebensquote, denn wenn fast 78 Prozent der Betriebe dann noch am Markt sind, geht es uns gut. Dann stimmen auch die Unterstützungen.

Das ist mir ganz einfach wichtig, denn ich halte nichts davon, salopp zu sagen: Mach dich selbstständig, du wirst schon sehen! – Ein redliches Scheitern ist nämlich brutal. Wenn einer redlich scheitert, dann hat er vorher vielleicht wenig gehabt, aber wenn er dann redlich gescheitert ist, hat er meistens einen „Binkel“ Schulden, und bei einem Unternehmer-Crash hat er den anderen auch noch touchiert. Dann so salopp zu sagen: Macht ja nichts, du stehst noch einmal auf, probierst es zwei, drei Mal – mit zwei, drei Mal hat er dann so einen „Binkel“, dass er nicht mehr aufstehen kann!

Daher glaube ich, da muss man schon aufpassen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass wir Regeln haben. Keiner von uns bezweifelt es, dass einer, bevor er ein Auto in Bewegung setzt, einen Führerschein machen soll. Aber sich selbstständig zu machen, das könnte jeder, und da warnt man nicht vor den Gefahren! – Das muss man sich also auch anschauen.

Diese uns jetzt vorliegende Gewerbeordnungs-Novelle sieht einige Neuerungen vor. Von einer Maßnahme ist es mir schon wichtig, dass wir sie weiterhin ein bisschen beobachten. Bisher war vorgesehen, dass ein gewerberechtlicher Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Jetzt erfolgt eine Ausweitung in der Form, dass ein jenseits unserer Grenzen wohnender Gewerbe­in­haber keinen Geschäftsführer zu bestellen hat, und zwar in jenen Fällen, in denen der Gewerbeinhaber Staatsangehöriger eines EWR-Vertragsstaates beziehungsweise der Schweiz ist. Ob damit eine ausreichende Betätigung erfolgen kann, das werden wir sehen.

Bei dieser Gewerbeordnung ist aber ein langjähriger Wunsch unserer Zimmermeister in Erfüllung gegangen. Mit der vollen Befähigungsprüfung kann der Zimmermeister nun die Bezeichnung Holzbaumeister führen. Das ist ganz wichtig, denn diese Bezeichnung kommt auch der tatsächlichen Bedeutung unserer jetzigen Zimmerer und künftigen Holzbaumeister zu, weil bei uns das Holz als Baustoff eine immer größere Rolle einnimmt.

Wir leben in einer Zeit der Wissensgesellschaft, in einer Zeit der immer komplexeren Systeme, in einer Zeit der immer stärkeren Spezialisierung, in einer Zeit, in der Qualifi­kation den Wettbewerb bestimmt. Genau in dieser Zeit wird das System der Befä­higungsnachweise, der Meisterprüfungen als freiheitsbeschränkend gesehen – das finde ich ganz einfach grotesk!

Wir wissen, dass ein Befähigungsnachweis eine Grundqualifikation zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit gewährleistet. Das fördert nicht nur das Vertrauen der Konsumenten, sondern das ist auch ein Schutz für den jeweiligen Selbständigen. Es ist eine Tatsache – das habe ich eingangs schon gesagt –, dass Unternehmen, die einen


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 159

Befähigungsnachweis haben und ein Gewerbe gut vorbereitet angehen, langfristig überlebensfähiger sind als die reinen freien Gewerbe. Das muss für uns alle von Bedeutung sein, weil das auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung hat.

Auf der anderen Seite denken wir daran: Es liegt noch gar nicht so lange zurück, dass man von allen Parteien einen sinnvollen Schritt verlangt hat, um das Recht im Hinblick auf Finanzdienstleistungen zu verschärfen. Das war eine Umkehr zu einer zuvor liberalisierten Regelung. Zusammenfassend macht das Befähigungsnachweissystem sicher Sinn, und es ist sicher kein Einmauern von Standpunkten. Qualität braucht Qualifikation, und ich bitte auch Sie, dass wir uns dazu bekennen.

Bei den Fotografen haben wir jetzt einen Kompromiss gefunden, mit dem, glaube ich, alle gut leben können. Ich möchte dazu nur sagen, es gibt schon einen Unterschied zwischen Knipsen und Fotografieren, und ich denke ... (Zwischenrufe bei den Grü­nen.) – Doch, doch, ich weiß schon, dass es sehr viele junge Menschen gibt, die ungeheure Talente und Fähigkeiten in der Fotografie haben. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass diese jungen Leute mit einer guten Ausbildung noch besser unterwegs sind. Ich glaube, dass für so eine Gruppe eine Prüfung überhaupt kein Problem ist.

Jetzt haben wir eben diesen Konsens gefunden, und ich denke, dieser ist sehr liberal. Einerseits wurden die Absatzrechte der Pressefotografen und Fotodesigner erweitert. Andererseits können diese nach drei Jahren Tätigkeit, nach drei Jahren erfolgreicher Tätigkeit ohne weitere Prüfung einen Antrag stellen, zum vollen Berufsfotografen zu werden. Ich denke, dass wir auch bei den Berufsfotografen eine Lehrlingsausbildung haben, dass wir hier wirklich Qualität haben. Das sollte auch erhalten bleiben. Wir haben ja auch Absolventen von berufsbildenden höheren Schulen wie zum Beispiel der Graphischen, von Unis und FHs, die eine qualitativ hochwertige Ausbildung bekom­men. Ich bin sehr froh darüber, dass einer unserer schwierigsten Punkte so eine gute Lösung gefunden hat.

Wir haben eine sehr gute Regelung, denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir schon wichtig, dass ich, wenn ich mir ein neues Dach bestelle, nicht auf den ersten Regen warten muss, um zu wissen, dass die ihr Gewerbe auch gelernt haben. Wir stimmen gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.26


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


18.26.40

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich möchte mich in meiner Rede auf einen Bereich konzentrieren, der den Konsumentenschutz wesentlich erhöht: auf die Änderung der Regelung für die Werbefahrten.

Wer kennt das nicht: Jackpot, aber ausgezahlt wird bei einer Veranstaltung! Mit Gewinnversprechungen von mehreren tausend Euro und vermeintlichen Gratis-Geschenken werden gutgläubige Verbraucherinnen und Verbraucher zu Produktprä­sentationen, Reiseshows und ähnlichen Veranstaltungen gelockt. Der Ausflug entpuppt sich meist als Werbefahrt, bei der überteuerte Produkte an die vermeintlichen Gewinner verkauft werden. Immer öfter ärgern sich Konsumenten in den verschie­densten Beratungsstellen über neue Maschen bei Werbefahrten und Gewinnbe­nach­richtigungen. Die Unternehmen werden immer dreister. Immer wieder kommen findige Unternehmen mit neuen Tricks auf den Markt.

Nach einer Gewerberechts-Novelle im Jahr 2008, bei der verschärfte Bestimmungen für Werbeveranstaltungen im Inland eingeführt wurden, weichen die findigen Veran­stalter vermehrt ins Ausland aus. Die Bestimmungen der Gewerbeordnung wurden bis


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 160

jetzt dadurch umgegangen, dass die Werbung zwar in Österreich stattfindet, aber die Durchführung der Veranstaltung in das benachbarte Ausland verlegt wird und somit die österreichischen Gewerbebehörden keinen Zugriff haben und die Veranstaltung auch nicht untersagt werden kann.

Besonders Grenzregionen waren bisher bevorzugtes Zielgebiet dieser Werbefahrten. Die Veranstalter haben zumeist – man kennt das alles – nur Scheinfirmen mit Post­fachadressen, an welche ein Rücktrittsschreiben oder eine gerichtliche Klage gar nicht zugestellt werden kann. Genau die im Volksmund auch als „Heizdeckenfahrten“ bekannten Werbefahrten ins Ausland werden durch die heute zu beschließende Gesetzesänderung verschärften Bestimmungen unterworfen.

Mit der Novellierung der Gewerbeordnung wird diese Lücke im Gesetz geschlossen. Den Behörden müssen nun ausnahmslos alle Werbeveranstaltungen gemeldet werden. Damit wird die Nachvollziehbarkeit der Veranstalter erleichtert und eine Überprüfung der Firmen ermöglicht. Gewerberechtlich wird diesem unlauteren Treiben nun endgültig ein Riegel vorgeschoben, und die Konsumentensicherheit wird wesent­lich erhöht.

Grundsätzlich gilt ja: Je mehr versprochen wird, je höhere Gewinne zugesagt werden, desto lauter sollten die Alarmglocken läuten! Niemand hat etwas zu verschenken, lässt sich in Anlehnung an einen bekannten Ausspruch eines österreichischen Sportlers sagen. Daher wird meine Partei der Gesetzesnovelle, auch im Sinne des Konsumen­tenschutzes, auf jeden Fall zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.29


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


18.29.39

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden der Gewerbeordnung zustim­men – das ist mir ganz wichtig –, und ich möchte mich auf zwei Aspekte konzentrieren, die zu dieser Novelle beigetragen haben.

Zum einen – Kollegin Zwazl hat es bereits zitiert, und darüber bin ich sehr froh – ist das der Kompromiss, den wir in Sachen Fotografie gefunden haben. Die Fotografie hat sich vom Berufsbild her in den letzten Jahren tatsächlich dramatisch verändert. Was nun Knipserei ist – wie Sie es ein bisschen salopp ausgedrückt haben – und was künstlerische Fotografie beziehungsweise wirklich professionelle, berufliche Fotografie ist, das ist ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, das mag sein, aber es ist natürlich auch immer eine schwierige Frage. Fotografie – das halte ich schon auch für wichtig – ist natürlich auch immer an der Grenze des Künstlerischen, und da ist es immer sehr schwer, genau zu definieren, in welche Richtung es geht.

Aber wie auch immer, was ich besonders toll finde – auch wenn es jetzt ein Kom­promiss ist, aber das ist ja die Politik, dass man Kompromisse macht –, was ich besonders großartig finde, ist, dass sich zeigt, dass Zivilcourage und Initiativen aus der Zivilgesellschaft, in dem Fall aus der betroffenen Zivilgesellschaft, sehr erfolgreich sein und in der Politik tatsächlich etwas bewegen können.

Es gab eine Initiative Freie Fotografie, es haben rund 10 000 ... (Bundesrätin Dr. Winzig: So ist das im Leben ...!) – Ja, das gefällt mir, ich unterstütze das ja! – Es haben rund 10 000 Menschen diese Initiative Freie Fotografie unterstützt. Sie haben darauf hingewiesen, dass das Berufsbild, wie es noch gehandhabt wurde, einfach nicht mehr der Zeit und vor allem nicht der Realität entsprochen hat. Jetzt wurde ein Kompromiss gefunden, das finde ich gut, und das unterstützen wir. Wunderbar!


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 161

Ein anderer Aspekt, auf den ich eingehen möchte, ist der folgende. Den halte ich für besonders wichtig, und es freut mich besonders – das sage ich ganz offen –, dass er von einem ÖVP-Minister erreicht werden konnte, mit einem ÖVP-Minister erreicht werden konnte. Das ist, dass eingetragene PartnerInnenschaften jetzt in diesem Gesetz als Familienangehörige den Ehepartnern und Ehepartnerinnen gleichgestellt werden. Das ist ein großer, großer Fortschritt, der mich sehr, sehr freut! Das sage ich auch als Sprecher der Grünen Andersrum.

Warum ist das so wichtig? – Wir wissen ja schon, es unterscheidet sich die offizielle Stellungnahme der ÖVP immer ein bisschen von den privaten Gesprächen, die man mit ÖVPlern und ÖVPlerinnen führt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist so: Wenn man über das Thema Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Transgendern spricht, unterscheiden sich persönliche Gespräche immer fundamental von offiziellen Stellungnahmen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nein, das Wort „Familie“ war aus Sicht der ÖVP bis jetzt immer sehr verpönt, wenn es um eingetragene PartnerInnenschaften gegangen ist. Auch im Gesetz; die SPÖ wird sich erinnern können, weil sie da wirklich vieles schlucken musste, was sie nicht wollte, und wir schon gar nicht! Der Familienbegriff, und überhaupt, wenn es nur ein bisschen nach Familien roch, wurde es verboten. Auch explizit – das ist leider immer noch so, und das gehört dringend repariert – ist es immer noch im Eingetragene Partnerschaft-Gesetz drinnen, also das Verbot von Adoption und so weiter. Das heißt, wenn man allein als Person ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist so, das steht im Gesetz drin. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das passt schon!)

Zufällig, ihr habt das ja wahrscheinlich in den Medien gehört: Warum ist es aber so wichtig, dass sie anerkannt werden? – Ihr habt vielleicht die Geschichte über Mini­mundus gehört. Was bedeutet das Kopfschütteln, Herr Kollege? (Bundesrat Ertl: Wir haben Gewerbesachen ...! – Bundesrätin Mühlwerth: Wir sind aber jetzt bei der Gewerbeordnung!)

Ja, und in der Gewerbeordnung werden die eingetragenen Partnerschaften gleich­gestellt. Darf ich darüber reden oder nicht? (Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.) – Na, als dann! Ich verstehe jetzt diese Aufregung da vorne nicht, vor allem nicht seitens der SPÖ, die eigentlich immer ein Partner in dieser Frage war, Herr Kollege Klug. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

In Minimundus hat ein eingetragenes Partnerschaftspaar ein Familienticket kaufen wollen bei einem Gewerbe – so, jetzt haben wir den Bogen! In diesem Tourismus­gewerbe haben sie ein Familienticket kaufen wollen: Sie haben Kinder, und sie wollen ein Familienticket kaufen. Das wurde ihnen nicht gestattet! Das ist einfach etwas, das so unmenschlich ist, und das ist so nicht zu akzeptieren. Deswegen ist das so wichtig, und deswegen bin ich ja so dankbar, dass wir es in dieser Gewerbeordnung geschafft haben! – So, verstehen Sie es jetzt, Herr Kollege Klug von der SPÖ? (Bundesrätin Zwazl: Ja, passt eh!) Danke.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch wirklich bedanken, denn es haben sehr viele Menschen – nämlich auch von der SPÖ, Herr Kollege – dazu beigetragen, dass diese Änderungen im Gesetz möglich waren. Ich möchte mich insbesondere schon beim Rechtskomitee Lambda dafür bedanken, das in einer Stellungnahme vorab darauf hingewiesen hat, dass wir hier auch eine EU-konforme Regelung brauchen, die eingetragene Partnerschaften eindeutig gleichstellt. Ich möchte mich bei Raoul Fortner bedanken. Ich möchte mich bei Herrn Christoph Matznetter bedanken. Ich möchte mich natürlich allen voran auch bei meinen grünen KollegInnen und bei den Mitar­beiterInnen, vor allem bei Ruperta Lichtenecker, bedanken.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 162

Das ist für Lesben und Schwule in diesem Land wirklich ein sehr wichtiges Zeichen! Ich hoffe, dass wir in den vielen Unterschieden, die es zwischen Eherecht und eingetra­genem Partnerschaftsrecht noch gibt, weitere Schritte setzen können. Das ist einmal ein erster Schritt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

18.35


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Reich. – Bitte.

 


18.35.31

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Darf ich vorerst zwei persönliche Dinge sagen? – Es freut mich ganz besonders, dass ich heute in meiner ersten Rede im österreichischen Bundesrat zur Gewerbeordnung sprechen darf, die in das Ressort meines Schulkollegen Minister Mitterlehner fällt. Das freut mich ganz besonders. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Kneifel: Das ist schon eine Qualifikation!) – Für ihn oder für mich? (Bundesminister Dr. Mitterlehner: War eine große Klasse! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Ja.

Zweitens möchte ich auf diesem Weg – und ich hoffe, Sie erlauben mir das – meinem Vorgänger Hans Kraml recht herzlich danken. Er hat mir nämlich im Laufe des Tages ein SMS geschickt und hat mir alles Gute für meine erste Rede gewünscht. Hans, wenn du zuhörst: Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nachdem mit der Gewerbeordnung schon relativ alles abgesprochen wurde, habe ich mich ganz besonders mit der Abänderung der Gewerbeordnung für die Berufs­fotografie beschäftigt. Ich glaube, dass nun hier ein Gesetz geschaffen worden ist, das zwar keine uneingeschränkte Liberalisierung, aber meiner Meinung nach – und ich glaube, auch der Meinung vieler Kolleginnen und Kollegen nach – einen vernünftigen Kompromiss gebracht hat, und zwar für die Gruppe der Pressefotografen und für die Gruppe der Berufsfotografen.

Ich habe mich auch mit der überparteilichen Initiative für die Freie Fotografie beschäftigt. Das ist eine Gruppe von engagierten und kreativen Leuten, und diese hat es sich zum Ziel gemacht, die Pressefotografen – und wie mir die Initiatorin gesagt hat, sind es zurzeit 1 300 Menschen, die mit diesem Gewerbe ihren Lebensunterhalt verdienen – aus einer Rechtssituation zu holen, die ihnen in ihrer täglichen Arbeit rechtliche Unsicherheit und manchmal sogar drohende Kriminalität beschert hat. Nach den Aussagen der Initiatorin hatte diese Initiative in kurzer Zeit über 10 000 Unter­stützerInnen gefunden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Fotografinnen und Fotografen sind zum größten Teil Personen, die in Ein-Personen-Unternehmen oder Kleinstunternehmen arbeiten und die eigentlich genug Kraft und Energie brauchen, um ihr Erwerbsleben produktiv zu gestalten. Sie sollten auf keinen Fall von der Gesetzgebung auch noch in Schwierigkeiten gebracht werden.

Nach intensiven Diskussionen mit der Berufsfotografeninnung wurde nun ein Kom­promiss gefunden, der meiner Meinung nach für beide Gruppen sicher akzeptabel ist. Das Erfreuliche am Entstehen dieser neuen Gewerbeordnung ist, dass man sich in guter alter österreichischer Tradition zusammengesetzt, eine gute Lösung für beide Seiten gesucht und auch gefunden hat. Der Berufsfotograf bleibt erhalten. Es wird weiterhin die Lehrlingsausbildung und auch die Meisterprüfung für das Fotografen­gewerbe geben. Andererseits werden aber auch Abgänger von höheren Lehranstalten oder Absolventen eines Studiums die Chance haben, den Beruf eines Fotodesigners auszuüben, und nach einer dreijährigen Übergangsfrist direkte Kundengeschäfte täti­gen können.


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Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Initiatoren für die Freie Fotografie für ihr Engagement, aber auch bei den Vertretern der Berufsfotografen für ihre Bereitschaft bedanken, diesen österreichischen Weg freizumachen. Meine Fraktion wird auf jeden Fall gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.39


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


18.39.35

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuallererst: Es trifft sich immer wirklich zufällig, ich war auch bei der Abschiedsrede von Hans Kraml da, heute bin ich es bei der Antrittsrede von Frau Kollegin Reich. Das ist eigentlich für den Bezirk Rohrbach durchaus erfreulich, würde ich sagen. Wir unterscheiden uns auch inhaltlich nicht sehr stark, aber die Partei ist doch eine andere. (Heiterkeit.) Das ist vielleicht doch ein bestimmter Unterschied.

Ich muss aber auch noch hinzufügen, dass Erwin Buchinger der gleiche Jahrgang war, also in die Parallelklasse gegangen ist. Wir haben noch Nachwuchs genug, also kommt vielleicht noch einiges.

Damit zur Thematik, die angesprochen wurde. Ich halte die Themenstellung für eine sehr wichtige, weil sie mit der Wettbewerbsfähigkeit insgesamt zusammenhängt. Herr Pisec hat die Anfragebeantwortung angesprochen. Die hängt natürlich mit einer grund­sätzlichen Frage zusammen: Wie organisieren wir denn bei uns überhaupt unter­nehmerischen Nachwuchs und Wettbewerb?

Sie haben gesagt, dass das Thema Förderung dreißigmal angesprochen worden ist. Ich möchte schon darauf hinweisen, dass die Darstellung ein wenig zu vereinfachend gewesen ist. Es ging nicht um Förderung im materialistischen Sinn, also finanziell gesprochen, sondern hat sich natürlich auch auf ideelle Förderungen bezogen, also wie kann man Jungunternehmer entsprechend unterstützen? Tatsächlich haben wir in Österreich da ein bestimmtes Problem, denn von 100 Unternehmern sind 6,7 junge Unternehmer. Was wir tun müssen, sehen Sie, wenn Sie andere Gesellschaften mit unserer vergleichen, es ist aber auch ein gesamteuropäisches Problem. Sie werden bemerken, dass die Dynamik, die Wettbewerbsorientierung, die unternehmerische Gesinnung viel stärker ist als in Europa oder speziell in Österreich.

Deswegen haben wir diese Woche die Jungunternehmerförderung neu vorgestellt, die sich nicht auf finanzielle Zuwendungen bezieht, sondern auf eine Steigerung der unternehmerischen Qualität etwa durch Business Angel Days oder auch andere Maßnahmen, um Managementqualität und auch entsprechende Beteiligungen ein­fließen zu lassen.

Ich denke, dass sich das auch bei uns entsprechend bewähren wird. Die Frage ist: Warum haben wir das nicht schon längst? – Das hängt zum Teil mit der Gesinnung oder Einstellung zusammen, weil viele immer noch die Bankenfinanzierung bevorzugt haben. Leider oder vielleicht sogar erfreulicherweise ist es jedoch so, dass wir da umdenken müssen, denn die Bonitätsprüfungen werden schärfer, Basel III ist im Kommen und das heißt, Venture Capital und anderes wird wichtiger werden. Das ist der eine Gesichtspunkt.

Der andere ist auch im Ausschuss diskutiert worden: Wo müssen wir regeln und wo können wir freien Zugang ermöglichen? In Österreich haben wir keine übertriebene Regelungsdichte. Wir haben in etwa 700 000 Gewerbeberechtigungen, das sind natürlich mehr, als es tatsächlich an Unternehmern gibt. Von denen sind etwa 55 Pro-


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zent im Bereich der freien Gewerbe tätig, der Rest ist geregelt. Regelungen haben einen qualitativen Hintergrund: Wo Leib, Leben, Gesundheit oder Vermögen gefährdet werden können, müssen auch qualitative Beschränkungen verordnet beziehungsweise bestimmte Erfordernisse, Befähigungen verlangt werden. Natürlich ist die Entwicklung bei diesen Berechtigungen immer auch eine Frage, zu der vielleicht manches Mal überschießend argumentiert wird, manches Mal auch nicht.

Was die Fotografie anlangt, haben wir uns im Nationalrat und auch auf anderer Ebene intensiv damit beschäftigt. Die Frage ist: Haben wir jetzt eine gute oder eine schlechte Regelung, weil wir etwas relativ Weitgreifendes vorgelegt haben?  Ich finde, dass wir, wie es in Österreich eben ist, einen guten Kompromiss erreicht haben, der durchaus weiterführend ist. Die Fotografen, die bisher als Pressefotografen tätig waren, haben jetzt Verbesserungen, einen einfacheren, aber qualitativ besseren Zugang. In ein paar Jahren werden wir uns wahrscheinlich darüber unterhalten, dass wir auch das noch weiterentwickeln. Man kann 10 000 Leute, die schon erwähnt worden sind, sicherlich nicht ignorieren, aber auch nicht das, was jemand bisher in eine qualitativ hoch­ste­hende Ausbildung investiert hat.

Teilweise ist auch argumentiert worden, es wäre die Lehrlingsausbildung gefährdet oder Ähnliches. Das ist natürlich nicht richtig. Wir haben auch andere freie Gewerbe wie etwa den Handel. Die Gewerberegelung ist in dem Bereich kein Hindernis für die Lehrlingsausbildung. Wir haben im Handel eine sehr gute Lehrlingsausbildung. Daher glaube ich auch, dass der Punkt gut geregelt worden ist.

Was sonst noch enthalten ist, ist bereits teilweise angesprochen worden. Im Endeffekt war ein Teil eine Notwendigkeit aufgrund der EuGH-Rechtsprechung, insbesondere was den EWR anbelangt. Was die Geschäftsführer anlangt, ändern wir materiell nichts, aber wir haben die Schweiz und die anderen EWR-Staaten bis jetzt benachteiligt. De facto geht es um nichts anderes als um die Gleichstellung. Ähnliches gilt auch, was den Entfall des Versandhandelsverbots für Kontaktlinsen anbelangt.

Ich habe auch noch einige Anmerkungen betreffend die Dienstleistungsrichtlinie und deren Umsetzung. Was vielleicht wichtig ist: Nachdem wir die Dienstleistungsrichtlinie mit den Ländern im Sinne eines One-Stop-Shops umgesetzt haben, wird auch das Verfahren zur Berufsanerkennung an die Landeshauptleute übertragen. Im Endeffekt handelt es sich um eine qualitative Aufwertung, wenn es um die Berufsanerkennung geht.

Wir haben auch, was die Deregulierung anlangt, verschiedene Vorschläge der Länder aufgegriffen. Einige sind ja bereits angesprochen worden, zum Beispiel was das Betriebsanlagenverfahren anbelangt, was die Kundmachungen betrifft. Das alles sind Vereinfachungen, ohne dass dadurch Bürgerrechte beschnitten werden.

Ein wichtiger Punkt wird im § 360 geregelt. Die Oberösterreicher werden es vielleicht mitverfolgt haben. Dort ist ein Bezirkshauptmann-Stellvertreter verurteilt worden, weil er in einem gewerberechtlichen Verfahren nicht die Schließung des Unternehmens durchgeführt und damit gegen das Gesetz gehandelt hat. Auf der anderen Seite ist es vielleicht auch problematisch, wenn fehlende Genehmigungsvorgänge gleich die Schließung zur Folge haben. Bei einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen nach § 360 bekommen die Behörden nunmehr die Möglichkeit eingeräumt, von end­gültigen Schließungsmaßnahmen zunächst abzusehen, wenn sich der Betriebs­inhaber an einen strikten Genehmigungszeitplan hält. Das ist absolut wichtig, weil man da praktisch beide Interessen, die Schutzinteressen und auch die Betriebsinteressen, zusammenführt.

Ein paar andere Dinge: Was die Zimmermeister anlangt, ist da jetzt eine langjährige Streiterei über die Bezeichnung ausgeräumt und geklärt. Zu den Werbefahrten ist klar-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 165

gestellt worden, dass die strengen Regeln nicht umgangen werden können, indem die Durchführung der Veranstaltung vom grenznahen Ausland aus organisiert wird, und noch ein paar andere Dinge.

Insgesamt – und das ist auch in den meisten Wortmeldungen angesprochen worden – ist diese Gewerbeordnungsnovelle sicherlich nicht die letzte ihrer Art. Sie markiert jedoch einen Fortschritt, was Wettbewerbsfähigkeit und auch Zugang zum Unter­nehmertum anbelangt, und ich bitte daher um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.46

18.46.30

 


Präsident Georg Keuschnigg: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mehrheitlich der Fall. Der Antrag ist somit angenommen.

18.47.2123. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über medizinische Assistenzberufe und die Ausübung der Trainingstherapie (Medizinische Assistenzberufe-Gesetz – MABG) erlassen und das MTF-SHD-G, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeit­gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungs­gesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1808 d.B. und 1821 d.B. sowie 8762/BR d.B. und 8783/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Damit gelangen wir zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisinger. Bitte um den Bericht.

 


18.47.41

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über medizinische Assistenzberufe und die Ausübung der Trainings­therapie erlassen und das MTF-SHD-G, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeits­zeitgesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank für den Bericht.

Ich darf vorab Herrn Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat begrüßen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 166

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte.

 


18.49.16

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Gesetze, welche wir heute diskutieren, beruhen auf einer Grundlage aus dem Jah­re 1961. Bis 1992 waren die Ausbildung und das Berufsrecht von insgesamt 22 Ge­sundheitsberufen im ehemaligen Krankenpflegegesetz geregelt, wobei die Berufsbilder und die Tätigkeitsbereiche nur sehr allgemein umschrieben waren, was in der Praxis sehr oft zu Auslegungsschwierigkeiten führte.

Im Jahre 1992 wurden die gehobenen medizinisch-technischen Dienste ausgegliedert und ein eigenes MTD-Gesetz erlassen. Ein paar Jahre später wurde das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz erlassen, durch das ein modernes Berufs- und Ausbildungs­recht für die Gesundheits- und Krankenpflege geschaffen wurde. Übrig blieben dann eigentlich nur noch die medizinisch-technischen Fachdienste und die Sanitätshilfs­dienste. Mit dem neuen Gesetz möchte man ein grundlegend modernisiertes Gesetz schaffen, das den aktuellen Erfordernissen des 21. Jahrhunderts angepasst ist.

Mit dem Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das wir heute beschließen, werden den bisherigen Sanitätshilfsdiensten und dem medizinischen Fachdienst ein modernes Berufsbild und eine neue Ausbildungsverordnung verschafft. Für die Sanitäts­hilfsdienste bedeutet das, dass sie sich wegbewegen vom wirklichen Hilfsdienst und Anlernberuf hin zu einem Gesundheitsberuf mit ordentlicher Ausbildung. Es wurde darauf geachtet, dass wirklich ordentliche Verhältnisse und vor allem auch Weiter­bildungsmöglichkeiten geschaffen werden, bis hin zur Berufsreifeprüfung.

Zu Berufsbild und Ausbildung für die Assistenzberufe – dazu gehören die Operations­assistenz, die Desinfektionsassistenz, die Gipsassistenz, die Röntgenassistenz und die medizinische Fachassistenz –: Die Ausbildung für all diese Assistenzberufe startet mit einem gemeinsamen Basismodul. Anschließend wird mit berufsspezifischen Aufbau­modulen eine fundierte Ausbildung mit hoher Qualität geschaffen. Es wird damit sicher­gestellt, dass junge Menschen, die sich für einen Gesundheitsberuf entscheiden, eine Basis und eine qualifizierte Ausbildung erhalten. Gleichzeitig wird mit diesem Gesetz aber auch sichergestellt, dass man über den zweiten Bildungsweg oder als Wie­dereinsteigerIn die Chance hat, sich in einem Berufsfeld zu verwirklichen, sich dann aber im Laufe des Arbeitslebens auch in weiteren Berufsfeldern weiterentwickeln kann. Damit wird ein bedarfsgerechter, flexibler Einsatz dieser Berufstätigen ermög­licht.

Ich war lange Zeit Betriebsratsvorsitzende in einer Sonderkrankenanstalt und von Be­ginn meiner Vorsitzzeit an hat mich das MTF-SHD-Gesetz begleitet. Die medizi­nischen Fachkräfte, die bis jetzt auf drei Sparten, nämlich Labor, Röntgen und Physiotherapie festgelegt sind, haben schon seit Jahren eine Neuordnung und Neuregelung der sie betreffenden Gesetzesmaterie verlangt  und das mit Recht, denn es ging um die Absicherung des Berufsbildes in Zukunft, was nun durch dieses Gesetz erfolgt.

Die bisherige Ausbildung im medizinisch-technischen Fachdienst wird nun durch die neue Ausbildung in den medizinischen Assistenzberufen abgelöst. Angehörige des medizinisch-technischen Fachdienstes behalten aber natürlich ihre bisherige Berufs­berechtigung und Berufsbezeichnung, sie werden aber zusätzlich in den Gel­tungsbereich des Medizinische Assistenzberufe-Gesetz übergeführt. Im Gesetz sind natürlich Übergangsfristen festgelegt.

Ich erinnere mich noch an so manche Diskussion mit VertreterInnen der gehobenen Dienste. Ich glaube, ihnen wäre es lieber gewesen, der Fachdienst wäre ganz verschwunden, als dass wir ihn jetzt noch aufwerten.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 167

Darum danke ich dir, lieber Herr Minister, dass du dieses heiße Eisen angegriffen hast und es in langwierigen Verhandlungen und oft sehr kontroversiellen Diskussionen so weit gebracht hast, dass wir dieses Gesetz heute beschließen dürfen. Ich danke auch deinem Team im Hintergrund. Herzlichen Dank für diesen Einsatz! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Auf Grundlage dieses Gesetzes können wir Fachkräfte für die Zukunft ausbilden, die wir für die optimale Versorgung unserer Patientinnen und Patienten brauchen. In die­sem Gesetz wird aber auch eine dringend notwendige Rechtsgrundlage für die Tätigkeit von SportwissenschaftlerInnen im Bereich der Trainingstherapie geschaffen. Besonders im Rehabilitationsbereich, aus dem ich komme, führte das Fehlen einer solchen oft zu Unsicherheiten und Problemen, da die Sportwissenschaftler eigentlich nur Bewegungs- und Leistungstraining am gesunden Menschen durchführen dürfen. Mit dieser Änderung im Gesetz wird sichergestellt und gesetzlich geregelt, dass SportwissenschaftlerInnen ihre Tätigkeiten auch im therapeutischen Bereich, in Kranken- und Kuranstalten sowie in Reha-Zentren ergänzend und unterstützend zu den PhysiotherapeutInnen ausüben dürfen.

Bei diesem Gesetz steht die Qualität der Ausbildung zum Wohle der Patientinnen und Patienten und die Absicherung der im Gesundheitsberuf Tätigen im Vordergrund. Daher stimmen wir dem Gesetz gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.55


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


18.55.19

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine Damen und Herren! Dem Medizinischen Assistenzberufe-Gesetz, das uns heute vorliegt, geht schon eine lange und harte Diskussion voraus. Nun ist es gelungen, die zum Teil bereits 50 Jahre alten Regelungen mit diesem Gesetz weiterzuentwickeln. Es ist die Grundlage für acht medizinische Assistenzberufe, die geschaffen wurden. Wir sprechen vom Desinfektionsassistenten, vom Gipsassistenten, vom Operationsas­sistenten, vom Ordinationsassistenten, vom Röntgenassistenten und vom medizini­schen Fachassistenten und, wie meine Kollegin auch schon angeführt hat, von der Tätigkeit in der Trainingstherapie für Sportwissenschaftler, die mit diesem Gesetz ermöglicht wird.

Mit diesem Gesetz schaffen wir Berufsbilder mit einer fundierten Ausbildung, die auch zukunftsfähig sind und den Anforderungen der Zeit entsprechen und am Markt auch nachgefragt werden. Positiv möchte ich anmerken, dass wir die bestehende Infra­struktur, die Ausbildungsstätten weiterhin nutzen können, nur eben mit neuen Lehr­plänen für die neuen Berufe. Wichtig ist mir auch, dass es eine Durchlässigkeit zwi­schen den jeweiligen Ausbildungen gibt und Mehrfachqualifikationen möglich sind. Das erhöht natürlich die Berufschancen des Einzelnen.

Als Niederösterreicherin ist mir besonders wichtig, dass in diesem Gesetz der MAB Übergangsbestimmungen für die MTFs drinnen sind, denn wir in Niederösterreich sind das Bundesland, das die meisten MTFs hat. Wir haben 550 Fachkräfte, die gut aus­gebildet sind und wirklich gute, qualitativ hochwertige Arbeit leisten im Bereich von CT, MR, Labor und auch Radiologie. Sie haben wirklich schon langjährig Erfahrung gesammelt in diesem Bereich und daher sollen Sie diese Erfahrungen auch in Zukunft weiter einsetzen und ihre Tätigkeit ausüben können.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 168

In meiner Heimat, in Gmünd, haben wir auch eine Ausbildungsstätte für die MTF. Ich durfte bei der letzten Zeugnisverteilung dabei sein. Es herrschte wirklich große Un­sicherheit, wie es weitergehen wird, eine wehmütige Stimmung bezüglich der Zukunft. Sie haben die Ausbildung eben erst neu abgeschlossen und es gab die Unsicherheit, wie es damit in Zukunft ausschaut.

Daher ist es mir so besonders wichtig, dass das Berufsbild der MTFs im neu geschaf­fenen der Röntgenassistenz enthalten ist und dass sie einfache und standardisierte CT- oder MR-Untersuchungen machen können, aber nach Maßgabe von ärztlichen Anordnungen auch weitere Untersuchungen. Die komplizierten Untersuchungen wie zum Beispiel Untersuchungen mit Kontrastmitteln sind dem Fachdienst vorbehalten.

Als äußerst notwendig erachte ich auch, dass im § 38 MABG Übergangsbestim­mungen enthalten sind, die sicherstellen, dass die MTFs im Bereich von Labor und Radiologie auch weiterhin in Eigenverantwortung – die Eigenverantwortung liegt mir da sehr am Herzen – arbeiten können.

Wichtig ist, dass die Übergangsbestimmungen für jene gelten, die vollzeitbeschäftigt sind, aber auch für jene, die nur teilzeitbeschäftigt waren und natürlich auch für die, die momentan noch in Ausbildung stehen, damit es eben fließend weitergeht.

Ich möchte schon zum Schluss kommen und vielleicht abschließend noch feststellen, dass wir mit diesem Gesetz vor allem für unsere Frauen etwas tun, denn es sind vor allem Frauen, die in medizinisch-technischen Assistenzberufen arbeiten. Sie haben jetzt die Möglichkeit, sich höher zu qualifizieren. Dadurch sind sie sicher auch sehr motivierte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und das kommt natürlich den Patienten zugute, denn damit können sie sich sicher fühlen und sind zufriedene Patienten. In diesem Sinne möchten wir diesem Gesetz gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.59


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


19.00.13

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Das Positive, die Rechtsgrundlage für die Sportwissenschaftler wurde ja bereits erwähnt, darauf brauche ich nicht näher einzugehen. Was für uns besonders wichtig war und eigentlich erst im Zuge eines Abänderungsantrages im Nationalrat im letzten Moment hineinreklamiert worden ist, war eine Forderung von uns, dass beim Berufsbild der Radiotechnologen jetzt auch die Computertomographien und Magnetresonanzen dazugehören. Das hat uns bewogen, diesem Gesetz zuzustimmen.

Es gibt natürlich auch einige Wermutstropfen dabei. Besonders die Verkürzung der Ausbildungsdauer für die Ordinationsassistenten von 1 000 auf 650 Stunden erscheint uns nicht nachvollziehbar, denn im Zuge immer komplexer werdender medizinischer Geräte und leider auch immer mehr überbordender Verwaltung und Bürokratie können wir uns nicht vorstellen, dass diese Aufgaben jetzt, mit einer doch beträchtlich verkürzten Ausbildungszeit, wirklich fundiert erlernt werden können.

Ein weiterer Wermutstropfen ist, dass die Berufsgruppe der Wundmanager nicht als eigene Berufsgruppe anerkannt wird. Diese hochkomplexe Ausbildung haben bis jetzt doch immerhin ungefähr 2 500 Personen absolviert, und sie haben durch diese bisher nicht stattgefundene Anerkennung auch nicht die Möglichkeit, Kassenverträge zu haben. Im Umkehrschluss bleibt damit natürlich auch die Behandlung jenen Personen vorbehalten, die finanziell bessergestellt sind und das eben bezahlen können.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 169

Aber wir sind optimistisch und hoffen, dass auch diese ausstehenden offenen Punkte, die es noch gibt in diesem Themenbereich, abgearbeitet und gelöst werden können. Deshalb stimmen wir, wie gesagt, heute auch zu. (Beifall bei FPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

19.02


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


19.02.49

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden diesem Gesetz zustimmen. Dass sich durch die technische Entwicklung im medizinischen Bereich sehr vieles grundlegend und massiv verändert hat und dass man das Anfor­derungsprofil der Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, auch entsprechend anpassen muss, liegt, glaube ich, ganz klar auf der Hand. Es ist wichtig, dass Men­schen, die als Hilfskräfte tätig waren, nun auch als Assistenzkräfte eingesetzt werden können, nachdem sie vorher eine Ausbildung bekommen haben.

Nur stehen wir da vor einem, wie soll ich sagen, Widerspruch, den man auch im Sozialbereich beobachten kann. Einerseits wünschen wir alle uns gut ausgebildete, bestqualifizierte Menschen, die im pflegenden Bereich, im medizinischen Bereich, im Sozialbereich tätig sind, auf der anderen Seite wissen wir, dass die Länder die Kosten zu tragen haben und die Menschen dann meistens – das ist im Sozialbereich verstärkt zu beobachten – eigentlich gar nicht mehr in den Verwendungsgruppen eingesetzt werden, die eigentlich ihrer Ausbildung entsprechen würden. Ich kenne viele Sozial­arbeiter, die zum Beispiel, wenn sie Sozialarbeit fertig studiert haben, in BAGS 8 eingestuft werden sollten, viele werden aber in 7 oder auch 6 eingestuft und verdienen auch dementsprechend weniger.

Das ist sozusagen ein heikles Thema: Auf der einen Seite wünschen wir uns und möchten wir, dass bestausgebildetes Personal tätig ist, aber auf der anderen Seite, wenn es dann darum geht, diese Menschen auch adäquat zu entlohnen, wird auf die Bremse gestiegen, und das steigert sicher nicht die Arbeitszufriedenheit. – Das ist der eine Punkt.

Es gab viele Erwartungen und Sorgen rund um dieses Gesetz. Man hat jetzt vieles unter einen Hut gebracht, und wir werden diesem Gesetz auch zustimmen. Was ich aber noch in aller Kürze ansprechen möchte, ist die Thematik der Schmerzpatienten. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen Schmerzen haben. Sie werden dann meistens von einem Facharzt zum anderen geschickt, ein Medikament nach dem anderen wird verschrieben, aber letztendlich ist das für den Betroffenen, aber auch für die Ärzte sehr unbefriedigend.

Daher wäre es begrüßenswert, wenn wir flächendeckend Kompetenzzentren einrichten würden, die, ich will nicht sagen alternativ, aber eher aus einer komplementär­medizi­nischen Sichtweise an die Thematik herangehen, und auch die Kassen, die die Kosten tragen, sollen dann entsprechend diese Leistungen übernehmen. Ich spreche hier zum Beispiel von Chinesischer Medizin, von Akupunktur oder von der Homöopathie und nicht – damit das nicht falsch verstanden wird – von diesen Wahnsinnsgeschichten, die es auch gibt, wie Pendeln, Handauflegen und Ähnliches. Aber da, wo es einen breiten Konsens gibt, die herkömmliche Medizin um die zum Beispiel mittlerweile doch sehr bewährte Chinesische Medizin zu ergänzen, wäre dies sicher im Interesse der Betroffenen und auch im Interesse der Ärzte.

Wir werden dieser Gesetzesvorlage natürlich auch unsere Zustimmung erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 170

Ich wünsche Ihnen, Herr Minister, viel Kraft in Ihren Bemühungen, ELGA zu instal­lieren. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

19.06


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


19.06.29

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist mir heute eine ganz besondere Freude, Ihnen dieses Gesetz darzustellen und zu berichten, warum. Bei vielen Bundeskongressen des Österreichischen Gewerk­schaftsbundes, bei vielen Resolutionen der Arbeiterkammer-Vollversammlungen in Österreich haben die Vertreter der Gesundheitsberufe deutlich gemacht, dass sie einen besseren Zugang zu ihrer Ausbildung wollen. Es freut mich ganz besonders, dass die Vertreter der ÖGB-Fachgruppe Gesundheitsberufe hier sind. Josef Zellhofer und Karl Preterebner, herzlich willkommen!

Ich denke das macht deutlich, was Menschen, die tagtäglich die Pflege, die Ver­sorgung von Menschen erbringen, für eine Ausbildung brauchen, wohin der Weg geht. Es waren bisher Hilfstätigkeiten – so hat es auch das Gesetz umschrieben –, und in der Zukunft werden es vollwertige Berufe sein, die eine Qualifikation erfordern. Wir brauchen in Zukunft gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen, die die Tätigkeit in den Krankenanstalten, in der Reha übernehmen.

Dieses Gesetz schafft die Basis dafür, dass man eine Grundausbildung machen kann. Wer mit 17 Jahren beginnt, muss mindestens in drei Sparten eine Ausbildung machen. So schafft das Gesetz eine große Flexibilität, so wie wir sie in den unterschiedlichen Einrichtungen brauchen, und es stellt auch sicher, dass Menschen in einem zweiten Berufsweg – wenn zum Beispiel ein Unternehmen schließt; ich erinnere mich an meine Erfahrungen bei der Schließung von Philips in Gmunden, wo viele Frauen, die dort beschäftigt waren, dann in den Gesundheitsberuf gegangen sind – die Möglichkeit des Einstieges in einer Qualifikation haben, und sie können dann im Laufe ihres Berufs­lebens weitere Qualifikationen erlernen, sich weiterentwickeln. Und das macht die Gesundheitsberufe noch attraktiver.

Es ist schon angesprochen worden, dass wir auch das Thema Trainingstherapie mit den Sportwissenschaftlern geregelt haben. Ich denke, das ist ein wichtiges Thema, das mit diesem Gesetz nun geklärt worden ist.

In Zukunft haben Patientinnen und Patienten Betreuer, Berater, Assistenzberufe zur Verfügung, die eine bessere Qualität und eine bessere Ausbildung haben.

Ich kann auf eine Sache eingehen, die zum Thema Wundmanagement angesprochen wurde – ich sage es nur, weil es nicht falsch hier im Raum stehen soll –: Das ist eine Tätigkeit, die die Gesundheits- und Krankenpfleger oder Krankenschwestern machen können. Wenn jemand Hauskrankenpflege macht, ist es auch vorgesehen, dass man das mit der Krankenkasse abrechnen kann. Aber das ist eine Tätigkeit, die der Hauskrankenpflegerin, den Krankenpflegern vorbehalten ist, und das ist auch gut so.

Den diplomierten medizinisch-technischen Fachkräften kann man auch deutlich sagen, wir haben auch diese Berufssparte gestärkt, gestützt, und sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie haben auch mit dem neuen Gesetz jetzt die Chance, sich weiterzuentwickeln, in der Ausbildung mehrere Felder zu erlernen und damit den Beruf besser ausüben zu können. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

19.09

19.10.30

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Herr Bundesminister.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 171

Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.10.5824. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen erlassen und das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1807 d.B. und 1822 d.B. sowie 8763/BR d.B. und 8784/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisinger. Ich bitte um den Bericht.

 


19.11.17

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen erlassen und das Ärztegesetz 1998 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Köberl. Ich erteile es ihr.

 


19.12.11

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das nächste Gesetz, das wir hier beschließen, wurde ja in der Öffent­lichkeit schon heftigst diskutiert. Es geht um die Qualitätsstandards für Schönheits­operationen.

Der Drang nach Schönheit ist ja keine Neuerscheinung unserer Zeit, sondern das Schönheitsideal war schon immer gegeben, nur hat es sich im Lauf der Jahre und Jahrhunderte maßgeblich verändert. Beispielsweise galt in der Renaissance ein Doppelkinn als sexy, heute würden wir damit eher den Schönheitschirurgen aufsuchen. Fettleibigkeit war in der Antike ein begehrtes Wohlstandszeichen, und man ging nicht zur Fettabsaugung.

Also seit jeher setzen auch die Menschen die unterschiedlichsten Mittel ein, um den jeweils vorherrschenden Schönheitsvorstellungen zu entsprechen. Was allerdings neu ist: Es wurde zu keiner Zeit die Perfektionierung des Körpers derart in den Mittelpunkt gestellt wie in der Gegenwart. Gerade die Jugendlichen leiden oft unter diesen über­triebenen Schönheitsidealen, und ich denke, dass die Bilder, Plakate und auch diverse


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Fernsehsendungen mitverantwortlich dafür sind, dass sich immer mehr Menschen in ihrer anscheinend nicht ganz makellosen Haut unwohl fühlen.

Schon 13-Jährige beginnen mit Diäten, die Essstörungen nehmen immer mehr zu, und Schönheitsoperationen werden anscheinend alltäglich. Die Hemmschwelle, sich einer Operation zu unterziehen, wird immer geringer, und es gibt ja auch Fernsehsen­dungen, in denen noch propagiert wird, dass da eigentlich nichts passieren kann.

Es ist daher sehr erfreulich, dass sich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek – ich denke, das passt sehr gut zu diesem Thema, das wir heute behandeln – für eine Kennzeichnungspflicht von Fotos einsetzt, wonach Fotos gekennzeichnet werden müssen, die bearbeitet wurden. Die perfektionierte Schönheit in der Werbung wird nämlich sehr oft künstlich geschaffen, und ich denke mir, Konsumentinnen und Konsu­menten haben das Recht, zu erfahren, ob es sich um retuschierte Fotos handelt.

In Österreich gibt es Schätzungen zufolge mittlerweile über 50 000 Schönheits-OPs – offizielle Zahlen dazu gibt es nicht –, 80 bis 90 Prozent dieser Eingriffe werden an Frauen durchgeführt, und bedauerlicherweise werden diese Frauen, die sich operieren lassen, immer jünger. Vor 15 Jahren waren die Patientinnen noch zwischen 50 und 60 Jahre alt, heute ist der Durchschnitt zwischen 18 und 38 Jahren, und ein Zehntel aller ästhetischen Operationen wird an unter 20-Jährigen vorgenommen.

Also man kann sagen, dass die Schönheits-OPs eine Modeerscheinung sind, und unverständlicherweise bekommen immer mehr junge Mädchen diese Operationen von ihren Eltern zum Geburtstag oder zur bestandenen Matura geschenkt, obwohl man weiß, dass jede Operation mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden ist. Gerade in der Jugendzeit hadern viele mit ihrem Aussehen. Deshalb sind wir Eltern, aber auch alle Lehrerinnen und Lehrer und Bezugspersonen so wichtig, um die Persönlichkeit und die Einzigartigkeit von Kindern und Jugendlichen zu stärken und zu fördern, denn wer selbstbewusst genug ist, muss nicht jede Modeerscheinung mitmachen und jedem Schönheitsideal hinterherlaufen.

Meine Damen und Herren! Es ist eine sehr wichtige und notwendige Maßnahme, einerseits ein Verbot von medizinisch nicht indizierten ästhetischen Operationen für unter 16-Jährige zu verbieten und einen besonderen Schutz für die 16- bis 18-Jährigen, das heißt eine Wartezeit von vier Wochen, die Einwilligung von Erzie­hungs­berechtigten sowie eine psychologische Beratung vor dem Eingriff gesetzlich zu regeln. Es müssen das Wohl und der Schutz der Patientinnen und Patienten, vor allem unserer Jugend im Zentrum stehen.

Um eine möglichst hohe Qualität bei Schönheitsoperationen sicherzustellen, bedarf es auch bundesweiter Qualitätsstandards und einer Normierung der erforderlichen ärztlichen Qualifikationen. Zurzeit dürfen sich in Österreich alle Ärztinnen und Ärzte als Schönheitschirurgen bezeichnen, unabhängig von ihrer Qualifikation und vom Umfang ihrer praktischen Erfahrung auf diesem Gebiet.

Hier ist auch noch anzuführen, dass in diesem Gesetz auch ein Werbeverbot für Schönheitsoperationen enthalten ist, und zwar auch für ausländische Anbieter.

Schön wäre es, wenn die Diskussion um dieses Gesetz auch zu einer Diskussion um ein gesundes Körperbewusstsein insbesondere bei jungen Frauen führen würde und zu einer Diskussion um die von den Medien vorgegebenen Schönheitsideale, denn es stellt sich die Frage, ob ich mit einer neuen Nase oder ein paar Fältchen weniger allein glücklicher bin.

Dieses Gesetz ist ein gutes, und wir stimmen dem gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

19.17



BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 173

Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 


19.17.59

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Geschäft mit der Schönheit ist auch in Österreich ein lukratives Geschäft. Dieses weite Feld der Schönheitsoperationen hat aber bisher einen Schönheitsfehler: Der Markt ist überhaupt nicht geregelt! Jeder Arzt darf herumschnipseln, Fett absaugen oder dann noch mit der Bezeichnung „Schönheitschirurg“ oder „Beauty-Doc“ um Kundinnen und inzwischen auch Kunden werben. Deshalb freut es mich sehr, dass wir diesem Wildwuchs einen Riegel vorschieben und heute dieses Gesetz beschließen.

Was also ändert sich ab 1. Jänner? – Viel haben wir schon von meiner Vorrednerin gehört. Schönheitsoperationen an Jugendlichen unter 16 Jahren werden verboten sein, außer es ist jemand durch einen Unfall entstellt oder es ist medizinisch notwendig. 16- bis 18-Jährige brauchen zum einen die Bewilligung der Eltern, zum anderen müssen sie sich vorher psychologisch beraten lassen – auch das hat meine Vorrednerin schon erwähnt –, von der Einwilligung bis zum Eingriff müssen in diesem Fall, wenn es sich um 16- bis 18-Jährige handelt, vier Wochen Abstand sein, bei Erwachsenen zwei Wochen. Sollte es zu einer Absage vor der Operation kommen, kann man das bis eine Woche vor der Operation kostenlos machen.

Künftig dürfen auch nur noch Ärzte mit besonderer Ausbildung Eingriffe vornehmen, deren Namen von der Ärztekammer im Internet veröffentlicht werden. Kein Arzt darf sich zukünftig „Beauty-Doc“ nennen, nur die Zusätze „ästhetische Chirurgie“ oder „ästhetische Medizin“ sind erlaubt.

Vergleichende Werbung mit den üblichen Vorher-nachher-Fotos sind Gott sei Dank dann auch verboten. Die Geldstrafen sind saftig, die werden sich zwischen 15 000 € und 25 000 € bewegen.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass es diesen Schönheitswahn und Jugendwahn nicht in diesem Ausmaß gäbe, wenn wir nicht ständig mittels Werbung mit manipulierten und bearbeiteten Bildern konfrontiert werden würden.

Deshalb sollten wir gemeinsam über gesetzliche Vorschriften nachdenken, die es einschränken, dass Fotos und Filme mit den modernen Bildbearbeitungsprogrammen so stark manipuliert werden, dass sie mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben. Die Kennzeichnungspflicht ist ein guter Ansatz, aber ich frage mich, ob das ausreichen wird.

Einen weisen Spruch möchte ich uns zum Schluss noch mitgeben:

Was du an Jugend verlierst, gewinnst du an Weisheit und Gelassenheit! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

19.21


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.21.21

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich anschließen. Ich finde es bewundernswert. Es ist leider sehr rar in der österreichischen Politik, dass sich bei einem Gesetz im Prinzip alle einig sind – einig, dass es notwendig ist, eine gesetzliche Regelung zu schaffen –, dass lang und aus­reichend diskutiert wird, dass nicht viel gestritten wird, dass wir eigentlich alle einer


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 174

Meinung sind und dass die Diskussion auch dazu beiträgt, in der Öffentlichkeit ein bisschen Bewusstseinsbildung zu schaffen.

Das ist, glaube ich, in diesem Fall gelungen. Da kann ich Ihnen, Herr Minister, wirklich nur gratulieren. Das haben Sie in der bewährten ruhigen Art und Weise durchgezogen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Es gibt natürlich von unserer Seite, wie immer, ein paar Verbesserungswünsche. Wir hätten uns gewünscht, dass man überhaupt erst ab 18 Jahren Schönheitsoperationen durchführen lassen kann, weil Mädchen erst ab 18 Jahren wirklich ausgewachsen sind; das war so und das wird sich nicht so schnell ändern.

Nun ist ja diese Übergangslösung mit der psychologischen Beratung vorgesehen. Vernünftiger wäre es unserer Meinung nach gewesen, das überhaupt erst ab 18 Jahren zu erlauben.

Ein weiterer Wermutstropfen ist, dass die Verordnung, welcher Arzt was machen kann, der Ärztekammer überlassen wird und nicht dem Ministerium.

Wir hätten uns auch strengere Werbebeschränkungen und höhere Strafen gewünscht. Es wird sich ja vielleicht auch in Zukunft an diesem Gesetz wieder ein wenig verändern, und vielleicht schaffen wir es auch wirklich, es zu verbessern.

Ich denke, es ist wirklich ein Problem der Bewusstseinsbildung. Wir hatten das alle. In unserer Jugendzeit waren es vielleicht nicht Schönheitsoperationen, sondern andere Blödsinnigkeiten, die wir gemacht haben, damit wir hervorstachen oder eben so waren wie die anderen. (Bundesrat Mayer:  Beispiele!) – Über die Beispiele reden wir nachher. Das waren Jugendsünden. Unsere Jugendsünden konnten rückgängig gemacht werden, diese Dinge können leider nicht rückgängig gemacht werden.

Viele sind sich auch des Risikos nicht bewusst, und ich denke, es ist wichtig, dass diese Probleme künftig aufgezeichnet und gesammelt werden. Auch das ist ein wichtiger Beitrag, weil im Bewusstsein noch nicht angekommen ist, dass da viel schief­gehen kann. Mehr Dokumentation würde möglicherweise einige abhalten.

Also prinzipiell, insgesamt: Gratulation zu diesem Gesetz! Wir stimmen gerne zu. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

19.23


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


19.24.05

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Es ist ja schon vieles von meinen Vorrednerinnen zu diesem Thema gesagt worden, ich möchte jetzt nichts wiederholen.

Trotzdem habe ich mich von der Rednerliste nicht streichen lassen, weil ich denke, dass dieser Themenbereich einer ist, der politisch gesehen, sagen wir es einmal so, relativ neu behandelt und thematisiert wird, weil sich die Entwicklung im Bereich der plastischen Chirurgie in den letzten zehn, 20 Jahren drastisch verändert hat.

Deshalb glaube ich, dass man das nicht oft genug betonen kann: Das Ärztegesetz, das wir heute novellieren, stammt aus dem Jahr 1998, und in diesen letzten 20 Jahren hat es, wie gesagt, im Bereich der plastischen Chirurgie sehr viele Veränderungen gegeben. Es hat eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung gegeben, der man als österreichische Politik nicht kritiklos gegenüberstehen darf.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 175

Das Geschäft mit der plastischen Chirurgie boomt wie nie zuvor, insbesondere infolge der Anti-Aging-Bewegung, die aus den Vereinigten Staaten kommt und vor rund 20 Jahren nach Österreich übergeschwappt ist. Dabei wird ewige Schönheit und Jugend propagiert. Alter sei eigentlich Krankheit, und ab dem 30. Lebensjahr beginne ja ein Stadium des Verfalls und des Siechtums, daher müsse man angeblich körperlich an sich herumdoktern.

Diese Bewegung scheint im Denken der Menschen sehr stark Fuß gefasst zu haben. Es ist jedenfalls eine Marktnische entstanden, die keine Grenzen mehr kennt, das Herumdoktern am menschlichen Körper ufert beispiellos aus.

Prinzipiell ist ja nichts gegen Schönheitsideale einzuwenden, es hat immer welche gegeben; wobei man natürlich hinterfragen muss, wer in unserer Gesellschaft bestimmt, was schön ist und was Schönheitsideale sind. Heutzutage wird eben ein dünnes Schönheitsideal propagiert. Welche Auswirkungen das auf junge Frauen und Mädchen hat, zeigt sich vor allem beim Anstieg der Essstörungen, der Magersucht, der Diäten.

Ich glaube, sehr geehrte Damen und Herren, da sollten wir als Politiker und Politi­kerinnen Aufklärungsarbeit leisten und gewissen Entwicklungen einen gesetzlichen Riegel vorschieben.

Dass Schönheit immer dem Wandel der Zeit unterliegt, ist heute schon gesagt worden. Das zeigen gerade die idealen Körpergrößen. Heutzutage ist es zum Beispiel unvorstellbar, dass Models Kleidergröße 42 und 44 tragen. Vergessen ist, dass Marilyn Monroe Kleidergröße 42 trug und Liz Taylor Kleidergröße 44.

Daran zeigt sich, wie wichtig die Frage ist, wer Schönheitsideale bestimmt, denn wie man sieht, können Schönheitsideale auch sehr destruktive Folgen haben. Diese Schönheitsideale stellen an Menschen Anforderungen und Erwartungen, die einfach kaum zu erfüllen sind.

Aber das Problem ist nicht, dass heute die Schönheitsideale anders sind als früher, sondern ganz prinzipiell, dass die Kommerzialisierung unserer Gesellschaft vor dem menschlichen Körper offensichtlich keinen Halt kennt, dass Körper zur Ware wird und da offensichtlich jede Hemmschwelle durchbrochen wird.

Ästhetische Eingriffe werden in unserer Gesellschaft immer üblicher, gelten zunehmend als normal, sie werden durch Stars und Models in den Medien gepriesen.

Ich erinnere mich, werte Kollegen und Kolleginnen, vor zwei Jahren gab es in der Tageszeitung „Österreich“ – ich weiß nicht, ob ihr euch daran erinnert – ein Gewinnspiel. Bei diesem Gewinnspiel wurden Beauty-Operationen verlost, wobei sich die TeilnehmerInnen aussuchen konnten, ob sie eine Nasenkorrektur, eine Botox-Behandlung oder eine Fettabsaugung haben wollten. Die Auswahl war sehr groß. Das hat mich damals ziemlich erschüttert, weil ich mir gedacht habe: Wie kann es sein, dass so etwas medial angepriesen wird?!

Ich denke, dass wir mit dem heutigen Gesetz solchen Entwicklungen einen Riegel vorgeschoben haben.

Was auch immer wieder vorkommt, auch im Fernsehen, auch im österreichischen Fernsehen, ist, dass sich Stars bei ihren Schönheitsoperationen filmen lassen. (Unruhe im Sitzungssaal.) – Ich glaube, dass dieses Thema offensichtlich viele Diskussionen auslöst. (Bundesrat Kainz: Abgehandelt ist!) – Was heißt, abgehandelt ist?! Ja, beschlussreif, aber ich bin trotzdem der Meinung, dass man das nicht oft genug thematisieren kann (Bundesrat Beer: Das sind die bereits Operierten, die hören nicht mehr zu!), vor allem wenn man sich die Folgen für junge Frauen anschaut. Deshalb


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 176

habe ich mich, wie gesagt, nicht von der Rednerliste streichen lassen und werde jetzt weiterreden. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Was an der ganzen Geschichte sehr erschütternd ist, ist die Verharmlosung. Es wird suggeriert, es sei eben ein ästhetischer Eingriff, der nichts anderes sei als eine kleine kosmetische Behandlung. Es wird aber nicht darüber aufgeklärt, mit welchen Risiken das Ganze verbunden ist und dass das in Wirklichkeit sehr wohl eine Operation ist wie jede andere.

Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz und der Patientenaufklärung, die jetzt ge­setzlich festgeschrieben wurde, reichlich dafür Sorge getragen haben, dass das nicht mehr passiert. Es wurde ja schon gesagt, wie viele solche Operationen im Jahr in Österreich durchgeführt werden. Fast die Hälfte der Frauen gibt an, von den Darstellungen in den Medien beeinflusst zu werden.

Werte Kollegen und Kolleginnen! Gerade für Teenager ist dieses Gesetz sehr begrüßenswert. Wir haben es hier heute schon gehört: Die Schaffung eines Mindest­alters für die Durchführung einer Schönheitsoperation ist ganz, ganz wesentlich, denn gerade Teenager sind da ganz empfindlich und empfänglich, weil sie noch relativ unsicher sind und nach einer Rolle, nach einer Orientierung, nach einer Richtung suchen. Sie sind für diese inszenierten Bilder sehr empfänglich und dadurch natürlich auch sehr stark gefährdet.

Ich denke, die Bilder der perfekten Körper der Stars, die sie täglich medial erreichen, führen dazu, dass sie sich über ihren Körper Sorgen machen. In den Vereinigten Staaten ist es mittlerweile Trend geworden, dass Töchter zum Highschool-Abschluss eine neue Nase, eine Brust-OP und so weiter geschenkt bekommen.

Wir beweisen heute mit diesem Gesetz ganz klar, dass diesem potenziellen Miss­brauch Einhalt geboten werden muss. Das machen wir mit der gesetzlichen Regelung des Mindestalters. (Vizepräsidentin Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren: Ich glaube, trotz dieser positiven Regelung werden wir nicht daran vorbeikommen, uns einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion zu stellen. Wir müssen an den Ursachen dieses Trends arbeiten; denn es kommt nicht von ungefähr, dass Leute zunehmend die Hemmungen verlieren, wenn es darum geht, sich unter das Messer zu legen beziehungsweise eben operieren zu lassen. Ich glaube, das ist ein Ergebnis des gesellschaftlichen Trends, und da bedarf es wirklich grundlegender gesellschaftlicher Debatten.

Wir stimmen diesem Gesetz natürlich wohlwollend zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

19.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


19.33.02

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Zuseherinnen und Zuseher! Die Bundesregierung Werner Faymann hat beim Regie­rungs­programm ganz deutlich gesagt: Wir brauchen auch im Bereich der Gesundheit besonderen Konsumentenschutz!, und diesen Konsumentenschutz haben wir mit diesem Gesetz auch umgesetzt.

Viele Argumente sind schon erwähnt worden; ich wiederhole sie nicht. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Österreichischen Ärztekammer und beim scheidenden Präsidenten Walter Dorner, weil er – gemeinsam mit seinem Team – sehr, sehr deut-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 177

lich daran mitgearbeitet hat, in diesem Bereich die Qualität des medizinischen Umgangs in den Vordergrund zu stellen. Überall dort, wo es um Arbeit und um Tätigkeiten geht, ist das gar nicht einfach, aber in diesem Feld hat man klar und deutlich gesagt: Wir wollen die Qualität in den Vordergrund stellen.

Folgendes ist mir wichtig, und darauf möchte ich hinweisen: Es war eine Diskussion dazu, ob wir das bis 16 oder bis 18 Jahre verbieten. Diese Frage kann man so oder so beantworten. Wir haben uns für 16 Jahre entschieden. Unter 16-Jährige sollen nicht notwendige ästhetische Operationen nicht durchführen dürfen. Das haben wir klar verboten. Wir haben aber auch zusätzliche Kriterien eingeführt.

Der Gesetzgeber sagt damit auch deutlich, wohin die Reise geht, was den Seriösen von den weniger Seriösen unterscheidet, nämlich die Zeit der Auseinandersetzung mit den Fragen: Mache ich eine Operation? Wie lange ist die Wartefrist? Es geht darum, wie lange man jemanden überlegen lässt, ob er den Eingriff machen lässt. Das ist ein Element.

Das Zweite geht in die Richtung, sich die Frage zu stellen: Welche Ideale stehen in der Öffentlichkeit als Motivation für eine Schönheitsoperation? Da geht es darum, diese Ideale zu überprüfen, und da ist eine Beratung durch Psychologinnen und Psychologen jedenfalls für PatientInnen zwischen 16 und 18 Jahren gesetzlich verpflichtend – ich würde aber auch bei Personen über 18 Jahren anraten, das in den Prozess der Krankenbehandlung einzubeziehen. Da hat dann der Gesetzgeber dieses Kriterium auch vorgegeben.

Ich habe in meiner Tätigkeit viele Menschen erlebt, die mir geschildert haben, dass die Erwartung, die sie an eine ästhetische Operation gehabt haben, dann in der Realität nicht umgesetzt worden ist. Das heißt, die Erwartung ist nicht erfüllt worden. Dieses Gesetz dient dazu, dass man eine seriöse Aufklärung hat, dass diese Operationen von geeigneten Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden, dass wir zu mehr Konsu­mentenschutz in diesem Feld des Gesundheitswesens kommen, dass eben nicht das Geld im Vordergrund steht, sondern die Qualität der medizinischen Tätigkeit. (Allge­meiner Beifall.)

19.36

19.36.10

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.37.0825. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Tierärztekammergesetz erlassen und das Tierärztegesetz geändert wird (1734 d.B. und 1824 d.B. sowie 8785/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen damit zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 178

Bericht.

 


19.37.23

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsaus­schus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Tierärztekammergesetz erlassen und das Tierärztegesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Krusche zu Wort. – Bitte.

 


19.38.07

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseher und Zuseherinnen zu Hause vor den Bildschirmen! Ich befürchte natürlich, dass der politikinteressierte Fernsehzuschauer jetzt die „ZIB1“bevorzugt und vielleicht die Debatte um das neue Tierärztegesetz, die ja nur etwas mehr als 2 000 Personen betrifft, nicht so interessant ist. Es handelt sich also, wie man beim vorletzten Tagesordnungspunkt bereits gesagt hat, eigentlich um weniger Personen, als es Wundmanager in Österreich gibt.

Aber dieses Gesetz, das hier geschaffen wird, greift massiv in den Bereich der Tier­ärzte­kammer ein, und zwar eigentlich gegen den ausdrücklichen Willen der Kammer. Die Kammer behauptet, dass dadurch keine Verbesserung der wirtschaftlichen, so­zialen und arbeitsrechtlichen Situation für die Tierärzte zu erwarten ist, und zwar für alle Beteiligten: selbständige Tierärzte ohne Angestellte, selbständige Tierärzte mit Angestellten, angestellte Tierärzte bei selbständigen Tierärzten, Amtstierärzte, und dann gibt es noch die sonstigen Tierärzte, wahrscheinlich die, die beispielsweise in Schönbrunn im Zoo tätig sind.

Im Ausschuss wurde eigentlich diese Kritik der Kammer damit abgetan und abge­schmettert, dass es sich um einen internen Konflikt zwischen Vorstand und Haupt­versammlung handeln würde.

Wir von der FPÖ haben ein bisschen den Eindruck, dass es sich hier eigentlich in erster Linie um ein Drüberfahren über eine kleine und mehr oder weniger – unter Anführungszeichen – „unbedeutende“ Kammer handelt, und ich wage zu behaupten, wäre in einer ähnlichen Situation beispielsweise die Arbeiterkammer betroffen, würde man sich sehr wohl die Zeit nehmen, um vielleicht weiterzuverhandeln und an diesem Gesetz noch etwas zu feilen und zu verbessern und ein Einvernehmen herzustellen. Das ist hier nicht der Fall, und deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. (Beifall bei der FPÖ.)

19.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


19.40.44

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Minister! Gospod minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Lieber Herr Kollege Ertl, es geht nicht um Drüberfahren  (Bundesrat Stadler: Krusche!) – Entschuldigung, ich nehme das zurück! Herr Kollege Krusche, es geht nicht um Abtun, es geht nicht um Abschmettern und Drüberfahren. Es geht ganz einfach um eine Verbesserung der Situation von Tierärzten und Tierärztinnen.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 179

Diese Veränderung ist notwendig, weil sich das Berufsbild und die Situation des Berufsstandes der Tierärzte und Tierärztinnen geändert haben, und mit diesem Gesetz schaffen wir wirklich wesentliche Verbesserungen für Tierärzte und Tierärztinnen auch in der Weise, dass es eine gesetzliche Interessenvertretung gibt und damit sozusagen Demokratie stattfindet.

Es stimmt, dass es selbstverständlich unterschiedliche Ausgangspositionen gegeben hat, aber letztendlich ist es gelungen, dass sich die Interessen von selbständigen und unselbständigen Tierärzten und Tierärztinnen sowie die Anliegen der Funktionäre sowohl auf der Landes- als auch auf der Bundesebene und die klaren Kammerstruk­turen in einem Gemeinsamen wiederfinden. Und das ist eine Verbesserung.

Ich möchte auch noch betonen, dass viele Forderungen und Anliegen sehr vieler Tierärzte und Tierärztinnen berücksichtigt worden sind.

Diese Änderung des Gesetzes bringt auch eine Neustrukturierung der Kammer­organisation durch eine klare Aufgabenzuteilung. Dieses Gesetz passt das Wahlrecht an und führt ein Schlichtungsgremium und einen Kontrollausschuss ein.

Es ist zweifellos eine Verbesserung. Es war notwendig, dass die Politik auf die veränderte Situation reagiert hat, und deswegen werden wir dem selbstverständlich zustimmen.

Vielleicht zum Schluss noch etwas, was auch gelungen ist und wozu ich gratuliere, und zwar dem Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft der Privat­angestellten, nämlich dass es einen Mindestlohn gibt, der ab 1.9.2012 in Kraft tritt. Hier wurden entsprechende Rahmenbedingungen für Tierärzte und Tierärztinnen festgelegt.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


19.43.53

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Kollege Krusche, die Tierärztekammer ist für uns keine unbedeutende Organisation, sondern eine sehr bedeutende. Daher werden wir dem Gesetz natürlich zustimmen.

Es hat sich in drei Punkten etwas verändert: im Bereich des Wahlrechtes, im Bereich des KV und (der Redner blättert in seinen Unterlagen) – jetzt brauche ich doch meine Zettel, ich habe mir gedacht, es geht heute wieder ohne (Heiterkeit – Bundesrat Stadler: Es geht schneller, wenn du einen Zettel hast!) – im Bereich der Delegierten­versammlung.

Ich glaube, wichtig ist auch, dass die 600 unselbständigen Tierärzte auch mit vier Vertretern als Delegierte im Wahlrecht verankert sind. 14 Vertreter gibt es bei den selbständigen Tierärzten und neun Vertreter durch die Landespräsidenten.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass – und das war ja auch in Oberösterreich ein Punkt – vielleicht die Landeskammern hier keine Bestimmung mehr haben könnten. Die Lan­deskammern haben hier sehr wohl eine Bestimmung, und ich glaube, es war nicht ganz so gut, dass man kein Bottom-up-Prinzip angewendet hat bei der Evaluierung dieses Tierärztekammergesetzes.

Wir haben gestern im Bundesrat aufgezeigt, dass es keinen Ärztemangel gibt, sondern eine schlechte Verteilung der Ärzte, und daher ist bottom up mit den Ärzten zu diskutieren. Hier ist vielleicht ein Fehler passiert, indem die Tierärzte erst später ein-


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 180

gebunden worden sind in die Diskussion und dadurch verunsichert waren, aber ich glaube, wenn wir nach draußen gehen und das den Tierärzten erklären, werden sie sicherlich auch dem positiv gegenüberstehen.

Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, ist auch ein Thema, dass der Beruf Tierarzt immer mehr in den weiblichen Bereich übergegangen ist, und somit brauchen wir auch in diesem Bereich eine Absicherung, und der Kollektivvertrag macht das möglich.

In diesem Sinne ein herzliches Dankeschön, und ich glaube, es ist ein gutes Gesetz, dem wir natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.46.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Krusche hat mich jetzt doch herausgefordert, obwohl wir es ja eigentlich im Ausschuss schon diskutiert haben. (Bundesrat Stadler: Ja, das stimmt!) Es geht jetzt in der Novelle darum, dass auch die angestellten TierärztInnen Zugang haben, dass es einen Kollektivvertrag geben wird, dass die in der Kammer vertreten sein werden.

Dass die Tierärztekammer möglicherweise im Vorfeld Probleme damit hat, dazu muss ich sagen, da geht es möglicherweise schon auch um Besitzstandswahrung. Insofern wundert es mich ganz besonders, dass gerade die FPÖ sich da jetzt für diese Besitzstandswahrung so stark macht. Ich würde euch doch bitten, überlegt euch noch einmal, was die Antwort war. Es ist im Ausschuss zwar sehr verklausuliert, aber doch ausgedrückt worden, worum es gegangen ist. Und es würde mich doch entsetzen, sogar von einer FPÖ, wenn ihr euch für eine Besitzstandswahrung wirklich so stark machen würdet. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

19.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


19.47.00

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Gerade beim Tierärztekammergesetz, ich sage das sehr deutlich, geht es um 2 181 selbständige Tierärzte und 614 angestellte Tierärzte in ganz Österreich. Wir wissen, dass in Zukunft die Zahl der angestellten Tierärztinnen und Tierärzte größer wird. Wir wissen, dass derzeit an den Universitäten 86 Prozent der auszubildenden Tierärzte weiblich sind. Das werden also Tierärztinnen sein, und daher braucht das eine Veränderung auch in der Kammerstruktur. Und der Vorstand der Österreichischen Tierärztekammer hat gebeten, diese Veränderung sukzessive einzuleiten, und hat einen großen Diskussionsprozess auch in der Gruppe der Tierärztinnen und Tierärzte eingeleitet. Da hat es viele Informationen gegeben, und da hat es natürlich auch Auseinandersetzungen gegeben.

Ich habe mich persönlich sehr bemüht, mit allen Gruppen ins Gespräch zu kommen. Ich habe alle Landespräsidenten eingeladen, ich habe den Vorstand eingeladen, und wir haben einen guten Kompromiss zustande gebracht. Der Kompromiss geht davon aus, dass wir in Zukunft ein Verhältniswahlrecht einführen. Das wurde umgesetzt. Der Kompromiss stellt sicher, dass die Delegiertenversammlung, die Hauptversammlung der Tierärztekammer, auch einen Kontrollausschuss einsetzen kann. Wir haben die demokratischen Elemente gestärkt, und wir haben aber auch sichergestellt, dass der Vorstand der Tierärztekammer seinen Aufgaben nachkommen kann.


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 181

In diesem Sinne lade ich die Tierärztinnen und Tierärzte in Österreich ein, sich um ihre Kammer zu bemühen, hier zusammenzuarbeiten und einen Neustart in einer demokratischen und modernen Tierärztekammer vorzunehmen. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes ist das möglich.

Abschließend gratuliere ich den angestellten Tierärztinnen und Tierärzten zu ihrer Ge­werkschaft. Sie haben es geschafft, einen Mindestlohntarif umzusetzen, und Mindest­löhne sicherzustellen ist in diesem Feld ganz besonders gut. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

19.49

19.49.10

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich begrüße Herrn Staatssekretär Dr. Waldner zu später Stunde bei uns hier im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

19.50.1526. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Übereinkommen zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (1743 d.B. und 1816 d.B. sowie 8765/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 26. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. Ich bitte um den Bericht.

 


19.50.36

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2012 betreffend Übereinkommen zur Errichtung des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


19.51.19

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist im Vorfeld wahrscheinlich über kaum eine Glaubenseinrichtung in diesem Land so intensiv medial berichtet und debattiert worden  (Bundesrat Schennach: Das ist ja keine „Glaubenseinrichtung“!) – Na ja,


BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 182

wenn Sie mir zuhören, dann werden wir schon dorthin kommen. Dann werden Sie auch erfahren, Herr Kollege, warum ich von einer Glaubenseinrichtung spreche. Das sind wir gleich mitten im Thema. Es gibt nämlich in Saudi-Arabien keine Trennung zwischen Staat und Kirche. Und selbstverständlich ist jede offizielle Einrichtung auch eine Glau­benseinrichtung. Es ist so. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Hören Sie mir kurz zu! Wir können dann gerne noch interagieren. Das ist ja kein Problem. Ich möchte es auch relativ nüchtern machen und nicht emotional. Ich denke, das Thema  (Bundesrätin Mühlwerth: Der Kollege Schennach möchte es aber gerade emotional hochheben!) – Ja, das wäre „super“. Ich denke aber, dass dieses Thema weniger Emotion, sondern mehr Verstand braucht.

Im Jahre 2006 wurde eine junge Frau in Saudi-Arabien zu fünf Jahren Gefängnis und 90 Peitschenhieben verurteilt. Sie hat gegen dieses Urteil berufen – und die Strafe wurde verdoppelt. Das heißt, sie hat statt der 90 Peitschenhiebe 200 Peitschenhiebe und zehn Jahre Gefängnis bekommen. Das „Vergehen“, dessentwegen sie verurteilt wurde, war jenes, dass sie mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet war, in einem Auto gefahren ist. Und beide, sowohl die Frau als auch der Mann, wurden von sechs Männern aus dem Auto gezerrt und vergewaltigt. – Und die Frau wurde verurteilt.

Das ist nur ein Beispiel von vielen Beispielen, die an den Motiven, die hier genannt werden, warum dieses Wahhabiten-Zentrum in Wien errichtet werden soll, Zweifel aufkommen lassen, und zwar ganz massive Zweifel. Wenn man sich nämlich – und da bin ich wieder beim Thema, Herr Kollege – die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien ansieht, stellt sie sich so dar: keine Trennung von Staat und Kirche. Die Kirche ist der Staat. Es ist dort ganz klar, dass die Repräsentanten der Kirchen, die Glaubensrepräsentanten selbstverständlich die Staatspolitik vorgeben. Das manifes­tiert sich ja auch in vielen Aussagen des Königs, der natürlich ein absolutis­tischer König ist.

Wie wird denn in Saudi-Arabien mit anderen Glaubensrichtungen umgegangen? – Da rede ich noch gar nicht von der jüdischen Glaubensrichtung. Wenn Sie einen israelischen Stempel im Reisepass haben, dürfen Sie in das Land gar nicht einreisen, wobei man dazusagen muss, dass Touristenvisa ohnehin nicht vergeben werden, denn es werden nur Visa für jene Menschen ausgestellt, die in diesem Land beruflich zu tun haben, oder wenn sie mit einer geführten Reisegruppe einreisen. Als Individualtourist haben Sie ohnehin keine Chance, nach Saudi-Arabien einzureisen.

Aber: Wie geht man dort mit anderen Religionen, mit anderen Glaubensrichtungen um? Wie geht man mit anderen muslimischen Glaubensrichtungen um? Wie geht man mit den Aleviten um? Wie geht man mit den Drusen, mit den Bahai um? – Diese Leute werden verfolgt, werden teilweise ohne Prozess ins Gefängnis gesteckt. Diese Leute haben keine Chance, dass sie ihren Glauben auf ihre Art und Weise ausüben können. Das geht sogar so weit, dass auch schiitische Vertreter dort ohne Prozess eingesperrt werden, weil sie ihre schiitische Glaubensrichtung vielleicht zu offensiv betrieben haben.

Und da rede ich noch gar nicht davon, dass jemand missionarisch tätig wird, das ist gar nicht notwendig. Eine Abkehr vom Islam kann für Männer die Todesstrafe bedeuten. Das ist ein fundamentales System, das hier errichtet wurde. Man stellt sich vor, dass so etwas vielleicht im Mittelalter noch irgendwo Platz gehabt haben könnte, aber das hat heute, in einer aufgeklärten Zeit, in der sich ja auch viele Staaten in der muslimischen Welt durchaus einem offenen Dialog stellen, in keiner Weise irgendeinen Platz mehr.

Diese Doppelmoral, die dann teilweise auch vorgelebt wird – und da gibt es genug Bei­spiele –, lässt auch massive Zweifel daran aufkommen, dass es hier von saudi-


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arabischer Seite wirklich ernsthafte Bestrebungen gibt, einen interkulturellen oder einen interreligiösen Dialog zu führen.

Der Pressesprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich hat in einer Stellungnahme gesagt: Er begrüßt es nicht, dass islamische Strömungen aus Saudi-Arabien nach Österreich importiert werden.

Auf der anderen Seite soll hier heute und wird hier heute mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP eine Institution ins Leben gerufen, die Völkerrechtspersönlichkeit hat. Das heißt, alles, was da drinnen passiert, steht auch außerhalb der österreichischen Recht­sprechung. Es ist interessant, dass aber die ehemalige österreichische Justizministerin als Generalsekretärin eingesetzt wird. Also wie das zusammenpasst, ist mir bislang auch nicht ganz klar.

Auch die sonstigen Repressionen geben zu denken, die in Saudi-Arabien an der Tagesordnung sind, wie zum Beispiel die Zensur, dass versucht wird, sämtliche Strömungen, sämtliche Diskussionen im Keim zu ersticken. Es gibt eine eigene Abteilung in den Ministerien, die nur dazu da ist, Onlineverbindungen, Internetver­bindungen zu zensieren, um schädliche Einflüsse von außen von der eigenen Bevöl­kerung abzuwehren. Wobei man dazu sagen muss: Was wird unter „schädliche Einflüsse“ verstanden? – Da geht es natürlich auch darum, Diskussionen, die sich gegen die Königsfamilie richten, zu vermeiden, denn die Familie des Herrn Abdulaziz ist keineswegs unumstritten.

Es gibt die Geistlichkeit auf der einen Seite, und es gibt die Königsfamilie auf der anderen Seite. Die Königsfamilie ist seit vielen Jahren braver Vasall der Vereinigten Staaten von Amerika, wo alles mitgetragen wird, auf gegenseitige Öl- respektive Waffenlieferungen. Seit den 1960er Jahren wird das eigentlich durchgehend gemacht. Es gibt kaum einen saudischen Staatsbesuch in einer westlichen Industrienation, wo es nicht darum geht: Tausche Öl gegen Waffen!

Auf der anderen Seite wird die Bevölkerung massiv unter Druck gehalten. Es ist bis zum heutigen Tag auch nicht ganz klar, wie lange die Königsfamilie noch fest im Sattel sitzt, denn es gibt immer wieder auch Gerüchte, dass die Geistlichkeit versucht, massiven Einfluss auf die Königsfamilie zu bekommen. Das heißt, es ist auch nicht ausgeschlossen, dass dort irgendwann einmal ein Staatsstreich durch die Geistlichkeit gegenüber der Königsfamilie passieren wird.

Demonstrationen sind verboten. Das ist ganz klar. Es gibt keine Demonstrations­freiheit. Ich habe schon erwähnt, es gibt auch keine Pressefreiheit. Es gibt keine Religionsfreiheit. Daher ist es bemerkenswert, dass man dieses Kommunikations­zen­trum, dieses religiöse Zentrum hier relativ schnell durch den Nationalrat und jetzt auch durch den Bundesrat bringt. Von der Republik Österreich wird die Bezahlung der öster­reichischen Mitarbeiter übernommen. Im Ausschuss wurde uns erklärt, dieses Zentrum soll auch ein Zeichen dafür sein, dass sich Saudi-Arabien öffnen möchte. Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Es gibt sehr viele Staaten, gerade im Nahen, im Mittleren Osten, die sicherlich daran interessiert wären, dass sich ein neutraler Staat wie Österreich oder Spanien  der weitere Vertragspartner  oder die Schweiz oder wer auch immer in einer Vermittler­rolle aktiv beteiligt, dass man hier von neutraler Seite eine Vermittlerrolle, eine Dialog­rolle einnimmt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das auch von Erfolg getragen sein könnte.

Dass man sich da genau Saudi-Arabien aussucht beziehungsweise dass sich Saudi-Arabien Österreich aussucht, schaut vielmehr danach aus, dass es sich hierbei um eine weitere Missionierungstätigkeit handeln soll und handeln wird. Wir haben das


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erlebt in Bosnien, wir haben das erlebt im Kosovo. Mit Österreich hat man jetzt den ersten Fuß in der Tür in Mitteleuropa. Und ich behaupte weiters, so ein Zentrum wäre zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland gänzlich unmöglich. Das würde dort nicht funktionieren, denn nicht umsonst hat man gerade von Berliner Seite besonderes Augenmerk darauf gerichtet, dass man mit fundamentalen Kreisen innerhalb des Islam nicht unbedingt zusammenarbeiten möchte.

Ich meine, es ist ja wahrscheinlich auch kein Zufall, dass die wesentlichen Repräsen­tanten der bekannten Terrororganisation Al-Qaida aus Saudi-Arabien kommen und auch dort sozialisiert worden sind. Und dass die natürlich auch daran interessiert sind, nämlich die Geistlichkeit, ihre Ideen weiter nach Europa hineinzutragen, das ist ja auch kein Geheimnis.

Wir werden zu diesem Tagesordnungspunkt eine namentliche Abstimmung verlangen, und zwar deswegen, damit sich all jene, die hier heute zustimmen, auch noch in drei Jahren daran erinnert fühlen werden, dass  (Bundesrätin Kemperle: Wir sind nicht die FPÖ, wir wissen, was wir tun!) – Sie wissen, was Sie tun?! Das ist schön, man merkt das tagtäglich, dass Sie wissen, was Sie tun. (Bundesrat Mag. Klug: Na, na, na!) Die österreichische Bevölkerung weiß es auch, was Sie tun. (Weitere Zwischen­rufe bei FPÖ und SPÖ.) Das ist auch der Grund, warum wir hier heute eine nament­liche Abstimmung verlangen, um Sie auch in drei Jahren noch daran erinnern zu können.

Ich weiß schon, es ist insofern spannend, als dass sich keine der Regierungsparteien hier zu Wort meldet. Wahrscheinlich ist es Ihnen selber peinlich und wahrscheinlich genieren Sie sich selbst. Bislang sind Sie zumindest noch nicht auf der Rednerliste genannt. (Bundesrat Kneifel: Stimmt ja nicht!)  Dann freue ich mich schon jetzt sehr, wenn die Vertreter von SPÖ und ÖVP herausko