Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

791. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 17. Dezember 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

791. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 17. Dezember 2010

Dauer der Sitzung

Freitag, 17. Dezember 2010: 9.02 – 16.24 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß § 37 Abs. 4 BR-GO anlässlich der Ernennung der neuen Staatssekretärin

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsge­setz 2010 und das Energie-Control-Gesetz erlassen werden

3. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der Erdgas-Pipeline auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der ge­werblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2010)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), das Führerscheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird

8. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2009

9. Punkt: Bundesgesetz über eine Transparenzdatenbank (Transparenzdatenbankge­setz – TDBG)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein E-Geldgesetz 2010 erlassen und das Bankwe­sengesetz, das Zahlungsdienstegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Konsumentenschutz­gesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz und das Bundesfinanzie­rungsgesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz über die Aufstockung der Neuen Kreditvereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds

13. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 2

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Stärkung der strafrechtlichen Kompetenz geändert werden (strafrechtliches Kompetenzpaket – sKp)

15. Punkt: Übereinkommen zur Errichtung der Internationalen Anti-Korruptionsakade­mie als internationale Organisation

16. Punkt: Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Aus­beutung und sexuellem Missbrauch

17. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Re­publik Mauritius zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung

18. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder in den Ständigen gemeinsamen Ausschuss des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

19. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der Ord­nerInnen für das 1. Halbjahr 2011

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Umnominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Re­gionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ........................................................................................................ 28

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann betreffend Nominierung eines Mitgliedes des Europäischen Rechnungshofes gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz .................... 29

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Turkmenistan zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ............................................................................ 30

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über das Übereinkommen zur Errichtung des König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und in­terkulturellen Dialog durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................ 31

18. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmit­glieder in den Ständigen gemeinsamen Ausschuss des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948                  128

19. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2011 ............................................................................................................ 129

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 3

Fragestunde (152.)

Frauen und öffentlicher Dienst .................................................................................... 9

Mag. Muna Duzdar (1757/M-BR/2010); Martina Diesner-Wais, Cornelia Michalke, Dr. Jennifer Kickert

Notburga Astleitner (1754/M-BR/2010); Elisabeth Grimling, Monika Mühlwerth

Cornelia Michalke (1761/M-BR/2010); Dr. Magnus Brunner, LL.M, Monika Kem­perle, Dr. Jennifer Kickert

Inge Posch-Gruska (1758/M-BR/2010); Kurt Strohmayer-Dangl, Hans-Jörg Jene­wein

Anneliese Junker (1755/M-BR/2010); Ana Blatnik, Monika Mühlwerth

Dr. Jennifer Kickert (1760/M-BR/2010); Juliane Lugsteiner, Peter Zwanziger

Monika Kemperle (1759/M-BR/2010); Mag. Bettina Rausch, Hermann Brückl

Edgar Mayer (1756/M-BR/2010); Adelheid Ebner, Johann Ertl, Elisabeth Kersch­baum

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 27

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 33

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  33, 131

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend ge­mäß § 37 Abs. 4 BR-GO anlässlich der Ernennung der neuen Staatssekretärin                                                                33

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................... 34

Staatssekretärin Mag. Verena Remler ....................................................................... 37

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ....................... 34

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 38

Elisabeth Greiderer ...................................................................................................... 41

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 43

Inge Posch-Gruska ....................................................................................................... 44

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................... 46

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 4

und das Energie-Control-Gesetz erlassen werden (994 d.B. und 997 d.B. sowie 8420/BR d.B. und 8421/BR d.B.) .............................. ..... 46

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 47

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Ab­kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der Erd­gas-Pipeline auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich (928 d.B. und 998 d.B. sowie 8422/BR d.B.) ........................................................................................ 46

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 47

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ........................................................................................................... 47

Dr. Magnus Brunner, LL.M ......................................................................................... 48

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  50, 56

Monika Kemperle ......................................................................................................... 52

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 54

Franz Perhab ................................................................................................................. 55

Christian Füller ............................................................................................................. 56

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................... 58

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ...................... 62

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 62

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (993 d.B. und 999 d.B. sowie 8423/BR d.B.) ....... 62

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 62

Redner/Rednerinnen:

Walter Temmel ............................................................................................................. 63

Johann Kraml ............................................................................................................... 63

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 64

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................... 64

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 64

5. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2010) (III-417-BR/2010 d.B. so­wie 8424/BR d.B.) ......................... 64

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 65

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................... 65

Dr. Angelika Winzig ...................................................................................................... 66

Johann Kraml ............................................................................................................... 68

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 69

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 70

Stefan Schennach ........................................................................................................ 71


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 5

Gerd Krusche ............................................................................................................... 73

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................... 73

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-417-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 75

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), das Führerscheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (1321/A und 1020 d.B. sowie 8425/BR d.B.) .................................................... 75

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 76

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (13. FSG-Novelle) (900 d.B. und 1021 d.B. sowie 8426/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 75

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 76

Redner/Rednerinnen:

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 76

Friedrich Hensler .......................................................................................................... 77

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 78

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 79

Christoph Kainz ............................................................................................................ 80

Elisabeth Greiderer ...................................................................................................... 82

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 85

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 85

8. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulie­rung 2009 (III-413-BR/2010 d.B. sowie 8427/BR d.B.) ...................................................................................................... 85

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 86

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler .............................................................................................................. 86

Anneliese Junker .......................................................................................................... 88

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-413-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 91

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz über eine Transparenzdatenbank (Transparenzdatenbankgesetz – TDBG) (940 d.B. und 1000 d.B. sowie 8418/BR d.B. und 8428/BR d.B.) .......................................................................................................... 92

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 92

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................... 92

Gregor Hammerl .......................................................................................................... 94

Dr. Jennifer Kickert ...................................................................................................... 96

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 97

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ......................................................................... 99


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 101

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (922 d.B. und 1001 d.B. sowie 8429/BR d.B.) ....... 101

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 101

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein E-Geldgesetz 2010 erlassen und das Bankwesenge­setz, das Zahlungsdienstegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Konsumenten­schutzgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz und das Bundes­finanzierungsgesetz geändert werden (982 d.B. und 1002 d.B. sowie 8430/BR d.B.)                     101

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 101

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufstockung der Neuen Kreditvereinbarungen mit dem In­ternationalen Währungsfonds (983 d.B. und 1003 d.B. sowie 8431/BR d.B.) .................................................................................... 101

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 101

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (943 d.B. und 1004 d.B. sowie 8432/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 101

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 101

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 102

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 105

Stefan Schennach ...................................................................................................... 105

Edgar Mayer ................................................................................................................ 107

Monika Kemperle ....................................................................................................... 109

Stefan Zangerl ............................................................................................................ 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 112

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 7

Staatsanwaltschaftsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Stärkung der strafrechtlichen Kompetenz geändert werden (strafrechtliches Kompetenzpaket – sKp) (918 d.B. und 1009 d.B. sowie 8419/BR d.B. und 8433/BR d.B.)                          112

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ....................................................................... 112

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Übereinkommen zur Errichtung der Internationalen Anti-Korruptionsakademie als internationale Organisation (924 d.B. und 1010 d.B. sowie 8434/BR d.B.) ............................................................................................................... 112

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ....................................................................... 112

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ................................................................................................................ 113

Stefan Schennach ...................................................................................................... 114

Dr. Jennifer Kickert .................................................................................................... 116

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner .................................................. 117

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 118

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeu­tung und sexuellem Missbrauch (881 d.B. und 1017 d.B. sowie 8435/BR d.B.) ............................................................................................................... 118

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 119

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Er­klärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik Mau­ritius zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kin­desentführung (877 d.B. und 1018 d.B. sowie 8436/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 118

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 119

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................. 119

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 120

Hermann Brückl ......................................................................................................... 122

Dr. Jennifer Kickert .................................................................................................... 123

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 124

Inge Posch-Gruska ..................................................................................................... 125

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 126

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner .................................................. 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 3 B-VG den gegenständlichen Staats­vertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben                                   128

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 128


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 8

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Löschung von Kinderporno­graphie auf Internet-Seiten [183/A(E)-BR/2010]

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Infrastrukturprojekte in der Stadtgemeinde Korneuburg (2778/J-BR/2010)

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Druck der türkischen Botschaft auf die Wirtschaftskammer (2779/J-BR/2010)

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Druck der türkischen Botschaft auf die Wirtschaftskammer (2780/J-BR/2010)

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Druck der türkischen Botschaft auf die Wirtschaftskam­mer (2781/J-BR/2010)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend die Beziehungen Österreich–Iran (2782/J-BR/2010)

Anfragebeantwortung

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Ed­gar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kritik an der Bun­desbeschaffungs-GmbH (BBG) beziehungsweise Verlängerung der befristeten Schwel­lenwerte-Verordnung (2568/AB-BR/2010 zu 2776/J-BR/2010)


 


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 9

09.02.25Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Martin Preineder: Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich eröff­ne die 791. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 790. Sitzung des Bundesrates vom 2. Dezember 2010 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Dönmez und Lampel.

09.02.50Fragestunde

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen nun zur Fragestunde. Bevor ich jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung al­ler mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Frauen und öffentlichen Dienst

 


Präsident Martin Preineder: Ich darf zur Fragestunde unsere Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, Frau Gabriele Heinisch-Hosek, recht herzlich begrü­ßen, der ich nachträglich auch noch zu ihrem Geburtstag gratulieren darf. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Frau Bundesministerin.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mag. Duzdar, um die Verlesung der 1. Anfrage.

 


Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wie ja bekannt ist, liegt Österreich im EU-Ranking, was das Einkommensgefälle zwischen Männern und Frauen betrifft, an vorletzter Stelle. Ein Teil ist unerklärbar, aber ein an­derer Teil ist darauf zurückzuführen, dass sehr viele Frauen in Berufsbranchen tätig sind, die schlecht bezahlt sind. Meine Frage an Sie:

1757/M-BR/2010

„Welche Maßnahmen werden Sie als Frauenministerin setzen, um Frauen zu unterstüt­zen und zu fördern, die andere Berufe als die bisher klassischen Frauenberufe (die sich allzu oft als Einkommensfalle erweisen) ergreifen wollen?“

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Guten Morgen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Es ist in der Tat nicht sehr erfreulich, dass wir, wie gesagt, an vorletzter Stelle liegen, was die Einkommens­unterschiede anlangt. Wir können vieles erklären, aber bei einigen Prozenten, und das sind nicht so wenige in Österreich, nämlich zwischen 15 und 18 Prozent, wissen wir nicht, warum Frauen für die gleiche Tätigkeit, für die gleiche Qualifikation, die sie er­worben haben, doch schlechter bezahlt werden.

Ich denke, man kann nicht früh genug beginnen, hier ein Umdenken auch bei den Mäd­chen selbst zu erreichen. Ich möchte darauf hinweisen, dass zum Beispiel der Girls’ Day im Bundesdienst ein Erfolgsmodell geworden ist, dass es mittlerweile sehr, sehr viele Mädchen sind, die – und nächstes Jahr wird der Girls’ Day Ende April wieder


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 10

stattfinden – schnuppern kommen und sich auch unsere über 50 Lehrberufe an­schauen.

Ich möchte mich dafür bedanken, dass alle Ressorts wieder mitmachen, aber es ist nicht nur der Girls’ Day im Bundesdienst, der in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist, sondern es ist auch wichtig, immer wieder Werbung zu machen, Kampagnen zu starten, zum Beispiel „Finde deinen Weg“, eine Kampagne, die ich gemeinsam mit dem Sozialminister heuer gestartet hatte. Es sind sehr viele Bereiche, wo ich mit doch auch meinem sehr geringen Budget Mädchenberatungsstellen unterstützen kann, die wiede­rum Mädchen gut beraten, für welche Berufe sie sich eventuell entscheiden sollen, und nicht nur für die drei Lehrberufe, die Mädchen immer noch wählen – die Hälfte aller weiblichen Lehrlinge wählt noch immer Friseurin, Verkäuferin oder Sekretärin. Und auch im Nationalen Aktionsplan sind etliche Maßnahmen enthalten, die darauf abzie­len, dass Mädchen schon im Bildungsbereich motiviert werden, auch andere Berufe zu wählen.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sind im Nationalen Aktionsplan Maß­nahmen vorgesehen, die dazu beitragen, Mädchen und junge Frauen zu unterstützen, sich für andere, sogenannte atypische, Berufe zu interessieren?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Es sind im Nationalen Aktionsplan insgesamt 55 Maßnahmen aufgelistet, die helfen sollen, ganz allgemein dazu beizutragen, dass Männer und Frauen auf dem Arbeits­markt gleichgestellt werden, und die ersten zehn oder zwölf Maßnahmen beschäftigen sich ausschließlich mit Maßnahmen, die den Bildungsbereich betreffen.

Das betrifft zum Teil Dinge, die schon passieren, wie Berufsorientierung und dass Be­rufswege besser oder noch früher motivierend beworben werden, damit Mädchen sich auch für andere Tätigkeiten, für andere Bereiche entscheiden außer für die drei, die ich aufgezählt habe.

Es geht um die Schulwahl, also darum, wo man hingeht. Es geht auch darum, dass wir die HochschülerInnenschaft einladen wollen, danach zu trachten, dass Studienbera­tung in der Oberstufe viel früher ansetzt und wesentlich vielseitiger ist als bisher. Auch beim Studium zeigt sich nämlich, wir sind zwar sehr gut ausgebildet als junge Frauen, wir wählen aber immer noch nahezu einhellig Studienrichtungen, die wir immer schon gewählt haben, die Pädagogik, die Sozialwissenschaften, aber noch wenig die Natur­wissenschaften. Es wäre wichtig, auch diesbezüglich Maßnahmen zu setzen, und es sind hier auch etliche im Nationalen Aktionsplan angeführt, die zum Teil die Bildungs­ministerin durchführt oder schon durchgeführt hat, die aber auch ganz allgemein von den Sozialpartnern, vom Arbeitsmarktservice durchgeführt werden können.

 


Präsident Martin Preineder: Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Dies­ner-Wais gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesminister! Es ist schön, dass der Girls’ Day stattfindet. Die Wirtschaft trägt auch dazu bei und ver­anstaltet auch alljährlich den Girls’ Day. Auch die Potenzialanalyse wird von der Wirt­schaft gemacht, die, glaube ich, ganz besonders wichtig ist, damit eben die jungen Mäd­chen auch andere Berufe wählen.

Aber jetzt meine Frage: Haben Sie, Frau Bundesminister, den alljährlich stattfindenden Girls’ Day dahin gehend evaluiert, dass man nachvollziehen kann, wie viele Teilneh­merinnen dann tatsächlich einer technische Ausbildung nachgehen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 11

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Zum ersten Teil möchte ich mich jetzt entschuldigen und selbstverständlich ergänzen, weil Frau Präsidentin Zwazl hier sitzt: Der Talente Check im Internet von der Wirt­schaftskammer (Bundesrätin Zwazl: Potenzialanalyse!) – Potenzialanalyse nennen wir es; ich glaube, Talente Check hat es früher einmal geheißen – ist natürlich etwas, wo­bei die Wirtschaft seit mittlerweile vielen Jahren mitmacht. Und es ist wichtig, auch zu betonen, dass es nicht nur der Bundesdienst ist, für den ich jetzt verantwortlich zeich­ne, sondern dass es allgemein sehr verbreitet ist, dass wir Mädchen die Möglichkeit geben, in allen möglichen Bereichen der Wirtschaft zu schnuppern – in Klein-, Mittelbe­trieben oder auch Großbetrieben, was immer auch angeboten wird.

Und zum Zweiten: Wir befragen die Mädchen danach. Es gibt Fragebögen. Ich habe jetzt die Ergebnisse allerdings nicht parat, ich kann sie Ihnen aber, wenn Sie wollen, nachreichen. Ich weiß, dass wir – leider erst oder doch schon – 160 Mädchen im Bun­desdienst haben, die technische Berufe ergriffen haben. Das ist noch viel zu wenig, weil wir heuer insgesamt über 1 200 Lehrlinge haben, einen wirklich guten Rekord im Lehrlingsbereich, und so gesehen sind es noch zu wenige Mädchen. Es hat sicher Aus­wirkungen, aber die Zahlen kann ich nur nachreichen.

Die Mädchen sagen dann, wo sie geschnuppert haben, was sie gesehen haben, wie wohl sie sich gefühlt haben und was sie sich auch mitgenommen haben. Wie gesagt, zurzeit sind 160 Mädchen in technischen Berufen im öffentlichen Dienst tätig.

 


Präsident Martin Preineder: Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Mi­chalke gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Minister, im Namen der FPÖ-Fraktion darf ich mich den Geburtstagswünschen anschließen. Wir wünschen Ihnen alles Liebe und Gute, hervorragende Ideen für die Frauen in der ös­terreichischen Gesellschaft, Gesundheit und das entsprechende Durchsetzungsvermö­gen, das auch alles umzusetzen.

Meine Zusatzfrage geht in dieselbe Richtung, die von meinen VorrednerInnen bereits angesprochen wurde. Es geht darum, ob hier tatsächlich eine Evaluierung stattfindet, weil wir keine Effizienzstudie gefunden haben in den Unterlagen. Wir wissen zwar, dass das alles stattfindet, aber wir haben keine Effizienzstudie dazu gefunden. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Ist das eine Zusatzfrage – oder was ist das?)

Ich hätte Sie auch gerne gefragt – es ist ja deutlich zu sehen, dass über Jahre hinweg die jungen Mädchen oder die Frauen technische Berufe einfach nicht annehmen wollen oder nicht dem Wunsch der Politik entsprechen, diese anzunehmen –, was man tun könnte, dass eben auch die anderen Berufe wertgeschätzt werden und es auch eine entsprechende Bezahlung in diesen Berufen gibt.

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich bedanke mich sehr herzlich für die Geburtstagswünsche der FPÖ-Fraktion – herzli­chen Dank!

Ich werde mich bemühen, diese Evaluierung, diese Fragebögen auch allen Fraktionen zukommen zu lassen, wenn wir eine Zusammenfassung haben, und die haben wir.

Zum anderen ist es so, wie ich vorhin schon versucht habe zu erklären: Es müssen alle, nicht nur die Politik, mitmachen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Wirt­schaft selber, die Sozialpartner, dass alle Werbung dafür machen, dass es an die 270 verschiedene Berufsbilder in Österreich gibt, und dass es nicht sein kann, dass Mädchen immer noch nur die drei einschlägigen Berufe wählen. Das heißt, man muss


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 12

so früh wie möglich beginnen, das aufzuzeigen: in der Schule, in der Berufsorientie­rung, in der Bildungswegorientierung. Da müssen meiner Meinung nach alle zusammen­helfen, da kann die Politik nicht nur etwas vorgeben.

Wir können Aktionen ermöglichen wie den Girls’ Day, und es gibt auch einen Boys’ Day – da wollen wir natürlich die Burschen auch motivieren, pädagogische Berufe zu ergreifen; dieser wird nächstes Jahr im September stattfinden, nicht mehr zeitgleich mit dem Girls’ Day –, und wir wollen, dass sich beide auch sehr vielseitig für Bereiche in­teressieren, die für ihr Geschlecht atypisch sind.

 


Präsident Martin Preineder: Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Dr. Kickert ge­meldet.

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministe­rin! Ich würde gerne ein bisschen konkreter zu den vorgeschlagenen Maßnahmen nachfragen, und zwar: Wie können Sie oder werden Sie den budgetären Kahlschlag der letzten Jahre vor allem bei gendersensiblen Berufs- und Studienorientierungspro­jekten, wie zum Beispiel das Projekt „mut!“ und das Projekt „FIT“, ausgleichen oder aus­gleichen können?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Hier vertraue ich ganz auf meine sehr geschätzte Kollegin Ministerin Schmied, die „mut!“ und „FIT“ nicht auslaufen lässt, ohne etwas dafür zu geben. Genderorientierung in der Schule, Doing Gender und andere Projekte, die ja schon stattgefunden haben, werden auch in der Zukunft stattfinden. Ich vertraue ihr insofern, als sie sagt, „mut!“ wird einflie­ßen in andere Projekte, die geschlechtsspezifische Berufswahl oder die Motivation für atypische Berufe für beide Geschlechter – Burschen und Mädchen – weiter fortführt.

Das hat, wenn Sie so wollen, einen anderen Namen bekommen und ist nicht in dem Sin­ne weg, sondern fließt in andere Projekte, die gendersensible Pädagogik anlangen, ein. Und das, denke ich, wird im nächsten Jahr sicher noch mehr beworben werden, da­mit man nicht glaubt, „mut!“ ist weg und es kommt stattdessen nichts in die Schulen oder in die Pädagogik hinein.

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen zur 2. Anfrage. Anfragestellerin ist Frau Bundesrätin Astleitner. Ich erteile ihr das Wort.

 


Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministe­rin! Über den Bildungsbereich ist bei der Beantwortung der ersten Frage ja schon sehr viel gesprochen worden. Als gelernte Lehrerin und nunmehr in der Schulaufsicht tätige Bundesrätin interessiert mich natürlich das neue Lehrerdienstrecht. Meine konkrete Frage:

1754/M-BR/2010

„Welche Ergebnisse haben die Verhandlungen über ein neues Lehrerdienstrecht bisher ergeben?“

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Die Verhandlungen werden mit dem Jahr 2011 beginnen. Es gibt intensive Vorgesprä­che einer Arbeitsgruppe der Lehrer-/Lehrerinnengewerkschaft mit dem Büro oder mit den MitarbeiterInnen aus dem Büro Claudia Schmied, die jetzt, glaube ich, in einem Sta­dium sind, wo man ab Jänner, Februar, ab dem nächsten Jahr also, wie angekündigt, in Verhandlungen – es waren jetzt Vorgespräche – mit der GÖD, mit der Gewerkschaft Öf­fentlicher Dienst, treten kann.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 13

Wir wissen natürlich, dass auf der einen Seite zwischen 2012 und 2020 bis 2025 50 Prozent aller Lehrer und Lehrerinnen in Pension gehen – „in den Ruhestand“ heißt es korrekt –, und daher haben wir natürlich Handlungsbedarf. Ich hoffe – und wir sind ja involviert als öffentlicher Dienst –, dass wir gemeinsam – ich bin für die Bundeslehrer zuständig, Kollegin Schmied für die Landeslehrer – ein einheitliches Dienstrecht so ver­handeln, dass für neu eintretende Lehrerinnen und Lehrer sozusagen ein guter Mix aus Stundenausmaß, Anwesenheit, Bezahlung erreicht werden kann.

Wir alle haben Interesse daran, dass der Lehrer- und Lehrerinnenberuf wieder attrakti­ver wird. Ich weise nur auf die PISA-Ergebnisse hin und darauf, dass Lehrer und Leh­rerinnen in Österreich einen leider ganz anderen Stellenwert haben als in skandinavi­schen Ländern beispielsweise. Diesen Stellenwert durch Imagekampagnen wieder zu heben, gehört dazu. Das LehrerInnendienstrecht ist eine Sache für sich, die ab dem nächsten Jahr intensiv angegangen wird.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sie haben zwar schon ge­sagt, dass 2011 die Verhandlungen beginnen werden, aber: Wann werden Sie dem Par­lament einen ausgereiften Gesetzesentwurf vorlegen können?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Das kann ich zeitlich jetzt nicht genau beantworten. Wir hoffen, dass wir zügig voran­kommen im nächsten Jahr.

 


Präsident Martin Preineder: Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Grim­ling gemeldet.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Wie soll sich die Gehaltskurve Ihrer Meinung nach bei einem neuen Lehrerdienstrecht gestalten?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Die Frage ist eine sehr wichtige und berechtigte, weil sie sich natürlich nicht nur auf Lehrer und Lehrerinnen beziehen soll, sondern wenn wir allgemein über ein einheitli­ches Dienstrecht für den gesamten öffentlichen Bereich sprechen, so sollten wir daran denken, dass neu eintretende Vertragsbedienstete oder pragmatisierte BeamtInnen, die wir ja immer weniger haben durch den Pragmatisierungsstopp – das wissen Sie ge­nauso gut wie ich –, danach trachten sollten, dass beim Einsteigen die Gehälter höher sind und die Gehaltskurve sich abflacht. Durch das Senioritätsprinzip ist es so, dass die Kurve steigt und steigt bei den jetzt im öffentlichen Dienst Tätigen, die Jungen brauchen mehr Geld als vielleicht die Älteren, die sich ohnehin schon etabliert haben. Wenn man sich eine Wohnung beschafft, wenn man eine Familie gründet, kann das Leben ganz schön teuer sein. Daher plädieren wir dafür – nicht nur für Lehrer und Leh­rerinnen, wo wir es auch verhandeln wollen –, wenn wir über das Dienstrecht im Allge­meinen sprechen, dass das für alle Gruppen gelten soll. Und ich spreche mich bei ei­ner Dienstrechtsnovelle oder bei einem neuen Dienstrecht gleichzeitig dafür aus, dass wir eine Besoldungsreform durchführen. Und die werden wir bei den Lehrern und Leh­rerinnen natürlich mit einbeziehen.

 


Präsident Martin Preineder: Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Mühl­werth gemeldet.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Ist bei einem neuen Lehrerdienstrecht auch daran bedacht, engagierteren Lehrern quasi Prä­mien zu geben, also hier eine Abstufung zu machen? Es gibt ja immer auch die Kritik von


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 14

Lehrerinnen und Lehrern, die sagen, die einen machen ihre Unterrichtsvorbereitun­gen seit 20 Jahren gleich, und das ist immer dasselbe, und die anderen engagieren sich mehr und tun auch mehr. Ist da, um die Attraktivität zu erhöhen, daran gedacht, irgendwie ein Stu­fensystem einzubauen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Sie werden bitte Verständnis dafür haben, sehr geehrte Frau Bundesrätin, dass ich we­der vorgreifen kann – die Verhandlungen werden im nächsten Jahr beginnen – noch Vorgesprächsergebnisse jetzt bekannt geben kann, und dass ich mich dazu jetzt auch nicht äußern will.

Wir müssen überlegen, ob Wettbewerbssysteme im öffentlichen Dienst, Leistungsprä­mien oder was auch immer angebracht wären. Ich glaube, dass Motivation und Leis­tung im öffentlichen Dienst, auch ohne dass es dafür Prämien gibt, eine Selbstver­ständlichkeit sein sollten, wenngleich ich sagen möchte, dass ich allen Bediensteten im öffentlichen Bereich wirklich Respekt zolle, weil wir mit weniger Bediensteten die glei­che oder mehr Leistung zu erbringen haben, und das wirklich gut funktioniert.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zur 3. Anfrage. Diesen 3. Anfrageblock leitet Frau Bundesrätin Michalke ein.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Frau Ministerin, meine Frage lautet:

1761/M-BR/2010

„Wird die Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz, die im Ministerrat in aller Stille verab­schiedet wurde, in dieser Form beschlossen werden?“

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: In aller Stille – das ist eine Sache, zu der wir die Beratungen im Ausschuss schon gerne weiter­geführt und zu einem Ende gebracht hätten. Es war aus Termingründen – Sie wissen, es gilt das Einhelligkeitsprinzip, alle Fraktionen müssen Zeit haben – bisher nicht möglich, einen Gleichbehandlungsausschuss stattfinden zu lassen.

Dynamisch ergeben haben sich in der Zwischenzeit noch Bedenken, Änderungs­wünsche, Bedürfnisse in die eine oder andere Richtung. Wir werden Mitte Jänner einen Gleichbehandlungsausschuss haben, in dem wir die Novelle verabschieden. Jetzt neh­men wir im parlamentarischen Prozess noch die eine oder andere Änderung vor, ich möchte jetzt nicht vorgreifen.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Ich hätte noch gerne gewusst, ob Vorschläge der Länder, die zum Teil bereits ordentliche Kritik geübt haben, im Geset­zesvorschlag berücksichtigt werden.

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich weiß nicht, welche Kritik der Länder Sie ansprechen. Prinzipiell waren die Stellung­nahmen zur Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes grundsätzlich positiv. Wir versu­chen immer, Änderungswünsche im Begutachtungsverfahren zu berücksichtigen, und genau in diesem Prozess befinden wir uns. Ob auch Länderkritiken einfließen können, werden die nächsten Wochen zeigen.

 


Präsident Martin Preineder: Die nächste Zusatzfrage und damit die erste eines männ­lichen Kollegen stellt Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Ich bitte ihn darum.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 15

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesminister! Mich würde anschließend an die Frage meiner Kollegin interessieren, wie Sie mit dieser Kritik in der öffentlichen Diskussion über die geplante Novelle – auch von Experten, nicht nur von Bundesländern – umgehen, dass die Novelle doch in gewissen Bereichen überschießend sei und in manchen Bereichen Grundrechten widerspreche.

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Das kann ich so nicht nachvollziehen. Wir müssen das jetzt ansprechen, vielleicht wis­sen nicht alle, wovon wir beide gerade sprechen. Ich denke, Sie sprechen die Diskri­minierungsgründe außerhalb der Arbeitswelt an, die nicht nur die ethnische Herkunft und das Geschlecht betreffen, sondern auch die sexuelle Orientierung, das Alter, die Weltanschauung und die Religion. Auf EU-Ebene ist es zurzeit nicht so, dass eine Richtlinie dazu in den nächsten Wochen und Monaten in Sicht wäre. Wir in Österreich wären aber sehr wohl in der Lage, eine VorreiterInnen-Rolle einzunehmen, um diese anderen Diskriminierungsgründe zu beachten. Das sogenannte Levelling Up war auch ursprünglich im Ministerratsentwurf, im Gesetzentwurf, im Novellenentwurf enthalten.

Genau das ist jetzt in Diskussion, wir nehmen vielleicht noch Änderungen vor, weil die Meinung vorherrscht, warum wir es denn haben müssen, wenn es noch nicht einmal die EU hat. Ich hätte das gerne gemacht, denn ich denke, wir könnten doch Vorreiter sein, wenn es darum geht, nicht aus anderen Gründen beim Wohnungskauf oder in an­deren Bereichen diskriminiert zu werden. Aber schauen wir einmal, was wir bis zur Be­schlussfassung im Ausschuss noch zustande bringen können.

 


Präsident Martin Preineder: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Kemperle gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Ministerin! Welche weiteren Maß­nahmen zur Schließung der Einkommensschere wird diese Novelle bringen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich bin sehr froh darüber, dass es in monatelangen, intensiven aber guten Verhand­lungen mit den Sozialpartnern und der Industriellenvereinigung gelungen ist, dass wir nicht nur die verpflichtenden Einkommensberichte in diese Novelle schreiben konnten, sondern dass es in Zukunft bei Stellenausschreibungen so sein wird, dass Unterneh­men verpflichtet sind anzugeben, welcher Kollektivvertrag bei einer Bewerbung der vorherrschende ist, und ob über dem Kollektivvertrag bezahlt wird. Das heißt, Men­schen – Männer und Frauen –, die sich bewerben, können sich ein bisschen besser, oder sogar sehr viel besser, danach richten, was in etwa in einem Unternehmen bezahlt wird.

Ich denke, das hilft, weil oft darüber diskutiert wird, dass man vielleicht ein bisschen zu zögerlich verhandelt, wenn man sich bewirbt und nicht so recht weiß, was man ver­langen soll. Ich glaube, diese Verpflichtung, bei der Stellenausschreibung angeben zu müssen, wie hoch der Kollektivvertrag ist und ob darüber bezahlt wird, ist eine große Hil­fe für die Männer und Frauen, die sich bewerben.

 


Präsident Martin Preineder: Zur letzten Zusatzfrage dieses Blocks hat sich Frau Bun­desrätin Dr. Kickert gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Da sich meine Zusatzfrage wie jene der Frau Kollegin Kemperle auch auf die Maßnahmen zur Reduktion der Einkommens­schere bezogen hätte, würde ich Sie ersuchen, uns eine Einschätzung darüber zu ge­ben, wie konsensfähig Ihre jetzt vorgeschlagenen und angesprochenen Maßnahmen in den Verhandlungen sein werden.

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 16

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich denke, Sie beziehen sich auf die Novelleninhalte. Sehr konkret hat sich herauskris­tallisiert, dass wir zum bereits angesprochenen Levelling Up noch Handlungsbedarf und Diskussionsbedarf haben. Es ist auch noch nicht fix, in welcher Höhe Verwal­tungsstrafen für ArbeitnehmerInnen, die darüber reden, wie in einem Unternehmen der jeweiligen Gruppe unterschiedlich bezahlt wird, sein werden.

Wir stehen gut und sehr weit in den Verhandlungen, dass es längst nicht mehr die Hö­he sein wird, die vorgeschlagen wurde. Ich hätte immer gerne gehabt, dass es keine Verwaltungsstrafe gibt, das ist allgemein bekannt. Aber es kann in den nächsten Wo­chen gelingen, dass wir mit den Verwaltungsstrafen noch sehr herunterkommen. Mir wä­re lieber, wir würden sie ganz wegbekommen.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen damit zur 4. Anfrage. Anfragestellerin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Ich bitte darum.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Wir haben seit einiger Zeit in Österreich die Väterkarenz. Sie sind dafür be­kannt, dass Sie in Ihrer Arbeit die Probleme nicht nur auf den Punkt bringen, sondern sich den Problemen der Menschen auch immer wieder mit sehr kreativen Ideen stellen. Meine Frage lautet:

1758/M-BR/2010

„Was haben Sie bereits unternommen beziehungsweise was werden Sie in Zukunft noch zur Steigerung der Väterkarenz unternehmen?“

Ich glaube nämlich, dass die Männer etwas mehr Motivation brauchen.

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Die Verhandlungen zum einkommensabhängigen Kindergeld im letzten Jahr mit mei­ner Ex-Kollegin Christine Marek, die ja nach Wien gewechselt ist, haben sich schwierig dargestellt, aber letztendlich sehr gelohnt. Ich denke, dass es ein großer Erfolg ist, dass es den Männer durch das einkommensabhängige Kindergeld möglich ist, gut in Karenz gehen zu können, weil sich die Einkommensverluste wirklich sehr in Grenzen halten. Das heißt, durch das einkommensabhängige Kindergeld mit bis zu 2 000 € im Monat haben nicht mehr sehr viele Männer die Ausrede, dass sie zu viel verdienen, denn so viele Gut­verdiener gibt es dann auch wieder nicht. Bei denen, die sehr viel verdienen, ist es wahr­scheinlich egal, sie können es sich auch so leisten.

Der erste Schritt war, dass wir erkannt haben, dass nicht einmal 5 Prozent Männer in Karenz zu wenig sind. Wir haben so viele berufstätige Frauen, so viele gut ausgebil­dete Frauen. Irgendwie haben sie aber nichts davon, weil sie diejenigen sind, die da­heim bleiben. Ich betone für alle, die vielleicht eine Zusatzfrage in diese Richtung stel­len wollen, dass jeder Mensch sein Lebensmodell so wählen soll, wie er oder sie es möchte. Ich würde auch nie jemandem vorschreiben, bleib’ nicht lange daheim, das ist besser für dich, das Kind oder sonst wen, oder bleib’ lange daheim, das ist besser für ich weiß nicht wen. Diese Wahlfreiheit, die so oft genannt wird, sollte gegeben sein. Aber die Wahlfreiheit sollte nicht aus Entweder-oder sondern aus Sowohl- als-auch bestehen.

Ich glaube, das einkommensabhängige Kindergeld war der erste Schritt, dass mehr Männer in Karenz gehen. Wir haben schon bei der Kindergeldvariante 18 Monate ge­sehen, dass sich die Zahl der Väter in Karenz sehr schnell verdoppelt hat. Das heißt, die Formel mehr Geld in weniger Zeit hat sich bewährt. Wir wollen die Anzahl der Väter in Karenz vervierfachen, wir hätten gerne 20 Prozent. Das ist wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 17

Natürlich muss man dafür werben. Ich habe im Herbst eine Werbekampagne verab­schiedet, die sehr knackig und ansprechend ist, wenn ich das so salopp formulieren darf, weil sie Klischees bedient. Es ist klar, dass man auffällt, wenn man Klischees be­dient und überzeichnet. Wenn der Biker mit seinem Kinderwagen durch die Gegend fährt und seine Freunde auf der Harley grüßt, dann fällt das auf.

Aber das ist nicht alles. Es ist uns gemeinsam mit den Sozialpartnern und dem Herrn Sozialminister auch gelungen, 100 000 € aufzustellen. Wir wollen ab dem nächsten Jahr eine Seminarreihe, eine Informationsoffensive für die Wirtschaft starten – die Wirt­schaftskammer hilft uns wirklich sehr, weil sie uns nicht nur die Räumlichkeiten, son­dern auch ihr Know-how zur Verfügung stellt. Wir werden Betriebe und Personalisten und Personalistinnen einladen, um ihnen die rechtlichen Möglichkeiten der Väterkarenz näherzubringen.

Wir möchten aber auch dafür werben, dass es keinen Karriereknick bedeutet, wenn Männer eine Zeit lang daheim sind, und dass es für die Unternehmen nicht von Nach­teil sein muss, wenn Väter in Karenz gehen. Abgesehen von der Möglichkeit des ein­kommensabhängigen Kindergeldes von bis zu 2 000 € im Monat wird diese Bewerbung im nächsten Jahr dazu beitragen und helfen, dass man als Mann auch nicht mehr schief angeschaut wird, wenn man in Karenz geht. Auch dafür wollen wir alle gemein­sam werben.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundes­rätin.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Zu der Werbekampagne, die im Herbst verabschiedet worden ist, möchte ich nur eine Anmerkung machen: Es ist das erste Mal, dass eine Frauenministerin etwas gemacht hat, und ich das nicht gesehen habe, sondern von einem Mann darauf angesprochen wurde, was da für eine tolle Kampagne gestartet wurde. Ich denke, das zeigt, dass die Kampagne wahrscheinlich wirklich da getroffen hat, wo sie hingehört.

Sie haben als zuständiges Regierungsmitglied auch die Möglichkeit, im öffentlichen Dienst Maßnahmen zur Väterkarenz zu setzen. Haben Sie diesbezüglich etwas geplant oder vor?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Wir können noch vor Weihnachten den Papamonat für den öffentlichen Dienst gesetz­lich verabschieden. Wir haben uns – und das darf ich auch so sagen – am Land Ober­österreich ein Beispiel genommen, dort gibt es den Papamonat schon in dieser Form. Wir werden ihn jetzt für den Bundesdienst installieren, das heißt, es gibt einen Rechts­anspruch von einer bis zu vier Wochen während des Beschäftigungsverbotes der Mut­ter darauf, dass Väter beim Kind daheim sein können. Leider ist das unbezahlt, das sa­ge ich dazu, weil es im Moment keine budgetären Möglichkeiten gibt, das auch auszu­finanzieren. Sollte sich die finanzielle Situation bessern, werden wir sofort eine Novelle machen und das ermöglichen. Aber immerhin sind Versicherungszeiten und die Anrech­nung für die Pensionszeiten gewährleistet.

Als Vater im öffentlichen Dienst kann man bis zu vier Wochen daheim sein, wenn ein Kind geboren wird. Ich meine, der Papamonat für den öffentlichen Dienst könnte und sollte auch ein Vorbild für die Privatwirtschaft sein. Die große Frage ist natürlich, wer das bezahlt, und wie man den Papamonat in der Privatwirtschaft finanzieren kann, da­mit die Unternehmen keine zu großen Verluste hinnehmen müssen. Diese Verhand­lungen gab es schon, sie waren jetzt eine Zeit lang unterbrochen. Ich hoffe doch, dass diese durch die Motivation Papamonat im öffentlichen Dienst wieder aufgenommen wer­den.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 18

Präsident Martin Preineder: Zur nächsten Zusatzfrage zum Thema Väterkarenz hat sich Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sie haben jetzt schon sehr viel über die Väterkarenz, speziell im öffentli­chen Dienst, gesagt, und auch, dass sie unbezahlt ist. Aber durch diese Abwesenheit fallen trotzdem Kosten an. Mit welchen Mehrkosten rechnen Sie infolge dieser Maß­nahme?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: 900 000 € weniger Kosten. Wir werden dadurch, dass nicht jede Stelle für eine bis vier Wochen nachbesetzt werden wird, sondern die Arbeiten zum Teil mit übernommen werden können, auch Geld sparen. Deswegen ist der Papamonat auch im Budgetbe­gleitgesetz enthalten. Deswegen ist das auch eine Sache, durch die wir weniger aus­geben. Das ist ein Beitrag, bei dem es nicht heißt, dass jeder ersetzbar ist. Dann wer kann schon jemanden, der für eine oder zwei Wochen daheim ist, durch eine ganz an­dere oder durch eine neue Kraft ersetzen? Das heißt, die, die die Arbeit der Karenzvä­ter mitmachen, werden gefordert sein. Das wird auch nicht leicht werden, aber es ist zu schaffen. Daher können wir sogar Geld sparen. Es kostet nichts.

 


Präsident Martin Preineder: Zur nächsten Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Jene­wein gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Viele Männer, die in Karenz gehen wollen beziehungsweise in Karenz gehen, befürch­ten berufliche Nachteile beziehungsweise wird ihnen manchmal unterschwellig vom Dienstgeber mitgeteilt, dass es vielleicht der weiteren Karriere nicht sonderlich förder­lich sein kann, wenn sie in Karenz gehen beziehungsweise darum ansuchen. (Ruf bei der ÖVP: Eine Unterstellung! – Bundesrätin Mühlwerth: Doch, das ist so! – Ruf bei der ÖVP: Nein, das ist nicht so!) – Das gibt es auch im öffentlichen Dienst, das wird uns immer wieder mitgeteilt.

Was gedenken Sie diesbezüglich zu unternehmen? Könnten Sie sich vorstellen, eine niederschwellige Anlaufstelle für solche Fälle zu schaffen, bei der sich diese Personen melden können, um eine Lösung für das Problem zu finden?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich glaube nicht, dass es eine niederschwellige Anlaufstelle braucht. Ich denke, dass es Image, Werbung und positive Kampagnen und Maßnahmen auch in den Unterneh­men braucht. Unternehmen müssen nicht befürchten, dass sich dadurch Betriebser­gebnisse verschlechtern oder Einbrüche anderer Art stattfinden. Es geht darum, dass man die Väterkarenz positiv bewertet, positiv sieht und die Unternehmen darin be­stärkt, dass sie ja auch etwas davon haben, wenn Männer eine Zeit lang daheim sind.

Ich denke nicht, dass wir unterschiedlicher Meinung sind, wenn ich sage, dass man da­bei ordentlich Sozialkompetenz lernt – als Frau sowieso, wenn sie daheim ist, aber auch als Mann. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja auch eine Entlastung für die Frau­en!) – Es ist natürlich, das wurde gerade angesprochen, auch eine Entlastung für die Frauen. Sie können wieder früher in den Beruf zurück.

Sie haben es selbst angesprochen: Drei Viertel aller Väter würden gerne in Karenz ge­hen, da gibt es eine Befragung, können es aber aus irgendwelchen Gründen nicht – sei es das Geld, sei es, dass es vielleicht vom Image her noch nicht möglich ist, sei es vielleicht auch, dass Bedenken in den Unternehmen vorherrschen.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 19

Ich glaube, dass diese zweite Kampagne, diese Informationsoffensive für die Wirt­schaft, dazu beitragen soll und wird, dass sich das ändert. Das Bild des Vaters in Ka­renz, aber auch die Einstellung der Kollegen und Kolleginnen – hauptsächlich die der Kollegen –, aber teilweise auch die der Unternehmensleitung dazu muss sich ändern. Die Unternehmen haben keine Verluste, sondern schon auch Gewinne, wenn die Väter in den Betrieb zurückkommen.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen damit zur 5. Anfrage. Erstanfragestellerin ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zu meinem Kollegen darf ich schon sagen, dass die Unternehmer selbst nicht so negativ zur Väterkarenz stehen, wie es unter Umständen am Stammtisch ist, wo der Mann dann eher als etwas schwach angesehen wird. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

 


Präsident Martin Preineder: Ihre Frage, bitte!

 


Bundesrätin Anneliese Junker (fortsetzend): Jetzt zu meiner Frage: Um wieder auf die EU-Ebene und die Richtlinien der EU zurückzukommen, lautet meine Frage:

1755/M-BR/2010

„Wie beurteilen Sie die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes vor allem im Hin­blick darauf, dass die betreffende Richtlinie auf EU-Ebene gescheitert ist?“

Sie haben das schon kurz bei der Frage des Kollegen Magnus Brunner angeschnitten, aber das muss doch vielleicht noch etwas vertieft werden.

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich möchte gerne wiederholen, dass ich auch nicht ganz nachvollziehen kann, warum Diskriminierung aus anderen Gründen nicht einfließen kann – der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen beispielsweise. Dass es nur darum geht, ob Mann oder Frau unter­schiedliche Eintrittskartenpreise für Fußballspiele zahlen, das kann es nicht gewesen sein. Es muss weitergehend sein. Was ist, wenn zum Beispiel ein Paar einen Mietver­trag aufgrund der sexuellen Orientierung nicht bekommt? Ich denke, das kann es nicht sein.

Ich glaube, dass es wichtig wäre, dass wir doch Bewusstseinsarbeit leisten sollten, auch wenn es auf EU-Ebene noch nichts gibt, und auch wenn es in der Novelle unseres Gleichbehandlungsgesetzes noch nicht in diesem ersten Schritt gelingt, diese Diskrimi­nierungstatbestände aufzunehmen. Das macht die Gleichbehandlungsanwaltschaft, an die sich Menschen, die sich diskriminiert fühlen, wenden können. Wir müssen auf allen Ebenen Bewusstseinsarbeit leisten.

Wir werden schauen, wann und ob die EU diese anderen Gründe mit hineinnimmt, und vielleicht gelingt es sogar, dass wir es in Österreich doch schaffen. Wenn nicht, so soll­ten wir nächstes Jahr daran gehen und auf jeden Fall einen neuen Anlauf starten.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Meine Zusatzfrage schwenkt ein biss­chen von der EU-Ebene ab. Jetzt komme ich wieder zurück in heimatliche Gefilde. Es gibt Statistiken und man muss die Dinge von der Wirtschaft aus machen.

Daher meine Frage: Mit der vorliegenden Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes wird bereits die Verpflichtung privatwirtschaftlicher Unternehmen ab einer bestimmten Grö­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 20

ße dazu, alle zwei Jahre einen Einkommensbericht zu erstellen, umgesetzt. Die Sozial­partnereinigung zum Nationalen Aktionsplan Gleichstellung vom Mai 2010 enthält aber weiters auch noch die Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Erstellung von Einkom­mensanalysen. Wie sieht es mit der Verwirklichung dieser Maßnahme in Ihrem Bereich aus?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Die Einkommensberichte im öffentlichen Dienst haben wir schon. Wir haben sie ge­macht. Auch hier stellen wir fest: Das heißt, wir waren schneller als die Privatwirtschaft. Wir haben ursprünglich gesagt: Wir wollen auch Einkommensberichte für den öffentli­chen Dienst legen. Zum ersten Mal ist es jetzt mit dem Budget vorbereitend gelungen, dass wir Einkommensunterschiede im öffentlichen Bereich aufzeigen können. Und es gibt sie.

Wir können vielfach erklären, warum es sie gibt. Eine Erklärung ist, dass Frauen im öf­fentlichen Dienst im Durchschnitt über alle Bereiche ein halbes bis ein Jahr später in den öffentlichen Dienst eintreten und dadurch das mitgenommen wird.

Tatsache ist auch, dass Männern mehr Überstunden angeordnet werden als Frauen. Da gilt es nachzuschauen, ob das freiwillig ist, ob das zufällig passiert oder nicht.

Es gilt auch, bei einigen anderen Punkten, die wir analysiert haben, nachzuschauen, wie diese Einkommensunterschiede, die im Schnitt an die 15 Prozent ausmachen, zu­stande kommen, um danach Maßnahmen zu setzen – wenn geht und wenn ge­wünscht –, diese auszugleichen.

Das heißt, wir sind zum Glück Vorbild und haben diese Einkommensberichte schon ge­schafft.

 


Präsident Martin Preineder: Zur nächsten Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Blatnik gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Diskriminierung ist leider Gottes auch heutzutage das aktuelle Thema. Sie haben gera­de die Diskriminierung von Frauen beim Einkommen angesprochen; deswegen meine Zusatzfrage: Welchen Schutz vor Diskriminierung sieht das Gleichbehandlungsgesetz vor?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich habe vorhin schon erwähnt, dass es auf der einen Seite die neuen verpflichtenden Einkommensberichte sein werden, die sicherlich Licht ins Dunkel bringen, warum Ein­kommensunterschiede, die man gar nicht mehr erklären kann, in Unternehmen da sind. Man kann anonymisiert in Gruppen für die gleiche und gleichwertige Arbeit nachschau­en, was die Männer und die Frauen verdienen.

Wir wollen nicht Einzelgehälter veröffentlichen, um das noch einmal zu betonen, weil das weder Kultur in Österreich hat, noch bei uns gewünscht ist. Wichtig ist es aber, ein Gefühl dafür zu bekommen, warum man für gleiche Tätigkeit unterschiedlich bezahlt, und dann mit Betriebsratskörperschaften und dort, wo keine Betriebsräte da sind, auch mit Hilfe der Unternehmensleitung Abhilfe zu schaffen.

Die Instrumente dafür werden Fragebögen sein, die wir zur Verfügung stellen. Ob Un­ternehmen diese annehmen wollen oder nicht, ist dann deren Sache.

Eine zweite Geschichte, die ich auch schon erwähnt habe, ist, dass bei Stellenaus­schreibungen in Zukunft angegeben werden muss, ob man über dem Kollektivvertrag


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 21

zahlt, und dass überhaupt der Kollektivvertrag angegeben werden muss. Manche wis­sen gar nicht, in welcher Branche welcher Kollektivvertrag von der Summe her vor­herrscht – es gibt ja so viele verschiedene Kollektivverträge – und ob Überzahlung be­steht.

Ich glaube, das alleine sind schon Hilfen, die in der Novelle des Gleichbehandlungsge­setzes verankert sind.

Ich persönlich habe vor, nächstes Jahr – und dieser ist schon in Auftrag gegeben – ei­nen Lohn- und Gehaltsrechner im Internet zur Verfügung zu stellen, wo man über viele Branchen hinweg je nach Art der Ausbildung nachschauen kann, was in etwa an Ge­halt zu erwarten sein wird. Das wird – wie ich meine – bei den Gehaltsverhandlungen für Männer und für Frauen auch helfen.

 


Präsident Martin Preineder: Die letzte Zusatzfrage kommt von Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Diese Gleichbehandlungsnovelle wird auch für die Unternehmen einen erhöhten bürokrati­schen Aufwand darstellen, der natürlich wie immer mit Kosten verbunden sein wird. In den Erläuterungen zu der Novelle steht aber, dass der Wirtschaftsraum unmittelbar ge­stärkt wird, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gestärkt wird und dass es zu einem höheren Beschäftigungsniveau kommen wird.

Glauben Sie wirklich, dass es die Unternehmen stärkt, wenn man ihnen immer mehr bürokratische Hürden und Kosten auferlegt?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich glaube in der Tat und wirklich, dass es Unternehmen stärkt, wenn Frauen und Män­ner für die gleiche Tätigkeit gleich bezahlt werden, weil es die Motivation derer, die in Unternehmen beschäftigt sind, auf jeden Fall stärken wird. Ich glaube, dass die Wirt­schaft auch etwas davon hat, dass sie motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ih­ren Unternehmen beschäftigt.

Die Kosten, die Sie ansprechen, sind minimal und der Aufwand ebenso, denn es ist mit unserem Vorschlag möglich. Ich habe diesen Fragebogen vorhin kurz erwähnt, der seit den neunziger Jahren in Schweden verwendet wird. Ich habe in Schweden auch Unter­nehmen besucht und gefragt, wie sich denn diese Einkommensberichte darstellen. Manche Unternehmen gliedern das aus und lassen das erstellen. Sie sind ja verpflich­tet, das auch alle drei Jahre zu machen. Einige machen das selbst.

Das, was wir vorschlagen, gilt ja zunächst einmal für Unternehmen ab 1 000 Mitarbei­terinnen/Mitarbeitern. Da hat man natürlich vom System her auf Knopfdruck ohnehin alle Einkommensgruppen beisammen, wie ich meine. Wenn man das dann in diesen Fragebogen einfließen lässt, hat man sehr schnell einen Überblick, was in welchen Verwendungsgruppen die Männer und die Frauen verdienen.

Ich glaube, dass es ein Gewinn ist, wenn man dann als Unternehmensleitung vielleicht zum ersten Mal bewusst gemacht bekommt: Hallo, da gibt es Unterschiede! – Ich habe oft bei Betriebsbesuchen mit Chefs oder auch Chefinnen gesprochen, die sagen: Ich habe mir das jetzt einmal angeschaut, weil ich gewusst habe, Sie werden mich danach fragen, was die Leute bei uns verdienen, und ich bin draufgekommen, in der und der Gruppe ist es so und so! Und jetzt muss ich mir das noch einmal anschauen, weil ich das eigentlich nicht will! – Es ist manchmal gar nicht bewusst, dass unterschiedlich be­zahlt wird.

Ich denke, dass es nur positiv sein kann und helfen wird, dass auf der einen Seite die Unternehmen sich sozusagen auch zusammennehmen müssen, um sich nicht Lohn­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 22

kosten zu sparen – diesem Vorwurf will sich ja niemand aussetzen! –, und sie auf der anderen Seite ganz motivierte MitarbeiterInnen haben, wenn ungleich bezahlt wurde und das behoben wird.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur 6. Anfrage. Anfragestellerin ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte jetzt noch einmal auf diesen Block der Verwaltungsstrafen zurückkommen und nachfragen, selbst wenn Sie es schon teilweise angesprochen haben:

1760/M-BR/2010

„Welche Abänderungen der aktuellen Regierungsvorlage zur Novellierung des Gleich­behandlungsgesetzes, wie zum Beispiel den Wegfall der Verwaltungsstrafen für Arbeit­nehmerInnen und BetriebsrätInnen bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht, planen Sie?“

Oder können Sie sozusagen den Wegfall wieder wegbringen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Das werden jetzt noch die intensiven Gespräche in den nächsten Wochen bis Mitte Jänner, wo dann der Gleichbehandlungsausschuss stattfinden wird, zeigen. Von der ursprünglichen Höhe – das kann ich jetzt schon sagen –, den 1 500 € für Arbeitnehme­rInnen, die darüber reden, was in ihrem Betrieb den Männern und den Frauen in den verschiedenen Gruppen bezahlt wird, sind wir längst weg.

Ich möchte jetzt aber nicht vorgreifen und vor Ende der Verhandlungen schon sagen, wo wir stehen. Da bitte ich um Verständnis. Dass ich sie gerne ganz weg hätte, ist kein Geheimnis, und dafür werde ich mich bemühen und kämpfen. Wir werden schauen, was dabei herauskommen kann.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Bitte.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin! Heute ist schon sehr viel über Einkommen und Einkommensberichte gesprochen worden.

Meine konkrete Frage lautet: Welche Schritte planen Sie zur Unterstützung der Umset­zung der Einkommensberichte?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Für diese Frage bin ich sehr dankbar, weil wir uns sehr bemühen, dass die Betriebs­räte und Betriebsrätinnen von sich aus – und diesbezüglich bin ich in enger Verbindung auch mit dem ÖGB – nicht nur Informationsveranstaltungen, sondern wirklich auch Schulungen machen werden, wie denn, wenn Unterschiede festgestellt werden, gemein­sam daran gearbeitet werden kann, dass diese beglichen werden und wegkommen.

Ich biete auch Seminare für Unternehmen an, die ab dem nächsten Jahr verpflichtet sind, alle zwei Jahre diese Berichte zu legen. Da sind wir gerade dabei, Einladungen zu formulieren und auszuschicken, damit auch ein rechtlicher Informationsstatus or­dentlich und gut erklärt werden kann und die Angst davor, dass es ein zu großer büro­kratischer Aufwand wäre, genommen werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 23

Das heißt, vom Ministerium her wird es Seminarangebote geben. Aber es gibt auch die Versicherung der Gewerkschaft, dass diesbezüglich gut zusammengearbeitet werden wird, die Sozialpartner alle Schulungen durchführen und Werbung dafür machen wer­den, dass das gut und reibungslos funktionieren kann.

 


Präsident Martin Preineder: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Zwanzi­ger. – Bitte.

 


Bundesrat Peter Zwanziger (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Ministerin! Warum glauben Sie, dass Betriebsräte, die schon bisher die Möglichkeit hatten, in Gehälter ein­zusehen und diese zu analysieren, diese nicht so genutzt haben?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Das Gleichbehandlungsgesetz sieht vor, dass diese Einkommensberichte in einem Raum aufzulegen sind, der zugänglich sein muss, um dann handeln zu können, wenn festge­stellt wird, dass unterschiedlich bezahlt wird.

Die Einsichtnahme gibt es schon. Ja, Sie haben es soeben erwähnt. Aber neu ist, dass das Gericht, wenn Frauen – in der Regel werden es die Frauen sein – sich diskriminiert fühlen, diese Einkommensberichte als Instrument dafür beantragen darf, wenn es vor Gericht sozusagen dazu kommt, das beweisen zu müssen. Das war bisher nicht mög­lich, denn der Betriebsrat konnte Einsicht nehmen und durfte nicht darüber reden.

Jetzt ist es auch klar, dass wir diese Verschwiegenheitspflicht nach wie vor haben, aber das Beantragungsrecht des Gerichtes dieser Einkommensberichte als Beweismit­tel ist neu. Ich glaube, das ist der Fortschritt in diesem Gesetz.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur 7. Anfrage. Anfragestellerin ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin!

1759/M-BR/2010

„Welche Rolle nimmt der Bund als Dienstgeber bei der Lehrlingsausbildung ein?“

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Eine immer wichtigere, so würde ich glauben. In Zeiten, die wirtschaftlich sehr heraus­fordernd sind, ist es gelungen, die Zahl der Lehrlinge im Bundesdienst von 2004 bis 2010 zu vervierfachen. Ich glaube, das ist etwas, worauf wir ganz, ganz stolz sein kön­nen. Es gibt aktuell 1 257 junge Menschen, die eine Lehre im Bundesdienst in über 50 Berufsbildern, die wir anbieten, machen. Es waren heuer über 300 junge Menschen, die wieder neu eine Lehre begonnen haben.

Ich möchte allen Ressorts und allen ausgegliederten Bereichen, die Lehrlinge aufneh­men, ganz herzlich dafür danken, dass sie das tun, dass wir den jungen Menschen die­se Möglichkeit bieten, eine gute, fundierte, solide Ausbildung im öffentlichen Dienst – egal, in welchem Beruf – erlangen zu können und, wenn die Möglichkeit besteht, auch im öffentlichen Dienst zu bleiben.

Das ist bei uns so wie in der Privatwirtschaft: Das können wir nicht für alle sicherstellen und gewährleisten. Ich denke aber, dass wir da ein gutes Beispiel sind, weil wir – wie ich meine – zirka die Hälfte aller Lehrlinge im Bundesdienst auch behalten können.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Im Großen und Ganzen wurde die Zu­satzfrage bereits beantwortet, weil es nämlich genau diese Frage gewesen wäre, wie viele Lehrlinge eben nach der Ausbildung im Bundesdienst verbleiben.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 24

Können Sie mir aber aufgrund dieser Situation vielleicht sagen: In welchen Bereichen verbleiben die Lehrlinge im Bundesdienst? – Ungefähr die Hälfte der Lehrlinge – so ha­ben Sie erwähnt – verbleibt ja. Es gibt ja sehr unterschiedliche Möglichkeiten.

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Das ist ganz unterschiedlich. Ich weiß, dass zum Beispiel die Justiz ganz viele Lehrlin­ge im Moment beschäftigt hat – über 300 –, dass es Bereiche gibt, wo weniger be­schäftigt sind. Die meisten sind natürlich als Verwaltungsassistenten und –assistentin­nen beschäftigt. Das heißt, Sattlerin beim Bundesheer oder Flugzeugmechanikerin ist eher seltener. Ich denke, je seltener, desto größer ist die Behaltefrist, wenn es passt.

Im Bundeskanzleramt – das weiß ich – behalten wir 60 Prozent, also fast zwei Drittel der Lehrlinge. Es ist von Ressort zu Ressort sehr unterschiedlich. Das können wir ger­ne besprechen. Ich habe es jetzt nicht da und weiß es auch nicht auswendig, aber es kommt darauf an, wo wie viele Lehrlinge gerade aufgenommen wurden und wie auch die Nachfrage ist. Es geht nämlich auch darum, ob Pensionierungen anstehen und ob man dann die ausgelernten jungen Menschen als vollwertige MitarbeiterInnen auch be­halten kann.

Es kommt immer darauf an: Wie fluktuieren wir? Wie schaut es mit dem Personalplan aus? Können wir es von den Planstellen, von den Vollbeschäftigungsäquivalenten her auch leisten? Ab dann sind sie ja vollbeschäftigt und zählen als Vollbeschäftigungsäqui­valente.

 


Präsident Martin Preineder: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Mag. Rausch gestellt.

 


Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Von den Lehrlingen zu einer anderen Gruppe junger Bediensteter im öf­fentlichen Dienst: Absolvierte Ausbildungen schlagen sich ja im Besoldungssystem des Bundesdienstes normalerweise in einer entsprechenden Einreihung nieder. Es gibt für den öffentlichen Dienst auf Bundesebene in wichtigen Bereichen auch schon Fach­hochschulstudiengänge, die zur Verleihung des Bachelor-Grades führen.

Ich bringe da folgende Beispiele: den Fachhochschul-Studiengang „Militärische Füh­rung“ an der Theresianischen Militärakademie, den Fachhochschul-Studiengang „Poli­zeiliche Führung“ an der FH Wiener Neustadt, den Fachhochschul-Studiengang „Public Management“ am Campus Wien, den Fachhochschul-Studiengang „Tax Management“ am Campus Wien und an den Pädagogischen Hochschulen die Grundausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, die auch zur Erlangung des Bachelor-Niveaus führt.

Meine Frage ist nun: Wann werden Sie, Frau Bundesminister, für Personen mit abge­schlossener Bachelor-Ausbildung im bestehenden Besoldungssystem eine akademi­sche Besoldung entsprechend der Studiendauer vorschlagen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Jetzt könnte ich es mir superleicht machen und sagen: Wenn die Ergebnisse der Ar­beitsgruppe, die wir intensivst betreiben, so ausschauen, dass wir das auch leisten kön­nen. Aber so leicht möchte ich mir das nicht machen.

Sie haben es selbst angesprochen: Es geht um die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, die pragmatisiert sind, die Beamte/Beamtinnen sind und eine Zusatzausbildung gemacht ha­ben. Und genau für diese arbeiten wir noch an einer Lösung, wir haben sie noch nicht.

Für alle Neueintretenden, die Bachelor-Absolventinnen/-Absolventen sind, wo wir das Vorbildungsprinzip durch den Pragmatisierungsstopp ja nicht mehr haben, zählt, wie der


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 25

Arbeitsplatz bewertet ist und was jemand mitbringt. Das heißt, da erkennen wir den Bachelor an – aber das war ohnehin nicht die Frage.

Für die 200, 300 vor allem Großbetriebsprüfer/-prüferinnen und die Gruppierungen, die Sie angesprochen haben – Militär und Offiziere bei der Polizei –, haben wir der Ge­werkschaft schon Möglichkeiten und Lösungen präsentiert, die noch nicht so gut pas­sen. Da sind wir noch am Arbeiten, dass wir für diese Personengruppe, für diese Mitar­beiterInnengruppen auch eine gute Lösung finden. Ich bitte noch um ein bisschen Ge­duld.

 


Präsident Martin Preineder: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesmi­nister! Lehrlinge im öffentlichen Dienst unterliegen oft einer sehr behördenspezifischen Ausbildung. Sie haben selbst gesagt, etwa 50 Prozent werden ja übernommen. Das heißt, das betrifft auch Berufsbilder, die in der Wirtschaft dann eher weniger nachgefragt sind.

Welche Maßnahmen, welche Unterstützungen leistet der Bund als Dienstgeber, dass im Falle der Nichtübernahme von ausgebildeten Lehrlingen verhindert werden kann, dass diese jungen Menschen direkt nach Abschluss der Lehre in die Arbeitslosigkeit abgleiten?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Wir können es nicht verhindern, um es ganz kurz zu sagen. Wie soll ich das tun? Was wir jetzt schon machen und was sehr gut ankommt, ist der Austausch mit Unternehmen der Privatwirtschaft, dass unsere Lehrlinge für einige Wochen in Betrieben nicht nur schnuppern, sondern sich dort ein bisschen umschauen können und dass wir Lehrlinge aus der Privatwirtschaft auch im Austausch in den öffentlichen Dienst nehmen, damit unsere Lehrlinge schauen, wie die Welt draußen aussieht. Diese ist gar nicht so un­terschiedlich zu unserer, stellen wir bei diesen Austauschprogrammen fest. Unsere Lehrlinge sind sehr gut ausgebildet, die anderen sehr interessiert, wie wir im öffentli­chen Dienst so tun. – Das ist gar nicht so, wie man es sich vielleicht vorstellt, sondern ohnehin ganz normal.

Garantie kann ich natürlich überhaupt keine für Lehrlinge abgeben, die wir nicht behal­ten können. Aber schon der Austausch mit der Privatwirtschaft während der Ausbil­dung könnte – so denke ich – den jungen Menschen helfen, dass sie sich nachher viel­leicht in dem einen oder anderen Bereich, den sie schon kennengelernt haben, wohler oder nicht so wohl fühlen und ihnen bei der Suche dann vielleicht selber ein bisschen leichter ist, wenn sie sich in der Privatwirtschaft bewerben gehen.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur 8. und damit letzten Anfrage.

Anfragesteller ist Herr Bundesrat Mayer. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesministerin!

1756/M-BR/2010

„Welche Schritte werden Sie unternehmen, damit die auf Bundesebene erfolgte Re­form des Beamtenpensionssystems endlich auch von jenen bislang säumigen Bundes­ländern entsprechend in Landesrecht übernommen wird?“

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Es ist festzuhalten, sehr geehrter Herr Kollege, dass die Bundesländer da – und das wissen wir alle – völlig unabhängig agieren können und dass ich natürlich immer wie­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 26

der darauf hinwirke und in Gesprächen aufmerksam mache, dass eine Harmonisierung stattfinden sollte und die Pensionsrechte der Bundesländer an das Bundespensions­recht angeglichen werden sollten. Aber dabei bleibt es auch schon.

Das heißt, ich habe keinen direkten Einfluss darauf, indem ich sage: Du, Bundesland, musst und du musst auch!, sondern ich versuche, das im Gespräch dahin gehend zu diskutieren, dass harmonisiert wird. Ich kann kein Bundesland zwingen, haargenau eins zu eins unser Bundespensionsrecht zu übernehmen.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sie haben sich sicherlich auch mit dem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt und auch Berechnungen anstellen lassen, was das für ein Einsparungspotenzial bedeuten würde, wenn schlussendlich auch alle Län­der diese Pensionsreform des Bundes umsetzen.

Wissen Sie da Zahlen? Haben Sie da nähere Informationen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich habe keine Zahlen parat, und meine Antwort soll auch keine Ausrede darstellen. Ich denke aber, jedes Bundesland hat das für sich entschieden, ob es leistbar ist oder nicht, gewisse Regelungen zu finanzieren. Ich muss nachschauen, ob ich als Bund da­rüber überhaupt Zahlen habe. Ich bin nicht sicher, dass mir die Bundesländer automa­tisch immer ihre Finanzierungsmöglichkeiten für ihr Pensionsrecht übermitteln.

Vielleicht kann man es aus dem Rechnungshofbericht lesen. Ich denke schon, oder? – Genau! Dort steht es drin.

 


Präsident Martin Preineder: Eine nächste Zusatzfrage kommt von Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Inwie­weit werden die Änderungen bei der Langzeitversichertenregelung auch in das Beam­tenpensionsrecht übernommen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Das ist sehr leicht und sehr schnell zu beantworten. Wir sind immer bestrebt gewesen und haben es auch immer gemacht, alles, was sich im ASVG verändert hat, eins zu eins zu harmonisieren und zu übernehmen, das gilt auch für die Langzeitversicherten­regelung.

 


Präsident Martin Preineder: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Der fi­nanzielle Aufwand der Republik Österreich ist sehr hoch, wenn es um den Ruhestand von Politikern geht.

Daher meine Frage: Wie viele Politiker von Nationalrat, Bundesrat und Bundesregie­rung gibt es, die nicht in das Politikerpensionssystem optiert haben?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ich habe keine Ahnung. Das werde ich Ihnen nachreichen.

 


Präsident Martin Preineder: Wird nachgereicht.

Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 27

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Zurück zur Langzeitversichertenregelung. Wie begründen Sie, dass Beam­tInnen nur 42 Dienstjahre brauchen, um die Langzeitversichertenregelung in Anspruch nehmen zu können, während ASVG-PensionistInnen dafür 45 Dienstjahre brauchen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Auch das ist schnell und einfach zu beantworten: weil unsere Leute ab dem 18. Le­bensjahr eintreten und es somit schwieriger wäre, bis zum 62. Lebensjahr 45 Dienstjah-
re zu erreichen. Wir zählen ab 18.

 


Präsident Martin Preineder: Danke. – Die Fragestunde ist somit beendet.

Ich darf mich bei der Frau Bundesministerin recht herzlich bedanken, vor allem auch dafür, dass die Fragestunde ziemlich genau eine Stunde gedauert hat. (Allgemeiner Bei­fall.)

 


Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Ein letzter Satz. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ich möchte mich bei Ihnen für die gute Zusammenarbeit bedanken.

Nächstes Jahr werden wir hier noch den Frauenbericht diskutieren. Darüber freue ich mich auch schon, weil ich glaube, dass man immer wieder darüber reden muss, wie es den Männern und den Frauen in Österreich, in unserem Land im Vergleich geht und was wir als Politikerinnen und Politiker tun können, dass Gleichstellung in unserem Land auch Wirklichkeit wird und gelebt wird.

Ihnen allen möchte ich ein frohes Weihnachtsfest, einige ruhige Tage und einen wirk­lich guten Rutsch ins Jahr 2011 wünschen. – Danke schön. Auf Wiedersehen! (Allgemei­ner Beifall.)

10.02.47Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Martin Preineder: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteil­ten Anfragebeantwortung 2568/AB

sowie jener Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG

und jenes Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aufnahme von Verhandlungen über das Übereinkommen zur Errichtung des König Ab­dullah Bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog

beziehungsweise jenes Schreibens des Bundesministers für Finanzen betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen

sowie der Mitteilungen des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundesministerin für Inneres Dr. Maria Fekter vom 15. und 17. De­zember 2010 in der Russischen Föderation bei gleichzeitiger Betrauung des Bundes­ministers für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger mit ihrer Vertretung

beziehungsweise den Aufenthalt des Bundeskanzlers Werner Faymann am 16. (nach­mittags) und 17. Dezember 2010 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung an­geschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 28

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Anfragebeantwortung (siehe S. 8)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierungen gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Martin PREINEDER

Parlament

1017 Wien                                                                                              Wien, am 13. Dezember 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG informiere ich Sie, dass die Bundesre­gierung im Rahmen der 83. Sitzung des Ministerrates am 7. Dezember 2010 die Um­nominierung eines ordentlichen Mitglieds und eines stellvertretenden Mitgliedes im Ausschuss der Regionen der EU (AdR) für die laufende Mandatsperiode 2010 bis 2015 beschlossen hat.

Diese Umnominierung erfolgte auf der Grundlage eines Ersuchens des Landes Steier­mark vom 16. November 2010 gem. Art. 23c Abs. 4 B-VG. Der Umnominierungsvor­schlag wird mit einer Änderung der Geschäftsordnung der Steiermärkischen Landes­regierung als Folge der Steiermärkischen Landtagswahlen vom September 2010 be­gründet. Herr Landeshauptmann Mag. Franz VOVES und Herr 1. Landeshauptmann­stellvertreter Hermann SCHÜTZENHÖFER haben ihre Mandate als ordentliches und stellvertretendes Mitglied des AdR zurückgelegt. An ihrer Stelle wurden nunmehr Herr Landesrat Dr. Christian BUCHMANN als Mitglied und Frau Landesrätin Mag. Elisabeth GROSSMANN als stellvertretendes Mitglied für die verbleibende Mandatsperiode des AdR bis 2015 nominiert.

Die formale Ernennung der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des AdR wird gemäß Art. 305 AEUV mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU erfolgen. Mit der Ernennung durch den Rat der EU ist im Laufe des Jänner 2011 zu rechnen.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Beilagen: I. Rücktrittsschreiben LH Mag. VOVES

11. Rücktrittsschreiben 1. LHStV SCHÜTZENHÖFER

111. Beschlussprotokoll des 83. MR am 7.12.2010

*) IV. Lebenslauf LR Dr. BUCHMANN

*) V. Lebenslauf LRin Mag. GROSSMANN

*) wird nicht veröffentlicht“

                                                                                                                                                           „Das Land

LANDESHAUPTMANN Mag. Franz Voves                                                                   Steiermark

Herrn Generalsekretär

Dr. Gerhard Stahl

Generalsekretariat des Ausschusses der Regionen

Rue Belliard 101

1040 Brüssel

BELGIEN                                                                                               Graz, am 22. November 2010


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 29

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

Die Landtagswahlen in der Steiermark haben zu einer neuen Zusammensetzung und Ressortverteilung der Landesregierung geführt. Daher möchte ich hiermit meinen Rücktritt als Mitglied des Ausschusses der Regionen mit sofortiger Wirkung bekannt geben.

Mit freundlichen Grüßen“

                                                                                                                                                           „Das Land

                                                                                                                                                          Steiermark

HERMANN SCHÜTZENHÖFER

1. LANDESHAUPTMANNSTELLVERTRETER DER

STEIERMARK

Hofgasse 15

8010 Graz

Österreich

Generalsekretär

Dr. Gerhard Stahl

Generalsekretariat des Ausschusses der Regionen

Rue Belliard 101

1040 Brüssel

Belgien                                                                                                                       Graz, am 12.11.2010

Rücktritt als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen

Sehr geehrter Herr Generalsekretär Dr. Gerhard Stahl!

Die Landtagswahlen in der Steiermark haben zu einer neuen Zusammensetzung und Ressortverteilung der Landesregierung geführt. Ich möchte daher hiermit meinen Rück­tritt als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen bekannt geben, der mit heutigem Datum wirksam wird.

Mit freundlichen Grüßen“

„BUNDESKANZLERAMT – BUNDESKANZLER

351.000/0045-I/4/10

Pkt. 27 des Beschl.Prot. 83

83. Sitzung des Ministerrates am 7. Dezember 2010

27. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.828/0016-IV/5/10, betr. Ausschuss der Regio­nen; Neunominierung von Landesrat Christian BUCHMANN als Mitglied und Landesrä­tin Mag. Elisabeth GROSSMANN als stellvertretendes Mitglied wegen Zurücklegung der Mandate durch Landeshauptmann Mag. Franz VOVES und Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann SCHÜTZENHÖFER.

Der Ministerrat beschließt im Sinne des Antrages.

                                                                                                                             Wien, 7. Dezember 2010

                                                                                                                                                Mag. LEITNER“

*****

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 30

An den

Präsidenten des Bundesrates

Martin PREINEDER

Parlament                                                                                              Wien, am 15. Dezember 2010

1017 Wien                                                                                                GZ: 405.828/0021-IV/5/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass der Ministerrat im Rahmen seiner 84. Sitzung am 14. Dezember 2010, entsprechend den mit dem Nationalrat gem. Art. 23c Abs. 2 B-VG zuvor geführten Konsultationen beschlossen hat, die Her­stellung des förmlichen Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vorausgesetzt, Herrn Dr. Harald WÖGERBAUER für die Funktion eines Mitgliedes des Europäischen Rechnungshofes für die verbleibende laufende Funktionsperiode bis
31. Dezember 2013 an Stelle des zurückgetretenen langjährigen österreichischen Mit­gliedes, Dr. Hubert WEBER, zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen

*) Beilage: Bewerbung und Lebenslauf des Herrn Dr. WÖGERBAUER

*) werden nicht veröffentlicht“

*****

Schreiben des Bundesministers für Finanzen und des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Josef Pröll                                                                                                                                                BMF

Finanzminister                                                                                               BUNDESMINISTERIUM

                                                                                                                                              FÜR FINANZEN

Herrn Präsidenten

des Bundesrates                                                                                   Wien, am 1. Dezember 2010

Martin Preineder

Parlament                                                                                        GZ: BMF-010221/2227-IV/4/2010

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 82. Sitzung des Ministerrates am 30. November 2010 Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Im Verhältnis zu Turkmenistan wird das Abkommen mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens samt Notenwechsel, BGB!. Nr. 411/1982, weiter angewendet.

Nur ein eigenes Abkommen zwischen Österreich und Turkmenistan kann entsprechen­de Rechtssicherheit bieten. Außerdem sind beide Seiten daran interessiert, ein Abkom­men zu schließen, das dem neuen OECD-Standard entspricht.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 31

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Martin Preineder

Parlament                                                                                                                   06. Dezember 2010

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                              GZ: BMeiA-19.8.33.02/0008-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 23. Novem-
ber 2010 (Pkt. 27 des Beschl.Prot. Nr. 81) der Herr Bundespräsident am 26. Novem-
ber 2010 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über das Übereinkommen zur Errichtung des König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und inter­kulturellen Dialog erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich er­folgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-19.8.19.03/0062-1.2/2010

Übereinkommen zur Errichtung des König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrums für interre­ligiösen und interkulturellen Dialog; Verhandlungen

Vortrag

an den

Ministerrat

Die Idee zur Errichtung eines Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog geht auf eine Initiative des saudischen Königs Abdullah zurück, der eine internationale Stärkung des Dialoges von Vertretern sämtlicher großer Weltreligionen über grundsätz­liche gesellschaftspolitische Herausforderungen anstrebt. Der Institutionalisierung des Dialogs insbesondere zwischen den monotheistischen Religionen Judentum, Christen­tum und Islam kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Bei verschiedenen Zusam­mentreffen religiöser Autoritäten und hochrangiger Politiker aus aller Welt, unter ande­rem im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2008 und in Wien im Juli 2009, konnte grundsätzlich Einigung über die Errichtung eines sol­chen Zentrums erzielt werden.

Für Österreich mit seiner Tradition als Ort der Verständigung und des interkulturellen und interreligiösen Austausches ist es selbstverständlich, diese Initiative zu unterstüt­zen, zumal sich diese Dialoginitiative in ihren Statuten auch den universellen Men­schenrechten und Grundfreiheiten verpflichtet sieht. Der Wunsch des saudischen Kö­nigs, das Sekretariat des Zentrums in Wien anzusiedeln, spiegelt die Wertschätzung des österreichischen Engagements in diesem Bereich wider.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 32

Das Zentrum soll als internationale Organisation durch ein Übereinkommen zwischen Saudi Arabien, Spanien und Österreich errichtet werden. Im Rahmen von Expertenge­sprächen konnten bereits große Fortschritte erzielt werden, sodass von saudischer Seite der Wunsch geäußert wurde, das Zentrum solle bereits mit Ende dieses Jahres seine Tätigkeit aufnehmen. Das Übereinkommen soll Bestimmungen über die Ziele und Aufgaben des Zentrums enthalten, die Organe und deren Zuständigkeiten festle­gen sowie anderen Staaten und auch internationalen Organisationen zum Beitritt offen­stehen. Insbesondere wird das Zentrum den interkulturellen und interreligiösen Dialog vor allem durch die Abhaltung von Konferenzen und ähnliche Aktivitäten fördern, um zur Verständigung und Versöhnung beizutragen.

Die mit der Verhandlung dieses Übereinkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegen­heiten zur Verfügung stehenden Mitteln. Auch aus dem beabsichtigten Abschluss des Übereinkommens werden für Österreich keine Kosten entstehen, da das Zentrum durch freiwillige Beiträge der Vertragsparteien des Übereinkommens und durch sonsti­ge freiwillige Zuwendungen finanziert werden soll. Allfällige für die Republik Österreich aus dem beabsichtigten Abschluss des Übereinkommens entstehende Kosten werden aus den Mitteln des Bundesministeriums für europäische und internationale Angele­genheiten bedeckt. Saudi Arabien trägt als Initiator des Zentrums die Kosten seiner Er­richtung und Unterbringung.

Für die Verhandlung des Übereinkommens wird nachstehende österreichische Delega­tion in Aussicht genommen:

Gesandter MMag. Gregor Schusterschitz           Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Botschafter Dr. Werner Druml                                  Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten

Gesandter Dr. Friedrich Stift                                      Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten

Gesandte Mag. Sabine Kroissenbrunner              Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten

LS Dr. Gerhard Thallinger, LL.M.                             Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten

Das Übereinkommen wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter ha­ben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Ich stelle daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über das Übereinkommen zur Errichtung des König Abdullah Bin Abdula­ziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog zu bevollmächtigen.

Wien, am 17. November 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 33

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                  WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Martin PREINEDER

Parlament                                                                                                            GZ 350.100/0013-I/4/10

1017 Wien                                                                                                Wien, am 3. Dezember 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich mich am 16. (nachmittags) und 17. De­zember 2010 im Ausland, aber innerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, aufhalten werde.

Mit den besten Grüßen“

*****

 


Präsident Martin Preineder: Eingelangt ist der Sozialbericht 2009–2010, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heuti­gen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und die Erklärung des Bun­desministers für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß § 37 Abs. 4 Bundesratsge­schäftsordnung anlässlich der Ernennung der neuen Staatssekretärin beziehungsweise die Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder in den Ständigen gemeinsamen Ausschuss des Nationalrates und des Bundesrates gemäß § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 sowie die Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2011 auf die Tagesord­nung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Martin Preineder: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 6 und 7, 10 bis 13, 14 und 15 sowie 16 und 17 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

10.05.591. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß § 37 Abs. 4 BR-GO anlässlich der Ernennung der neuen Staatssekretärin

 


Präsident Martin Preineder: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 34

Ich darf den Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Mitterlehner und die neue Frau Staatssekretärin Mag. Remler, die erstmals bei uns ist, recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Bevor ich dem Herrn Bundesminister das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die abgegebene Erklärung eine De­batte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm oh­ne Weiteres stattgeben.

Ich erteile damit dem Herrn Bundesminister zur Abgabe einer Erklärung das Wort.

 


10.06.59

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute Frau Staatssekretärin Mag. Verena Remler vorstellen darf. Ich glaube, ich brauche ihre persönlichen Daten nicht bekanntzugeben, sie sind in der Zwischenzeit schon durch die Medien gegangen. Ich darf aber darauf hinweisen, dass sie während ihrer bisherigen Tätigkeit schon einschlägig mit den Aktivitäten und Bereichen zu tun hatte, die sie auch als Staatssekretärin mit betreuen wird.

Sie war nämlich von 2007 bis 2010 Geschäftsführerin des Gesundheits- und Sozial­dienstes in Lienz in Osttirol und hat sich dort mit einem Team bestehend aus 40 haupt­beruflichen Mitarbeitern und über 30 freiwilligen Helfern für die Betreuung Pflegebe­dürftiger im Bereich Hauskrankenpflege, Altenhilfe, Heimhilfe, Beratung der pflegenden Angehörigen beschäftigt und auch verdient gemacht. Sie war aber auch im Bereich des Tourismusverbandes Region Nationalpark Hohe Tauern tätig, vorher schon als Ge­schäftsführerin des Tourismusverbandes Oberes Iseltal in Osttirol von 1999 bis 2003, und sie war auch als Gemeinderätin und Obfrau des Sozialausschusses der Stadt Lienz mit Politik und politischen Themen beschäftigt und dafür zuständig.

Damit bin ich auch schon bei ihrem Hauptaufgabenbereich, dieser wird wie bei ihrer Vorgängerin Christine Marek der Familienbereich sein. Da stellt sich die Frage, was in diesem Bereich die Aufgabenstellung ist. Die Aufgabenstellung ist nicht unschwierig und relativ komplex. Sie haben das in den letzten Tagen ja durchaus auch in der Diskussion mit vollzogen beziehungsweise werden Sie das heute auch ansprechen.

Wir haben die bedauerliche Situation, dass wir uns im Bereich der Familienleistungen im Budget zu Kürzungen gezwungen gesehen haben, nämlich entsprechend einem Auftrag von Parlament und Finanzminister. Die Problematik war die, dass der FLAF, aus dem die Familienleistungen, insbesondere die Familienbeihilfen, kommen, eine Überschuldung hat, und diese Überschuldung würde, wenn wir nicht gegensteuern, dazu führen, dass wir im Jahr 2014 rund 6 Milliarden € Schulden hätten und somit eine Insolvenz des FLAF, wobei dieser auch für die Maastricht-Kriterien relevant ist – das sei nur erwähnt –, aber natürlich auch budgetrelevant ist.

Daher: Warum steuert man dagegen? Was muss man tun? Die Fragestellung war: Wenn der FLAF Probleme hat, warum saniert man nicht mit anderen Einnahmen? – Die Schwierigkeit ist, wir haben ein Budget mit einzelnen Zuständigkeiten, und da kann ich nicht den FLAF sanieren, indem ich den Koralmtunnel nicht baue, Nabucco nicht baue, das ist gar nicht budgetfinanziert, oder den Assistenzeinsatz des Bundesheeres nicht durchführe, weil die Einnahmen oder die dort entstehenden Ausgaben jetzt nicht in der Weise transferierbar sind. Daher ist im Bereich des Familienlastenausgleichsfonds die Sanierung vorzunehmen.

Ich weise darauf hin, dass wir in den beiden Jahren 2009 und 2010 im Rahmen der Steu­erreform, aber auch durch das Konjunkturpaket im Familienbereich 940 Millionen € pro


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 35

Jahr zusätzlich für die Familien bereitgestellt haben. Das ist keineswegs, wie manche immer sagen, eine Almosenhaltung des Staates, sondern das geht natürlich in Rich­tung der Verpflichtungen, die es hinsichtlich der Allgemeinheit und der Familien insge­samt gibt, um auch den Ausgleich zu schaffen zwischen Kinderlosen und jenen, die Kin­der zu betreuen haben, und die die Einkommenssituation in diesem Bereich verbessern sollen.

Das ist die Aufgabenstellung, und, wie angesprochen, mit 940 Millionen hat es das Bud­get auch entsprechend belastet und auch den Familienlastenausgleichsfonds. Jetzt ste­hen wir vor der Situation, dass wir nicht ganz 300 Millionen pro Jahr wieder zurück­füh­ren müssen. Das ist auch unangenehm, aber von einem Anschlag auf das Gesamtsys­tem zu sprechen, wie es viele tun, ist wesentlich übertrieben. Es ist unangenehm, aber wir sind trotzdem im Spitzenfeld der Familienförderungsleistungen.

Wir haben uns auch bemüht, noch einige Abrundungen durchzuführen. Die Abrundun­gen fanden im Bereich des Mehrkindzuschlags statt, der ursprünglich hätte auslaufen sollen. Das ist eine steuerliche Maßnahme. Es ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass vie­le auch in der Diskussion nicht unterscheiden konnten zwischen Mehrkinderstaffelung und Mehrkindzuschlag im Steuerbereich, weil vor allem die protestiert haben, die gar nicht unter diese Begünstigung gefallen sind, nämlich mit Einkommen im Familienbe­reich von über 55 000 €. Das soll jene mit einem Einkommen bis 55 000 € begünsti­gen. Der Zuschlag wird jetzt nicht abgeschafft, sondern von 36,40 € auf 20 € reduziert.

Im Bereich der Studenten, was in der Öffentlichkeit am intensivsten diskutiert worden ist, haben wir die Rückführung der Anspruchsdauer der Familienbeihilfe von 26 auf 24 Jahre, und zwar mit Ausnahmen, mit der Möglichkeit, dort wieder auf 25 aufzusto­cken, wo die Studienstruktur dies erfordert, wie etwa beim Medizinstudium, wo auf der anderen Seite vorher der Präsenzdienst, der Zivildienst oder auch der Mutterschutz entsprechend eingerechnet werden, was aber im Wesentlichen auch schon bisher von der Gesetzeslage gegeben war und jetzt sozusagen in das neue System transferiert wor­den ist.

Wir glauben, das auch im internationalen Vergleich – das ist keine Studienförderung, das ist immer irrtümlich als Studienförderung dargestellt worden, sondern das ist eine Familienförderung, diese läuft in den meisten Staaten mit 19 Jahren aus – einigerma­ßen akzeptabel dargestellt und entwickelt zu haben. Dass wir uns dennoch natürlich jetzt keiner Zustimmung erfreuen können, ist klar. Es wird das Prinzip angesprochen und kritisiert, und eine Abrundung kann nicht begrüßt werden, wenn man das Prinzip nicht akzeptiert.

Das ist der eine Bereich, den wir jetzt haben und der auch zu erklären ist. Die Frau Staatssekretärin vertritt diesen Bereich. Sie hat das nicht verhandelt und war auch in die ganzen Vorgespräche nicht einbezogen. Natürlich vertritt sie das und muss es jetzt vertreten. Wir werden vor allem darauf schauen müssen, dass wir das erklären.

Mir ist aufgefallen, wenn man erklärt, dass das Gesamtsystem immer noch ein positiv darstellbares ist und dass wir im internationalen Vergleich nicht schlecht liegen, dann ist es, was die Akzeptanz betrifft, doch einigermaßen leichter.

In diesem Zusammenhang ist nämlich gleich die zweite Fragestellung zu sehen, die da lautet: Gehen wir jetzt in Richtung einer Kehrtwende? Soll es überhaupt so sein, dass wir die Geldleistungen zurückführen zugunsten der Sachleistungen? Da glaube ich, dass man sehr fein differenziert hören, aber auch dann reden und insgesamt Entwick­lungen einleiten und Weichenstellungen vornehmen muss, denn es ist zwar richtig, dass wir auf der einen Seite hohe Geldleistungen haben, eine niedrige Geburtenrate auf der anderen Seite. Aber das heißt natürlich nicht, dass ich jetzt die Geldleistungen für die Familien zugunsten der Sachleistungen zurückfahren kann, sondern was man schon tun


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 36

muss, ist, einerseits die Treffsicherheit der Geldleistungen zu überprüfen, aber auch die Struktur der Geldleistungen.

Mir ist aufgefallen, in manchen Ländern gibt es zusammen mit den Leistungen des Bun­des bis zu 30 unterschiedliche Familien- und steuerliche Förderungen in diesem Be­reich, wobei teilweise Duplizitäten vorliegen. Das Gleiche, das der Bund gewährt, ge­währt auch ein Bundesland, zeitversetzt, mit etwas anderer Gewichtung. Daher ist es meiner Meinung nach notwendig, da zumindest eine Bündelung vorzunehmen, um eine bessere Übersichtlichkeit zu schaffen. Das heißt aber nicht, jemand etwas wegzuneh­men und eine Neustrukturierung in Richtung Reduktion der Geldleistungen zu machen.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der zweite Bereich, nämlich Sachleistung, zu se­hen. Wenn Sie sich erinnern, war gestern, und zwar relativ frisch, die Diskussion: Sol­len wir nicht, was die Kinderbetreuungseinrichtungen anbelangt, im Bereich der Alters­gruppe null bis drei Jahre die Anschlussfinanzierung weiterführen?

Die Problematik war die, es gibt eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Län­dern, 2008 bis 2010 die Kinderbetreuungsplätze entsprechend auszubauen. Diese Ver­einbarung läuft 2010 aus. Daher ist es notwendig, jetzt eine Evaluierung zu machen: Was hat das gebracht? Und ich kann nicht einfach mir nichts, dir nichts sagen, wir setzen das fort, wenn es einen Regierungsbeschluss gibt, zunächst die Evaluierung zu ma­chen und dann zu schauen, ob wir auch Finanzierungsmöglichkeiten haben, denn es ist schon klar, wenn jetzt sofort die Anschlussfinanzierung möglich wäre, man aber auf der anderen Seite Geldleistungen kürzen muss, dann hat jeder den Eindruck, jetzt kür­zen wir die Geldleistung und auf der anderen Seite wäre das Geld dort vorhanden. Da­her sind auch dieses Augenmaß und die Treffsicherheit in diesem Bereich durchaus zu überdenken.

Zum zweiten Aufgabenbereich. Nachdem wir den ersten den Familien dargestellt ha­ben, diese informiert und die Treffsicherheit erhöht haben, wird der zweite Aufgaben­bereich sein, dass wir gemeinsam die Familien einbeziehen und darüber diskutieren, wo wir in den Bereichen, was die Familienbetreuungseinrichtungen anbelangt, insbe­sondere im Altersbereich null bis drei Jahre, wo wir von der Erreichung des Barcelona-Ziels noch weit entfernt sind, während wir bei Kindern von drei bis sechs Jahren mit einer Betreuungsquote von 90 Prozent das Ziel schon erfüllt haben, hingehen sollen.

Dass es darüber hinaus auch noch andere Fragestellungen gibt, Fragestellungen, die eben auch in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Betreuungsnotwendigkeit und anderes mehr in diesem Bereich gehen, ist logisch. Die ganze Problematik, was Kinderbetreuungsgeld und anderes anbelangt, ist ein weiteres Themenfeld.

Schließlich und endlich darf ich auch noch den vorher erwähnten FLAF ansprechen. Warum? – Weil wir auch in der Diskussion gesehen haben, dass der zwar relativ viele Einnahmen hat, aber aufgrund der Ausgabenstruktur überfordert ist.

Wir zahlen im Jahr aus dem FLAF rund 100 Millionen an Unterhaltsvorschuss an die Familien, an die Berechtigten, wo sich die Verpflichteten der Zahlung entziehen, und man muss sich vorstellen, dass von diesem Geld in etwa nur die Hälfte wieder ein­bringbar ist. 55 Millionen bleiben für den FLAF über. Daher stellt sich die Frage, ob wir nicht mit der Frau Justizminister und den Behörden und Organen dort reden können, damit es zu einer größeren Rückführungsquote kommt. Das ist schwierig, das ist ge­nauso wie beim Bereich der Sozialversicherungsschulden. Aber das ist eine Themen­stellung.

Eine zweite Themenstellung, die ich nur beispielhaft ansprechen darf, ist die Frage der Pensionsleistungen für Kindererziehungszeiten. Wir zahlen etwa in der Größenordnung von 1 300 € pro Person die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge im Ausmaß von 75 Prozentpunkten der Bemessungsgrundlage, 25 Prozent zahlt der Bund. Vorher,


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 37

in den Jahren 2004 bis 2009, haben wir für diese vier Jahre Kindererziehungszeiten 50 Prozent gezahlt. Das bedeutet einen enormen Anstieg der Kosten. Von den Kosten in der Höhe von rund einer Milliarde sind allein 500 Millionen auf diese Erhöhung in dem Jahr zurückzuführen, weil wir statt 50 Prozent 75 Prozent bezahlt haben.

Sie sehen daher schon an diesem Themenfeld, was auch den FLAF insgesamt von der Struktur berührt, dass hier die Aufgabenstellungen insgesamt relativ komplex sind, dass es aber nur gemeinsam gehen wird, die Themenfelder auch aufzuarbeiten, um dann trotzdem darstellen zu können, dass wir im Bereich der Familien die Strukturen haben, die Möglichkeiten haben, um eine zukunftsorientierte Familienpolitik auch in Zukunft ge­währleisten zu können.

Das ist aus meiner Sicht ein jetzt etwas umfangreicherer Überblick, weil ich annehme und sicher bin, dass alle diese Fragestellungen und Problemstellungen auch von Ihnen angesprochen werden.

In diesem Sinne darf ich der Frau Staatssekretärin alles Gute wünschen, gute Zusam­menarbeit. Es ist eine herausfordernde, aber durchaus bewältigbare Aufgabenstellung. (Allgemeiner Beifall.)

10.19


Präsident Martin Preineder: Danke sehr, Herr Bundesminister.

Ich darf nun die Frau Staatssekretärin bitten, sich dem Bundesrat vorzustellen.

 


10.20.00

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Mag. Verena Remler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bun­desrates! Ein Schlüsselfaktor für die Familien in Österreich und auch für die Gleichbe­rechtigung der Frau ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Vereinbarkeit zu gestalten ist sowohl eine gesellschaftspolitische als auch familien- und wirtschaftspoli­tische Aufgabe.

Die bessere Abstimmung von Familie und Beruf ist neben der Wahlfreiheit in der Ge­staltung der Lebensentwürfe das entscheidende Fundament erfolgreicher Familienpoli­tik. Mir geht es dabei nicht um entweder Geld oder Sachleistungen, sondern um das So­wohl-als-Auch, denn ich bin überzeugt davon, dass die Familien beides brauchen: auf der einen Seite Infrastruktur, auf der anderen Seite die finanzielle Sicherheit, damit sie frei entscheiden können und jenes Lebensmodell wählen können, das ihren Vorstellun­gen und Wünschen am besten entspricht.

Auch wenn in den letzten Jahren beim Ausbau der Kinderbetreuung österreichweit sehr viel Positives passiert ist – wir konnten in allen Altersgruppen die Betreuungsquoten deut­lich erhöhen –, so sind wir doch noch nicht am Ziel angelangt, und zwar vor allem bei der Betreuung der unter 3-Jährigen, wo wir vom Barcelona-Ziel von 33 Prozent noch et­was entfernt sind. Erfreulich ist allerdings der Umstand, dass wir bei der Betreuung der 3- bis 6-Jährigen das Barcelona-Ziel von 91 Prozent bereits erreichen konnten.

Eines meiner Ziele ist die Steigerung der Betreuungsquote vor allem bei den unter 3-Jäh­rigen, und zwar gemeinsam mit den Ländern, in deren Zuständigkeit die Kinderbetreu­ung ja auch liegt.

Ich darf in diesem Zusammenhang festhalten, dass der Bund aufgrund der Wichtigkeit dieses Themas beträchtliche Mittel dafür aufwendet. In den Jahren 2008 bis 2013 sind das immerhin 370 Millionen €. Mir ist der Ausbau der Kinderbetreuung ein großes An­liegen, und daher werde ich mich auch dafür einsetzen, dass dieser gemeinsam mit den Ländern weiterhin forciert wird.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 38

Im nächsten Schritt wird die derzeit auslaufende Artikel-15a-Vereinbarung evaluiert wer­den, aber ich werde natürlich parallel dazu Gespräche mit den zuständigen Landesrä­tinnen und Landesräten für den weiteren Ausbau suchen.

Die größte Bedeutung in der frühkindlichen Förderung und Erziehung der Kinder haben natürlich die Eltern, die wir auch hinkünftig mit unterschiedlichsten Maßnahmen weiter­hin unterstützen und entlasten wollen. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang berich­ten, dass wir bereits im ersten Quartal des kommenden Jahres zwei neue zielgruppen­spezifische Elternbriefe, einen für türkische Familien und einen für Familien mit einem behinderten Kind, herausbringen werden.

Einen ganz besonderen Stellenwert für die Familien hat natürlich auch die Gemeinde. Die Familien brauchen vor Ort beste Lebensbedingungen und eine hohe Lebensqua­lität. Andererseits macht dies natürlich auch die Gemeinde als Standort attraktiver. Mit dem Audit „Familienfreundliche Gemeinde“, an dem bis dato 162 Gemeinden teilneh­men, bieten wir den Gemeinden die Möglichkeit, ihre Kinder- und Familienfreundlich­keit in Zukunft unter Einbindung aller Generationen bedarfsgerecht, systematisch und auch nachhaltig auszubauen.

Meine sehr verehrten Mitglieder des Bundesrates! Wir müssen in Österreich unsere Gesellschaft noch kinder- und familienfreundlicher machen. Und ich bin überzeugt, dass dies auch zu mehr Mut zum Kind führen wird.

Abschließend darf ich festhalten, dass in den letzten Jahren sehr viel Positives für die Familien in Österreich gelungen ist. Ich möchte diesen Weg gerne im Sinne der Fami­lien in Österreich weitergehen, möchte aber auch neue Akzente setzen und auf gesell­schaftliche Veränderungen eingehen. Ich freue mich in diesem Zusammenhang auf ei­ne gute und konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten von FPÖ und Grünen.)

10.23


Präsident Martin Preineder: Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich darf Ihnen alles Gute auf Ihrem neuen Weg wünschen. Alles Gute für Ihre Arbeit im Sinne der Fa­milien Österreichs!

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.24.14

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Üblicherweise wünscht man einem neuen Regierungsmitglied alles Gute, und das möchte ich an dieser Stelle auch tun. (Demonstrativer lebhafter Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.) Wir werden uns selbstverständlich bemühen, mit Ihnen konstruktiv zusammenzuarbei­ten (Bravoruf des Bundesrates Mag. Klug), das wird aber nicht ausschließen, dass auch Kritik kommen wird – und die kommt schon heute! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich lasse nämlich schon alle Hoffnung fahren, wenn ich mir anschaue, was ich seit Ih­rem Amtsantritt von Ihnen, Frau Staatssekretärin Mag. Remler, gehört habe, nämlich – abgesehen von Ihrer heutigen Stellungnahme hier – eigentlich nichts zum Thema „Fa­milien“. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist aber ein sehr brisantes Thema.

Den Herrn Minister Dr. Mitterlehner möchte ich schon daran erinnern, dass über viele Jahre – und ich rede jetzt wirklich über sehr viele zurückliegende Jahre – aus dem FLAF nicht immer nur Familienleistungen bezahlt worden sind, sondern dass dieser, um das Budget ein bisschen aufzufüttern, immer wieder ausgehöhlt worden ist, anstatt Mittel anzusparen, damit man Gelder zur Verfügung hat, die man dann den Familien zukom­men lassen kann.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 39

Nun zu Ihrer Ankündigung, eine Evaluierung der Kindergartenplätze vorzunehmen: Ja, es ist durchaus sinnvoll, dass man das einmal macht und sich anschaut, wie das funk­tioniert, wie sich das bewährt und wie man da weiter vorgehen kann. Dass diese Eva­luierung allerdings zwei Jahre dauern soll und der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze damit verzögert wird, wo wir doch gerade eben erst den verpflichtenden Kindergarten et cetera geschaffen haben, und dass wir ... (Bundesminister Dr. Mitterlehner: Woher haben Sie das mit den zwei Jahren?) Sie haben es vorhin gesagt! (Bundesminister Dr. Mitterlehner: 2011 ist die Evaluierung! Und 2012 ...!) Bis 2012 ist das jetzt einmal ausgesetzt. Das stand auch überall. Aber Sie können es ja dann richtigstellen. (Bun­desrat Kneifel: Das ist aber nur ein Jahr!) Geschehen soll die Evaluierung 2011, und 2012 werden wir erst sehen, ob das am Anfang kommt. Ich lasse mich gerne positiv überraschen, einstweilen schaut es aber nicht gut aus.

Und wenn man weiß, welche Schwierigkeiten die Länder haben, den Kindergartenaus­bau, der dringend notwendig ist, zu finanzieren – Wien ist ja jetzt als große Stadt, als Bundeshauptstadt nicht so schlecht aufgestellt, aber auch Wien hat Schwierigkeiten –, dann muss man schon sagen: Da ist eigentlich auch ein Jahr schon zu viel. Also da passt es irgendwie nicht zusammen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und zu den allgemeinen Formulierungen, die ich von Ihnen gehört habe, in Ihren Inter­views, aber auch jetzt, wo Sie von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprachen, muss ich schon sagen: Das höre ich von der ÖVP und von der SPÖ seit Jahren! Doch was ist bis jetzt passiert? (Bundesrat Gruber: Ihr habt sechs Jahre Zeit gehabt!) Ihr seid jetzt in der Regierung, nicht wir! Kommt nicht immer und sagt: die FPÖ! Ihr habt es in der Hand – und was tut ihr? (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist immer noch ein schwieriges Thema – zual­lererst für die Frauen, aber auch für die Männer, und zwar deswegen, weil es für sie sehr schwer ist, Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Also dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf jetzt schon quasi etabliert ist, stimmt nicht. Davon sind wir wirklich noch weit entfernt. (Bundesrat Kneifel: Wir sind auf gutem Weg!)

Ja, ihr seid immer auf gutem Weg. Ihr seid seit Jahren auf gutem Weg, aber was ha­ben denn die Familien davon, dass ihr auf gutem Wege seid? – Die Familien wollen konkrete Maßnahmen haben. Und da muss man euch von der ÖVP schon einmal sa­gen: Gerade die ÖVP, die selbsternannte Familienpartei, versagt da kläglich. (Rufe bei der ÖVP: Nein!) Doch! Denn gerade bei den Einsparungen im Budget trifft die Familien ein ganz großer Brocken des Belastungspaketes. Ja wo ist denn da eigentlich die Fa­milienpartei? (Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gerade die Familien wollen Sie doch unterstützen! Aber da stellt Ihnen der neueste So­zialbericht ein Armutszeugnis aus. Dort heißt es nämlich: Seit Jahren konstant bleibt die Zahl der armutsgefährdeten Personen. 12,4 Prozent oder rund 1 Million Men­schen – das muss man sich vorstellen: 1 Million Menschen, das ist ja nicht nichts! – fal­len darunter. Sie verdienen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens oder sind Ein-Personen-Haushalte, die mit weniger als 11 406 € im Jahr auskommen müs­sen.

Und wer ist besonders armutsgefährdet? – Das sind ältere Frauen, Alleinerzieher und Familien mit mehreren Kindern.

Und auch die Arbeit schützt vor Armut nicht! Das muss man auch an dieser Stelle er­wähnen. 247 000 Personen gehen 40 Stunden in der Woche arbeiten, haben also eine Erwerbsarbeit und sind trotzdem armutsgefährdet. Damit gelten 7 Prozent der Erwerbs­tätigen als Working Poor. (Bundesrat Mag. Klug: Aber den Sozialbericht diskutieren wir jetzt nicht!) Das werden wir beim Sozialbericht noch einmal diskutieren.

Aber worum es hier geht, ist, dass die Einsparungen wieder die Familien treffen. Vor al­lem Familien mit mehreren Kindern sind armutsgefährdet, und gerade beim Mehrkind­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 40

zuschlag kürzt man. Zuerst wollte man ihn zur Gänze streichen, und jetzt sagt man: Na gut, wir kürzen ihn halt nur! Aber man darf nicht vergessen, dass den Mehrkindfamilien auch 20 €, die sie weniger bekommen, weh tun. Es ist oft so, dass solche Beträge, die für uns nach kleinen Beträgen klingen, die Familien in große Bedrängnis bringen kön­nen. Und da sage ich: Das ist ein Verrat an den Familien, weil Sie genau jenen, die oh­nehin schon nichts haben, jetzt auch noch das Schwarze aus den Augen nehmen! (Bun­desrat Gruber: Wenn schon, dann das Weiße!)

Ja, Frau Staatssekretärin, Sie sagen vollkommen richtig: Die Familie ist ein Grundpfei­ler der Gesellschaft! Dann sollten wir diesen Grundpfeiler der Gesellschaft aber auch besser behandeln, denn wir dürfen nicht vergessen, was die Familien alles leisten: die Kindererziehung, die Familienbetreuung, die Altenpflege. Wenn wir das alles, was die Familien privat machen, aus der öffentlichen Hand bezahlen müssten, dann wären wir schon längst bankrott, das könnten wir uns in Wirklichkeit gar nicht leisten. Daher kann man den Familien gar nicht genug dafür danken, dass sie diese Dinge tun, und daher glaube ich, dass die Familien gefördert gehören und nicht mit Kürzungen bestraft wer­den dürfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kneifel: Wir haben die höchsten Fami­lienleistungen Europas!) Es muss aber auch ankommen! (Vizepräsidentin Mag. Neu­wirth übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben, Frau Staatssekretärin, in Ihrer Antrittsrede im Nationalrat gesagt, nur ein konsolidiertes Budget schaffe den Spielraum dafür, die Rahmenbedingungen für künfti­ge Generationen weiter zu verbessern.

Ja, da haben Sie recht, da pflichte ich Ihnen bei, aber warum man da ausgerechnet die Familien zur Kasse bitten muss, das verstehe ich nicht.

Ich sage es Ihnen ganz offen: Warum spart die Regierung nicht bei sich selber? Neh­men Sie es jetzt nicht persönlich, aber das Amt der Familienstaatssekretärin wäre mit dem Abgang von Frau Marek eine tolle Einsparungsmöglichkeit gewesen, das hätte, nachdem es ohnehin im Familienministerium angesiedelt ist, gleich in einer Hand beim Minister bleiben können. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ohne Ihnen, Frau Staatssekretärin, persönlich nahetreten zu wollen – ich sage das wirk­lich allgemein, ich meine Sie nicht persönlich damit –: Wenn die ÖVP eine neue Staats­sekretärin sucht, dann geschieht das nach folgenden Kriterien: Sie muss – in diesem Fall – aus Tirol sein, sie muss eine Frau mit Kind sein und sie muss – das ist ja ganz wichtig bei euch – dem richtigen Bund angehören, in diesem Fall dem ÖAAB. Die politi­sche Erfahrung war nicht das Kriterium! (Bundesrat Kneifel: Sie ist sehr tüchtig!)

Dass Sie, Frau Staatssekretärin, Erfahrungen in der Sozial- und Altenpflege haben, wird Ihnen sicher helfen, aber großteils hatte ich bei der Vorstellung Ihrer Person durch den Herrn Minister den Eindruck, dass Sie bisher doch mehr im Tourismusbereich tätig wa­ren. (Bundesrat Kneifel: Und das sagen Sie in der Länderkammer! Es ist wichtig, dass auch Tirol vertreten ist!) Und Ihre politische Erfahrung in der Gemeinde ist eine äußerst kurze. Also, die politische Erfahrung ist wirklich nur ein kleiner Faktor und offensichtlich nicht relevant, aber das wundert mich nicht, denn es hat ja schon einmal die Situation gegeben, dass jemand aus der ÖVP Ministerin geworden ist nur deshalb, weil dort der Telefonhörer abgehoben worden ist, nachdem ihn alle anderen Kandidaten davor nicht abgehoben haben. (Bundesrat Gruber: Ich erinnere an die Jahre 2000 bis 2006, Frau Kollegin, da waren Ministerposten ein Glücksspiel, da wurden FPÖ-Ministerposten im Casino vergeben!)

Da frage ich mich aber schon, welche Qualität diese Regierung hat. Nach meinem Da­fürhalten keine! Sie gehen nach dem Konzept „try and error“ vor, und die Frau Staats­sekretärin wird nach dem Prinzip „learning by doing“ vorgehen. – Das hat sich die Be­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 41

völkerung, die das Sparpaket berappen muss, wahrlich nicht verdient! (Beifall bei der FPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Greiderer. – Bitte.

 


10.33.49

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Verena! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Als Osttirolerin bin ich froh und stolz, dass eine von uns diesen verantwortungsvollen Bereich des Staatssekretariats für Wirtschaft, Familie und Jugend übernehmen darf. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass eine junge dynami­sche Frau wie Sie und auch Mutter sich bereit erklärt, diese verantwortungsvolle und wichtige Aufgabe in der Bundesregierung wahrzunehmen.

Zugegeben, Verena Remler tritt ihr Amt zu einem Zeitpunkt an, an dem die Familien in Österreich viele Einschnitte hinnehmen müssen. Natürlich sind wir nicht glücklich darü­ber, aber es gibt keine Alternative, wenn die nachhaltige Finanzierung der Familienleis­tungen in unserem Land auch in Zukunft sichergestellt werden soll. Das aber recht­fertigt es noch lange nicht, dass die Herren Abgeordneten von BZÖ und FPÖ unsere Neo-Staatssekretärin bei ihrer Antrittsrede im Parlament in einer äußerst unhöflichen, uncharmanten und unsachlichen Art und Weise, die die gute Kinderstube überhaupt ver­gessen lässt, angepöbelt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Sagen Sie das dem BZÖ!)

Diese Aktionen im Nationalrat erinnern mich an die Osttiroler Rabauken (Bundesrat Kneifel: Gemeint sind die Perchten!), die üblicherweise nur Anfang Dezember ihr Un­wesen treiben (neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ), und ich habe mir schon überlegt, die Herren Nationalratsabgeordneten, um mich noch präziser auszudrücken, einzula­den, aber in diesen Zeiten, wo die Osttiroler Rabauken ihr Unwesen treiben, würden die­se Leute dann in der Besucherreihe sitzen oder stehen und sich anschauen, was da los ist.

Ich konnte diesem Schauspiel im Nationalrat persönlich beiwohnen und möchte dazu nur sagen, dass ich mich – jetzt kommt mein Lieblingswort – fremdgeschämt habe. (Bun­desrat Zwanziger: Für das Sparpaket?!) Ich meine nämlich, dass jeder Neue, der in ein Amt berufen wird, ein Recht darauf hat, dass man ihm einen guten Start ermög­licht – aber es scheint einfach toll gewesen zu sein, sich mit diesen Aktionen ins Szene zu setzen.

Frau Kollegin Mühlwerth, jetzt sage ich Ihnen auch etwas: Ich habe mir gewünscht und gehofft, dass wir im Bundesrat einen anderen Stil an den Tag legen, aber Sie stoßen in dasselbe Horn, und das auch noch als Frau. Wenn eine Frau so ein Amt antritt, nur Kri­tik zu üben, das sollte nicht sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf der Bundes­rätin Mühlwerth.)

Ich kenne Verena Remler, die wie ich aus Lienz kommt, schon sehr lange, und wenn Sie sagen, sie hat null politische Erfahrung, muss ich Ihnen entgegnen: Das stimmt überhaupt nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe „klein“ gesagt!) Ja, klein. Das wer­den wahrscheinlich Sie bestimmen wollen, wie viel Erfahrung man braucht. (Bundesrä­tin Mühlwerth: Ich darf es anmerken! Das darf ich schon noch!) Jeder hat irgendwann einmal angefangen, jeder hat es verdient, eine Chance zu bekommen. Sie machte bisher ihre Sache gut, und ich bin überzeugt, dass sie auch in Zukunft ihre Sache gut machen wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte den heutigen Tag aber auch zum Anlass nehmen, der ausgeschiedenen Staatssekretärin Christine Marek für ihre tolle Arbeit in den letzten zwei Jahren und für


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 42

die gute Zusammenarbeit zu danken. Sie hat in der Familienpolitik wirklich viel weiter­gebracht, und blickt man zurück, erkennt man, dass seit 2008 ganz wesentliche, wichti­ge Schritte unter ihrer Führung umgesetzt worden sind. Beispielsweise sind die Ab­setzbarkeit der Kinderbetreuungskosten, die Einführung des einkommensabhängigen Kindergeldes, das verpflichtende Kindergartenjahr für Fünfjährige 2010 Realität gewor­den, und gerade letztere Maßnahme ist eine ganz wichtige Weichenstellung zur Vorbe­reitung auf unser Bildungssystem und zur Überleitung von Kindergarten auf Schule.

Selbstverständlich wissen wir, dass es noch viel zu tun gibt, denn es liegen noch große Herausforderungen vor uns. Wir in Österreich sind in der EU sicherlich Spitzenreiter, was Familienpolitik betrifft, jedoch gilt es weiterhin, sich mit aller Kraft für die Familien in unserem Land einzusetzen. Die Familien sollen in all ihren unterschiedlichen For­men – davon gibt es viele – gut gelebt und realisiert werden können. In der Familie su­chen und finden Menschen Liebe, Geborgenheit und Hilfe. Kinder ins Leben zu beglei­ten, gehört für mich zu den wertvollsten Erfahrungen im Leben.

Kinder sind Schätze in unserem Leben, sie benötigen viel Zeit und Liebe, wir Eltern be­kommen aber auch sehr viel davon zurück. Deshalb sollten nicht immer nur die Geld­leistungen als einzig wahrer Anreiz zum Kinderkriegen in den Vordergrund gestellt wer­den. Die Rahmenbedingungen müssen insgesamt passen, damit sich Eltern wieder mehr für Kinder entscheiden (Bundesrätin Mühlwerth: Wo sind die Rahmenbedingungen?), und auch die in unserem Land angebotenen Sachleistungen, die Kindern zugute kom­men, mögen endlich im entsprechenden Maß in die Gesamtbetrachtungsweise einbezo­gen werden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister Mitterlehner ist bereits darauf eingegangen: Die Familie ist in Eu­ropa nach wie vor der zentrale Lebensmittelpunkt der Menschen. Es wird aber darum gehen, Veränderungen der verschiedenen Lebens- und Familienformen laufend zu er­forschen, Trends festzustellen und diese dann durch richtige politische Weichenstellun­gen zu unterstützen.

Auch in der Wirtschaft hat man längst erkannt, dass es eine hohe Priorität hat, ideale Lösungen zu finden, um Familie und Arbeit bestmöglich für den Arbeitgeber und für den Arbeitnehmer zu kombinieren.

Nur wenn Familien sowohl Infrastruktur als auch flexible und leistbare Kinderbetreu­ungseinrichtungen zur Verfügung haben, können sie sich frei entscheiden, welches Le­bensmodell sie wählen. Ich darf da wieder auf Erfahrung zurückgreifen und das Bei­spiel Lienz erwähnen: Wir haben mit Unterstützung dieser Finanzierungsmöglichkeit für zwei große Arbeitgeber im Bezirk – Bezirkskrankenhaus und Altersheim Lienz – sozu­sagen mit Knochenarbeit heuer eine Kinderkrippe für Null- bis Dreijährige eröffnen kön­nen. Verena weiß das. Und wenn ich daran denke, was das auch für mich selbst, die ich mich für dieses Projekt eingesetzt habe, für eine Knochenarbeit war, wie viele Leu­te – Bürgermeister, aber auch andere Menschen – man davon überzeugen musste, dass es das braucht, dann kann ich nur sagen, ich bin froh, dass es diese Finanzie­rungsmöglichkeit gegeben hat, denn sonst hätten wir diese Kinderkrippen nicht. Das ist jetzt der erste Schritt, und da hat uns auch das Ministerium mit Christine Marek sehr dabei unterstützt.

Ich bin überzeugt, dass Herr Wirtschaftsminister Mitterlehner und unsere neue Staats­sekretärin Verena Remler sich mit ihren Kompetenzen bestens einbringen, und ich wün­sche dir, liebe Verena, alles, alles Gute für diese nicht leichte Aufgabe! Wir werden dich mit allen Kräften unterstützen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Die Rednerin überreicht Staatssekretärin Remler einen Blumenstrauß.)

10.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 43

10.41.50

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin zwar als Contra-Rednerin eingetragen, möchte aber gleich zu Beginn einmal einer Menge Menschen hier recht geben. Einerseits muss ich – was mir zum Teil ein biss­chen wehtut – Frau Kollegin Mühlwerth in vielen Bereichen recht geben. (Bravorufe bei Bundesräten der FPÖ.) Sie hat in einigen Punkten sehr wohl recht, wenn sie diese nicht ganz geglückte Amtseinführung oder Vorstellung von Ihnen, Frau Staatssekretärin, an­spricht. Das war wirklich patschert und irgendwie ein schwerer Rucksack, den Sie da mitbekommen haben.

Was ich mir aber schon wünschen würde, das ist auch mehr Respekt – da muss ich Frau Kollegin Greidler recht geben. Ich habe das nämlich auch so mitbekommen, was im Nationalrat abgelaufen ist, und ich denke mir, in dem Sinn wäre es auch ganz wich­tig, dass Frauen zusammenhalten, denn das ist eben leider ein Problem, das wir Frau­en haben: dass Männer sehr oft dazu neigen, dass sie uns ein bisschen runtermachen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das unterstellen Sie! Das ist eine Unterstellung!) – Das ist keine Unterstellung. Das ist so, dass Männer dazu neigen, Frauen die Kompetenz ab­zusprechen, die Erfahrung abzusprechen. Und ich denke mir, wenn solche Dinge im Nationalratsplenum zu Beginn einer Staatssekretärinnenkarriere vorgebracht werden, dann finde ich das schon ziemlich unter der Gürtellinie und absolut nicht notwendig. (Bei­fall bei Bundesräten der ÖVP.)

Nichtsdestotrotz möchte ich schon Folgendes betonen, was die Präsentation betrifft: Ich habe ein bisschen ein Problem damit, wenn der Herr Minister mehr oder weniger schon vorher die Vorgaben macht und Sie jetzt als neue Staatssekretärin quasi einen schweren Rucksack mitbekommen und sozusagen nur mehr das begründen müssen, was andere schon ausgemacht haben. Und man hört nicht wirklich viel Neues von Ih­nen.

Ich würde sogar dem Minister zum Teil recht geben, wenn er sagt, Sachleistungen für Familien sind wichtiger als Geldleistungen. Das sehe ich prinzipiell auch so. Ich würde mir auch wünschen, dass es mehr Sachleistungen gäbe, nur: Wenn man dann gerade beim Kindergartenbau sagt, wir müssen jetzt ein Jahr überlegen und aussetzen und wir machen halt das Programm nicht in dem Tempo weiter, wie wir es brauchen würden, dann geht es da um Sachleistungen, und zwar um ganz wichtige Sachleistungen für die Familien. Und deshalb finde ich auch diesen Punkt sehr, sehr kontraproduktiv.

Sachleistungen gibt es in vielen Bereichen, und in vielen Bereichen viel zu wenig. Was die Sachleistungen für StudentInnen betrifft, so kann ich mich erinnern – ich habe zwar nicht studiert, aber mein Ex-Mann hat damals studiert –: Damals gab es noch viele Sachleistungen. Inzwischen muss man sich eigentlich ohnehin alles selbst bezahlen und bekommt nicht mehr sehr viele Sachleistungen. Es gibt zum Glück zwar keine Stu­diengebühren mehr, aber Dinge wie Fahrtenbeihilfen et cetera sind gefallen. Und ich denke mir, das sind auch Belastungen für Familien, denn diese müssen ja ihre studen­tischen Kinder meistens noch mit erhalten.

Unter Sachleistungen fällt für mich auch so etwas wie eine Jugendwohlfahrt. Das be­trifft in dem Sinn jetzt zwar nicht so sehr Sie als Staatssekretärin und den Minister, aber gerade bei der Jugendwohlfahrt stellt man in den letzten Jahren auch immer wie­der fest, dass es mehr Fälle gibt und weniger Leute, die damit umgehen müssen. Und ich denke, das sind auch Sachleistungen für Familien, Unterstützungen für Familien, die wirklich massiv fehlen und wo viel zu tun wäre.

Frau Staatssekretärin, was Ihre mangelnde Erfahrung oder das Zuwenig an Erfahrung Ihrerseits betrifft: Ich denke mir, Erfahrung muss man sammeln, und es ist keiner mit der Erfahrung in einem Staatssekretariat groß geworden. Jeder fängt irgendwann an.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 44

Und der Zeitpunkt ist jetzt im Prinzip nicht der schlimmste. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Erfahrungen möglichst rasch sammeln, dass Sie auch gute Erfahrungen sam­meln und dass Sie sich – ich weiß, es ist nicht einfach – in der ÖVP als Frau durch­setzen. Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen gelingt. (Beifall der Bundesrätin Dr. Kickert sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Ich bitte darum.

 


10.46.09

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Bevor ich jetzt mit meiner Rede beginne, möchte ich schon einige Worte an die Kollegin Mühlwerth richten. Auch ich habe natürlich im Nationalrat die Debatte mitverfolgt und habe sie wirklich als sehr peinlich und beschä­mend empfunden, vor allem weil sie ja im ORF übertragen wurde. Ich denke mir, dass wir so ein Bild als Politikerinnen und Politiker nicht in der Öffentlichkeit abgeben sollten. Und ich glaube auch, dass der Tonfall bei Ihrer Rede heute nicht gepasst hat, Kollegin Mühlwerth. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Bravo!)

Über die Inhalte müssen und sollen wir diskutieren – deswegen sind wir auch hier im Bundesrat, und deswegen sind wir auch eine Länderkammer aus verschiedenen Par­teien –, aber der Tonfall war eindeutig nicht in Ordnung. Und ich möchte Sie im Zusam­menhang mit dem Bundeszuschuss und all dem, was die ÖVP und die SPÖ bis jetzt in der Bundesregierung umgesetzt haben oder schon für Familien geleistet haben, nur er­innern: Ihr ehemaliger Landeshauptmann – es ist so schwierig: FPÖ, FPK, BZÖ und so weiter, aber es war ja auch Ihr ehemaliger Landeshauptmann –, der einmal hier war und einmal weg war und dann doch wieder gekommen ist, hat in Kärnten Almosen ausgeteilt, die jetzt wiederum eingesammelt werden müssen. Das kann auch keine Fa­milienpolitik sein, die in Ordnung ist. (Bundesrat Zwanziger: Darum ist er immer wieder gewählt worden! – Das sind keine Almosen!) Das waren Almosen! Jetzt wurden sie wiederum eingesammelt, diese Almosen. Also das ist auch keine Familienpolitik, die in Ordnung ist.

Immerhin ist unter der SPÖ-ÖVP-Bundesregierung sehr, sehr viel weitergegangen, und – der Herr Minister hat es schon gesagt – gerade im Bereich der Über-Dreijährigen sind wir in der Kinderbetreuung top. Ich denke, darauf können wir stolz sein. Wir haben noch viel zu tun, das werden wir aber auch umsetzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Frau Staatssekretärin! Ein herzliches Willkommen auch von meiner Fraktion, von den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier im Bundesrat! Ich wünsche Ihnen wirk­lich sehr viel Freude und sehr viel Kraft bei Ihrer Arbeit. Ich glaube, Sie werden es brau­chen. Es ist schon ein paar Mal gesagt worden: Sie haben einen großen Rucksack; Sie werden ihn hoffentlich tragen können.

Ich habe Ihre Antrittsrede im Nationalrat und natürlich auch heute sehr aufmerksam verfolgt, und besonders ein Satz ist bei mir immer wieder „hängen geblieben“, den ha­ben Sie auch öfter erwähnt: „Familie ist dort, wo Kinder sind.“

Ich würde sehr gerne den Begriff „Familie“ diskutieren. Ich möchte den gerne genauer definieren. Es gibt sehr viele Familien, die keine Kinder bekommen können. Ich möchte nicht, dass solche Familien ausgegrenzt werden, dass hier Ausgrenzungen vorgenom­men werden. Ich glaube, dass das nicht fair ist und auch nicht im Sinne von Ihnen als Staatssekretärin sein kann.

Weitere Schwerpunkte, die Sie nannten, waren Familie und Kind, Familie und Beruf, Fa­milie und Pflege. Ich bin der Meinung, dass das alles sehr wichtige Lebens- und The­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 45

menfelder sind, die aber alle unmittelbar miteinander verbunden sind und nicht ge­trennt werden sollen. Gerade für Frauen ist es so, dass sie aus diesen Gründen oft vor großen, unlösbaren Problemen stehen und dass sie diese Probleme auch sehr, sehr stark belasten. Sie haben in einer Ihrer Antrittsreden auch gesagt, dass Sie Frauen Mut machen möchten. Das finde ich sehr gut und sehr notwendig, und ich bin davon über­zeugt, dass – wir hatten heute schon die Gelegenheit, mit der Frauenministerin Gabi Hei­nisch-Hosek über Väterkarenz, Papa-Monat und so weiter zu diskutieren – beim Mut­machen gemeinsam mit der Frauenministerin ganz sicherlich vieles gelingen kann.

Ich möchte jetzt noch auf einen Punkt, der für uns als Sozialdemokratinnen und Sozial­demokraten sehr wichtig ist, eingehen: Kinder und Familien, die in Österreich leben, sind für uns gleichberechtigt, gleichwertig und auch unterstützenswert. Ein Schlagwort im Rahmen Ihrer Ausführungen, Frau Staatssekretärin, war das Wort „Wahlfreiheit“. Die Garantie, dass diese Wahlfreiheit gegeben ist, ist ein Mix von Geld- und Sachleistun­gen. Wir haben das heute schon ein paar Mal gehört, ich möchte es aber nicht un­er­wähnt lassen. Daher würde ich Sie wirklich dringend darum bitten, dass dieser Bundes­zuschuss zum Ausbau der Kinderbetreuung nicht abgeschafft wird.

Allein in den vergangenen zwei Jahren haben wir die Möglichkeit gehabt, genau in die­sem Bereich 6 000 neue Jobs zu schaffen. Es ist eine Tatsache, dass – auch das wur­de jetzt schon ein paar Mal erwähnt – bei den Unter-Dreijährigen nur 14 Prozent der Betreuungsplätze, die gebraucht würden, vorhanden sind. Wenn wir jetzt diesen Bun­deszuschuss streichen, kann man nicht mehr von Wahlfreiheit reden, denn dann hat man einfach keine Wahl mehr, wenn man ein kleineres Kind hat. Ich könnte Ihnen gerne einen ganz konkreten Vorschlag mitgeben: Wenn Sie und Ihre Fraktion bei
der Einführung einer Vermögensteuer mitstimmen, dann könnten wir dieses Geld gleich für diesen Bundeszuschuss heranziehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrä-
tin Kerschbaum.)

Gut organisierte, pädagogisch durchdachte, qualifizierte und qualitativ hochwertige Kin­dergärten, Bildungseinrichtungen für unsere Jüngsten sind schlichtweg der Schlüssel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, also jener Bereiche, die auch Ihnen, Frau Staatssekretärin, sehr wichtig sind. Die politischen Herausforderungen, vor denen Sie stehen, sind nicht klein. Der finanzielle Ausgleich für Menschen mit Kindern und die Entschärfung der Sparmaßnahmen – das hat auch der Herr Minister heute schon ge­sagt – haben letztendlich ein Plus von 300 Millionen € gebracht. Es wird darüber sicher beim Budget noch eingehend diskutiert werden.

Es gibt aber auch noch sehr viele andere Punkte zu diskutieren, etwa die Aufnahme der Kinderrechte in die Bundesverfassung, die bundeseinheitliche Jugendschutzrege­lung, die einheitlichen Standards im Kinder- und Jugendhilfegesetz, aber auch die ver­stärkte Elternbildung und die Besuchsbegleitung. Ein Themenbereich, bei dem es mir besonders wichtig ist, dass wir hier Lösungen finden, ist, der zunehmenden Vereinsa­mung und Verwahrlosung unserer Kinder und Jugendlichen gemeinsam entgegenzu­treten.

Frau Staatssekretärin! Die Weiterentwicklung der Familienpolitik ist dafür natürlich eine Grundbedingung. Mir geht es dabei vor allem um die Qualität des Zusammenlebens und nicht um die äußere Form des Zusammenlebens von Menschen – Menschen, die mit Kindern eine Familie bilden, aber auch Menschen ohne Kinder. In diesem Sinne hoffe ich auf eine gute Diskussion und auf eine konstruktive Zusammenarbeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 46

10.52.32

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte jetzt betreffend diese Artikel-15a-Vereinbarung hinsichtlich Kinderbetreuung schon noch eines klarstellen, weil es hier gerade auch von der Vorrednerin so dargestellt worden ist, wie wenn der Bund seinen Bundeszuschuss willkürlich auslaufen lassen würde: Das ist nicht der Fall! Es geht ja um eine 15a-Vereinbarung, und diese 15a-Vereinbarung läuft 2010 aus. Daher gibt es keine weitere Vereinbarung in diesem Zusammenhang, und es ist auch eine Evaluie­rung vorgesehen.

Die Evaluierung ist nicht eine Angelegenheit, durch die man seitens des Bundes Zeit gewinnen möchte, sondern das Problem ist, dass mehrere Bundesländer, nämlich das Burgenland, Kärnten, Niederösterreich und Wien, die Zweckzuschüsse für die Jahre 2008 und 2009 voll ausgeschöpft haben, während die Bundesländer Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg die Mittel erst teilweise abgerechnet haben.

Das Problem dabei ist aber nicht nur eine technische Frage der Abrechnung, sondern dass man teilweise die Aufteilung zwischen Drei- bis Sechsjährigen und zwischen dem Bereich von null bis drei Jahren nicht so vorgenommen hat, wie eigentlich vereinbart war. Vereinbart war nämlich, dass auf Basis der 15a-Vereinbarung 25 Prozent des Zweckzuschusses für die Drei- bis Sechsjährigen verwendet werden sollten und der Rest eben für den Bereich von null bis drei Jahren, wo wir auch die größten Defizite haben.

Das heißt im Endeffekt: Der Bund hat seine Zahlung geleistet – 15 Millionen € pro Jahr. Die Länder haben nicht in allen Bereichen, sagen wir – vorsichtig formuliert –, den je­weiligen Nachweis erbracht, dass man diesen Teil der Vereinbarung auch eingehalten hat. Daher ist die Evaluierung eine Notwendigkeit, und auf Basis dieser Evaluierung wird dann über die Fortsetzung diskutiert. Es ist keine Willkür oder kein Stoppen oder Ähnliches seitens des Bundes vorgesehen oder in Diskussion gebracht, sondern es ist hier eine ganz, ganz seriöse Vorgangsweise gegeben. (Beifall bei der ÖVP.)

10.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich bedanke mich bei der Frau Staatssekretärin. – Danke schön.

10.55.032. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 und das Energie-Control-Gesetz erlassen werden (994 d.B. und 997 d.B. sowie 8420/BR d.B. und 8421/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der Erdgas-Pipeline auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich (928 d.B. und 998 d.B. sowie 8422/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 47

Berichterstatterin zu den Punkten 2 und 3 ist Frau Bundesrätin Junker. – Ich bitte um die Berichte.

 


10.55.39

Berichterstatterin Anneliese Junker: Der Bericht über das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Der zweite Bericht, betreffend Abkommen über die Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der Erdgas-Pipeline auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich, liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme zum Antrag.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


10.56.49

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Auch wenn die Debatte hier eine hitzige war, darf ich Ihnen trotz­dem auch noch einmal versichern: Natürlich wünschen auch wir als freiheitliche Fraktion Ihnen alles Gute. Aber die Kritik ist berechtigt, und wenn wir einmal austeilen, dann bitte ich auch zu verstehen: Ihr macht das ja auch ganz gut. – Also, wenn man hier aufseiten der ÖVP-Fraktion zimperlich ist, dann bitte ich doch, uns hier zu verste­hen. Wir wünschen Ihnen, Frau Staatssekretärin, auf jeden Fall alles Gute!

Ich darf im Zusammenhang mit dem zur Abstimmung stehenden Tagesordnungs­punkt 3, nämlich dem Abkommen zwischen den Regierungen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb einer Erdgas-Pipeline, einige Anmerkungen machen. Hier drängen sich mir einige Fragen auf, nämlich: Wo will Österreich in der Energieversorgung hin? Wie soll diese langfris­tig aussehen? Wie abhängig, wie selbständig soll Österreich sein? Und: Gibt es besse­re Alternativen als die Versorgung mit Erdgas aus fernen Ländern?

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch­land, Frau Dr. Merkel, hat in einer politischen Diskussion einmal den Begriff der Brü­ckentechnologie eingebracht, und ich bin überzeugt, dass dieser Begriff auch hier ganz gut passen würde und passt. Denn: Die Energieversorgung eines Landes wie Öster­reichs durch Erdgasleitungen aus fernen Ländern kann nichts anderes sein als eine Übergangslösung. Es ist eine Energieversorgung, von der ja auch bekannt ist, dass sie keine große Zukunft hat. Daher stellt sich die Frage: Warum gehen wir solche Abkom­men ein, wenn doch bekannt ist, dass wir in diesem Bereich nicht unsere Zukunft ha­ben, dass Österreich da eben andere Wege gehen sollte?

Es wäre daher wirklich an der Zeit, dass wir hier, anstatt Zwischenlösungen zu schaf­fen, die Energieversorgung im eigenen Land fördern, und zwar mit Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, dass wir unsere eigenen Ressourcen nutzen. Das soll bedeuten, wenn


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 48

wir hier Geld in die Hand nehmen, dass wir die Wasserkraft ausbauen sollen. Und das darf ich auch sagen: Wir bekennen uns schon dazu, dass man auch Wasserkraftwerke bauen darf und muss und soll und dass wir auch alternative, erneuerbare Energien noch viel mehr fördern – sprich die Windkraft, die Solarenergie, Biogasanlagen, die vor allem im landwirtschaftlichen Bereich, im kleinen Bereich eingesetzt werden können –, und auch, dass man Maßnahmen zum Energiesparen entsprechend fördert. Ich denke, dass wir diesen Weg viel vehementer beschreiten müssen und uns weniger auf Ab­kommen mit Ländern einlassen sollten, die für uns ja dann zwangsläufig eine gewisse Abhängigkeit bedeuten.

Ich weiß, Herr Bundesminister, Sie vertreten ja auch die Meinung, dass Österreich au­tark sein sollte. Aber dieser Vertrag führt eben nicht zu mehr Autarkie, sondern bringt uns in eine Abhängigkeit. (Bundesrat Mag. Himmer: ... Windenergie das ausgleichen!)

Weil Sie die Windenergie ansprechen: Wir nutzen sie einfach viel zu wenig. Schauen Sie sich das im Nordburgenland an, dort funktioniert das ja offenbar gut. Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten, die man prüfen kann und soll, und da muss Geld eingesetzt werden. Wie gesagt, in Parndorf – schauen Sie sich das einmal an, aber ich denke, viele von Ihnen werden es ohnehin kennen – funktioniert das.

Werte Damen und Herren! Österreich muss seine Energieversorgung in der Zukunft weitgehend selbst in der Hand haben und muss in diesem Bereich von anderen Staa­ten unabhängig sein können.

Der vorliegende Beschluss, das vorliegende Abkommen trägt hiezu nicht bei. Und das ist auch der Grund dafür, dass die freiheitliche Fraktion diesen Antrag ablehnt. (Beifall bei der FPÖ.)

11.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


11.00.51

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem ElWOG, das wir heute beschließen, bieten die Elektrizitätswirtschaftsgesetze jetzt einen tragfähigen Rahmen, der auch für die Energieversorgung Chancen bringt, und gleichzeitig werden auf sehr vernünftige Art und Weise die EU-Vorschriften, das EU-Binnenmarktpaket umgesetzt.

Seit Beginn der Liberalisierung hat es eine Vielzahl an gesetzlichen Änderungen gege­ben. Mit diesem ElWOG sollte sich jetzt ein stabiler Rahmen entwickelt haben.

In der Energiewirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, es hat große Veränderungen gegeben, große Umbrüche haben stattgefunden. Die Unternehmen ha­ben sich für den liberalisierten Markt, für den Wettbewerb fit gemacht. Jetzt brauchen diese Unternehmen aber auch stabile Rahmenbedingungen, die sie mit diesem ElWOG, glaube ich, bekommen, damit auch die nötige Sicherheit gegeben ist, um Investitionen und auch Innovationen durchzuführen.

Das ElWOG 2010 und auch das E-Control-Gesetz sind weitere Schritte im Rahmen der Liberalisierung im europäischen Strombinnenmarkt, die jetzt hoffentlich vorläufig ein­mal einen Abschluss finden, um auch gewisse Sicherheit zu schaffen.

Ich möchte mich auf ein oder zwei aus meiner Sicht wesentliche Punkte in diesem ElWOG konzentrieren. Einer dieser Punkte ist aus meiner Sicht, dass die Versorgungs­sicherheit als öffentliches Interesse in diesem Gesetz verankert wird, damit im Rahmen der Genehmigungsverfahren auch eine ausgewogene Interessenabwägung vorgenom­men werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 49

Mit dieser Interessenabwägung werden aus meiner Sicht drei wichtige Punkte gestärkt: die steigende Bedeutung einer sicheren Stromversorgung, eine klimaschonende Er­zeugung und leistungsfähige Netze. Diesen Säulen der Elektrizitätswirtschaft wird da­mit Rechnung getragen.

Das heißt aber auf der anderen Seite natürlich nicht, dass Bürgerrechte oder auch Um­weltschutz in den Hintergrund treten oder gar über Bord geworfen werden. Ganz im Gegenteil, die Aufnahme des öffentlichen Interesses – ich weiß, Sie schauen bereits etwas kritisch (Bundesrätin Kerschbaum: Jetzt passe ich genau auf, wie du das aus­legst!) – in das Gesetz ermöglicht vielmehr einen sehr ausgewogenen Ausgleich zwi­schen Umweltschutzinteressen einerseits und auch Interessen einer gesicherten Ener­gieversorgung, wie wir beide – hoffentlich Sie auch, Frau Kollegin – sie uns doch wün­schen.

Es ist auch als Signal zu werten, dass man die Umsetzung der Energiestrategie ernst nimmt. Und dass es dafür auch breite politische Unterstützung gibt, das hat auch die Unterstützung der Freiheitlichen zur Erreichung der Zweidrittelmehrheit im Nationalrat bestätigt.

Der Energiebedarf, werte Kolleginnen und Kollegen, wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Das steht, glaube ich, außer Zweifel. Das ist so, auch wenn von allen Seiten Einsparungsmaßnahmen gefördert werden, Einsparungsmaßnahmen umge­setzt werden. Auch deshalb ist diese Verankerung der Versorgungssicherheit standort­politisch eine Notwendigkeit, weil wir auch die Importabhängigkeit verringern wollen.

Der Weg zu Energieautarkie wird schwierig und lang werden. Ich glaube, mein Vorred­ner hat die beiden Minister verwechselt: Minister Berlakovich ist der, der Energieau­tarkie mittelfristig fordert. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.) Ich glaube, Minister Mitterlehner hat das noch nie in dieser Art und Weise ausgedrückt. (Zwischenrufe bei der FPÖ sowie Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Das sollte vielleicht ein Ziel sein, aber ein bisschen Realismus sollte auch einkehren.

In einem entsprechenden Abänderungsantrag im Nationalrat wurde dabei auch dem Ausbau der erneuerbaren Energien besondere Bedeutung eingeräumt. Österreich ist ja mit einem Anteil von 30 Prozent erneuerbarer Energie am Gesamtenergiemix europa­weit ein Musterland, europaweit führend. Und damit das so bleibt und wir unsere Ziele auch erreichen können, ist der weitere Ausbau insbesondere der Wasserkraft, aber auch – und da gebe ich meinem Vorredner natürlich recht – anderer erneuerbarer Energien entscheidend. Und mit diesem Beschluss sind wir da ein großes Stück weiter. Ich bin auch sehr optimistisch, dass uns nächstes Jahr eine entsprechende Novelle des Öko­stromgesetzes vorgelegt werden wird.

Bei einem solch komplexen Gesetzeswerk gibt es immer – das kann man natürlich auch dazusagen – eine sehr große und breite Gruppe von unterschiedlichsten Interes­sen, die bei solch einer Gesetzwerdung zu berücksichtigen sind. Es gibt viele Ratschläge, es gibt viele Empfehlungen, es gibt viel Kritik, und es ist immer eine große Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bringen. Ich denke, dass das im Großen und Ganzen sehr gut gelungen ist und dass uns heute ein tragfähiger Kompromiss vorliegt, ein Kompro­miss, der am Ende dieses Prozesses auch gewährleistet, dass wir bei der Versorgungs­sicherheit, bei der Preisgestaltung und bei der Nachhaltigkeit besser aufgestellt sind, als wir das vorher waren.

Ihnen, Herr Bundesminister, darf ich zu diesem Gesetz gratulieren. Ich möchte mich vor allem aber auch bei den handelnden Personen in der Sektion Energie, E-Control und im Kabinett des Ministers für ihren Einsatz bedanken. Es waren intensive Verhand­lungen, nämlich wirklich bis zum Schluss, also im wahrsten Sinne des Wortes bis zur Abstimmung, und es ist eine wirklich gute Leistung, dass in solch kurzer Zeit zwischen


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 50

Ministerrat, Begutachtung und den Beschlüssen im National- und heute hier im Bun­desrat das ElWOG auf diese Art und Weise vorbereitet wurde.

Als Ländervertreter darf ich mir zum Schluss noch erlauben zu sagen – das kann ich mir nicht verkneifen –, dass die für die Umsetzung der Landes-ElWOGs vorgesehenen drei Monate ein sehr ambitioniertes Ziel sind, aber ich bin überzeugt davon, dass die Bundesländer insgesamt auch das vorbildlich meistern werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.07.55

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nur ganz kurz zu den Ausführungen des Kollegen Brunner betreffend die Verwechs­lung des Ministers: Prinzipiell würde ich mir schon wünschen, dass die gesamte öster­reichische Bundesregierung hinter dem Ziel steht, dass wir irgendwann einmal – wann auch immer – energieautark werden, und nicht nur der Umweltminister, denn es wäre eigentlich traurig, wenn nur der Umweltminister dahinter stünde. (Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Brunner.) Zumindest hinter dem Ziel, irgendwann einmal energieautark zu werden, ich rede ja jetzt gar nicht von 2015 oder 2020. (Bundesrat Gruber: 3001!) Vielleicht können Sie, Herr Minister, sich dann noch dazu äußern, ob auch Sie dieses Ziel vor Augen haben.

Es ist heute schon erwähnt worden: Ich sehe beide Gesetzesänderungen als Über­gangslösung. Zum Teil sind diese Übergangslösungen eben leider nur Übergangslö­sungen, in die viel Geld gesteckt werden muss, auf der anderen Seite aber auch ris­kante Übergangslösungen. Es gibt etwa auch in Deutschland eine Übergangslösung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man mit erneuerbaren Energien alles wird abdecken kön­nen: die Laufzeitverlängerung von alten AKWs. Das ist eine unglückliche und sehr ris­kante Übergangslösung, hinsichtlich derer unser Herr Bundesminister sogar irgendwann einmal gemeint hat, dass er die Argumente sogar versteht. Das hat mich sehr enttäuscht!

Wir haben halt ein bisschen andere Übergangslösungen, wir bauen als Übergangslö­sung jetzt auf Gaspipelines, und zwar nicht nur auf eine, sondern auf zwei oder drei. Dass das Gas, das durch diese Pipelines fließen soll, nicht unbedingt aus den stabils­ten Staaten aus menschenrechtlicher Sicht kommt, ist, denke ich, auch kein Geheim­nis. Und insofern ist auch das für mich eine riskante Übergangslösung, denn wir müs­sen diesen Staaten das Gas abkaufen – ob jetzt den Russen oder Staaten, die noch weiter weg sind –, und letztendlich verpflichten wir uns zum Beispiel mit diesem Ver­trag, machen wir eigenartige Zusagen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich habe im Aus­schuss schon versucht, das näher erläutert zu bekommen, denn diese sehr oberflächli­chen Zusagen finde ich zum Teil sehr bedenklich.

So steht da zum Beispiel im Artikel 8: „Die Republik Österreich wird keine spezifischen gesetzlichen Maßnahmen ergreifen, welche das Projekt oder die Erdgas-Pipeline wäh­rend der Amortisierungsdauer des Projekts negativ beeinflussen würde.“

Abgesehen davon, dass mir im Ausschuss keiner gesagt hat, wann sich das Ding amor­tisieren soll und wie lange wir uns da jetzt verpflichten, dass wir keine Maßnahmen er­greifen, frage ich mich: Wenn wir zum Beispiel das Ökostromgesetz irgendwann einmal doch so verbessern, dass es ein Ökostromgesetz ist, das vielleicht auch wirklich einen Boom auslöst, und viel mehr Strom produziert wird als jetzt, ist das dann eigentlich auch schon eine Behinderung dieser Erdgas-Pipeline? (Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Brunner.) Es ist die Schaffung einer Konkurrenz. Doch, das kann man so ausle­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 51

gen. Aus meiner Sicht ist daher dieser Vertrag mit den so abgefassten Zusagen schon sehr bedenklich.

Weiters ist es bedenklich, dass man Versprechen abgibt, für die es gar keinen Zeitrah­men gibt – das ist offenbar auf immer und ewig. Die Republik Österreich verpflichtet sich, keine Erhöhung der steuerlichen Belastungen des Projekts oder der Gesellschaft vorzunehmen. Für welchen Zeitrahmen, für wie lange versprechen wir das? – Das ist alles so unbestimmt. Im Ausschuss konnte mir das auch keiner konkret erläutern, es wurde nur gesagt: Na dann beschließen wir halt das Gesetz nicht!, oder: Wir melden es an!

Wir schließen da also einen Vertrag ab, der meiner Meinung nach schon ein gewisses politisches Risiko enthält, weil das so ungenau definiert ist. Was das für uns letztend­lich heißt und für diese Übergangsdauer, sollten wir wirklich einmal Energieautarkie er­reichen – vielleicht strebt sie ja auch unser Herr Wirtschaftsminister an –, ist nicht klar. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Es gibt auch noch andere Möglichkei­ten, zu Energieautarkie zu kommen; nicht nur Windräder, die sind ein Teil.

Aber weil wir gerade von Windrädern reden, zum ElWOG: Die Stellungnahmen zum ElWOG zu finden war nicht einfach. Ich habe trotzdem welche gefunden, und zwar ei­ne zum Beispiel von der IG Windkraft.

Ihr erster Kritikpunkt ist: „Der Entwurf zementiert die durch die“ Regelung „2009 einge­führten SystemnutzungstarifKomponenten auch für Erzeuger ein, derbezüglich derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind.“

Das heißt, es gibt bereits jetzt beim Verfassungsgerichtshof offensichtlich Beschwer­den und Probleme bezüglich der Systemnutzungstarif-Komponenten.

Und das neue Gesetz, das für mich auch wieder nur eine Übergangslösung ist, legt jetzt fest – so etwas habe ich noch nie in einem Gesetz gesehen; ich kenne nicht alle Gesetze auswendig, aber so etwas habe ich noch nie in einem Gesetz gesehen –: „Wird die Systemnutzungsentgelte-Verordnung vom Verfassungsgerichtshof aufgeho­ben oder hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Verordnung ge­setzwidrig war“, dann ist ... – So etwas habe ich in einem Gesetz noch nie gelesen, dass man schon Vorsorge trifft für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof einen die­ser Auswüchse aufhebt. Man rechnet offensichtlich damit, dass die Aufteilung der Sys­temnutzungsentgelte, wie sie da vorgesehen ist, ohnehin nicht hält.

Und diese Aufteilung ist wirklich sehr eigenartig. Einerseits ist es meiner Meinung nach eigenartig, dass die Regulierungsbehörde erfassen oder feststellen sollte, welche Kos­ten für die einzelnen Teilbereiche anfallen. Diese Teilbereiche – es ist ja nicht nur ein Bereich – sind: Netznutzungsentgelt, Netzverlustentgelt, Netzzutrittsentgelt, Netzbereit­stellungsentgelt, Systemdienstleistungsentgelt, Entgelt für Messleistungen und Entgelt für sonstige Leistungen. – Ich schaue mir an, wie man das jetzt fair und sauber trennen kann, denn es ist ja so, dass jedes dieser Entgelte von jemand anderem bezahlt wer­den soll. Und wer was bezahlt und welche Kosten worunter fallen, das soll die Regulie­rungsbehörde feststellen – und wenn sie es falsch feststellt, dann darf der Verfas­sungsgerichtshof das aufheben. Wir haben dafür dann sogar eine Regelung im Gesetz. Aus meiner Sicht ist das ein sehr eigenartiger Zugang.

Ein weiterer eigenartiger Zugang ist die Beteiligung derer, die bei diesen Entgelt-Be­rechnungen mitreden können, die dann sagen, das passt oder das passt nicht. Das sind nämlich die Wirtschaftskammer, die Landwirtschaftskammer, die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund. Diese Zusammensetzung finde ich sehr eigenartig. Meiner Mei­nung nach wäre es nicht uninteressant, wenn zum Beispiel die Ökostrombetreiber dort einen Sitz hätten. Die Länder hätten sich, glaube ich, auch vorgestellt, dass sie da ir­gendwie mit eingebunden werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ist jetzt nicht mein Ziel.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 52

Dass es bei dieser Zusammensetzung dieses Gremiums zu keinen politischen Ein­flussnahmen oder Entscheidungen kommen wird, muss ich, ehrlich gestanden, schwer bezweifeln. Und meiner Ansicht nach sind die Zusammensetzung dieses Gremiums und die Art und Weise, wie die Kosten beziehungsweise Preise festgelegt werden, schon sehr fragwürdig.

Die Regulierungsbehörde ist ja an und für sich nicht ganz unumstritten. Es gibt Befür­worter, es gibt welche, die sie lieben, und es gibt welche, die sie hassen. In den Stel­lungnahmen der Länder ist schon auch zum Ausdruck gebracht worden, dass die Auf­gaben der Regulierungsbehörde zu umfassend geregelt sind. Ich verstehe eigentlich auch nicht, warum die Regulierungsbehörde bei allen möglichen Dingen mitreden muss, wenn es eigentlich um politische Entscheidungen geht.

Der letzte Kritikpunkt im Zusammenhang mit der Regulierungsbehörde ist, dass die budgetäre Kontrolle dem Parlament offensichtlich vorenthalten werden soll.

Ganz zum Schluss noch, weil Herr Kollege Brunner das auch angeführt hat, zum öf­fentlichen Interesse: Ich finde es schon sehr eigenartig, wenn man in einer National­ratssitzung mit einem Abänderungsantrag die Ziele eines Gesetzes ändert – das ist mehr oder weniger ganz oben bei den Zielen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Brunner.)

Ja, dann steht aber dabei: „das öffentliche Interesse an der Versorgung mit elektrischer Energie, insbesondere“ – das heißt an der Versorgung mit elektrischer Energie und ins­besondere der erneuerbaren. Das heißt aber, die anderen auch, oder? (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Brunner.) Und dass das öffentliche Interesse eine Hilfestellung ist für die Ausgewogenheit zwischen Naturschutz und anderem, ist für mich etwas ganz Neues.

Ich war bei einigen Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren dabei, wo es zum Beispiel um öffentliches Interesse im Straßenbau gegangen ist, und muss sagen: Über das „öf­fentliche Interesse“ geht gar nichts drüber, und damit wird alles zugebügelt! Ich ver­stehe nicht, warum man das mit hineinnehmen muss. Wenn es zumindest beschränkt wäre auf erneuerbare Energien oder – besser – auf Ökostrom, denn auch Wasserkraft­werke in großen Mengen und mit großen Megawattleistungen sind nicht immer natur­schutzfreundlich. Das öffentliche Interesse beschränkt auf Ökostrom oder erneuerbare Energien, darüber könnte man reden. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Aber in diesem Fall ist das öffentliche Interesse dann offensichtlich auch für neue Gas­kraftwerke gegeben, und damit habe ich dann wieder dieses Problem mit der Über­gangslösung, die bei uns offensichtlich eine große Übergangslösung sein wird. Und es wird so viel Geld in die Übergangslösungen fließen, dass wir dann für die endgültige Lösung, nämlich die Energieautarkie – meiner Meinung nach sollte sie früher stattfin­den; der Herr Minister wird es wahrscheinlich anders sehen, und irgendwo dazwischen wird es vielleicht auch insgesamt anzustreben sein –, zu wenig Geld haben. Aber diese Energieautarkie sollten wir anstreben und nicht irgendwelche sauteuren Übergangslö­sungen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Dr. Kickert.)

11.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


11.17.55

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Werte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Die österreichische Energiepolitik verpflichtet sich mit diesem Gesetz zu einer sicheren und leistbaren Energieversorgung, zu einem effizienten Umgang mit Energie und einem verstärkten Einsatz von erneuerbarer Energie – allerdings natürlich bei gleichzeitigem politischem Konsens darüber, dass die klimapolitischen Ziele unbedingt erreicht wer­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 53

den sollen und dass vor allem die Kernenergie als Energieproduktion uneingeschränkt abgelehnt wird.

Es ist unbedingt notwendig, dass in der heimischen Energieversorgung wie bisher auch weiterhin ein Mix von traditionellen Energien und erneuerbaren Energien gegeben ist.

Zum Gesetzeswerk selbst ist anzumerken, dass dies ein sehr komplexes Thema ist; das ist ja bereits angesprochen worden. Energie ist ein Thema, das nicht ganz unum­stritten ist, das in unterschiedlichster Form und unterschiedlichster Weise von unter­schiedlichen Interessen angesprochen wird und worüber die Diskussionen oft sehr emo­tional geführt werden.

Es gibt diesbezüglich eine Vielzahl von Ratschlägen – das ist ja auch schon erwähnt worden –, und man muss lernen, mit diesen umzugehen, weil auch oft zwar gut ge­meinte Empfehlungen kommen, aber hin und wieder auch recht harsche Kritik damit verbunden ist. All das unter einen Hut zu bringen ist nicht immer gerade leicht.

Ich glaube aber auch, dass es mit diesem Gesetz im Großen und Ganzen gelungen ist, einen tragfähigen Kompromiss zustande zu bringen, welcher am Ende des Prozesses gewährleistet, dass es in puncto Versorgungssicherheit, Preisgestaltung und Nachhal­tigkeit so sein wird, dass wir auf alle Fälle besser aufgestellt sein werden, als dies bis­her der Fall war, denn dieses Gesetz soll die Grundlage bilden – und diesen dadurch konkret gewährleisten – für einen fairen Wettbewerb auf dem Energiemarkt sowie ei­nen Wettbewerb, der auch den Kunden und Kundinnen zugutekommen soll.

Wenn wir aber von fairem Wettbewerb sprechen, so möchte ich nur daran erinnern und dabei deutlich darauf hinweisen, dass wir in letzter Zeit, allerdings in anderen Materien, mit ansehen mussten, was liberalisierte Märkte ohne Kontrolle anrichten können. Diese Art von Wettbewerb bei einem so zentralen Thema wie der Daseinsvorsorge, wie es der Energiesektor und die Versorgung mit Strom sind, wollen wir nicht. Es muss uns auch klar sein, dass dort, wo der Markt an seine Grenzen stößt, entsprechend einge­griffen werden muss, entsprechend reguliert werden muss.

Weder KonsumentInnen noch ErzeugerInnen sollen zwangsbeglückt werden, sondern – wie bereits erwähnt – Ziel ist es, mit diesem Gesetz eine gute Voraussetzung für die Versorgungssicherheit zu schaffen und leistbare Energie sicherzustellen.

Rechte der KonsumentInnen, Rechte auf Grundversorgung mit Energie, eine transpa­rente Preisgestaltung sicherzustellen, Regulierungen, Regelungen zu schaffen für jene, die aufgrund ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation von einer Stromabschaltung betroffen sind, ist das eine; Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Versor­gungssicherheit gesteigert und die Qualität der Versorgung auch in Zukunft gewährleis­tet wird, ist das andere.

Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass die Festlegung von Smart Metering als eine Umsetzung des 3. Binnenmarktpakets in diesem Zusammenhang auch viele Be­denken bei Datenschützern ausgelöst hat. Wir müssen daher alles daransetzen, dass die Kriterien des Datenschutzes erfüllt werden, denn letztendlich geht es auch darum, eine Verbreiterung der KonsumentInnenrechte bei der E-Control Austria zu schaffen und die Rahmenbedingungen in der E-Control den neuen Gegebenheiten und Heraus­forderungen aufgrund der Vorgaben der Europäischen Union anzupassen.

Auf Basis dieser vorhandenen Grundlage des Gesetzes und wissend, dass dieses The­ma nicht enderledigt ist – auch das ist bereits angesprochen worden –, denn es kom­men noch Themenpakete wie Ökostrom, Energieeffizienz oder das Gaswirtschaftsge­setz auf uns zu, geben wir diesem Gesetz unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.23



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 54

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte.

 


11.23.37

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte kurz noch einmal zusammenfassen, was wir an Kritikpunkten bezüglich dieser drei Vorlagen ha­ben.

Jedoch zuerst einmal einige bisher noch nicht erwähnte Vorteile, die wir übrigens auch sehen – es ist ja nicht so, dass wir immer nur alles schlechtmachen –: Die Verbes­serung der Transparenz bei den Rechnungen zum Beispiel ist sicherlich ein Punkt, den wir sehr stark hervorheben wollen, und auch die Stärkung der Rechte der Konsumen­ten und Konsumentinnen, vor allem beim Wechsel zwischen Anbietern, möchten wir nicht unerwähnt lassen.

Aber – Kollege Brunner hat es ja schon erwähnt – solche Worte wie Energieautarkie oder Klimaschutzziel oder das Ziel der Regierung, den Anteil an erneuerbaren Ener­gien zu erhöhen: Wenn man diese drei Schlagworte nimmt und diesbezüglich jetzt ei­nerseits das ElWOG oder die E-Control oder auch die „South Stream“-Geschichte an­schaut, muss man feststellen, mit diesen drei Dingen wird man genau diese Ziele, die in diesen Schlagworten zusammengefasst sind, wohl kaum erreichen.

Gerade beim ElWOG möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass insbesondere die Änderung bei den Systemnutzungsentgelten wohl kaum zu einer Erhöhung der Inves­titionssicherheit, gerade bei Ökostromanbietern, führen wird und daher den Ökostrom­ausbau nicht fördern wird. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Sie müssen schon lauter dazwischenrufen, damit ich irgendwie darauf reagieren kann. (Bundesrat Perhab: ... befreit!) – Zum Teil und zum Teil nicht, ja.

Aber dann haben wir auch noch die Erhöhung der Kosten für die Messung der Einspei­sungen, und da wissen wir, dass sich die Kosten für die Einspeismessungen für man­che wirklich drastisch erhöhen werden – sie werden sich verfünffachen, habe ich ir­gendwo gelesen. Auch das sind weitere Hürden, die den Ökostrom wieder unattraktiver machen, also wohl kaum dazu beitragen werden, den Anteil dieser erneuerbaren Ener­gien zu erhöhen.

Nun möchte ich noch kurz zu „South Stream“ kommen: Interessant war beim Nachle­sen, dass in der Debatte rund um „Nabucco“ das Argument der Regierung gerade je­nes war, die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu reduzieren – daher unter­stützten wir „Nabucco“. Jetzt ist offensichtlich die wirtschaftliche Entwicklung dieser beiden Projekte so, dass „South Stream“ „Nabucco“ überholt. Na gut, jetzt wollen wir nicht auf ein lahmendes Pferd setzen, also schmeißen wir uns auf das schneller sprin­gende und schmeißen uns mit „South Stream“ auch sozusagen der Gazprom an den Hals. Okay, aber irgendwie sind das einander sehr widersprechende Ziele, und es ist nicht wirklich erklärbar – jedenfalls mir nicht, aber vielleicht bin ich dazu auch noch zu neu im Bundesrat –, wie das wohl funktionieren soll.

Außerdem möchte ich noch auf – wie soll ich sagen? – einen kleinen Teil dieses Ab­kommens zu sprechen kommen, nämlich diesen langfristigen Gasliefervertrag über im­merhin 2 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr. Ich fürchte – oder ich fürchte nicht, es ist ganz klar –, erhöhte Gaslieferungen führen zu einer erhöhten Nachfrage und wahr­scheinlich in letzter Folge gerade auch zur Stromerzeugung, zu einer Verstärkung des Ausbaus der Gaskraftwerke und wiederum zu Investitionen in, wie Sie gesagt haben, eine Übergangslösung, wobei ich finde, es ist eigentlich schon eine fast tote Energie­form.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 55

Fossile Energieträger sind, wie wir alle wissen, endlich, und zwar relativ bald endlich, und alles in allem finde ich, dass diese drei Teile, die heute zum Beschluss vorliegen, keine zukunftsweisenden Schritte sind, und daher werden wir, wie schon einmal er­wähnt, ablehnen. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

11.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


11.27.51

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Kerschbaum! Ich darf vielleicht die Ziffer 7 des Abänderungsantrages im Na­tionalrat noch einmal vorlesen:

„,7. das öffentliche Interesse an der Versorgung mit elektrischer Energie, insbesondere aus heimischen, erneuerbaren Ressourcen, bei der Bewertung von Infrastrukturprojek­ten zu berücksichtigen.‘“

Was ist daran eigentlich so schlecht? Ich glaube ... (Bundesrätin Kerschbaum: „Insbe­sondere“ heißt aber nur „insbesondere“ und nicht „nur“! ... und nicht erneuerbar!) – Ja, „nicht ,nur‘“, aber das ist eine Wortklauberei. Ich glaube, es geht ganz klar daraus her­vor, was damit bezweckt wird: Damit wird nämlich bezweckt, dass es bei sensiblen Projekten der Energiewirtschaft oder auch darüber hinaus – Sie haben den Straßenbau erwähnt – in Zukunft doch so sein muss, dass das öffentliche Interesse ein bisschen mehr wiegt als zwei, drei Verhinderer. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Das ist, glaube ich, eine ganz massive Forderung der österreichischen Bevölkerung, um in Zukunft etwas weiterzubringen, und dadurch wird kein UVP-Verfahren ausgesetzt oder sonst etwas – und ich weiß, wovon ich spreche: Ich bin Gesellschafter einer Kleinwas­serkraft-Gesellschaft. Wir haben drei Jahre gebraucht, um ein Projekt naturnah, um­weltschonend und so weiter umzusetzen, bis zum Verwaltungsgerichtshof. Mir brau­chen Sie da überhaupt nichts zu erzählen, wie viele Verfahren und wie viel Geld und Mühe es kostet, überhaupt ein Projekt auf Schiene zu bringen. Das nur einmal dazu.

Ich glaube, im Interesse der Versorgungssicherheit der österreichischen Bevölkerung zu wettbewerbsfähigen Preisen – nämlich für Konsumenten und auch für die Wirt­schaft – ist es notwendig, dass wir in Zukunft unser Ausbauprogramm vor allem in der Energiewirtschaft, auf dem Stromsektor, vorantreiben. Es gibt ja hier zahlreiche Stu­dien von Experten. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Wir haben ursprüng­lich 7 Terawatt Volumen ermittelt, inzwischen sind es 3,5 Terawatt – das sind, neben­bei gesagt, auch noch an die 9 500 Arbeitsplätze. Ich glaube, das sind, alles zusam­mengefasst, positive Zukunftsaussichten auch für die österreichische Versorgungssi­cherheit.

Und weil das, wenn ich das hier heute sage, nicht von, wie ich glaube, besonders gro­ßer Wichtigkeit ist, darf ich vielleicht die Generaldirektion der Europäischen Union mit ihrem europaweiten Vergleich der Konsumentenzufriedenheit mit Energieversorgern heranziehen. Österreich nimmt dabei immer Spitzenplätze ein: was die Möglichkeiten des Anbieterwechsels betrifft, das Beschwerdemanagement, die Servicezufriedenheit, den Wettbewerb und auch die Preise.

Das ist sehr überraschend, denn ich glaube, je nachdem, aus welcher Bevölkerungs­gruppe man kommt, ist der Strompreis, der Energiepreis eigentlich und im Grunde ge­nommen für viele zu hoch. Hier, so meine ich, müssen wir mit verstärktem Ausbau da­für sorgen, dass wir in Zukunft möglichst kostengünstig, modern, aber auch umwelt­schonend unsere Energie produzieren können – auch mit allen anderen Methoden, die wir zukünftig mit Ökostromanlagen haben werden.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 56

Nun noch ein Satz – Kollege Brunner hat es ja eigentlich schon inhaltlich erwähnt – zur Neugestaltung der Regulierungsbehörde; ich denke, auch hier wurden zahlreiche Gut­achten eingeholt. Sie wird nach dem Vorbild der Finanzmarktaufsicht als Anstalt öffent­lichen Rechts mit erweiterten Kompetenzen konstruiert, und die Kritik, dass dabei im Re­gulierungsbeirat auch Ländervertreter sitzen, kann, glaube ich, in diesem Hause nicht auf fruchtbaren Boden stoßen, sondern es ist positiv, dass die Länder drinnen sind.

Es gibt sehr viele Landesgesellschaften im Energiesektor, und ich denke, das ist im Sin­ne der österreichischen Bevölkerung und der Versorgungssicherheit auch in Zukunft not­wendig. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Bundesrätin Kerschbaum hat sich ein zweites Mal zu Wort gemeldet. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: ... Berichtigung! – Bundes­rätin Kerschbaum – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein, keine Berichtigung von mir! – Bundesrat Mayer: Eigene Berichtigung!)

 


11.31.49

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Kollege Perhab, die Geschichte ist einfach: Wenn im Gesetz stehen würde „nur aus erneuerbaren Res­sourcen“ – „nur aus Ökostrom“ wäre natürlich noch besser –, dann würde ich das auch nachvollziehen können, aber da steht „insbesondere“ drinnen, und „insbesondere“ heißt: „alles, aber im Speziellen das“. Also das heißt alles: auch Gaskraftwerke, Groß­wasserkraftwerke, im Prinzip alles, selbst Kohlekraftwerke wie in Dürnrohr.

Und das Zweite, das ich noch sagen wollte – weil Kollege Brunner auch von der Ener­giestrategie geredet hat und davon, dass wir uns jetzt darüber freuen, dass wir die Energiestrategie vorantreiben –, ist: Es gibt andere Länder, die lassen diese Energie­strategie vorher einer strategischen Umweltprüfung unterziehen. In Österreich ist das nicht der Fall. In Österreich ist die Energiestrategie leider ein Geheimpapier, das ziem­lich lange gebraucht hat, bis man es überhaupt einmal zu Gesicht bekommen hat, und in dem noch sehr viele ungeklärte Dinge stehen – ich denke da jetzt nur an die Kohlen­stoffspeicherung. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Also ich denke mir betreffend die Energiestrategie, wenn man die einmal irgendwo ausführlich diskutieren würde, dann könnte man auch sagen, man will sie mit einem Gesetz unterstützen, aber offensichtlich wird sie nicht so ausführlich diskutiert und of­fensichtlich wird sie auch keiner UVP unterzogen wie in anderen Ländern.

Und deshalb denke ich mir, es wäre schön, wenn man vorher darüber reden würde und sagen könnte: Wir haben gemeinsame Ziele, eine gemeinsame Strategie. – Dann wür­de ich mich auch freuen, wenn das ElWOG diese Strategie forcieren würde. Wenn das nicht so gespielt wird, sondern man einfach sagt, der Minister hat eine Strategie und der Umweltminister darf ein bisschen daran herumschrauben, damit es sich insgesamt ausgeht, dann ist das kein gemeinsames Ziel, das ich unbedingt in einem Gesetz ver­wirklicht haben muss. (Beifall der Bundesrätin Dr. Kickert.)

11.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte.

 


11.33.49

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Debatte über das Gesetz mit dem etwas sperrig klingenden Namen Elektrizi­tätswirtschafts- und -organisationsgesetz – kurz: dem ElWOG – beziehungsweise mit dem unter Tagesordnungspunkt 3 aufscheinenden Abkommen widmen wir uns einem sehr komplexen Themenbereich.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 57

Viele Gruppen, Interessenverbände, Interessengrüppchen diskutieren mit, bringen Er­fahrungen ein, kritisieren auch die Werdung dieses Gesetzes und verfolgen dabei auch unterschiedlichste Interessen. Es werden Empfehlungen und Ratschläge abgegeben beziehungsweise zum Teil auch berechtigte Kritik geübt, wie es eben im vorliegenden Fall wie im Bereich der Energiepolitik oft vorkommt – speziell bezüglich der Energie­politik der Republik Österreich.

Wir können im Großen und Ganzen, glaube ich – beziehungsweise ich bin überzeugt davon –, von einem gangbaren Kompromiss sprechen, der die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung mit sich bringt, die zukünftige Preisgestaltung eher absehbar macht, sie uns abschätzen lässt, und auch die Nachhaltigkeit sichert und gewährleistet, wie es vielleicht bis dato noch nicht der Fall gewesen ist.

Und was zu begrüßen ist: Es besteht die Möglichkeit, mehr an fairem Wettbewerb zu haben und den Konsumentinnen und Konsumenten in ihren Rechten die Freiheit der Entscheidung zu lassen, welchen Anbieter sie für ihre Bedürfnisse wählen.

Da es sich beim Energiebereich um einen sehr speziellen, wichtigen und zentralen Bestandteil in der Daseinsvorsorge handelt, darf es auch in diesem Bereich nicht der Fall sein, dass irgendwelchen marktliberalen Kräften Tür und Tor geöffnet wird. Wir wissen, wozu diese Kräfte imstande waren – das haben wir alle in den letzten zwei Jahren erleben dürfen und miterlebt. Da muss auf jeden Fall auch die Möglichkeit er­halten bleiben, wenn es nicht anders geht, entsprechend korrigierend einzugreifen.

Da es sich bei der gegenständlichen Materie auch um eine Vorgabe der Europäischen Union handelt, die es umzusetzen gilt, und es gelungen ist, einerseits die Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten, nämlich die Versorgung mit leistbarer Energie si­cherzustellen, und auf der anderen Seite eine Lösung zustande zu bringen, die die Er­zeuger ebenso berücksichtigt, bin ich überzeugt davon, dass mit dem ElWOG ein guter Kompromiss gelungen ist.

Heute wurde schon mehrfach die Versorgungssicherheit angesprochen. Tagesord­nungspunkt 3 betrifft das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und jener der Russischen Föderation, dessen Umsetzung ein wichtiger Bestandteil in der Versorgungssicherheit mit Erdgas für die nächsten Jahre darstellen wird. Trotzdem möchte ich aber nicht darauf vergessen, dass es klarerweise in die Richtung gehen muss, alternative Energiequellen zu suchen. (Zwischenruf der Bundesrätin Kersch­baum.) Das kann auch nur ein Bereich sein, denn wir wissen ja, wie es sich mit den fossilen Energieträgern über die nächsten Jahre darstellt.

Ich habe im Internet ein bisschen recherchiert: Seit 2005 ist alljährlich ein Zahlungs­streit ausgebrochen, mehrfach zwischen Russland und der Ukraine oder auch zwi­schen Weißrussland und Russland – wir alle konnten diese Nachrichten miterleben. Es hat ja da und dort auch beinahe schon Auswirkungen auf die heimische Industrie ge­geben: Großabnehmer waren zum Teil schon beinahe betroffen, die Produktionen he­runterzufahren, weil der Druck in den Pipelines einfach zu gering war. Daher bin ich davon überzeugt, dass es mit diesem Projekt, mit diesem Abkommen letztendlich durchaus gelungen ist, eine Verbesserung beziehungsweise eine Art von Sicherheit zu erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die gegenseitige Unterstützung bei der Realisierung dieses Projekts, die Zusammenarbeit beim Bau und beim Betrieb der South-Stream-Erdgaspipeline auf österreichischem Hoheitsgebiet, die Erleichterungen beim Erteilen von Genehmigungen, die in diesem Abkommen auch mit behandelt werden, und der gemeinsame Einsatz, damit diese Pipeline den Status eines Transeuropäischen Net­zes erlangt, sind wesentliche Punkte für die Versorgungssicherheit Österreichs. Daher


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 58

bitte ich Sie, diesen Punkten heute zuzustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


11.38.41

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die drei angesprochenen Materien eingehe, ist es, glaube ich, notwendig, doch den Ge­samtzusammenhang darzustellen – und der Gesamtzusammenhang ist die Energiestra­tegie Österreichs.

Es hat mich schon sehr irritiert, Frau Kollegin Kerschbaum, was Sie hier erzählt haben, denn offensichtlich haben Sie die gesamte Entwicklung und Diskussion nicht mit ver­folgt. Wir haben nämlich eine Energiestrategie – nicht als Einzelministerium und irgend­wer anderer hat es kommentiert – erstellt, sondern in einem Prozess, in den alle invol­vierten Stakeholder, die energiebetroffen sind, eingebunden waren, aber auch die In­teressenvertretungen und Sonstige, sogar politische Parteien und Organisationen in Ös­terreich – das waren über 100 Organisationen.

Das hat auch zu einem Ergebnis geführt, das nicht, wie Sie meinen, von umweltkom­petenten Organisationen nicht auf seine Relevanz geprüft wurde, sondern – ganz im Gegenteil – sowohl die Energieagentur als auch das Umweltbundesamt als auch das WIFO als auch das IHS haben die Annahmen auf ihre Plausibilität überprüft.

Es war erfreulich – es ist ja kein Geheimpapier –, dass wir die Energiestrategie im April vorstellen konnten. Sie ist überall im Netz, im Internet zugänglich, sie wurde öffentlich präsentiert, und sie wurde auch in der Bundesregierung vorgestellt. Da ein Teil dieser Strategie auch EU-relevant ist und alle zwei Jahre evaluiert werden muss, können Sie davon ausgehen, dass das Konzept gelebt wird.

Ich darf in diesem Zusammenhang – ich will nicht sagen, einen Irrtum, aber – ein offen­sichtliches Missverständnis ansprechen, was die Autarkie anlangt.

Ziel der Energiestrategie ist Folgendes: Wir wollen drei Bereiche wahrnehmen, und die-
se drei Bereiche lauten: erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Versorgungssicher­heit.

Was wollen wir im Bereich der erneuerbaren Energie? – Wir wollen beim Gesamtver­brauch von zirka 24 Prozent, die wir im Jahr 2005 gehabt haben, bis zum Jahr 2020 auf 34 Prozent erneuerbare Energie gehen. Ich darf zu den Zahlen anmerken: Von 34 Prozent auf 100 Prozent fehlen 66 Prozentpunkte. Wenn Sie jetzt von Autarkie re­den, dann müssen Sie differenzieren. Im Energiebereich wird es schwierig sein, die Autarkie anzustreben. Auch derjenige, der so salopp von Übergangslösungen spricht, redet, wenn man internationale Vergleiche zieht, von 80, 90, 100 Jahren, in denen man das überhaupt ins Auge fassen kann.

Ich sage Ihnen jetzt, warum Sie zu diesem Irrtum kommen, auch was Deutschland anlangt: Man stellt dort auf den Bereich Strom ab, und Strom hat am Gesamtener­gieverbrauch in Österreich einen Anteil von 20 Prozent. Zu 70 Prozent haben wir, sa­lopp gesprochen, bei der Stromerzeugung jetzt schon erneuerbare Energie; insbeson­dere Wasser, aber auch alles, was wir mit Photovoltaik, was wir im Bereich Biomasse und was wir sonst noch einspeisen. Aber noch einmal: 20 Prozent von 100 Prozent sind Strom und bei diesen 20 Prozent in etwa 70 Prozent erneuerbare Energie. Wenn Sie also sagen, wir wollen energieautark werden, was auch die Deutschen und andere anstreben, dann gibt es hier durchaus die Möglichkeit, entsprechend auszuweiten, aber


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 59

eben nur eine Möglichkeit, und zwar eine insofern problematische, als der Strombe­reich leistungsrelevant sein muss, Strom muss sofort abrufbar sein. Ein Industrieunter­nehmen zum Beispiel, die Bundesbahnen oder auch ein Spital können nicht warten, bis der Wind geht oder die Sonne scheint, um Energie zu bekommen, sie brauchen die Re­levanz der Leistungsstärke und der Verfügbarkeit. Daher ist die unmittelbare und aus­schließliche Erneuerung eine schwierige Angelegenheit. Man wird als Reserve in allen Zeiten bestimmte Vorhaben nur finanzieren und sicherstellen können, wenn man Gas und Öl hat.

Nun zurück zur Energiestrategie, damit Sie nicht glauben, wir hätten wie so manch an­dere vielleicht auch nicht begriffen, dass man fossile Energie nicht ausbauen kann: De­ren Anteil wird bis zum Jahr 2020 von rund 44 auf etwa rund 31 Prozent zurückgeführt. Das heißt aber nicht – wenn Sie sich in Erinnerung rufen, wir haben vorhin von der Differenz zwischen 34 und 100 gesprochen –, dass wir in den nächsten 50, 80 Jahren auf Gas und Öl verzichten können.

In diesem Zusammenhang, auf die Endlichkeit angesprochen: Gasvorkommen gibt es in Europa und weltweit, insbesondere im Mittleren Osten, in etwa für 300 bis 400 Jah­re, und es werden noch weitere Vorkommen entdeckt werden, vor allem werden För­dertechniken entwickelt werden, die eine Förderung auch in Ungarn rund um Budapest und anderswo realisierbar werden lassen; dort, wo bis jetzt nicht kosteneffizient geför­dert werden kann.

Zweiter Punkt: Gas ist relativ CO2-tauglich, sehr gut in diesem Bereich, ist schnell ver­fügbar und auch kostengünstig. Ich verstehe daher nicht, warum hier die Grundent­scheidung, dass wir auch South Stream entsprechend unterstützen, in dieser Weise angesprochen wird. Damit Sie die Relationen sehen: South Stream ist für uns eine ganz kleine Angelegenheit, die heute zur Diskussion steht. Es ist ein Riesenprojekt, das Russland und die Gazprom und andere finanzieren werden. Mit 50 Kilometern da­von ist Österreich betroffen. Wenn in diesem Zusammenhang die steuerliche Bestbe­handlung angesprochen wird, dann heißt das nicht, dass Russland oder die Gazprom unsere Steuerpolitik bestimmen, sondern das heißt im Klartext, dass keine Sonder­steuer, genau auf dieses Projekt ausgerichtet, umgesetzt werden soll. Das ist eine in­ternational übliche Behandlung.

Damit verbunden aber ist Punkt drei unserer Strategie: dass wir sowohl im Bereich der Versorgungssicherheit unsere Möglichkeiten erhöhen als auch natürlich die Möglich­keit, Drehscheibe zu sein. Wir haben im Bereich der Versorgung das Ziel, dass wir bei Strom, bei Gas, aber auch bei Öl aufgrund unserer geographischen Lage eine Art Drehscheibe sein wollen. Wir haben während der Krise zwischen Ukraine und Russ­land erkannt, dass es günstig ist, nicht nur von Osten nach Westen transportieren zu können, sondern auch umgekehrt. Das sind Möglichkeiten, die Österreich, auch ge­schäftsmäßig, das möchte ich gar nicht abstreiten, große Chancen in diesem Bereich bringen. Wer ist dort tätig? – Das sind heimische Unternehmen wie die OMV, wie der Verbund und andere. Es sind auch Arbeitsplätze vorhanden. Daher würde ich unter diesem Gesichtspunkt all diese Investitionen nicht kleiner machen, sondern als das se­hen, was sie sind, nämlich eine Notwendigkeit.

Noch etwas im Zusammenhang mit Autarkie soll angesprochen werden. Es ist von mir ebenso wie von Kollegem Berlakovich betont worden, dass wir es wollen, aber es ist natürlich ein Unterschied, ob man sagt, morgen, oder ob es doch eine eher langfristige Strategie ist, unabhängiger zu werden. Die Unabhängigkeit von der Ukraine ist sowohl bei Nabucco, von den Quellen her, als auch bei South Stream, zumindest von der Rou­te her, entsprechend gegeben. – So viel dazu.

Jetzt dazu, was heute zur Beschlussfassung ansteht.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 60

Das ElWOG ist ein an sich sehr wichtiges Thema – wie richtigerweise von fast allen festgestellt worden ist – zur Gewährleistung der Sicherheit bei bestimmten Konsumen­tenentscheidungen, insbesondere beim Wechsel des Versorgers – Sie haben das fest­gestellt –, aber auch im Zusammenhang mit den Informationsmöglichkeiten. Da geht es nicht nur um die Tarife, sondern da geht es auch um ein verpflichtendes Ranking, das von der E-Control erstellt werden soll, und um verschiedene andere Rechtsstär­kungen, die dem Konsumenten Vorteile bringen.

Das Zweite, das mit dem ElWOG angestrebt wird, ist eine Verbesserung der Wettbe­werbsfähigkeit. Wir setzen, was die Netze anlangt, sowohl im Verteilungsbereich als auch im Transportbereich auf ein besseres Branding. Es muss bei den Verteilungen er­kennbar sein: Wer liefert und wer ist der Eigentümer im Erzeugerbereich? Die Unter­scheidung durch den Kunden muss möglich sein. Was die Transportleitungen anlangt, so gibt es mehrere Systeme zur Auswahl. Wir wollen den Wettbewerb stärken, die Durchleitungsfähigkeit stärken, aber nicht unbedingt eigentumsrechtliche Verpflichtun­gen damit einhergehen lassen, die de facto administrative und bürokratische Kosten verursachen würden. Ich glaube, wir haben da einen durchaus guten Weg gewählt, der auch den Ländern entsprechende Möglichkeiten bietet, ohne eine Übervorteilung des Kunden hervorzurufen.

In diesem Zusammenhang gleich zum dritten Punkt, der geregelt wird: die E-Control. Frau Kerschbaum, Sie haben die Problematik angesprochen, dass einige Länder das sehr kritisch gesehen haben, was die E-Control tut. Warum müssen wir die E-Control neu regeln? – Die E-Control ist bisher als GesmbH geführt worden und wird eine Art Sui-generis-Einrichtung, so ähnlich wie die Finanzmarktaufsicht, unabhängig vom Staat. Es geht nicht um eine Person, nicht um Herrn Dipl.-Ing. Boltz, der bis jetzt als Re­gulator tätig war, sondern die Geschäftsführung wird auf zwei Personen ausgeweitet. Auf der anderen Seite müssen wir einen Instanzenzug einführen, auch wegen der Richt­linie der EU, um im Bereich der Netze zu ermöglichen, auch Überprüfungen durchzu­führen.

Klar ist natürlich, dass der Erzeuger und auch der Eigentümer im Landesbereich wenig Freude hat mit einem Regulator, der die Interessen des Konsumenten und des Wettbe­werbs wahrnimmt. Wenn also der eine das sagt, der andere das, überreguliert, zu we­nig reguliert, dann könnte die Wahrheit meines Erachtens in der Mitte liegen.

In diesem Zusammenhang zu dem Hinweis, der ständig von den Grünen kommt, man würde damit den Ökostrom und die Ökostromerzeugung benachteiligen. – Das ist un­richtig! Den Zwischenruf des Kollegen Perhab haben Sie nicht hören wollen, aber ich darf es Ihnen noch einmal sagen: Das ElWOG regelt an sich nicht die Ökostromer­zeugung, denn dafür haben wir das Ökostromgesetz, das wissen Sie. Auch der Vor­wurf stimmt nicht, dass Ökostromerzeuger benachteiligt werden. Anlagen bis 5 MW sind nicht nur vom Netzbereitstellungsentgelt, wie alle Erzeuger, sondern auch vom Netzverlustentgelt und vom Systemdienstleistungsentgelt befreit. – Sagen Sie mir: Wel­cher Ökostromerzeuger im breiteren Bereich hat mehr als 5 MW?! (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Im Großen und Ganzen sind kleinere Ökostromanlagen damit sehr günstig gestellt. Dem Anlagenbetreiber werden die Netzkosten durch die Ökostromtarife abgegolten, und da ist auch wirklich eine seriöse Gewinngrundlage drin. Ich würde mir wünschen, dass in anderen Bereichen, wie bei den Windrädern, in anderen gewerblichen Betrie­ben die Gewinnmarge so hoch ist wie in diesem Fall. Wir haben einen Tarif von 9,7 Cent, darum kann man uns aus anderen Bereichen nur beneiden. (Zwischenruf des Bundes­rates Perhab.) – Wir haben ja einige Experten hier, die selbst Kraftwerke haben. (Hei­terkeit bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 61

Wir haben im ElWOG, auch das muss man entsprechend anmerken, einen Passus, dass bei Netzengpässen bei der Einspeisung vorrangig Strom aus Erneuerbaren ge­nommen wird – nicht nur keine Benachteiligung, sondern eine Bevorteilung! – und dass wir Berichtspflichten brauchen. Diese haben Sie nicht angesprochen, sie sind aber im Nationalrat angesprochen worden. Berichtspflichten der Ökostrombetreiber haben wir deswegen, weil ja auch die entsprechenden Leitungen und das Fassungsvermögen bereitgestellt werden müssen. Und um disponieren zu können, braucht man auch die entsprechende Information, weil das Netz sonst nicht stabil gehalten werden kann.

Ein weiterer Punkt, der angesprochen und kritisiert, aber ohnedies schon von einigen Vorrednern erwidert worden ist, ist die Regulierungsbehörde. Wer ist dort vertreten? Ist der politische Einfluss wirklich so groß? Die Ländermitsprache ist irrsinnig aufge­bauscht. – Wir haben eine Lösung. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.) – Wir ha­ben zwei Vertreter von den Ländern bei insgesamt 14 Vertretern, und das ist keine ent­scheidende, sondern eine beratende Behörde, daher sehe ich das wirklich unterdimen­sional und nicht dessen wert, was in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit dis­kutiert wird.

Auch das öffentliche Interesse ist nicht so, dass alle Umweltschutz-, Bürger- und ande­ren Rechte nicht mehr gelten würden, sondern das Problem war insbesondere bei der erneuerbaren Energie und vor allem auch bei Wasserprojekten, dass im Wesentlichen das öffentliche Interesse nirgendwo festgehalten worden ist. Richtig bezeichnet, defi­niert war es nicht. Das ergibt aber in der Formulierung für den entscheidenden Beam­ten auch einen Hinweis, dass er entsprechende Überlegungen tätigen kann. Und ein positives Interesse einzubringen kann nichts Schlechtes und nichts Negatives sein, insbesondere wenn es um die Versorgungssicherheit geht. Das öffentliche Interesse ist daher ein entsprechendes Gut, das jetzt in diesem Zusammenhang auch rechtlich ver­ankert worden ist.

Wir haben somit drei Bereiche im ElWOG, die an sich positiv sind, und es hätte mich gefreut, wenn auch die Grünen und das BZÖ hätten zustimmen können. Ich bedanke mich bei den Vertretern der FPÖ, die gesehen haben, dass damit eine ganz wichtige Regelung, die dem Wettbewerb und dem Konsumenten dient, vorgesehen wird.

Ich habe jetzt gar nicht auf Smart Metering und Smart Grids hingewiesen, das ist wie­der ein anderes Thema. Auch all die Probleme mit dem Datenschutz sind locker auszu­räumen. Sie sind vorhanden, aber sie sind auszuräumen. Auch dort sollte die Informa­tionsmöglichkeit eine bessere Managementfähigkeit für den Konsumenten und damit einen ganz klaren Vorteil ergeben.

Meine Damen und Herren! Von diesen drei Regelungen, die Sie heute hier zur Be­schlussfassung vorliegen haben, ist insbesondere das ElWOG ein wirklich gewichtiger Schritt, die Problematik mit South Stream ist ein notwendiger Schritt, und all das, was wir mit dem Energie-Control-Gesetz novellieren, ist ebenfalls aus der Binnenmarktricht­linie zum Thema Energieliberalisierung abgeleitet und nichts Übertriebenes, daher wür­de ich Sie bitten, diesen Beschlüssen des Nationalrates zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 62

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 und das Energie-Control-Gesetz erlassen werden.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bun­desrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. No­vember 2010 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der Erdgas-Pipeline auf dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.56.254. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird (993 d.B. und 999 d.B. so­wie 8423/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen somit zum 4. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. – Ich bitte um den Bericht.

 


11.56.39

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maß- und Eichgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme da­her zum Antrag.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Temmel. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 63

11.57.12

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorerst ein kurzer Rückblick in die Geschichte: Gewichte und Maße gehören zu den frühesten Werkzeugen, die der Mensch erfunden hat. Wir alle benötigen für viele Aufgaben Hilfsmittel zum Messen, so etwa beim Bau von Wohnungen, bei der Herstellung von Kleidung oder beim Tausch und Handel von Lebensmitteln und Materialien.

Unsere heutigen Erkenntnisse über die frühen Maße und Gewichte stammen aus vie­lerlei Quellen. Die Französische Revolution räumte mit dem bis dahin verschiedenen Durcheinander rigoros auf und führte das metrische Maßsystem ein. Aufgrund der In­ternationalen Meterkonvention vom 20. Mai 1875, der auch Österreich als Gründungs­staat angehörte, wurde das französische System in den meisten Ländern der Erde ein­geführt. Seither wird dieses Maß- und Eichsystem verständlicherweise immer wieder weiterentwickelt, so auch heute mit dieser Vorlage, die an die neu erlassenen Richtli­nien und Verordnungen der EU angepasst wird.

Folgendes soll dabei beschlossen werden: die Harmonisierung des Maß- und Eichge­setzes mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechtes, die Übertragung der Er­mächtigung von Eichstellen an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und den damit verbundenen Ergänzungen und Klarstellungen im Maß- und Eichgesetz und die Anpassung der Bestimmungen betreffend Marktüberwachung und eichpolizeiliche Revision an die Anforderungen der Europäischen Union sowie die Einführung der Eich­pflicht für Kältezähler und Zusatzeinrichtungen für Messgeräte zur Ermittlung wertbe­stimmender Merkmale wie Gas, Flüssigkeiten und thermische Energie.

Gleichzeitig wird die berühmte und vielzitierte Verwendung der Tara-Taste eingeführt. Das Wurstpapier soll nicht mehr als Verpackungspapier zum Preis der Ware dazu ver­kauft werden. Damit wurde der langgehegte Wunsch der Konsumenten erfüllt.

Bedenken von Geschäftsinhabern wurden durch die lange Übergangsfrist bis zum Jahr 2015 ausgeräumt.

Bei dieser Modernisierung des Maß- und Eichgesetzes wurden auch überholte Eich­pflichten aufgehoben und Nacheichfristen verlängert. Das bedeutet eine Kostenerspar­nis für die Wirtschaft und ist somit auch erfreulich für die Konsumenten.

Ich danke Ihnen, Herr Minister, und all Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das Zustandekommen dieser Gesetzesänderung. Wir werden dieser auch zustimmen. (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


12.00.00

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Temmel hat ja bereits alles ge­sagt, was in diesem Gesetz geändert wird, und wir wissen ja auch, dass in der öffent­lichen Diskussion eigentlich nur die Tara-Taste und das Wurstpapierl diskutiert wurden, alles andere ist anscheinend in der Öffentlichkeit ohnehin nicht diskussionsfähig. Aber wir alle brauchen es halt, weil alles gemessen, gewogen und geeicht wird.

In diesem Sinne mache ich es sehr kurz: Wir werden dieser Gesetzesvorlage auch un­sere Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

12.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 64

12.00.50

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Schauen wir einmal, wer noch kürzer sein kann! – Ich kann mich dem nur anschließen, es gibt sehr viele wichtige gesetzliche Regelungen, die in dieser Vorlage enthalten sind. Das am allerwe­nigsten Wichtige ist in meinen Augen dieses „Wurstpapierlding“, denn mir als Konsu­mentin ist es noch nie gegen den Strich gegangen, wenn das Wurstpapierl mitgewogen wurde. Das kostet ja den Verkäufer auch etwas. Ich wundere mich, dass ... (Bundesrat Zwanziger: Ist eh wurscht!) – Es ist nicht wurscht! Oder es ist eigentlich schon wurscht! – Ich denke mir, es kostet ja auch das Papierl etwas. Und das jetzt aufzubau­schen als eine große Leistung im Konsumentenschutz fände ich etwas übertrieben. (Beifall der Bundesrätin Dr. Kickert sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte schön.

 


12.01.35

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte die Diskussion jetzt zeit­lich nicht länger strapazieren. An sich ist der Grund dafür, dass wir diese Regelung vor­nehmen, eine oder eigentlich sogar mehrere EU-Richtlinien. Es ist auch nicht so, dass wir jetzt die jeweiligen Gewerbetreibenden damit administrativ belasten. Gerade was die Fristen anlangt, wird hier einiges verbessert.

Was die angesprochene Problematik der Tara-Taste betrifft, glaube ich auch, dass wir in der Wirklichkeit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens derzeit größere Probleme haben. Tatsache ist leider, dass das Thema über Jahre evident war, dass andere Länder wie die Schweiz und Deutschland das geregelt haben. Solange das Pa­pier nicht teurer als die Wurst wird, hätten wir die Diskussion gehabt. Ich glaube, wir ha­ben eine relativ pragmatische Regelung gefunden.

Nachdem die Nationalratssitzung doch schon einige Tage vorbei ist, habe ich auch bemerkt, dass das Thema nicht mehr den Stellenwert in der Öffentlichkeit hat, der ihm auch nicht zugemessen werden sollte. Ich glaube, dass damit heute auch ein würdiger Abschluss gefunden werden kann. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

12.03.135. Punkt

Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der ge­werblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2010) (III-417-BR/2010 d.B. sowie 8424/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nunmehr gelangen wir zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Ich bitte um den Bericht.

 


12.03.25


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 65

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Der Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 den Antrag, den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


12.04.04

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim eingehenden Durchlesen dieses umfassenden Mittelstandsberichts 2010 ist mir Folgendes aufgefallen: die Darstellung der Kennzahlen, die Darstellung der Ei­genkapitalquote und die Darstellung über die Förderungen.

Ich beginne gleich mit den Kennzahlen. Bei den Kennzahlen vergleicht sich dieser Be­richt mit dem Schnitt der EU-27. Ein seriöserer Vergleich wäre, wenn Österreich, weil wir ja Nettozahler sind, sich mit den nettozahlenden EU-Ländern vergleichen würde. Die Schweiz könnten wir auch gleich dazunehmen. Dann würde nämlich dieser Trend erkennbar werden, der Trend, dass es mit den österreichischen KMUs stetig bergab geht. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Sie berichten, sehr geehrter Herr Minister, auf Seite 18 richtigerweise von einer Um­frage, wonach zwei Drittel der EPUs, der Einpersonenunternehmen, die hohen Lohn­nebenkosten dafür verantwortlich machen, dass man keine beziehungsweise nicht mehr Beschäftigte aufnehmen kann.

Leider Gottes gehen Sie im gesamten Bericht nicht auf die weitere Kostenstruktur und auf die weiteren Belastungen der KMUs ein. Das ist schade. Dann würden Sie nämlich sehen, wie wir in diesen Tagen aufgrund aktueller Berichte auch schon gehört haben, dass die Abgabenquote Österreichs massiv im Steigen ist und bereits mehr als 44 Pro­zent ausmacht. Wenn ich als Vergleich die Schweiz heranziehen darf: Die Schweiz hat nur 30 Prozent Abgabenquote – und die Schweiz boomt. Es boomt auch Deutschland. Auch Deutschland ist draufgekommen, dass man mit hohen Steuern nicht weiterkommt. Deutschland hat 2009 die KöSt von 25 auf 15 Prozent gesenkt.

Die Prognosen, die Sie auf Seite 72 im Bericht diesbezüglich angeführt haben, müssen Sie bitte austauschen, sie sind nicht mehr aktuell, denn in Österreich schaffen wir eine Wirtschaftsleistung von 2 Prozent. Wir liegen permanent um 2 Prozentpunkte hinter der Schweiz. Wir liegen auch heuer erstmals um zirka 2 Prozentpunkte hinter Deutschland, wo man mit zirka 4 Prozent Wirtschaftsleistung das Jahr beenden wird.

Kommen wir zur Eigenkapitalquote. Sie schreiben richtig in dem Bericht, dass die Gründungsquote im Vergleich zu anderen Staaten außergewöhnlich gering ist und wir im europäischen Schnitt auf der untersten Ebene liegen. Einer der Gründe ist sicherlich die Eigenkapitalquote. Natürlich, mit diesen hohen Steuern, mit diesen hohen Belas­tungseffekten, mit denen wir KMU-Betriebe zu tun haben, schaffen wir keine unterneh­merische Dynamik mehr.

35 Prozent der österreichischen KMUs haben überhaupt kein Eigenkapital. Das führen Sie, Herr Minister, nicht an in Ihrem Bericht. 77 Prozent aller österreichischen Unter­nehmen haben eine Bankkreditrate. Nur Island hat eine höhere Bankkreditrate als Ös­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 66

terreich. Dies ist eigentlich erschreckend und ist auch der Grund dafür, dass die ös­terreichischen KMUs so in die Abhängigkeit der Banken geraten sind. Vergleiche zu diesen Bankkreditraten im gesamteuropäischen Kontext führen Sie auch nicht an.

Ein weiterer Punkt sind die Förderungen. Sie legen in Ihrem Bericht sehr viel Wert auf die zwei Konjunkturpakete, die sicherlich einen gewissen Sinn gehabt haben. Aber es sind Einmaleffekte, das darf man nicht vergessen. Nachhaltige Förderungen sind aus­schließlich Steuersenkungsmodelle. Förderungen haben aber auch negative Effekte: Förderungen führen zu Lobbyismus, führen zu ungleichen Behandlungen und führen, das muss man leider auch einmal aussprechen, zu steigender Korruption.

Breiter Raum in diesem Bericht, fast über 100 Seiten, ist dem „Small Business Act“ der EU gewidmet. Das sind diese zehn Grundsätze, wie man die wirtschaftliche Situation in den einzelnen Ländern verbessern könnte und die Österreich übernommen hat. Punkt 1 dieser Grundsätze lautet: ein unternehmerfreundlicheres Umfeld zu schaffen. Aber bei der Schaffung dieses unternehmerfreundlicheren Umfelds scheitern wir bereits an un­serer extrem hohen Steuerquote. (Bundesrat Kainz: Ich würde überhaupt gleich alles abschaffen! Keine Förderungen! ... Alles!)

Wir haben 50 Prozent Einkommensteuer und Lohnsteuer. Wir haben 25 Prozent Kör­perschaftssteuer. Der volle Gewinn wird versteuert. Und wir haben eine Verdoppelung der Lohnkosten. Damit schaffen wir keine unternehmerische Dynamik, dies zeigt sich auch an der aktuellen Wirtschaftsleistung Österreichs!

Herr Minister! Mein Fazit nach eingehendem Studium dieses Berichtes kann nur sein – und das ist mein Appell an Sie –: Entlasten wir die Unternehmen massiv! Entlasten wir die Beschäftigten! Fokussieren wir die Förderungen zielorientiert! Das muss das Er­gebnis sein: zielorientierte Förderungen. (Bundesrat Kainz: Sie sind ja gegen Förde­rungen!) Stärken wir die marktorientierte Wirtschaft und reduzieren wir die Staatsquote! Die Staatsquote liegt nämlich bereits bei über 50 Prozent und ist damit eine der höchs­ten Europas. Nur dann schaffen Sie Wirtschaftswachstum, nur dann schaffen Sie Bin­nennachfrage, nur dann schaffen Sie ein entsprechendes BIP-Wachstum. Solche Ziel­setzungen kann ich in diesem Bericht aber nicht erkennen. – Ich danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

12.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Winzig. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.09.25

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe die­sen Bericht ganz anders als Sie, Herr Kollege. Sind Sie aus einer anderen Branche, oder bin ich mehr bei der Basis unserer Betriebe als Wirtschaftskammerobfrau des zweitgrößten Wirtschaftsraums in Oberösterreich? Denn der aktuelle Mittelstandsbe­richt zeigt umfassend die Situation der KMUs in Österreich und im europäischen Ver­gleich – auch wenn die Zahlen nicht ganz stimmen, aber der Trend ist zu sehen – so­wie die erfolgreich gesetzten Maßnahmen in der Krisenbewältigung und die künftigen Förderaktivitäten im „Small Business Act“ auf.

Kurz zur Ausgangssituation, um auch die Maßnahmen zu verstehen.

Wir hatten im Jahr 2009 300 000 KMUs. Das sind 99,6 Prozent aller unserer Betriebe. Sie beschäftigen immerhin zwei Drittel aller Arbeitnehmer, erwirtschaften 60 Prozent des Umsatzerlöses und 57 Prozent der Bruttowertschöpfung. Der Großteil unserer Be­triebe hat unter 50 Beschäftigte. Nur 1,7 Prozent haben zwischen 50 und 250 Mitarbei­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 67

ter. Somit ist naheliegend, dass die österreichische Unternehmenslandschaft von Fa­milienbetrieben geprägt ist. 80 Prozent befinden sich im Familienbesitz. Das zeichnet sich aus durch hohes persönliches Engagement und durch nachhaltiges Wirtschaften.

Es stimmt schon, dass bei der Kapitalisierung auf Bankkredite zurückgegriffen wird und weniger auf den Kapitalmarkt, aber es wird auch das Familienvermögen in diesen Be­trieben eingesetzt.

Ganz kurz: Jeder dritte Betrieb wird von Frauen geführt. Frauenbetriebe zeichnen sich aus durch eine geringere Unternehmensgröße und sind auch, was den Umsatz betrifft, kleiner. Da diese Betriebe – wie wir heute schon im Zusammenhang mit den Arbeitneh­merinnen gehört haben – vorwiegend in der Bekleidungs- und Friseurbranche angesie­delt sind, sind sie auch weniger investitionsintensiv.

Sie haben die Neugründungen angesprochen. Mit 25 000 Neugründungen liegen wir im hinteren Feld, weisen dafür eine niedrigere Schließungsquote, aber auch eine höhere Überlebensrate auf.

Wenn man die betriebswirtschaftliche Situation betrachtet: 17 Prozent unserer KMUs ge­hören in die Kategorie „sehr gut“, das heißt, sie haben eine Eigenkapitalquote von über 20 Prozent und eine Umsatzrentabilität von über 5 Prozent. (Bundesrat Mag. Pisec: 20 Prozent ist nicht sehr gut!) Über! Über! Und, Sie haben recht, 20 Prozent weisen ei­ne negative Eigenkapitalquote sowie Verluste aus. Das Jahr 2009 war sicherlich sehr schwierig für diese Betriebe, da ja der Einbruch sehr groß war. Der Einbruch hat alle Branchen erwischt, vor allem das produzierende Gewerbe. Da hatten wir beim Umsatz einen Rückgang von 12 Prozent. Das erscheint jetzt wahrscheinlich nicht einmal so viel, aber wir kennen alle Fälle, wo die Produktion um 30 bis 70 Prozent zurückging.

Größere Einschnitte haben wir auch bei den Dienstleistungen, in der Transportwirt­schaft, aber dank der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und des Erhalts der Kon­sumnachfrage der privaten Haushalte erging es dem Einzelhandel relativ gut.

Die KMUs reagierten auf diese Krise mit Investitionszurückhaltung. Dazu kamen auch die erschwerten Konditionen bei Bankkrediten, die ja die wichtigste Finanzierungsquel­le der KMUs darstellen.

Österreich hat aber sehr rasch sehr starke Konjunkturimpulse gesetzt und schneidet somit bei der Krisenbewältigung wesentlich besser ab als andere europäische Länder. Das Ergebnis zeigt auch, dass die richtigen Maßnahmen gerade für KMUs gesetzt wur­den. Dafür möchte ich dir, sehr geehrter Herr Minister, ganz herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Die KMUs sind nicht nur das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, sie sind auch wichtig als Innovations- und Wachstumspotenzial. Das haben Sie ja schon mit dem „Small Business Act“ angeschnitten, mit dem eben der Rahmen für die KMU-Politik ge­schaffen wurde.

Aus meiner Sicht ein besonders wichtiger Punkt ist die Finanzierung, denn gerade in den letzten zwei Jahren war das ein Thema, und auch in Zukunft, im Hinblick auf Ba­sel III, wird dieses Thema für die KMUs eine wichtige Rolle spielen.

Gerade von der betrieblichen Basis kam die positive Rückmeldung, dass im Rahmen des Konjunkturpakets geschaffene Kleinkredite – 10 000 bis 30 000 € beziehungswei­se ab 2010 bis 100 000 € – eine große Hilfe für die KMUs waren. Und sie waren ein positives Signal für die lokalen Banken, denn es gab auch schon bei den Bankmitar­beitern eine schlechte Motivation, und damit haben sie wieder einen positiven Ansatz gehabt, um auf die Betriebe zuzugehen.

Auch die Übernahme von Haftungen nicht nur für die Großbetriebe, sondern gerade auch für die KMUs hat den Unternehmen ein gewisses Sicherheitsgefühl verschafft.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 68

Wichtig für die Zukunft sind natürlich neue Förderungsschienen. Ich möchte hier das impulse LEAD im Bereich Kreativleistung erwähnen, aber auch die verstärkte Förde­rung von Schwerpunktaktionen im Tourismus, der ja für unser Land sehr wichtig ist. (Bundesrat Mag. Pisec: Lauter Förderungen! Steuersenkungen! – Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Es wird aber punktgenau gefördert!

Sehr geehrter Herr Minister! Mit den von dir gesetzten Zielen und Maßnahmen können unsere KMUs wieder in eine positivere Zukunft blicken, und wir stimmen deinem Be­richt sehr gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

12.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Kraml. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.15.46

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Pisec, ich bin auch Inhaber eines KMU-Betriebs, aber ich möchte meinen Betrieb nicht in Island haben, sondern mir ist es in Österreich noch immer weit lieber.

Ich habe auch den Bericht sehr aufmerksam gelesen. Es ist ein kompaktes Werk, das die Situation der KMUs und der EPUs einfach beschreibt. Ich weiß schon, dass es nicht für alle leicht ist, das gibt es nirgendwo auf der Welt, aber für mich sind die KMUs und auch die Ein-Personen-Unternehmen das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Die braucht man einfach neben der Großindustrie.

Der Bericht zeigt aber auch sehr deutlich, dass die Wirtschaftskrise auch ihre Spuren hinterlassen hat. Das ist leider einmal so. Für den Großteil der Betriebe war es sicher eine sehr harte Zeit, für die Kleinbetriebe ist so eine Krise viel schwieriger zu bewäl­tigen als für einen Großbetrieb, der sich wesentlich mehr bewegen kann und für den es auch andere Maßnahmen gibt.

Beim Personalstand der KMUs gibt es relativ wenig Spielraum. Man kann da nicht viel tun, weil man die Leute, die man hat, einfach braucht, um auch das wenigere Geschäft abwickeln zu können. Das ist mit Sicherheit etwas, was bei den Kleinbetrieben ein ne­gativer Punkt ist.

Wir haben schon bei der Beschlussfassung der Konjunkturpakete diskutiert, wie treff­sicher sie sind. Und wir haben jetzt gesehen, dass sie treffsicher waren, weil sich die Wirtschaft und auch die KMUs haben erholen können. Das heißt, es ist in diesem Be­reich in der Zeit der Krise das Richtige von der Bundesregierung gemacht worden. Ich glaube, das ist nicht in allen Ländern passiert. Unsere Zahlen zeigen ja auch, dass wir in vielen Bereichen besser sind, als das in anderen EU-Ländern der Fall ist.

Es waren aber nicht nur die Konjunkturpakete, die uns geholfen haben, sondern es ist auch die Kreditvergabe besser geworden. Das stimmt, die Banken waren nicht gerade freundlich zu uns, wenn wir angeklopft haben, aber es hat verschiedene andere Mög­lichkeiten gegeben.

Wenn ich von Bürokratie spreche, meine ich zum Beispiel auch den Jahresbericht für die Statistik Austria, den ich machen muss. Damit bin ich überfordert, da muss der Steuerberater einspringen. Das kostet natürlich auch wieder zusätzliches Geld, aber ich weiß auch, dass wir die Zahlen brauchen, weil wir sonst überhaupt nichts dokumen­tieren können.

Jetzt komme ich zu den Zahlen, die zum Teil auch schon von der Kollegin Winzig vor­getragen wurden: Es gibt 300 000 KMUs in Österreich. Ein Drittel davon, 100 000 Be­triebe, sind EPUs, also Ein-Personen-Unternehmen. Rund 50 Prozent, also 150 000 Be­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 69

triebe, sind Betriebe mit zwei bis neun Beschäftigten. 11 Prozent, also 33 000 Betriebe, haben zwischen zehn und 49 Beschäftigte, und 2 Prozent, das sind 6 000 Unterneh­men, haben zwischen 50 und 249 Beschäftigte.

Branchenmäßig aufgeteilt schaut die Situation so aus: 75 000 Betriebe sind im Handel tätig, 55 000 im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen, und 45 000 Betriebe zäh­len zu der Berufsgruppe der Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe.

Es hat auch Neugründungen gegeben, trotz dieser schwierigen Zeit: Im Jahr 2008 – andere Zahlen habe ich da nicht gefunden – gab es 24 600 Neugründungen. Das sind umgerechnet auch wieder an die 60 000 neue Arbeitsplätze, die da geschaffen wurden.

Für 2009 stellt sich eine leichte Trendwende dar. Dass die Wirtschaft insgesamt ge­schrumpft ist, wissen wir alle, das ist in der Krise nun einmal so. Es hat auch Betriebe gegeben, die zugesperrt haben: Im Jahr 2008 waren es 20 400 Betriebe, die geschlos­sen haben, davon waren 70 Prozent EPUs.

Bei den produzierenden Betrieben sind die Umsätze um 12 Prozent zurückgegangen, die Arbeitsplätze um 4 Prozent, im Handel- und im Dienstleistungsbereich waren es 5,5 beziehungsweise 4,7 Prozent, und im Arbeitsbereich hat es da eine Schrumpfung von jeweils 1 Prozent gegeben.

Insgesamt zeigt sich, wie schon erwähnt, eine leichte Erholung der Wirtschaft. Im ersten und zweiten Quartal 2010 stieg das BIP gegenüber 2009 um 2,4 Prozent an. Die Inves­titionen wuchsen um 4 Prozent, der private Konsum um 2 Prozent.

Wie gesagt, der Wirtschaftsaufschwung ist noch ein zartes Pflänzlein oder, wie es das WIFO bezeichnet hat, ein Aufschwung mit anhaltender Unsicherheit. So schaut es mo­mentan noch aus. Ich meine aber, dass wir das Gröbste doch hinter uns haben. Das Problem war ja, dass sich die KMUs – das ist auch schon angeführt worden – mit den Investitionen zurückgehalten haben. Wenn ich eine schwierige Wirtschaftslage habe, dann werde ich nicht investieren, sondern ich werde abwarten, wie sich das Ganze ent­wickelt.

Der Bankbereich ist auch schon angesprochen worden. Basel II und Basel III, alles, was da noch dazukommt, wird vielleicht auch nicht so schlimm werden, wie es immer diskutiert wird.

Die Konjunkturpakete habe ich ebenfalls schon angesprochen. Eigentlich finde ich, dass die Situation der Klein- und Mittelbetriebe, der Ein-Personen-Unternehmen relativ gut ist; das kann man, glaube ich, sagen. Dass es in schwierigen Zeiten immer wieder auch schwierige Situationen gibt, das wissen wir auch.

Aber letztendlich zählt das Gesamte, und der Bericht ist ein Gesamtwerk. Darin gibt es natürlich auch Zahlen, die nicht so erfreulich sind, aber der Großteil der Zahlen ist wirklich in Ordnung. Lieber Herr Minister, ich darf dir für deinen Bericht danken! Er ist sehr umfangreich, und ich habe mich intensiv damit auseinandergesetzt. – Danke. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

12.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Kickert. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.22.34

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wenn man eine so kleine Fraktion ist, kommt man ziemlich häufig zu Wort, wie Sie schon festgestellt haben. Ich mache es jetzt auch kurz.

Als Erstes werde ich mich der Feststellung aller meiner Vorrednerinnen und Vorredner anschließen, dass es ein ausgesprochen umfangreiches Werk und tadellos ist. Ich wer­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 70

de auch auf die Zitierung sämtlicher Zusammenfassungen in diesem 200-seitigen Be­richt verzichten, weil ja der Bericht uns allen vorliegt. Ich glaube, es bedarf keines Be­weises, dass ich diesen Bericht durchgelesen habe.

Ich möchte auf einige spezielle Punkte eingehen. Kollege Kraml hat bereits die EPUs erwähnt. Obwohl 35 Prozent der heimischen Unternehmen Ein-Personen-Unternehmen sind, kommen sie in diesem Bericht kaum vor. Das kann ich ruhig sagen: 200 Seiten Bericht, eineinhalb Seiten über die Ein-Personen-Unternehmen, und zwar, ich glaube, auf den Seiten 18 und 19, in dem Kapitel „Diversität in und von KMU“.

Wir wissen alle, dass sich die Strukturen der Ein-Personen-Unternehmen ziemlich stark von jenen von Mitarbeiterbetrieben unterscheiden. Das heißt, ich würde mir wünschen, dass möglicherweise bei zukünftigen Berichten auf die spezielle Situation gerade der Ein-Personen-Unternehmen auch spezifisch eingegangen wird.

Ebenfalls bereits erwähnt wurde der „Small Business Act“, der ja hauptsächlich eine Auflistung von Maßnahmen ist. Von Interesse wäre auch Folgendes – das ist mehr ein Appell oder eine Bitte –: Inwieweit zeigen denn die Maßnahmen, die in dem „Small Business Act“ aufgezählt werden, Wirkungen für KMUs? – Für jeden weiteren Bericht, und sei er auch noch umfangreicher als der vorliegende, würde ich mir ein Eingehen auf diese beiden Punkte wünschen.

Ansonsten danke auch ich für die umfassende Berichterstattung. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Kneifel. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.24.41

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es mir auch erspa­ren, auf die Details dieses Mittelstandsberichtes einzugehen. Er hat aber schon eine wichtige Bedeutung für die Entwicklung unserer Klein- und Mittelbetriebe, weil mit die­sem Bericht immer wieder der klein- und mittelbetrieblichen Struktur Österreichs der Spiegel vorgehalten wird und damit auf eine Reflexion über die Bedeutung dieser Be­triebe eingegangen werden kann.

Es ist ja kein Geheimnis, dass mehr als 99 Prozent der österreichischen Betriebsland­schaft, der österreichischen betrieblichen Struktur Klein- und Mittelbetriebe sind und diese auch weiterhin die Hauptlast des Arbeitsmarktes und der Nahversorgung tragen. Ich glaube, es ist wichtig, diese mittelständische Struktur und die Akteure dieser mit­telständischen Struktur in Österreich immer wieder zu motivieren, ihnen Hoffnung zu geben und Anreize zu setzen, damit sie dieses Tempo und diese Leistung auch in Zu­kunft erbringen können und entsprechende Anerkennung von der öffentlichen Hand und vom Gesetzgeber erhalten.

Ich erlaube mir, dazu einen kleinen Vorschlag zu unterbreiten, weil ich glaube, dass das zur Motivation und zur Ermutigung dieser Leistungsträger in den Klein- und Mittelbe­trieben Österreichs ein Ansporn sein kann. Wir reden derzeit auch sehr stark über un­ser Bildungssystem, darüber, wie wir das Bildungssystem verbessern können, die Qua­lifizierungen verbessern können, die Durchlässigkeit des Systems beibehalten oder ver­bessern und optimieren können.

Wir sagen immer, dass die handwerklichen Berufe in Österreich eine stärkere Anerken­nung auch der öffentlichen Hand erfahren sollen. Die Frage, die einer Beantwortung be­darf, ist dann bald dort angelangt: Wie geht denn das am besten? Wie kann man klein- und mittelbetriebliche Akteure und Leistungsträger entsprechend weiter motivieren?


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 71

Ich glaube, eine Möglichkeit wäre die, mit der Meisterprüfung auch das Tor zur Univer­sität für fachlich einschlägige Meisterprüfungen zu öffnen, um den Zugang zu fachlich einschlägigen Studienrichtungen ohne Berufsreifeprüfung zu ermöglichen. Ich gebe Ih­nen ein Bespiel: Warum soll man einem gewerblichen Baumeister – wenn er nicht HTL hat, es gibt ja den anderen Weg auch – noch eine Berufsreifeprüfung verpassen, wenn er ein bautechnisches Studium durchführen will?

Ich finde, es wäre ein Möglichkeit, dass man dort die Durchlässigkeit herstellt. Wenn er schon einschlägig die Facharbeiterprüfung, die Meisterprüfung und alle diese prakti­schen Torturen gemacht hat, warum stellt man ihn dann noch vor das Hindernis einer Berufsreifeprüfung? – Ich glaube, es wäre sinnvoll und eine Motivation dieser Gruppe der Leistungsträger in den Klein- und Mittelbetrieben Österreichs, dass man das für ein­schlägige Studienrichtungen vorsieht.

Ich möchte nicht haben, dass ein Tischlermeister Mediziner wird – um das zu verdeut­lichen –, sondern wenn einer einschlägig eine Befähigungsprüfung in einer Qualifika­tion oder eine Meisterprüfung hat, dann soll er auch diese Möglichkeit der Qualifizie­rung des dritten Weges einer Universitätsausbildung bekommen. Ich glaube, das wäre ein konkreter Ansatz, um manche Leistungsträger in den Klein- und Mittelbetrieben zu motivieren. Das wäre eine Veränderung und eine Verbesserung der Rahmenbedingun­gen für die Menschen, die sich in handwerklichen Berufen in den Klein- und Mittelbe­trieben Österreichs bereit bestens qualifiziert haben, und damit auch ein konkreter Bei­trag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und des Fachkräfteproblems in Öster­reich.

Ich glaube, das wäre es wert, im Detail diskutiert zu werden. Es findet zwar heute keine Bildungsdiskussion statt, aber es sind die wesentlichen Träger der Klein- und Mittelbe­triebe, die sich dort engagieren. Das wäre sicherlich eine Möglichkeit, um die Motiva­tion dieser Akteure weiterhin zu verbessern. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.30.10

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Wenn die KMUs – gemeinsam mit den EPUs – so eine zweifellos herausragende Bedeutung haben, dann sollte man sie natürlich auch im eu­ropäischen Vergleich betrachten. Das wird in diesem Bericht zum ersten Mal in einer Ausführlichkeit gemacht, für die wir sehr dankbar sind, denn ich glaube, wir sind inner­halb der Europäischen Union ein Wirtschaftsraum, und deshalb braucht man auch da Vergleiche.

Vergleiche zur Situation der KMUs in Österreich und im europäischen Umfeld lassen sich nach diesem Bericht ja auch durchaus sehen, zwar nicht in allen Punkten, aber doch in wesentlichen. Wenn wir sagen, die knapp 300 000 österreichischen KMUs ma­chen 99,6 Prozent der Betriebe aus, so haben wir einen ähnlich hohen Prozentsatz auch in der Europäischen Union. Es sind dort 20,7 Millionen Betriebe.

Aber ein paar Dinge sind auffallend. Es ist auffallend – wir haben heute in der Früh die Frauenministerin zur Fragestunde bei uns gehabt –, dass zum Beispiel der Anteil jener Frauen, die KMUs gründen und KMUs führen, in Österreich signifikant höher als insge­samt in der Europäischen Union ist. Es wäre noch interessant, zu schauen, wie es sich bei der Überlebensrate dieser KMUs verhält, weil Frauenbetriebe in der Regel eine Spur kleiner sind als die von Männern geführten Betriebe. Das ergibt dieser Vergleich, bei der Überlebensrate wissen wir es noch nicht. Aber 35 Prozent der österreichischen KMUs werden von Frauen geführt, in Europa sind es nur 30 Prozent.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 72

In diesem Zusammenhang ist es natürlich auch interessant, zu wissen, dass die Be­triebsgründungen, die auf Migration und auf Integration zurückgehen, in Wien etwa ein Drittel ausmachen. Das wäre natürlich ein ganz interessanter Vergleich im europäi­schen Umfeld, aber auch im österreichischen, der meiner Meinung nach für die Zukunft etwas stärker herausgearbeitet werden sollte.

Extrem erfreulich für Österreich ist, dass wir im Bereich KMU-freundliche Verwaltung an der Spitze stehen, dass wir Spitzenreiter in Europa sind. Das heißt, mit der gesam­ten E-Government-Verfügbarkeit hat Österreich hier tatsächlich den Platz ganz oben geschafft. Auch ein anderer Punkt ist sehr erfreulich: Die österreichischen KMUs sind unter den Innovativen ebenfalls die Spitzenreiter. 49 Prozent der österreichischen KMUs sind im Bereich Innovation zu finden, im Rahmen der Europäischen Union sind es 36 Pro­zent.

Jetzt kommen ein paar Punkte, über die man nachdenken muss, Herr Bundesminister. Ich meine, es muss zwar nicht jeder, der ein kleines Unternehmen gründet, ein Studier­ter oder eine Studierte sein, aber auffallend ist doch der Unterschied der Hochschul­ausbildungen im Bereich der österreichischen und im Bereich der europäischen KMU-Gründungen: In Österreich sind es 15 Prozent, in Europa sind es 30 Prozent. Wo ge­hen unsere Akademikerinnen und Akademiker hin, dass ihnen eine Neugründung von Unternehmen vielleicht zu mühsam ist? Vielleicht lockt die Verwaltung, vielleicht locken andere Formen von Berufen? – Hier müssten, glaube ich, doch noch Anreize gegeben werden.

Was bei diesen Vergleichen weiters interessant ist, ist, dass Österreich bei der Neu­gründungsquote im europäischen Vergleich verdammt schlecht ist. Wir haben gerade noch den 20. Rang unter 23 bewerteten Ländern; nur Belgien, Lettland und Zypern lie­gen hinter uns. Da muss man natürlich schauen: Welche Anreize bieten wir? Welche Hilfestellungen bieten wir? Herrscht ein gründerfreundliches Klima in Österreich? – Da ist, glaube ich, von Ministeriumsseite noch einiges zu tun.

Aber erfreulich ist auf der anderen Seite, dass wir zwar weniger Neugründungen ha­ben – leider signifikant weniger Neugründungen –, jedoch bei der Überlebensrate – die wichtige Frage für ein Kleinunternehmen und ein Mittelunternehmen ist ja, wie man die ersten zwei Jahre nach der Gründung überlebt – liegen wir bereits an der fünften Stel­le! Das heißt, wir haben eine sehr hohe Überlebensrate.

Die andere Frage, habe ich das zweite Jahr überlebt, ist, insgesamt gerechnet: Wann schließen diese KMUs? – Auch da haben wir eine sehr niedrige Schließungsrate, wir sind an 7. von 23 Stellen. Das heißt, es gibt auf der einen Seite eine extrem niedrige Anzahl an Neugründungen, aber diejenigen, die gründen, überleben und haben eine sehr niedrige Schließungsrate. (Bundesrat Kneifel: Wir sind sehr gut vorbereitet!) Bit­te? (Bundesrat Kneifel: Die Gründungen sind sehr gut vorbereitet!)

Das ist gut, aber wir könnten hier durchaus besser sein. Wenn wir zum Beispiel das Vereinigte Königreich anschauen, dann sehen wir, dass sie dort sowohl bei den Neu­gründungen als auch bei der Überlebensrate im Spitzenfeld sind. Selbst wenn wir Ru­mänien hernehmen: Rumänien ist an zweiter Stelle bei den Neugründungen und liegt auch bei der Überlebensrate im Mittelfeld. Da zeigt sich schon, es ist auf jeden Fall noch einiges möglich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Ich möchte mich auch der Kritik anschließen, die schon vonsei­ten aller Fraktionen geübt worden ist. Ich kann mich noch erinnern, beim letzten Bericht darüber haben Sie in Ihrer Ministerantwort gesagt, dass Sie die EPUs in den kommen­den Jahren stärker berücksichtigen werden. Es ist aber doch noch relativ wenig, wenn man bedenkt, dass 35 Prozent der heimischen Unternehmen EPUs sind.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 73

Eine andere Problematik, die vor diesem Hintergrund natürlich besteht und die sicher­lich uns alle mit Sorge erfüllt, ist, dass die Kreditklemme bei den KMUs noch immer nicht behoben ist. Die Kreditklemme besteht – auch wenn wir sehen, dass die zwi­schen 2007 und 2009 extrem rigiden Kreditvergabekonditionen bei den Banken im zwei­ten Quartal 2010 gelockert wurden – für die KMUs noch immer. Das führt dazu, dass die Investitionszurückhaltung bei den KMUs bis heute anhält und auch die Wirtschafts­entwicklung der KMUs nicht den richtigen Weg beschreitet. Da müssen wir raus!

Ja, Herr Bundesminister, es ist richtig: Trotz der Hilfe der Banken, trotz der Mittel aus den ERP-Krediten und trotz AWS – trotz, trotz, trotz! – ist bei den Krediten für die KMUs nach wie vor eine deutliche Kreditklemme spürbar. Für diesen wahnsinnig wichtigen Zweig unserer Wirtschaft muss diese Kreditklemme aufgehen! Immerhin zeigt sich am kommenden Budget, an den Sparpaketen, wie viel gegenüber den Banken an Vorleis­tungen erbracht wurde. Jetzt ist es wichtig, dass auch die KMUs, genauso wie die Klein- und Kleinstbetriebe, wieder leichter zu finanziellen Möglichkeiten kommen.

Aber insgesamt zeigt der Bericht, dass wir uns im europäischen Kontext sehen lassen können, und ich bedanke mich ebenfalls für diesen ausführlichen und ausgezeichneten Bericht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.39.07

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Keine Angst, ich werde die Debatte nicht wesentlich ver­längern; nur noch eine Anmerkung zu Ihrem Vorschlag, Herr Kollege Kneifel: Ich habe den Verdacht, dass dieser nicht ganz durchdacht ist. Es klingt zwar auf den ersten Blick recht bestechend, dass ich sage, eine Meisterprüfung berechtigt dann zum Stu­dium im entsprechenden Fach. Aber ich frage mich: Erlangt dann der Optiker oder der Hörgeräteakustiker die Studienberechtigung für Physik?

Ich glaube, hier besteht sogar die Gefahr, dass man zwei Klassen von Lehrberufen schafft: solche, die mit der Meisterprüfung eine Studienberechtigung zur Folge haben, und solche, die das unter Umständen nicht haben, weil sie einfach nicht zu einem ent­sprechenden Studium passen. Das würde wiederum auf der Gegenseite diesen Lehr­beruf eigentlich weniger attraktiv machen. Daher glaube ich, darin liegen gewisse Ge­fahren, die man auch berücksichtigen sollte. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte, Herr Minister.

 


12.40.24

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Mittelstandsbericht dient dazu, einer­seits der Gruppe dieser Unternehmen zu verdeutlichen, wie wichtig sie in der Politik und in der Gesellschaft überhaupt sind; zum Zweiten geht es natürlich auch darum, die richtigen Schlüsse aus dem Bericht zu ziehen.

Weil hier gesagt wurde, die Ein-Personen-Unternehmen würden zu wenig berücksich­tigt: Ich bin mir nicht sicher, ob ich in diesem Zusammenhang gesagt haben kann, dass wir das ausweiten werden, denn meines Wissens war der letzte Mittelstandsbericht vor zwei Jahren und nicht letztes Jahr. Es ist aber möglich, dass ich das in einem anderen Zusammenhang erwähnt habe, denn ich kann mich dem inhaltlich durchaus anschlie­ßen. Wir werden, da der Bericht nicht direkt von uns erstellt wird, sondern vom KMU-


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 74

Institut, auch versuchen, hier die Berücksichtigung der Ein-Personen-Unternehmen aus­zuweiten.

Zum Zweiten pflichte ich Ihnen bei, dass bei jedem Bericht die Frage zu stellen ist, mit wem man da vergleicht, aber es ist logisch, Herr Kollege Pisec, dass wir Vergleiche mit den anderen EU-Staaten anstellen. Natürlich hat die Opposition die Möglichkeit – und Sie tun es ja –, einen Vergleich mit der Schweiz oder mit irgendjemand anderem zu ziehen und daraus Ableitungen zu tätigen. Denn logisch ist, und das ist auch eine Aus­sage des Berichtes: Wir haben noch nicht den absoluten Zielzustand erreicht, sodass nichts mehr zu tun wäre, sondern es ist ein relativer Entwicklungsstand, der Verbesse­rungspotenzial aufweist.

Dennoch finde ich den Entwicklungsstand relativ gut. Sie können das heute auch nach­vollziehen: Gerade jetzt, vor zwei Stunden sind die letzten Daten von WIFO und IHS veröffentlicht worden, was das Wachstum anlangt. Da liegen wir überdurchschnittlich gut, die Prognosen werden nach oben revidiert – über 2 Prozent, auch was das nächste Jahr anlangt, und damit liegen wir über dem europäischen Schnitt. Wenn das Vereinigte Königreich oder Rumänien oder wer immer zitiert wird, auch mit der Risiko­quote, so muss ich sagen: Die Wachstumszahlen sind dort wesentlich kleiner als bei uns.

Ich möchte Ihnen jetzt nicht noch einmal Kennziffern aus dem Bericht zitieren, das haben Sie selbst schon getan und ihn teilweise, was erfreulich ist, auch gelesen. Aber ich glaube, der Bericht gibt, was die Schlussfolgerungen anlangt, doch einiges an dem weiter, was wir in der Politik berücksichtigen können. Positiv in folgendem Sinn: Was wir feststellen können ist, dass die Klein- und Mittelbetriebe wesentlich dazu beige­tragen haben, dass wir die Krise 2009 und ein Stück weit auch 2010 so gut bewältigt haben. Natürlich hat sich die Umsatzentwicklung teilweise nach unten entwickelt – das wäre in einer Krise ja auch nicht anders zu erwarten –, aber beispielsweise bei den Be­schäftigten im Dienstleistungsbereich haben wir uns auch in der Krise relativ stabil be­wegt, und das ist durchaus positiv zu sehen.

Es ist auch angesprochen worden, dass wir mit dem Maßnahmenpaket rund um die Konjunkturprogramme gerade im Fokusbereich für KMU-Zielgruppen wesentliche Ver­besserungen erreichen konnten. Die Finanzierungsmöglichkeiten im AWS, aber auch neue Förderschienen, die wir für die Kreativwirtschaft aufgemacht haben, aber auch für innovative Dienstleistungen, wie zum Beispiel die „PreSeed"-Initiative, die Ökoprämie oder auch die thermische Sanierung haben ganz wesentlich dazu beigetragen, dass wir eine etwas günstigere Situation als viele andere Länder haben.

Wir werden natürlich versuchen, das zu stabilisieren und weiter zu dynamisieren. Es ist die Fortsetzung der thermischen Sanierung angedacht. Wir haben, was die Förderung von F&E-Investitionen anlangt, vor allem für marktorientierte angewandte Forschung in KMU-Betrieben einen Schwerpunkt gesetzt – oder werden diesen setzen –, und wir wollen auch, was die Exportorientierung anlangt, bei der jetzt anstehenden Verlänge­rung der „go international“-Offensive vor allem in Richtung Klein- und Mittelbetriebe einen weiteren Schwerpunkt suchen. Das ist identisch mit dem, was die EU macht, um da eben auch Klein- und Mittelbetrieben stärkere Exportanteile zu verschaffen.

Es ist angesprochen worden, und ich glaube, das ist der Punkt, der Vergleichbarkeiten wirklich ermöglicht, denn wenn man den Bericht immer ändert, je nachdem, wie man gerade den Schwerpunkt setzen möchte, ist er vielleicht nicht so vergleichbar. Deswe­gen ist die Ausrichtung auf den Small Business Act und die einzelnen Kapitel eine wirklich unbestechliche und sozusagen nicht interpretierbare – was die Gewichtung an­langt – Größen- und Kriterienordnung, die wir in dieser Form auch in den nächsten Jah­ren versuchen werden.

Was sehen wir dort? Das ist angesprochen worden, und damit bin ich ganz selbstkri­tisch auch bei dem noch offenen Bereich: Im europäischen Vergleich zeigt sich – das


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 75

ist ja mehrfach festgestellt worden –, dass wir, was die Entrepreneurship Education und damit die Gründerstimmung anlangt, eben Nachholbedarf haben. Das ist natürlich eine Aufgabe nicht nur meines Ministeriums, sondern der Gesellschaft insgesamt. Ob es für die Meisterprüfung eine Anrechnungsmöglichkeit in Richtung Studienberechti­gungsprüfung geben kann, müssen wir uns anschauen – in diesem Fall vor allem die Frau Wissenschaftsminister, die ja selbst einen ähnlichen Vorschlag gemacht hat. Das ist also gar nicht so weit weg von der Praxis und von den Überlegungen, sondern dort gibt es diesbezüglich einen positiven Grundtenor.

Wir haben, was ich zuerst nicht erwähnt habe, ein wirklich gut ausgebautes E-Govern-ment, erhalten dafür nicht nur internationale Preise, sondern können auch feststellen, dass wir, was die Betriebsgründungen bei Klein- und Mittelbetrieben anlangt, im inter­nationalen Schnitt wirklich ganz vorne liegen. Was wir aber noch zu tun haben, ist na­türlich auch, bei den Spielregeln eine schnellere Umsetzung zu machen. Etwa bei der Dienstleistungsrichtlinie sind wir in der bedauerlichen Situation – wir brauchen dafür eine Zweidrittelmehrheit –, dass wir das neben Luxemburg noch nicht umgesetzt ha­ben, und das ist, nachdem wir hier die Dienstleistungsrichtlinie wesentlich forciert ha­ben, eigentlich schon ein relativ negatives Zeichen.

Was wir auch noch verbessern können, sind einfache Energiesparmaßnahmen im Be­reich der Klein- und Mittelbetriebe, die, wenn sie forciert werden, wesentlich zur Effi­zienzsteigerung beitragen können.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nicht weiter mit Details strapazieren, aber ich glaube, Sie haben auch aus meiner Darstellung bemerkt: Wir verweilen nicht in tatenloser Zufriedenheit, sondern sehen Verbesserungspotenziale, die wir dynamisch entwickeln wollen, und hoffen, was die Umsetzung anlangt, auch auf Ihre Unterstützung. Alles in allem glaube ich aber, dass wir im Vergleich mit anderen Staaten relativ gut liegen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der An­trag ist somit angenommen.

12.48.176. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), das Führerschein­gesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (1321/A und 1020 d.B. so­wie 8425/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (13. FSG-Novelle) (900 d.B. und 1021 d.B. sowie 8426/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 76

In diesem Zusammenhang darf ich Frau Bundesminister Bures sehr herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu den Punkten 6 und 7 ist Herr Bundesrat Beer. – Bitte.

 


12.48.49

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Frau Ministerin! Es liegen uns zwei Berichte vor. Diese beiden Berichte wurden vom Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie am 15. Dezember in Verhandlung genommen.

Der erste Bericht betrifft den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, das Führer­scheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, deswegen komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht bezieht sich auf den Beschluss des Nationalrates vom 30. Novem­ber 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


12.50.02

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Führerscheingesetz-Novelle ist gerade im Bereich der Blaulichtorganisationen ein sehr wichtiger Schritt für jene Or­ganisationen, die es nicht so leicht haben, bei denen viele Menschen ehrenamtlich tätig sind. Diese Novelle hilft ihnen sehr, bei den Einsätzen Verbesserungen herbeizuführen.

Die Feuerwehren und Rettungsorganisationen im ländlichen Raum haben es aufgrund von Veränderungen in der Arbeitswelt zunehmend schwerer, die erforderlichen Ehren­amtlichen, die 24 Stunden lang Bereitschaft haben, zu rekrutieren. Immer mehr junge Menschen arbeiten nicht in ihrer Wohngemeinde und sind somit für die Feuerwehren und für die Rettungsorganisationen nicht greifbar. Somit kommen auch die Organisa­tionen in einen Personalnotstand im Bereich der Führerscheinbesitzer der Klasse C.

Auch die Ausstattung der Fahrzeuge hat sich in den letzten Jahren wesentlich verän­dert. Immer mehr Fahrzeuge kommen dadurch in den Bereich von zwischen 3,5 und 5,5 Tonnen Gesamtgewicht. Damit können nur Führerscheinbesitzer der Klasse C sol­che Fahrzeuge lenken. Ich will Ihnen nur am Beispiel der Feuerwehren unseres Bun­deslandes Oberösterreich die Notwendigkeit und die tatsächlichen Auswirkungen die­ser heutigen Novelle erläutern.

In Oberösterreich haben wir 925 öffentliche Feuerwehren mit 92 000 Mitgliedern, die den Dienst für die Sicherheit in den Gemeinden ehrenamtlich leisten. Zirka 900 Fahr­zeuge mit einem Gesamtgewicht von jeweils zwischen 3,5 und 5,5 Tonnen sind bei den oberösterreichischen Feuerwehren im Einsatz. Es handelt sich dabei um kleine Löschfahrzeuge, kleine Rüstfahrzeuge, Löschfahrzeuge und Löschfahrzeuge mit Ber­geausrüstung – jene Fahrzeuge, die man bei den Ersteinsätzen am nötigsten braucht, die bei einem Alarm meistens als Erste ausfahren.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 77

Wenn laut Einschätzung des Feuerwehrverbandes 10 Prozent der aktiven Feuerwehr­frauen und -männer die neue Regelung des sogenannten Blaulichtführerscheins in An­spruch nehmen und die Zusatzausbildung absolvieren, dann werden es 9 000 Ehren­amtliche mehr sein, die bei einem Einsatz Fahrzeuge bis zu 5,5 Tonnen werden lenken dürfen. Dies bedeutet eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Feuerwehren und Rettungsdienste und eine Steigerung der Sicherheit in unserem Land.

Geschätzte Frau Bundesministerin! Im Namen der Feuerwehren und Rettungsorgani­sationen bedanke ich mich dafür, dass Sie diese Novelle zum Führerscheingesetz ein­geleitet haben, die wir heute beschließen können! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Hensler. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.53.36

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben heute das Führerscheingesetz auf der Tagesordnung des Bundesrates. Sicherheit steht an erster Stelle, das ist wohl unbestritten. Ich möchte bei meiner Wortmeldung allgemeine Fest­stellungen zu dieser Novelle machen.

Verkehrssicherheit für jeden Einzelnen von uns hat Priorität – das ist unbestritten und Wunsch der Allgemeinheit. Darum, geschätzte Frau Bundesministerin, möchte ich hier klar und deutlich Dankeschön sagen. Es bedarf gewisser Rahmenbedingungen, die ei­ne Verbesserung und gleichzeitig auch ein Umdenken in sehr vielen Bereichen der Au­tofahrer beinhalten. Jeder Unfall, jeder Tote bringt Leid, Tränen und Unsicherheit.

Die Verkehrssicherheit muss Tag für Tag schlicht und einfach erhöht werden. Es ist für jeden Einzelnen von uns in sehr vielen Bereichen bedenklich, was Tag für Tag auf un­seren Straßen geschieht. Darum bin ich überzeugt davon, dass die Verkehrssicherheit nicht in einem Gesetz festgeschrieben, sondern eben Tag für Tag von Mensch zu Mensch gelebt und – ich sage das hier bewusst – erhöht werden muss.

In der heutigen Zeit gibt es Fahrzeuge von immer besserer Qualität, mit immer mehr Ausstattung beziehungsweise technischer Ausrüstung. Auch deshalb wird Verkehrs­sicherheit immer wichtiger – gleichzeitig aber auch die Vernunft der Autofahrer auf den Straßen. Rasen, das sage ich hier klar und deutlich, kann kein Kavaliersdelikt sein! Da­für muss es – und diese gibt es auch mit dieser Novelle – berechtigte Strafen geben.

Wir beschließen aber gleichzeitig den Führerschein für Blaulichtorganisationen. Das wur­de von meinen Vorrednern schon kurz eingeleitet und ist eine Forderung der Organisa­tionen und in sehr vielen Bereichen der Feuerwehren. Ja, ich unterstütze diese Forde­rung, mit dem Führerschein B Fahrzeuge bis 5,5 Tonnen lenken zu dürfen.

Ein wichtiger Punkt ist zweifelsohne auch die Ausstattung. In dieser Hinsicht sind die Einsatzfahrzeuge zwar vielseitiger, aber auch deutlich schwerer und komplizierter ge­worden. Damit komme ich zu den ehrenamtlichen Mitarbeitern, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter leisten Großartiges, und ich sage hier bewusst: Unsere Gesellschaft könnte ohne die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht existieren. Dafür möchte ich mich recht herzlich bedanken!

Mit diesem Gesetz werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass gerade ehren­amtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier aktiv dabei sein können. Sie brauchen aber eine Schulung, um diese Fahrzeuge lenken zu können.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich davon überzeugt, dass die­se Novelle dazu beiträgt, die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen. Sie trägt aber auch


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 78

dazu bei, Mensch zu sein in einer Gesellschaft, in der man einander in sehr vielen Be­reichen helfen und einander unterstützen soll. Wir werden diesen Beschluss sehr gerne mittragen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.58.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss gestehen, beim ersten Anblick war ich etwas verwundert, warum wir einen Tagesordnungspunkt mit einer Änderung der StVO, des Führerscheingesetzes und des Kraftfahrgesetzes haben, und dann noch einmal eine Änderung des Führer­scheingesetzes. Prinzipiell würde ich mir wünschen, dass wir jeweils ein Gesetz mit ei­nem Tagesordnungspunkt ändern.

Das ist ein Wunsch an das Christkind. Ich sage Ihnen als Wunsch meinerseits, dass es einfach schön wäre, wenn wir nicht immer, sagen wir, fünf Gesetze gleichzeitig ändern würden, sondern eben jedes einzeln, sodass man über jedes einzeln abstimmen könn­te. Es ist aber kein Drama, wenn die Änderung des Führerscheingesetzes auf zwei Ta­gesordnungspunkte aufgeteilt ist, es ist mir nur aufgefallen, dass das sehr eigenartig ist.

Wir werden beiden Vorlagen zustimmen. Sie enthalten zum Teil Verbesserungen, bei manchen Dingen werden wir aber erst sehen, ob das Verbesserungen sind, zum Bei­spiel bei dieser Taxi-Regelung. Wenn da steht, das Taxi darf im Bereich fünf Meter vor der Kreuzung kurz halten, dann bin ich gespannt, als wie lange „kurz“ ausgelegt wird. Es wird möglicherweise ein Polizist vor Ort sein und entscheiden, ob eine ältere Frau, eine jüngere Frau oder ein Mann aus dem Taxi kurz oder lang aussteigt und wie lange „kurz“ ist.

Was mich auch noch ein bisschen irritiert, ist, dass das auch für Mietwagen gelten sollte. Ich bin jetzt glückliche Carsharerin, so trifft es vielleicht auch mich, wenn ich mit dem gemeinsamen Auto unterwegs bin. Ich werde es aber wahrscheinlich nicht benö­tigen. Ich denke, auch mit einem Mietwagen wird man diese Regelung nicht brauchen, aber gelten soll sie für alle.

Was ich aber als gewisses Risiko sehe in diesem Bereich, ist, dass es zwar heißt, man darf nicht auf einem Schutzweg, aber vor einem Schutzweg halten. Bei nächtlichen Situationen kann ich mir schon vorstellen, dass es, wenn es da zu Überholmanövern kommt, etwas gefährlich sein könnte in diesem Bereich. Aber man wird die Regelung testen und sehen, was dabei herauskommt.

Es ist auch positiv zu beurteilen, dass der Transport von frischen Lebensmitteln jetzt näher definiert ist, damit man ihn auch besser kontrollieren kann. Warum die Leerfahr­ten zum Transport von frischen Lebensmitteln zählen, das ist mir nicht ganz klar, aber es ist einmal ein Fortschritt, dass das näher definiert ist.

Ein Punkt, der unserer, der meiner Meinung nach zu wenig ausgebaut ist, ist das Pro­blem der Raser und Raserinnen. Es sind hauptsächlich Raser. Es gibt jetzt eine neue Möglichkeit: dass der Führerscheinentzug bis sechs Monate ausgedehnt werden kann. Aber wenn jemand mit 90 km/h im Ortsgebiet zu schnell unterwegs ist oder 100 km/h außerhalb des Ortsgebietes, dann ist das nicht nur rasen, dann ist das extrem rasen. Und ich denke, Menschen, die so etwas machen, müsste man nicht nur sechs Monate den Führerschein wegnehmen, sondern das Auto, denn sie benützen das Auto als Waf­fe. Ein solcher Fall ist etwa, wenn einer mit 90 km/h zu viel durchs Ortsgebiet düst.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 79

Selbiges gilt für den Sicherheitsabstand. Wenn nur ein Sicherheitsabstand von 0,2 Se­kunden gehalten wird, wo ein solcher von 2 Sekunden vorgeschrieben ist, dann be­nutzt man in diesem Fall das Auto als Waffe.

Mir wäre es wichtig, dass man auch im Bereich der Nicht-Extremraser entsprechende Maßnahmen setzt. Es gibt ja auch die Alltagsraser, die immer 20 bis 30 km/h schneller fahren, als man darf, denn es gibt ja die Messtoleranz et cetera et cetera. Ich sage jetzt nicht, dass man gleich langfristig den Führerschein wegnehmen muss, aber man sollte in diesem Bereich zumindest auch bewusstseinsbildende Maßnahmen setzen. Gerade für junge Leuten ist das einfach ganz normal. Das Schnellfahren ist nun einmal die häufigste Unfallursache in diesem Lande. Wir müssen daran arbeiten, dass die Ös­terreicherinnen und Österreicher diese runden Tafeln mit Zahlen darauf nicht immer als Angabe der Mindestgeschwindigkeit sehen, sondern als Höchstgeschwindigkeitsbegren­zung.

Ich erlebe es derzeit selbst immer wieder, da mein Kind gerade den „L 17“ macht, wie das so ist, wenn man sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen hält und wie dann an­dere Autofahrerinnen und Autofahrer oft reagieren, selbst wenn man das „L“ hinten drinnen hat. Da geht es wirklich noch um sehr viel Bewusstseinsbildung, vielleicht gerade in dem Fall, wenn man einmal eine Tempoüberschreitung feststellt, und zwar nicht um 90 km/h, sondern auch im niedrigeren Bereich, anzusetzen und zu sagen, man muss jetzt Maßnahmen setzen, damit die Leute verstehen, dass das gefährlich ist, dass das kein Kavaliersdelikt ist. Dann würde ich auch dem Herrn Kollegen Hensler recht geben, dass das Sicherheitsbewusstsein wächst. Derzeit habe ich leider diesen Eindruck nicht. (Beifall bei den Grünen.)

13.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Grimling. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.03.08

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die unter den Tagesordnungspunkten 6 und 7 angeführten Gesetzesbeschlüsse des Natio­nalrates enthalten eine Reihe von Neuregelungen, die in den Bereich des österreichi­schen Kraftfahrrechtes, in die Straßenverkehrsordnung 1960, ins Führerscheingesetz und ins Kraftfahrgesetz eingebunden werden sollen.

Mir ist völlig klar, dass schon sehr viel erwähnt worden ist. Daher möchte nur zwei, drei Punkte herausgreifen. Ich verspreche, das Führerscheingesetz werde ich nicht mehr er­wähnen.

Nach eingehenden Beratungen im Verkehrsausschuss des Nationalrates liegen nun­mehr die teils auf einen Initiativantrag, teils auf eine Regierungsvorlage zurückgehen­den textlichen Änderungen dieser Gesetze vor, die eine Fülle von detaillierten Verbes­serungen für die Sicherheit aller VerkehrsteilnehmerInnen beinhalten, zum Beispiel Straf­verfolgung bei Verstößen von ausländischen VerkehrsteilnehmerInnen sowie Erleichte­rungen für die Ausbildung von FahrerInnen von Feuerwehren und Rettungsorganisationen.

Ferner werden die Bestimmungen für Lebensmitteltransporte und deren Kontrolle auf der Straße durch die Straßenaufsichtsorgane neu gefasst. In der Straßenverkehrsord­nung 1960 soll es Taxis künftig erlaubt sein, im sogenannten 5 Meter-Kreuzungsbe­reich, außer im Bereich von Schutzwegen und Radfahrerüberfahrten, kurz anhalten zu dürfen, um Fahrgäste aus- beziehungsweise einsteigen lassen zu können, sofern keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entsteht. Andererseits sollen Taxis, die be­reits bisher Busspuren befahren dürfen, den für den Busverkehr vorgesehenen Spu­rensignalen unterworfen werden, unabhängig von den für den Individualverkehr vorge­sehenen Verkehrslichtsignalanlagen.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 80

Bei der Kontrolle der Straßentransporte von leichtverderblichen Lebensmitteln soll eine Aufzählung der betroffenen Produkte und Produktgruppen die Beurteilung durch die Straßenaufsichtsorgane erleichtern, ob das transportierte Gut dem Sinn des Gesetzes entspricht.

Das Kraftfahrgesetz 1967 wird durch die Bestimmungen ergänzt, wonach Anfragen ausländischer Behörden nach den Halterdaten automationsunterstützt abgewickelt wer­den können, und zwar nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit, sofern sich eine solche Verpflichtung aus Gemeinschaftsrecht oder anderen zwischenstaatlichen Vereinbarun­gen ergibt.

Ferner werden die Bestimmungen über die Zusatzausbildung für bestimmte Kraftfahr­zeuglenker präzisiert.

All diese Neuregelungen erscheinen sinnvoll und geeignet, den Anforderungen des stei­genden Verkehrsaufkommens und dem Sicherheitsbedürfnis aller Verkehrsteilnehme­rInnen nachzukommen. Ich schlage daher vor, der Bundesrat möge den vorliegenden Gesetzentwürfen zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Kainz. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.07.18

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Ta­gesordnungspunkte, die wir jetzt behandeln, stehen ganz im Zeichen der Verkehrssi­cherheit. Es sollen hier die Anhebung von Strafen bei Raserei, Erleichterungen im Ta­xigewerbe, eine Präzisierung beim Transport von frischen Lebensmitteln und der soge­nannte Feuerwehrführerschein beschlossen beziehungsweise verändert werden, Be­schlüsse, die ein Mehr an Verkehrssicherheit einerseits bringen, und zum Zweiten wer­den damit auch langjährige Forderungen auch der Rettungsorganisationen, und hier ganz speziell auch der Feuerwehren, umgesetzt.

Gezielte Maßnahmen bringen Erfolg, bringen ein Mehr an Verkehrssicherheit. Ich habe mir die Homepage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit angesehen, speziell etwas, was heute selbstverständlich ist, nämlich das Anlegen der Gurte. Als 1984 Gurte anle­gen zur Pflicht wurde, gab es im Jahr darauf, 1985, um 317 Verkehrstote weniger.

Diese Maßnahme ist heute eine Selbstverständlichkeit. Wir legen eigentlich bei allen unseren Fahrten die Sicherheitsgurte an, manche vielleicht bei kurzen Strecken noch nicht. Da ist vielleicht auch noch ein Mehr an Information notwendig.

Aber was möchte ich damit sagen? – Maßnahmen, die 1984 und auch schon 1983 zu massiven Diskussionen geführt haben, sind heute eine Selbstverständlichkeit. Und hier gibt es gute andere Beispiele von Maßnahmen auch aus der jüngeren Vergangenheit, die auch eine deutliche Reduktion der Zahl von Verletzten und auch Toten bewirkt haben:

1.3.2003: Einführung der Mehrphasenausbildung beim Führerschein.

1.7.2005: Einführung des Vormerksystems, oder mit 15.12.2005 die Einführung der Alko-Vortestgeräte.

Das alles bietet die Möglichkeit auch für unsere Exekutive, die hervorragenden Dienst zum Wohle der Bevölkerung tut, ihren Dienst auf Basis guter gesetzlicher Bestimmun­gen, aber auch mit guten technischen Möglichkeiten versehen zu absolvieren, und das hat natürlich auch wesentliche Auswirkungen auf das Unfallgeschehen. Die Unfall­bilanz des ersten Halbjahres 2010 ist äußerst erfreulich. Es ist in den Unfallbilanzen ein stetiger Rückgang zu erkennen. Wenn wir bedenken, dass wir 1961 1 640 Getötete im


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 81

Straßenverkehr hatten und 2009 633, muss man feststellen, das ist eine Erfolgsbilanz, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist auch eine Erfolgsbilanz für all jene, die hier auch federführend Verantwortung getragen haben, und meiner Meinung nach letztendlich auch ein gutes Beispiel dafür, dass Politik Arbeit am Menschen und für den Menschen ist, und dass Politik auch Veränderungen der Situation und neue Erkennt­nisse entsprechend berücksichtigen soll, ja muss, damit der Gewinner der Mensch ist, der Gewinner jener ist, der hier geschützt werden soll.

Ich möchte hier noch einmal auf den positiven Trend dieser Verkehrsstudie hinweisen, der sich auch im Jahr 2010 fortsetzt, nämlich einen Rückgang um rund 15 Prozent bei der Zahl der Verkehrstoten. Ich denke, dadurch kann Leid verringert werden.

Es gibt da je nach Bundesland sehr unterschiedliche Situationen. Das Burgenland führt hier mit minus 54 Prozent. Ich denke, das ist insgesamt schon auch ein Beispiel dafür, dass sich die Verkehrsmaßnahmen der letzten Jahre jetzt auch niederschlagen.

Ich möchte zum Zweiten auch auf das Thema Feuerwehrführerschein eingehen, weil ich denke, dass das eine ganz, ganz wichtige Maßnahme ist, um jenen, die freiwillig Dienst an der Bevölkerung, freiwillig Dienst an den Mitmenschen tun, auch aufgrund der derzeitigen Situation die optimalen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu geben.

Eine Regelung, die schon lange gefordert wurde, einerseits vom Präsidenten des Ös­terreichischen Bundesfeuerwehrbandes und Präsidenten des Niederösterreichischen Landesfeuerwehrverbandes, meines Präsidenten Buchta, und auch des für Niederös­terreich zuständigen Feuerwehrlandesrates Stephan Pernkopf, um auf die geänderte Situation zu reagieren, bezieht sich darauf, dass wir im Bereich der C-Fahrer eine Er­höhung des Anforderungsprofils an Lkw-Chauffeure gestellt haben, andererseits kommt durch die Veränderung der Ausrüstungsgegenstände, durch das Mehr an technischen Ausrüstungen natürlich auch mehr Gewicht zustande. Daher ist das Fahren dieser Fahr­zeuge nur mit C-Führerschein möglich, aber es besteht nun die Möglichkeit, solche Fahr­zeuge bis 5,5 Tonnen aufgrund einer Zusatzausbildung lenken zu dürfen.

Gerade die Feuerwehren und Rettungsorganisationen nehmen die Ausbildung in den eigenen Reihen sehr, sehr ernst. Natürlich gibt es das tolle Angebot der österreichi­schen Fahrschulen, aber gerade in punkto Verkehrssicherheit sind gerade auch die Frei­willigen Feuerwehren jene, die eine sehr, sehr strenge Ausbildung durchführen, und das ist wirklich auch etwas, wofür aufrichtig zu danken ist.

Die Zahlen jener, die in Österreich für Sicherheit sorgen, sind beeindruckend. Wir haben in Österreich 4 860 Feuerwehren. Rund 250 000 Männer und Frauen stellen sich frei­willig in den Dienst der Sache, stehen sozusagen freiwillig zur Verfügung, um anderen in Notsituationen zu helfen. Es sind rund 37 000 Brände zu löschen oder 180 000 tech­nische Einsätze zu leisten.

Hierfür brauchen wir auch die notwendigen gesetzlichen Vorgaben. Ich glaube, Öster­reich kann sehr stolz auf dieses Freiwilligensystem sein. Blicken wir doch in andere Länder! Denken wir etwa daran, dass es zum Beispiel in Amerika, dass es bei der Su­permacht Amerika nach dieser Hurrikan-Katastrophe in New Orleans Tage gedauert hat, bis Einsatzkräfte vor Ort waren! Da sind wir mit unserem System der Freiwilligen Feu­erwehren vor Ort besser aufgestellt.

Und hier auch ein mahnendes Wort an jene Politikerinnen und Politiker, die glauben, Feuerwehren soll man zusammenlegen. Das halte ich für grob fahrlässig! Ich glaube, eine bessere Kooperation ist durchaus zu diskutieren, aber dieses System mutwillig zu zerschlagen, halte ich für grob fahrlässig. Gerade das Beispiel New Orleans ist für mich ein sehr, sehr prägnantes, denn bei uns wäre es undenkbar, meine sehr geehrten Da­men und Herren, dass es Tage dauert, bis zu irgendeinem Einsatzort, egal in welchem entlegenen Tal in Österreich, Einsatzkräfte kommen.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 82

Deswegen danke auch dafür, dass eine langjährige Forderung mit diesem Feuerwehr­führerschein erledigt wird. Ich freue mich auch deshalb, weil ich selber seit mehr als 28 Jahren aktiv bei der Freiwilligen Feuerwehr in Pfaffstätten tätig bin, und ich weiß da­her, wie engagiert die Kameraden sind und wie notwendig sie das brauchen.

Wozu ich Sie, sehr geehrte Frau Bundesminister, aber noch einladen möchte: Wir be­schließen heute zwar den Gesetzestext, aber es fehlt noch etwas ganz, ganz Wesentli­ches, dass diese Maßnahme auch in der Praxis greift, nämlich die dafür zuständige und notwendige Verordnung. Wir sind als Feuerwehrleute gewöhnt, Dinge rasch umzu­setzen. Ich weiß schon, dass man alles in entsprechender Qualität diskutieren muss, aber ich darf Sie wirklich ersuchen, die notwendige Verordnung zu erlassen, damit die­ser Gesetzesbeschluss dann in der Praxis vollzogen werden kann und wir ihn zum Wohle unserer Feuerwehrmitglieder und zum Wohle und zur Sicherheit der Bevölke­rung auch umsetzen können.

Ich weiß, dass die Feuerwehrmitglieder auf diese Gesetzesänderung warten, aber sie sind andererseits auch bereit, diese Verantwortung auf sich zu nehmen, mit einem B-Füh­rerschein auch ein 5,5 Tonnen schweres Löschfahrzeug zu fahren.

Ich möchte abschließend noch drei andere Punkte ansprechen, die wir sehr intensiv diskutieren sollten, weil das auch Maßnahmen sind, die zur Verkehrssicherheit beitra­gen. Das ist einmal die Rettungsgasse. Hier gibt es jetzt, glaube ich, sehr aktuell, eine Studie, die diese Möglichkeit positiv bewertet. Ich denke, hier sind die Grundlagen da. Andererseits geht es auch um die Sicherheit von Radfahrern und den Ausbau der Kon­trolldichte. Frau Bundesminister Fekter hat ja zugesagt, weitere tausend BeamtInnen einzustellen. Ich glaube, Verkehrssicherheit erkennt man nicht daran, wie viele Anzei­gen es gibt, sondern daran, dass schweren Delikte auch wirklich bestraft werden. Und hier ist die Kontrolldichte eine ganz, ganz wesentliche Voraussetzung.

In diesem Sinne ist es alles in allem ein großes Paket mit mehr Verkehrssicherheit. Dan­ke nochmals auch im Namen der Freiwilligen Feuerwehren für den Feuerwehrführer­schein! Ich denke, wir können diesem Gesetzesbeschluss mit Fug und Recht und aus voller Überzeugung zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Grei­derer das Wort.

 


13.16.36

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr viel über das Thema gesagt worden. Daher nur kurz: Da ich selber seit 22 Jahren eine Fahr­schule betreibe und seit sieben Jahren Fachvertreterin der Tiroler Fahrschulen und auch Stellvertreterin im Bundesgremium bin, habe ich doch viel mit diesen Themen zu tun und möchte das Ganze von dieser Seite her kurz beleuchten.

Auch die Fahrschulen finden diese Regelung gut. Gerade die Fahrschulen im dezen­tralen Bereich decken da ja sehr viel wichtige Arbeit ab. Es ist bei den Blaulichtorga­nisationen, wenn nur das Gewicht sozusagen die Hürde ist, sicher überzogen, den C1- oder C-Schein zu fordern, weil das mit Kosten und Zeit verbunden ist. Wie wir gehört haben, ist es sehr schwierig, heutzutage ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter zu finden. Daher ist durchaus zu unterstützen, dass auch mit dem B-Führerschein diese Leistung erbracht werden kann.

Im ersten Entwurf sind ja ursprünglich nur die Feuerwehren drinnen. Die haben ja die Landesfeuerwehrschulen und haben bereits die Kompetenzen, diese Ausbildung zu machen. Ein bisschen überrascht hat die Bundessparte der Fahrschulen, dass dann


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 83

plötzlich die Rettungsorganisationen und auch die Polizeifahrzeuge dazukommen, wo­bei wir aber sagen, das ist generell gut.

Was mir fehlt, ist, wie Kollege Kainz schon gesagt hat, die Verordnung. Wenn es hier heißt, dass die Rettungsorganisationen Bestätigungen ausstellen können, und vor Aus­stellung einer solchen Bestätigung ist eine interne theoretische und praktische Fahr­prüfung zu absolvieren, können wir uns jetzt noch nicht recht vorstellen, wie das ablau­fen soll. Wer prüft da? Wer hat dort die Kompetenz, die Ausbildung zu machen? Da hätten wir gerne noch etwas detailliertere Informationen gehabt.

Wir kommen den Blaulichtorganisationen sehr entgegen, weil, wie ich schon erwähnt habe, im dezentralen Bereich die Freiwilligen ja gar nicht die Möglichkeit haben, die Ausbildung zu machen. Es gibt ja nur in den Landeshauptstädten oder irgendwo im Land zentral eine Landesfeuerwehrschule, und wir haben schon sehr oft mit Sonder­ausbildungen zu einem günstigen Preis und in Kooperation mit der Landesfeuerwehr­schule Ausbildungen angeboten.

Es ist sicher der C1-Führerschein fast schon gleich aufwendig wie der C-Führerschein, zeitmäßig und was die Prüfung angeht. Ich weiß aus der Praxis, dass viele nicht bereit sind, diese Prüfung zu machen. Sie sagen: Lieber nicht fahren! Aber es kann doch nicht sein, dass bei Einsätzen ein Mangel an Fahrern besteht. Deswegen finden wir das auch sehr gut. Und auch auf uns kann man zählen, wenn unsere Kompetenz in diesen Be­reichen gefragt ist.

Noch etwas wollte ich ganz kurz zu Ihnen, Frau Kollegin Kerschbaum, sagen, weil Sie vorher die Regelung bei den Taxis erwähnt haben, dass die innerhalb des Fünf-Meter-Bereiches vor Schutzwegen parken dürfen. Das ist eben explizit nicht da drinnen, es sind nur die Kreuzungsbereiche gemeint, denn vor Schutzwegen wäre das ja viel zu gefährlich, wenn man die Sicht auf den Schutzweg ... (Bundesrätin Kerschbaum: ... auf Schutzwegen nicht, aber nicht vor Schutzwegen, das hat mich irritiert!) Nein, für mich ist es eigentlich eindeutig formuliert.  Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­ten der SPÖ.)

13.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte, Frau Ministerin.

 


13.20.49

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich über die breite Zustimmung zu den beiden Vorlagen – egal ob das jenes Paket ist, das wieder für mehr Verkehrssicherheit sorgen soll, nämlich die Maßnahmen gegen Extremraser, oder die Einführung des Feuerwehr- und Rettungsführerscheins. Man hat ja fast ein bisschen das Gefühl, die vorweihnachtliche Stimmung trägt auch dazu bei, dass man da wirklich eine gemeinsame Vorgangs- und auch Sichtweise entwickelt hat. Aber ich habe diesen Ein­druck auch schon bei den letzten Paketen gehabt, nämlich dass es ein hohes Verant­wortungsbewusstsein bei Maßnahmen gibt, bei denen es um mehr Verkehrssicherheit geht.

Heute liegt also ein Paket zur Beschlussfassung vor, das Maßnahmen gegen Extrem­raser vorsieht. Dazu muss man sagen, dass dies nach wie vor die häufigste Unfallursa­che ist. Jeder dritte Unfall, der sich in Österreich ereignet, hat Rasen im Straßenver­kehr als Ursache. Ich glaube, das ist allemal Grund genug, dass wir uns noch einmal angesehen haben, welche konkreten Schritte wir setzen können, um klar zum Aus­druck zu bringen, dass das kein Kavaliersdelikt ist.

Ich glaube, dass die Regelung, die wir jetzt gefunden haben, eine gute Lösung ist ähnlich, wie das bei den Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer gelungen ist. Diesbe­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 84

züglich gibt es ebenfalls eine Regelung, die die Dauer des Führerscheinentzugs von der Höhe der Überschreitung der Promillegrenze abhängig macht. So ist analog dazu nun auch bei Extremrasern eine Staffelung des Führerscheinentzugs vorgesehen. Je höher die Überschreitung ist – und ich rede da nicht von ein paar km/h zu viel, sondern tatsächlich von extremem Rasen , desto länger ist der Führerschein weg.

Das ist auch deshalb sinnvoll, weil wir aus Untersuchungen des Kuratoriums für Ver­kehrssicherheit wissen, dass neben der Geldstrafe als Sanktionsmöglichkeit der Ent­zug des Führerscheins vergleichsweise eine noch viel deutlichere Wirkung hat. Und genau darum geht es uns ja, wir wollen eine positive Bewusstseinsänderung bei den Autolenkern hervorrufen. In diesem Fall brauche ich es nicht einmal gendern: Es sind über 90 Prozent männliche Autofahrer, die dieses Delikt des Rasens mit dem Auto be­gehen und daher von diesen Maßnahmen betroffen sind.

Im Bereich der Verkehrssicherheit ist es mir auch wichtig zu betonen, dass wir diese klaren gesetzlichen Regelungen, die ja deutlich Wirkung zeigen, ebenso brauchen wie regelmäßige Kontrollen. Ein Gesetz ist nur so gut, wie es auch kontrolliert wird, und daher erfolgt die Kontrolle und Einhaltung der gesetzlichen Regelungen immer in enger Abstimmung mit der Innenministerin.

Ein anderer Punkt, der mir sehr wichtig ist, ist, betrifft die Tatsache, dass es eine ge­sellschaftliche Akzeptanz für gesetzliche Regelungen im Straßenverkehr braucht. Also wenn wir Gesetze machen, die als Schikane empfunden werden, und wenn wir Ge­setze machen, die so streng sind, dass jeder gleich sozusagen mit einem Fuß eine Ge­setzesüberschreitung begeht, dann macht das auch keinen Sinn. Aber, wie gesagt, das Paket, das heute vorliegt, wird gemeinsam mit verstärkten Kontrollen auf Österreichs Straßen folgende Voraussetzungen erfüllen: klare gesetzliche Regelungen, die kontrol­liert werden, und eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz.

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt, der mir wichtig ist – und das passt auch zur Frage, wie die gesellschaftliche Akzeptanz von rechtlichen Regelungen ist –, zu spre­chen kommen, und zwar, dass es nicht verstanden wird, wenn es zwei Gruppen von Autofahrern gibt: die einen, die bei einem Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden, und die anderen, die sozusagen freigehen. Daher enthält die Vorlage auch einen Passus, wonach es auch eine stärkere und effiziente Strafverfolgung von auslän­dischen Autofahrern in Österreich geben wird. Das haben wir in dieses Paket auch noch verstärkt aufgenommen  neben Maßnahmen, die wir schon gesetzt haben, wie der Frontfotografie und der Anhebung der Bagatellgrenzen bei den Strafen.

Um überhaupt eine Strafverfolgung im Ausland zu ermöglichen, werden wir jetzt zu­sätzlich aufnehmen, dass bei Anhaltung von rasenden ausländischen Verkehrslenkern das Fahrzeug sichergestellt wird, bis der Lenker zur Verantwortung gezogen wird. Das heißt, es wird eine Art Beschlagnahmung des Fahrzeuges geben. Ich glaube, das ist auch deshalb wichtig, weil man, unabhängig davon, woher man kommt, zur Verantwortung gezogen werden muss, wenn man sich auf Österreichs Straßen gefährdend verhält und gegen die gesetzlichen Regelungen verstößt.

Ich freue mich darüber hinaus, dass es endlich gelungen ist, auch auf europäischer Ebene einen wirklichen Schritt weiterzukommen, indem wir mit einem EUCARIS-Sys­tem, also einem Datenaustauschsystem, nicht mehr das Problem haben, dass wir aus­ländische Lenkerdaten so lange nicht bekommen, bis das sozusagen verjährt ist und man dann wieder einer Strafverfolgung entgeht, sondern dass es zu einem ganz ra­schen Austausch aller notwendigen Daten mit diesem europäischen Datensystem kommt, welches wir in Österreich implementieren wollen.

Lassen Sie mich zum Abschluss in aller Kürze noch Folgendes sagen weil all dem, was Sie hier in die Debatte eingebracht haben, was den Feuerwehr- und Rettungsfüh­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 85

rerschein betrifft, ist eigentlich nichts hinzuzufügen –: Ich glaube, es ist gut, dass wir jenen Organisationen, die tagtäglich Hilfe leisten, auch die Unterstützung zukommen lassen, die sie für ihre Tätigkeit brauchen. Zum Glück wird bei den Rettungen und auch bei den Feuerwehren die Ausstattung immer besser, gleichzeitig wird sie aber auch im­mer vielfältiger und damit möglicherweise auch immer schwerer. Auf diese Entwicklung reagieren wir, und ich freue mich, dass wir mit dieser Regelung für die Feuerwehr und für die Rettung  es gibt nur für Cobra-Einsatzkräfte noch eine Ausnahme, weil die auch mit schweren Geräten fahren  nun auch den Helfern helfen können.

Eine interne Ausbildung muss es geben, weil es natürlich im Bereich der Verkehrs­sicherheit einen Unterschied macht, ob ich mit einem Fahrzeug mit 3,5 t oder mit 5 oder 5,5 t unterwegs bin. Da sind wir aber in enger Abstimmung mit den Blaulichtor­ganisationen, und ich glaube, dass wir auch in dieser Frage eine sehr gute Regelung fin­den werden.

Was die notwendige Verordnung betrifft: Es kann keine Verordnung erlassen werden, bevor ein Gesetz in Kraft getreten ist. Daher freue ich mich auf die, glaube ich, einstim­mige Beschlussfassung heute hier, was zur Folge hat, dass die natürlich fertige und vorbereitete Verordnung in den nächsten Tagen, somit nach Beschlussfassung, in Be­gutachtung gehen kann und es zu keinerlei Zeitverzögerung kommt, weil mir das auch ein wirklich wichtiges Anliegen ist.

Abschließend bedanke ich mich bei Ihnen allen. Viele – die Blaulichtorganisationen, VertreterInnen über alle Parteigrenzen hinweg – haben daran mitgewirkt. Ich glaube, dass wir wirklich ein gutes Paket, nämlich Hilfe für Blaulichtorganisationen und Maßnah­men für mehr Verkehrssicherheit, verabschieden können.  Herzlichen Dank. (Allge­meiner Beifall.)

13.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. No­vember 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsord­nung 1960 (StVO 1960) und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz ge­ändert wird (13. FSG-Novelle).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit eben­falls angenommen.

13.29.388. Punkt

Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2009
(III-413-BR/2010 d.B. sowie 8427/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 86

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. – Ich bitte um den Bericht.

 


13.29.49

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Der Bericht über den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2009 liegt uns in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 den Antrag, den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH – Eisenbahnregulierung 2009 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stadler. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.30.33

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es liegt uns heute der Bericht der Schienen-Control GmbH 2009 vor. Es ist mittlerweile schon der vierte seiner Art, seit Bestehen der Eisenbahnregulierungsstelle. (Präsident Preineder übernimmt den Vor­sitz.)

Ich möchte eingangs namens meiner Fraktion erwähnen, dass wir den Bericht positiv zur Kenntnis nehmen werden. Frau Bundesministerin, ich bitte dich, einen herzlichen Dank an diejenigen weiterzuleiten, die zum Erscheinen dieses umfangreichen und in­formativen Berichtes beigetragen haben.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, warum diese positive Kenntnisnahme und der herzliche Dank? – Einerseits können wir uns über die positive Arbeit der Schienen-Control informieren, andererseits gibt der jährlich erscheinende Bericht Aufschluss über die Entwicklung des Schienenverkehrs mit all seinen Veränderungen. Das ist si­cher für uns alle sehr wichtig und von besonderer Bedeutung, haben wir doch als poli­tische Entscheidungsträger eine gewisse Verantwortung für die zukünftige Verkehrspo­litik. Da ist uns der Bericht sicher eine Hilfestellung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte wirklich nur kurz drei Punkte dieses Berichtes ansprechen. Der Bericht ist ja allen zugegangen und es wird sicher jeder Interessierte den Bericht durchgelesen oder durchgearbeitet haben. Die drei Bereiche, die ich ansprechen möchte, sind mir persönlich sehr wichtig.

Im Jahr 2009 gab es auch im Bereich Eisenbahnverkehr mehrere interessante Ent­wicklungen. Natürlich hat auch besonders die Wirtschaftskrise, die bereits Ende 2008 spürbar war, 2009 einen negativen Höhepunkt erreicht, und dies hatte natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf den Güterverkehrsmarkt.

Weiters trat Ende 2009 die Fahrgastrechteverordnung unmittelbar in Kraft – das ist ein Teil des dritten Eisenbahnpaketes der EU –, und außerdem brachte eine Novellierung des Bundesbahngesetzes die Verschmelzung von ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG und ÖBB-Infrastruktur Bau AG zur neuen ÖBB-Infrastruktur AG. Diese ÖBB-Infrastruktur AG hat es ja schon einmal gegeben. Warum war das wieder notwendig? Da hat es ja – soweit ich mich erinnern kann, und da werde ich nicht der Einzige sein – vor ein paar Jahren, glaube ich, eine sinnlose Umstrukturierung mit politischem Hintergrund gege­ben. Da hat man jetzt wieder dagegen gearbeitet, Gott sei Dank, und diese wieder in eine ÖBB-Infrastruktur AG zusammengefasst.

Kurz zur Marktentwicklung: Die aktuelle Wirtschaftskrise, wie ich schon gesagt habe, hat leider auch ihren Niederschlag im Schienengüterverkehr gefunden. Das war vor


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 87

allem durch den Rückgang beim Transport spürbar, bei den Massengütern für die Grundstoffindustrie. Der Schienengüterverkehrsmarkt nahm gegenüber dem Jahr 2008 um etwa 20 Prozent ab. Besonders betroffen war da natürlich der Marktführer ÖBB, die Rail Cargo Austria. Der Marktanteil von Privatbahnen, die das Schienennetz der ÖBB nutzen, hat sich 2009 gegenüber dem Vorjahr, dem Jahr 2008, leicht erhöht. Bei der Güterbeförderung betrug er 2009 ungefähr 17 Prozent, was eine Steigerung um 7 Pro­zent bedeutet.

Was bedeutet das in der Praxis und warum will ich das auch kurz ansprechen? Ich will nicht sagen, dass die privaten EVUs der ÖBB-RCA Marktanteile wegnehmen, dass ei­nem als jahrzehntelangem ÖBBler da vielleicht auch noch die Tränen kommen. Aber es gibt da eine Entwicklung, weil diese Marktanteile nur vom Ganzzugsverkehr kom­men. Das heißt, die privaten EVUs machen es sich da ein bisschen leichter und führen nur Ganzzüge. Die Bedienung der Anschlussbahnen, wie wir sagen: der Quellverkehr, verlangt arbeitsintensive und personalintensive Tätigkeiten.

Um die muss sich auch wer kümmern, und das ist die ÖBB oder das bleibt die ÖBB. Das ist, wie eingangs schon gesagt, für mich keine positive Entwicklung, denn dadurch wird es für die ÖBB, besonders für die Rail Cargo Austria, immer schwieriger, diesem von allen Seiten immer geforderten und gewünschten Auftrag nachzukommen, diese An­schlussbahnen und diesen Quellverkehr zu bedienen.

Wir haben ja schon den Vorstoß beziehungsweise die Überlegungen des Vorstands­direktors Kern gehört, dass es schon 2011, im kommenden Jahr, zu Veränderungen kommt, denn es ist natürlich klar, dass man in einem Unternehmen wie der RCA die­sen Quellverkehr, diese Anschlussbahnen hat und diese intensiven Leistungen durch die Ganzzugsverkehre finanziert, wo man sich das Geld leichter verdient. Wenn das immer mehr wegbricht, dann wird es natürlich für die andere Seite schwieriger. Das ist, wie gesagt, für mich keine positive Entwicklung.

Im Bereich Personenverkehr wurden im Jahr 2009 zirka 234 Millionen Fahrgäste und zirka 2,2 Millionen Züge befördert. Davon befördert der ÖBB-Personenverkehr 88 Pro­zent, private EVUs befördern 12 Prozent der Fahrgäste. Da gab es zum Berichtszeit­raum 2008 fast keine Veränderungen.

Geschätzte Damen und Herren, 2009 wurde, ich habe es schon erwähnt, als Teil des dritten Eisenbahnpaketes der EU die Verordnung über Rechte und Pflichten der Fahr­gäste in Kraft gesetzt. Innerstaatlich wurde auf Initiative unserer Frau Bundesministerin gemeinsam mit den Sozialpartnern ein Entschädigungsmodell für Jahreskartenbesitze­rinnen und -besitzer gesetzlich festgeschrieben. Das ist eine von vielen Maßnahmen, die den Bahnverkehr für die Zukunft noch attraktiver machen soll. Bei allen Maßnah­men – das kann man aus dem Bericht auch herauslesen –, die getroffen wurden, stan­den immer Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, bestes Service und zügiges Vorankommen im Vordergrund. Das ist natürlich für die Entwicklung des Personenverkehrs Vorausset­zung und unumgänglich.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es gäbe sicher noch viele Punkte, die man zum vorliegenden Bericht, aber auch zur Entwicklung des Schienenverkehrs ansprechen könnte. Viele der einzelnen Themen werden wir sicher auch in Zukunft noch diskutie­ren. Dabei werden uns, um eine sachliche und konstruktive Diskussion führen zu kön­nen, die Jahresberichte der Schienen-Control immer hilfreich zur Seite stehen. Deshalb nochmals herzlichen Dank für die Erstellung des Berichtes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.38


Präsident Martin Preineder: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Junker zu Wort.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 88

13.38.42

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2009 ist für den österrei­chischen Schienenverkehr ein Jahr wichtiger Weichenstellungen gewesen. Es sind zahl­reiche Maßnahmen getroffen worden, damit Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und bestes Service den Bahnverkehr für die Fahrgäste sowie für die verladende Wirtschaft in Zu­kunft noch attraktiver machen.

Der Bericht hält fest, dass der Höhepunkt der Wirtschaftskrise sich 2009 auch auf den Güterverkehrsmarkt ausgewirkt hat. Es wird auch festgehalten, dass Österreich als Transitland nicht nur vom Wirtschaftswachstum in Österreich, sondern auch von jenem der Quell- und Zielländer abhängig ist. Ende 2009 trat auch die EU-Fahrgastrechtever­ordnung als Teil 3 des Eisenbahnpakets der EU in Kraft, die ja auch wir im Bundesrat beschlossen haben.

Ich darf ganz kurz auf die Inhalte eingehen: erstens die Öffnung des grenzüberschrei­tenden Schienenpersonenverkehrs, zweitens die Richtlinie für den europäischen Lok­führerschein, drittens die Verordnung über die öffentlichen Personenverkehrsdienste, und viertens die Verordnung über die Fahrgastrechte.

In dieser Verordnung wurde die Rechtsposition der Fahrgäste gestärkt, insbesondere sind nun Entschädigungen bei Verspätungen geregelt – die werden sich heute nieder­schlagen, denn heute ist kein Zug pünktlich angekommen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) 2009 wurden von der Schlichtungsstelle 154 Beschwerdefälle verzeichnet, die überwie­gend den Personenverkehr beim Branchenführer ÖBB betrafen. Anlass der Beschwer­den waren am häufigsten Fahrgeldnachforderungen und Verspätungen.

Die Schlichtungsstelle ist bestrebt, die einzelnen Beschwerden zum Anlass für grundle­gende Verbesserungen für alle Fahrgäste zu nehmen. Das sieht man auch im Zusam­menhang mit den Baustellen: Die ÖBB verhandeln – da sie Branchenführer sind – jetzt wesentlich schneller mit den Parteien, seien es Gemeinden, die Bevölkerung oder auch die Politik. Also die Schlichtungsstelle bewirkt schon einiges, denn auch bei den ÖBB wird darauf eingegangen.

Die internationale Zusammenarbeit der Regulierungsbehörde wurde 2009 weiterge­führt, wobei ihre Institutionalisierung angestrebt wird. Der Konflikt mit dem Zusammen­schluss der europäischen Infrastrukturbetreiber RailNetEurope konnte 2009 beigelegt werden.

Im Bericht wären noch ganz viele interessante Bereiche, vor allem auch den Bereich über die Kalkulationen der Schienenstrecken mit dem Güterverkehr und dem Personal­verkehr. Es ist sicher ganz interessant, das zu vergleichen, aber da ich aus Tirol kom­me, möchte ich doch aktuelle Zahlen aus meinem Bundesland bringen. Anfang Okto­ber wurde der Bericht über die Rollende Landstraße vorgelegt. Ich glaube, der ist hoch erfreulich, und dass man das im Bundesrat auch berichten sollte.

Die Bilanz der ROLA-Transporte am Brenner zeigt am Ende des dritten Quartals weiter nach oben. Mit rund 185 000 beförderten Lkw-Einheiten waren um 17 700 – oder 10,6 Prozent – mehr Lkw auf der umweltfreundlichen Bahn unterwegs als im Ver­gleichszeitraum des Vorjahres. Insgesamt verkehren auf der Brennerachse täglich 54 ROLA-Züge auf drei verschiedenen Relationen. 38 Züge fahren von Wörgl bis Bren­nersee, zehn von Wörgl nach Trient, und sechs von Regensburg nach Trient.

Eine steigende Kundenzufriedenheit zeigt auch die vorliegende aktuelle Auswertung ei­ner Fahrgastbefragung. Über 500 Lkw-Fahrer aus 22 Nationen wurden an den ROLA-Terminals beziehungsweise im Zug befragt. Die Kernbotschaft: 83 Prozent würden die ROLA weiterempfehlen. Über 50 Prozent nutzen am liebsten die langen ROLA-Stre­cken, also von Regensburg beziehungsweise von Wörgl nach Trient. Die Gesamtzu­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 89

friedenheit hat sich – wenn man es in einer Schulnote ausdrücken möchte – von 2,7 auf 2,3 verbessert. Positiv schneiden das Personal und die neuen Liegewagen ab, aber klares Verbesserungspotenzial gibt es bei der Parkplatzsituation in Wörgl. Sie wurde mit 3,4 benotet, also in Wörgl müssen noch Verbesserungen gemacht werden.

Der Marktanteil der ROLA am gesamten Transitverkehr von schweren Lkw über den Brenner lag 2009 bei erfreulichen 15 Prozent – eine Steigerung von 5 Prozent gegen­über dem Jahr 2008. In Summe stehen jeden Tag über 1 000 Lkw-Stellplätze auf den 54 Zügen der ROLA zur Verfügung. Das sektorale Fahrverbot in Tirol, das seit Juli in der Stufe 4 in Kraft ist, sowie die umfassenden Maßnahmen im Marketingbereich und die gute Zusammenarbeit mit den Transportunternehmen und Agenturen sind die Grün­de für die hohe Auslastung.

Im heurigen Jahr stellt Ökombi eine Stellplatzkapazität von 300 000 Lkw-Plätzen für die ROLA am Brenner auf die Schiene. Jeder Lkw, der für den Transit durch Tirol auf die ROLA umsteigt, erspart der Bevölkerung entlang der ROLA-Linie einen CO2-Ausstoß zwischen 56 und 326 Kilo pro Fracht. Bei der heuer erwarteten Beförderungsmenge von zirka 250 000 Lkw ergibt sich in Summe allein am Tiroler Streckenabschnitt eine Ersparnis von 20 000 Tonnen CO2. Damit leistet die ROLA einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes im Luftsanierungsgebiet Inntal.

Daraus ersieht man, wie wichtig der Brenner-Basistunnel wäre, wenn wir ihn verwirkli­chen könnten. Wie ich ja schon vorhin erwähnt habe, steht auch in Tirol die 130 Jahre alte Brennerbahn zur Reparatur bereit, und diese 26 Kilometer, die 2012 dann saniert werden sollen, werden doch wieder einiges an Schwierigkeiten bringen.

Ich denke doch, dass es sehr wichtig wäre, wenn Österreich hinter dem Brenner-Basis­tunnel stehen würde, denn dann haben auch wir in Tirol, in der Inntalfurche, die Luft, die wir gerne als Tourismusland verkaufen wollen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und FPÖ.)

13.46


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


13.46.41

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kollegin Junker! Ich hoffe, ihr verkauft uns dann die saubere Luft aus dem Inntal nach Niederösterreich, weil wir gar nicht so unähnliche Pro­bleme haben.

Dem Schienen-Control-Bericht werden wir natürlich wieder zustimmen. Er ist wie im­mer sehr interessant und umfassend. Ein paar Bereiche möchte ich kurz herausstrei­chen.

Weil Herr Kollege Stadler das Rosinenpicken – gerade im Güterverkehr – angespro­chen hat: Es gibt auf Seite 62 einen interessanten Beitrag darüber, wie das mit dem Zugang zu Schienenfahrzeugen ist. Ich habe auch schon von anderen Privatbahnbe­treibern gehört, dass es nicht so einfach ist, von den ÖBB etwas zu kaufen, ein älteres Fahrzeug, damit man es einsetzen kann – eben nicht auf langen Strecken, sondern um diese punktuellen Einsätze, für die diese Fahrzeuge noch geeignet sind, zu übernehmen.

Also offenbar sind sich da die ÖBB ein bisschen selber im Weg, weil sie manche Stre­cken selber nicht bedienen wollen, auf der anderen Seite aber auch ein bisschen unwil­lig sind, eine Strecke abzugeben und jemanden anderen bedienen zu lassen. Das ist an und für sich eine Sache, die ohnehin schon lange spruchreif ist und immer wieder angesprochen wird, wobei sich leider offenbar nichts ändert.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 90

Gerade was den Güterverkehr betrifft, gab es in den letzten Tagen doch etwas Aufre­gung – zumindest bei uns in der Region, aber ich glaube, das hat sich über das ganze Land gezogen –, weil mehr oder weniger angekündigt wurde, dass einige Verlade­bahnhöfe und Verladestellen entweder innerhalb von zwölf Tagen teurer werden – und zwar viel teurer –, oder geschlossen werden, was natürlich ein Wahnsinn ist für die Betroffenen. Sie rechnen damit, dass sie ihre Güter – bei uns in Ernstbrunn sind es Kalk oder Erdäpfel – verladen können, und dann müssen sie innerhalb von zwölf Ta­gen die Pläne ändern und schauen, wie sie sie woanders hinbringen. Also das ist mei­ner Meinung nach eine Sache, bei der ich inzwischen auch die Schienen-Control GmbH immer wieder erwähne und den Leuten sage: Bitte beschwert euch, das könnt ihr euch so nicht gefallen lassen!

Die Rail Cargo hat natürlich Probleme, aber für die Probleme, die die Rail Cargo der­zeit hat, sind nicht die zuständig oder verantwortlich, denen jetzt der Verladebahnhof gesperrt wird. Ich denke, es wäre ganz, ganz wichtig, dass man im Eisenbahnbetrieb – es ist auch im Personenverkehr oft der Fall – nicht sagen sollte: Okay, jetzt ist die Frequenz geringer, dann bieten wir halt weniger an, und wenn wir weniger anbieten, dann brauchen wir wieder weniger Frequenz, weil die Leute dann nicht fahren, weil sie mit drei Zügen nicht durchkommen.

Damit zum Angebot im Personenverkehr. Im Bericht steht: „Das Verkehrsangebot stieg um 12 Prozent.“ Mir ist allerdings nicht ganz erklärlich, wie man auf diese 12 Prozent kommt, weil es auf den nächsten beiden Seiten um Angebotsverbesserungen und An­gebotsreduzierungen geht, und das hält sich in etwa die Waage. Ich habe nur erfahren, dass es zumindest in Niederösterreich auch im Jahr 2009 eher einen Überhang der Angebotsreduzierungen gab.

Ich denke da jetzt ans Waldviertel, wo eben dieses Spielchen immer wieder gespielt wird: Wir bieten weniger Züge an, weil ihr fahrt ja ohnehin nicht, und wenn weniger Züge fahren – nur mehr zwei, drei pro Tag und der letzte um 17 Uhr –, dann können die PendlerInnen ihn einfach nicht mehr benutzen. Ein gutes Angebot an schienenge­bundenem öffentlichem Verkehr ist einfach ganz wichtig für eine Region, auch für
die Erschließung, damit die Leute pendeln können, ohne dass sie sich ins Auto setzen müssen.

Ein anderer Punkt, den ich noch gerne kurz anreißen möchte, ist das Interview mit dem Herrn Wehinger bezüglich der WESTbahn Management GmbH, also diese teilweise Bedienung der Westbahnstrecke durch einen privaten Anbieter. Wir haben es im Aus­schuss kurz angesprochen: Prinzipiell ist es natürlich erfreulich, wenn sich Privatbahn­anbieter finden, die Strecken bedienen, wenn der Bedarf da ist.

Meine Sorge ist aber, dass – wenn man zwei Anbieter auf einer Strecke hat wie in die­sem Fall – wahrscheinlich die Ermäßigungskarten nur bei einem gelten werden – also Vorteilscard, Jahresnetzkarte. Ich werde mir aussuchen müssen, mit wem ich fahre oder nicht fahre. Wenn es einen zweiter Anbieter gibt, ist zu befürchten, dass die ÖBB sagen: Gut, dann fahren wir nicht so oft. – Man hat eine Jahresnetzkarte, fährt jeden Tag von Wien nach St. Pölten – wie wird das geregelt?

Das ist jetzt mehr oder weniger erstmalig ein Sprung ins kalte Wasser auf der West­bahn, aber ich wünsche mir wirklich, dass man sich etwas einfallen lässt, wie man das für die KundInnen und die PendlerInnen gut lösen kann. Bei uns in St. Pölten gibt es zum Beispiel den Wiesel-Bus – wir haben halt keinen schienengebundenen öffentli­chen Verkehr, wir machen alles mit dem Bus in Niederösterreich –, aber wenn man mit dem Wiesel-Bus fährt, kann man sich sämtliche ÖBB-Ermäßigungen irgendwo hinste­cken, weil sie nichts bringen. Man zahlt Länge mal Breite, wenn man einmal mit dem Wiesel-Bus fährt und sonst mit dem Zug. Ich wünsche mir wirklich, dass bei der Frage, wie man das „handlen“ kann, auch an die PendlerInnen gedacht wird.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 91

Mein letzter – aber für mich eigentlich der wichtigste – Punkt: Es wird ganz kurz in die­sem Bericht angeschnitten, dass 2010 in Niederösterreich zahlreiche Regionalbahnen der ÖBB an das Land verkauft wurden. Ich hoffe, dass die Schienen-Control GmbH sich künftig intensiv damit beschäftigen wird – und vielleicht auch das Ministerium –, weil der Ablauf dieser Übernahme durch das Land derartig von Unregelmäßigkeiten ge­prägt war – sagen wir es einmal so, dann ist es ganz freundlich ausgedrückt.

Abgesehen davon, dass man zuerst einmal einen Vertrag abgeschlossen hat und dazu einen Sideletter – und diesen Sideletter hat es gegeben –, in dem drinsteht, welche Strecken künftig geschlossen werden. Also man kauft sich die Strecken und macht ei­nen zweiten Vertrag, in dem man vereinbart, dass sie dann zugesperrt werden.

Auf allen Ebenen, bei denen wir angefragt haben, wurde geleugnet, dass es diesen Sideletter gibt. Inzwischen – man braucht offenbar auch in Österreich WikiLeaks – ist er doch veröffentlicht worden. Inzwischen kann man sich auch dazu bekennen, aber anfangs hat es geheißen, wir retten jetzt die Bahn in Niederösterreich. Der Sideletter, in dem es heißt, wir sperren alles wieder zu, ist leider etwas untergegangen.

Dazu kommt, dass die NÖVOG an sich nicht die Konzession hat, um diese Bahnen auch zu betreiben – sie hat meines Wissens nur eine Konzession für die Schneeberg­bahn –, dass dann die Übernahme dieser Strecken ausgeschrieben wurde. Es gab auch Angebote, und dann wurde von der NÖVOG beurteilt, diese Angebote könnten in Wirklichkeit nicht wirtschaftlich sein, nur weil sie billiger sind als das Angebot der ÖBB. Insofern wäre es wirklich wichtig, dass man den Landeshauptmann nicht ganz allein walten lässt, sondern dass es hier auch eine Kontrolle gibt, weil die Pendlerinnen und Pendler in manchen Bereichen und auf vielen Strecken in Niederösterreich deshalb lei­der inzwischen auf der Strecke bleiben.

Was uns auch wichtig ist: Diese Stilllegungsbescheide stellt im Prinzip das Ministerium aus, und beim Ministerium muss auch nachgewiesen werden, dass diese Strecken nicht betriebswirtschaftlich geführt werden können. Ich möchte darauf hinweisen, dass es Angebote für diese Strecken gab, und dass Privatbahnanbieter schon meinten, diese Strecken betriebswirtschaftlich führen zu können. Mir wäre es wichtig, dass sich das BMVIT auch diese Angebote genau anschaut, bevor es diesen Bescheid aus­stellt – ich hoffe, Sie haben ihn noch nicht ausgestellt –, und dass sich vielleicht auch die Schienen-Control GmbH diese Angebote anschaut.

Auch der Rechnungshof könnte sich das Ganze einmal anschauen, was da läuft, bevor man ernsthaft darangeht und sagt, man macht aus all diesen Schienen – wie es der Herr Landeshauptmann bei uns plant – Radwege, wobei die Schienen herausgerissen werden, damit man nie wieder darauf fahren kann. Das ist ein wirklich wichtiges und dringendes Anliegen der niederösterreichischen Pendlerinnen und Pendler. Wir hatten erst vor Kurzem diesbezüglich eine Protestaktion.

Die Leute vor Ort, die angewiesen sind auf die Bahn, sind jetzt ganz entsetzt, wie denn das alles so einfach, so rasch und schnell zugesperrt werden kann. Und wir kriegen dann diese tollen Busse, die man noch schneller abdrehen kann als die Schiene. (Bei­fall der Bundesrätin Dr. Kickert.)

13.55


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 92

13.55.429. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz über eine Transparenzdatenbank (Transparenzdatenbankgesetz – TDBG) (940 d.B. und 1000 d.B. sowie 8418/BR d.B. und 8428/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Todt. Ich bitte um den Bericht.

 


13.55.54

Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über das Transparenzda­tenbankgesetz liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zum An­trag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Martin Preineder: Danke für den Bericht.

Zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich Herrn Staatssekretär Dr. Lopatka recht herz­lich begrüßen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein.

 


13.56.50

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Das zur Beschlussfassung stehende Trans­parenzdatenbankgesetz ist ein Synonym für die Ideen- und Mutlosigkeit der österrei­chischen Bundesregierung. Die ursprüngliche Idee, die von der ÖVP gekommen ist, ein offenes Transferkonto einzurichten, war sehr sinnvoll, und dem hätten wir auch unsere Zustimmung sicher nicht verweigert. Was leider daraus geworden ist – das muss man ehrlich sagen –, spottet jeder Beschreibung.

Diese Transparenzdatenbank ist ein klassisches Gesetzesopfer eines rot-schwarzen Abtauschgeschäfts. Sie haben sich hier vom Koalitionspartner weit über den Tisch zie­hen lassen. Das Tauschgeschäft hat geheißen: Wenn ihr mir die Mindestsicherung gebt, dann kriegt ihr die Transparenzdatenbank.

Man muss ehrlich sagen, bis dann die Details ausgearbeitet wurden – weil die Diskus­sion schon einige Zeit dauert –, hat man ein bisschen herumgestritten, hat es ein biss­chen Beamten-Mikado gegeben. Übrig geblieben ist ein skelettiertes Gesetz, ein politi­scher Torso, der keine Transparenz bringen wird, dafür ein Mehr an Bürokratie, ein Mehr an Verwaltungsaufwand und ein Mehr an Kosten.

Spannend ist im Übrigen auch, dass es während der Begutachtungsphase keine einzi­ge positive Stellungnahme zu diesem Gesetz gegeben hat. So haben es sowohl der Fi­nanzminister als auch die SPÖ verabsäumt, die rund 200 verschiedenen Transferleis­tungen, die es in dieser Republik gibt, in Einklang zu bringen. Wir haben jährlich ein Gesamtvolumen von 78 Millionen €, das vergeben wird, und anstelle das wirklich trans­parent zu machen und der Öffentlichkeit darzulegen, haben Sie mit diesem Gesetz einen zahnlosen Tiger ins Leben gerufen. Da kann sich dann Maxi Müller zuhause am PC anschauen, was er an Transferleistungen bekommt. Das sollte er aber im Vorhinein ohnehin wissen.

Warum man das im Endeffekt so gelöst hat, das entzieht sich leider unserer Kenntnis. (Bundesrat Todt: Kennen Sie das Datenschutzgesetz?) – Ja, natürlich kenne ich das Datenschutzgesetz, aber unabhängig davon (Bundesrat Todt: Na, dann halten Sie sich daran!) – Schauen Sie, ich bin als Politiker nicht dazu da, immer nur zu hören, was


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 93

nicht geht, sondern ich bin als Politiker dazu da, Sachen möglich zu machen. Wenn Sie so eingeschränkt sind in Ihrer Gestaltungsfähigkeit und in Ihrem politischen Gestal­tungswillen, dann ist das Ihre Sache, meine Sache ist das nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir kennen bisher die gesamten Kosten für diese Datenbank nicht. Wir wissen, dass jetzt einmal 1,6 Millionen € Einrichtungskosten budgetiert sind und rund 2,5 Millionen € jährliche Betriebskosten. Was wir auch wissen über das Gesetz – da können Sie sich vielleicht zu Wort melden und ein bisschen darauf eingehen (Bundesrat Todt: Bin Berichterstatter!) –: Es ist interessant, dass es bisher noch überhaupt keine Vernet­zung mit den Bundesländern gibt. Es gibt keine Vernetzung mit den Sozialversiche­rungsträgern. Vielleicht fällt das auch unter das Datenschutzgesetz, aber wenn das al­les nicht möglich ist, dann sollte man das Gesetz von Haus aus lassen, denn so hat es überhaupt keinen Sinn.

Im Übrigen darf man daran erinnern, dass es eine Entscheidung des Europäischen Ge­richtshofs gibt, wonach EU-Förderungen künftig auch nicht mehr veröffentlicht werden dürfen; das heißt, die fallen auch aus diesem Gesetz heraus und sind daher auch nicht mehr aus der Transparenzdatenbank ablesbar.

Ich habe eingangs gesagt, dass dieses Gesetz ein Synonym für diese Regierung ist, und zwar sowohl was die Entstehungsgeschichte als auch was das Ergebnis betrifft. Das ist so wunderbar, da gibt es die Ankündigung, dass man ab 1. Jänner 2011 in Ver­handlungen mit den Ländern treten wird, damit man dann vielleicht doch noch die Län­derförderungen auch mit in diese Datenbank hineinbekommt und man vielleicht doch eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern ausverhandeln kann.

Offenbar, das war zumindest den Berichterstattungen zu entnehmen, geht man vonsei­ten der Koalition ohnehin davon aus, dass das nichts wird bei den Länderverhandlun­gen, denn man hat gleich nachgeschossen und gesagt: Wenn das nichts wird, dann werden wir spätestens im Juni ein Bundesverfassungsgesetz beschließen, durch das wir quasi die Länder dazu verpflichten, dass sie uns die Daten offenlegen.

Wenn man sich das anschaut, geht es offensichtlich wirklich nur darum, dass der Bund einen bequemen Zugriff auf die Daten der Länder hat, und es geht im Endeffekt gar nicht um eine Hilfestellung für den Bürger, wie es eigentlich sein sollte.

Es ist bezeichnend, wenn man schon von Haus aus mit dieser Einstellung in einen Ge­setzentwurf geht, wobei man sich nicht wundern muss, denn wenn man sich in Erin­nerung ruft, was sich in den letzten Wochen die Länderchefs teilweise der Bundesfüh­rung beider Koalitionsparteien ausgerichtet haben, dann zeigt das ja schon die „gute“ Stimmung, die da zwischen Bund und Ländern herrscht: Da richten die roten Landes­kaiser dem Bundeskanzler aus, dass sie eigentlich doch ganz gerne Studiengebühren hätten. Der Bundeskanzler sagt dann: Nein, kommt nicht in Frage. Bei der ÖVP wiede­rum weiß man auch nicht genau, wie man sich aus der Frage der Gesamtschule he­rauswinden soll.

Unter diesen Vorzeichen steht auch die Gesetzgebung in diesem Staat und in dieser Republik, und unter diesen Vorzeichen ist natürlich auch dieses Gesetz entstanden. So ein Gesetz ist im Endeffekt nichts anderes als Mist. Das werden Sie spätestens dann merken, wenn Sie einen Datenfriedhof ins Leben gerufen haben, der kaum genutzt werden kann und für die Nutzung, für das, wozu er eigentlich vorgesehen ist, nämlich um Transparenz zu schaffen, nicht tauglich ist.

Es gäbe Alternativen dazu. Natürlich, wenn man sich nicht traut, ein Transferkonto zu schaffen, das offen und transparent ist, dann wäre es vielleicht notwendig, dass man einmal eine anständige, ordentliche Verwaltungsreform macht mit einer gründlichen Neuverteilung von Kompetenzen, mit Pflichten und Neuverteilung von Leistungen. Das könnte viele Milliarden Euro jedes Jahr sparen. Aber Sie haben sich dafür entschieden,


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 94

einen Register- und einen Datenbankdinosaurier zu schaffen, der kein einziges Büro­kratieproblem lösen wird.

Die Umgestaltung der österreichischen Verwaltung ist ohnehin einer der wichtigsten Punkte, der diese Republik in den nächsten zehn Jahren noch beschäftigen wird. Das erfordert natürlich Bereitschaft – Bereitschaft, sich zu bewegen bei vielen liebgewonne­nen und über Jahrzehnte hin aufgenommenen Notwendigkeiten. Man kann keine Ver­waltungsreform machen, wenn man nicht bereit ist, sich in Sachen Hoheitsrechte zu bewegen. Man kann keine Verwaltungsreform machen, wenn man nicht bereit ist, die­sen Bundesstaat neu zu organisieren; das wird es nicht spielen, und das wird nicht funk­tionieren.

Dass so etwas theoretisch möglich ist, hat das Beispiel Dänemark gezeigt. Die haben das relativ erfolgreich abgewickelt und dadurch auch sehr viel Geld einsparen können. Das wäre natürlich auch für die Republik Österreich eine Vorlage, zu der man sagt: Das könnte man machen, so könnten wir es probieren.

Dieser Gesetzentwurf, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Stückwerk. Er schaut aus, als wäre er auf der Spielwiese des Finanzministers entstanden. Er wird die notwendige Verwaltungsreform unter keinen Umständen ersetzen können.

Das, was Sie hier aufführen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koali­tion, hat mit Politik nichts mehr zu tun, das erinnert an Kabarett. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf auch ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.04


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ham­merl.

 


14.04.20

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jenewein, Sie haben hier ganz kurz, aber doch, glaube ich, mit Absicht diesen Vorschlag des Gesetzes zerredet.

Meine Damen und Herren! Noch einmal konkret: Es geht der Bundesregierung darum, durch das Bundesrechenzentrum eine Transparenzdatenbank im Internet einzurichten. Es ist keine Frage, diese Transparenzdatenbank kann von Bürgern abgefragt werden, und hier ist nicht der gläserne Bürger gefragt, sondern der Bürger selber entscheidet, und niemand sonst kann in diese Datenbank einsehen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das geht am Zweck vorbei!)

Meine Damen und Herren! Bei der Diskussion zur Beschlussfassung des Transparenz­datenbankgesetzes im Nationalrat ist schon vieles an Problemen, die wenig mit dem Gesetz zu tun haben, abgeladen worden. Auch von Ihrer Fraktion, Herr Kollege Jene­wein, ist dieses Gesetz schon zerredet worden.

Man merkt, meine Damen und Herren, dass Transparenz, die von vielen immer voll­mundig in den Mund genommen wird – auch von Ihrer Fraktion –, dann doch nicht ge­wollt wird, oder nur eine Transparenz in Bereichen, wo man sie zu brauchen glaubt,
um seine politischen Interessen zu verfolgen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrä­tin Mühlwerth.)

Dabei ist dieses Gesetz, wie es Finanzminister Pröll bei dieser Diskussion schlicht und einfach genannt hat, der Einstieg in das richtige System in Österreich. Die Demokratie und die Verwaltung, meine Damen und Herren, brauchen Transparenz, um funktio­nieren zu können. Das gilt besonders vor dem Hintergrund unseres Sozialstaates. Die Leistungen, die der Sozialstaat erbringt, müssen nämlich schlicht und einfach auch vom Steuerzahler – keine Frage – finanziert werden. Hier Klarheit darüber zu schaffen, wie viel jeder einbringt, wie viel jeder herausbekommt, ist eine Forderung der Gerech­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 95

tigkeit. Ohne diese Klarheit kommt es nur zu leicht zu Unmut über die Beiträge, die ge­leistet werden müssen, weil doch immer der Verdacht aufkeimt, dass ich der Dumme bin, der zu viel zahlt, und den anderen wird das Geld nachgeworfen.

Man braucht nur zu bedenken, von welchen Summen der Unterstützung von Migranten beispielsweise in der Öffentlichkeit ausgegangen wird. (Weiterer Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.– Auch Ihre Partei. Sie kommen immer mit riesigen Summen, die in Österreich für Migranten ausgegeben werden.

Jeder von uns wird schon einmal, meine Damen und Herren, E-Mails bekommen ha­ben, in denen solche Berechnungen angestellt werden. Um solchen Verdächtigungen zu entgehen, natürlich auch um Missstände abzustellen, muss Transparenz geschaffen werden, gerade weil der Unmut meist auf den Rücken der Ärmsten abgeladen wird.

Zudem bedarf es einer Bewusstseinsbildung darüber, wie viele Transferleistungen von öffentlichen Stellen erbracht werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hier geht am Zweck vorbei!) Es muss uns bewusst gemacht werden, wie viel öffentliches Geld Einzelne wie auch Organisationen beziehen, um ihren Alltag einrichten zu können, so wie das heute – keine Frage – gemacht wird.

Es wird eine Überraschung für viele sein – Frau Kollegin, auch für Ihre Fraktion –, wenn sie ihren Kontoauszug sehen. Sie hätten nicht vermutet, was hier alles an öffentlichen Leistungen und Forderungen einfließt.

Meine Damen und Herren, zweifellos ist das vorliegende Gesetz in diesem Zusam­menhang nur ein Einstieg in das System, da noch nicht alle Ebenen in diese Daten­bank, wie Sie bemerkt haben, einbezogen worden sind. Das Bild ist bis heute nicht voll­ständig.

Natürlich ist auch zu bedenken, dass mit Transparenz auch Neid geweckt werden kann. Aber dazu muss man zwei Dinge wissen: Erstens gedeiht Neid am besten auf dem Bo­den von Vermutungen und nicht von Fakten, und zweitens erlaubt dieses neue Gesetz den Zugriff auf die Daten in der nicht anonymisierten Form nur dem jeweilig Betroffenen.

Wie sich bei der Offenlegung der Förderungen für die landwirtschaftlichen Betriebe ge­zeigt hat, war die befürchtete Neidgesellschaft nicht die Folge. Allerdings hat die Re­aktion der EU auf diese Offenlegung gezeigt, dass wir in Bezug auf den Datenschutz auch in Zukunft vorsichtig sein müssen.

Aber öffentliches Geld, das bezogen wird, bedarf immer einer Begründung und Ver­antwortung. Damit bin ich bei einem weiteren Punkt, warum dieses Gesetz ein Einstieg in das richtige System ist.

Der Sozialstaat, meine Damen und Herren, nimmt von zwei grundlegenden Einsichten seinen Ausgangspunkt: Einmal davon, dass der Mensch auf den anderen und die Ge­meinschaft hin angelegt ist, er also der Unterstützung der anderen und der Gesell­schaft bedarf. Auf der anderen Seite ist der Mensch aber auch fähig, sich selbst zu hel­fen und sein Leben selbst zu gestalten.

Solche Leistungen müssen also in einer Weise erfolgen, dass die Möglichkeiten der Einzelnen, sich selbst zu helfen, gefördert werden. Das ist der Punkt. Hilfe muss als Anstoß zur Selbsthilfe und zur Ermöglichung dieser gestaltet werden. Vor diesem Hin­tergrund müssen auch die sozialen Leistungen gesehen werden.

Meine Damen und Herren! In Österreich sind Milliarden Euro an Transferleistungen aus verschiedenen Bereichen unterwegs. Niemand konnte bislang nachvollziehen, woher und in welchem Ausmaß diese Transferleistungen fließen. Wir brauchen in Zukunft das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit und der Treffsicherheit. Wir haben nie das beste System erreicht, sondern es bedarf der dauernden Entwicklung – auch mit diesem Sys­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 96

tem. Aber auch der Einzelne erfährt durch die Transparenzdatenbank bei Ansuchen für Förderungen große Erleichterungen.

Abschließend möchte ich kurz anmerken: An der Einrichtung eines Transferkontos beziehungsweise der Transparenzdatenbank führt in Zukunft kein Weg vorbei. Egal, ob die gesamtstaatliche Umverteilungspolitik stärker in Richtung Leistungs- oder Vertei­lungsgerechtigkeit reformiert werden soll, jede faktenbasierte Politik muss an einer bes­seren Datengrundlage interessiert sein.

Ich danke allen Damen und Herren, die heute mit diesem Gesetz mitgehen. Für uns ist es ein Meilenstein, und wir gehen mit Freude mit diesem Entwurf mit. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.10


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert.

 


14.10.39

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Trotz dieser fulminan­ten Vorrede und der Beschreibung des Meilensteins muss ich Ihnen trotzdem meine Einschätzung zu diesem vorliegenden, beschlossenen Gesetz darlegen.

In meinen Augen – tut mir leid – ist es im Status quo ein Murks. Es mag ja mögli­cherweise der Regelungsinhalt noch halbwegs klar erscheinen, auch die Ziele, aber in Wirklichkeit sind sowohl technische als auch politische und sogar noch organisatori­sche Fragen offen. Das Ziel sollte, wie Sie gesagt haben Herr Kollege Hammerl, Offen­heit und Transparenz sein. Daraus folgend – auch wieder ein Ziel – mit Controlling eine Erhöhung der Effizienz bei der Vergabe jedweder Form von Förderung zu erreichen.

Nur: Dieses Ziel wird einfach mit dem, was wir hier vorliegen haben, in keiner Weise erreicht. (Bundesrat Mayer: Es ist aber ein erster Schritt!)  Ja, man kann auch erste Schritte besser machen. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.) Man muss nicht mit einem ersten Stolperer Murks beginnen und dann darauf hoffen, dass man aus einem Meilenstein – einem Murksmeilenstein – später vielleicht wieder etwas macht, denn es ist außer Arbeitsbeschaffung für uns selber wahrscheinlich nicht sehr viel.

Kollege Jenewein hat schon angesprochen, dass es tatsächlich keine einzige annä­hernd positive Rückmeldung aus dem Begutachtungsverfahren gegeben hat. Ich möchte nun einige eigentlich erschütternde Rückmeldungen kurz zitieren, zum Beispiel aus der Industriellenvereinigung:

Allerdings bestehen auf Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfes erhebliche Zwei­fel, ob die Zielsetzung, nämlich Controlling-Instrument, vorhandene Doppelförderungen zu analysieren, tatsächlich erreicht werden kann. Insbesondere die zum Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens – also in wenigen Wochen – nicht gegebene Einbeziehung der Leistungen der Bundesländer wie auch der nicht gestattete Zugriff von leistenden Stel­len auf die Transparenzdatenbank stehen im offenen Widerspruch zu den Zielsetzun­gen des Gesetzes. – Zitatende.

Ein bisschen vernichtend, würde ich sagen.

Der Städtebund:

„(...) Ziel war die Vermeidung von Doppelförderungen und die Schaffung von mehr Transparenz in diesem Bereich. Das Ziel scheint jedoch mit dem gegenständlichen Entwurf nicht erreicht zu werden.“ (Bundesrätin Mühlwerth: Genau so ist es!)

Und dann die Länderstellungnahme aus der Steiermark, immerhin das Land aus dem Sie (in Richtung Staatssekretär Dr. Lopatka) kommen:


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 97

„Seitens des Landes Steiermark kann weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für den Bund der Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung gänzlich erkannt werden.“

Da waren sie ja noch freundlich, weil sie das „gänzlich“ erwähnt haben.

Die wesentlichste Krux ist auf dieser organisatorischen Ebene, dass in der Datenbank oder im sogenannten Portal die Daten nur anonymisiert – das wäre vielleicht nicht ein­mal das Problem –, aber andererseits aggregiert, also zusammengefasst, ausgewertet werden können. Daher sind sowohl Mehrfachförderungen für Unternehmen für die För­dergeberInnen nicht erkennbar und allfällige unzulässige, mehrfach bezogene Sozial­leistungen ebenfalls nicht nachvollziehbar; also weder für die eine noch für die andere Seite.

Sie haben gesagt: Wir wollen Transparenz nur bei denen, bei denen wir es vielleicht politisch haben wollen. – Nein, wir wollen in irgendeiner Weise eine nachvollziehbare Transparenz, und die ist damit keinesfalls gegeben.

Auch die Darstellung von Sachleistungen erscheint – na ja – nicht als Meilenstein. Da bin ich mit dem Begriff „Murks“ wirklich viel näher, weil eine Darstellung von Sachleis­tungen, wie zum Beispiel für die Schulkosten oder für die Gesundheitsausgaben, die dann irgendwie Pi mal Daumen pauschaliert werden, wird meiner Meinung nach zu ziemlich absurden Ergebnissen führen.

Zu den angesprochenen Kosten: Die hier dargestellten Kosten werden sicherlich nicht einmal annähernd dafür ausreichen, was gebraucht wird. Ich bringe nur einen Ver­gleich, und vielleicht hinkt der Vergleich, aber er ist nicht uninteressant. Die Kosten der Tierdatenbank der AMA und der Statistik Austria zum Beispiel belaufen sich jährlich auf 7,5 Millionen € bei ungefähr 5,5 Millionen Meldungen im Jahr. Wir haben ein bisschen mehr als acht Millionen EinwohnerInnen, und ich denke, mindestens eine Meldung oder mehr als das wird es für diese Datenbank brauchen. Also kann es sich mit 2,5 Mil­lionen € für den Betrieb bei mehr als acht Millionen Meldungen wohl kaum ausgehen; also eine ziemliche Milchmädchenrechnung. Da sind die Kosten der Länder und Ge­meinden noch überhaupt nicht dabei. Ebenso wenig, wie es für die Einbindung der Da­ten der Länder und Gemeinden irgendwelche Standards gibt.

Das Wort „Tauschgeschäft“ ist schon gebracht worden, aber auch bei Tauschgeschäf­ten wünsche ich mir eigentlich, dass die beiden handelnden Personen ein bisschen da­rüber nachdenken, was sie beim Tausch eintauschen und was sie dafür erhalten. In diesem Fall ist das Ergebnis des Geschäftes echt – wie soll ich sagen? – deprimierend. Ich muss sagen, so einem Pfusch kann ich beim besten Willen nicht einmal auch nur annähernd meine Zustimmung geben.

Daher werde ich ganz sicherlich ablehnen. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

14.16


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrat Ebner.

 


14.16.56

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Im Gegensatz zu meiner Vorred­nerin würden wir sagen, dieses Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es wird immer bei Gesetzen ein Pro und ein Kontra geben. Wir werden immer wieder Gesetze finden, bei denen es Lücken gibt, die man ausnützen wird und auch kann.

Wir finden, mehr Transparenz in Förderungen sind wir unseren Bürgerinnen und Bür­gern, den Steuerzahlern schuldig.

In diese Datenbank sollen alle Förderungen dieser Transferzahlungen eingebracht wer­den, sowohl aus dem Sozialbereich als auch, Gott sei Dank, aus dem landwirtschaftli­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 98

chen Bereich und aus dem Wirtschaftsbereich. Außerdem sollen die steuerlichen Er­leichterungen für Konzerne und Stiftungen darin erfasst werden. Also alle Leistungen der öffentlichen Hand, die gewährt werden, sollen in dieser Datenbank in einer Über­sicht zu finden sein.

Wer hat nun Zugriff auf diese Datenbank? – Wir haben schon einiges darüber gehört. In erster Linie sind es die betroffenen Bürger, die diesen Zugriff erhalten und die diese Daten abfragen können. Es wird aber auch sein, dass die Regierung die Möglichkeit hat, mit anonymen Auswertungen diese öffentlichen Leistungen systematisch zu erfas­sen; Daten zu erfassen, um einerseits Doppelförderungen zu erkennen und anderer­seits diese auch zu beseitigen. Die Transparenzdatenbank dient der Speicherung der mitgeteilten Leistungen.

Das Transparenzportal dient der Darstellung der Leistungen und des Einkommens der Leistungsempfänger. Es gibt dazu auch Studien. Studien zeigen, dass etwa 2 bis 4 Prozent der sozialen Leistungen unberechtigt bezogen werden. Möge der eine oder andere denken, das ist ein sehr geringer Prozentsatz und warum muss deshalb eine Datenbank eingerichtet werden. – Ich denke, jede unrechtmäßig bezogene Förderung soll und muss dokumentiert sein und gehört auch gesetzlich unterbunden.

Jedoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch interessant, dass zirka 20 Pro­zent der Sozialleistungen, auf die jemand Anspruch hat, allerdings auch nicht abgeru­fen werden.

Wenn man sich die Daten des Wirtschaftsforschungsinstitutes zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Österreich vom Februar dieses Jahres genauer anschaut, so ist bemerkenswert, dass bei 15,5 Milliarden € Förderungen im Jahr kurzfristig ein Ein­sparungsvolumen von zirka 850 Millionen € möglich wäre. Das ist doch eine sehr gro­ße Summe. Ein Einsparungsvolumen, durch das der Arbeitsmarkt oder das Wirt­schaftswachstum auch nicht beeinträchtigt wären.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung der Effizienz der Verwaltung ist neben der transparenten Datenbank auch die eingeforderte Bundesstaatsreform, die Einsparungen in der Höhe mehrerer Milliarden Euro jährlich bringen könnte. Im Zuge dieser Bundesstaatsreform besteht auch die Möglichkeit, den bisherigen Wildwuchs an Subjektförderungen auf ihre Effizienz, Treffsicherheit, Aktualität und Angemessenheit zu überprüfen.

Wir finden, ein wesentlicher Bestandteil einer derartigen Konsolidierung muss eine kla­re und konsequente Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips sein. Jede Leistung soll aus­schließlich auf der den Bürgern nächstgelegenen, angemessenen Ebene erbracht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Ländervertreterin möchte ich auf einen Punkt hinweisen, der noch nicht vollständig abgeklärt wurde. Da die Länder aufgefor­dert sind, ebenfalls Daten an die Transparenzdatenbank zu liefern, muss mit den ein­zelnen Bundesländern auch ein gesetzliches Übereinkommen getroffen werden, dass auch da eine ausreichende und gleichartige Mitwirkungsbereitschaft besteht. Ich glau­be, es gibt bereits Gespräche mit einigen Bundesländern, andere Bundesländer sind noch ausständig.

Der Begriff „Artikel-15a-Vereinbarung“ – also eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern – ist schon sehr oft gefallen. Ich würde auch die Gemeinden bitten – ich bin selbst Bürgermeisterin, und es sitzen auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat –, die ja auch sehr viele Förderungen geben: Vielleicht ist es möglich, dass auch diese Daten in die Transparenzdatenbank aufgenommen werden. Es ist dies ja ebenfalls öffentliches Geld, wenn in den Gemeinden Förderungen fließen.

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist dieses Transparenzdatenbankgesetz ein Schritt in eine faire Richtung für alle Steuerzahler. Sub­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 99

ventionen und Leistungen aus öffentlicher Hand werden eben durch Steuern unserer Bürgerinnen und Bürger aufgebracht, und diese haben auch das Recht auf eine ge­rechte Verteilung, auf die Vermeidung von Doppelgleisigkeiten und auf mehr Transpa­renz in der Abwicklung. Das ist nur fair und für alle korrekt.

Unsere Fraktion wird daher dieser Gesetzesvorlage ihre Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.22


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Lopatka. – Bitte.

 


14.22.31

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold Lopatka: Sehr geehrte Damen und Herren! Die Einstufung dieses Gesetzes hat sich jetzt zwischen Murks, Meilenstein und anderen Bewertungen bewegt. Ich werde in den nächsten Mi­nuten versuchen darzustellen, was es meiner Meinung nach tatsächlich ist und was es leisten kann.

Es sind ja schon all die Probleme angesprochen worden, die Österreich als ein Land, das europaweit ganz an der Spitze steht, hat, wenn es um Transferleistungen geht. Wir sind in einer Situation, wo es tatsächlich so ist, dass immer wieder fast in jedem Be­reich ans Tageslicht kommt, dass es Doppelförderungen gibt beziehungsweise die Be­völkerung ganz sicherlich oft nicht bemerkt, was es in Österreich tatsächlich an Förder­leistungen gibt.

Im Oktober 2009 hat der Finanzminister die Idee gehabt, die er auch in seiner Rede „Projekt Österreich“ vorgebracht hat, mehr Transparenz in das Förderwesen zu brin­gen. Das, was heute hier auch im Bundesrat beschlossen wird, ist das, was nach 14 Mo­naten möglich war.

Wenn ich an die Verwaltungsreform denke, die von der Frau Bundesrätin und Bürger­meisterin Ebner angesprochen worden ist, dann muss ich sagen: Die Verwaltungsre­form ist eine unendliche Geschichte, alles wurde schon vielfach besprochen, aber auf die ganz großen Ergebnisse warten wir noch.

Was meine ich damit und was möchte ich damit sagen? Dass es das, was zum jet­zigen Zeitpunkt hier vorliegt, durchaus verdient, positiv bewertet zu werden, denn, mei­ne Damen und Herren, es geht hier schon um riesige Summen.

78 Milliarden € ist die Summe der gesamten sozialen Transferleistungen, die in Öster­reich bewegt werden. Die Krankenversicherten bekommen Mitteilungen, in denen sie sehen – was ich für die Bewusstseinsbildung durchaus für einen großen Vorteil halte –, was sie selbst an Kosten verursacht haben. Bei den Transferleistungen hingegen war es bisher so, dass eigentlich kein Bürger tatsächlich wusste – auch wenn es, wie vom Redner der Freiheitlichen Partei angesprochen worden ist, eine Selbstverständlichkeit sein sollte –, was er an Transferleistungen bekommt. Es ist ganz sicherlich das Gegen­teil der Fall: Es ist eine verschwindende Minderheit, die tatsächlich weiß, was sie selbst an Transferleistungen bekommt.

Dann gibt es noch einen Punkt, hinsichtlich dessen diese Transparenzdatenbank einen Beitrag zu Fortschritten leisten kann: Österreich ist innerhalb der Europäischen Union jenes Land, das, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mit Abstand am meisten für För­derungen ausgibt. Es sind mehr als 15 Milliarden € – Sie haben es bereits angespro­chen –; das ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, genau doppelt so viel wie in ande­ren Staaten. Da sind wir in massiven Diskussionen mit den Bundesländern – zum Bei­spiel jetzt gerade, was den neuen Stabilitätspakt betrifft –, dass auf der Ausgabenseite auch Beiträge der Länder stehen.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 100

Das ist nicht immer sehr einfach. Es gibt einzelne Förderungen, die haben noch einen Titel, unter dem sie vom Bund an die Länder transferiert werden, aber der Bund hat da­rauf verzichtet, dass sie auch dem Titel entsprechend verwendet werden müssen – zum Beispiel die Wohnbauförderung.

Bei dieser Transparenzdatenbank geht es jetzt in diesem Schritt meines Erachtens um drei Punkte.

Der erste Punkt ist, dass der einzelne Bürger einmal für sich weiß, was er an Transfer­leistungen bekommt.

Der zweite Punkt ist, dass auch die Behörden in Zukunft eine Vereinfachung erleben, wenn es um Verfahren geht, weil der Bürger, wenn er zu einem Amt kommt, um um ei­ne Förderung anzusuchen, seine persönlichen Daten aus der Transparenzdatenbank bei sich haben wird, und bei diesen Amtswegen wird dann die einzelne Stelle sehen, was derjenige an Förderung bekommt.

Es hat natürlich nicht jeder Mann/jede Frau einen eigenen Internetanschluss, aber die Gemeinden sind dazu verpflichtet, jedem Gemeindebürger – das ist jetzt schon eine gesetzliche Regelung; das hat mit der Transparenzdatenbank nichts zu tun – diese Da­ten persönlich zur Verfügung zu stellen. Sonst könnte man ja fragen, was das für einen Sinn hat und wie das funktionieren soll, wenn man das nur übers Internet abrufen kann, weil ja gerade ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger oft keinen eigenen Internet­anschluss haben. Das ist also ganz sicherlich gewährleistet und schafft auch Vereinfa­chungen.

Sinnvoll wird das Ganze erst dann sein, wenn tatsächlich auch die Bundesländer bereit sind – diese können ja nicht gezwungen werden –, ihre Daten in diese Transparenzda­tenbank einzuspeisen.

Wir haben seitens der Bundesländer durchaus sehr positive Signale, allerdings dauert das in vielen Bereichen dann doch immer eine gewisse Zeit, bis diese Artikel-15a-Ver­einbarungen auch getroffen werden.

Wir sind natürlich mit Hochdruck dabei, die Länder dazu zu bewegen, ihre Daten mög­lichst rasch zur Verfügung zu stellen. Wir werden ja nach einer gewissen Zeit sehen – und das Gesetz wird sicherlich von vielen Seiten von den unterschiedlichsten Gesichts­punkten her unter Beobachtung stehen –, was das Ganze tatsächlich bringt.

Ja, es wird einige Millionen Euro an Kosten verursachen, aber man muss das in Rela­tion zu 78 Milliarden € an Transferleistungen sehen, wenn man zu mehr Transparenz kommen möchte. Von der Kontrarednerin und auch vom Kontraredner ist ja angespro­chen worden, dass die Idee gut gewesen sei, dass es aber Dinge gebe, denen man jetzt noch nicht bereit sei, zuzustimmen. Es hat aber niemand gesagt, dass die Idee an und für sich etwas Negatives sei.

Eine Koalition ist am Ende des Tages, wenn es dann um eine Gesetzesvorlage geht, immer in der Situation, dass das Gemeinsame ein Kompromiss ist. (Rufe bei der FPÖ: Ein Murks!) Das ist das Wesen einer Koalition, ohne dass ich das jetzt bewerte. Na­türlich ist dieser Kompromiss auch in diesem Gesetz vielleicht stärker sichtbar, als es mir oder manchen meiner Regierungskollegen lieb ist, aber es ist ein ganz wichtiger Schritt, der hiemit einmal gesetzt ist.

Ich bin mir ganz sicher, dass es keinen Schritt zurück mehr geben wird, aber ich bin mir genauso sicher, dass wir weitere Schritte nach vorne brauchen, um am Ende zu ei­nem Ergebnis zu kommen, mit dem wir tatsächlich hundertprozentig oder zumindest sehr, sehr zufrieden sein können.

In diesem Sinne bin ich froh, dass wir heute nach so kurzer Zeit bereits eine Basis le­gen. – Am 14. Oktober 2009 war die Rede des Finanzministers, heute, am 17. Dezem­


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 101

ber 2010, erfolgt bereits die Beschlussfassung im Bundesrat. Das ist im Vergleich zu anderen Reformprojekten ein durchaus kurzer Zeitraum, der nötig war, um einmal die­se gute Basis für weitere Fortschritte zu legen, die wir sicherlich im Bereich der Förde­rungen und im Bereich der Transparenz von Förderungen brauchen.

Ich danke jenen, die diesem Gesetz ihre Zustimmung geben, und habe die Hoffnung, dass bei weiteren Novellen, die sicher kommen werden, dann auch die Oppositions­parteien mitgehen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.31


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.31.3610. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (922 d.B. und 1001 d.B. sowie 8429/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein E-Geldgesetz 2010 erlassen und das Bankwesengesetz, das Zahlungsdienstegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Konsumentenschutzge­setz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz und das Bundesfinanzie­rungsgesetz geändert werden (982 d.B. und 1002 d.B. sowie 8430/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz über die Aufstockung der Neuen Kreditvereinbarungen mit dem Internatio­nalen Währungsfonds (983 d.B. und 1003 d.B. sowie 8431/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Ver­mögen samt Protokoll (943 d.B. und 1004 d.B. sowie 8432/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 13 der Tages­ordnung, über welche wir die Debatte unter einem durchführen werden.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Todt. – Ich bitte um die Berichte.

 


14.32.23

Berichterstatter Reinhard Todt: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe zuerst den Bericht über das Bankwesengesetz. Der Be­richt liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 102

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme nun zum Bericht über das E-Geldgesetz. Dieser Bericht liegt Ihnen eben­falls in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme weiters zum Bericht über die Aufstockung der Neuen Kreditvereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds. Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme schließlich zum Bericht über das Doppelbesteuerungsabkommen mit Bul­garien. Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher so­gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Martin Preineder: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


14.34.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Gesetzesvorschlägen unter einem ab­zuhandeln.

Als Erstes zum Bankwesengesetz: Warum kommt es zu dieser Änderung des Bankwe­sengesetzes? – Da muss man einen kleinen Blick zurück auf die Jahre 2008 und 2009 werfen, als im Zuge der Finanzkrise der Steuerzahler staunend zusehen musste, wie sich die risikofreudigen Bankmanager die Taschen vollgestopft und sich mit Bonuszah­lungen belohnt haben, obwohl die Bank Verluste gemacht hat, und dem eben erwähn­ten Steuerzahl das Geld aus der Tasche gezogen wurde. (Bundesrat Kneifel: Die amerikanischen Bankmanager!) – Nicht nur, auch unsere! Es ist von den USA ausge­gangen, das ist richtig. (Bundesrat Kneifel: Jawohl!) Die Europäer waren aber nicht ganz unschuldig daran, also kann man da jetzt nicht Kindesweglegung betreiben. Das Aufkaufen von faulen Krediten hat durchaus dazu beigetragen, dass das dann sehr massiv geworden ist.

Was aber einfach eine Zumutung gegenüber dem Steuerzahler ist, ist die Tatsache, dass die Bonuszahlungen weitergelaufen sind wie bisher – auch bei uns. Dass sich die Bankmanager in den USA nach wie vor die Taschen vollstopfen und da überhaupt kei­nerlei Unrechtsbewusstsein haben, ist eine andere Sache. Unser Auge richtet sich aber auf Europa und jetzt im Speziellen auf Österreich. Wir finden es nicht richtig, dass


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 103

das so weitergegangen ist, und mit dieser Änderung des Bankwesengesetzes wird dem ja auch Gott sei Dank ein Riegel vorgeschoben, und zwar nicht nur in Österreich, son­dern EU-weit. Das ist durchaus zu begrüßen. Auch das Ziel, Anreizsysteme zu schaf­fen, die Bonuszahlungen auf längerfristige Erfolge fußen zu lassen, ist vollkommen rich­tig.

Allerdings – und das ist jetzt die kleine Kritik daran – gibt es ja diesen Vergütungsaus­schuss in § 39c Bankwesengesetz. Es soll einen Vergütungsausschuss geben, der mit Mitgliedern des Aufsichtsrates besetzt wird, und dann steht meiner Meinung nach ein bisschen schwammig drinnen, zumindest eine Person davon soll über Fachkenntnisse im Bereich der Vergütungspolitik verfügen. – Gut, schön; das ist eine „Na-ja-Bestim­mung“, weil es im Praxisfall sicher wieder eine Diskussion geben wird, was denn aus­reichende Fachkenntnisse und Fähigkeiten im Bereich dieses Vergütungsausschusses sind.

Wir glauben eben, dass das zu etwas unfruchtbaren Diskussionen mit der Finanz­marktaufsicht führen wird. Aber gut, vielleicht ist es ja auch nicht so. Man kann ja jetzt auch einmal durchaus hoffnungsvoll schauen, ob es tatsächlich so funktioniert. Das tun wir, und darum stimmen wir dem auch zu.

Zum E-Geldgesetz: Das E-Geldgesetz stammt ja ursprünglich aus dem Jahr 2002. Die Intention war, E-Geldinstitute sich gründen zu lassen, damit Institutionen da sind, die für diese E-Geld-Angelegenheiten zuständig sind. Leider hat sich gezeigt, dass in den acht Jahren kein einziges solches E-Geldinstitut konzessioniert worden ist. Man hat ge­sagt, das alte E-Geldgesetz, das auf einer EU-Richtlinie fußt, kann man nicht novel­lieren, man macht daher ein komplett neues. Davon erhofft man sich jetzt den Innova­tionsschub, dem man seit mittlerweile acht Jahren nachläuft.

Nun ist grundsätzlich zu sagen, dass natürlich die Nachfrage nach einer bequemen und sicheren Zahlungsweise ständig steigt – bei den Händlern, bei den Dienstleistern, aber selbstverständlich auch bei den Endkunden. Da brauchen wir nur bei uns selbst zu schauen, wir alle wollen auch möglichst bequem und vor allem möglichst sicher zah­len können.

Unser Kritikpunkt ist aber, dass sich dieses Gesetz zu sehr am Zahlungsdienstleis­tungsgesetz orientiert hat. Das gibt es ja auch erst seit einem Jahr neu, und auch in diesem einen Jahr ist kein E-Geldinstitut gegründet oder konzessioniert worden.

Wir glauben, dass in diesem Gesetz noch sehr viele Punkte offengeblieben sind, die man sich noch genauer anschauen muss, zum Beispiel die Frage, wie das mit den Pre­paid-Karten ist oder wie das mit der Zahlungsmöglichkeit über Mobiltelefone oder an­dere elektronische Einrichtungen ist. Wir glauben, dass das noch unzureichend formu­liert ist. Daher sagen wir bei einer grundsätzlich positiven Einstellung zu diesem E-Geld­gesetz diesmal aber trotzdem noch Nein.

Der nächste Punkt ist die Aufstockung des Internationalen Währungsfonds. Die Staa­tengemeinschaft hat sich ja darauf geeinigt, eine Erhöhung des Kreditvolumens vorzu­nehmen – auch Österreich wird sich daran beteiligen wird. Das Kapital beziehungs­weise das Kreditkonto des IWF ist natürlich ziemlich stark strapaziert worden, weil der IWF doch vielen Ländern geholfen hat, Liquiditätsengpässe zu vermeiden oder zu ent­schärfen.

Daher ist es einerseits ja logisch und richtig, zu sagen, dass er dann aber auch wieder mehr Geld braucht. Also man muss die Schatulle wieder befüllen, aus der doch einiges herausgenommen worden ist.

Österreich soll sich, wenn ich das richtig gelesen habe, an der Erhöhung dieses Kre­ditvolumens mit maximal 3,6 Milliarden € beteiligen. Dabei können sich aber – und das


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 104

stand sogar in der Vorlage – negative Auswirkungen auf das Budget insofern ergeben, dass die Oesterreichische Nationalbank weniger Zinsen bekommt, als sie bekäme, wenn sie ihr Geld beziehungsweise unser Geld in einer alternativen Veranlagungsform anlegte. Derzeit ist es so: Die Nationalbank wird weniger Zinsen bekommen. Das kann sich zwar ändern, schaut aber derzeit nicht so aus.

Unsere grundsätzliche Kritik daran ist aber, dass wir da in ein – zumindest nach un­serem Dafürhalten – Fass ohne Boden einzahlen. Schauen wir uns die Zahlungen an Griechenland an, die Haftungen, die wir übernommen haben! Wie geht es denn Grie­chenland jetzt? – Weder die Produktivität hat zugenommen, noch ist es gelungen, die Volkswirtschaft in irgendeiner Form zu restrukturieren.

Jetzt haben wir Irland als nächsten Patienten, kann man sagen. Spanien und Portugal stehen ante portas. Über Belgien wird gemunkelt, Italien könnte auch noch dazukom­men. Wir glauben, dass es auf Dauer einfach nicht leistbar sein wird, dass einige we­nige Staaten immer wieder alle anderen auffangen.

Bei allem Verständnis dafür, dass man diesen Versuch unternehmen möchte, aber es wird auf Dauer einfach nicht gehen, wenn nicht alle wie Dominosteine fallen sollen, dass man jedem unter die Arme greift und ihn so quasi wieder aus dem Schlamassel herauszieht. Die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder wird dadurch auch ge­schwächt, was ja jetzt schon der Fall ist. Das ist ja unter anderem ein Grund dafür, dass es Griechenland und jetzt auch Irland, Portugal und Spanien schlecht geht, weil sie nämlich mit dem Wettbewerb – zum Beispiel jenem von Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Luxemburg – nicht Schritt halten können. Aber wir glauben nicht, dass dies das geeignete Instrument ist, um eine höhere Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder zu schaffen.

Wir sind nach wie vor der Meinung – das ist gestern in der EU beschlossen worden, es soll einen Europäischen Währungsfonds geben –, dass es doch, was wir von Anfang an gesagt haben, wofür wir anfangs belächelt worden sind, für Staaten auch ein Insol­venzverfahren geben sollte. Das ist jetzt durchaus auf Schiene, dass so etwas möglich sein soll, weil ja nicht einzusehen ist, dass die Banken, die zuerst daran verdient ha­ben, sich im Nachhinein abputzen und sagen: Die Schulden gehören dem Steuerzah­ler, aber die Gewinne gehören uns! Also auch die Banken, die ja nicht ganz unschuldig daran sind, könnten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

Wir meinen darüber hinaus auch, dass es ein Europa der zwei Geschwindigkeiten in der Währungsunion geben sollte, dass jene Länder, die so schwach dastehen, wieder in ihre Weichwährungspolitik zurückgehen und wir ein starkes Europa haben, was den Euro betrifft – mit Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Luxemburg –, und dass das wesentlich besser wird.

So, wie es jetzt ausschaut – und da zählen wir diese Aufstockung des Kreditvolumens des IWF dazu –, buttern wir in ein Fass ohne Boden hinein, und das rinnt unten wieder heraus, ohne dass irgendetwas geschieht. (Beifall bei der FPÖ.)

Letzter Punkt: Doppelbesteuerungsabkommen mit Bulgarien. Da sage ich jetzt wirklich nichts mehr Neues, aber ich wiederhole es: Wir stimmen dagegen, nicht, weil wir grund­sätzlich gegen solche Doppelbesteuerungsabkommen sind, sondern da ist unsere, so glauben wir, berechtigte Sorge, dass das österreichische Bankgeheimnis mit aufgeweicht wird. Deswegen stimmen wir dagegen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.44


Präsident Martin Preineder: Ich darf im Saal die ehemalige Frau Bundesminister Ma­rilies Flemming begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster Redner gelangt Herr Bundesrat Steinkogler zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 105

14.44.31

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Was wir heute hier be­schließen und was bereits im Nationalrat beschlossen wurde, ist jene EU-Richtlinie mit ihren Regelungen, in der sehr genau und punktuell angeführt ist, welche Vergütungs­regelungen in Zukunft gelten sollen, die dadurch in unser Recht übernommen werden. Notwendig, das wurde schon gesagt, wurde diese Regelung durch die exzessiven Bo­niregelungen großer Investmentbanken, die nicht auf Nachhaltigkeit, sondern auf kurz­fristige Erfolge schauten.

Das Unfairste war, dass für die Bonizahlungen an Bankmanager folgender Grundsatz galt: Wenn du ein hohes Risiko eingehst und es gut geht, hast du einen hohen Bonus. Wenn es danebengeht, wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

So kann und darf es nicht sein! Da muss ein Riegel vorgeschoben werden, wobei na­türlich eine globale Lösung das Beste wäre, wie ja auch die Finanzkrise eine globale war. Aber es ist immerhin schon ein Fortschritt, dass wir auf EU-Ebene eine Richtlinie haben, die wichtige Normen für Vergütungsregelungen vorsieht, vor allem für die Nach­haltigkeit von Unternehmenserfolgen und im Hinblick auf die Abstimmung von Vergü­tungsregelungen und auf ein seriöses Risikomanagement.

Ich glaube, dass dieser heutige Beschluss ein wirklich wichtiger Beitrag gegen diese unmoralischen Vorgänge der Vergangenheit ist. Natürlich wäre eine Abstufung bei der Größe der Institute notwendig und wünschenswert gewesen, denn eines muss schon klar gesagt werden: Nicht die Raika in Gmunden oder die Sparkasse in Bad Ischl oder in Ried haben die Krise ausgelöst, sondern die großen Investmentbanken der USA. Jetzt werden aber alle zur Kasse gebeten. Es wird nicht zwischen jenen, die in der Kri­se die regionale Wirtschaft gestützt und finanziert haben, und anderen ein Unterschied gemacht, zwischen groß und mittel. Letztere werden natürlich auch dadurch entspre­chend belastet.

Ich denke aber trotzdem, trotz dieses Wermutstropfens, dass mit dieser Regelung im Bankwesengesetz dafür vorgesorgt wird, dass in Zukunft nicht Vergütungsregelungen für Bankmanager mit dazu beitragen werden, dass eine Krise verstärkt wird. In diesem Sinne wird unsere Fraktion dieser Gesetzesvorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.47


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


14.47.20

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, ich zünde heute schon die vierte Adventkerze an in der Hoffnung, dass die FPÖ in Zeiten von Wirtschaftskrisen nicht in einer Regierung ist, nachdem ich Ihre Ausführungen zum Internationalen Wäh­rungsfonds und zur Weltbank gehört habe.

Diese ständige Verwechslung von haushaltsrechtlichen Problemen von Ländern mit notwendigen Währungssicherungen und Wirtschaftsstrukturen! Es wäre völlig zu Recht gewesen, wenn man gesagt hätte, die Weltbank hat in den achtziger und neunziger Jahren manch verhängnisvolle Programme in armen Ländern durchgeführt, bei denen nicht auf die soziale Gerechtigkeit geachtet wurde, hat extreme Härten für Klein- und Kleinsteinkommensbezieher und -bezieherinnen und eher ein System der sozialen Käl­te gefördert.

Aber in der Zeit der Krise sind sowohl der Währungsfonds als auch die Weltbank zu ih­ren Wurzeln, zu der Grundidee des Bretton-Woods-Abkommens zurückgekehrt. Das ist


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 106

ja eine Phantasiegeschichte, was ich da gehört habe. Stellen Sie sich einmal vor, der Währungsfonds hätte Ungarn nicht geholfen – bei einer Attacke auf die Währung! Es geht nicht darum, dass die Weltbank für haushaltsrechtliche Fragen zuständig ist, ist sie ja nicht und war sie auch nicht. Das waren auch die Schwierigkeiten der Diskus­sion. Das, was wir jetzt diskutieren, diese Erhöhung von 4,07 Milliarden € ist ganz ex­trem notwendig, um in diesen Programmen gegen Währungsattacken, zur Ankurbelung der Wirtschaftssysteme im Geiste von Bretton Woods und nicht im Geiste der achtziger Jahre fortzufahren.

Das hat nichts, aber schon gar nichts mit Griechenland zu tun, das hat nichts mit Irland zu tun! Das sind haushaltsrechtliche Probleme, die zeigen, dass in der gesamten Euro-Konstruktion ein Schritt zu früh gesetzt wurde und dass wir jetzt eine Weiche genommen haben – eine Weiche, die die Politik nie nehmen wollte oder nie ausspre­chen wollte. Wir haben jetzt eine bundesstaatliche Weiche genommen.

Die heutige Nacht war wieder eine sehr wichtige und entscheidende Nacht, denn der Umbrella, den die EU über ihre Währung spannt, hat nichts damit zu tun, aber der Wäh­rungsfonds ist durch die internationale Wirtschaftskrise strapaziert worden. Und des­halb ist das wichtig, weil wir nicht Klein-Österreich in der Welt sind, sondern wir sind Teil der Europäischen Union, und die Europäische Union ist Teil eines Weltwirtschafts­systems, in dem es auch solidarische Formen gibt, in das wir eingreifen müssen, um diese Solidarität auch hinsichtlich der Bewältigung von Wirtschaftskrisen zum Ausdruck zu bringen.

Deshalb noch einmal: haushaltsrechtliche Probleme. Und da kommt jetzt durch diesen Umbrella der Euro-Zone Hilfe. Es wäre übrigens verhängnisvoll, jetzt irgendwelche Län­der aus der Euro-Zone herauszukicken. Was sind das für Signale? – Diese doppelten Geschwindigkeiten wären dann in Europa schon die dreifachen Geschwindigkeiten, ir­gendwann ist ganz Europa eine zerfledderte, löchrige emmentalerische Geschichte.

Nein, es geht jetzt darum, diese Haushaltspolitik Stück für Stück auf eine gemeinsame Rechtsebene zu bringen, zu akzeptieren, dass derzeit noch sehr viel im Nationalstaatli­chen ist, aber wenn man eine gemeinsame Währung hat, muss man letztlich auch stär­kere Grundlagen für eine gemeinsame Währung schaffen. Da kann man keine Haus­haltstricks à la Griechenland in eine solche Zone bringen.

Aber das ist eine Stärke der Europäischen Union, dass hier mit sehr viel Solidarität vor­gegangen wird. Es kostet ja nichts. Ich habe Sepp Bucher unlängst im Fernsehen ge­sehen, der wieder erzählt hat, man müsse nun die Kinderbeihilfe kürzen, weil man Grie­chenland Geld geben muss. Ich habe immer geglaubt, dass eine gewisse Intellektuali­tät beim Herrn Kollegen Bucher vorhanden ist, aber das ist eine Katastrophe, so einen Blödsinn zu verzapfen. Nämlich selbst Irland hat sich an der Hilfe für Griechenland beteiligt und ist da letztlich, auch was die Rückflüsse betrifft, die ja gesichert werden – jetzt wiederum durch die Weltbank –, möglicherweise sogar noch in der Winning-Situa­tion, wie Österreich auch in der Winning-Situation ist.

Das eine hat mit dem anderen einfach Nullkommajosef zu tun, aber es ist so eine un­ehrliche Debatte, die hier im populistischen Strom geführt wird, wo ich sagen muss, ich weiß nicht, ob man es wirklich notwendig hat, eine solche Verdummungsdebatte zu füh­ren.

Nun zu den anderen Punkten. Die Basel-II-Richtlinien, die hier verändert werden, sind ganz wichtig, denn niemand – niemand! – hat verstanden, dass nach all diesen Schutz­maßnahmen plötzlich die Bankinstitute Boni und Boni und Boni ausgezahlt haben. Das hat niemand verstanden, und es ist wichtig, dass nun das Wirken jener Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kreditinstituten, deren Tätigkeit sich auf die Risikosituation eines Unternehmens auswirkt, nicht auf der Basis von Boni ausgerichtet ist, die kurzfristige Boni-Gewinne vor langfristigen und nachhaltigen Entscheidungen begünstigt hat.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 107

Das ist jetzt durch ein Kontrollsystem behoben – Gott sei Dank ein europäisches! Wir sind in diesen Materien, die wir heute unter diesem Tagesordnungspunkt verhandeln, tief in der Europapolitik drinnen. Irgendwann werden wir auch bei der Spekulations­steuer tief in der Europapolitik ankommen, wie wir sie ja schon die ganze Zeit gefordert haben. Das ist Europapolitik, und das ist gut so. Es ist gut so, dass nicht irgendwelche Banken nichtösterreichischer Provenienz da wieder dieselben Spiele machen können und Europa vorausgeht.

Die Sorgen der Frau Mühlwerth, was die E-Geldinstitute betrifft, möchte ich haben. Mein Gott! Wobei ich nicht einmal der Meinung bin, dass es so klug ist, das tropfenweise zu machen, wenn man sagt, okay, jetzt ist die Post liberalisiert, aber in die Postkästen darf man erst in drei Jahren hinein. So ging das beim E-Geld auch. Deshalb braucht es da auch auf europäischer Ebene ein paar Absicherungen, die diesem Mehr an Markt und Mehr an Wettbewerb helfen – denn das kommt den Konsumenten und Konsumentin­nen in Europa und auch den Unternehmern zugute –, dass man das jetzt rechtlich ver­bessert, vor allem in der Hinsicht, dass da keine Kreditgeschäfte, keine Einlagengeschäf-
te gemacht werden, aber dass man dafür Zahlungen abwickeln kann.

Damit haben wir auch europäisch eine ganz klare Spielregel und Richtlinie in diesem doch immer stärker werdenden Bereich geschaffen, denn das E-Geld ist bisher ein Ban­kenmonopol gewesen. Dieses Bankenmonopol im Sinne auch von günstigeren Kondi­tionen und so weiter ist jetzt so weit harmonisiert und abgesichert, dass das nicht wie­der eine neue Risikokiste aufmacht.

Eines verstehe ich überhaupt nicht: wie man gegen ein Doppelbesteuerungsabkommen sein kann. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das ist ein Scherz!) Gott im Himmel! Das soll mir irgendjemand erklären, aber vielleicht lassen wir das im nächsten Jahr auf uns zu­kommen. Ein Doppelbesteuerungsabkommen bietet eine gegenseitige Sicherheit. Ich als Unternehmer habe auch relativ viel mit Doppelbesteuerungsabkommen zu tun. Ent­schuldigung, da sitzt das Finanzamt. Nur deswegen kriegen Sie das Geld und kriegt Ös­terreich das Geld, weil wir diese Doppelbesteuerungsabkommen haben.

Wenn man da dagegen ist, dann haben wir Steuerschwindel und Steuerhinterziehung. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Genau!) Deshalb bitte: Überlegt euch das, zumindest beim Doppelbesteuerungsabkommen nicht dagegen zu sein! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.56


Präsident Martin Preineder: Danke, Herr Bundesrat Schennach, besser gesagt: Herr Professor Bundesrat Schennach. Er hat heute seinen Berufstitel von der Frau Bundes­minister verliehen bekommen. Ich darf recht herzlich dazu gratulieren. (Allgemeiner Bei­fall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


14.57.31

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Professor! Wir haben wieder einen Professor, un­glaublich! (Heiterkeit.) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dort anschließen, wo Herr Professor Schennach aufgehört hat, zwar nicht beim Doppelbesteuerungsab­kommen – es ist vielleicht ein „Doppelbescheuerungsabkommen“, wenn man da nicht mitstimmt, denn in Wirklichkeit ist das nicht nachvollziehbar, wie Kollege Schennach richtig erwähnt hat –, sondern ich möchte mich vielmehr mit der Aufstockung der Gel­der für den IWF befassen, denn es geht, wie wir heute schon gehört haben, auch da­rum, dass die internationalen Finanzinstitutionen im Zuge dieser Krise 2008/2009 sehr rasch reagiert haben, mit gewaltigem finanziellen Aufwand auch den Volkswirtschaften, den Staaten unter die Arme gegriffen haben, um entweder die Zahlungsbilanzen zu er­möglichen oder viele Länder auch vor dem Ruin zu retten.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 108

Gerade deshalb wurde vom IWF natürlich auch eine immense Summe an Geld in die Hand genommen. Und es ist logisch, dass wir heute wieder versuchen, diese Liquidi­tätsengpässe zu verhindern, dass wir die Neuen Kreditvereinbarungen entsprechend auf­stocken, damit auch diese Institute, insbesondere der IWF, wieder handlungsfähig werden.

Der IWF finanziert sich vor allem auf Basis der eingezahlten Quoten der Mitgliedstaa­ten. Darüber hinaus gibt es natürlich auch andere finanzielle Institute, die hier Unter­stützung bieten, und zwar der NAB, New Arrangements to Borrow. Auf diesen NAB wer­de ich dann noch eingehen.

Der Internationale Währungs- und Finanzausschuss als Lenkungsgremium des IWF hat, basierend auf einer G-20-Initiative, gefordert, eine Mittelaufstockung um bis zu 590,5 Mil­liarden € vorzunehmen. Ein Großteil dieser Aufstockung auf 450,6 Milliarden € soll durch diesen NAB bereitgestellt werden.

Ich denke, es ist von enormer Wichtigkeit, dass wir auch die Liquidität feststellen – an­ders, als Frau Kollegin Mühlwerth das gesagt hat. Sie vermischt doch einiges und bringt einiges zwischen Euro und den Euro-Ländern durcheinander und stellt quasi in den Raum, einige Volkswirtschaften einfach in Konkurs gehen zu lassen; die Länder wur­den von Ihnen, Frau Kollegin, zitiert. Was das auch für Österreich an Auswirkungen hät­te, kann man überhaupt nicht ermessen. Das ist einfach zu leicht gesagt, und da wird zu leichtfertig mit diesem Thema umgegangen.

Am NAB nehmen insgesamt 26 Staaten teil. Jetzt ist eine Erweiterung um 13 Staaten geplant. Jetzt kommen Staaten, die wirtschaftlich auch sehr erfolgreich sind – wie Chi­na, Russland, Indien und Brasilien – dazu. Österreich ist seit 1998 mit 461 Millionen € dabei. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Aus dem Kreis der EU-Mitgliedstaaten kommen jetzt auch einige Länder dazu, wie Zy­pern, Irland, Portugal und – kaum zu glauben! – natürlich auch Griechenland. Das ist nicht unbedingt die finanzielle Hochpotenz von Europa – das kann man hier schon in aller Form anmerken –, aber es ist wichtig, dass sich diese Länder auch beteiligen.

Eines, Herr Professor Schennach, muss ich heute schon von diesem Rednerpult aus erwähnen: Du hattest noch nie so Recht wie heute! Ich habe mich wirklich gefreut. (Beifall bei der SPÖ.) – Da kann man applaudieren. Es ist natürlich auch eine Beson­derheit, wenn man in einer großen Koalition Themen anders bearbeitet und anders an Themen herangeht. Da finde ich natürlich deine Lernfähigkeit sehr gut. Ich möchte das wirklich positiv beleuchten, lieber Kollege!

Es ist auch wirklich zu einfach, mit dieser Situation und mit diesem Aufstocken der IWF-Mittel Griechenland und die Irland-Frage zu vermischen. Tatsache ist, dass Irland und Griechenland aufgrund verschiedener Gesichtspunkte ihre Volkswirtschaften ge­schädigt oder nicht mehr im Griff haben. Es ist aber wirklich zu einfach, das Ganze nur mit der Aufstockung des IWF festzumachen.

Es ist selbstverständlich auch erwähnenswert – ganz klar –, dass der IWF zur Rettung von Griechenland 22 Milliarden € und zur Rettung von Irland 10 Milliarden € beigetra­gen hat. Das ist aber im Sinne einer Solidarität im Rahmen der EU auch so zu sehen. Dann von einem Fass ohne Boden zu sprechen, Frau Kollegin Mühlwerth, ist mir heute ein bisschen zu einfach gewesen. Ein bisschen zu banal waren deine Sätze heute an diesem Rednerpult. Man hat schlechte und gute Tage, so ist es einfach in der Politik. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Wir dürfen also festhalten, dass in der Krise im Jahr 2008 und 2009 die vielgescholtene Weltbank – da stimme ich dir auch zu – und der IWF, diese beiden Institutionen, sehr rasch reagiert haben. Davon hat natürlich Österreich im weiteren Sinne auch profitiert.

Die Ungarn-Krise wurde angesprochen. Da wurde sehr rasch reagiert. Man könnte es noch auf Rumänien und Bulgarien ausweiten. (Bundesrat Schennach: Was hätte das


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 109

für die österreichische Wirtschaft bedeutet!?) – Ja, klar: Was das für die österreichi­sche Wirtschaft bedeutete, das möchte ich unterstreichen! Das stimmt natürlich auch so. Diese immense Bedeutung kommt einfach hier zu kurz, denn diese Sätze sind auch einfach zu kurz gegriffen.

Ich möchte abschließend betonen, dass mit dieser Aufstockung des IWF und natürlich auch beim NAB keine Mittel aus dem Budget fließen werden. Wir haben ja heute schon die Summe gehört: zirka 3,6 Milliarden €. Da wird die Oesterreichische Nationalbank damit beauftragt, ihren Haftungsrahmen zu erweitern und sich an dieser Aufstockung in­nerhalb des Kreditrahmens zu beteiligen.

Natürlich: Im „worst case“ hat die Nationalbank dann die Haftungen zu übernehmen. Das würde dann zu einer geringeren Abfuhr an das Budget oder einer geringeren Ab­fuhr an den Unternehmer Staat Österreich führen. Aber, wie gesagt, das ist „worst case“ und wird in diesem Falle wahrscheinlich nicht eintreten.

Ich darf mich noch einmal für diese Vorlagen bedanken, Herr Staatssekretär! Meine Fraktion wird dem natürlich gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


15.04.24

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich werde wie mein Vorredner, Kollege Mayer – wir haben offensichtlich immer die gleichen Themen oder die gleichen The­menschwerpunkte –, ebenfalls auf den Währungsfonds eingehen. Ich glaube, da sehen wir, aus welchem Bereich wir letztendlich kommen.

Es geht um die Aufstockung im Internationalen Währungsfonds ganz generell. Es liegt natürlich daran, dass die internationalen Finanzinstitutionen relativ rasch auf die Fi­nanzkrise, auf die Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 reagiert haben und dass damit viele Länder bei der Stabilisierung ihrer Zahlungsbilanzen unterstützt wor­den sind. Aufgrund dieser stärkeren Beanspruchung des Internationalen Währungs­fonds ist aber auch das Kreditvergabepotenzial desselben sehr stark strapaziert wor­den. Um Liquiditätsengpässe letztendlich auch in Zukunft vermeiden zu können, hat sich die Staatengemeinschaft darauf verständigt, den Rahmen für eine neue Kreditver­einbarung durch die sogenannten New Arrangements to Borrow zu erhöhen.

Mit unserem österreichischen Anteil leisten wir mit einen Anteil an der Aufstockung der IWF-Gelder. Wir leisten mit einen Beitrag zur Erreichung der Millenium Development Goals, der Jahrtausend-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Und wir zeigen auch unsere internationale Solidarität im Bereich der multilateralen Entwicklungszusammen­arbeit, die sicherlich auch eine effiziente Möglichkeit ist, Entwicklungsländer generell zu erreichen.

So wichtig ich es auch finde, dass wir sie unterstützen, so wichtig finde ich es auch, weiterhin die Diskussion darüber zu führen, was an den Rahmenbedingungen der in­ternationalen Finanzinstitutionen geändert werden muss. Auch das sollte man nicht un­kritisch betrachten.

Aus meiner Sicht ist es auch unumgänglich, dass in der Wahl der Instrumente viel sen­sibler umgegangen wird und wir über Ansprüche von Umwelt-, von Menschenrechts- und Sozialstandards sowie auch über Gender-Ansprüche werden diskutieren müssen, um wirklich eine kohärente Entwicklungspolitik machen zu können. Das heißt, den Bau von Kohlekraftwerken mit Geldern, die von dort kommen, zu unterstützen, halte ich für


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 110

mittlerweile überholt, weil wir auf die Art und Weise die Klimaerwärmung zum Beispiel nicht stoppen können.

Maßnahmen zu setzen, die Menschenrechte, Frauenrechte, die Rechte von Indigenen, von Minderheiten substanziell treffen, um irgendwelche Maßnahmen zu finanzieren, die dann letztendlich dazu führen, dass zum Beispiel die Nahrungsmittel-Souveränität der Länder nur deswegen untergraben wird, weil es irgendetwas an landwirtschaftli­chen Produkten braucht, die man auch exportieren kann, kann keine Konditionalität, kann keine moderne Politik mehr sein. Auch die Forderung nach Liberalisierung und nach Privatisierungen vor allem von Daseinsvorsorgeleistungen im Bereich Wasser, Abwas­ser, Bildung et cetera ist keine moderne Entwicklungspolitik.

Bei aller Unterstützung dieser Instrumente gilt nach wie vor, viel Kraft auch darin zu in­vestieren, diese zu modernisieren und sie den neuen Ansprüchen auch tatsächlich anzu­passen.

Ich glaube, dass es mit diesem Gesetz eine Möglichkeit gibt, zu hinterfragen und auch in jenen Belangen nachzuadjustieren, die ich hier erwähnt habe. Wir werden daher die­sem Gesetz unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Zangerl, bitte.

 


15.08.42

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch ich werde diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. Auch ich bin dagegen, dass man ganze Staaten in den finanziellen Abgrund schickt. Ich möchte den Fokus auf die Bankmanager lenken, die einen volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet haben, der heute noch nicht beziffert werden kann.

Niemand Geringerer als der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt be­zeichnet in der Hamburger Zeitung „Die Zeit“ Investmentbanker, die uns diese Krise eingebrockt haben, als legale Übeltäter mit ausgeprägter krimineller Ader. Als Hinter­bänkler in diesem Hohen Haus steht mir ein solch harsches Urteil natürlich nicht zu, und doch möchte ich auf einen Umstand hinweisen, der Frau und Herrn Österreicher eigentlich wenig bekannt ist.

Der Staat hat die Garantien für Spareinlagen in unbegrenzter Höhe übernommen und zugleich ein Rettungspaket für die Banken geschnürt. Sollte nämlich das Bankensys­tem zusammenbrechen, drohen die Spareinlagen verloren zu gehen. Es bleibt uns also in einer Art Geiselhaft nichts anderes übrig, als dieses System mit unserer Steuer­leistung zu retten, um den Restwert nach Ableisten unserer Steuerpflicht nicht zu ver­lieren. Aus der Sicht derer, die sich ihre in Edelklamotten gehüllte Unverfrorenheit da­mit finanzieren lassen, ist dieser Schachzug natürlich als ideal, wenn nicht als genial zu bezeichnen.

Gleichzeitig beschleichen aber den Normalbürger, der ja im Ruin landet, wenn er mit seinen paar Euro einen Konkurs anmeldet, wahrlich unsittliche Gelüste. Ist es nicht end­lich an der Zeit, diese Herren aus dem Verkehr zu ziehen? Was ist denn das eigentlich für eine Gesellschaft, in der Leute Hunderte Millionen Euro verspekulieren und dafür Boni einstreifen, die Verluste aber den Steuerzahlern zuschieben?

Aber siehe da, diese Herren schlendern weiterhin smart lächelnd als geachtete Bürger über unsere Straßen, sofern sie es nicht so dilettantisch angestellt haben wie die Her­ren von der BAWAG. Wenn man kleine Betrüger für fünf Jahre hinter Gitter schickt,


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 111

weil sie sich ein gutes Essen oder ein paar Euro ergaunert haben, dann frage ich mich schon, wie hoch der Straftatbestand zu bewerten ist, wenn jemand Volksvermögen ver­zockt, Pensionsfonds wertlos macht, Lebensversicherungen ruiniert, kurz und gut die hart arbeitenden Bürger um die kargen Früchte ihres Fleißes bringt. Da besteht im Sin­ne der Gerechtigkeit wahrlich Handlungsbedarf.

Diese Herren erhalten ja scheinbar Generalabsolution für alles. Das Zauberwort hiefür heißt ja „Finanzkrise“. „Finanzkrise“ kommt vollmundig über die Lippen, „Finanzkrise“ kann man für alles heranziehen. Und das Wunderbare an dieser Krise ist, dass sie sozusa­gen als Naturereignis verkauft werden kann, an dem bekanntlich niemand Schuld trägt.

Wenn auch der Großteil der Bevölkerung die derzeitige Situation kaum zu durch­schauen vermag, dann sollte zumindest hier in diesem Hohen Haus die Sprache prä­zise bleiben. Diese Präzision erzwingt die Feststellung, dass in international agie­renden Unternehmen wie – wir wissen es ja alle – Lehman Brothers, Hypo Real Estate, BAWAG und so weiter im besten Fall eine äußerst schlechte Performance abgeliefert und im schlechtesten Fall gelogen und betrogen wurde, und weiters, dass die Kon­trollinstanzen im besten Fall nichts bemerkt haben und im schlechtesten Fall absicht­lich weggeschaut haben. Nach meiner Meinung ist das persönliches, schuldhaftes Ver­halten und kein Naturereignis.

Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nun nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz ge­ändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. No­vember 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein E-Geldgesetz 2010 erlassen und das Bankwesengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufstockung der Neuen Kre­ditvereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Somit kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. No­vember 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Repu­blik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 112

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir nun zu den Punkten 14 und 15 kommen, begrüße ich die Frau Bundesminis­terin für Justiz ganz herzlich bei uns im Bundesrat: Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

15.15.1414. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Staatsan­waltschaftsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Stärkung der straf­rechtlichen Kompetenz geändert werden (strafrechtliches Kompetenzpaket – sKp) (918 d.B. und 1009 d.B. sowie 8419/BR d.B. und 8433/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Übereinkommen zur Errichtung der Internationalen Anti-Korruptionsakademie als internationale Organisation (924 d.B. und 1010 d.B. sowie 8434/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Ich bitte um die Berichte.

 


15.15.43

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Justizaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Stärkung der straf­rechtlichen Kompetenz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe Ihnen auch den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 30. November 2010 betreffend Übereinkommen zur Errichtung der In­ternationalen Anti-Korruptionsakademie als internationale Organisation.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 113

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Ich bitte darum.

 


15.17.24

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem sogenannten strafrechtlichen Kom­petenzpaket beschließen wir heute eine sehr wichtige Materie, die für mich auch ge­eignet ist, das Vertrauen in die Justiz wiederherzustellen. Folgende Schwerpunkte sei­en kurz beleuchtet, bevor ich darauf eingehe. Es enthält Bestimmungen über die Ab­schöpfung der Bereicherung und den damit verbundenen Verfall, Erhöhung der Trans­parenz staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen, Schaffung einer zentralen Staatsan­waltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption, die Einführung ei­ner Kronzeugenregelung sowie die Schaffung einer Strafbestimmung betreffend Terror­camps.

Die Wirtschaftskriminalität hat insbesondere auch im Dunstkreis der Wirtschaftskrise Di­mensionen angenommen, die aufgrund ihrer Komplexität und der Höhe der Schadens­summen nicht nur unsere Gesellschaft schädigen, sondern auch unser Wirtschaftssys­tem insgesamt bedrohen. Es ist daher auch Aufgabe des Staates, diese Verbrechen ent­sprechend effizient zu bekämpfen und zu verfolgen.

Insbesondere die Staatsanwaltschaft sieht sich mit dem derzeitigen Personalstand nicht in der Lage, die stetig steigenden Anforderungen in diesem Bereich zu bewältigen und ist auch wegen der neuen Rolle als Leitung im Ermittlungsverfahren wachsender Kritik ausgesetzt. Es gibt daher auch eine Bestimmung, die die Transparenz staatsan­waltschaftlicher Entscheidungen erhöht. Ich denke, das ist auch ein wichtiger Bereich, der hier mit beschlossen wird.

Jetzt gibt es also die Möglichkeit, dass die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft auch öffentlich gemacht werden können. Dabei kann klar zum Ausdruck gebracht werden, warum es zum Beispiel – um einen Punkt herauszunehmen – zu einer Einstellung eines Verfahrens gekommen ist.

Eine gute Sache ist auch die verschärfte Bestimmung über die Abschöpfung der durch kriminelle Handlungen erzielten Bereicherung. Damit soll erreicht werden, dass der Staat Verbrechensgewinne zu seinen Gunsten einziehen kann und diese Taten damit hoffent­lich unattraktiver werden.

Aus diesem Kompetenzpaket besonders hervorzuheben ist die Schaffung einer in Zu­kunft einheitlichen und zentralen Staatsanwaltschaft gemeinsam mit der bisherigen Kor­ruptionsstaatsanwaltschaft in Wien insbesondere zur Verfolgung von Wirtschaftsstraf­sachen und zur effizienten Bekämpfung von Korruption.

Wir Vorarlberger bekommen ja meistens ein leichtes Zittern bereits dann, wenn man nur den Begriff Zentralisierung in den Mund nimmt. (Bundesrat Schennach: Genau!) Aber hier kann sogar ein Vorarlberger zustimmend nicken, weil ich denke, es ist da höchster Handlungsbedarf gegeben. (Bundesrätin Michalke: Ein leichtes Zittern!) Ein leichtes Zittern, Frau Kollegin. Bei dir herrscht vielleicht größeres Zittern, bei mir ist ein leichteres Zittern vorhanden.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 114

Ein Staatsanwalt sieht sich in der heutigen Zeit in vielen Verfahren einer Phalanx von hochspezialisierten Rechtsvertretern gegenüber. Da fehlt einfach die Balance, da ist auch höchster Änderungsbedarf gegeben, und das soll jetzt diese neue Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ändern. Das bedeutet bessere Ausbildungsmöglich­keiten, das bedeutet Spezialisierungen, das bedeutet Teamarbeit et cetera, et cetera.

Nächster Bereich: Kronzeugenregelung. Bei aller Kritik, die es deswegen auch gege­ben hat, scheint es doch zielführend zu sein, so wie im Bereich des Wettbewerbs- und Kartellrechts dies auch im Strafrecht einzuführen.

Im Kartellrecht sind es beinahe 90 Prozent der Fälle, die durch eine Kronzeugenrege­lung aufgedeckt werden. Also von Erfolglosigkeit kann man da sicher nicht sprechen. Die Kronzeugenregelung ist eine bewährte und deshalb auch effiziente Möglichkeit, im Bereich organisierter Kriminalität für raschere Aufklärung zu sorgen. Natürlich ist es le­gitim, dass die Kronzeugen auch im Verfahren einen entsprechenden Vorteil erhalten, weil sie ja wesentlich zur Klärung eines Sachverhaltes oder einer Handlung beigetra­gen haben.

Auch die Bestimmungen über die Strafbarkeit von Terrorcamps oder der Teilnahme an Terrorcamps werden in dieses Gesetz mit aufgenommen. Es ist eine neue, moderne Erscheinung im Bereich des Terrorismus, und da gilt es einfach rechtzeitig darauf zu reagieren. Der Staat braucht entsprechende Instrumente, entsprechende Möglichkei­ten, um dagegen zu werken. Kriminelle Terroristen dürfen einfach keinen Handlungs­spielraum bekommen, und da darf es auch keine Toleranz geben.

Die Terrorgefahr ist mitten unter uns. Vor einigen Tagen gab es in Stockholm einen Terroranschlag, der in seiner Dimension noch einfach war oder zu „wenig“ Schaden – unter Anführungszeichen – geführt hat, weil nur der Terrorist dabei gestorben ist. Aber wir sind immer wieder aufgerufen, wachsam zu sein und uns mit diesen Situationen auseinanderzusetzen. Wir wissen nicht, wo der nächste derartige Akt gesetzt wird. Wir dürfen alle hoffen, insbesondere jetzt zur Weihnachtszeit, dass in unserem schönen friedvollen Österreich dies nie der Fall sein wird.

Ich darf mich bei dir, Frau Ministerin, und deinem Kabinett für dieses immens wichtige Kompetenzpaket bedanken. Und aus Ländersicht ein Dank dafür, dass die Zuständig­keit der Landesgerichte erhalten bleiben wird. Da sind wir auch immer sehr hellhörig. Aber es besteht natürlich die Möglichkeit, eine Weitergabe an das zentrale Wirtschafts­gericht zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wichtige Materien im Kampf gegen Kriminalität, Ter­rorismus und insbesondere auch Wirtschaftskriminalität, denen meine Fraktion gerne zustimmen wird. (Allgemeiner Beifall.)

15.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


15.23.33

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Es ist gut, dass wir den 13. vor dem 14. Tagesordnungs­punkt beschließen, denn derzeit haben wir eine Korruptionsstaatsanwaltschaft mit sie­ben Planstellen, und wir haben uns immer bemüht, die internationale Anti-Korruptions­akademie zu bekommen. Mit diesem Gesetz heute reagieren wir einfach auf eine Man­gelausstattung an Kompetenz und verstärken etwas, was richtig und wichtig ist. Gera­de Wirtschaftskriminalität und Korruption werden immer diffiziler. Wir brauchen hier auch ein Spezialistentum. Die normale staatsanwaltliche Ausbildung genügt nicht.

Ich bin auch sehr froh gehört zu haben, dass es seitens des Ministeriums mittlerweile über die juristische Ausbildung hinaus eine ganze Reihe von Praktika, zum Beispiel in


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 115

Geldinstituten oder in anderen Bereichen der Wirtschaft, gibt, um sich ein ganz spe­zielles Know-how, das einfach angesichts von Wirtschaftskriminalität notwendig ist, an­eignen zu können. Und wenn wir dann 2014 statt sieben Staatsanwältinnen/Staatsan­wälten 40 plus Experten haben und insgesamt auf einen Mitarbeiterinnen-/Mitarbeiter­stab von 90 Personen kommen, dann kann man sagen, eine solche Korruptionsstaats­anwaltschaft, eine solche Stelle zur Bekämpfung von Korruption einerseits und Wirt­schaftskriminalität andererseits hat ein unglaubliches Maß an Kompetenz, an Kraft und Know-how.

Aber da, lieber Edgar Mayer, sollten wir uns bei großen Wirtschaftskriminalfällen hier nicht in einer föderalen Diskussion verlieren, denn das, was in diesem Gesetz inten­diert ist, dass solche Verfahren zentral zusammengezogen werden, ist schon sinnvoll und hat nichts mit dem Bestehen der Landesgerichte zu tun. Feldkirch ist davon mit Si­cherheit nicht betroffen.

Aber, ehrlich gesagt, wir mussten mit größter Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass im Hypo Alpe-Adria-Fall ein österreichischer Staatsanwalt mühsam arbeitet, wäh­rend die Bayern gleich sieben schicken. Das zeigt sozusagen, wo Kompetenz zu Hau­se ist oder wo wirklich mit allen Mitteln der Versuch gemacht wird, ein Strafverfahren einzuleiten und Straftaten aufzuklären. Und das geschieht jetzt in dieser Form.

Lieber Kollege Mayer, mit der Kronzeugenregelung haben wir noch keine Erfahrung, denn die führen wir heute ein. Mit diesem Gesetz führen wir quasi diese Kronzeugen­regelung ein. Diese ist auf sechs Jahre limitiert, wird dann evaluiert. Und jetzt ist etwas ganz wichtig, dass nämlich in unserem System diese Kronzeugenregelung in den nächsten sechs Jahren auch tatsächlich greift, dass wir Personen finden, die etwas Substantielles zu sagen haben. (Bundesrat Kneifel: Wir sollen die finden?) Wir in Ös­terreich, unser Gerichtswesen, unsere Staatsanwaltschaft. (Bundesrat Kneifel: Gewal­tenteilung!)

Lieber Kollege Kneifel! Wenn wir ein Gesetz verabschieden, dann muss es auch Leben bekommen und muss sich auch bewähren. (Bundesrat Kneifel: Da bin ich bei dir!) Und wenn wir eine Kronzeugenregelung einführen, dann müssen die Gerichtsbarkeit und die Exekutive alles tun, dass das in diesen sechs Jahren – am Ende dieser sechs Jah­re wird es evaluiert – auch entsprechende Ergebnisse zeitigt. Das heißt, es muss auch angewandt werden und es muss letztlich auch zu Wissenstransfer in dieses neue Kom­petenzzentrum führen.

Ich finde es gut, dass die Internationale Anti-Korruptionsakademie, für die sich Öster­reich immer sehr eingesetzt hat, in Laxenburg ihren Sitz hat. Das bereichert uns, das, was von Österreich aus in den internationalen Bereich zurückkommt, hebt aber auch das Ansehen unseres Landes, unserer Justiz. Es wird natürlich ein bisschen zu über­legen sein, wie das jetzt tatsächlich mit der Finanzierung ist, denn die Akademie soll ja durch freiwillige Beiträge der Vertragsparteien dieses Übereinkommens finanziert wer­den. Das ist aber nicht näher ausgeführt. Hoffen wir, dass Beiträge auch freiwillig he­reinkommen, sodass diese Akademie ihren Betrieb ab der Gründung auch in entspre­chendem Ausmaß aufrechterhalten kann.

Beide sind sehr gute Vorlagen. Vor allem ist zu betonen, dass es da angesichts von 90 Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen zu einer Anhäufung von Kompetenz in einem immer diffiziler werdenden Bereich, betrachtet man gerade die letzten wirtschaftskriminellen Fälle, kommt, die der österreichischen Justiz nur zur Ehre gereichen kann. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kickert. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 116

15.29.30

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Diesmal habe ich mich mit einer Pro-Rede zu Wort gemeldet. (Zwischenruf des Bundesra-
tes Mayer.)
Nicht wahr? Es wechselt sich heute ab, es geht so richtig Plus/Minus.

Also im Großen und Ganzen, nein, eigentlich im Ganzen – es gibt einen kleinen Teil, den ich hervorheben möchte, der nicht so passt –, sind wir sehr zufrieden mit dem Um­fang und auch den Details in diesem strafrechtlichen Kompetenzpaket und finden auch, dass es tatsächlich ein Schritt in die richtige Richtung ist. Möglicherweise kann ich das Wort „Meilenstein“ zumindest bei der Kronzeugenregelung anwenden und sagen, das ist echt ein Meilenstein für sehr viele Fälle der Wirtschaftskriminalität.

Auch wir begrüßen die Transparenz, die schon Kollege Mayer hervorgehoben hat. Die Begründungspflicht gerade bei der Verfahrenseinstellung gegenüber den Opfern, selbst wenn man die Begründung erst beantragen muss, halten wir für richtig. Auch die Bean­tragung steht in einer Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Aufwand.

Die Kronzeugenregelung, die ja schon erwähnt worden ist, halte ich für einen ganz we­sentlichen Schlüssel zum Knacken, sage ich jetzt einfach einmal, von Korruptionsfäl­len, auch weil wir die angeführten Voraussetzungen und die aufgelisteten Bedingungen für das Aussetzen der Strafverfolgung der Kronzeugen als richtig erachten. Auch die angegebene Befristung mit anschließender Evaluierung scheint ausgesprochen sinn­voll zu sein.

Auch die Schaffung einer zentralen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wird von uns begrüßt. Ich erwarte mir von dieser hochspezialisierten Behörde, dass die Kom­petenzen verstärkt und die jeweiligen Kompetenzen der verschiedenen Experten und Expertinnen zusammengeführt werden. Falls die im Finanzausschuss erläuterten Plä­ne zur personellen Besetzung dieser Staatsanwaltschaft tatsächlich dann auch umge­setzt sind, gehe ich davon aus, dass diese Stelle über genügend Expertise verfügen wird.

Im Zusammenhang mit der Expertise möchte ich auch noch die Errichtung der Inter­nationalen Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg positiv erwähnen. Also auch von daher eine Zustimmung unsererseits. Ich kann anschließend an den Herrn Professor Schennach auch nur erwähnen, dass wir nach den Ausführungen der Experten im Jus­tizausschuss hoffen, dass Sie zustimmen, dass die Freiwilligkeit der Beträge und der bisher zugesagten Beteiligung der Beträge auch tatsächlich eintrifft.

Bleibt noch ein besonderer Punkt, auf den ich verweisen möchte, nämlich § 278e zur sogenannten Ausbildung für terroristische Zwecke. Die Kritik bezieht sich nicht auf den Inhalt des Paragraphen, da kann ich mich meinen Vorrednern anschließen, sondern lediglich auf den Umstand, dass da ein einzelner Paragraph aus dem Paket des bereits längst fälligen Terror-Präventionsgesetzes herausgenommen worden ist und in ein an­deres Gesetz, nämlich das zur Wirtschaftskriminalität, hineingehängt wird, und das of­fensichtlich nur, damit die Frist zur Umsetzung einer europäischen Richtlinie eingehal­ten wird. Also sagen wir, diese etwas holprige Vorgehensweise, dieser etwas holprige Umstand der Gesetzeswerdung stärkt nicht unbedingt mein Vertrauen in die legistische Planung.

Aber alles in allem werden wir beiden vorliegenden Anträgen zustimmen. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

15.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte schön.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 117

15.33.56

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren Bundesräte! Ja, die Justiz braucht Vertrauen, Vertrauen durch Kompetenz, Transparenz und moderne Instrumente.

Ich komme einmal zur Kompetenz. In Wien wird eine schlagkräftige Einheit bei der so­genannten WKStA, Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, entstehen. Wir ha­ben es bereits gehört: 40 Staatsanwälte, sieben Experten, Assistenzpersonal. Das wird wirklich ein großer Fortschritt sein im Kampf gegen Korruption, im Kampf gegen große Wirtschaftskriminalität.

Weshalb gibt es jetzt nicht vier Zentren wie ursprünglich von uns geplant? Es hat das Begutachtungsverfahren unter anderem ergeben, dass der Großteil dieser Verfahren, dieser großen Wirtschaftsverfahren ohnehin in Wien anhängig sind, nämlich etwa 85 Prozent. Das Zweite ist, dass die Themen Wirtschaftskriminalität und Korruption nicht unbedingt voneinander getrennt werden können. Die Grenzen verschwimmen, und, wie gesagt, diese zwei Themen hängen sehr eng miteinander zusammen.

In dieser Einheit wird es besonders ausgebildete Staatsanwältinnen und Staatsanwälte geben. Wir wollen eine vor allem praxisbezogene Ausbildung machen. Wir wollen die Leute einmal für ein paar Monate in die Wirtschaft schicken, in ein Rechtsbüro eines Unternehmens etwa oder zu einem Wirtschaftstreuhänder. Es muss ein gewisses wirt­schaftliches Grundverständnis bei den Leuten entstehen. Ganz wichtig wird auch die Teambildung sein, denn große Prozesse sind viel leichter zu bewältigen, wenn in einem Team gearbeitet wird.

Auch nicht unwesentlich ist die Tatsache, dass in Zukunft ein bis zwei Staatsanwälte darauf spezialisiert sein werden, kriminell erworbenes Vermögen aufzustöbern, denn dafür gibt es jetzt momentan zu wenig Ressourcen, damit sich die Staatsanwälte wirk­lich mit dieser Frage beschäftigen. Das ist auch nicht unbedingt notwendig zur Erfül­lung eines Tatbestandes beziehungsweise zur Überführung in Richtung eines strafba­ren Tatbestandes. Das heißt, in Zukunft soll das besser werden durch Spezialisierung in diesem Bereich, denn das kommt letzten Endes nicht nur unserem Justizbudget zu­gute, sondern auch den vielen Opfern.

Kommen wir zur Transparenz. Wir haben es auch bereits gehört. In Zukunft soll es so sein, dass Einstellungsentscheidungen von Staatsanwälten in Fällen, die von besonde­rem öffentlichem Interesse sind, im Internet veröffentlicht werden sollen. Die Leute sol­len wissen, weshalb der Staatsanwalt ein Verfahren eingestellt hat. Derzeit ist es so, dass diese Entscheidungen nicht öffentlich sind. Das ist dann Nährboden für Missver­ständnisse und für Verschwörungstheorien, und das wollen wir in Zukunft verhindern.

Des Weiteren wird die Kronzeugenregelung schon ab Anfang nächsten Jahres einge­führt werden. Ich erwarte mir eigentlich sehr viel von dieser Kronzeugenregelung. Es gibt nun einmal Bereiche der Kriminalität, in denen besonders konspirativ agiert wird. Diese kriminellen Strukturen gilt es einfach aufzubrechen. Die Kronzeugenregelung hat etwa im Bereich des Kartellrechts wirklich Erfolgsgeschichte geschrieben. Daher bin ich überzeugt, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Zum Anti-Terror-Gesetz möchte ich vielleicht noch ganz kurz sagen, natürlich gibt es Situationen, gibt es Berichte der Polizei, wonach die Einführung eines derartigen Straf­tatbestandes einfach notwendig ist. Es gibt Leute, die nach Afghanistan oder wohin auch immer fahren und sich dort für terroristische Zwecke ausbilden lassen. Ich meine, die Stockholmer Ereignisse haben gezeigt, die Terrorgefahr ist einfach auch in Europa gegeben und wir müssen reagieren.

Warum ist diese Bestimmung herausgelöst worden? – Das ganze Paket liegt eigentlich schon im Parlament. Es ist sozusagen jetzt Sache des Parlaments, wie mit den übrigen Bestimmungen in diesem Paket in Zukunft umgegangen wird.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 118

Eines möchte ich vielleicht noch zu den Ausführungen des Herrn Professors Schen­nach sagen, er hat nämlich das Hypo-Verfahren angesprochen. Ich möchte nur eine kleine Korrektur anbringen. In Klagenfurt sind in diesem Fall vier Staatsanwälte, eine Expertin und 17 Beamte der SOKO tätig, wir sind sogar mehr als die Bayern. In Bayern gibt es noch keine Anklage, aber in Kärnten schon. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend ein strafrechtliches Kompetenzpaket.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. No­vember 2010 betreffend ein Übereinkommen zur Errichtung der Internationalen Anti-Korruptionsakademie als internationale Organisation.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Ziffer 2 B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

15.40.2516. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuel­lem Missbrauch (881 d.B. und 1017 d.B. sowie 8435/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik Mauritius zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentfüh­rung (877 d.B. und 1018 d.B. sowie 8436/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 119

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 16 und 17 ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um die Be­richte.

 


15.40.56

Berichterstatter Christian Füller: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe als Erstes den Bericht des Justizaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Ver­lesung.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 15. Dezember 2010 in Verhandlung genommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Zif­fer 3 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu er­füllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe als Zweites den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Na­tionalrates vom 30. November 2010 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik Mauritius zum Übereinkommen über die zivil­rechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 15. Dezember 2010 in Verhandlung genommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, Frau Präsidentin, in die Debatte einzutreten.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für die Berichte.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


15.42.38

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Subsidiarität ist ein Begriff, der gerade in diesem Haus sehr oft verwendet wurde und verwendet wird. Ge­mäß dem Subsidiaritätsprinzip sollen bei staatlichen und bei öffentlichen Aufgaben zu­erst und im Zweifel untergeordnete, lokale Glieder, die kleineren Einheiten für die Lö­sung und Umsetzung zuständig sein, während die übergeordneten Einheiten zurück­zutreten haben. Das setzt aber voraus, dass die kleine Einheit auch in der Lage ist, die sich ihr stellenden Probleme und Aufgaben auch entsprechend zu lösen.

Heute und hier steht eine Materie zur Diskussion, die von der kleineren Einheit, also weder lokal noch regional, ja nicht einmal nationalstaatlich sinnvoll angegangen ge­schweige denn gelöst werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 120

Kriminalität, vor allem in jenen Formen, die sich der weltweit vernetzten Kommunika­tion im Internet bedienen, kennt keine Grenzen und kann somit nur international bezie­hungsweise supranational bekämpft werden.

Das Übereinkommen der Mitgliedstaaten des Europarates, dem wir heute die Zustim­mung erteilen können – was wir von meiner Fraktion auch tun werden –, ist angesichts aktueller Entwicklungen, nämlich der zunehmenden Anzahl von sexuellen Vergehen gegen Kinder, höchst notwendig.

Das Übereinkommen sieht klare Richtlinien zum Schutz von Kindern vor, und zwar so­wohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, und außerdem weiterführende Bestimmungen zur Verbrechensprävention sowie – und auch das ist entscheidend – härtere Strafen für Täter.

Entscheidend aus meiner Sicht ist, dass erstmals in einem internationalen Rechts­instrument die unterschiedlichsten Formen des sexuellen Missbrauchs von Kindern deutlich als Straftat benannt werden und dass neben den bedauerlicherweise bereits länger bekannten Formen wie Kinderprostitution, Kinderhandel und Kinderpornogra­phie auch neue Formen wie Grooming – das ist die Anwerbung eines Kindes für se­xuelle Zwecke im Internet – und Kindersextourismus erfasst werden.

Das österreichische Innenministerium veröffentlicht jedes Jahr eine Statistik über se­xuelle Gewalt gegen Kinder. Letztes Jahr wurde ausgewiesen, dass 512 Kinder nach­weislich von sexueller Gewalt betroffen waren. Die Dunkelziffer ist aber erfahrungsge­mäß wesentlich höher.

Wir sehen also, dass das gegenständliche Übereinkommen auch für Österreich höchst aktuell ist und dass wir es notwendig brauchen, um Täter international besser ausfor­schen und bestrafen und somit hoffentlich auch abschrecken zu können.

Dieses Übereinkommen ist aus meiner Sicht ein weiterer wichtiger Schritt im Kampf ge­gen sexuelle Gewalt an Kindern, der aber nicht der letzte sein darf. Denn: Jedes Kind, dem auf so abartige und widerwärtige Weise körperliches und seelisches Leid zugefügt wird, ist eines zu viel, und das darf uns nicht in Ruhe lassen – uns als Entscheidungsträge­rinnen und Entscheidungsträger nicht und jede und jeden von uns als mündige und auf­merksame Bürgerinnen und Bürger ebenfalls nicht. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Bei­fall.)

15.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


15.45.45

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Diesem Überein­kommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und se­xueller Ausbeutung gehen sämtliche internationale Verträge voran, die Österreich un­terzeichnet und bereits ratifiziert hat. Österreich hat ja bereits vor 18 Jahren die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, allerdings mit einem Erfüllungsvorbehalt. Darüber hi­naus sind 2002 auch die Fakultativprotokolle betreffend Kinderpornographie und Kin­derprostitution und Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels ratifiziert worden.

Zur Kinderrechtskonvention möchte ich sagen, dass sie allerdings nicht im Verfas­sungsrang steht. Es ist aber bereits mehrmals vom UN-Kinderrechtsausschuss die Emp­fehlung an Österreich ergangen, sie in Verfassungsrang zu heben. Vor Kurzem hat es vonseiten des Bundespräsidenten auch die Anregung gegeben, die Kinderrechtskon­vention als Bestandteil der Verfassung aufzunehmen.

Deshalb wollte ich Sie fragen, Frau Ministerin, wie Sie zu der Überlegung stehen, die Kinderrechtskonvention als Bestandteil der Verfassung zu verabschieden.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 121

Österreich und Deutschland waren 2007, als dieses Übereinkommen beschlossen wur­de, die ersten Unterzeichnerstaaten, und mit dem heutigen Gesetzesbeschluss besie­geln wir nun das Wirksamwerden dieses Abkommens.

Rechtlich gesehen stellt dieses Abkommen einen wesentlichen Fortschritt dar und hebt sich von den anderen internationalen Verträgen ab, denn es handelt sich dabei um das erste Abkommen, das den Missbrauch von Minderjährigen in einem internationalen Rahmen als Verbrechen einstuft. Wie schon von meiner Vorrednerin gesagt worden ist, definiert zum ersten Mal ein internationaler Vertrag den Tatbestand der sexuellen Aus­beutung und des sexuellen Missbrauchs gegen Kinder als kriminelles Vergehen.

Zum Beispiel verlangt das Abkommen, dass sexuelle Handlungen mit Minderjährigen als Verbrechen geahndet werden. Und die Staaten werden verpflichtet, sexuellen Miss­brauch auch dann zu verfolgen, wenn er innerhalb der Familie oder im Ausland statt­findet. Es sind die Unterzeichnerstaaten auch verpflichtet, Sextouristen, die im Ausland Kinder missbraucht haben, strafrechtlich zu verfolgen.

Zum Tatbestand der sexuellen Ausbeutung hat das Abschlussdokument des III. Welt­kongresses gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern in Rio de Janeiro in seinem Aufruf richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Opfer sexueller Ausbeutung meis­tens aus den Entwicklungsländern und aus Südosteuropa stammen, während die Kon­sumenten und Konsumentinnen vielfach in den wohlhabenden Industrieländern leben.

Prostitution von und Pornographie mit Kindern sind Phänomene, die oft verbunden sind mit Kinderhandel. Und Kinderhandel wiederum gehört neben dem Drogen- und Waf­fenhandel zu einem der lukrativsten kriminellen Geschäfte weltweit. Weltweit werden Jahr für Jahr mehrere Millionen Kinder kommerziell in Prostitution und Pornographie se­xuell ausgebeutet – mit steigender Tendenz.

Die Ursachen dafür sind offensichtlich. Im Vordergrund stehen soziale und wirtschaftli­che Ungleichheit in den Entwicklungsländern, steigende Armut, Gewalt, Kriege, Bür­gerkriege. All dies bietet den Nährboden für ausbeuterische Verhältnisse. Die Ausbeu­tung von Menschen kennt die verschiedensten Formen und umfasst auch die sexuelle Ausbeutung, wie etwa die Kinderprostitution und die Pornographie mit Kindern.

Die Globalisierung hat auch bewirkt, dass Tatbestände wie die sexuelle Ausbeutung zu globalen Phänomenen geworden sind. Daher muss die Bekämpfung von sexueller Aus­beutung Gegenstand von internationalen Abkommen sein, aber sie muss auch darüber hinausgehen. Sie muss auch im Rahmen der Entwicklungspolitik und der Entwicklungs­zusammenarbeit gesehen werden, denn wenn Mädchen und Buben mangels Einkom­mensalternativen zur Prostitution gezwungen werden, dann gilt es, die Rahmenbedin­gungen so zu verändern, dass es möglich ist, auch die Ursachen zu bekämpfen, die Kin­derprostitution und sexuelle Ausbeutung erst ermöglichen. Daher muss im Zusammen­hang mit der Bekämpfung von sexueller Ausbeutung ein Schwerpunkt auch auf der Be­kämpfung jeglicher Form von Kinderarbeit liegen.

2008 – um nur ein paar Beispiele zu nennen – wurden über 1 000 kommerzielle und rund 500 nichtkommerzielle Webseiten kinderpornografischen Inhaltes aufgedeckt, da­von 71 Prozent in den USA. Schätzungen zufolge werden etwa 20 Prozent der Kinder­porno-Webseiten nicht kommerziell betrieben.

In Österreich wurden in den vergangenen Jahren im Bereich des Sexualstrafrechts um­fassende Reformen durchgeführt, und das in Entsprechung der internationalen Ab­kommen. Dennoch besteht aufgrund der fortschreitenden Technologisierung die Not­wendigkeit, in Hinkunft noch weitere Maßnahmen zu setzen. So wurde erst kürzlich mit dem Zweiten Gewaltschutzgesetz der wissentliche Zugriff auf Kinderpornografie im In­ternet unter Strafe gestellt.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 122

Im Rahmen dieses Europaratsübereinkommens, dessen Wirksamwerden wir heute be­schließen, werden auch vereinzelte Bestimmungen, die das österreichische Strafrecht bisher nicht gekannt hat, wie etwa betreffend das Grooming, umgesetzt werden. Zum ersten Mal wird Grooming – Grooming ist die Anwerbung eines Kindes im Internet für sexuelle Zwecke – als Straftatbestand in einem internationalen Vertrag erfasst. Das spiegelt sehr gut die besorgniserregende Entwicklung wider, dass Kinder zunehmend im Internet, zum Beispiel in Chatrooms, mit Erwachsenen zusammentreffen, die mit ih­nen in der Absicht kommunizieren, sie in der Folge sexuell auszubeuten.

Da mit der Ratifizierung dieses Abkommens und der baldigen Umsetzung dieses Straf­tatbestandes der neuen technologischen Entwicklung in diesem Bereich des Sexual­strafrechts Rechnung getragen wird, wird meine Fraktion diesem Übereinkommen be­ziehungsweise dem Wirksamwerden dieses Übereinkommens die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Brückl. – Bitte.

 


15.53.20

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Kindesmiss­brauch, Kinderhandel und Kinderpornografie gehören zu den schwersten und auch zu den grauslichsten Verbrechen in unserer Gesellschaft. Kindesmissbrauch ist nichts an­deres als die Ermordung der Seele eines jungen Menschen, was einem neben den kör­perlichen Schmerzen zugefügt wird.

Unsere Aufgabe, werte Mitglieder dieses Hauses, ist es, alles zu unternehmen bezie­hungsweise alle rechtlichen und gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, die den Schutz unserer Kinder gewährleisten. Ich weiß mich hier mit Ihnen allen einer Meinung.

Im vorliegenden zu beschließenden Übereinkommen, das wichtig und auch richtig ist, heißt es unter anderem im Artikel 20 Abs. 1:

„Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnah­men, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und rechtswidrig begangen, als Straf­taten zu umschreiben.“

Und da heißt es unter lit. f): „dem wissentlichen Zugriff auf Kinderpornografie mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologien.“

Im Absatz 4 heißt es dann: „Jede Vertragspartei kann sich das Recht vorbehalten, Abs. 1 lit. f ganz oder teilweise nicht anzuwenden.“

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind uns einig, dass wir diesen Punkt anzuwenden haben, denn gerade im Bereich der Informations- und Kommunikations­technologie, sprich im Internet, stehen pädophil veranlagten Personen im Grunde ge­nommen fast alle Türen offen.

In diesem Zusammenhang wollten wir hier heute einen unselbständigen Entschlie­ßungsantrag einbringen. Doch es wurde uns signalisiert, dass dieser heute hier, wenn wir ihn zur Abstimmung bringen würden, nicht jene Zustimmung erfahren würde, die wir gerne hätten. Wir werden diesen Antrag daher im Ausschuss einbringen, und ich darf Sie jetzt schon ersuchen, dass wir uns dann auf einen gemeinsamen Nenner bezie­hungsweise auf einen gemeinsamen Text einigen, denn ich glaube, dass Sie alle hier meiner Meinung sind, dass wir in diesem Bereich dahin gehend eingreifen müssen, dass man den Zugriff zu diesen Internet-Seiten sperrt, dass man diese Internet-Seiten löscht. Ich denke, dass wir im Ausschuss, wie ich hoffe, hier einen gemeinsamen Nen­ner finden werden, mit dem wir alle leben können.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 123

Ich meine, dass das entsprechend ausdiskutiert werden muss. Ich ersuche Sie, nicht nur unserem politischen Auftrag gerecht zu werden, sondern auch unserem gesell­schaftlichen Auftrag und auch der persönlichen Verantwortung, die wir alle haben! Ich meine, dass jeder von uns, unabhängig davon, ob er Kinder hat oder nicht, diese per­sönliche Verantwortung wahrzunehmen hat.

Abschließend darf ich noch sagen, dass dieses Abkommen, das hier zur Beschluss­fassung vorliegt, ein gutes und ein richtiges ist, und wir werden daher dem Ausschuss­antrag zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Dr. Kickert. – Bitte.

 


15.56.51

Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Das vorliegen­de Übereinkommen mit dem Europarat ist wichtig, und selbst wenn ich nicht dieselben pathetischen Worte finden werde wie mein Kollege Brückl, werden wir das Überein­kommen und auch die Beitrittserklärung selbstverständlich unterstützen.

Selbst wenn viele der Tatbestände bereits schon bestehen und jetzt schon mit Strafe belegt sind, wie etwa der sexuelle Missbrauch und die Kinderpornografie, so kommt doch mit der Kontaktanbahnung über das Internet, wie die Kollegin Duzdar schon er­wähnt hat, mit dem sogenannten Grooming ein wichtiger neuer Straftatbestand hinzu.

Der wesentlichste Schutz für Kinder wäre aber natürlich die Verhinderung solcher Straftaten. Die Straftaten werden ja nicht nur durch eine Androhung von hohen oder vielleicht sogar noch höheren Strafen verhindert, sondern wohl am ehesten durch eine erfolgreiche Strafverfolgung und die dann daraus resultierenden Verurteilungen.

Ich habe mir vor Kurzem die Recherchen meines Kollegen Steinhauser dazu ange­sehen und möchte sie Ihnen nicht vorenthalten. Ich habe sie wirklich sehr interessant gefunden. Er hat sich die Daten aus den ersten zehn Jahren seit Errichtung der Melde­stelle für Kinderpornografie 1998 herausgesucht, und diese weisen aus, dass sich in diesem Zeitraum die Zahl der Meldungen zu kinderpornografischen Seiten verdrei­zehnfacht und die Zahl der entsprechenden Anzeigen verfünfzehnfacht hat. Das sind schon enorme Steigerungen. In derselben Zeitspanne aber ist die Zahl der an der Mel­destelle arbeitenden Personen mit vier Personen gleich hoch geblieben. Vier Personen haben jetzt also eine Verdreizehnfachung bei den Meldungen und eine Verfünfzehnfa­chung bei den Anzeigen zu bearbeiten.

Aber es bleibt nicht dabei: Die Zahl der ermittelnden Beamten und Beamtinnen, zum Beispiel allein im Landeskriminalamt Wien, das wahrscheinlich das größte ist, ist sogar gesunken, und zwar von acht auf sechs Personen. Also selbst wenn höhere Strafen und neue Straftatbestände, die sicher sinnvoll sind, eingeführt werden, haben sie, solange die vorhandenen Straftatbestände unzureichend verfolgt werden können, nur einen be­schränkten Nutzen.

Ich würde mir daher wünschen, dass sowohl Justiz- als auch Innenministerium gegen Pornographie mit, sagen wir, ebenso großer Verve und mit ebenso großem Nachdruck, was Mittel- und Personaleinsatz betrifft, vorgehen wie zum Beispiel gegen Tierschütze­rinnen und Tierschützer.

Ein wesentlicher Punkt dabei ist natürlich auch, dass wir sozusagen neben der Verfol­gung, nämlich der tatkräftigen Verfolgung dieser Straftaten auch das weitere Umfeld beachten, dass also nicht nur Polizei und Justiz hier mitwirken, sondern auch Jugend­schutz und Jugendwohlfahrt. Denn selbst wenn wir immer gerne den bösen Mann, den


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 124

bösen schwarzen Mann oder den bösen ich weiß nicht was – nicht politisch gesehen (Heiterkeit und Zwischenrufe), nein, nein, bitte schön, aber den bösen (Ruf: Grün­mann!) Mann von auswärts, Grünmann, das ist mir jetzt echt egal –, aber sozusagen immer den Fremden als größtes Bedrohungspotential für Kinder vorschützen, so müs­sen wir doch anerkennen und wissen wir alle, dass auch die Bedrohung im engsten Um­kreis gegeben ist und daher gerade auch in der Jugendwohlfahrt und in der Sozialarbeit entsprechende Unterstützung wirklich nötig wäre.

Nichtsdestotrotz, wir werden beiden Anträgen unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

16.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


16.01.36

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Minister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sexuelle Ausbeutung geschieht oft schleichend in Familien, in unterschiedlichen Schichten. Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, die Statistik zeigt, dass auch in Österreich über 500 Kinder im letzten Jahr sexueller Aus­beutung oder sexuellem Missbrauch ausgesetzt waren. Weltweit sind es offiziell 1,2 Mil­lionen; die Dunkelziffer ist sicher weitaus höher. Was mich dabei am meisten er­schreckt, ist, dass 70 Prozent der kinderpornographischen Darstellungen von Servern in den USA bekommen, und der Umstand, dass es dort auch keine Anzeichen gibt, die­se pornographischen Darstellungen sperren oder zensurieren zu wollen.

Eine weitere große Gefahr bilden unsere sozialen Netzwerke. Das zeigt auch die Sen­dung „Schützt endlich unsere Kinder“, welche seit 8. Oktober im ZDF ausgestrahlt wird und wo darüber berichtet wird, dass Kinderschänder immer wieder auch ins Netz ge­hen. Hier sehen wir, wie wichtig es auch in diesem Bereich ist, dass internationale Über­einkommen greifen.

Dies hat zwar nichts mit dem Gesetz zu tun. Ich möchte aber trotzdem ein Dankeschön all den Freiwilligen aussprechen, die sich für den Schutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch einsetzen. Diese Personen sind als Anlaufstellen und anonyme Ansprech­partner unheimlich wichtig, wie etwa in Kinderschutzzentren oder Frauenhäusern, wo die betroffenen Menschen anonym Zuflucht finden können.

Man stellt sich aber die Frage: Sind wir Menschen pädophiler geworden, oder hat die Vielzahl der Fälle auch damit zu tun, dass es da eine Öffnung gegeben hat, dass das Tabu endlich gebrochen wurde und Kinderpornographie sowie sexueller Missbrauch jetzt auch offiziell diskutiert werden? Unser Kinderschutzzentrum im Bezirk Braunau ist mit dem Projekt „Mein Körper gehört mir!“ in die Schulen gegangen und konnte einige Fälle aufdecken. Das war wichtig, und man hat damit großes Leid beenden können. Auch hier ein Dankeschön an die Organisatoren.

Ein noch größeres Verbrechen ist der kinderpornographische Sextourismus. Hier sind die Non-Profit-Organisationen, welche international tätig sind, sehr wichtig, dass sie den Pädophilen das Handwerk legen und man diese strafrechtlich verfolgen kann. Auch an diese Personen ein herzliches Dankeschön!

Das Übereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuel­lem Missbrauch ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Zum Schutz unserer Kin­der wird es aber noch viele Schritte brauchen.

Ich danke auch allen Mitgliedern des Bundesrates für die Einstimmigkeit.

Frau Minister, ein Dankeschön für die Arbeit, die Sie und Ihre Mitarbeiter im Justizmi­nisterium leisten! Es ist wirklich hervorragend, Sie als Justizministerin zu haben. Ich


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 125

wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeitern für die Zukunft alles Gute. – Danke schön. (Bei­fall bei der ÖVP.)

16.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


16.04.53

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde in meinem Redebeitrag auf das Thema Kinderpornographie eingehen, und zwar Kinderpornographie im Internet.

Wir haben jetzt schon einige Zahlen gehört. Ich habe mir eine Meldung vom 2. Dezem­ber dieses Jahres herausgesucht, wo die UN-Sonderberichterstatterin für Kinderporno­graphie gesagt hat – diese Zahlen sind jetzt nicht ganz die gleichen wie jene, die Kolle­gin Kickert vorher genannt hat –, dass sich die Zahl der kinderpornographischen Bilder im Internet zwischen 2003 und 2007 vervierfacht hat. 80 Prozent der Kinder sind jünger als zehn Jahre, etwa ein Drittel ist sogar jünger als drei Jahre. Schätzungen hinsichtlich der Zahl der dazu missbrauchten Kinder reichen, weil die Dunkelziffer auch so hoch ist, von 10 000 bis 100 000. In Thailand werden im Sexgeschäft zwischen 14 und 16 Pro­zent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, davon ein Großteil von Minderjährigen. Die Nachfrage nach Kinderprostituierten steigt, da viele Kunden offenbar glauben, die­se seien seltener mit dem HI-Virus infiziert. Dabei stecken sich gerade Heranwach­sende leichter an, sie sind anfälliger für Verletzungen und können kaum den Gebrauch eines Kondoms durchsetzen.

Wir haben ein Problem. Das Problem besteht derzeit darin, dass kinderpornographi­sche Inhalte auch dann, wenn sie von privaten Meldestellen oder von der Polizei ent­sprechend angezeigt werden, in bestimmten Ländern nicht gelöscht werden. Über 60 Prozent beziehungsweise knapp 70 Prozent der Server mit kinderpornographischen Inhalten befinden sich in den USA, zirka 20 Prozent in Russland. Und gerade dort be­steht dieses Problem, dass die Seiten, obwohl sie aufgezeigt werden, nicht gelöscht wer­den.

Wir brauchen dafür internationale Regelungen. Daher wird meine Fraktion natürlich auch sehr gerne diesem Übereinkommen zustimmen. Es wird an einer europäischen Richtli­nie gearbeitet. Die Frau Ministerin hat auch schon in einer Presseaussendung vom 3. Dezember gesagt, dass wir die Vorreiterrolle, die wir bereits 2009 eingenommen ha­ben, auch hier wieder unter Beweis stellen werden, vor allem was das Grooming be­trifft, dass wir auch hier wieder eine Vorreiterrolle einnehmen werden, was sehr erfreu­lich ist.

Ich möchte aber wirklich Folgendes sagen, weil der Kollege von der Freiheitlichen Par­tei vorher gesagt hat, man kann den Antrag heute leider hier nicht einer Mehrheit zu­führen: Dieses Thema ist so ein sensibles Thema und für uns so ein wichtiges Thema, dass wir nicht glauben, dass wir heute nach zwei, drei Redebeiträgen, wo kein Einziger und keine Einzige von uns hier Experte oder Expertin ist, über dieses Thema ab­stimmen können. Ich denke mir, dazu ist wirklich eine Beratung im Ausschuss erfor­derlich, wo wir dann auch Experten und Expertinnen haben, denen wir auch Fragen stellen können. Und nach dieser eingehenden Beratung im Ausschuss werden wir dann hoffentlich zu einer gemeinsamen Lösung kommen (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir uns auch gedacht, ja!), die nichts verhindert, sondern durch die wir wirklich einen Schutz für unsere Kinder erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 126

16.07.59

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich wollte auch nur ganz kurz zum Entschließungsantrag etwas sagen. Eben deshalb, weil im Text mehr für die Internetsperre plädiert wird und im Antrag selbst die Löschung angeführt wird und auch die Argumentation eher in Richtung Sperre geht, wäre es wirklich gut, wenn wir da Experten zur Hand hätten, die uns sagen, was überhaupt möglich ist und was man überhaupt machen kann. Also wenn ihr das in den Ausschuss verlegt, finde ich das sehr vernünftig.

Es hat mich dann auch noch die Frage des Kollegen Tiefnig, ob „wir“ pädophiler ge­worden sind, zu meinem kurzen Redebeitrag animiert. Ich nehme an, das ist allgemein gemeint, also die Weltbevölkerung. – Das glaube ich im Prinzip nicht. Ich glaube, das Problem, das dahintersteckt, ist, dass es erstens einmal ein wirtschaftlicher Zweig ge­worden ist, und zwar ein sehr großer wirtschaftlicher Zweig, wie wir gehört haben, und dass es zum Teil eben früher vielleicht auch passiert ist, aber versteckter passiert ist. – Das haben wir ja auch schon angesprochen. (Bundesrätin Zwazl: ... hat er aber gesagt!)

Ich glaube, das Problem oder ein großes Problem, das wir haben und das wir mit hö­heren Strafen sicher nie bekämpfen können werden – ganz im Gegenteil –, ist, dass diese Dinge großteils in der Familie passieren, dass gerade in der Familie dann Anzei­gen et cetera nicht so leicht von der Hand gehen, wie wenn das ein Fremder ist. Inso­fern ist diese Aufklärungsarbeit, von der du schon gesprochen hast, ganz besonders wichtig. Ich würde auch dafür plädieren, dass man diese Internetseite, wo man solche Dinge anzeigen kann, besser promotet. Ich kann mich erinnern, vor fünf, sechs Jahren bin ich selber einmal auf so eine Seite gestoßen und habe mir gedacht: Wie komme ich da jetzt wieder weg und wo melde ich das? Und das herauszufinden ist dann gar nicht einfach, wenn man plötzlich damit konfrontiert wird und nicht weiß, wo man jetzt sucht, wo man das hinschickt. Da, glaube ich, kann man sicher dadurch, dass man das mehr promotet, den Menschen den Zugang und die Meldung leichter machen.

Ansonsten wurde vieles schon gesagt: dass Kinderpornographie und Kindesmiss­brauch natürlich zu den schrecklichsten Dingen gehören, die in unserer Gesellschaft der­zeit an Verbrechen passieren – das, glaube ich, stellt hier keiner in Frage –, und dass wir alle tunlichst das Unsere dazu beitragen sollten, diese Verbrechen zu verhindern, und möglichst auch darauf hinwirken sollten, dass man diese Verbrechen auch anzeigen kann, ohne dass man Gewissensbisse in Bezug auf Familienmitglieder et cetera haben muss.

Es gibt zum Beispiel in Deutschland ein Projekt, wo – es ist jetzt nicht ganz dasselbe – missbrauchte Frauen sich an eine Stelle wenden können, dort einmal zu Protokoll ge­ben können, was passiert ist, und sich dann erst überlegen, ob sie anzeigen. Ich denke mir, das wäre dieser niederschwellige Zugang, jemandem zu sagen, das und das ist passiert, gerade wenn es im Familien- oder Bekanntenbereich passiert. Das ist etwas ganz Wichtiges, wo man auch in Österreich, glaube ich, noch vermehrt dafür sorgen sollte, dass es solche Stellen gibt, die man anrufen kann. – Danke. (Beifall der Bundes­rätin Dr. Kickert sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.10


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte.

 


16.11.03

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, Sie wissen alle, dass der Kampf gegen Kinderpornographie, der Kampf gegen Kindesmissbrauch zu meinen Prioritäten gehört, und Österreich hat diesbezüglich bereits eine Vorreiterstellung. Wir waren das


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 127

erste Land in Europa, das den Straftatbestand der wissentlichen Betrachtung von kin­derpornographischen Darstellungen eingeführt hat. Jetzt machen es uns die anderen Länder nach – Gott sei Dank, denn das gehört einheitlich geregelt, eigentlich weltweit, aber der erste Schritt ist Europa.

Ich habe vor, in den nächsten Tagen einen neuen Straftatbestand, nämlich den Tatbe­stand des Grooming beziehungsweise Cyber-Grooming, in Begutachtung zu schicken. Wir haben bereits einen Gesetzestext gebastelt.

Kinder, Jugendliche sind im Internet Gefahren ausgesetzt, wir alle wissen das. Jugend­liche flüchten sich in eine Scheinwelt im Internet, und es kommt immer häufiger vor, dass sich Erwachsene – meistens sind es ältere Herren – das Vertrauen von Kindern und Jugendlichen in den Chat-Rooms erschleichen, nämlich unter Vorspiegelung fal­scher Identität. Sie tun so, als ob sie junge Burschen wären, stellen Fotos von jungen, feschen Burschen ins Netz. Die Mädchen glauben, sie haben jetzt den Schwarm ihres Lebens entdeckt, verlieben sich. Aber diese Personen verschweigen ihr wahres Alter, und sie verschweigen vor allem ihre wahre Intention. Und die wahre Intention ist die sexuelle Kontaktaufnahme. Dieses Phänomen greift leider sehr um sich, und deswe­gen müssen wir jetzt sofort reagieren – und das tun wir auch.

Was das Internet betrifft, möchte ich noch eines sagen: Es ist in der Europäischen Uni­on eine heftige Debatte entbrannt, was die Frage betrifft, ob Internetseiten mit kinder­pornographischen Darstellungen nur gelöscht werden sollen oder ob man das Internet in diesen Fällen auch sperren kann.

Deutschland ist da sehr restriktiv. Dort sagt man, ein Sperren von Internetseiten würde sozusagen der Beginn einer Zensur sein, nämlich insofern, als man sagt, das wäre ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit. Und ganz ehrlich: Dieser Meinung kann ich mich absolut nicht anschließen. Das ist ein sehr emotionales Thema. Wenn man sich einmal solche Seiten angeschaut hat – und ich war ja lange Zeit im Straflandesgericht –, dann, muss ich sagen, ist es sehr, sehr schwierig, dieses Thema nicht emotional zu sehen.

Ich bin der Meinung, es muss möglich sein, Internetseiten zu löschen, und wenn das nicht möglich ist, weil der Server eben im Ausland sitzt, dann muss es auch möglich sein, diese Seiten zu sperren. Denn wenn die Begriffe „Meinungsfreiheit“ und „Kinder­pornographie“ in einem Satz verwendet werden, dass ist das für mich absolut nicht vertretbar, und ich werde auf europäischer Ebene weiter dafür kämpfen. (Allgemeiner Beifall.)

Zur Kinderrechtskonvention will ich nur sagen: Es ist, glaube ich, am 13. Jänner eine Besprechung, ein Hearing mit dem zuständigen Staatssekretär Ostermayer geplant. Ich bin durchaus auch dafür, dass in dieser Richtung etwas weitergeht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. November 2010 betreffend das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 128

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 3 Bundes-Verfassungsgesetz den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 30. No­vember 2010 betreffend Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Bei­tritts der Republik Mauritius zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte in­ternationaler Kindesentführung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

16.16.4218. Punkt

Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder in den Ständigen gemeinsamen Ausschuss des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Ta­gesordnung.

Diese Wahl ist aufgrund der Ergebnisse der Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien beziehungsweise der darauf erfolgten Neuwahl des gegenständlichen Ausschus­ses erforderlich geworden.

Demzufolge sind von der ÖVP je sechs Mitglieder und Ersatzmitglieder, von der SPÖ je fünf Mitglieder und Ersatzmitglieder und von der FPÖ je zwei Mitglieder und Ersatz­mitglieder für eine entsprechende Wahl vorzuschlagen.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmitglie­der vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Entsprechende Wahlvorschläge der Fraktionen liegen mir vor. (Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner erhebt sich von ihrem Sitzplatz und begibt sich zum Saalaus­gang.) – Ich verabschiede die Frau Bundesministerin. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 129

Die Wahlvorschläge lauten auf folgende Mitglieder:

Von der ÖVP wurden vorgeschlagen: Georg Keuschnigg (Tirol), Gottfried Kneifel (Ober­österreich), Edgar Mayer (Vorarlberg), Josef Saller (Salzburg), Gregor Hammerl (Stei­ermark) und Sonja Zwazl (Niederösterreich).

Von der SPÖ wurden vorgeschlagen: Wolfgang Beer (Wien), Ana Blatnik (Kärnten), Manfred Gruber (Salzburg), Inge Posch-Gruska (Burgenland), Johann Schweigkofler (Tirol).

Von der FPÖ wurden vorgeschlagen: Cornelia Michalke (Vorarlberg) und Peter Mitterer (Kärnten).

Die Wahlvorschläge für die Ersatzmitglieder lauten wie folgt:

Von der ÖVP vorgeschlagen: Dr. Magnus Brunner (Vorarlberg), Elisabeth Greiderer (Tirol), Mag. Michael Hammer (Oberösterreich), Mag. Harald Himmer (Wien), Martin Preineder (Niederösterreich) und Friedrich Reisinger (Steiermark).

Von der SPÖ vorgeschlagen: Mag. Gerald Klug (Steiermark), Johann Kraml (Oberös­terreich), Juliane Lugsteiner (Niederösterreich), Mag. Susanne Neuwirth (Salzburg) und Stefan Schennach (Wien).

Von den Freiheitlichen vorgeschlagen: Hermann Brückl (Oberösterreich) und Gerd Kru­sche (Steiermark).

Ich werde die Abstimmung über diese Wahlvorschläge, sofern sich kein Einwand er­hebt, unter einem vornehmen.

Da jeweils nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich durch Handzeichen abstimmen lassen.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den gegenständlichen Wahlvor­schlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenein­helligkeit.

Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmeneinhelligkeit ge­wählt. – Ich gratuliere.

16.16.4319. Punkt

Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2011

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen somit zum 19. Punkt der Ta­gesordnung.

Da mit 1. Jänner 2011 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Oberösterreich übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Gottfried Kneifel, zum Vor­sitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidentin und des Vizepräsidenten

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin beziehungsweise des Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen las­sen.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 130

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wäh­lenden Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir nun der Wahlvorschlag vor, mich selbst, nämlich Frau Bundesrätin Mag. Su­sanne Neuwirth, vorzuschlagen. (Heiterkeit.)

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Ich erkläre sogleich, die Wahl anzunehmen, und bedanke mich für das Vertrauen. (All­gemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt. (Bundesrat Mag. Himmer bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

Ich gratuliere dir und hoffe auf weitere gute Zusammenarbeit.

Wahl der SchriftführerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zur Wahl der Schrift­führerinnen und Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Josef Sal­ler, Ewald Lindinger und Martina Diesner-Wais für das erste Halbjahr 2011 zu Schrift­führerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, Frau Ana Blatnik, Herrn Josef Saller, Herrn Ewald Lindinger und Frau Martina Diesner-Wais, ob sie die Wahl annehmen. (Die Bundesräte Blatnik, Saller, Lindinger und Diesner-Wais danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

Ich gratuliere herzlich und wünsche viel Erfolg für Ihre Tätigkeit.

Wahl der OrdnerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ord­nerinnen und Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Karl Boden und Cornelia Michalke für das erste Halbjahr 2011 zur Ordnerin beziehungs­weise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.


BundesratStenographisches Protokoll791. Sitzung / Seite 131

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, Herrn Ferdinand Tiefnig, Herrn Karl Boden und Frau Cornelia Michalke, ob sie die Wahl annehmen. (Die Bundesräte Tiefnig, Boden und Michalke danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

Ich gratuliere auch Ihnen herzlich und wünsche Ihnen viel Erfolg.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.23.16Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen, 2778/J-BR bis 2782/J-BR, eingebracht wurden.

Darüber hinaus teile ich mit, dass die Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen den Selbständigen Antrag 183/A(E)-BR/2010 betreffend Löschung von Kin­derpornographie auf Internet-Seiten eingebracht haben, der dem Justizausschuss zu­gewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 23. Dezember 2010, 11 Uhr in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Donnerstag, 23. Dezember 2010, ab 9.30 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche ein gutes Nachhausekommen.

16.24.09Schluss der Sitzung: 16.24 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien