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805. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 15. März 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

805. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. März 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. März 2012: 9.04 – 18.46 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bun­desgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz – EBIG) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwal­tungsverfahrensgesetzen 2008, das Bundesministeriengesetz 1986, das Strafgesetz­buch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstim­mungs­ge­setz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (EBIG-Einführungsgesetz)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Polizei­koope­rationsgesetz und das Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden (SPG-Novelle 2011)

3. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivildienst­gesetz 1986 – ZDG) geändert wird

5. Punkt: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2010)

6. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012; Achtzehnmonatsprogramm des polnischen, dänischen und zypriotischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird

9. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für 2012 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2011/2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 2

­10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz – FreiwG) erlassen wird sowie das Familienlasten­ausgleichsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosen­ver­siche­rungsgesetz und das Gebührengesetz geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz und das Landarbeits­ge­setz 1984 geändert werden

13. Punkt: Jahresbericht 2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Acht­zehn­monatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird

15. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unter­zeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 26. September 2006 in Ljubljana unterzeichneten Protokolls

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Markt­ordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden

17. Punkt: EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2012

18. Punkt: Petition betreffend Optimierung der Österreichischen Entwicklungszusam­menarbeit

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 11

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz durch den Herrn Bundes­präsi­denten     ............................................................................................................................... 33

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo über soziale Sicherheit durch den Herrn Bundespräsidenten ............................................................................................... 35

Fragestunde (158.)

Gesundheit .................................................................................................................... 12


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 3

Mag. Gerald Klug (1804/M-BR/2012); Josef Steinkogler, Peter Mitterer, Efgani Dönmez, PMM

Martina Diesner-Wais (1800/M-BR/2012); Juliane Lugsteiner, Mag. Reinhard Pisec

Gerd Krusche (1803/M-BR/2012); Friedrich Hensler, Werner Stadler, Efgani Dönmez, PMM

Adelheid Ebner (1805/M-BR/2012); Notburga Astleitner, Cornelia Michalke

Ferdinand Tiefnig (1801/M-BR/2012); Ewald Lindinger, Franz Pirolt

Elisabeth Kerschbaum (1807/M-BR/2012); Monika Kemperle, Josef Saller, Hermann Brückl

Johanna Köberl (1806/M-BR/2012); Franz Wenger, Johann Ertl

Elisabeth Greiderer (1802/M-BR/2012); Adelheid Ebner, Cornelia Michalke, Efgani Dönmez, PMM

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 38

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 32

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürger­initiative-Gesetz – EBIG) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Ver­wal­tungsverfahrensgesetzen 2008, das Bundesministeriengesetz 1986, das Straf­gesetzbuch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidenten­wahl­gesetz 1971, die Europawahlordnung, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Wäh­lerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (EBIG-Einführungsgesetz) (1780/A und 1666 d.B. sowie 8664/BR d.B. und 8667/BR d.B.) .................................... 38

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 38

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 39

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 41

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 42

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 45

Staatssekretär Sebastian Kurz ............................................................................. ..... 47

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 47

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 49

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 50

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 51

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 54


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 4

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Polizeikooperationsgesetz und das Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden (SPG-Novelle 2011) (1520 d.B. und 1657 d.B. sowie 8665/BR d.B. und 8671/BR d.B.)                  54

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 55

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend Ab­kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (1388 d.B. und 1658 d.B. sowie 8672/BR d.B.) ................................................................................................................. 54

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 55

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 55

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 57

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 58

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 60

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ..................................................... ..... 62

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 63

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 65

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 66

Kurt Strohmayer-Dangl .......................................................................................... ..... 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 70

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivildienst­ge­setz 1986 – ZDG) geändert wird (1809/A und 1659 d.B. sowie 8673/BR d.B.) ................................................................................................................. 71

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 71

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ..... 71

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 72

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 72

Josef Steinkogler .................................................................................................... ..... 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 74

5. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2010) (III-445-BR/2011 d.B. sowie 8674/BR d.B.) ......................................................................... 74

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 74

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 74

Staatssekretär Sebastian Kurz ............................................................................. ..... 77

Christoph Kainz ...................................................................................................... ..... 78


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 5

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 80

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 82

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-445-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 86

6. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012; Achtzehnmonatsprogramm des polnischen, dänischen und zyprio­tischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-455-BR/2012 d.B. sowie 8675/BR d.B.) ................................................................................................................. 86

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 86

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 86

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 88

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-455-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 91

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (1795/A und 1669 d.B. sowie 8668/BR d.B.) ..................... 91

Berichterstatter: Josef Saller ......................................................................................... 92

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird (1670 d.B. sowie 8669/BR d.B.)                       91

Berichterstatter: Josef Saller ......................................................................................... 92

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ..... 92

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 93

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 94

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 94

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 97

9. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2011/2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-454-BR/2012 d.B. sowie 8670/BR d.B.) ................................................................................................................. 97

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................... 97

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 97

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 99


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 6

Franz Wenger .......................................................................................................... ... 101

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 102

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ... 104

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-454-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 107

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem En­gagement (Freiwilligengesetz – FreiwG) erlassen wird sowie das Familien­lastenausgleichsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (1634 d.B. und 1661 d.B. sowie 8680/BR d.B.)                   107

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ........................................................................ 107

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 107

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 108

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 109

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 110

Juliane Lugsteiner .................................................................................................. ... 111

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 111

Josef Saller .............................................................................................................. ... 113

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 115

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird (1633 d.B. und 1663 d.B. sowie 8666/BR d.B. und 8681/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 116

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar ........................................................................ 116

Redner/Rednerinnen:

Christian Füller ....................................................................................................... ... 116

Josef Saller .............................................................................................................. ... 117

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ......................................................... 118

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1811/A und 1665 d.B. sowie 8682/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 119

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner ........................................................................ 119

Redner/Rednerinnen:

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 119

Mag. Christian Jachs ................................................................................................. 120

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 120

Stefan Zangerl ......................................................................................................... ... 121


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 122

13. Punkt: Jahresbericht 2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes (III-459-BR/2012 d.B. sowie 8683/BR d.B.) ................................................................. 122

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner ........................................................................ 122

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 122

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 125

Edgar Mayer ................................................................................................................ 127

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 129

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 131

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ... 132

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ... 134

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-459-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 134

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (1648 d.B. und 1667 d.B. sowie 8678/BR d.B.) ...... 135

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 135

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec ............................................................................................... ... 135

Johann Kraml .......................................................................................................... ... 138

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 139

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ... 140

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 141

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 142

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 144

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend Proto­koll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unter­zeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 26. September 2006 in Ljubljana unterzeichneten Protokolls (1568 d.B. und 1668 d.B. sowie 8679/BR d.B.) ................ 144

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................ 144

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec ............................................................................................... ... 145

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................ ... 146

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ... 147

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 148

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 8

Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................... 149

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktord­nungs-Überleitungsgesetz geändert werden (1616 d.B. und 1654 d.B. sowie 8676/BR d.B.) .................................................................................... 149

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................. 149

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt .............................................................................................................. ... 150

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 150

Robert Zehentner .................................................................................................... ... 151

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 152

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 153

17. Punkt: EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2012 (III-460-BR/2012 d.B. sowie 8677/BR d.B.) ........................... 153

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................. 154

Redner/Rednerinnen:

Peter Mitterer ........................................................................................................... ... 154

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 155

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 156

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 157

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................ ... 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-460-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 163

18. Punkt: Petition betreffend Optimierung der Österreichischen Entwick­lungs­zusammenarbeit, überreicht von Bundesrat Stefan Schennach (29/PET-BR/2011 sowie 8684/BR d.B.) ............... 163

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Ausschuss­bericht 8684/BR d.B. zur Kenntnis zu nehmen   ............................................................................................................................. 164

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend weltweite Staatsanleihen im Besitz österreichischer Banken (2878/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Nuklearinformationsabkommen (2879/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Auswirkungen der Thiamethoxam-Belastung im Grundwasser Korneuburgs und Veröffentlichung der Melissa-Studie (2880/J-BR/2012)


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 9

Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend WKR-Ball, Umgang mit der rechtsradikalen Szene (2881/J-BR/2012)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Auslaufen der Rahmenverfügung zum Schutz des Trinkwassers im Tullnerfeld (2882/J-BR/2012)

Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend geringe Anzahl von Unternehmensgründungen in Österreich (2883/J-BR/2012)

Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Wien-Besuch von Mohammad-Najjar (2884/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend desaströse hygienische Verhältnisse bei der Semmelproduktion (2652/AB-BR/2012 zu 2866/J-BR/2011)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend europäische AKW-Stresstests – Arbeitsgruppe zur Beleuchtung von Terrorgefahren (2653/AB-BR/2012 zu 2864/J-BR/2011)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Laufzeitverlängerung des AKW Dukovany (2654/AB-BR/2012 zu 2862/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Efgani Dönmez, PMM, Kolleginnen und Kollegen betreffend europäische AKW-Stresstests – Arbeits-gruppe zur Beleuchtung von Terrorgefahren (2655/AB-BR/2012 zu 2863/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personenschutz für Rakhat Aliyev (2656/AB-BR/2012 zu 2865/J-BR/2011)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend desaströse hygienische Verhältnisse bei der Semmelproduktion (2657/AB-BR/2012 zu 2867/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Traktor(nicht)zu­lassung auf 50 km/h (2658/AB-BR/2012 zu 2868/J-BR/2011)


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 10

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Konsequenzen aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, Teile der Luftverkehrs­betreiber­zeugnisverordnung 2008 – AOCV 2008 als verfassungswidrig anzusehen (2659/AB-BR/2012 zu 2869/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verzögerungen bei der angekündigten Novelle zur Zivilluftfahrtpersonalverordnung 2006 (2660/AB-BR/2012 zu 2870/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Konsequenzen aus der klaren Verfehlung der SES-Zielvorgaben durch die Geschäftsführung der Austro Control (2661/AB-BR/2012 zu 2871/J-BR/2011)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend die luftver­kehrspolitischen Zielsetzungen – Luftfahrtstrategie Österreich (2662/AB-BR/2012 zu  2872/J-BR/2011)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 11

09.04.05Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Gregor Hammerl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich eröffne die 805. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 804. Sitzung des Bundesrates vom 2. Februar 2012 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist heute keine Kollegin und kein Kollege.

09.04.28Einlauf

 


Präsident Gregor Hammerl: Eingelangt ist ein Schreiben des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes:

                                                                                                                                                   „Land Salzburg

                                                                                                                                                                Landtag

Herrn Bundesratspräsidenten                                                                                                Präsident

Gregor Hammerl                                                                                         des Salzburger Landtages

Parlament                                                                                                                 Ök.-Rat Simon Illmer

Dr. Karl-Renner-Ring 7

1017 Wien

                                                                                                                                              CHIEMSEEHOF

                                                                                                                      Postfach 527, 5010 Salzburg

                                                                                                                                TEL (0662) 8042 – 2600

                                                                                                                               FAX (0662) 8042 – 2910

                                                                                                                      Simon. illmer@salzburg.gv.at

                                                                                                                                                             edt/ zinne

ZAHL                                                                                                                                                    DATUM

002-0/5/687-2012                                                                                                             8. Februar 2012

BETREFF

Wahlvorschlag für ein neues Ersatzmitglied für den Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Salzburger Landtag hat anstelle von Herrn Robert Zehentner nunmehr Herrn Bürgermeister Franz Meißl, geboren am 15. April 1952, p. A. Marktgemeinde Werfen, Markt 24, 5450 Werfen, als neues Ersatzmitglied des Bundesrates anstelle des vorher genannten Landtagsabgeordneten gewählt.

Damit ist Herr Bürgermeister Franz Meißl nunmehr Ersatzmitglied für Herrn Bundesrat Robert Zehentner.

Ich bitte Dich um Kenntnisnahme dieser Information.

Mit freundlichen Grüßen


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 12

Ök.-Rat Simon Illmer

Landtagspräsident“

*****

09.04.54Fragestunde

 


Präsident Gregor Hammerl: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zur Frage­stunde.

Bevor ich jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Gesundheit

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bundes­minister für Gesundheit.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Klug, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Bundesrat freuen wir uns außerordentlich darüber, dass sich mittlerweile in ganz Österreich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es im Gesundheitssystem partner­schaftlicher Zielsteuerungsinstrumente – „partnerschaftlich“, ein sehr schöner Aus­druck – bedarf.

Daher meine Frage:

1804/M-BR/2012

„In den Medien wird darüber berichtet, dass man sich auf ein partnerschaftliches Ziel­steuerungssystem im Gesundheitswesen geeinigt hat. – Wie sehen die Eckpunkte eines solchen Zielsteuerungssystems aus?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Partnerschaftliche Zielsteuerung im Gesundheitswesen bedeutet, dass einerseits Länder als Krankenanstaltenträger, andererseits die Sozial­versicherungsträger auf der Ebene des Bundeslandes die Versorgung der Patientinnen und Patienten organisieren. Partnerschaftlich heißt, dass sich Land und Sozial­versicherung gemeinsam auf die Steuerung des Systems zu einigen haben, und zwar immer aus der Perspektive: Was brauchen Patientinnen und Patienten?, immer dahin gehend – und das ist auch eine Änderung des Gesamtsystems –, den Behandlungs­pfad aus der Perspektive von Patientinnen und Patienten zu beschreiben.

Bisher – und das ist ein Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem – hat man immer aus der Sichtweise von Institutionen – Allgemeinmediziner, Facharzt, Krankenhaus, im Krankenhaus immer die einzelne Abteilung – die Gesundheitspolitik betrieben, jetzt geht es darum, einen Behandlungspfad verstärkt aus der Patientensicht zu be­schrei­ben.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 13

Ein partnerschaftliches Zielsteuerungssystem ermöglicht diesen Weg, und ich bin sehr froh, dass Länder, Sozialversicherung bereit waren, diesen Schritt gemeinsam zu setzen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Mag. Klug: Danke! Das wurde sehr umfassend beantwortet!)

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Steinkogler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Wer soll künftig die Versorgungs- und die Finanzierungsverantwortung tragen, wenn sich in einem Bundesland die Krankenversicherung und die Landes­regierung nicht einigen können? Die Krankenversicherung, das Land oder der Gesundheitsminister? – Bitte um eine konkrete Antwort. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich gehe davon aus, dass Länder und Sozialversicherung ihre Aufgaben zu erfüllen haben. In erster Linie geht es darum, dass ja beide, nämlich Länder und auch die Sozialversicherung, ein Interesse daran haben, dass Patientinnen und Patienten versorgt werden.

Warum? – Je besser die Qualität der Versorgung beim Patienten ist, je besser diese beim Patienten ankommt, umso kostengünstiger ist das für beide Partner. Bisher war es so, dass Kostendämpfungsmaßnahmen immer zu Lasten des anderen Partners umgesetzt worden sind. Diese Tendenz hat es gegeben. Durch ein gemeinsames, partnerschaftliches Zielsteuerungsmodell können sie das nicht mehr tun. Sie haben gemeinsam eine Finanzverantwortung, die ihnen auch selbst nutzt.

Ich gehe davon aus – und meine bisherigen Erfahrungen gehen in diese Richtung –, dass, wenn man die Verantwortung dorthin gibt, wo sie auch wahrgenommen werden kann, man sich dann auch auf der Landesebene einigen wird.

Es gibt auch eine Diskussion, wie man damit umgehen wird, wenn das nicht ge­schehen sollte. Ich sage aber, ganz sicher werden sich Land und Sozialversicherung in den Ländern im Sinne von Patientinnen und Patienten einigen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mitterer gemeldet. – Bitte um die Zusatzfrage. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich stelle die Zusatzfrage!) Das ist uns so gemeldet worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Kann ich sie auch stellen?) Das ist uns so gemeldet worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Na ja, es beginnt beides mit M!)

 


Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Im Konsolidierungspaket sind keine Maßnahmen für die lang geforderte Gesundheitsreform vorgesehen. Ist das der Stand der Verhandlungen mit den Ländern zur Gesundheitsreform?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Bundesrat, ich stelle die Frage in Abrede, denn wir haben im Zuge des Strukturpakets und im Zuge der Diskussion um die Gesundheitsreform einen sehr intensiven Verhandlungsprozess mit den Ländern gestartet. Wir haben, was den Prozess der Gesundheitsreform betrifft, mehrere Elemente gestartet.

Erstens: Die Reform der Finanzierung der Gebietskrankenkassen ist positiv in die Wege geleitet worden, und wir haben seit mittlerweile zwei Jahren positive Ergebnisse im Bereich der Krankenanstalten.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 14

Zweitens: Wir haben eine Riesenreform gestartet im Bereich der niedergelassenen Versorgung – ich erinnere nur an den Bereich der Gruppenpraxen – und in der Frage der Spitäler. Das hat es in Österreich noch nie gegeben, dass es eine Steuerungs­gruppe gibt, in der sowohl die Sozialversicherung als auch die Ländervertreter und der Bund gemeinsam wichtige Schritte gesetzt haben zu einem partnerschaftlichen Ziel­steuerungsmodell und darüber auch eine Einigung erzielt haben.

Es ist jetzt an der Zeit, die nächsten Schritte zu setzen. Ich sage ganz klar, die nächs­ten Schritte, und ich sage das auch sehr deutlich hier im Bundesrat. Ich denke, dass es notwendig ist, in Österreich ein einheitliches Spitalsgesetz zu haben, aber dass die Bundesländer und die Landesregierungen anhand dieses einheitlichen Spitalsge­setzes die Krankenhauslandschaft im Bundesland zu gestalten und zu entwickeln haben.

Ich denke, so weit waren wir noch nie, und dieser Stand, auf dem wir uns derzeit befinden, zeigt ganz deutlich, dass wir eine neue einvernehmliche Vereinbarung zwi­schen Land, Sozialversicherung und Bund haben müssen, damit wir die Artikel-15a-Vereinbarung, die ja am 31.12.2013 endet, neu gestalten können. Da muss das partnerschaftliche Zielsteuerungssystem beinhaltet sein, und da gibt es eine Verein­barung, dass man das im Prinzip akzeptiert. Die Details sind noch zu verhandeln.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Planen Sie die Zusammenlegung der Krankenkassen, damit die bestehenden Unterschiede, was Beitragsleistungen betrifft, zwischen den Bundes­ländern und auch zwischen den Berufsgruppen beseitigt werden?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Eine Antwort ganz klar: Nein, es ist kein Ziel, was die Frage der Gebietskrankenkassen betrifft. Sie kennen ja die Rechtslage, dass das ASVG vorsieht, dass keine weiteren Betriebskrankenkassen gegründet werden können.

Wir haben derzeit sechs Betriebskrankenkassen. Diese Betriebskrankenkassen orga­nisieren Gesundheitsversorgung für sechs einzelne Betriebe. Wenn es hier zu einer Zusammenführung kommt, gerne, das hängt aber vom Betrieb ab. Ich sage aber ganz deutlich, viele Unternehmen, die eine Betriebskrankenkasse haben, zahlen Verwal­tungs­kosten dazu. Insofern wäre das kein Vorteil für die gesamte Versicherten­gemein­schaft.

Ich kann Ihnen aber – das als Information – versichern, wir haben in Österreich, was die Beitragsaufkommen betrifft, gleiche rechtliche Grundlagen für alle Kassen. Die Grundlagen sind gleich, was die Beitragsaufbringung betrifft, und wir haben auch die gleichen Rechtsansprüche im ASVG, was die Leistungen angeht. Das heißt, in allen Betriebskrankenkassen gibt es das gleiche Beitragsrecht.

Es gibt dann kleine Unterschiede in der Frage, welches Produkt eine Krankenkasse bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln ausgeschrieben hat. Da kann es zwischen den Bundesländern aufgrund der rechtlichen Lage und auch der Ausschreibung unter­schiedliche Maßnahmen geben. Es kann auch in der Gesamtsumme kleinere Unterschiede im Feld von freiwilliger Leistung der Krankenkassen geben. Ansonsten ist das Leistungsrecht in Österreich im ASVG gleich.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Bundesminister.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 15

Wir kommen nun zur 2. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Diesner-Wais, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Kosten im Gesundheitsbereich werden ja immer höher, und daher meine Frage:

1800/M-BR/2012

„Durch welche konkreten Maßnahmen zur Dämpfung der Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich sollen die im Konsolidierungspaket angestrebten Ziele ohne Nachteil für die Patientinnen und Patienten erreicht werden?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Bundesrätin, das ist eine aus meiner Sicht sehr wichtige Frage. Wir haben uns beim Strukturpaket sehr lange damit auseinandergesetzt, wie wir das österreichische Gesundheitssystem stärken und auch stabilisieren können.

Ich erinnere daran: Wir haben, international gesehen, in Österreich ein Gesund­heits­system, um das uns die Welt beneidet. Wir haben, was den Zugang zu Gesundheits­leistungen betrifft, beste Ergebnisse. Jeder Mensch in Österreich kann darauf vertrauen, dass er oder sie gut versorgt wird.

Damit wir das schaffen und damit wir das auch in der Zukunft sicherstellen können, haben wir uns die Entwicklung angesehen. Die Entwicklung ist so, dass das Gesund­heitswesen insgesamt, was die öffentlichen Gesundheitsausgaben betrifft, schneller gewachsen ist als die allgemeine Wirtschaft. Aus Sicht der Bundesregierung, aus Sicht der Länder und auch aus Sicht der Sozialversicherung ist es ganz klar: Wir wollen das österreichische Gesundheitssystem weiterentwickeln, wir wollen es aber in einer Dynamik weiterentwickeln, die dem österreichischen Wirtschaftswachstum entspricht. Das ist eine ganz wesentliche Vereinbarung, die wir mit Ländern und Sozial­versicherung getroffen haben, nämlich dass wir Ausgabenobergrenzen definieren, die sich an der durchschnittlichen Wirtschaftsentwicklung in Österreich orientieren. Ich denke, das ist ein zentraler Ansatz.

Jetzt zur Frage: Welche Instrumente stehen uns da zur Verfügung?

Erstens: Ich habe schon berichtet, dass wir es im Bereich der sozialen Kranken­ver­sicherung geschafft haben, Kostendämpfungen umzusetzen. Ich erinnere daran, dass es gelungen ist, seit 2008 die Kosten im Sozialversicherungsbereich zu reduzieren. Wir haben ja in Sillian 1,7 Milliarden mit der Sozialversicherung und den Partnern verein­bart. Die Sozialversicherung ist in der Lage, diese Kosten zu senken und sogar stärker zu senken, als wir das vereinbart haben. Das ist aus meiner Sicht ein sehr ambitio­niertes Modell gewesen, das auch umgesetzt wurde.

Die weiteren Instrumente dazu sind die Transparenz, was wir im Gesundheitswesen tun. Es geht auch um die Frage des elektronischen Gesundheitsaktes, es geht um die Frage: Können wir Unnötiges an Diagnosen, an Doppelbefundungen reduzieren? Was können wir da machen? – Das sind die entscheidenden Punkte, die wir verändern. Es geht um Disease-Management-Programme. Wie können wir die Behandlungspfade bei den wichtigsten Erkrankungen verändern?

Das sind die Instrumente, mit denen wir die Kosten dämpfen wollen, und aus meiner Sicht ist eines ganz wichtig – ich habe es schon gesagt –: Je besser die Qualität der


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 16

Versorgung beim Patienten, bei der Patientin ist, umso kostengünstiger wird sie am Ende sein. Wir werden eine Initiative für mehr Ergebnisqualität in der medizinischen Versorgung umsetzen, und das führt auch dazu, dass wir diese Kostenentwicklung anhand der Entwicklung der Wirtschaft schaffen werden.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wird noch eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Wir wissen ja, dass der Kostentreiber im Spitalsbereich der Ambulanzbereich ist, und da könnten ja viele Dinge auch im niedergelassenen Bereich erledigt werden. Wir wissen, dass gerade Ober­österreich da schon vorbildlich etwas tut, wir wissen aber auch, dass der Unterschied zwischen Wien und den anderen Bundesländern groß ist und Operationen teilweise um 50 Prozent teurer sind.

Daher auch meine Frage: Warum ist die Wiener Spitalsfehlplanung, an der alle Österreicher mitzahlen müssen, nicht bereit, das Hanusch-Krankenhaus der Gebiets­kran­kenkasse und das Lorenz Böhler Unfallkrankenhaus der Unfallversicherung in das neue Spital SMZ Nord in Floridsdorf zu integrieren?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Das ist eine Frage, die Sie an sich an die Wiener Landesregierung zu stellen haben. Es ist Sache der Wiener Landesregierung, die Spitalslandschaft in Wien zu gestalten.

Wenn Sie das wollen, müssen Sie in Verhandlung mit den beiden Sozialversiche­rungsträgern gehen. Aber es obliegt mir als Mitglied der Bundesregierung nicht, in die Privatwirtschaftsverwaltung eines Bundeslandes einzugreifen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Lugsteiner.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister, meine Zusatzfrage bezieht sich auf die Hauptfrage, und zwar: Wie werden sich die öffentlichen Gesundheitsausgaben bis zum Jahr 2020 entwickeln, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen zur Kostendämpfung erfolgen?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Wie sich die Gesund­heitsausgaben entwickeln würden, haben wir im Rahmen der Statistik Austria und der Gesundheit Österreich GmbH erarbeiten lassen. Wir sind davon ausgegangen, dass es insgesamt eine Entwicklung geben würde, die Steigerungen im Gesundheitswesen zwischen 4,6 Prozent und 5,2 Prozent vorantreiben würde. 4,6 Prozent wäre eine durchschnittliche Beschreibung.

Wir gehen davon aus, dass die öffentlichen Gesundheitsausgaben, die im Jahr 2011 21 Milliarden € ausgemacht haben, bis zum Jahr 2020 bei einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 4,6 Prozent auf 32 Milliarden € ansteigen würden. Das Kosten­dämp­fungsprogramm, das wir beschrieben haben, geht davon aus, dass wir in Zukunft eine Steigerung von 3,6 Prozent haben werden – das sind die Annahmen der Wirt­schaftsforscher für die Budgetentwicklung –, und diese Steigerungsrate haben wir für eine Ausgabenobergrenze im Gesundheitswesen eingesetzt.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Die OECD empfiehlt in ihrem aktuellen Gesundheitsbericht Ausgabensenkungsmaßnahmen, vor allem vor dem Hintergrund, dass in Österreich die


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Kosten im Gesundheitswesen 11 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen und damit zu den höchsten im gesamten OECD-Raum zählen.

Wie wir soeben als Antwort auf eine Fragestellung gehört haben, planen Sie keine Zusammenlegung der Krankenkassen. Wäre aber im Sinne einer Strukturbereinigung zum Beispiel eine einheitliche Leistungserbringung und -vergütung für Patienten und Ärzte für Sie eine Option?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Also eine einheitliche Leis­tungserbringung findet statt. Die gesetzlichen Grundlagen sind einheitlich. Ich sage das ganz deutlich: Es gilt für alle Sozialversicherungsträger das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz. Es gibt Ausnahmen in den Ländern, was Beamtinnen und Beamte betrifft, mit den Krankenfürsorgeanstalten. Das ist aber an sich Landesrecht. Insgesamt ist sichergestellt, dass auf dem Leistungsniveau des Allgemeinen Sozialversiche­rungsgesetzes die Leistungen in Österreich gleich sind.

Die Kostendämpfungen habe ich bereits beschrieben. Wir wollen, dass die Weiter­entwicklung des Gesundheitssystems anhand der wirtschaftlichen Kraft des Landes stattfindet. Diese drückt sich auch in der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes aus, und da gehen wir von 3,6 Prozent aus.

 


Präsident Gregor Hammerl: Danke, Herr Bundesminister. – Wir kommen zur 3. An­frage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Krusche, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist ja ein bereits seit Längerem definiertes Ziel, welches durch die aktuelle Spar­diskussion zusätzlich an Bedeutung gewinnt, Gesundheitsleistungen in Österreich vom klinischen in den niedergelassenen Bereich zu verlagern, also quasi von den Ambu­lanzen zu den Arztpraxen.

Meine Frage daher:

1803/M-BR/2012

„Welche konkreten Maßnahmen sind von Ihrer Seite geplant, um Gesundheits­leistungen vom klinischen in den niedergelassenen Bereich zu verlagern?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat, es geht im Gesundheitssystem in erster Linie nicht um Mythen und nicht darum, wo etwas billiger ist, sondern es geht um die Frage: An welchem Standort und mit welcher Leistung können wir Patientinnen und Patienten qualitativ versorgen? – Das kann einmal das Krankenhaus sein als statio­näre Einrichtung, das kann ein anderes Mal ein Krankenhaus sein mit einer ambu­lanten Einrichtung, das kann auch ein Krankenhaus sein mit einer Tagesklinik, das kann sehr oft der Allgemeinmediziner in der näheren Umgebung sein, oder das kann auch eine Gruppenpraxis von Fachärztinnen und Fachärzten in der Region sein. Das Entscheidende ist, dass wir es schaffen, dass das, was Patientinnen und Patienten tatsächlich benötigen, auch zielgerichtet angeboten wird.

Ich habe mehrere Instrumente entwickeln lassen und auch entwickelt, damit wir hier genauer werden.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 18

Erstens: Es geht darum, Gruppenpraxen auch zu ermöglichen und dort medizinische Versorgung vor Ort einzurichten.

Zweitens: Es geht darum, dass in diesen medizinischen Versorgungszentren – ich sage immer, wir brauchen ein „Haus der Gesundheit“ in der Region – Versorgung stattfindet, aber nicht nur Versorgung, sondern in diesen Einrichtungen sollen auch Maßnahmen der Prävention stattfinden können.

Ich gehe davon aus, dass mithilfe des partnerschaftlichen Zielsteuerungssystems und in Kenntnis der regionalen Gegebenheiten Sozialversicherung, Landesregierung, Länder, Krankenanstaltenträger sehr genau wissen, welche notwendigen Leistungen wo am Land, in der Region am besten angeboten werden können. Und darum geht es, dass wir genau das entdecken und entwickeln, damit man dann mit den Zah­lungsströmen, die in das Gesundheitssystem fließen, das, was qualitativ notwendig ist, auch finanzieren kann.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Ihrer Antwort habe ich jetzt entnommen, dass offensichtlich keine konkreten Maßnahmen geplant sind.

Glauben Sie, dass es bei einer verstärkten Verlagerung zu den Arztpraxen hin zu Kostensenkungen für die öffentliche Hand kommen könnte, und in welchem Ausmaß?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich habe es schon angesprochen, Herr Bundesrat.

Erstens: Es geht um Patientinnen und Patienten. Es geht nicht immer um die Frage, ob etwas dort oder da billiger ist, sondern es geht darum, Patientinnen und Patienten exzellent zu versorgen. Da wird es viele Dinge geben, wo das in der Arztpraxis stattfinden soll und stattfinden kann, und das wird gestärkt und soll auch sichergestellt werden.

Ein Instrument könnte dazu auch der Katalog ambulanter Leistungen sein, was gerade den Bereich der Fachärztinnen und Fachärzte anspricht. Das ist aus meiner Sicht dringend notwendig.

Ein zweiter Schritt, der dringend notwendig ist, ist auch eine größere Transparenz über das, was wir in den Ambulanzen von Krankenanstalten tatsächlich tun und wie das in Verbindung mit den niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten stattfindet.

Ich denke, das ist entscheidend, und das führt auch dazu, dass die Versor­gungs­landschaft in Österreich verbessert wird.

 


Präsident Gregor Hammerl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Hensler.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Welche Kostenersparnis beziehungsweise Kostenverlagerung wird durch welche von Ihnen geplanten Maßnahmen österreichweit erreicht, wenn in den Spitals­ambulanzen keine Behandlungsleistungen angeboten werden, die im niedergelas­senen Bereich kostengünstiger erbracht werden können?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ganz konkret geht es darum: Was kann man tun, damit dort die richtige Leistung erbracht wird? Wir haben im Rahmen der Bundesgesundheitskommission jetzt das Projekt der präoperativen Diagnostik umgesetzt. Das findet derzeit statt. Es geht darum, dass Diagnostik dort stattfindet, wo sie kostengünstig gemacht werden kann, und dass man auch ganz


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 19

konkret überprüft, welche Voruntersuchungen vor Krankenhausoperationen notwendig sind und wer sie durchführt. Da gehen wir von beträchtlichen Kosteneinsparungen im gesamten Gesundheitsbereich aus.

Wir haben eine Latte von Maßnahmen festgelegt, wie wir zum Beispiel stationäre Aufenthalte verändern können, wie wir Pflegefälle in der akutstationären Versorgung verändern können. Da gibt es Kostenberechnungen, die insgesamt davon ausgehen, dass wir im Bereich der Krankenanstalten kurzfristig 325 Millionen € einsparen können.

Es geht um die Frage: Wie können wir bei ambulanten Gesundheitsdienstleistungen Veränderungen setzen? Das betrifft zum Beispiel die Schaffung von erweiterten ambulanten Versorgungsstrukturen. Es geht um die Frage von Kostendämpfungen zum Beispiel im Bereich Labor. In diesem Bereich insgesamt ist angedacht, 70 Mil­lionen € an Kostendämpfung zu entwickeln.

Ganz entscheidend geht es auch darum, bei der Frage Heil- und Hilfsmittel Einspa­rungspotenziale zu definieren und damit auch umzugehen. Da gehen wir auch von 270 Millionen € insgesamt aus.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Stadler.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Neben einer Spitalsreform wird unser Gesundheitssystem auch weitere Maßnahmen benötigen, damit sich die Gesundheitsversorgung nicht mehr so stark auf die Spitäler konzentriert.

Daher meine Frage: Welche Vorstellungen haben Sie zu anderen Bereichen des Gesundheitssystems, um dort nicht die Kosten in die Höhe zu treiben, wenn in den Spitälern gespart wird?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Danke, Herr Bundesrat. Ich denke, ganz entscheidend ist – ich habe es schon beschrieben –, wir brauchen in den Regionen ein Haus der Gesundheit. Ein Haus der Gesundheit geht weit über das hinaus, was wir jetzt als Krankenhaus und als Reparaturmedizin verstehen, sondern es geht darum, dass wir in der Region für Gesundheitsfragen auch Ansprechpartner haben. Das ist ganz entscheidend.

Das ist in erster Linie der niedergelassene Allgemeinmediziner oder die Allgemein­medizinerin. Es geht darum, die Elemente zu stärken, mit denen wir in der Prävention wirken können. Es geht darum, dass wir gerade bei den chronischen Erkrankungen Behandlungspfade definieren, die dann auch von der Allgemeinmedizin betreut und begleitet werden und die die beste langfristige Betreuung von Patientinnen und Patienten sicherstellen.

Ich habe mit meinem Gesetz zur Stärkung der ambulanten Versorgung Rahmen­bedingungen geschaffen, die sich jetzt entwickeln müssen. Zum Beispiel wird es für Jungärztinnen und Jungärzte leichter sein, Gruppenpraxen zu errichten und dann Kooperationsformen, auch fachübergreifende Kooperationsformen, zwischen Ärztinnen und Ärzten zu schaffen.

Das ist der Weg, mit dem es gelingen soll, die niedergelassene Versorgung zu stärken, damit aber auch die Versorgungswirklichkeit für Patientinnen und Patienten in der Region aufzugreifen und sicherzustellen. Im Hintergrund muss es aber diese spezialisierten Einrichtungen in Top-Krankenanstalten geben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 20

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Wann wird es den Facharzt für Allgemeinmedizin geben, um den nieder­gelassenen Bereich aufzuwerten?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Aus meiner Sicht halte ich von dem Namen „Facharzt für Allgemeinmedizin“ wenig. Es geht nicht um den Namen, sondern es geht darum, welchen Inhalt an Ausbildung für Allgemeinmediziner wir in der Zukunft haben werden. Sie wissen, im Bereich der Ärztinnen- und Ärzteausbildung hat sich vieles verändert. Erstens haben wir einen höheren Anteil an Frauen, die das Medizinstudium machen und dann als Ärztinnen zur Verfügung stehen. Das verändert auch das Berufsbild von Allgemeinmedizinern. – Das ist ein Thema.

Das zweite Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, ist: Wie kann eine immer stärker spezialisierte Medizin von einem Einzelarzt erledigt werden? Das wird auch zunehmend schwieriger, und es geht darum, dass wir gerade in der Ausbildung von Allgemeinmedizinern die Praxis, die ein Allgemeinmediziner im Alltag erlebt, in die Ausbildung hineinbringen.

Es ist ja derzeit so, dass Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner an der Praxis eines Krankenhauses lernen. Ziel ist es, die Allgemeinmedizin in der Ausbildung zu verstärken. Ich habe daher gemeinsam mit der Österreichischen Ärztekammer eine Ausbildungskommission eingerichtet. Diese Ausbildungskommission hat mehrmals getagt und hat schon einige ganz konstruktive Vorschläge erarbeitet. Jetzt geht es darum, diese Vorschläge noch einmal zu sichten, ihre Umsetzungsmöglichkeiten zu prüfen.

Im Wesentlichen geht es darum, dass die Allgemeinmedizin an den häufigsten Krank­heitsbildern, die wir kennen, ausgerichtet ist, dass dort Kompetenzlevel ausgebildet werden und diese dann in der allgemeinen Praxis in Form von Lehrpraxen auch um­gesetzt werden.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zur 4. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Ebner, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Meine Frage an Sie, Herr Bun­desminister, lautet:

1805/M-BR/2012

„Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. – Was unternehmen Sie, um diese Erkrankung früher erkennen zu können?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Bundesrätin, Brust­krebs ist tatsächlich ein Thema, das viele Frauen betrifft, und es ist ein Thema, wo es darum geht, hoch qualifizierte Vorsorge und Krebsfrüherkennung umzusetzen.

Es gibt in Europa viele Programme dazu, und in Österreich hat es, was den Brustkrebs angeht, Leistungen der Sozialversicherung in einem ganz unterschiedlichen Qualitäts­standard gegeben. Ich habe daher in Auftrag gegeben, dass wir uns mit dieser Qualität von Screening-Programmen für Brustkrebs auseinandersetzen, und habe am 25. No­vember 2011 im Rahmen der Bundesgesundheitskommission einen Qualitätsstandard zur Brustkrebsfrüherkennung beschließen lassen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 21

Dabei wurde die Qualität der Versorgung massiv verbessert. Da haben Ärztinnen und Ärzte in dem Bereich strenge Qualitätslevel festgelegt. Es soll sichergestellt werden, dass Frauen im Alter von 45 bis 69 Jahren von der sozialen Krankenversicherung eingeladen werden, an einem Brustkrebs-Screening teilzunehmen. Diese Einladung wird alle zwei Jahre erfolgen, und es wird sichergestellt werden, dass dieses Brust­krebs-Screening durch qualitative Untersuchungen, wo zwei Ärztinnen oder Ärzte voneinander unabhängig eine Begutachtung durchführen, ab Frühjahr 2013 in Österreich flächendeckend umgesetzt wird.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Ebner.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Welche Aktivitäten werden im Bereich der Brustkrebsprävention gesetzt? Gibt es bereits Aktivitäten oder sind welche geplant?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Brustkrebsprävention hängt auch damit zusammen, ein gutes allgemeines Wohlbefinden zu haben. Das heißt, Personen, die generell auf ihre Gesundheit achten, sind weniger gefährdet, an Krebs zu erkranken.

Ein großer Schwerpunkt an Prävention ist ja mein Nationaler Aktionsplan gesunde Ernährung. Es geht im „Nationalen Aktionsplan Ernährung“ darum, den Zugang zu Nah­rungsmitteln zu verbessern, und es geht im zweiten Bereich darum, auch mehr Bewegung zu haben. Menschen, die sich mehr bewegen, sind weniger krankheits­anfällig, und das auch ganz besonders im Bereich von Krebserkrankungen.

Insofern ist Prävention immer für alle Krankheiten wirksam. Ernährung, Bewegung sind die Aktivitäten, die mein Ministerium sehr stärkt. Ich bin der erste Gesundheitsminister, der einen klaren Plan zur Verbesserung der Ernährungssituation in Österreich hat. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Ast­leitner.

 


Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Minister! Guten Morgen! Sie haben soeben von der Betroffenheit vieler Frauen durch Brustkrebs gesprochen.

Ich darf Ihnen eine Frage stellen: Warum wollen Sie bei Ihren Planungen die Brust­krebsvorsorge in erster Linie in wenigen wohnortfernen und anonymen Zentren je Bundesland durchführen lassen, obwohl dadurch die niedergelassenen Fachärzte und Fachärztinnen für Gynäkologie und für Radiologie zu wenig eingebunden werden, obwohl eine zentralistische Lösung teurer ist und obwohl die betroffenen Frauen dann mit dem Befund in der Hand alleingelassen werden?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich gehe davon aus, dass es genau so nicht ist, was Sie hier an Ängsten beschreiben. Sondern worum geht es? Es geht darum – und das haben wir in der Bundesgesundheitskommission im Ein­vernehmen mit den Ärztinnen und Ärzten auch besprochen –, dass es jede Frau verdient, dass sie, wenn sie zu einem Mammographie-Screening geht, dort qualitativ behandelt wird und dass man dort auch richtig mit dieser Frau umgeht, dass die Verunsicherung möglichst klein gehalten wird. Das war ein ganz zentraler Ansatz dieser Qualitätsrichtlinie, die wir im November 2011 in der Bundesgesund­heitskom­mission beschlossen haben.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 22

Es geht darum, dass die Frauen eingeladen, aufgefordert werden und damit auch informiert werden: Brustkrebs ist ein Thema. Man soll sich untersuchen lassen.

Zweitens muss diese Untersuchung durch gut ausgebildete Personen stattfinden. Das betrifft sowohl die Radiologie-AssistentInnen als auch die dahinterliegenden fachärztlichen Leistungen.

Wir haben zudem sichergestellt, dass die Verunsicherung der Frauen dadurch redu­ziert wird, dass wir die doppelte Sicht von zwei voneinander unabhängigen Ärztinnen und Ärzten als Entscheidungskriterien genommen haben.

Was uns auch ganz wichtig ist: Jene begutachtenden Ärztinnen und Ärzte müssen eine gewisse Qualität an Erfahrung haben, wie man Brustkrebs diagnostiziert, und das wird umgesetzt und sichergestellt. Das wird von jenen Ärztinnen und Ärzten geleistet, die dazu in der Lage sind. Ich gehe davon aus, dass viele in der Lage sind, auch in der Region, diese Aufgaben zu erfüllen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Die Frauen sollen ja in zertifizierten Brustgesundheitszentren behandelt werden. Warum gibt es in einigen Bundesländern noch keine zertifizierten Brust­gesund­heitszentren? Wo werden diese Frauen dann behandelt?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die Sozialversicherung ist dafür verantwortlich, dass in ihrem Bundesland Frauen zum Brustkrebs-Screening eingeladen werden. Ich gehe davon aus, dass es in allen österreichischen Bundes­ländern eine genügende Anzahl von qualifizierten Zentren oder Ärztinnen und Ärzten, die die Qualitätsanforderungen für ein modernes Brustkrebs-Screening erfüllen, geben wird.

Ich gehe in der Kenntnis der jetzigen Versorgungslandschaft davon aus, dass wir das jedenfalls in jedem Bundesland haben werden. Die Dichte mag in Österreich unter­schiedlich sein. Ich gehe aber auch davon aus, dass dann, wenn durch das Einla­dungs­system sichtbar wird, dass wir in einer Region mehr Bedarf an Einrichtungen haben, die österreichische Ärzteschaft das dann auch aufgreifen wird und an dieser Stelle ein findiger Arzt, eine findige Ärztin auch ein entsprechendes Zentrum einrichten wird.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zur 5. Anfrage.

Ich ersuche Herrn Bundesrat Tiefnig um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bun­desminister! Ich habe schon in persönlichen Kontakten, aber auch schriftlich zum Thema der Pensionierungswelle von Fach- und Landärzten und praktischen Ärzten mit Ihnen korrespondiert.

Meine Frage:

1801/M-BR/2012

„Welche Maßnahmen planen Sie angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle von niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten, um deren Nachfolge sicher­zustellen und zur Attraktivierung dieser so wichtigen Funktion im ländlichen Raum?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 23

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Bundesrat, bei der Frage, Ärztemangel oder nicht, muss man ein bisschen mehr die Zahlen sprechen lassen als die Emotion. Es ist natürlich für jede Patientin und für jeden Patienten ein Problem, wenn der vertraute Arzt, der einen vielleicht schon als Kind betreut hat, ins Pensionsalter kommt. Dann braucht man jemand Neuen. Das ist natürlich eine emotional belastende Situation.

Wir haben in Österreich, was die Zahlen anlangt, die höchste Ärztedichte. Österreich weist bei allen OECD-Daten aus, dass wir, bezogen auf die Bevölkerung, sehr, sehr viele Ärztinnen und Ärzte haben. Also insgesamt gesehen haben wir genügend Ärzte zur Verfügung.

Es trifft schon zu, dass wir in einzelnen Bereichen der Medizin durchaus Mangel haben. Ich nenne zum Beispiel den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das ist ein sehr intensives Fach, da gibt es tatsächlich Mangel. Ich habe darauf reagiert, indem ich durch die Mangelfachverordnung sichergestellt habe, dass in diesen Feldern mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden können.

Ein zweites Feld, wo wir erkennen, dass wir zusätzlichen Bedarf haben, ist die Frage der Altersmedizin. Wir werden in Zukunft alle älter. Das ist gut so, das zeichnet uns auch als reiche Gesellschaft aus. Wir brauchen aber Ärztinnen und Ärzte, die qualitativ für die Fragen der Altersmedizin besonders geschult sind.

Ich habe daher ermöglicht, dass Allgemeinmediziner das Zusatzfach Geriatrie, also Altersmedizin, erlernen können, damit wir für die Zukunft gewappnet sind, hier Ausbildung zu haben und den zukünftigen Bedarf abdecken zu können.

Insgesamt ist es bei der Frage, ob es zu wenig Ärztinnen und Ärzte vom Aus­bildungsstatus her gibt, derzeit nicht belegbar, dass wir zu wenig haben. Wir bilden jährlich genügend Ärztinnen und Ärzte aus, damit Ärzte, die das Pensionsalter erreichen, auch ersetzt werden können. Es mag die eine oder andere Region geben, wo das nicht der Fall ist. Da braucht es andere Aktivitäten vor Ort, um die Arbeitsplätze und die Arbeitssicherheit in der Region herzustellen.

Ich habe aber in der letzten Woche ein Gespräch mit einem Ärztekammerfunktionär in Salzburg geführt, und der hat mir mitgeteilt, dass es für jede freiwerdende Ver­tragsarztstelle genügend Bewerber auch im Bundesland Salzburg gäbe. Er sagt aber auch dazu, dass manche Ärztinnen und Ärzte Sorge haben, selbständig eine eigene Praxis zu betreiben, weil diese Vereinsamung und dieses alleinige Führen einer Praxis eine Schwierigkeit ist. Dazu haben wir aber auch die Möglichkeit geschaffen, in Ärztegesellschaften die Versorgungssituation und die Kooperation von Ärztinnen und Ärzten in der Region zu stärken.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Ich habe eine Zusatzfrage, denn im Bezirk Braunau haben wir zurzeit ein Problem mit der Ausschreibung der Stelle eines Arztes, der in Pension gegangen ist und für den keine Nachfolge gefunden wird.

Eventuell ist das missglückte Apothekergesetz die Ursache, weil ein Arzt, wenn er in Pension geht, dem Nachfolger die Apotheke nicht übertragen kann. Daher meine Frage: Haben Sie mit der Apothekerkammer in diesbezüglichen Fragen schon Kontakt aufgenommen, und wie weit sind die Verhandlungen im Bereich des Apotheker­gesetzes für eine Nachfolgeregelung bezüglich der Hausapotheke beim praktischen Arzt?

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 24

Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die Rechtslage betreffend die Hausapotheken ist in Österreich geklärt. Der Nationalrat und der Bundesrat haben eine Regelung beschlossen. Diese Regelung wird auch vom österreichischen Ver­fassungsgerichtshof erstmals akzeptiert und klargestellt. Wir haben im Bereich der Frage von Hausapotheken und Apotheken endlich Rechtssicherheit bekommen, nämlich hinsichtlich der Rechtslage, wie sie derzeit das österreichische Parlament auch beschlossen hat.

Ich gehe davon aus, dass Allgemeinmedizin generell so organisiert werden muss, dass sie unabhängig von der Frage der Hausapotheke oder nicht Hausapotheke finanziert und auch attraktiv gemacht werden soll. Ich meine, wenn es um die Versorgung von Patientinnen und Patienten in einer Einarztgemeinde geht, hat die Hausapotheke natürlich eine wichtige Funktion, und diese wichtige Funktion soll auch erhalten bleiben.

Ich sage aber auch deutlich, dass im Bereich der Versorgung der Apotheker unter diesem Gesichtspunkt Anstrengungen zu unternehmen sind, dass Apotheken auch sicherstellen, dass das Medikament tatsächlich zum Patienten kommt. Darüber habe ich mehrmals und immer wieder mit der Österreichischen Apothekerkammer Ge­spräche geführt.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Lindinger.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister, es ist schon lange von einer Reform der Ärzteausbildung die Rede. Es soll einen Facharzt für Allgemeinmedizin geben. Wann werden Sie konkrete Vorschläge zu diesem Thema vorlegen?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich habe schon ange­sprochen, Herr Bundesrat, dass mir die Fragen der medizinischen Ausbildung sehr wichtig sind. Ich habe eine Kommission mit der Österreichischen Ärztekammer einbe­rufen. Der oberösterreichische Präsident der Ärztekammer ist hier auch mein An­sprechpartner in dieser Frage. Wir haben uns in einem konstruktiven Gespräch damit auseinandergesetzt, wo die Problemlagen in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten zu finden sind.

Da haben wir als ein Kriterium festgestellt, dass viele Krankenhäuser, wenn sie einen Facharzt ausbilden, derzeit verlangen, dass dieser vorher als Allgemeinmediziner fertig ist. Damit verlängert sich die Ausbildungszeit von sechs Jahren auf neun Jahre. Das werden wir in Zukunft verändern. Wir wollen, dass in Zukunft alle Ärztinnen und Ärzte im ersten Jahr der Ausbildung gemeinsam ausgebildet werden und dass dann die Fachspezialisierung stattfindet. Wir wollen – ich habe es schon gesagt –, dass dann die Allgemeinmediziner mehr an der Praxis der Medizin vor Ort orientiert ausgebildet werden. Dazu gehen wir von den häufigsten Krankheitsbildern und vor allem von chronischen Erkrankungen aus, mit denen Ärzte in der Allgemeinmedizin konfrontiert sind.

Die Begriffsbeschreibung, ob der Allgemeinmediziner „Facharzt für Allgemeinmedizin“ ist oder eben „Allgemeinmediziner“, ist eine semantische Frage. Für mich ist wichtig, dass wir die besten Allgemeinmediziner ausbilden können und Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung haben, die Freude an ihrem Beruf haben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Pirolt.

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 25

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wann wird das Ärztegesetz, welches Verbesserungen für die Turnusärzte bringen würde, wieder dem Nationalrat vorgelegt? Es ist ja am 1. Dezember vertagt worden.

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Bundesrat, es ist für mich schwierig, in den parlamentarischen Prozess einzugreifen. Als Mitglied der Bun­desregierung habe ich einen Gesetzesvorschlag in den Nationalrat eingebracht. Dieser Gesetzesvorschlag ist in parlamentarischer Behandlung, und es ist Sache der Abge­ordneten dieses Hauses, den Prozess der Gesetzwerdung zu bestimmen. (Bundesrat Mag. Klug: Die Kollegen im Nationalrat fragen!) Ich gehe davon aus, dass dieser Gesetzesvorschlag beim nächsten Gesundheitsausschuss auf der Tagesordnung stehen wird.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zur 6. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Kerschbaum, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Minister! Die Trinkwasserverordnung ist ja derzeit in Begutachtung, und meine Frage dazu lautet:

1807/M-BR/2012

„Haben Sie vor, die Pflichten der Trinkwasserversorger zur Information der Konsu­mentInnen zu verbessern?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich habe immer ein Inter­esse daran, dass Konsumentinnen und Konsumenten wissen, dass sie bei sensiblen Lebensmitteln – und Wasser bezeichne ich als das sensibelste Lebensmittel, das alle Menschen brauchen – Lebensmittel in bester Qualität bekommen und dass sie auch informiert sind, in welcher Qualität sie dieses Lebensmittel vorfinden.

Wir haben dazu Veränderungen vorgesehen. Das Begutachtungsende für diese Trink­wasserverordnung wird der 19. März sein. Am 7. Februar ist diese Verordnung in Begutachtung gegangen. Mir geht es darum, dass sichergestellt wird, dass nicht nur der Abnehmer von Trinkwasser – das ist ja in den Städten eher die Wohnungs­genossenschaft oder der Wohnungsbetreiber – informiert ist, sondern dass diese Abnehmer auch die tatsächlichen Konsumentinnen und Konsumenten über den Inhalt und die Qualität des Trinkwassers informieren.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Derzeit ist es ja so, dass man als Konsument und Konsumentin über die Zusammensetzung des Stroms besser informiert ist als über die Zusammensetzung des Wassers.

Was hindert uns daran, dass jeder Verbraucher auf seiner Rechnung eine detaillierte Auflistung der letzten Trinkwasserwerte bekommt und dass das zusätzlich auch von Bund und Land – die bekommen die Daten ja auch – im Internet veröffentlicht wird?

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Bundesrätin, ich habe jetzt sichergestellt, dass es einen Wettbewerb um das beste Trinkwasser in Österreich gibt. Die Wasserversorgungsunternehmen in Österreich bieten ihren Kundinnen und Kunden gute Information an. Ich habe sichergestellt, dass es einen jährlichen Trink-


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 26

wasserbericht auch in Österreich gibt, damit wir dieses sensible Lebensmittel im Auge behalten, damit es auch die kritische Öffentlichkeit im Auge behält, und dass wir diesen Bericht auch auf einer zentralen Internetseite öffentlich machen können.

Es geht mir auch darum, dass wir die Eigenkontrollen – die Trinkwasserver­sorgungs­unternehmen müssen ja Eigenkontrollen machen – und auch die amtlichen Kontrollen öffentlich ins Internet stellen, ebenso werde ich der Öffentlichkeit jährlich einen Trink­wasserbericht vorlegen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kemperle.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Minister, zum Teil ist ja jetzt schon durch meine Vorrednerin eine Frage gestellt worden bezüglich der Transparenz zu diesen Dingen. Allerdings erfährt derzeit ja nur der jeweilige Wasserabnehmer die Trinkwasserdaten. Alle drei Jahre muss der EU ein Trinkwasserbericht übermittelt wer­den, in dem die österreichweiten Kontrolldaten anonymisiert zusammengefasst sind.

Denken Sie daran, auch da mehr Transparenz einzuführen?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich habe schon gesagt, es geht mir um Transparenz. Die Kundinnen und Kunden sollen wissen, was sie zu sich nehmen, und das macht durchaus Druck auf die Wasserversorgungsunternehmen, das beste Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Ich sage auch noch dazu, im Wasser soll nicht zu viel drinnen sein, sondern es soll nur Wasser sein. Das ist das Entscheidende.

Wir wollen, dass die Informationspflicht von Verbrauchern erweitert wird um die Frage Wasserstoffkonzentration – das ist der pH-Wert –, die Wasserhärte, Kalium, Kalzium, Magnesium und Natrium. Der Anteil soll auch verpflichtend den Abnehmern und in der weiteren Folge den tatsächlichen Konsumentinnen und Konsumenten bekannt gegeben werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kneifel.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister, was werden Sie unternehmen, damit in Wien aus dem riesigen Überschuss an weit überhöhten Wassergebühren endlich die uralten Bleileitungen ausgetauscht werden?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Das sind die Fragen, die an die Hausbesitzer in Wien zu stellen sind, welche Qualität ihre Leitungen haben. Das ist auch eine Frage des Umganges von Hausverwaltungen.

Worum es mir geht, ist, dass wir Trinkwasser zur Verfügung stellen, das tatsächlich in nichtgesundheitsgefährdender Weise zu den Menschen gelangt, zu Konsumentinnen und Konsumenten gelangt. Das ist meine Aufgabe.

Zur Preisbildung von einzelnen Wasserabnehmern, auch wenn sie eine Gebiets­körperschaft sind, kann ich als Bundesminister für Gesundheit keine Aussagen machen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Minister, es ist bekannt, dass unser Trinkwasser auch mit Uran belastet ist. Ihr Ministerium hat hierzu mitgeteilt, dass unser Trinkwasser auch regelmäßig auf seinen Urangehalt untersucht wird. Grenzwerte gibt es allerdings nicht. Ist von Ihrer Seite her dazu geplant, künftig Grenzwerte festzulegen?

 



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Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Danke, das ist eine wichtige Frage. Wir prüfen das Trinkwasser, wir entwickeln uns auch in der Analytik weiter, um andere Werte aufnehmen zu können. Wir haben vor, Parameter Uran neu aufzu­nehmen. Es wird ein Grenzwert von 15 Mikrogramm pro Liter vorgeschlagen, und das ist unter dem Wert, den die Weltgesundheitsorganisation vorgeschlagen hat. Der Wert der Weltgesundheitsorganisation liegt bei 30 Mikrogramm pro Liter, wir haben für Österreich vor, den Wert bei 15 Mikrogramm pro Liter festzulegen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zur 7. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Köberl, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Bundesminister! An der elektronischen Gesundheitsakte ELGA wird ja schon seit mehreren Jahren gearbeitet, und im Vorjahr im November und Dezember waren ja die Medien voll mit Bericht­erstattungen. Es ist jetzt in der Öffentlichkeit wieder ein bisschen ruhiger geworden, daher möchte ich Sie fragen:

1806/M-BR/2012

„An der elektronischen Gesundheitsakte ELGA wird bereits seit mehreren Jahren gearbeitet. – Wie ist der Umsetzungsstand beziehungsweise wann wird die ELGA zur Verfügung stehen?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Danke, das ist eine politisch ganz wichtige Frage: Wie bekommen wir mehr Patientensicherheit in das öster­reichische Gesundheitssystem? Und ein wesentliches Element von Patientensicherheit ist Transparenz darüber, was wir im Gesundheitswesen tun, und ein ganz wichtiges Element von Patientensicherheit ist es, wenn die unterschiedlichen Institutionen des Gesundheitswesens – der Allgemeinmediziner oder die Allgemeinmedizinerin, die Fachärztin, der Facharzt, das Krankenhaus, im Krankenhaus die unterschiedlichen Abteilungen, möglicherweise eine Rehabilitationseinrichtung – den Gesundheitspro­zess einer Patientin, eines Patienten gemeinsam betrachten können.

Bisher ist es so, dass die Information immer in der einzelnen Institution verbleibt. Wenn wir in Zukunft Patientenströme in einem durchgehenden Prozess qualitativ versorgen wollen, brauchen wir ein Informationssystem, das über die Grenzen der einzelnen Ein­richtung hinausgeht.

Daher haben sich die österreichische Sozialversicherung, die Bundesländer, aber auch der Bund bereit erklärt, zu sagen, wir müssen ein modernes Kommunikations­instru­ment schaffen, wo wir mehrere Dinge gleichzeitig tun: Erstens Information für Patien­tinnen und Patienten zur Verfügung zu stellen, zweitens die Information, die Gesundheitsanbieter, Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflegepersonal, Apotheker haben, dorthin zu geben, wo sie tatsächlich gebraucht wird, nämlich zum behandelnden Arzt, zur behandelnden Ärztin, der/die eine Leistung erbringt – und das institutionen­übergreifend. Das ist sehr wichtig, und daher haben wir uns entschieden, einen elek­tronischen Gesundheitsakt aufzubauen.

Wir haben mit einer Machbarkeitsstudie begonnen, haben damit begonnen, die e-card einzuführen, wogegen es viel Widerstand gegeben hat. Heute sind die Patientinnen und Patienten und viele Ärztinnen und Ärzte heilfroh, dass wir diese e-card eingeführt haben. Und jetzt geht es um den nächsten Schritt. Wir haben im Jahr 2011 das Pilot-


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projekt E-Medikation aufgesetzt, und da haben Patientinnen und Patienten gesehen – vor allem in den Bundesländern, weniger in Wien, das hängt mit der Dichte zusam­men –, dass es ein Riesenvorteil ist, wenn ein Arzt weiß, was ein Kollege für einen Patienten verschrieben hat. Das heißt, es ist auch deutlich geworden, dass Information in der Medizin eine große Rolle spielt.

Ich habe daher in Auftrag gegeben, dafür zu sorgen, dass wir mit 1. Juli 2013 in der Lage sind, E-Medikation flächendeckend einzuführen. Dazu bedarf es einer Änderung des Gesundheitstelematikgesetzes oder des ELGA-Gesetzes, wie immer man es nennen will. Ich habe eine solche Initiative in Auftrag gegeben, verhandelt, in Begut­achtung geschickt, und es befindet sich derzeit dieser Gesetzgebungsprozess in der Endabstimmung. Ich werde, sobald ich die Zustimmung auch des Koalitionspartners habe, dieses Gesetz in die parlamentarische Behandlung einbringen.

 


Präsident Gregor Hammerl: Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Wie hoch sind die Kosten und der diesen gegenüberstehende Nutzen von ELGA?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Den Nutzen habe ich zu beschreiben versucht. Es geht darum, dass die beste Information für die Patienten zur Verfügung steht, die der Arzt auch hat.

Das Zweite, was wir brauchen, ist höchster Datenschutz. Wir werden, was den Datenschutz anlangt – wenn das umgesetzt wird, was ich mir vorstelle und erarbeiten habe lassen –, die höchste Form des Datenschutzes von Gesundheitsdaten haben. Das wird ein Quantensprung. Jeder Patient, jede Patientin kann nämlich nachprüfen: Wer hat auf meine Daten zugegriffen? Das gibt es derzeit bei keiner Bank, bei keinem anderen Unternehmen. Wir werden das im Gesundheitssystem umsetzen. Höchster Datenschutz – das ist ein Nutzen für die gesamte Datenschutzdiskussion auch in Österreich.

Was die Kosten anlangt, werden wir zwischen 2010 und 2017 insgesamt Kosten im Ausmaß von 130 Millionen € haben. Warum begonnen mit 2010? Ich habe am 24. November 2009 mit den Ländern vereinbart, die ELGA GmbH zu gründen. Die ist mit 1. Jänner 2010 operativ tätig geworden, und wir werden bis zum Jahr 2017 in diesem Bereich 130 Millionen € an Kosten haben. In diesen Gesamtkosten sind die Architekturkomponenten beinhaltet, und die Finanzierung wird zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung aufgeteilt.

Dem steht gegenüber, dass wir laufende Kosten von zirka 18 Millionen € jährlich haben werden, aber wir haben berechnet, dass wir an jährlichen Kostendämpfungen im ge­samten Gesundheitswesen durch mehr Transparenz, durch vermiedene Arzneimit­tel­interaktionen, durch Reduktion von doppelten Leistungen Kosteneinsparungen von jährlich 129 Millionen € haben werden.

Und daher sagt das ganz klar und eindeutig: E-Medikation rechnet sich, was die Qualität anlangt, rechnet sich, was den Datenschutz anlangt, und rechnet sich auch, was die Kostensituation betrifft.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Wenger.

 


Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie haben ja soeben erwähnt, dass der aktuelle Gesetzentwurf gegenüber jener Fassung, die vor einem Jahr in Begutachtung war, wesentlich verändert worden ist und natürlich auch im Hinblick auf eine der heikelsten Fragen, nämlich die Frage des Datenschutzes.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 29

Meine Frage: Sind mit der Ärztekammer diesbezüglich Gespräche geführt worden, und wann beabsichtigen Sie, das neue Gesetz in Begutachtung zu geben? Oder geht das Gesetz in Begutachtung, ohne dass man vorher mit der Ärztekammer dement­sprechende Gespräche geführt hat?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Erstens: Wir haben laufend Gespräche mit der Ärztekammer in der Frage dieses Gesetzes.

Ich habe – zweitens – auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in die uns die Öster­reichische Ärztekammer einen renommierten Arzt als ständigen Partner in alle Aus­schüsse, in alle Steuerungsgruppen entsandt hat. Der war am gesamten Prozess der Entstehung dieses Gesetzeswerkes beteiligt und hat die einzelnen Schritte auch alle mitgetragen. Wir haben viele Gespräche mit unterschiedlichen Personen in der Ärzte­kammer geführt.

Ich kann Ihnen auch sagen, dass ich mit vielen Ärztinnen und Ärzten persönlich gesprochen habe, weil es mich auch persönlich interessiert hat, die Eindrücke von ÄrztInnen, die am Pilotprojekt der E-Medikation teilgenommen haben, zu erfahren. Ich habe mir dort auch die Probleme und den Umgang authentisch erklären lassen und habe die Erfahrungen, die diese Ärztinnen und Ärzte gemacht haben, auch in das Gesamtprojekt einfließen lassen.

Wir sind ständig im Gespräch mit der Ärztekammer. Ich habe auch mehrere Gespräche mit dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer geführt, eines sogar im Bundeskanzleramt. Also die Österreichische Ärztekammer ist in diesem Bereich immer informiert dabei. Sie ist nicht mit allen Punkten einverstanden, weil es natürlich in Österreich mehr Interessen gibt als nur jene der Ärztekammer.

 


Präsident Gregor Hammerl: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, wie Sie ja eben angeschnitten haben, gibt es massiven Widerstand der Ärzteschaft gegen das ELGA-System – sie befürchten ja anscheinend eine Kontrolle durch einen anderen Arzt –, aber es gibt auch massiven Widerstand durch Patienten.

Und jetzt meine Frage: Kann jemand die Eintragung seiner Gesundheitsdaten in die Datenspeicher von ELGA verweigern?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Sehr geehrter Herr Bun­desrat, ich teile Ihre Auffassung nicht, dass es massiven Widerstand von Patientinnen und Patienten gibt. Das ist mir nicht bekannt. Mir ist bekannt, dass die eine, möglicherweise auch die andere Ärztekammer dieses Thema verwendet, um vielleicht bei besonderen Wahlkämpfen gut abzuschneiden. Das ist das Recht jeder Inter­essenvertretung. Das ist zu akzeptieren.

Insgesamt sage ich Ihnen, dass viele Ärztinnen und Ärzte sehr, sehr froh sind, wenn sie ihre Fachentscheidung, ihre diagnostische Entscheidung, ihre Behandlungs­entscheidung auf qualifiziertere Vorinformation setzen können. Zu mir kommen auch viele Ärztinnen und Ärzte, die sagen: Ich wäre so froh zu wissen, was Patientinnen und Patienten von einem Kollegen verschrieben bekommen haben. Die wären froh zu wissen, wie der letzte Befund, zum Beispiel in einem Labor, war. Das ist jetzt nicht immer der Fall. Das ist sichergestellt.

Was nun Ihre konkrete Frage betrifft, ob ein Patient sagen kann, er möchte seine Daten nicht gespeichert haben, so ist in dem Gesetzentwurf, den ich zur Begutachtung


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versendet habe und der von mir auch in den Ministerrat eingebracht wird, jedenfalls sichergestellt, dass jeder Patient, jede Patientin sich generell aus dem elektronischen Gesundheitsakt herausoptieren kann. Das wird generell möglich sein. Es wird auch einzelne Fragen geben, wo man sich im Einzelfall herausoptieren kann. Das ist im Gesetzestext so vorgesehen.

Ich sage ganz, ganz deutlich, dass wir für Patientinnen und Patienten die höchste Form von Datenschutz, die es in Österreich geben wird, bei diesem Gesetz umsetzen werden.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir kommen nun zur 8. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Greiderer, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1802/M-BR/2012

„Was ist im neuen Projekt Brustkrebs-Screening konkret vorgesehen, um den best­möglichen Nutzen für die Patientinnen zu erreichen?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Um noch einmal das Thema Brustkrebs-Screening aufzugreifen: Ich denke, für die Frauen in Österreich ist es wichtig, dass wir beste Qualitätskriterien haben, die von der Gesundheit Österreich GmbH gemeinsam mit den Gruppen der Ärztinnen und Ärzte, die in diesem Fach arbeiten, entwickelt worden sind.

Wir haben gemeinsam mit der Sozialversicherung sicherstellen können, dass wir ein organisiertes Einladungssystem haben, wodurch alle Frauen zwischen dem 45. und 69. Lebensjahr persönlich angesprochen werden. Wir erwarten uns durch den nieder­schwelligen Zugang – bisher war es ja so, dass die Frauen, die sich leichter tun, sich zu informieren, solche Programme eher angenommen haben, Frauen, die sich weniger damit auseinandersetzen können oder diesen Informationszugang nicht haben, das eher nicht gemacht haben –, dass wir Brustkrebs in früheren Stadien erkennen werden und damit aber auch entsprechende Unterstützung für diese Frauen anbieten können.

Was die Qualität anlangt, geht es um so Fragen wie Erfahrung der Ärztinnen und Ärzte, die begutachten, es geht um die Frage, welche Qualität die eingesetzten Geräte haben müssen, es geht um die verblindete Doppelbefundung durch zwei voneinander unabhängige Ärztinnen und Ärzte in der Mammographie. Das sind die Themen, die umgesetzt werden.

Es geht mir insgesamt darum, dass wir mit diesem Programm eine Verbesserung der Diagnostik in Österreich erreichen werden. Das ist zum Nutzen aller Frauen in dieser Personengruppe.

 


Präsident Gregor Hammerl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Trotzdem gibt es zu diesem bundes­weiten Präventionsprojekt Brustkrebs-Screening Kritikpunkte. Wie wir es zum Teil heute schon gehört haben, werden niedergelassene Fachärzte und Fachärztinnen für Gynäkologie und Radiologie völlig unzureichend eingebunden. Die Untersuchungen werden daher nicht wohnortnah, sondern überwiegend in anonymen Zentren durch­geführt. Das führt besonders im ländlichen Raum zu Problemen. Weiters werden Frauen zwischen der Erstuntersuchung bis zur Befundung alleingelassen. Gerade


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wenn es ein Problem gibt, werden sie dort alleingelassen. Heute gibt es auch schon die Möglichkeit der ExpertInnen-Befundung in Zentren über Internet. Die Kosten sind vergleichsweise hoch. Mit dem investierten Geld könnte wesentlich mehr erreicht werden. Weiters entsprechen die eingeladenen Altersgruppen nicht dem Risikoprofil. Ich selber komme aus Tirol, und wir haben ein sehr erfolgreiches Projekt Brustkrebs-Screening in Tirol, aber mir sind die Erfahrungswerte aus diesem Projekt zu wenig eingebunden.

Deshalb zu meiner Zusatzfrage: Warum ist das Pilotprojekt 2007/2008 in Wien derart schlecht gelaufen, dass nur halb so viele Personen eingeladen wurden wie in Tirol und davon in Wien überhaupt nur jede zehnte Frau der Einladung gefolgt ist, in Tirol immerhin jede dritte Frau? Daher wurden in Tirol auch etwa zehnmal so viele Karzinome entdeckt.

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Eine Latte von Fragen jetzt, die man im Detail beantworten kann. Im Wesentlichen ist es so: Wir haben in Österreich mehrere Pilotprojekte aufgesetzt. Der Gesundheitslandesrat von Tirol war auch dabei in diesem Gesamtprojekt jetzt für ganz Österreich und hatte die Mög­lichkeit, die Erfahrungen aus Tirol einzubringen. Er hat dabei auch eine führende Funktion eingenommen.

Uns geht es darum, österreichweit den höchsten Standard zu erreichen, der auch international vorgesehen ist. Da sage ich ganz klar, international ist vorgesehen, Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr zu einem Screening-Programm einzu­laden. Wir haben das erweitert und laden ab dem 45. Lebensjahr ein. Das heißt, insgesamt ist das Einladungssystem, denke ich, sehr, sehr wichtig.

Hinsichtlich der Frage, an welchem Standort diese Leistungen erbracht werden, sage ich noch einmal, die Frauen haben ein Recht auf qualifizierte Untersuchung auf einem gewissen Qualitätslevel. Dieser Qualitätslevel ist mit den Vertretern der Ärzteschaft vereinbart worden. Da mag es schon den einen oder anderen geben, der vielleicht hier im Grenzbereich tätig war, aber die österreichische Ärzteschaft hat dem, wie wir das machen, auch zugestimmt. Ich gehe davon aus, dass das der Qualitätslevel ist, den die österreichische Ärzteschaft auch umsetzen wird können.

Was die Kostensituation anlangt, habe ich eine völlig andere Einschätzung. Wir geben derzeit für opportunistisches Screening sehr, sehr viel Geld aus. Dieses Screening ist nicht qualitätsgesichert. Wir werden in Zukunft dieses Geld weiterhin ausgeben, aber in einer wesentlich qualifizierteren Form und das auch qualitätsgesichert. Ich gehe davon aus, dass die Situation für Frauen verbessert wird.

 


Präsident Gregor Hammerl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Ebner.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Durch das Mammographie-Screening lässt sich die Brustkrebssterberate längerfristig um zirka 30 Prozent senken, und nur bestens geschultes Personal kann dies auch garantieren.

Daher meine Frage: Gibt es in Zukunft für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Screening-Programm arbeiten, regelmäßige Schulungen? Sind sie verpflichtend oder beruhen sie einfach nur auf Freiwilligkeit?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Es ist so, dass im Rahmen der Zertifizierung dieser Einrichtungen auch die Ausbildung und der Ausbildungsstatus aller am Screening beteiligten Personen eine Rolle spielen. Das ist eine Voraussetzung


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für die Akkreditierung als Zentrum, als Einrichtung, die diese Screening-Leistung zu erbringen hat.

Ich sage aber darüber hinaus, dass alle medizinischen Berufe eine ständige Weiterbildungsverpflichtung haben.

 


Präsident Gregor Hammerl: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! In welcher Höhe erwarten Sie künftig einen Rückgang der Mortalität brustkrebserkrankter Frauen durch das neue Screening-Projekt?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Bundesrätin, ich lasse mich nicht auf einen Prozentlevel und auf ein Zahlenspiel ein. Wir machen Screening-Programme, um die Situation für Frauen in Österreich zu verbessern. Ich bin schon zufrieden, wenn wir eine einzige Frau in Österreich retten können. Ich bin auch zufrie­den, wenn wir die Sorgen der Frauen bei ungeklärten Diagnosen reduzieren können. Ich bin sehr dafür, dass wir die Qualität des Screening-Programms verbessern. Da bin ich ganz sicher, dass das einen Nutzen für alle Frauen in Österreich haben wird.

Gesundheit ist immer an konkreten Personen zu messen, und über Prozentpunkte will ich bewusst keine Aussage machen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, dass ein positiver Befund sicher massive Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der Frauen hat, liegt, glaube ich, ganz klar auf der Hand.

Gibt es hier Überlegungen und Maßnahmen, eine Betreuung, ein Auffangnetz in psychosozialer Hinsicht zu installieren?

 


Präsident Gregor Hammerl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Wir machen ja Screening deswegen, damit wir Frauen helfen können. Es geht darum, dass man, wenn ein positiver Befund vorliegt, professionell mit den Frauen umgeht. „Professionell um­gehen“ heißt, die Lebenssituation dieser Frau zu berücksichtigen, diese Frau auch ernst zu nehmen und anhand der Betroffenheit dann einen Behandlungsprozess zu organisieren. Das ist ärztliche Aufgabe, das kann aber auch durch andere Einrichtungen oder andere Berufsgruppen übernommen werden. Wichtig ist, dass es eine qualitative Versorgung dieser Frauen bei positivem Befund gibt.

 


Präsident Gregor Hammerl: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ein Danke für Ihre Ausführungen. Sie haben die ganze Latte abgearbeitet, und der Bundesrat wünscht Ihnen heute noch einen schönen Tag. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Auf Wiedersehen, Herr Bundesminister.

Hoher Bundesrat! Die Fragestunde ist beendet.

10.28.52Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Gregor Hammerl: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2652/AB bis 2662/AB und

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über ein Überein-


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 33

kom­men über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz sowie über ein Abkom­men mit der Republik Kosovo über soziale Sicherheit

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Abfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gregor Hammerl

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                    14. Februar 2012

1017 Wien                                                                              GZ: BMeiA-AT.8.33.02/0002-l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 31. Jänner 2012 (Pkt. 27 des Beschl.Prot. Nr. 129) der Herr Bundespräsident am 1. Februar 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Überein­kommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-AT.4.36.05/0002-IV. 1/2011

Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich

Zeugenschutz; Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Im Rahmen des Forum Salzburg (Zusammenarbeit zwischen Bulgarien, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn im Sicher­heitsbereich, einschließlich des Zeugenschutzes) wurde der Abschluss eines multilate­ralen Übereinkommens zur Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz vorgeschlagen.

Dieser Vorschlag wurde auf Ebene der Innenminister bereits grundsätzlich begrüßt und die Experten der Forum Salzburg Partner mit den weiteren Arbeiten beauftragt. Österreich hat am 1. Jänner 2011 für ein halbes Jahr den Vorsitz des Forum Salzburg


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 34

übernommen und während dieser Zeit im April 2011 ein Expertentreffen zum Thema Zeugenschutz abgehalten. In weiterer Folge wurden die Ergebnisse den Ministern im Rahmen der Forum Salzburg Ministerkonferenz Ende Juni 2011 vorgelegt. Am 27. – 28. September 2011 fanden unter bulgarischem Vorsitz Konsultationen auf Experten­ebene zum Entwurf des Zeugenschutzübereinkommens statt. Im Rahmen des Forum Salzburg Ministertreffens am 15./16. November 2011 einigten sich die Minister darauf, im 1. Halbjahr 2012 formelle Verhandlungen zu einem Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz aufzunehmen.

Die österreichische Rechtsgrundlage für das Tätigwerden der Sicherheitsbehörden im Bereich des Zeugenschutzes ist § 22 Abs. 1 Z 5 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF. Die Grundlage für die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich ist § 18 Polizeikooperationsgesetz (PolKG), BGBl. I Nr. 104/1997 idgF. Öster­reich hat im Rahmen seiner Staatsverträge zur polizeilichen Zusammenarbeit mit Ungarn, der Tschechischen Republik und Kroatien bereits eine derartige Zusammen­arbeit vereinbart. Der Übereinkommensentwurf orientiert sich eng an diesen bestehen­den Verträgen sowie dem Beschluss 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämp­fung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität (ABI. Nr. L 210/1 vom 6.08.2008), „Prümer Beschluss“.

Im Bereich Zeugenschutz gibt es keine europaweite Rechtsgrundlage für den Transport gefährdeter Zeugen, insbesondere was die Frage der

Waffentrageerlaubnis für Exekutivbeamte des Zeugenschutzes während des Trans-portes in anderen Mitgliedstaaten der EU betrifft. Das geplante Übereinkommen würde daher auch eine Waffentrageerlaubnis vorsehen.

Auf Grund der besonderen Sensibilität des Vertragsgegenstandes sollen in dem geplanten Übereinkommen weiters Bestimmungen über die Vertraulichkeit der Zusam­menarbeit und über das Weiterbestehen von Verpflichtungen gegenüber den zu schützenden Personen – auch nach Kündigung des Übereinkommens durch eine der Vertragsparteien – vorgesehen werden.

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden voraussichtlich Vertreter/innen des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten und des Bundesministeriums für Inneres angehören.

Die mit der Verhandlung dieses Übereinkommens verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Übereinkommen wird voraussichtlich keine erheblichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Das geplante Übereinkommen wird voraussichtlich gesetzändernd bzw. gesetzes­ergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz stelle ich den


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 35

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandte Mag. Elisabeth Ellison-Kramer und im Falle ihrer Verhinderung Legationsrat Mag. Georg Zehetner zur Leitung der Verhandlungen über ein Übereinkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Zeugenschutz zu bevollmächtigen.

Wien, am 24. Jänner 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Gregor Hammerl

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                    24. Februar 2012

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-K1.8.33.02/0001 -l.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 14. Februar 2012 (Pkt. 20 des Beschl.Prot. Nr. 130) der Herr Bundespräsident am 22. Februar 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo über soziale Sicherheit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                        „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-K1.4.15.15/0002-IV.3/2012

Abkommen zwischen der Republik Österreich

und der Republik Kosovo über soziale Sicherheit;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugosla­wien über soziale Sicherheit wurde am 5. Juni 1998 unterzeichnet und trat am 1. Mai 2002 in Kraft. Österreich hat die vom Kosovo am 17. Februar 2008 erklärte Unab­hängigkeit am 28. Februar 2008 anerkannt und mit der Republik Kosovo am 20. März 2008 diplomatische Beziehungen aufgenommen.

Nach der Anerkennung der Eigenstaatlichkeit der Republik Kosovo durch die Republik Österreich wurde eine Liste jener bilateralen Abkommen erstellt, die weiterhin im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo bindend sind (BGBl. III Nr. 147/2010). In dieser Liste findet sich unter anderem das Abkommen


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 36

zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 5. Juni 1998 (BGBl. III Nr. 100/2002). Die dazugehörige Durchführungs­vereinbarung vom 29. August 2001 (BGBl. III Nr. 130/2002) konnte aus auf koso­varischer Seite liegenden Gründen nicht ebenfalls für weiter anwendbar erklärt werden. Daher ist eine Weiteranwendung des Abkommens bereits aufgrund des Fehlens der erforderlichen Anwendungsbestimmungen problematisch. Mangels Bestehens eines Systems der Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung in der Republik Kosovo ist keine Gegenseitigkeit gegeben und daher eine pragmatische Weiteranwendung des Abkommens in diesen Bereichen derzeit nicht möglich. Die Republik Kosovo hat auf die laufenden Reformvorhaben in diesen Bereichen hingewiesen, sodass in dem angestrebten neuen Abkommen auch diese Bereiche geregelt werden können, sobald entsprechende Systeme in der Republik Kosovo anwendbar sind.

Derzeit fehlt es somit an Systemen, die vom bestehenden Abkommen mit der Bun­desrepublik Jugoslawien als erfasst angesehen werden konnten. Da die für die Anwendung des Abkommens erforderliche Gegenseitigkeit nicht gegeben ist − was aus völkerrechtlicher Sicht als grundlegende Änderung der beim Vertragsabschluss gegebenen Umstände gewertet werden kann − ist eine ehestmögliche Suspendierung erforderlich. Die Suspendierung des Abkommens soll nach Möglichkeit im Einver­nehmen mit der kosovarischen Seite erfolgen, was dieser von der Österreichischen Botschaft in Pristina mit Verbalnote vom 19. Dezember 2011 vorgeschlagen wurde.

Im Zusammenhang mit der Suspendierung wurde mit der kosovarischen Seite vereinbart, ehestmöglich Verhandlungen betreffend ein neues Abkommen über soziale Sicherheit samt Durchführungsvereinbarung aufzunehmen, welche sich auf die anzuwendenden Rechtsvorschriften bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit und die Pensionsversicherung beziehen würden und mit deren Inkrafttreten das Abkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien ersetzt werden würde. Die kosovarische Seite hat zu einer ersten Verhandlungsrunde vom 27. Februar bis 2. März 2012 nach Pristina eingeladen. Dieser Einladung soll Folge geleistet werden und eine österreichische Delegation die Verhandlungen aufnehmen. Sollte in diesen fünf Besprechungstagen kein Einvernehmen mit der kosovarischen Seite über das neue Abkommen samt Durch­führungsvereinbarung erzielt werden, würde die österreichische Seite die kosovarische Seite zu ehebaldigen weiteren Verhandlungen nach Wien einladen.

Für die Verhandlung des Abkommens über soziale Sicherheit wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Gesandte Dr. Brigitta Blaha                                        Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiterin                                                                              internationale Angelegenheiten

MR Prof. Dr. Bernhard Spiegel                                    Bundesministerium für Arbeit, Soziales

stellvertretender Delegationsleiter                                                          und Konsumentenschutz

MR Christoph Pramhas                                                  Bundesministerium für Arbeit, Soziales

stellvertretender Delegationsleiter                                                          und Konsumentenschutz

Der Delegation werden die erforderlichen Berater/innen aus dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten sowie Experten und Expertinnen des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherung beigezogen werden.

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Be­deckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird das bestehende Abkommen ersetzen und voraussichtlich keine zusätzlichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu solchen kommen


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 37

sollte, werden sie aus den der österreichischen Sozialversicherung zur Verfügung stehenden Mitteln bedeckt.

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo über soziale Sicherheit wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumen­ten­schutz stelle ich daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo über soziale Sicherheit zu bevollmächtigen.

Wien, am 7. Februar 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

 


Präsident Gregor Hammerl: Es ist die Strategische Jahresplanung 2012 des Bun­desministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur auf der Grundlage des Arbeits­pro­gramms der Kommission sowie des 18-Monatsprogramms der polnischen, däni­schen und zypriotischen Präsidentschaften eingelangt, die dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Ebenso eingelangt ist die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung 2012 auf der Grundlage des „Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission“ und des „Achtzehnmonatsprogramms des Rates“, die dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Genauso ist das EU-Arbeitsprogramm 2012, Bericht des Bundesministers für euro­päische und internationale Angelegenheiten an das österreichische Parlament eingelangt, das dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Darüber hinaus ist der Jahresbericht 2012 gemäß Artikel 23f Abs. 2 B-VG des Bun­desministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvor­sitzes eingelangt, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz zur Vorberatung zugewiesen wurde und bereits einen Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung bildet.

Weiters eingelangt ist die EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2012, die dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zur Vorberatung zugewiesen wurde und ebenfalls schon einen Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung bildet.

In weiterer Folge ist auch die EU-Jahresvorschau 2012 des Bundesministeriums für Finanzen eingelangt, die dem Finanzausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 38

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte sowie die Petition 29/PET-BR/2011, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Gregor Hammerl: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3 sowie 7 und 8 jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher so vorgehen.

10.32.441. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz – EBIG) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­verfah­rensgesetzen 2008, das Bundesministeriengesetz 1986, das Strafgesetzbuch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Euro­pawahlordnung, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstimmungs­gesetz 1972, das Volks-befragungsgesetz 1989, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (EBIG-Einführungs­gesetz) (1780/A und 1666 d.B. sowie 8664/BR d.B. und 8667/BR d.B.)

 


Präsident Gregor Hammerl: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.

Ich darf hier im Bundesrat Herrn Staatssekretär Kurz herzlich begrüßen. Herr Staats­sekretär, herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. – Ich bitte um seinen Bericht.

 


10.33.24

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Euro­päische-Bürgerinitiative-Gesetz – EBIG) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Bundesministeriengesetz 1986, das Straf­ge­setz­buch, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahl­ge­setz 1971, die Europawahlordnung, das Volksbegehrengesetz 1973, das Volksabstim­mungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz  1989, das Wählerevidenzgesetz 1973 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 39

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form; ich verzichte daher auf die Verlesung und komme gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


10.34.54

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns erinnern, wie sehr wurde dieser Lissabon-Vertrag gemobbt und welchem Campaigning wurde dieser Lissabon-Vertrag in Österreich über Monate unterworfen. Was wir heute erleben, was wir alle seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages – auch hier im Rahmen des Bundesrates – erleben, ist ein ganz großer Schritt der Demokratisierung der Europäischen Union. Denn eines kann man sagen: Die Europäische Union ist mit dem Lissabon-Vertrag demokratischer geworden als zu jenem Zeitpunkt, zu dem Österreich in einer Volksabstimmung seine Mitgliedschaft erklärt hat.

Jede Gesellschaft, jeder Staat und jeder Zusammenschluss von Staaten braucht eine funktionierende Verfassung, und der Lissabon Vertrag ist, wenn er auch nicht Ver­fassung genannt werden darf, eine Form unserer Verfassung, eine neue demo­kratische Qualität. Was war vor dem Lissabon-Vertrag? Da war es die Vernetzung der Regierenden. Man kann immer sagen, die Regierenden sind bestens vernetzt. Aber sind auch die Parlamente, die Volksvertretungen miteinander vernetzt? Haben die Volksvertretungen, die Parlamente auch die Möglichkeit, in das Verfahren des Gesetz­werdungsprozesses einzugreifen, diesen nachzuvollziehen?

Das erleben wir – und auch die Freiheitliche Partei – aktiv im Rahmen des EU-Aus­schusses, der heute eine ganz andere Rolle hat. Die Transparenz der Vorhaben der Europäischen Union, die uns der Lissabon-Vertrag bietet, und die Möglichkeit, die wir nun haben, die gelbe, die orange und im Extremfall sogar die rote Karte zu zeigen, sind eine neue Qualität. Dies verlangt allerdings und macht es zur Voraussetzung, dass auch die Parlamente entsprechend vernetzt sind.

Wenn wir uns anschauen, wie das funktioniert – es liegen uns derzeit nur Infor­ma­tionen über das Jahr 2010 vor, jene für 2011 werden gerade erstellt –, dann sieht man, es sind interessanterweise überall die zweiten Kammern, die die Nase vorn haben: der französische Senat, der tschechische Senat, der deutsche Bundesrat, der österreichi­sche Bundesrat und auch der italienische Senat. Das heißt, die Information und die Rückkoppelung über Gesetzwerdung funktionieren nun auch in der Vernetzung der Parlamente.

Nun fehlt die dritte Säule, und die dritte Säule ist die Möglichkeit der Bürger und Bürgerinnen, selbst aktiv in den Gesetzwerdungsprozess einzugreifen. Dafür wurde die Europäische Bürgerinitiative im Lissabon-Vertrag grundgelegt, und sie wird mit dem heutigen Beschluss des Bundesrates ab April auch in Österreich gültig.

Die Europäische Bürgerinitiative bedeutet natürlich jetzt auch eine Anforderung an die Bürger und Bürgerinnen, aus dem nationalen Dialog in einen grenzüberschreitenden Dialog zu treten, denn eine Europäische Bürgerinitiative muss sich natürlich aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten und Initiativen zusammensetzen, sonst wäre es ja eine nationale Initiative. Das heißt, eine Europäische Bürgerinitiative braucht aus


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 40

sieben Beitrittsländern – das ist derzeit ein Viertel – eine Million Unterschriften. Eine Million klingt im ersten Moment hoch, aber die EU hat über 500 Millionen Bürger und Bürgerinnen, und es braucht eine bestimmte Form repräsentativer Vertretung, damit man auch in den Gesetzwerdungsprozess für 500 Millionen Menschen entsprechend eingreifen kann.

Die Europäische Bürgerinitiative folgt ein wenig dem österreichischen Konstrukt der direkten Demokratie. Man kann die Europäische Bürgerinitiative – auch in Deutschland ist das ähnlich – dem österreichischen Volksbegehren gleichsetzen. Das heißt, es ist keine Volksabstimmung. Ich denke, der Lissabon-Vertrag und die Demokratie inner­halb der Europäischen Union werden, wenn das Europäische Volksbegehren, sprich die Europäische Bürgerinitiative, erfolgreich ins Laufen kommt, irgendwann auch eine Weiterentwicklung in Richtung einer Volksabstimmung erfahren.

Aber derzeit gilt eben diese Mindestvoraussetzung, das heißt, aus sieben unterschied­lichen Ländern bilden je eine Person, also wiederum sieben Bürger und Bürgerinnen, eine Art Ausschuss, einen Bürger- und Bürgerinnenausschuss und benennen eine Hauptansprechperson. Ein solches Begehren kann natürlich nur auf jene Akte und Kompetenzen gerichtet sein, in denen die Union eine Kompetenz hat und die nicht in nationalstaatlicher Kompetenz sind. Ist dieser Vorgang geklärt, dann richtet die Kommission ein Portal ein, ein sogenanntes Online-Portal. In diesem Online-Portal haben nun im Rahmen dieser Bürgerinitiative die Menschen die Möglichkeit, in einem Zeitraum von zwölf Monaten ihre Unterschrift für eine bestimmte Initiative abzugeben.

Ich bin froh darüber – weil jetzt gerade sehr viele junge Menschen hereinkommen –, dass wir in Österreich die Teilnahme an der Bürgerinitiative ab 16 Jahren möglich machen. In manchen anderen Mitgliedstaaten – das ist vielleicht ein Wermutstropfen – ist es ab achtzehn, aber in Österreich können junge Menschen ab sechzehn sich in diese Bürgerinitiative eintragen.

Insgesamt macht das für Österreich ein Quorum von 14 250  Stimmen aus, ein nationales Volksbegehren braucht 10 000. Wir haben jetzt bei der Europäischen Bürgerinitiative 14 250 Stimmen.

Maroš Šefcovic, das ist der Vizepräsident der Kommission und zuständig für Innen­angelegenheiten, hat diese Europäische Bürgerinitiative als ein weiteres Kapitel im demokratischen Leben der Union bezeichnet. Viele erwarten bereits als eine dieser ersten Bürgerinitiativen etwas, was zum Beispiel Österreich einstimmig auch auf Regierungsebene fordert, das ist die Einführung einer europäischen Trans­aktions­steuer, denn die Bürger und Bürgerinnen erwarten sich, nachdem Europa budgetär dermaßen große Unterstützungen, etwa im Bankensektor, geleistet hat, dass es zu dieser Transaktionssteuer kommen wird.

Manche kritisieren bei dieser Europäischen Bürgerinitiative – ich sehe das aber umge­kehrt durchaus auch als einen Fortschritt –, dass dieser grenzüberschreitende Dialog jene begünstigt, die heute in der Zivilgesellschaft bereits verankert sind. Das sind die sogenannten NGOs, das sind Initiativen im Umweltbereich, im Bereich des Arbeit­nehmer- und Arbeitnehmerinnenschutzes, das sind Verkehrsinitiativen. Es wird be­fürchtet, dass sie durch ihre natürlich heute bereits aktive Vernetzung und durch ihre bisherige Kommunikation begünstigt werden. Das ist aber jetzt auch umgekehrt einmal ein Dankeschön, eine Akzeptanz und eine Würdigung der Arbeit der NGOs, dass sie hier in einer vielleicht etwas begünstigten Position sind.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, mit der heutigen Beschlussfassung, die einstimmig ist – ich bin darüber sehr glücklich, dass sie einstimmig ist –, schaffen wir nun die dritte Säule in der Demokratisierung, in der Transparenz, in der Mitbestimmung im Rahmen der Europäischen Union und schlagen endlich auch das Kapitel der direkten Demo-


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kratie in der Europäischen Union auf. Das ist ein sehr, sehr schöner Augenblick, und wir sollten diesen auch entsprechend an die Bürger und Bürgerinnen in Österreich kommunizieren. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

10.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 


10.45.09

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher an den Fernseh­schirmen! Wir haben am Dienstag im Verfassungsausschuss des Bundesrates diese Vorlage des Nationalrates beraten und einstimmig beschlossen, gegen sie keinen Einspruch zu erheben.

In diesem Verfassungsausschuss ist das BZÖ nicht vertreten. Heute habe ich gesehen, dass kein Redner auf der Liste steht. Im Nationalrat hat es allerdings nicht für eine Einstimmigkeit gereicht, sondern da war es gegen die Stimmen des BZÖ. Für mich war das eigentlich eher nicht logisch, weil der Ruf nach mehr demokratischer Legitimation der europäischen Institutionen ein ständiger, ein lauter, ein nach­drücklicher ist und ich eigentlich der Meinung war, dass wir in dieser Richtung einen Konsens in Österreich haben. Aber vielleicht hat es auch in dieser Frage eine Mei­nungsbildung zwischen Nationalrat und Bundesrat gegeben, und wir können das heute hier einstimmig beschließen.

Wie schon von meinem Vorredner gesagt, ist diese Europäische Bürgerinitiative ein Ausfluss des Vertrages von Lissabon. Dieser Vertrag bringt uns zwei ganz große neue Elemente in der österreichischen Demokratie. Das ist einmal die Mitwirkung der nationalen Parlamente an der europäischen Gesetzwerdung. Aus aktuellem Anlass darf ich nur auf die gestrige Diskussion im Europaausschuss des Bundesrates ver­weisen, wo eine ganz heftige Auseinandersetzung in der Frage der europäischen Vorlage der Trinkwasserrichtlinie stattgefunden hat. Das ist ein Ausfluss dessen, dass wir hier sehr intensiv die europäische Gesetzwerdung begleiten und dass diese euro­päische Gesetzwerdung, dass Europa hier Österreich wird, dass das österreichische Innenpolitik wird – mit allen Auseinandersetzungen und Diskussionen in der Sache selbst. Es ist oft schade, dass die Öffentlichkeit, dass die Österreicherinnen und Öster­reicher die Intensität dieses Gesetzprüfungsverfahrens vielleicht noch nicht in dem Maße nachvollziehen können, in dem sie stattfindet.

Es stellt sich die Frage, was dieses Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz bewirken wird. Erforderlich sind eine Million Unterschriften. Für Österreich – das wurde schon gesagt –liegt die Marke bei 14 250 Stimmen. Das ist, glaube ich, eine machbare Größe. In meiner Beurteilung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass nicht die Million Unterschriften, die Million Unterstützer eine Hürde sind, sondern eher noch die Not­wendigkeit, dass sieben Mitgliedsländer für eine solche Initiative zu begeistern sind. Das heißt, wir sehen auch hier zunehmend das Erfordernis, uns europäisch zu vernetzen. Das wird immer wichtiger.

Allerdings ist diese Frage durchaus auch zweischneidig, denn das Erfordernis, bei einer solchen Bürgerinitiative sieben andere Mitgliedstaaten mitzunehmen, bedeutet natürlich auch, dass wir einen Schutz davor haben, von Initiativen großer Staaten überrollt zu werden. Für Österreich alleine ist eine Million Unterstützungen sehr, sehr viel, aber für ein großes Mitgliedsland wie Deutschland, Frankreich oder andere ist eine Million vielleicht nicht so viel. Dieses Austarieren auf mindestens sieben unterstützende Mitgliedsländer ist sozusagen auch ein gewisser Schutz für uns.


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Es besagt aber auch, dass diese Bürgerinitiative generell von der Themenlage her nicht für nationale Alleingänge geeignet ist, sondern dass es so etwas wie einen Konsens in Richtung europäisches Lebensgefühl, in Richtung Werthaltungen Europas braucht, um so etwas erfolgreich zu lancieren. Ich denke, beispielsweise könnte so etwas im Hinblick auf Gentechnikfreiheit von Lebensmitteln der Fall sein. Auch die Freiheit des Internets ist zum Beispiel so eine Frage oder die Frage der Atompolitik oder auch, wie schon genannt, die Frage der Einführung einer Finanztrans­aktions­steuer.

Eine der großen Fragen bei der Diskussion über dieses Bürgerinitiative-Gesetz war die Frage der Legitimierung der Unterstützungen. Da darf ich auch ganz offen sagen, das Verfahren soll so einfach wie möglich sein, muss aber auf alle Fälle korrekt sein! Ich glaube, dass der Wert einer Bürgerinitiative darin liegt, dass unzweifelhaft feststeht, dass die Unterschriften der Unterstützer korrekt sind, und dass wir da derzeit nicht darum herumkommen, den Personalausweis oder den Reisepass als Dokument für den Nachweis der  Echtheit der Unterschriften der Unterstützer zu verlangen.

Vielleicht gibt es hier einmal eine Entwicklung im digitalen Bereich, die eine weitere Vereinfachung ermöglicht. Aber derzeit, glaube ich, haben wir einen Standard, wo wir verhindern müssen, dass Schwindel betrieben wird, dass Doppelunterschriften, Serien­unterschriften eingereicht werden und damit die Qualität einer solchen Bürgerinitiative unterwandert wird.

Wir haben ja in Österreich einige Erfahrung mit E-Voting. Wir wissen, diese Erfah­rungen sind durchwachsen. Ich glaube, wir müssen warten, bis wir wirklich sichere Elemente haben, um zu dieser notwendigen Vereinfachung der Initiativen zu kommen.

Wir freuen uns darüber, dass diese Initiative zustande kommt. Wir glauben, dass es notwendig sein wird, in einigen Jahren eine Evaluierung vorzunehmen, zu überprüfen, ob dies Wirkung zeigt, ob diese Europäische Bürgerinitiative ihre Kraft tatsächlich entwickeln kann.

Für uns in der Volkspartei ist diese Europäische Bürgerinitiative demokratiepolitisch notwendig und richtig. Sie ist ein Beginn, sie ist ein zartes Pflänzchen, das man weiterentwickeln muss, das man in die Zukunft führen muss, das man ausbauen kann und soll. Sie ist aber vor allem – und das halte ich für ganz wichtig – ein Beitrag, die Willensbildung in Europa in unserem Sinne, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Österreichs, zu beeinflussen. Wir stehen voll und ganz hinter dieser Initiative. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.52.23

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es war ja nicht anders zu erwarten, als dass meine Vorredner von ÖVP und SPÖ diese Bürgerinitiative natürlich über den grünen Klee loben werden.

Zu den Ausführungen des Kollegen Schennach, der ja auch ein glühender Befürworter des Lissabon-Vertrags ist – das unterscheidet uns –: Die Tatsache, dass wir uns im EU-Ausschuss einbringen, bedeutet nicht, dass wir glühende Befürworter des Lissabon-Vertrages geworden sind, ganz im Gegenteil, aber wir haben natürlich auch einen pragmatischen Zugang zu den Dingen. Es gibt den Lissabon-Vertrag. Der EU-Ausschuss hat das gleiche Recht wie der Nationalrat, und wir wären auch als Freiheitliche Partei schlecht beraten, wenn wir dieses Instrument nicht nützten. Daher


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bringen wir uns selbstverständlich im EU-Ausschuss ein, was aber nicht heißt, dass hier ein Meinungswechsel stattgefunden hat. (Beifall bei der FPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Mindestens eine Million Bürger in sieben Mitgliedstaaten müssen die Bürgerinitiative unterschreiben. Innerhalb von zwölf Monaten müssen diese Unterschriften gesammelt werden. Das ist ja jetzt schon mehrmals erklärt worden. Aber was macht Österreich daraus? – Gleich einmal die ersten Hürden einbauen. Damit das nicht so einfach wird, muss man entweder den Pass oder einen Personalausweis vorweisen. Es genügt nicht ein Lichtbildausweis, wie es zum Beispiel in anderen Ländern der Fall ist. Deutschland etwa verzichtet überhaupt auf die Ausweispflicht. Ich kann also mit einem Lichtbild­ausweis in Österreich zur Nationalratswahl gehen, ich kann zur Wiener Gemeinde­sratswahl gehen, ich kann den Bundeskanzler wählen, ich kann den Landeshauptmann wählen, ich kann also bestimmen, wie künftige Regierungen zusammengesetzt sind (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ – Bundesrat Kneifel: Den Landtag! Den Landes­hauptmann können Sie nicht wählen!), aber bei einer Europäischen Bürgerinitiative, wo ja überhaupt nichts Rechtsverbindliches stattfindet, kann ich das nicht tun. – Das ist einmal der erste Kritikpunkt.

Aber die Bürgerinitiative ist ja auch kein wirkliches Instrument der direkten Demokratie. Denn was passiert denn eigentlich, wenn jetzt diese Million Unterschriften in den sieben Mitgliedstaaten gesammelt worden sind? Die Initiatoren können das der Kommission vorlegen. Sie dürfen eine öffentliche Anhörung haben. Das ist schon besser als nichts, aber der Weisheit letzter Schluss ist es sicherlich auch nicht. Und das war‘s dann aber auch! Es gibt überhaupt keinen Druck, dass Gesetzesinitiativen eingeleitet werden, und es gibt schon überhaupt nicht die Möglichkeit, dass das dann in eine Volksabstimmung übergeleitet wird.

Das haben wir aber in Österreich auch nicht. Da reden wir auch schon seit Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten davon, dass ab einer gewissen Anzahl von Unter­schriften Volksbegehren in Volksabstimmungen verbindlicher Art umgeleitet werden sollten, und die österreichische Regierung tritt dem ja auch nicht näher. Also warum sollte es jetzt eigentlich in der Europäischen Union unbedingt anders sein? Hier wie dort kann man offensichtlich mit der direkten Demokratie, die man ernst meint, nicht wirklich etwas anfangen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich verstehe unter Bürgerbeteiligung schon etwas anderes. Ich glaube schon, dass es wichtig ist, dass das Volk auch mit entscheiden kann – und das betrifft auch Gesetzesinitiativen –, wenn es der Meinung ist, dass die Regierung da auf dem völlig falschen Pfad ist, aber da fehlt Ihnen leider überhaupt der Mut dafür, und das nicht nur in Österreich, sondern eben auch im übrigen Europa.

In Österreich entscheidet die Regierung – übrigens ohne das Parlament befragen zu müssen – über Milliardenbeträge, die wir in das Fass ohne Boden Griechenland schaufeln. Das Parlament hat hier überhaupt nichts mitzureden, geschweige denn die Bevölkerung, die es aber dann zahlen wird, wenn irgendetwas schlagend wird. Die Parlamentarier haben auch keine Möglichkeit, hier darüber zu befinden. Ganz anders übrigens als im Deutschen Bundestag. Der Deutsche Bundestag hat sich nämlich sehr wohl das Recht erstritten, dass er bei den diversen Finanztransaktionen, wohin auch immer innerhalb Europas, mitreden, mit entscheiden und mitbestimmen kann. Das ist in Österreich überhaupt nicht einmal in weiter Sicht, geschweige denn, dass das irgendwo in der Nähe ist. Das heißt also, der Parlamentarismus ist da in gewisser Weise ohnehin ausgeschaltet.

Und die Opposition – das erleben wir ja immer wieder – ist für die Regierung von ÖVP und SPÖ bestenfalls ein lästiges Übel, wenn wir ihnen auf die Finger schauen und


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auch auf die Finger klopfen. Also aus Ihrer Sicht, so hat man immer wieder den Eindruck, wären wir ja verzichtbar.

Und das Volk? – Das hat ja da überhaupt nichts mitzureden, denn die Leute können das alles nicht entscheiden, weil sie sich meistens nicht auskennen. Jetzt kann man sagen, ja, vielleicht ist zum Beispiel die Frage der Finanzkrise und der Wirtschaftskrise, die ja tatsächlich sehr komplex ist, ein Thema, das jetzt nicht jeder in der Bevölkerung fachlich in seiner Komplexität durchschauen kann, aber ich sage Ihnen, Sie durchschauen es auch nicht wirklich. (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben auch kein Rezept, oder wenn Sie ein Rezept haben, dann ist es meistens das falsche.

Die Bevölkerung – das haben viele Volksabstimmungen in anderen Ländern, zum Beispiel in der Schweiz, schon des Öfteren bewiesen –, die hat schon ein ganz gutes Sensorium dafür, was richtig und was falsch ist. Auch in der Schweiz hat es Volks­abstimmungen gegeben, wo es um Steuererhöhungen ging und wo man gemeint hat, dass die Leute dort selbstverständlich reflexartig sagen würden, nein, sicher keine höheren Steuern. Das Gegenteil war der Fall.

Oder ein Beispiel – da weiß ich nicht mehr genau, ob es Dänemark oder Schweden war –, wo es darum gegangen ist, Verkehrsberuhigungen herbeizuführen. Man hat das eingeführt und gesagt, nach einem Jahr des Betriebes machen wir eine verbindliche Volksabstimmung. Wenn die Leute sagen, nein, das wollen wir nicht, dann ist es gefallen, wenn sie es jedoch befürworten, dann bleibt es. Der Widerstand unter der Bevölkerung war zuerst sehr groß, aber im Laufe dieses Jahres, in dem das in Betrieb war, sind die Leute draufgekommen, dass das so schlecht nicht war, und am Ende ist diese Volksabstimmung positiv für die Regierung ausgegangen.

Also frage ich Sie: Wovor fürchten Sie sich eigentlich permanent, dass Sie den Leuten nicht zutrauen, dass sie über Dinge entscheiden können, die im ersten Moment vielleicht so ausschauen, als ob die Menschen damit überfordert wären? Sie können ruhig Vertrauen zu der Bevölkerung haben! Die ist nicht so dumm, wie Sie sie vielleicht haben möchten. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Regierungsparteien weigern sich permanent, eine echte Bürgerbeteiligung zuzu­lassen. Das ist auch bei dieser Bürgerinitiative durchaus so zu sehen. Die Europäische Bürgerinitiative ist durchaus ein Fortschritt, darum stimmen wir auch zu. Dies ist ein Kieselstein der direkten Demokratie und nicht mehr, das gehört ausgebaut und ist ausbaufähig. Jetzt habe ich schon von Kollegen Keuschnigg, aber auch von Kollegen Schennach in zarten Ansätzen vernommen, dass man das vielleicht ausbauen möchte. Aber auf der anderen Seite sage ich, wir kennen so viele Sonntags­reden, in denen so viel angekündigt worden ist, und daraus ist nie etwas geworden. Nie ist es dann zu einem wirklichen Ergebnis gekommen, sodass ich jetzt sage: Die Kunde hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Aber Sie haben ja die Möglichkeit, Ihre Versprechen wenigstens einmal in die Tat umzusetzen. (Bundesrätin Zwazl: Keine Unterstellungen!) Das ist keine Unterstellung, Frau Kollegin Zwazl. (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein!) Das ist leidvolle Erfahrung, keine Unterstellung!

Aber gut, wir sagen, es ist ein Fortschritt in der direkten Demokratie, auch wenn es nach unserem Dafürhalten nur ein ganz kleiner ist. Ich kann Ihnen eines versprechen: Die Freiheitlichen werden da am Ball bleiben und werden schauen, dass das auch wirklich ausgebaut wird in der Form, wie wir uns direkte Demokratie vorstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Kerschbaum. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 45

11.01.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Widerstreit zwischen Kieselstein und Pflänzchen bin ich doch eher für das Pflänzchen, denn Kieselsteine reiben sich nur ab, Pflänzchen aber wachsen. Auch ich würde mich der Meinung anschließen, es ist anzustreben, dass die direkte Demokratie in Europa und in Österreich wachsen soll. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Ich würde mir das wirklich wünschen.

Ich sehe auch die Europäische Bürgerinitiative als ersten Schritt. Es ist kein allzu großer Wurf, und das liegt nicht unbedingt nur an uns. Es ist schon sehr, sehr wichtig, dass wir irgendwann einmal so weit kommen, in Österreich und in der Europäischen Union, dass es dazu führt, wenn eine bestimmte Anzahl von Menschen sagt, das und das wollen wir, und eine Volksbefragung oder ein Volksbegehren organisiert, dass es ab einer gewissen Anzahl von Unterstützungen auch zu einer Abstimmung kommt, und dass man auch entscheiden kann.

Ich meine, wir alle wollen, dass Bürgerinnen und Bürger mehr Interesse zeigen an dem, was wir hier machen und was Politik allgemein betrifft. Da sollte es nicht nur darum gehen, dass man hin und wieder einmal mitreden kann. Es geht eben auch darum, dass man ab und zu, wenn es einem wichtig ist, auch mitentscheiden kann. Das ist natürlich erst der zweite Schritt, und das ist dann der Baum, den wir alle gerne hätten, momentan sind wir beim Pflänzchen oder Kieselstein: Wie gesagt, abreiben will ich ihn nicht, ich glaube, er ist ohnehin schon klein genug.

Wichtig ist uns – vielleicht jetzt auch ein bisschen im Unterschied zur FPÖ bei der Ansicht, wie das mit Volksbefragungen, Bürgerinitiativen und Entscheidungen so sein sollte –, wichtig ist uns, dass es auf der richtigen Ebene stattfindet. Derzeit und auch schon seit Längerem ist es in Österreich so: Bei jedem Windradl gibt es eine Volksentscheidung. Da funktioniert das offensichtlich auf Gemeindeebene.

Auf Bundesebene gibt es hin und wieder einmal ein Volksbegehren, oder an und für sich eigentlich recht viele Volksbegehren, nur geht es dann nicht weiter. Das ist eben unser Problem. Sprich, die Leute formulieren ihre Meinung, unterschreiben, gehen sogar noch auf die Gemeinde, um zu unterschreiben, und weisen sich aus. Irgendwann einmal werden dann die Stimmen der UnterstützerInnen abgezählt, dann versumpert es meistens im parlamentarischen Prozess, und es bleibt meistens leider nicht sehr viel übrig von den Volksbegehren. Es ist einfach wichtig, dass wir das auf öster­reichischer Ebene ändern und eben auch auf europäischer Ebene künftig erweitern.

Wichtig ist auch eine möglichst neutrale Information, keine Frage. Es reicht nicht, wenn die Information für Volksentscheidungen, wenn es sie wirklich einmal intensiver geben sollte, nur den Medien zu entnehmen ist. Es muss eine neutrale Pro- und Kontra-Infor­mation geben, damit jeder Mensch sich eine Meinung bilden kann.

Die Europäische Bürgerinitiative ist jetzt ein erster Schritt. Ein Punkt, der sicher positiv hervorzuheben ist, ist der, dass man in Österreich schon mit 16 Jahren daran teil­nehmen kann. Ich denke auch, dass es großteils um Zukunftsentscheidungen geht und dass gerade da die Jugend gefragt ist.

Ein paar Wermutstropfen wurden im Ausschuss schon angesprochen. Das sind einer­seits die Kosten, die für Initiatoren einer Bürgerinitiative erwachsen, allein schon durch die Implementierung dieses Online-Systems beziehungsweise die ganze Technik rundherum. Leider war es im Ausschuss nicht möglich, uns den Umfang dieser Kosten zu nennen.


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Kollegin Daniela Musiol hat sich im Nationalrat sehr intensiv dafür eingesetzt, dass es eine Kostenübernahme durch den Bund gibt. Das ist offensichtlich nicht möglich. Ich denke, es ist schon ganz, ganz wichtig, dass man auch daran denkt, dass diesen Bürgerinitiativen – also Menschen, die etwas verändern wollen, die einen Punkt ansprechen wollen, die Unterschriften sammeln und sich einbringen – nicht allzu große Hürden gelegt werden, indem sie dann weiß Gott wie viel für eine zentrale Online-Sammelstelle bezahlen müssen, und damit Bürgerinitiativen möglicherweise auch an den Wurzeln gekappt werden.

Ein weiteres kleines Manko – nein, ein kleines Manko ist es eigentlich nicht, es ist doch ein großes Manko – ist die Frage der Ausweiskontrolle. Auch ich verstehe nicht, warum es unbedingt Pass oder Personalausweis sein muss und warum da ein Führerschein nicht reicht. Es ist ja nicht so, dass es um eine Entscheidung geht; Kollegin Mühlwerth hat es schon angesprochen. Im Prinzip ist es eine Meinungsäußerung, und dass ich mich für die Meinungsäußerung schon derart intensiv ausweisen muss, ist meiner Meinung nach eine Frage des Vertrauens oder Misstrauens der Politik gegenüber der Bevölkerung.

Aber obwohl die derzeitige Regelung nicht perfekt ist, ist dies für uns natürlich ein wichtiger Schritt. Direkte Demokratie brauchen wir als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie in Österreich und auf europäischer Ebene. Die Ergänzung zur reprä­sentativen Demokratie – ich würde auch einige Punkte finden, wo diese zu verbessern wäre. Wenn Kollege Keuschnigg zuerst angesprochen hat, dass es traurig oder schade ist, dass wir die regen Diskussionen im EU-Ausschuss fernab der Öffentlichkeit halten, dann finde ich das auch und kann das nur unterstützen. Ich hätte mir immer gewünscht und habe meinem Wunsch auch des Öfteren Ausdruck verliehen, dass wir es hier diskutieren, damit die Öffentlichkeit es auch mitbekommt. Wir engagieren uns, die Diskussionen sind sehr spannend; wir waren wieder einmal in den zwei Stunden nicht fertig, die geplant waren. Ich finde es wirklich schade, dass das nicht öffentlich zugäng­lich ist. Einen kurzen Bericht gibt es zwar, aber schön wäre es, wenn es öffentlich abgehalten würde.

Noch ein kleiner Punkt, ein zukünftiger Punkt zur repräsentativen Demokratie: Die Pläne im Sparpaket, die Parlamente zu reduzieren, sind meiner Ansicht nach einfach ein absoluter Schlag gegen die repräsentative Demokratie. Wir haben hier im Bundesrat sowieso nicht unbedingt die große Minderheitenfreundlichkeit. Aufgrund der Struktur, aufgrund der Zusammensetzung wird es in Bundesländern mit drei Bundesräten wahrscheinlich nicht so schnell eine zweite Oppositionspartei schaffen, irgendwie hereinzukommen. Das Verhältnis ist hier also nicht hundertprozentig abgebildet.

Wenn man jetzt noch zu einer Reduzierung um 10 Prozent kommt, kann man davon ausgehen, dass die Opposition noch einmal weniger wird. Es sitzen dann in den Aus­schüssen und auch hier im Plenum großenteils überhaupt nur noch Regierungs­parteien und in sehr kleinem Ausmaß eine Opposition. Ich denke, Opposition sollte man nicht nur als lästig empfinden. Ich glaube, wir vermitteln hier auch, dass wir sehr gerne konstruktiv mitarbeiten und uns einbringen. Darum würde ich mir wünschen, dass man das ernst nimmt und dass man auch wahrnimmt, dass eine Verantwortung, die die Regierung ja hat, auch eine Kontrolle braucht, die das Parlament übernimmt. An dieser Kontrolle zu sägen, finde ich gerade in Zeiten eines Untersuchungs­aus­schusses, wie er derzeit nebenan läuft, eigentlich einen dramatischen Rückschritt, den man nicht mit einem Sparpaket erklären sollte. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

Kurzum, wir werden der heutigen Vorlage für die Europäische Bürgerinitiative natürlich zustimmen. Wir hoffen, dass die Diskussion über direkte und repräsentative Demo-


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kratie in Österreich und auf europäischer Ebene noch fortgesetzt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

11.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Kurz. – Bitte.

 


11.08.35

Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, gerade in Zeiten, in denen das Interesse an Politik vielerorts abnimmt und in den letzten 20 Jahren die Wahlbeteiligung auch auf Bundesebene stetig gesunken ist, ist es extrem wichtig, Signale in Richtung Offenheit der Demokratie zu setzen, und ist es aus meiner Sicht extrem wichtig, die Möglichkeit zur Teilhabe in vielen Bereichen zu schaffen. Mit der Europäischen Bürgerinitiative setzen wir, glaube ich, einen wichtigen und sehr richtigen Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung und mehr Demokratie auf europäischer Ebene. Ich glaube, besonders positiv ist herauszuheben, dass es da nicht um Einzelinteressen geht. Diese stehen nicht im Vordergrund, sondern es stehen europäische Anliegen, die die Bürger aus mehreren Mitgliedstaaten betreffen, im Vordergrund.

Eine Bürgerinitiative hat zwei Hürden zu überspringen. Zum einen geht es darum, mindestens eine Million Unterschriften zu sammeln, mindestens eine Million Bürge­rinnen und Bürger zu finden, die eine Initiative unterstützen. Zum Zweiten braucht es sieben Mitgliedstaaten, die jeweils auch eine Mindestanzahl erreichen; da ist die Zahl sehr unterschiedlich, von 3 750 Unterstützerinnen oder Unterstützern in Malta bis hin zu über 74 000 in Deutschland. In Österreich müssten mindestens 14 250 gültige Unter­stützungserklärungen gesammelt werden, um als eines von sieben Ländern gezählt zu werden.

Nach erfolgreicher Einbringung einer solchen Unterstützung, nach erfolgreicher Ein­bringung der Bürgerinitiative hat die Kommission drei Möglichkeiten, damit umzu­gehen: Sie kann der Initiative folgen; sie kann Änderungen bei den Gesetzestexten veran­lassen; und falls die Kommission sich entscheidet, der Forderung der Bürger­initiative nicht nachzukommen, dann muss sie zumindest die Gründe dafür öffentlich darlegen.

Ich glaube, auch das schafft mehr Vertrauen und mehr Transparenz auf der euro­päischen Ebene. Ich bin sehr froh darüber, dass nach einer umfassenden Diskussion hier, glaube ich, eine gute Grundlage getroffen worden ist. Ich bin froh darüber, dass Österreich die Europäische Bürgerinitiative unterstützt und ermöglicht, und ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren, auch um Zustimmung ersuchen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.11


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


11.11.25

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die österreichische Rechtsordnung enthält neben dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren auch Einrichtungen der direkten Demokratie wie das Volksbegehren, die Volksbefragung und die Volksabstimmung, mit welchen eine unmittelbare Bürgerbeteiligung bei Gesetzesvorlagen gesichert ist.

Innerhalb der Europäischen Union sieht der Vertrag von Lissabon als vergleichbares Instrument die Europäische Bürgerinitiative, in Kurzform EBI genannt, vor. Unionsbür-


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gerinnen und Unionsbürger einer – unter Anführungszeichen – „erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten“ können mit einer solchen Initiative die Europäische Kommission auffordern, geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach ihrer Ansicht eines Rechtsaktes der Union bedarf.

Damit österreichische Behörden bei der Administrierung einer Europäischen Bürger­initiative tätig werden können, ist eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes erforderlich. Durch das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz, EBIG, und das EBIG-Einführungsgesetz wird nunmehr die gesetzliche Grundlage zur innerstaatlichen Um­setzung dieser im Vertrag von Lissabon verankerten Europäischen Bürgerinitiative geschaffen.

Die Möglichkeit, grenzüberschreitend eine Europäische Bürgerinitiative einzubringen, erscheint mir als wichtige und richtige Maßnahme zur direkten Demokratie innerhalb der Europäischen Union.

Um die Europäische Kommission zu veranlassen, in einem bestimmten Politikbereich aktiv zu werden, sind mindestens – das ist jetzt schon sehr oft erwähnt worden – eine Million Unterschriften in sieben Mitgliedstaaten notwendig. Dass jede Initiative in min­destens sieben Staaten unterstützt werden muss, verhindert, dass ein einzelner großer Staat die kleinen Länder überstimmen kann. Für die einzelnen Staaten gelten unter­schiedliche Mindestzahlen von Unterstützungserklärungen. In Österreich – das wurde auch schon erwähnt – liegt die Schwelle bei 14 250.

Durch das Recht auf Anhörung beim Europäischen Parlament wird das Vertrauen in die Europäische Union und in die Politik generell gestärkt. Erstmals wird europaweit – das ist meine Sichtweise – für die Bevölkerung die Möglichkeit eröffnet, sich an einem demokratischen Prozess zu beteiligen.

Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten:

Erstens: Das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz, EBIG, wird in der Bundesverfas­sung verankert.

Zweitens: Die innerstaatliche Umsetzung erfolgt durch das EBIG-Einführungsgesetz. Zuständig sind die Wahlbehörden, wobei auch die elektronische Sammlung von Unterstützungsbekundungen möglich sein soll.

Drittens: Die Einfügung dieser neuen Gesetzesmaterie bedingt die Novellierung der die Durchführung von Wahlereignissen betreffenden Bundes-Verfassungsgesetz-Bestim­mungen, somit zahlreiche Anpassungen betreffend das Wahlrecht im Bundes-Verfas­sungsgesetz und damit in den einschlägigen Wahlgesetzen und anderen Rechts­vorschriften.

Viertens: Dieses Gesetzeswerk wurde im Nationalrat, wie wir gehört haben, und auch im Ausschuss des Bundesrates ausführlich diskutiert und beschlossen. Ob es sich hiebei um einen Meilenstein oder nur um einen ersten Schritt in Richtung mehr Demokratie auf EU-Ebene handelt, wird man sehen. Erst die Praxis wird zeigen, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet. Eine Evaluierung durch die EU ist jedenfalls in drei Jahren vorgesehen.

Ich schlage daher vor – von unserer Fraktion aus –, der Bundesrat möge dem vorlie­genden Gesetzesbeschluss zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Kneifel. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 49

11.16.40

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich finde es ungeheuer spannend, dass wir uns in fast jeder Sitzung mit dem Thema Europa zu beschäftigen haben und dass uns das immer in Atem hält. Europa ist eine ständige, eine permanente Baustelle!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer hätte denn vor 25 Jahren darauf gewettet, dass der Eiserne Vorhang fällt? Wer hätte darauf gewettet, dass die Grenz­kontrollen in Europa fallen? Wer hätte darauf gewettet, dass es eine gesamt­euro­päische Währung, den Euro, gibt? – Wir wären nicht glaubwürdig gewesen, und kaum jemand hätte uns etwas dafür gegeben, wenn wir diese Wetten abgeschlossen hätten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als Student über die Grenze gefahren bin – Oberösterreich/Tschechien in Wullowitz – und in unserem Auto, dem Auto meines Vaters, mit langen Nadeln die Sitze durch­stochen wurden, um zu schauen und zu kontrollieren, ob keine Menschen von einer Seite der Grenze auf die andere geschmuggelt werden. Die Autositze sind durch­stochen worden, Kollege Kraml wird das bestätigen können.

Wir haben in Europa in den letzten Jahren gemeinsam mit der Europäischen Union so vieles erreicht! Ein weiterer persönlicher Eindruck noch, den ich habe: Ich bin als Zwanzigjähriger einberufen worden, als gerade die Tschechen-Krise im Gang war. Ich bin damals mit österreichischen Panzern an die Nordgrenze beordert worden, mit meiner Kompanie. Wir haben Gott sei Dank keine Schüsse gehört, aber die War­schauer-Pakt-Panzerketten haben wir durch den Wald gehört!

Ich muss daher sagen: Wenn heute Leute aufstehen und raunzen und jammern und dieses Europa in ein schiefes Eck stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann verstehe ich das nicht, dann verstehe ich das einfach nicht (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez), dann geht das nicht in meinen Kopf hinein!

Freilich ist Europa ein ständiger Verbesserungsprozess. Wir bauen am gemeinsamen Haus Europa! Derzeit hat es 27 Zimmer, die 27 Mitgliedstaaten, und in wenigen Monaten werden es zusammen mit Kroatien 28 sein. Wir sind gefordert, immer wieder Hand anzulegen, es zu verbessern, vom Keller über das Stiegenhaus bis in die Wohnungen, bis in den Dachboden hinauf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Europa blüht und gedeiht! Manche sagen, sie haben Angst vor der Euro-Entwicklung. Wissen Sie, wovor ich Angst habe? – Wenn wir jetzt noch den Schilling hätten, da hätte ich Angst. Wenn wir eine Währung für 8,5 Millionen Menschen hätten, da hätte ich Angst. Wir haben eine Währung für 330 Mil­lionen Menschen, und dem zollen auch die anderen Kontinente und die anderen Länder Respekt! Da können wir ganz anders auftreten. Was wären wir mit dem Schilling in einer weltweiten Spekulationskrise und in Spekulations­machi­na­tionen? – Da wären wir auf verlorenem Posten. Gott sei Dank haben wir den Euro!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss sagen, Europa kostet natürlich Geld. Auch diese Europäische Bürgerinitiative kostet Geld, selbstverständlich. Demo­kratie kostet Geld, das ist doch selbstverständlich! Wenn immer gesagt wird, das alles kostet so viel Geld: Wir leben seit 67 Jahren in einer friedvollen Gemeinschaft in Europa – seit 67 Jahren, das hat es in der ganzen Geschichte dieses Kontinents noch nicht gegeben!

Mich hat jemand in einer Versammlung gefragt: Was reden Sie da dauernd von Europa und von den Kosten der Europäischen Union? – Dem habe ich dann gesagt: Haben


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 50

Sie sich schon einmal gefragt, was die Kosten des Zweiten Weltkrieges waren? Was waren die Kosten des Zweiten Weltkrieges? – Das wäre die Alternative!

Wir haben wirklich eine gute und tolle europäische Entwicklung hinter uns! Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten auch einmal sagen, dass das keine Selbst­verständlichkeit ist, dass das eine tolle Leistung, eine staatsmännische Leistung, eine politische Leistung ist – nicht von uns, sondern von denen, die vor uns gewirkt haben. Und wir sind gefordert und aufgerufen, das weiterzuentwickeln: ein Europa in Frieden, ein Europa in Freiheit und ein Europa in Demokratie!

Dazu gehört auch diese Europäische Bürgerinitiative. Das ist ein weiterer Baustein für dieses gemeinsame Haus Europa. Da sollten wir uns freuen, dass es wieder eine Etappe weiter geht.

Wir sollten eigentlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir auf diese Entwicklung in Europa zurückblicken, dankbar sein. Das ist keine Selbstverständ­lich­keit, das passiert nicht. Da muss man sich einsetzen, da muss man die Chancen wahrnehmen, da muss man bei diesem Aufbau mittun!

Ja, man kann natürlich sagen: Die Volksabstimmung wäre noch besser. Das ist die nächste Etappe. Stellen Sie sich vor, Europa, dieses Haus, wäre fix und fertig – dann hätten wir nichts mehr zu tun, dann wären wir alle überflüssig!

Also: Wir werden weiterarbeiten! Wir werden weiterarbeiten an diesem gemeinsamen Europa. Diese Initiative ist ein Schritt zu mehr Bürgernähe, zu mehr Mitbestimmung, zu mehr Chancen, insbesondere für die jungen Menschen, die auf eine weitere friedliche und demokratische Entwicklung in Europa hoffen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich darf nun die Frau Bundesministerin für Inneres herzlich bei uns hier im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen, Frau Ministerin! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


11.23.35

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist das erste Mal, dass die Europäische Union mit diesem Gesetz ein Instrument der direkten Demokratie installiert. Man sollte sich darüber freuen, und das tun wir auch. Wir bejubeln das aber nicht so wie mein Vorredner, sondern wir freuen uns, und unsere Freude ist etwas zurückhaltender, weil es natürlich auch Dinge gibt, die man hier kritisieren muss und die man auch aufzeigen muss.

Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist nur ein sehr kleiner Schritt, denn wie schaut es, bitte sehr, tatsächlich aus? – Bis dato ist ja dieser Bürokratieapparat Europäische Union in Wirklichkeit sehr undemokratisch. Das darf man so sagen, wenn ich daran denke oder wenn ich das aufzähle: Bei der Wahl des Präsidenten der Europäischen Union, der schließlich auch die Leitlinien der Kommissionsarbeit vorgibt, haben die Bürger keine Mitsprache. Wo bleibt die Mitsprache bei der Wahl des Präsidenten des Europäischen Rats, der ja im Übrigen auch selbst kein Stimmrecht hat?

Die Bürger haben auch bei Fragen im Bereich der Bürokratie nicht die Möglichkeit, mitzusprechen. Sie haben beispielsweise dann, wenn es darum geht, Bürgerrechte zu beschneiden, nicht die Möglichkeit, zu sagen: Halt, bis hierher und nicht weiter! Beispiel ACTA-Abkommen, das jetzt als ganz brisant in Erinnerung ist. Beispiel


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 51

INDECT-Forschungsprojekt, wo es um die Überwachung der Menschen geht. Beispiel SWIFT-Abkommen, Austausch der Bankdaten.

Kollege Gottfried Kneifel, du hast gesagt, Europa blüht und gedeiht. (Bundesrat Kneifel: Ja!) Bis zu einem gewissen Teil, denn eines ist auch klar: Dieses Friedens­projekt Europa, das immer genannt wird – ich brauche mir nur anzuschauen, wie es in den großen Städten in Europa ausschaut: Die Leute gehen auf die Straße, die Autos brennen, es gibt Tote und Verletzte; London, Paris, Madrid, von Athen rede ich jetzt gar nicht. Da gibt es also schon noch sehr viel zu tun, und es ist nicht alles schön in dieser Europäischen Union! Man darf hier nicht alles schönreden. (Bundesrat Kneifel: In manchen Ländern dürfen sie gar nicht auf die Straße gehen, ja!)

Es braucht einfach mehr direkte Demokratie. – Die Autos brennen, bitte, in diesem Europa in den großen Städten, und das sollte uns zu denken geben, weil damit der soziale Friede in Gefahr gerät. Darüber muss man nachdenken, und es muss auch erlaubt sein, daran Kritik zu üben.

Warum braucht es jetzt dieses Mehr an direkter Demokratie? – In Wirklichkeit schaut es ja so aus, und das erleben wir jeden Tag: Da gibt es ein Problem, Frau Bundes­kanzler Merkel ruft den Herrn Präsidenten Sarkozy an; sie treffen sich dann im Élysée-Palast oder im Bundeskanzleramt, halten ein kleines Plauscherl, am nächsten Tag erfährt die Öffentlichkeit, was dort ausgemacht wurde, und das gilt dann! Das einzig wirklich demokratische Instrument der Europäischen Union, nämlich das Parlament, die Abgeordneten, wird dabei ständig außen vor gelassen.

Da läuft also etwas falsch, hier muss man eingreifen und ansetzen! Hier muss man auch diese Probleme aufzeigen und diskutieren, denn wenn man will, dass dieses Europa wirklich weiter zusammenwächst, wenn man will, dass der soziale Friede gewahrt bleibt, dann braucht es einfach mehr Mitbestimmung der Menschen in Europa. Es braucht mehr Mitsprache, es braucht vor allem auch eine Politik, die die Menschen verstehen, und es braucht mehr direkte Demokratie! (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Instrument, das wir hier beschließen, ist sicherlich eine gute Sache, ohne Zweifel. Aber es ist nur ein ganz kleiner Schritt auf einem noch sehr, sehr weiten Weg. Hier muss einfach noch viel, viel mehr getan werden. Es ist schon die Volksabstim­mung angesprochen worden, auch diese Möglichkeit sollte es geben. Auch dahin muss der Weg führen, wenn dieses Europa künftig wirklich stark sein will. Aber es muss weg von einem Zentralismus, und es muss weg von diesen undemokratischen Ent­scheidungs­findungen. Man muss die Bevölkerung mehr einbauen.

Dieses Gesetz ist ein guter Vorschlag. Wir sind hier auf einem richtigen Weg, daher stimmen wir auch zu. Aber unsere Kritik bleibt, was andere Dinge betrifft. Im Hinblick darauf, dass dieses Demokratiedefizit zu beseitigen ist, bleibt unsere Kritik sicherlich aufrecht. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


11.28.14

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Brückl, das war jetzt nicht nur ein Bejubeln, sondern von meinem Fraktionsobmann ein Manifest für die EU! Ich denke, das ist auch dementsprechend rübergekommen. Ich tue mir jetzt natürlich schwer, hier irgendwie anzuschließen. Aber es gibt natürlich schon ein paar Dinge, die bei euch Freiheitlichen noch irgendwo im Kanal hängen, um


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das jetzt einfach zu formulieren. (Bundesrätin Mühlwerth: ... alles, was die EU macht! Ihr seht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit! – Weitere Zwischenrufe.)

Ihr tut euch wirklich schwer mit der Zustimmung, und diese Argumente sind zum Teil natürlich auch hanebüchen. Das muss ich euch sagen. Wenn wir diesen Lissabon-Vertrag nicht hätten, würden wir heute mit abgesägten Hosen hier stehen, und da gäbe es überhaupt nichts in diese Richtung. (Bundesrätin Mühlwerth: Warum ist denn ...?) Der Lissabon-Vertrag ist nun einmal die Lex specialis, das Spezialgesetz, das uns ermöglicht, auch diese Bürgerinitiative umzusetzen. Natürlich ist es dann wirklich eigenartig, den Lissabon-Vertrag zu verteufeln, dabei aber die Bürgerinitiative hier groß herauszustellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Du hast wieder einmal nicht zugehört!)

Frau Kollegin Mühlwerth! Da seid ihr natürlich schon auf dem berühmten zweiten Platz, wie immer. Das muss ich euch in aller Deutlichkeit sagen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Man kann ja nur rätseln, was es für politische Hintergründe gibt, was für ein Kalkül es gibt – schlussendlich warten wir dann darauf –, dass ihr jetzt zustimmt. (Ruf bei der FPÖ: ... kein Kalkül dahinter!) Denn mit eurer Idee, jetzt überhaupt nur auf der Direkte-Demokratie-Welle zu sein oder zu sitzen, ist das schon ein bisschen einfach formuliert. Wahrscheinlich werden sich jetzt die Freiheitlichen auch umbenennen in „Die direkten Demokraten“ oder irgendetwas anderes in dieser Richtung. Da seid ihr ja relativ einfach unterwegs. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Es geht heute auch nicht – Frau Kollegin Mühlwerth, das muss ich jetzt noch einmal betonen – um eine Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise, sondern es geht heute um dieses wirklich wichtige Element der europäischen Demokratie, eine Ausweitung der europäischen Demokratie, diese Bürgerinitiative, und das gehört einfach in den Vordergrund gestellt. Herr Kollege Kneifel hat euch eindeutig, wirklich eindeutig erklärt, was für einen großen Stellenwert die EU hat, was alles möglich geworden ist in dieser Europäischen Union. Da seid ihr natürlich nur Trittbrettfahrer, weil es immer wieder Kritik gibt, die falsch und unangebracht ist! In dieser Art und Weise kann man eben auch nicht Politik machen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mitterer: Der Wähler denkt anders! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich schätze und begrüße es ja sehr, dass ihr heute mitmacht, weil es für euch wirklich schwer ist, über den Schatten zu springen und euch hier einzubringen. Wenn man auch betrachtet, was für eine Qualität wir im EU-Ausschuss haben – das hast du richtig gesagt, Frau Kollegin Mühlwerth: Da bringt ihr euch ein, da arbeitet ihr aktiv mit. Ihr stimmt zwar selten mit (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja nicht wahr!), aber wenn es um einige wesentliche Dinge geht, dann seid ihr natürlich mit dabei. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte jetzt einfach diese Wasserrichtlinie erwähnen, die wir im letzten EU-Ausschuss diskutiert haben: wie wichtig es ist, dass sich auch die Länder einbringen. Erstmals hat ein Land – Niederösterreich – hier beantragt, dass wir sozusagen eine Subsidiaritätsrüge machen, dass wir eine begründete Stellungnahme machen. Das wurde wirklich sehr intensiv diskutiert. Wir haben diesen Tagesordnungspunkt leider vertagen müssen, aber wir werden weiter an diesem Punkt arbeiten.

Ich denke, es ist auch wichtig, dass sich die Länder in diese Diskussion aktiv mit einbringen. Das macht erst der Lissabon-Vertrag möglich. Ein Teil davon ist heute eben hier in Diskussion, und das ist die Bürgerinitiative. Das muss man anerkennen, und hier müssen wir einfach zum Thema stehen, Frau Kollegin Mühlwerth. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Meine Fraktion bejubelt das nicht nur, sondern wir bejahen das. Wir machen als euro­päische Demokraten – und so bezeichnet sich die Volkspartei auch – hier wirklich mit,


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 53

weil es eine wichtige Maßnahme ist, um das Interesse und das Vertrauen der Bürger in die Europäische Union zu stärken und damit auch entsprechend zu fördern.

Ich brauche hier nicht zu erwähnen, was für Zugangskriterien es gibt, wie viele Stimmen nötig sind, wie viele Länder mitmachen müssen. Es ist in ähnlicher Form so etwas wie das Volksbegehren, das wir in Österreich kennen, und es ist eine soge­nannte dritte Säule im europäischen Demokratieprozess, wie Kollege Schennach gesagt hat.

Für mich ist auch noch besonders wichtig, dass man diesen Entschließungsantrag erwähnt, der im Verfassungsausschuss des Nationalrates gefallen ist. Das heißt auch, dass man sich mit einem zentralen Online-System befasst, einer einheitlichen Rege­lung für die Abgabe von Unterstützungserklärungen, dass wir eine einheitliche Regelung für einen Identitätsnachweis haben.

Frau Kollegin Mühlwerth, den Pass müssen Sie mir noch zeigen – den werde ich auch beantragen –, mit dem man den Bundeskanzler und den Landeshauptmann direkt wählen kann; den besorge ich mir auch. Das war sozusagen schon ein Freud’scher! Da bin ich gerne bereit, den auch mit zu bezahlen. (Bundesrätin Mühlwerth: ... nicht gesagt!)

Dann geht es auch noch um einen einheitlichen Anspruch auf einen Kostenersatz für die Organisation von Bürgerinitiativen. Ich denke, das ist auch wichtig, weil es insgesamt zur Verwaltungsvereinfachung und zum Bürgerservice in der EU beiträgt.

Ich denke, es ist ein guter Beginn. Ob Pflänzchen oder Steinchen, oder wie auch immer das genannt werden soll, ist mir schlussendlich Powidl, wie man auf gut Wienerisch sagt. Es ist eine dritte Säule, ein Ausbau der europäischen Demokratie, und damit ist meine Fraktion natürlich sehr einverstanden. Wir stimmen dem Ganzen sehr, sehr gerne zu! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.34


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


11.34.26

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Nach dem Redebeitrag des Kollegen Brückl habe ich mich einfach auch zu Wort melden müssen. Mit einem hat er auf jeden Fall recht: Diese Union, die sich da zwischen Sarkozy und Merkel anbahnt, ist wirklich zu kritisieren. Das ist nicht in Ordnung, da bin ich vollkommen bei dir, geschätzter Kollege.

Wo ich überhaupt nicht deiner Meinung bin, ist: Wenn du dich hierher stellst und behauptest, dass es Konflikte, bürgerkriegsähnliche Zustände in gewissen Mitglieds­ländern der EU gibt – dann hat das seinen Grund darin, dass wir jahrzehntelang, jahrelang eine Union der Wirtschaft hatten, der Fokus viel mehr auf Finanz und Wirtschaft gelegt worden ist und der soziale Aspekt viel zu sehr außer Acht gelassen worden ist. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dass dieses Ungleich­gewicht dann zu Konflikten führt, liegt auch ganz klar auf der Hand, und das sehen wir in diesen Ländern.

Aber eines möchte ich hier ganz deutlich unterstreichen: Niemand, auch keine Partei und kein Land, braucht zu glauben, dass bei den Herausforderungen, mit denen wir alle konfrontiert sind – sei es im Umweltbereich, sei es in der Wirtschaftskrise, sei es im Finanzbereich, sei es auch in der grenzüberschreitenden Migration und im Asyl­wesen –, ein Nationalstaat diese Problematik für sich allein lösen kann. Das ist eine Illusion! Da sollte man dieses kleinkarierte, nationalstaatliche Denken wirklich hintan-


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stellen. Da braucht es einen Schulterschluss, und die Probleme können wir nur gemeinsam lösen.

Ein weiterer Punkt ist – das finde ich schon sehr interessant, und, wertes Haus, sehr geehrte Frau Präsidentin, verzeihen Sie diesen Ausdruck –: Verarschen können wir uns wirklich selber, dazu brauchen wir keine Freiheitlichen! Wenn Sie sich hierher stellen und behaupten, dass kriegsähnliche Zustände, bürgerkriegsähnliche Zustände und Konflikte in diesen Ländern herrschen und dass das ganz arg und menschen­verachtend ist: Ja, ich stimme mit Ihnen überein. (Bundesrätin Mühlwerth: Was jetzt?) Aber Ihre Partei besucht die Wahnsinnigen, die Diktatoren dieser Erde, die ihre eigenen Leute unterdrücken – Kadyrow, Gaddafi, Saddam Hussein –, und dann stellt ihr euch hierher (Bundesrat Brückl: Saddam Hussein nicht ...!) und kritisiert die europäischen Länder. Also bitte! Wirklich nicht! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Lassen wir die Moschee im Dorf, oder auch die Kirche! Die Probleme, die es gibt, kön­nen wir nur gemeinsam lösen, und dieses nationalstaatliche Denken ist eines der größten Hindernisse. Nicht die Finanzkrise, sondern dieses Aufkeimen in den Staaten, wo Rechtsextremisten, wo Nationalisten immer mehr Zulauf und Aufwind bekommen, das ist die eigentliche Gefahr für die Europäische Union und für den Friedensgeist! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dem können wir nur gemeinsam entgegentreten. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.38.322. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Polizeikooperationsgesetz und das Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden (SPG-Novelle 2011) (1520 d.B. und 1657 d.B. sowie 8665/BR d.B. und 8671/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (1388 d.B. und 1658 d.B. sowie 8672/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 2 und 3 ist Herr Bundesrat Kainz. – Ich bitte um die


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 55

Berichte.

 


11.39.03

Berichterstatter Christoph Kainz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Polizeikooperationsgesetz und das Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich darf daher gleich den Antrag stellen, dass gegen diesen Vorlagenbeschluss des Nationalrates kein Einspruch erhoben wird.

Ich darf weiter berichten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusam­menarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten. Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich darf gleich zur Antragstellung kom­men.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung und Vorlage am 13. März 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates ebenfalls keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Ertl. – Bitte.

 


11.40.11

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Aus dem Innenministerium ist zu vernehmen, die Änderung des SPG, des Sicherheitspolizeigesetzes, sei oberstes Ziel in Bezug auf die Sicherheit der Bürger. Das glaube ich auch. Was ich aber nicht glaube, ist, dass dieses Ziel ohneweiters erreicht werden kann, und schon gar nicht mit diesen Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz.

Die Kriminalität und der Terrorismus haben sich geändert. Die eingesetzten techni­schen Mittel zur Verbrechensbekämpfung müssen ständig angepasst und erneuert werden, denn Fakt ist, die grundlegenden Ziele und Absichten von Verbrechern und Terroristen haben sich nicht geändert. Fakt ist aber auch, dass die technischen Mittel mittlerweile jedem Bürger und sogar unseren Kindern frei zugänglich sind.

Über technisch leicht machbare Instrumentarien kann man jeden angemeldeten PC, jedes iPhone, jedes Handy abhören, kontrollieren und die Inhalte speichern. Was man allerdings nur schwer kann, ist, nicht angemeldete Kommunikationstechnik abzuhören und auf deren Daten zuzugreifen. Man kann natürlich davon ausgehen, dass all diejenigen, die Verbrechen in unserem Land planen, auch vorhaben werden, Geräte zu nutzen, die nicht in Österreich gemeldet oder zugelassen sind, und diese kann man dann nur durch Zufall oder durch Verrat aufspüren. So bleiben in Österreich nur ein Fischen im Trüben und die Hoffnung übrig, dass man Glück hat.

Was nun die Aktivitäten dieser ekelhaften Kinderschänder betrifft, so wissen wir längst schon, dass der größte Teil solcher Verbrechen hauptsächlich im Umfeld der betrof­fenen Familien abläuft. Diese Täter hinterlassen praktisch keine Spuren in öffentlichen Kommunikationsmedien, und allfällige Mitwisser schweigen sich in der Regel auch aus. Für die Eindämmung solcher abscheulichen Untaten, die im verborgenen Dunstkreis vom lieben Onkel und ähnlichem Geschmeiß ablaufen, braucht es andere Instrumen­tarien. Da helfen keine Lauschangriffe und Überwachungen, da wäre intensive Auf-


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klärung durch Eltern und Pädagogen und der Kinder selbst dringend gefragt, zum Beispiel mit zielgerichteten Broschüren. Diese Menschen muss man lehren, wie man die typischen Verhaltensschemata erkennt, welche Missbrauchsopfer an den Tag legen.

International agierende Produzenten von Kinderpornographie oder gar von Snuff-Videos wird man in Österreich wohl kaum finden. Die sitzen in Drittländern, wo sie ihre unselige Tätigkeit fast ungehindert ausüben können. User in Österreich, welche sich diesen Dreck herunterladen, wurden ja in letzter Zeit fast ausschließlich von aus­ländischen Polizeiorganisationen aufgedeckt.

Es stellt sich ohnehin die Frage, auf welche Fakten und Erkenntnisse sich diese Ände­rungen im Sicherheitspolizeigesetz grundsätzlich stützen. Selbst mir als Exekutiv­beamten sind keinerlei Untersuchungen oder daraus resultierende Prognosen bekannt, welche diese Änderungen rechtfertigen würden. Was erwarten sich denn die Antrag­steller eigentlich von diesen Änderungen und Neueinführungen? Dass man plötzlich jede Menge Schläfer-Zellen ausheben wird? Oder dass wir die Kapazunder der großen Kinderpornographie hier bei uns dingfest machen werden?

Das oder Ähnliches wird sicher nicht passieren. Was passieren wird, werden jede Menge Rechtsbeugungen, werden jede Menge Persönlichkeitsrechtsverletzungen sein. Was passieren wird, werden jede Menge Vernaderungsaktionen durch missliebige Nachbarn und verfeindete Jugendliche sein, denn es ist nichts leichter, als in einen Internet-Blog manipulierte Parolen einzuschmuggeln. Damit wird sich der Herr Sicherheitsbeauftragte wohl oder übel herumschlagen müssen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gegen Verbrechen hat die Politik, die ja insbesondere in die Verbrechen der Korruption sehr stark involviert ist, keine Chance. Daher wird gegen das eigene Volk vorge­gangen. Was dann mit Sicherheit passieren wird, wird Rechtsunsicherheit für viele unbescholtene Bürger sein, wachsende Ablehnung und permanentes Misstrauen in der Bevölkerung. Ob das dann das Ziel, das oberste Ziel der Innenministerin sein wird, wird sich zeigen.

Eine Frage wird auch sein, wer das alles wie finanzieren wird. Frau Bundesminister für Finanzen Maria Fekter sagte zwar in der Bundesratssitzung vom 2. Feber 2012 – ich zitiere –, „wir haben einen sehr hohen Wohlstand“, ich weiß aber nicht, wen sie mit „wir“ gemeint hat. Sicher sich selbst und ein paar privilegierte Bürger, denn Fakt ist, dass wir – und damit meine ich das Innenministerium – keinen hohen Wohlstand haben. Daher ist die Frage der Finanzierung vermutlich noch nicht einmal erörtert worden.

Jede Auskunft von Telefonfirmenbetreibern kostet immens viel Geld. Wir werden zwar nicht wissen, wer ausspioniert wird, aber anhand des Budgets werden wir merken, dass es sehr, sehr viele sein werden. Und woher kommt das nötige Fachpersonal? – Das ist auch noch ungeklärt, ganz zu schweigen von dem sicher nicht billigen technischen Equipment für dieses Abenteuer in der Massenüberwachung unbeschol­tener Bürger.

Eine erfolgreiche Umsetzung der Ausspionierung, Speicherung und Auswertung unend­licher Terabyte von Daten erscheint mir unter den vorgegebenen Umständen schlicht unmöglich. Eine lückenlose Auswertung würde diesen meiner Meinung nach sinnlosen Mega-Aufwand sofort ad absurdum führen. Und welch unkontrollierbarem Datenmissbrauch dieses Gesetz Tür und Tor öffnen wird, will ich mir gar nicht erst ausmalen. Der Bürgermeister von Gleisdorf hat ja schon vorgezeigt, wie es geht, wie es funktionieren kann.


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Was ich aber abschließend noch bemerkenswert finde: ACTA haben wir zu den Akten gelegt, wir bilden nun in Eigenregie ein österreichisches ACTA. Das ist mehr als aufschlussreich. Diese SPG-Änderung erinnert mich an einen Überwachungsstaat, von dem wir angenommen haben: Das gibt es bei uns nicht und wird es nie bei uns geben. Aber mittlerweile gibt es einfachste technische Mittel für eine lückenlose Personen­überwachung. Es müssen nur die Gesetze mit sogenannten Gummiparagraphen angepasst werden, damit auch alles gesetzmäßig wird.

Diese Änderung, die Sie hier und heute beschließen werden, ist kein Anti-Terrorpaket, das ist ein Anti-Volkspaket! Wir werden daher diesem Gesetz, dieser Änderung nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Perhab. – Bitte.

 


11.49.03

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle­gen! Kollege Ertl als erster Sprecher der FPÖ ist natürlich wieder in den Trott hinein verfallen, den die FPÖ bei Novellen zum Sicherheitspolizeigesetz hier immer von sich gibt (Bundesrätin Mühlwerth: Es stimmt ja auch!): Es ist immer zu wenig Personal, zu wenig Finanzierung!

Herr Kollege Ertl, ich darf dich schon darauf aufmerksam machen: Wenn wir in der Vergangenheit hier im Parlament immer auf dieser Linie entschieden hätten, dann wäre es nicht möglich gewesen, dass zum Beispiel heute in den Medien steht, dass es der Kriminalpolizei, den Sicherheitsbehörden gelungen ist, eine weit über Österreich hinaus wirkende Juwelierüberfallsorganisation aufzudecken, mittels DNA-Spuren, Überführung durch DNA-Analysen.

Ich denke zurück: Als wir diese Beschlüsse gefasst haben (Zwischenruf des Bun­desrates Ertl), hat es vonseiten der Grünen auch geheißen: Eingriff in die Persön­lichkeitsrechte, Gefährdung der persönlichen Freiheit, und vieles mehr. Wenn wir diese Methoden heute der Polizei zur Verfügung stellen, müsstest das du als aktiver Polizist ja zu schätzen wissen. Die modernsten und effizientesten Methoden der Polizei zur Verfügung zu stellen (Zwischenrufe bei der FPÖ), um heute in der Verbrechens­bekämpfung en vogue zu sein, ist doch, glaube ich, das Wichtigste, das wir der Polizei schuldig sind! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich denke, wir liegen mit dieser Sicherheitspolizeigesetz-Novelle – seit 2006 ist es die zweite – richtig, weil sich das internationale Kriminalitätsumfeld natürlich permanent ändert. Ich möchte nicht auf diese Tragik in Norwegen hinweisen, aber es gibt heute in unserer Gesellschaft auch in Europa radikalisierte Einzeltäter, nicht nur im Fernen Osten. Es gibt sie bei uns anscheinend auch, und wir müssen hier natürlich mit der erweiterten Gefahrenerforschung die Methode ändern, wie man frühzeitig auf diese Menschen aufmerksam gemacht wird. Ich glaube, das erfolgt mit dieser Novelle sehr eindrücklich und, so hoffe ich für die zukünftige Entwicklung in Europa, auch effizient.

Von den Grünen wird ja Herr Kollege Schreuder nach mir sprechen. Natürlich sind auch die Grünen wieder dagegen. Drei Mal dürfen wir raten, warum: Weil in der Novelle drinsteht (Bundesrat Schreuder: Das erkläre ich dann schon noch! Das brauchen nicht Sie zu tun!), dass eine Verwaltungsstrafe gegen Hausbesetzer ausge­sprochen wird. Ja, das ist überhaupt der größte Skandal: Wenn man illegal Häuser besetzt, dann darf man nicht einmal eine Verwaltungsstrafe vorsehen. – Vielen Dank! Die Polizei wird sich bei Ihnen bedanken, und die österreichische Gesellschaft bedankt


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sich bei Ihnen in der Beziehung auch sehr dafür (neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Schreuder), dass Sie vor allem das Unrechtsbewusstsein fördern, indem Sie hier dagegen stimmen und nicht der Gerechtigkeit den Vortritt lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Bundesministerin, Sie haben in dieser Novelle dafür gesorgt, dass mit dem Institut des Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium, der weisungsfrei und ungebunden ist, der die volle Dienstleistungsorganisation im Innenministerium zur Verfügung hat, darauf geachtet wird, dass hier in Zukunft kein Missbrauch stattfinden wird. Denken wir nur an die Einführung des Lauschangriffes seinerzeit zurück! Schauen Sie in die Kriminalstatistik hinein: Wie viele Lauschangriffe hat es 2010 gegeben? – Zwei; wenn man alles zusammenzählt, fünf. Auch damals gab es die Diskussion: Lauschangriff, das wird die österreichische Gesellschaft zerreißen, denn jeder Zweite wird Opfer eines Lauschangriffes werden! – Nichts davon, die Realität hat uns eines Besseren belehrt.

Abschließend vielleicht Folgendes, meine Damen und Herren: Wir werden uns ent­scheiden. Wir von der ÖVP werden dieser Novelle natürlich zustimmen, weil es uns wichtig ist, dass wir der Polizei und den Sicherheitsbehörden jene Mittel zur Verfügung stellen, die die Sicherheit in Österreich erhöhen, sodass sich die österreichische Bevölkerung in Zukunft in Sicherheit wiegen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.53.08

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Kollege, es ist mir ganz neu, dass es jetzt schon Prophezeiungen darüber gibt, welche Reden nachher folgen und welche Inhalte nachher vermittelt werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich darf Ihnen einen Tipp geben: Hören Sie einfach zu! Das ist immer noch das Beste, statt zu raten, was jemand sagen könnte.

Sie haben allerdings – und dafür bin ich Ihnen dankbar – das Beispiel Norwegen genannt. Was ist der Unterschied in der Reaktion der Politik auf die schrecklichen Attentate des Breivik in Norwegen? – Der norwegische Ministerpräsident tritt vor die Presse und sagt: Nein, wir lassen den Terrorismus nicht gewinnen, wir stehen zu Freiheit und Bürgerrechten, denn wenn wir die aushöhlen, dann hat der Terrorismus gewonnen.

Und wie reagiert Österreich? – Es kann nicht genug noch schärfere Maßnahmen geben, die die Bürgerrechte aushöhlen! Das ist das, was wir heute mit dem Sicher­heitspolizeigesetz beschließen, und deswegen lehnen wir es ab. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben vollkommen zu Recht gesagt: Natürlich müssen wir der Polizei technische Mittel zur Verfügung stellen. Das sagen wir ja auch – aber doch nicht ohne richterliche Genehmigung!

Es treten wohl nicht zufällig am 1. April – und das ist leider kein Aprilscherz – dieses Gesetz und die Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Am 1. April gibt es einen – der „Falter“ hat das übrigens sehr gut ausgedrückt, im aktuellen „Falter“ wird das von der hervorragenden Journalistin Ingrid Brodnig so genannt – Paradigmenwechsel des liberalen Rechtsstaats. Besser könnte ich es auch nicht ausdrücken, weil das bedeutet, dass die Exekutive Dinge tun darf und die Judikative nichts mehr zu genehmigen hat, weil sie einfach keine Rolle mehr spielt.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 59

Zusätzlich kommt hinzu, dass der Rechtsschutz für betroffene Bürger und Bürgerinnen abgebaut wird. Schauen wir uns das im Sicherheitspolizeigesetz einmal im Detail an. Es gibt, wie Sie vorhin schon richtigerweise gesagt haben, die Einführung der erwei­terten Gefahrenforschung, was nichts anderes bedeutet, als dass die Überwachung von Einzelpersonen ausgebaut wird, und zwar ohne dass ein Richter das vorher genehmigt. Jeder Bürger und jede Bürgerin kann ins Visier kommen.

Ich nenne jetzt bewusst ein Beispiel, das kein österreichisches Beispiel ist, das aber sehr klar zeigt, was passieren kann. Es ist ein britischer Bürger in die USA eingereist, und er hat auf Twitter geschrieben: „I’m going to destroy America.“ – Das Heimat­schutzministerium (Bundesrat Dönmez: Übersetze es vielleicht!) in den USA hat diesen britischen Ausdruck nicht gekannt. „I’m going to destroy America“ heißt dort nichts anderes als „Dort werde ich einen draufmachen“, „Ich werde das Land unsicher machen“, so ungefähr, was nichts anderes heißt als: „Ich werde dort Party feiern“. Der Mann wurde stundenlang verhört und durfte im nächsten Flugzeug wieder zurück­fliegen. Einfach ein Tweet!

Wir wissen gleichzeitig, dass keiner der Einzeltäter, die wir in dieser Republik in letzter Zeit hatten, von Franz Fuchs bis zum berühmten Johann, dem Anders Breivik von Traun, der auf eine rumänische Familie geschossen hat – es ist eine in der Öffent­lichkeit völlig unbekannte Geschichte, ich wundere mich bis heute, es war am gleichen Tag, daran mag es liegen –, mit einem Toten und zwei Schwerverletzten, vorher irgendwie auffällig geworden wäre. Franz Fuchs wäre mit diesem Sicherheitspolizei­gesetz nie gefunden worden, da brauchen Sie sich überhaupt keine Illusionen zu machen.

Dass es in der Polizei zu Missbrauchsfällen mit Daten gekommen ist, das ist auch Fakt. Wir wissen genau, wo EKIS-Daten schon hingeleitet worden sind; gewisse politi­sche Kräfte haben davon profitiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) In jedem Rechts­staat – hören Sie zu! – kann ein Bürger Einspruch erheben gegen Missbrauch seiner Daten. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nicht in diesem Sicherheitspolizei­gesetz! Es gibt keine Pflicht zur Verständigung eines Bürgers, nämlich keine rechtliche Pflicht, dass eine Person, die überwacht worden ist, nachher darüber informiert wird, dass sie überwacht worden ist.

Das heißt, man wird überwacht und weiß es nicht einmal! Wenn ich es aber nicht weiß und mich niemand darüber informiert, dass ich überwacht worden bin, kann ich auch keine Rechtsmittel dagegen ergreifen. Das Einzige, was ich machen kann, ist, zum Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums zu gehen. Dieser ist zwar weisungs­unabhängig – das ist er schon –, aber er sitzt im Innenministerium! Es tut mir leid, das ist keine unabhängige Stelle.

Ich weiß nicht, was gegen diese Verständigungspflicht spricht. Ich verstehe es nicht! Es ist doch das Selbstverständlichste der Welt, es ist menschlicher Anstand, dass, wenn ein Mensch überwacht worden ist und man nachher draufkommt, dass es zu Unrecht war – oder auch zu Recht –, diese Person zu informieren ist. Das müsste doch eine Selbstverständlichkeit in einem Rechtsstaat sein. Ich begreife es nicht, warum es diese Pflicht nicht gibt. Somit können sich Betroffene nie und nimmer wehren. Ja, Sie argumentieren dann immer damit, dass es den Rechtsschutzbeauftragten gibt. Aber, wie gesagt, der ist nicht unabhängig, der sitzt im Innenministerium, zwar weisungsfrei, aber nicht unabhängig.

Nach wie vor – und das ist die Hauptkritik – gibt es keine richterliche Genehmigung vorab, jemanden zu überwachen. Und warum keine Berücksichtigung der Landes­verwal­tungsgerichtshöfe in diesem Gesetz drinnen ist, das ist mir auch ein Rätsel, inklusive der anwaltlichen Vertretung eines Betroffenen in Abwesenheit. Wir höhlen


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den Rechtsstaat zunehmend aus, zugunsten von Überwachung, und das lehnen wir Grüne ganz dezidiert ab. Da geht es nicht darum, der Polizei irgendwelche Möglich­keiten nicht zu geben, sondern es geht darum, dass es eine Kontrollinstanz gibt, nämlich ein Gericht, das sagt: Ja, man darf diese Person überwachen, oder: Nein, man darf diese Person nicht überwachen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben hier ja noch einen zweiten Akt, die Post 3, zu besprechen, darauf möchte ich auch eingehen. Gemäß diesem Abkommen mit den USA zur Verhinderung schwe­rer Verbrechen werden Fingerabdrücke und DNA-Dateien mit den USA ausgetauscht. Ich kann und muss bei diesem Abkommen leider feststellen: Wer immer da verhandelt hat, kann nicht verhandeln!

Das EU-Parlament wollte, dass die EU mit hohem Datenschutz ein Abkommen mit den USA verhandelt, das für alle EU-Staaten gleich gilt. Leider – das muss man auch dazusagen – sind einige Staaten wie Polen und Tschechien davon abgesprungen, haben sich von den USA auch unter Druck setzen lassen – die USA haben durchaus mit der Einführung der Visumpflicht für Staatsbürger und Staatsbürgerinnen dieser jeweiligen Länder gedroht – und haben bilaterale Abkommen mit den USA abgeschlossen. Auch Österreich hat sich diesem Druck unterworfen.

Aber das machen nicht alle EU-Staaten, das muss man hier ganz klar sagen. Frank­reich oder die Niederlande haben gesagt: Nein, wir lassen uns nicht unter Druck setzen! Wir wollen ein gesamteuropäisches Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und nicht ausschließlich bilaterale Abkommen.

Aber, wie gesagt, Österreich hat sich diesem Druck gebeugt, und sind einmal Daten eines Staatsbürgers oder einer Staatsbürgerin in den USA, gibt es für diesen Staats­bürger und diese Staatsbürgerin überhaupt keine Chance mehr, dass die dort jemals wieder gelöscht werden. Wenn man hier wieder behauptet, dass ja die österreichische Datenschutzkommission dort Änderungen bewirken könne, dann, muss man sagen, hat man von amerikanischem Recht keine Ahnung! Denn für diesen Fall gilt nicht der berühmte Freedom of Information Act, sondern der Privacy Act, und beim Privacy Act in den USA haben nur amerikanische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen das Recht, Information zu erhalten oder Auskunft zu erhalten, aber nie und nimmer eine ausländische Behörde oder ausländische Staatsbürger oder Staatsbürgerinnen.

Daher muss dieses Abkommen abgelehnt werden! Ich wundere mich wirklich, dass die Sozialdemokratie bei diesem Überwachungsspiel und bei solchen Abkommen mit dieser Koalition mitstimmt. Ich finde es beschämend für die Sozialdemokratie! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und des Bundesrates Pirolt.)

12.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. – Bitte.

 


12.02.45

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Wir haben heute hier zwei Punkte zu behandeln, die uns ein wenig mehr Sicherheit ermöglichen sollen. Es waren da zwei Contra-Redebeiträge, wobei ich bei einem vielleicht ein bisschen Verständnis dafür zeigen kann, wenn es um den Datenaustausch mit Amerika geht.

Man muss aber auch dazu sagen – und das geht in deine Richtung, Kollege Schreuder –, es wird hier der Rechtsschutzbeauftragte so hingestellt, wie wenn er eigentlich nichts wäre und nur die Richter und Gerichte das Allheilmittel für diese Überwachungen wären. (Bundesrat Schreuder: Exekutive – Judikative! Grundsäulen


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der Demokratie!) Wenn man sich den Rechtsschutzbeauftragten anschaut, wie er bestellt wird: Er wird vom Bundespräsidenten bestellt. Er wird auf Vorschlag der Bundesregierung nach Anhörung der Präsidentin des Nationalrates, nach Anhörung der Präsidenten des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofs bestellt. Das ist also nicht irgendeiner, der da bestimmt, der das überwacht.

Es ist auch angeführt, unter welchen Voraussetzungen diese Überwachungen stattfin­den sollen. Wir leben in einer Zeit, wo sich die Technik unheimlich schnell entwickelt, wo sie fortschreitet, wo jedermann jederzeit überall erreichbar ist, wo wir Möglichkeiten haben, über das Internet abzufragen, wo wir Möglichkeiten haben, über das Internet in Verbindung zu treten, wo wir die Möglichkeit haben, wenn wir böse Menschen sind, auch Planungen gegen unsere Gesellschaft durchzuführen. Wir müssen ganz einfach unserer Polizei, unserer Exekutive die Möglichkeiten geben, auch hier eingreifen zu können.

Das ist schon eine Gratwanderung, das ist gar keine Frage: Wie weit geht das Recht des Einzelnen, und wie weit darf der Staat uns überwachen? – Was aber Kollege Ertl sagt, finde ich eigentlich schon sehr stark. Sich hierherzustellen und einfach zu sagen, es wird gegen das eigene Volk vorgegangen, eine Unterstellung, dass das Innen­ministerium und wir hier mit diesem Gesetz gegen das eigene Volk vorgehen, das ist schon ein starkes Stück! Das kann man eigentlich auch nicht durchgehen lassen, auch wenn es eine Debatte ist und auch wenn man vielleicht Emotionen dafür hat. Aber, bitte, ein bisschen mehr Rücksicht auf die Wortwahl! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

Bei diesem Abkommen mit Amerika ist es auch nicht so, dass es einige wenige Staaten waren. Es sind immerhin 20 europäische Staaten, die ein Abkommen mit Amerika gemacht haben. Selbstverständlich ist in Amerika das Datenschutzgesetz ein ganz anderes als bei uns, unseres ist so weit entwickelt, dass eigentlich nur wenige Staaten mitkommen. In Amerika ist es gar keine Frage: von Geheimhaltung oder dem Schutz der Persönlichkeit, überhaupt seit Nine Eleven, keine Spur mehr. Daher ist uns, glaube ich, der Versuch ganz gut gelungen, mit Amerika diesen Vertrag abzuschließen.

Selbstverständlich wäre es besser gewesen, ein gesamteuropäisches Abkommen zu haben, wo alle europäischen Staaten mit eingebunden sind, mit einem scharfen und verschärften Gesetz. Es ist aber so, dass wir das ganz einfach brauchen, dass wir aber auch als Abgeordnete aufgerufen sind, zu schauen, wie dieses Gesetz angewandt wird. Das ist sicherlich auch eine große Aufgabe, um Missbrauch zu verhindern. Das liegt aber nicht daran, dass die Institutionen Missbrauch betreiben, sondern das liegt daran, dass es ganz einfach menschelt, wo Menschen sind, und man nie in irgend­einen Menschen hineinschauen kann.

Zum Abschluss – nicht ganz dazu passend, aber weil die Frau Innenministerin gerade da ist, und das hat auch mit dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu tun –: Wir haben gestern in Favoriten eine Bürgerversammlung gehabt, und ein großes Anliegen der Bevölkerung dort war die Sicherheit und das Unsicherheitsgefühl. Die Bevölkerung würde sich wünschen, dass wir in Favoriten mehr Polizei auf der Straße haben, dass wir dort mehr Polizisten fußgehenderweise, nicht nur im Auto fahrend haben, um ganz einfach das Sicherheitsgefühl wieder ein wenig in die Höhe zu schrauben. Wir versuchen es auch mit diesem Gesetz, aber ich glaube, Maßnahmen, dass die Polizei mehr präsent ist und dann auch mehr Polizisten bei uns in Favoriten auf der Straße sind, sind auch sehr zielführend. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Mikl-Leitner. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 62

12.08.27

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Meine Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr verehrte Damen und Herren! Bei den Materien – Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes und Abkommen Prüm-like, sprich Abkommen zwischen den USA und Österreich – handelt es sich zweifelsohne um sehr sensible Materien. Deswegen haben wir beide Materien im Vorfeld umfassend diskutiert, haben hier sehr viele Ängste und sehr viele Sorgen ernst genommen und haben hier auch noch sehr viele Veränderungen und Korrekturen nach der Begutachtung vorgenommen.

Ich glaube, entscheidend ist Folgendes: Warum brauchen wir diese Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes? – Ich glaube, hier liegt die Antwort einfach auf der Hand: weil sich die Welt verändert! Die Welt dreht sich, somit verändert sich natürlich auch die Kriminalität, und selbstverständlich machen sich Kriminelle auch die moderne Technik zunutze. Mein Credo ist es immer wieder: Es kann doch nicht sein, dass hier Kriminelle mit einem Porsche unterwegs sind und wir seitens der Polizei mit einem VW-Käfer!

Deswegen ist es einfach wichtig und notwendig, hier ganz klar die Aufgaben und Befugnisse der Polizei zu definieren. Es sind zwei wesentliche, zentrale Punkte in diesem Sicherheitspolizeigesetz, zum einen die Datenverschneidung: Daten des Innen­ministeriums mit den Daten aus dem Internet, mit den Daten von anderen Informationsdiensten. – Das ist das eine.

Zum Zweiten ist es ganz wichtig, vor allem im Bereich der Terrorismusbekämpfung – um im Vorfeld terroristische Gefahren abzuwenden – die Gefahrenerforschung auszu­weiten auf die einzelne erweiterte Gefahrenforschung. Das heißt, es dürfen hier nicht nur Gruppen in den Fokus genommen werden, sondern auch Einzelpersonen. Auch das ist bitte nicht aus Jux und Tollerei passiert, sondern ist deswegen passiert, weil wir wissen, dass der Trend immer mehr zum Einzeltäter geht. Das ist auch in jedem Verfassungsschutzbericht nachzulesen. Das ist eine Notwendigkeit!

Gerade der Fall in Norwegen hat hier die Diskussion nicht ausgelöst, sondern hat uns in unserem Vorhaben bestätigt, dass es wichtig und notwendig ist. Ich sage Ihnen hier ganz offen und ehrlich: Hätte ich diese Instrumentarien, wie sie die norwegische Polizei zur Verfügung hat, hätten wir diese Diskussion bei uns in Österreich nicht gebraucht. Aber gerade deswegen, weil wir rechtsstaatlich unterwegs sind, müssen wir die Aufgaben und Befugnisse der Polizei ganz genau definieren, damit unsere Polizei nicht im Kriminal ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Deswegen bin ich auch froh und bin ich auch dem Koalitionspartner, der SPÖ, dankbar für dieses konstruktive Verhandlungsergebnis, für diese konstruktiven Gespräche, da es uns in gemeinsamer Allianz gelungen ist, hier sehr viele Sorgen und Ängste letztendlich auch abzubauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dieser Novelle nicht hinausschießen, sondern dass diese Novelle einfach wichtig und notwendig ist und dass hier vor allem gerade im Sinne der Rechtstaatlichkeit ganz große Klarheit betreffend die Befugnisse besteht.

Das zweite Thema, die Vereinbarung Prüm-like zwischen den USA und Österreich: Warum brauchen wir dieses Abkommen? – Weil wir damit natürlich auch die Zusam­menarbeit zwischen Österreich und den USA stärken wollen, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht, wenn es hier um die Bekämpfung schwerer Straftaten geht.

Selbstverständlich ist hier in keinster Weise angedacht, dass es zu einem Pauschal­abtausch von Daten kommt, sondern dass vor allem immer nur Daten ausgetauscht werden in Einzelfällen, in denen es vor allem um Treffer oder Nichttreffer geht. Erst


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dann, wenn es einen Treffer gibt, entscheidet Österreich selbst darüber, welche Daten letztendlich ausgetauscht werden.

Wichtig ist uns vor allem: Wer Datenaustausch sagt, muss auch Datenschutz sagen! Deswegen kommt es nicht von ungefähr, dass mehr als die Hälfte des Abkommens vom Datenschutz handelt.

Die Republik Österreich ist das einzige Land, das mit den USA eine Kündigungs­klausel vereinbart hat. Das heißt, sobald Amerika den Datenschutz verletzt, haben wir die Möglichkeit, das Abkommen teilweise oder zur Gänze zu kündigen. Deswegen bin ich auch fest davon überzeugt, dass gerade dieses Abkommen zwischen den USA und Österreich auch eine gute Basis für die Verhandlungen auf europäischer Ebene ist.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit diesen Instrumentarien gut gewappnet sind im Kampf gegen Terrorismus und vor allem in der Abwehr von großen Gefahren. Nur so können wir die Österreicherinnen und Österreicher schützen. Ich bin froh darüber, dass es diese Diskussion gibt, denn ich möchte mir nicht vorhalten lassen, wenn es zu einem Terroranschlag kommt, dass unsere Polizei zu wenig an Instrumentarien in der Hand gehabt hätte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


12.14.17

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich werde mich in meinem Redebeitrag auf die zweite Materie konzentrieren, das Abkommen mit den USA. Sie haben jetzt versucht zu begründen, wie gut das ist und wie sehr uns das helfen wird in der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Verbrechen. Sie tun mir dabei, muss ich sagen, fast ein bisschen leid. Sie kommen mir vor wie der berühmte Fuchs mit den sauren Trauben, der hier etwas für gut halten muss, wovon er, glaube ich – wenn Sie ehrlich sind –, selber überzeugt sein muss, dass das nicht so gut ist.

Bereits im November des Vorjahres sind im „Standard“ Beamte aus Ihrem Haus zitiert worden: „In freundlichem Ton hat man uns in deutlichen Worten mitgeteilt, dass es eigentlich nichts zu verhandeln gibt, und unsere einzige Option eine Unterschrift ist.“ Das ist also schlichte Erpressung! Andernfalls hätte man vonseiten der USA die Visumpflicht für Österreicher eingeführt.

Ich frage mich schon einmal als Erstes: Was ist eigentlich eine schwere Straftat? – Wir wissen, dass es sehr große Rechtsunterschiede zwischen österreichischem und US-amerikanischem Recht gibt. Wer weiß, vielleicht wird im November Rick Santorum neuer Präsident, und dann gehört Abtreibung auch zu dieser Kategorie der schweren Straftaten.

Diese Definition ist aber gar nicht so wichtig hier, weil ja im Art. 10 des Abkommens definiert ist: Es reicht zur Datenanforderung und -übermittlung, wenn „bestimmte Tat­sachen die Annahmen rechtfertigen“. – Es muss also keinen begründeten Tatverdacht oder bereits vorliegende Ermittlungen geben, um diesem Datenaustauschbegehren stattzugeben. Die Amerikaner werden sicherlich so findig sein, dass sie, wenn sie glauben, Daten übermittelt bekommen zu wollen, etwas finden werden.

Wie überhaupt dieses Abkommen von schwammigen und allgemeinen Formulierungen nur so wimmelt, in besonderem Ausmaß gerade hinsichtlich des Datenschutzes! Leider ist die Frau Bundesminister jetzt nicht mehr anwesend, die gesagt hat, dass sich mehr als die Hälfte des Abkommens dem Datenschutz widmet. Da gibt es so großartige Formulierungen: „Geeignete Schutzvorkehrungen“ und „Sicherheitsmaßnahmen“ sind


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zu treffen, um „Daten zu schützen“. Im eigenen Bereich, Art. 16, der dem Thema Daten­sicherheit gewidmet ist, steht drin:

„Die Vertragsparteien gewährleisten die notwendigen technischen Maßnahmen und organisatorischen Vorkehrungen“.

Es muss eigens dazu befugtes Personal bereitgestellt werden. Moderne Technologien sollen „in geeigneter Weise eingesetzt“ werden. Es müssen Mechanismen bestehen, „um sicherzustellen, dass nur erlaubte Abrufe durchgeführt werden“.

Meine Damen und Herren, das ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist! Das sind dermaßen allgemeine Formulierungen ohne Inhalt, die jeden Definitionsspielraum frei lassen. Wer weiß – es ist ja bereits angesprochen worden –, welches Niveau der Datenschutz und die Datenschutzgesetze in den Vereinigten Staaten haben, dem wird angesichts dieses Abkommens angst und bange. Dazu kommt noch, dass es unterschiedlichste Stellen in den USA gibt, die solche Daten sammeln und verwalten, die sich teilweise sogar gegenseitig konkurrenzieren.

Ein weiterer besonders interessanter Punkt in diesem Abkommen ist der Art. 12, nach dem Daten übermittelt werden können, wenn sie besonders relevant sind, und zwar hinsichtlich „ethnischer Herkunft, politischer Anschauung, religiöser oder sonstiger Überzeugungen“, „Mitgliedschaft in Gewerkschaften“ – meine Damen und Herren von der SPÖ, ich nehme also an, Gewerkschafter sind überdurchschnittlich in Terrorakte verwickelt –, „Gesundheit“ und „Sexualleben“. Das alles sind Daten, die, wenn sie relevant sind, übermittelt werden sollen.

Hier habe ich schon eine Frage an das Ministerium: Haben wir eigentlich diese Daten von unseren Bürgern über ihr Sexualleben, über ihre Gewerkschaftszugehörigkeit, über ihre sonstigen Überzeugungen? – Immerhin haben wir uns ja dazu verpflichtet, sie zu übermitteln! Verschweigt uns das Ministerium irgendetwas? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Hat der Verfassungsschutz Daten, von denen wir nichts wissen? – Es stellen sich da schon diese Fragen.

Die Frau Bundesminister hat sich heute wieder der Kündigungsklausel gewidmet, die hier drinsteht, und hat sie gerühmt. Die ist auch das Papier nicht wert! Was wird denn passieren, wenn wir das Abkommen kündigen? – Dann tritt wieder der Fall eins in Kraft: Visumpflicht.

Da sind wir also offensichtlich mit diesem bilateralen Abkommen alternativlos. Es wäre wahrscheinlich gescheiter gewesen, wenn das Ministerium ein Abkommen mit den USA ergänzend zum Fluggastdaten-Abkommen geschlossen hätte, sodass man vielleicht der Willkür irgendwelcher Beamter/Officers bei der Einreise in die USA entgegentritt. Wir wissen ja alle, nach diesem Visa-Waiver-Programm muss man tolle Fragen ausfüllen: ob man drogenabhängig ist, ob man unmoralische Taten in den Vereinigten Staaten vorhat, ob man in Spionage- oder Sabotagefälle involviert war und Ähnliches. Wenn man diese mit nein beantwortet, dann hat man offensichtlich die Chance, überhaupt einmal an Bord eines Flugzeuges zu gehen.

Jetzt wird sich jeder fragen: Was sollen diese idiotischen Fragen? – Da wird doch keiner ja sagen, sonst weiß er ohnehin, dass er abgelehnt wird. Da muss man aber das Kleingedruckte dazu lesen. (Bundesrat Kneifel: ... muss ja die Wahrheit sagen!) Dann weiß man, dass eine falsche Antwort sofort ein strafrechtlicher Tatbestand ist – also hat man ihn erst recht.

Ich gebe schon zu, dass zum überwiegenden Teil auch die Beamten bei der Einreise in die USA durchaus freundlich sind. Ich weiß aber auch von Problemen, die stunden­lange Verhöre auch von Universitätsprofessoren zur Folge hatten, weil diese irgend­einem nicht zu Gesicht gestanden sind, der dort hinter dem Schalter gesessen ist, oder


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weil der gerade schlecht aufgelegt war. Da hätte man vielleicht etwas machen sollen, dass man sagt: Wenn kein begründeter Tatverdacht besteht, dann hat jemand, wenn er die Genehmigung zum Einreisen oder zum Boarden bekommt, eigentlich auch Anspruch auf die Verpflichtung der Amerikaner, ihn ins Land zu lassen. Aber da ist leider nichts geschehen.

Ich bin schon gespannt darauf, wie dieses Abkommen in der Praxis gelebt wird, und vor allem, was für Daten wir dann im Gegenzug von den Amerikanern bekommen. Deshalb werden wir dieses Abkommen – vor allem auch aus den genannten daten­schutzrechtlichen Bedenken – ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


12.22.53

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Krusche, Sie haben gesagt: Wenn man das so liest, dann wird Ihnen angst und bange. – Ich möchte das so formulieren: Wenn man Ihnen zuhört, wird einem manchmal angst und bange, weil Sie Dinge lesen und Dinge hineininterpretieren, die mit der Realität nur im Weitesten zu tun haben.

Lassen Sie mich auch auf diesen Tagesordnungspunkt 3 eingehen! Unzweifelhaft hat die Entwicklung der letzten Jahre in den Bereichen internationale Kriminalität und auch Terrorismus eine verstärkte internationale Zusammenarbeit von Polizei und Justiz notwendig gemacht. Darüber sind wir uns hoffentlich einig.

Die Vorgeschichte wurde ebenfalls erwähnt: Im Jahre 2008 traten die USA mit dem Vorschlag des Abschlusses bilateraler Abkommen an Österreich und andere euro­päische Staaten heran. Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, es wäre vielleicht besser gewesen, eine gesamteuropäische Lösung zu erreichen. Aber wir wissen – und Sie haben auch die Debatte und die Unterlagen aus dem Nationalrat verfolgt –, dass es dahin ja auch Schritte gibt. Die Bundesregierung hat am 9. März 2010 Verhandlungen über ein entsprechendes Abkommen mit den USA beschlossen.

Das vorliegende Abkommen – wir haben es von der Frau Ministerin schon gehört – stellt eine sinnvolle Ergänzung zum sogenannten Prümer Vertrag, den wir seit 2005 mit elf europäischen Ländern sehr intensiv nützen, dar. Auch da hat es am Anfang Bedenken gegeben, auch da ist es um das Thema Datenschutz gegangen. Tatsache ist, bis 2011 haben wir dabei mehr als 150 000 DNA-Treffer erzielt und mehr als 6 000 übereinstimmende Fingerprints, die es ermöglichen, dass Verbrechensbekämpfung auch weit über die nationalen Grenzen hinausgeht.

Wann wird dieses Abkommen angewandt? – Auch das haben wir gehört. Hier sind sicher die Vereinigten Staaten sensibler bei der Interpretation von terroristischen und schwerwiegenden Straftaten. Aber auf diesen Bereich ist es nach Art. 1 eingeschränkt. Wenn wir Kriminalität erfolgreich bekämpfen wollen, dann können wir uns nicht dage­gen verschließen – das möchte ich betonen –, auch ein Abkommen mit den Vereinig­ten Staaten zu treffen, und zwar in die Richtung, dass natürlich auch Fingerprints und DNA-Spuren wie mit den anderen europäischen Ländern abgeglichen werden können.

Wir sind uns einig darin – und da möchte ich mich auch auf diese Seite stellen –, dass der Datentransfer eine äußerst sensible Sache ist. Ich bin auch dabei, dass gerade persönliche Daten ein besonders sensibler Bereich sind und dass hier – das muss man wirklich sagen – auch ein gerechtfertigter und überprüfter Umgang damit notwendig ist.


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Die Daten werden – das haben wir gehört – anonymisiert, und erst dann, wenn tat­sächlich ein Treffer vorhanden ist, wird in Form eines Rechtshilfeansuchens dieser Datensatz abgetauscht. Der Anwendungsbereich ist ganz klar eingegrenzt, das haben wir gehört. Es gibt also keine globalen und allgemeinen Massenabfragen, sondern eine Abfrage nur in Entsprechung, wie wir gehört haben, zu Treffer oder Nichttreffer. Und Österreich entscheidet, welche Daten in welchem Umfang letztlich an die USA weiter­gegeben werden.

Das Thema Datenschutz ist ein sehr, sehr sensibler Bereich. Wir haben auch den Kollegen Schreuder gehört. Ich habe dann immer ein bisschen ein Problem damit, wenn man sich auf der einen Seite hierher stellt und diesen Datenschutz über alles hinaushebt, aber dann, wenn es um Datenschutz und Verhandlungs- und Verhör­protokolle geht, diesen Datenschutz nicht mehr so ernst nimmt, auch dann nicht, wenn Dinge über öffentliche Medien transportiert werden. Wenn Sie Datenschutz ernst meinen, dann soll das in allen Bereichen der Fall sein, auch im Umgang mit anderen sensiblen Daten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und Grünen.)

Herr Kollege Dönmez, wenn Sie das ernst meinen, dann sollte das überall gelten. Ich glaube, da sind wir uns einig. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Der österreichische Datenschutzrat hat attestiert, dass Österreich das beste von allen 21 Abkommen mit den Vereinigten Staaten geschlossen hat. Ich glaube, dass wir die Aussagen des österreichischen Datenschutzrates auch in dieser Hinsicht nicht in Zweifel ziehen sollten. Anerkannte Datenschützer – ich habe es schon gesagt – haben davon gesprochen. Seitens des Datenschutzrates wird bestätigt, dass es gelungen ist, zusätzliche Maßnahmen hineinzubringen und wirklich dieses Abkommen auszuloten.

Ich habe nachgelesen: Auch bei der Diskussion im Nationalrat ist es ja darum gegan­gen, in einer Entschließung, die am Ende beschlossen wurde, allerdings nur mit den Stimmen der ÖVP und der SPÖ. Ich frage mich, wenn Sie eine europäische Dimension fordern: Warum hat man da nicht mitgestimmt? – Ich darf aus diesem Antrag zitieren:

„1. Die zuständigen Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung werden ersucht, gegenüber der EU-Kommission dafür einzutreten, dass dieses geplante EU-Rahmen­abkommen mit entsprechend hohen Datenschutzstandards so rasch wie möglich mit den USA abgeschlossen wird und die EU-Mitgliedstaaten laufend über den Verhand­lungsstand unterrichtet werden.“

Der zweite Punkt ist auch wesentlich. Es geht darum, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung dem Nationalrat und dem Datenschutzrat jährlich einen Bericht über die Anwendung und die Erfahrung mit dem Prüm-like-Abkommen übermitteln. Alles Dinge, die wir uns wünschen – auf der einen Seite sagen wir ja, auf der anderen Seite sagen wir nein.

Deswegen: Wer Datenschutz meint, sollte ihn in allen Bereichen ernst nehmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


12.30.01

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Für mich ist es sicher nicht leicht, hier eine Sicherheitspolizeidebatte zu führen beziehungsweise über dieses Gesetz letztendlich auch einige Worte zu verlieren. Es hat ja bereits im Vorfeld einige Debatten sehr hart geführte Debatten dazu gegeben.


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Es ging dabei darum: Sicherheit gegen Bürgerrechte oder Aushöhlung elementarer Grund- und Freiheitsrechte. In diese Richtung hat sich diese Debatte gestaltet, und die nunmehrige Vorlage, die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz, ist so eine Debatte.

Klar ist: Das Gefahrenpotenzial hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert. Man kann auch nicht erst mit Ermittlungen beginnen, wenn die Tat bereits geschehen ist beziehungsweise gesetzt wurde und es bedarf auch Vorkehrungen, dass manche Taten im Vorfeld bereits im Keim erstickt werden können. Positiv ist, dass sich einige Passagen heute besser lesen, als dies im Entwurf vorgesehen war.

Hier müsste ich nun eigentlich mit meiner Rede beziehungsweise mit meinen Anmer­kungen zu Ende sein. Allerdings möchte ich aus meiner persönlichen Sicht schon auch einige sehr kritische Anmerkungen machen. Es werden sich manche Dinge wieder­finden, die sich bereits in den Vorbemerkungen meiner Vorrednerinnen und Vorredner gefunden haben – allerdings, glaube ich, aus anderen parteipolitischen beziehungs­weise interessenpolitischen Gründen, wahrscheinlich aus ganz anderen Intentionen als jenen, für die ich hier stehe.

Der Spagat zwischen der Abwehr einer möglichen Bedrohung und einem Missbrauch ist nicht einfach zu finden. Daher gibt diese Novelle natürlich sehr großen Spielraum für Kritik und fordert zu Besorgnis auf. Die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes be­zweckt zwar vor allem und grundsätzlich die Optimierung von Befugnissen der Sicherheitsexekutive und dient zur Stärkung in der Terrorismusprävention, Befugnisse in der Datenermittlung und -bearbeitung werden ausgeweitet. Dies gibt der Polizei sicherlich bessere Möglichkeiten, ihre Arbeit und ihre Leistung zu erbringen.

Im Zuge der erweiterten Gefahrenforschung wird es allerdings möglich, Einzelpersonen zu beobachten und gegen Hausbesetzer – und ich glaube, dass hier das Wort „Hausbesetzer“ für mich eine andere Dimension hat als für den Kollegen Perhab – stärker vorzugehen, zum Beispiel dadurch, dass die Nichtbefolgung des Betretungs­verbots als Verwaltungsübertretung geahndet wird.

Dabei scheinen Eingriffe in Grundrechte nicht immer präzise genug formuliert zu sein. Das Bestimmtheitsgebot, das den BürgerInnen eine Rechtssicherheit bezüglich der Strafbarkeit einer Handlung und der ihnen angedrohten Strafe bieten soll, wird zum Teil unterlaufen. Beziehungsweise ist auch der Handlungsspielraum sehr offen, unter anderem, was die Löschung der Daten nach einem Jahr betrifft, wenn eine Gefährdung nicht mehr wahrscheinlich ist.

Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass eine Gefährdung nie gänzlich ausgeschlossen werden kann. Dies kann dazu führen, dass auf Basis einer Annahme eine über ein Jahr hinweg andauernde Speicherung personenbezogener Daten nicht aus­geschlossen werden kann und mit dem Grundrecht auf Datenschutz in Frage gestellt werden muss.

Eine unabhängige richterliche Kontrolle ist durch einen Rechtsschutzbeauftragten zwar auf der einen Seite durch die Intention und die Abwicklung, die im Gesetz vorge­schrieben ist, ziemlich sichergestellt. Allerdings ist die Unabhängigkeit in der täglichen Arbeit doch hinterfragenswert. Damit könnten auch elementare Menschenrechte – Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und sogenannter ziviler Ungehorsam sind Rechte, die in einer Demokratie, in unserer Demokratie mit einer funktionierenden Sozialpartnerschaft selbstverständlich sind – eingeengt werden. Eine missbräuchliche Auslegung könnte bestimmte Interessenvertretungen unterbinden.

Ich glaube, dass wir gerade in diesem Zusammenhang sehr unterschiedliche Interes­sen haben, was Sie, Herr Bundesrat Krusche, betrifft. Wenn ich mir so manche Zeitungsmeldungen aus Ihrer Partei in der Vergangenheit, auch in der näheren


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Vergangenheit angesehen habe, glaube ich, dass wir hier sehr weit auseinander sind, was den Schutz von Interessenvertretungen betrifft.

Eine ähnliche Debatte wurde bereits im Rahmen eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch zur Verhinderung von Terrorismus geändert wird, geführt. Eine breite Debatte fand ebenfalls über Begriffsbestimmungen und Auslegungen statt. Hinter­gründe waren damals unter anderem der sogenannte Tierschützerprozess oder die Frage, ob die Audimax-Besetzung künftig vom Terrorismuspräventionsgesetz erfasst werden könnte, oder auch, ob die Besetzung der Hainburger Au 1986 die Bedingungen für eine terroristische Straftat nach den derzeitigen Bestimmungen erfüllt hätte.

Mit der nunmehrigen Novelle stellt sich künftig auch die Frage, ob eben zum Beispiel die Besetzung der Hainburger Au schon im Vorfeld hätte vereitelt werden können und ob dies unserem demokratischen Verständnis dann noch entspricht. Auch wenn diese Frage heute theoretischer Natur ist, so ist doch anzumerken, dass die Bestimmungen der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz nicht präzise genug formuliert sind – sofern dies überhaupt möglich ist –, um in Zukunft nicht einer anderen als vom Gesetzgeber intendierten Auslegung vorzubeugen. Denn von den vier Anzeigen ähnlich dem Tierschützerprozess haben nämlich drei Gerichte das Verfahren sofort eingestellt, und bei einem wurde auf eine Art und Weise ermittelt, die nicht gerade das ist, was man als erträglich empfunden hat.

Dieser Fall zeigt aber auch, dass mit Datenspeicherungen sensibel und sorgsam umgegangen werden muss. Harmlose Verdachtsfälle sollen nicht über Jahre hinweg unbegründet aufscheinen, sondern gelöscht werden.

Auch hinsichtlich des nunmehr vorliegenden Sicherheitspolizeigesetzes mit der Stär­kung der Terrorismusprävention durch Ausweitung des Begriffs der erweiterten Gefahrenforschung gilt: Vorverurteilungen dürfen durch sogenannte Erhebungen oder Datenspeicherungen nicht in Betracht kommen. Die Bestimmungen dürfen nicht so ausgelegt werden, dass die erweiterte Gefahrenforschung schon greift, wenn Einzel­personen durch harmlose Äußerungen – das Stichwort ist auch bereits gefallen – au­ffällig geworden sind, sich aber nicht kriminell betätigen. Voraussetzung für die Anwen­dung der erweiterten Gefahrenforschung auf Einzelpersonen soll sein, ob mit einer schweren Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu rechnen ist. Es stellt sich die Frage, ab welcher Schwelle von Verdachtsmomenten diese Kriterien überhaupt erfüllt werden.

Da die Zustimmung zur Verfolgung von dem im Innenministerium angesiedelten Rechtsschutzbeauftragten erforderlich ist – welcher allerdings, wie ja auch schon bekannt ist, nicht mit einer unabhängigen Behörde im Sinne der Strafprozessordnung gleichzusetzen ist –, werden die Rechtsschutzgarantien der Strafprozessordnung durch den Einsatz von Mitteln der Sicherheitspolizei unterlaufen. Auch der Begriff „schwere Gefahr“ lässt einen sehr großen Interpretationsspielraum zu.

Es geht aber nicht nur um gesetzlich gedeckte Befugnisse, sondern mittlerweile auch um einen einfachen Weg der Beobachtbarkeit von Einzelpersonen. Der Abhörskandal um die britische Boulevardzeitung „News of the World“ sollte uns auch nachdenklich stimmen, in welcher Welt wir heute überhaupt leben. Tausende Menschen sollen abge­hört worden sein. Gegenwärtig blicken wir auch gerne nach Ungarn, kritisieren dort die Einschränkungen der Pressefreiheit, und die EU setzt sogar ihr Verfahren gegen Ungarn unter anderem wegen Bedenken zu Datenschutz und Justiz aus. Die Regierung Viktor Orbán beschneidet Rechte der ArbeitnehmerInnen und schränkt gewerkschaftliche Aktivitäten, sprich Menschenrechte, ein. (Bundesrat Ertl: Die haben den Kommunismus abgeschafft!)

Angesichts dieser Entwicklungen ist auch in unserem Land Vorsicht geboten, dass durch eine differenzierte Auslegung der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes nicht


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auch unsere demokratischen Grundwerte Stück für Stück unterwandert beziehungs­weise sogar zum Teil ausgeschaltet werden. (Ruf bei der ÖVP: Seid ihr dafür oder dagegen?) Auch Vorsicht hinsichtlich der geplanten Änderungen der Strafprozessord­nung mit der Aushöhlung der Verschwiegenheitspflicht bestimmter Berufsgruppen muss sein. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Pirolt. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir müssen darauf achten, dass in der parlamentarischen Kontrolle letztendlich alle drei Jahre im Bericht auch darauf geachtet wird, dass genau diese Dinge, die ich vorhin erwähnt habe, nicht kommen. Daher ist es unbedingt notwendig, hier zu gewährleisten, dass es in der parlamentarischen Kontrolle tatsächlich darum geht, diese Dinge auch hintanzuhalten. Es darf nicht sein, dass die Sicherheitspolizeigesetz-Novelle zu einem Stresstest für Menschenrechte und Demokratie wird.

Zum Thema Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten glaube ich, dass bereits einiges gesagt worden ist. Allerdings denke ich schon, dass wir uns gerade in diesem Bereich der Kritik nicht verschließen können, da sehr viele und sehr wichtige personenbezogene Daten weitergegeben werden sollen und dies letztendlich auch dazu führen kann, dass es negative Folgen hat, gerade in diesem Bereich, in dem es darum geht, bestimmte Überzeugungen oder Mitglied­schaf­ten in Gewerkschaften beziehungsweise Gesundheit oder Sexualleben hervorzuheben. Das heißt, in diesen Bereichen muss sehr darauf geachtet werden, dass dieses Daten­material nicht in falsche Hände kommt, beziehungsweise ist natürlich auch die Frage zu stellen beziehungsweise zu hinterfragen, ob dies mit den österreichischen Daten­schutzbestimmungen überhaupt in Einklang zu sehen ist.

Ich glaube, dass wir mit diesem Sicherheitspolizeigesetz – und meiner persönlichen Kritik, die ich daran auch angemerkt habe – zwar einen Schritt dahin getan haben, die Arbeitsbedingungen der Polizei, der Exekutive zu erleichtern, wir uns aber letztendlich mit der Einführung dieses Sicherheitspolizeigesetzes beziehungsweise mit dem Ab­kom­men zwischen Österreich und Amerika nicht aus der Verantwortung verabschieden können. Wir müssen hier auch ständig wachsam sein, dass nicht Schindluder damit getrieben wird, beziehungsweise dass dies nicht in falschen Bereichen und falschen Händen auch falsch ausgelegt wird. (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin bei diesem Gesetz sehr skeptisch (Ruf bei der ÖVP: Aber?), sage aber, dass wir grundsätzlich diesem Gesetz zustimmen werden. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


12.43.33

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bun­desrates! Wir behandeln heute eine Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes, wobei inhaltlich schon sehr viel über dieses Sicherheitspolizeigesetz gesagt worden ist. (Bundesrat Schreuder: Die Vorrednerin hat nicht ...!) Ich möchte nur noch ab­schließend einige Stellungnahmen dazu abgeben.

Bei dem Sicherheitspolizeigesetz handelt es sich um ein Gesetz, das den Wandel der Gesellschaft, aber auch den Wandel der Kriminalität widerspiegelt und daher auch laufend evaluiert und geändert gehört. Wir haben heute so eine Anpassung, weil sich eben die Kriminalitätsformen speziell im terroristischen Bereich geändert haben.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 70

Wir reden immer von der Schlagkraft unserer Polizei, von der Wichtigkeit unserer Polizei und unserer Sicherheitsbehörden. Ich war selbst Polizist und weiß, dass die Polizisten und die Behörden vor Ort entscheiden müssen, wohingegen sich Richter und Staatsanwälte nachher monatelang Zeit nehmen können, um zu entscheiden, ob diese Entscheidungen vor Ort richtig oder falsch waren. Darum ist es sehr wichtig, dass die Polizei dieses Handwerkzeug, das wir ihr heute in die Hand geben, auch dement­sprechend einsetzen kann.

Es braucht sich keiner Sorgen um den Datenschutz zu machen. Der Datenschutzrat hat alle diese Maßnahmen geprüft und für richtig befunden. Die Parameter für eine Genehmigung durch den Rechtsschutzbeauftragten sind sehr, sehr streng ausgelegt. Wir haben das vorgestern von den Spitzenbeamten des Ministeriums eindrucksvoll dargelegt bekommen.

Wir haben bei dieser Gelegenheit nur zwei Möglichkeiten. Entweder machen wir nichts gegen mögliche Bedrohungen, mit all den Konsequenzen, die dann auf uns zulaufen; und ich möchte nicht Spitzenrepräsentant des Staates sein, wenn wir etwas verab­säumt haben. Oder wir reagieren auf die veränderten Bedingungen und können mögliche Gefahren für die Bürger abwenden. Ich glaube, das ist der eindeutig bessere Weg.

Wir brauchen unseren Bürgerinnen und Bürgern auch nicht immer zu sagen oder einzureden, dass sie bespitzelt werden oder dass sonst irgendetwas passiert – ein Bürger, der nichts auf dem Kerbholz hat, wird auch nicht bespitzelt werden und braucht auch keine anderen Sanktionen zu erwarten –, sondern wir sind dazu da, Gesetze zu schaffen, damit die Sicherheit der Bürger ganz einfach steigt. Mir kommt es immer öfter so vor, dass einige Personen unsachlich und absichtlich mit den Ängsten der Bevölkerung spielen. Das hat sich unsere Bevölkerung nicht verdient.

Österreich gehört zu den sichersten Staaten der Welt. Um diese Sicherheit auch dementsprechend aufrechtzuerhalten, ist eine permanente Anpassung der Gesetze an die vorliegenden Gefahrenquellen vorzunehmen. Mit dieser Sicherheitspolizeigesetz-Novelle machen wir dies, und wir geben gerne unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend eine Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 2011.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 71

12.47.344. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 – ZDG) geändert wird (1809/A und 1659 d.B. sowie 8673/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kainz. – Bitte um den Bericht.

 


12.47.49

Berichterstatter Christoph Kainz: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst geändert wird.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte in.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


12.48.23

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir behandeln heute das Zivildienstgesetz. Es werden sich, nehme ich an, alle von Ihnen daran erinnern, dass wir vor einiger Zeit diese Diskussion miterlebt haben: Sollen Polizisten vorher Zivildiener gewesen sein können? Sollen Zivildiener zur Polizei gehen können? – Wir können uns auch daran erinnern, dass die Diskussion mit einem Ja ausgegangen ist. Ehemalige Zivildiener können nun unter anderem auch Polizist werden.

Nun ist es so, dass man dazu einen Antrag auf Löschung der Zivildienstpflicht stellen muss. Den konnte man nur bis zum 28. Lebensjahr stellen. Eine entsprechende Dienstrechtsnovelle hat das geändert und diese Grenze mit 28 aufgehoben – sehr sinnvoll, weil es mitunter natürlich auch Leute gibt, die später den Beruf wechseln wollen, und diese sollen davon nicht ausgeschlossen sein. Im Dienstrecht ist das erledigt, es muss nun auch die entsprechende Bestimmung im Zivildienstgesetz geändert werden. Das passiert heute, und meine Fraktion wird da gerne zustimmen.

Geben Sie mir nur die Gelegenheit, noch einen Gedanken mit Ihnen zu teilen, der mir beim Thema Zivildienst auch wichtig ist. In etwa ein Drittel der tauglichen jungen Män­ner absolviert mittlerweile Zivildienst. Ich denke, dass ein Hauptgrund dafür auch ist, dass man beim Zivildienst das Gefühl hat, etwas Sinnvolles, etwas Wertvolles für die Gesellschaft zu tun und auch etwas Sinnvolles für den eigenen weiteren Lebensweg, für die Laufbahn mitzunehmen.

Ich hätte da eine Bitte und eine Aufforderung, die ich gerne auch dem Bundesminister für Landesverteidigung mitgeben möchte. Statt dass man viel Geld und Zeit investiert in teure und aus meiner Sicht nicht besonders sinnvolle Experimente in Richtung einer meines Erachtens heute unrealistischen Aufhebung des Präsenzdienstes (Bundesrat Todt: Was soll das werden?), sollte man sehr rasch – und das kann schon morgen, schon heute passieren – darauf schauen, dass Präsenzdienst für junge Männer wieder als sinn- und wertvoll erlebt wird. Wir brauchen keine gelernten Unkrautzupfer, keine ausgebildeten Kasernenputzer, keine diplomierten Tiefkühlpizza-Aufwärmer, sondern wir brauchen passionierte, engagierte Landesverteidiger und gut ausgebildete Ka-


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 72

tastro­phenschützer. Da kann man vom Zivildienst lernen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

12.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


12.51.01

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Kollegin Bettina Rausch hat ja schon erwähnt, warum diese Gesetzesnovelle zum Zivildienstgesetz notwendig geworden war: weil wir in Zukunft auch älteren Interessentinnen und Interessenten, also Inter­essenten, die den Zivildienst abgeleistet haben, die Möglichkeit geben, dann auch zur Exekutive zu gehen, indem sie ein Löschen der Zivildienstverpflichtung beantragen können.

Aber es war für Unter-28-Jährige jetzt schon möglich – und das haben in der Zwi­schenzeit 72 Zivildiener genutzt –, in den Polizeidienst zu treten; einer auch in den Gemeindewachdienst. Das zeigt schon, dass die Zivildiener nicht jene sind, die aufgrund dessen, dass sie die Waffe verweigern, zum Zivildienst gehen, sondern sie gehen dorthin, weil sie einen sinnvollen Dienst machen wollen. In der Zwischenzeit sind es, zum Beispiel im vergangenen Jahr, nahezu 13 000 Zivildiener, die statt des Wehrdienstes den Zivildienst abgeleistet haben, und zwar in vielen Bereichen, wie etwa bei den Feuerwehren, in Krankenhäusern und Altenheimen, in Jugendzentren, beim Krankentransport, in Behindertenzentren und so weiter, in Bereichen, die für sehr sinnvoll erachtet werden.

Dank gilt natürlich jenen, die bisher den Zivildienst in sozialen Einrichtungen abge­leistet haben und dort in sehr wertvoller Weise der Gesellschaft gedient haben. Ohne die Zivildiener ist es nicht möglich, die Leistungen in vielen Bereichen aufrecht­zuerhalten. Ich schätze auch persönlich jene, die im Bereich der Altenheime oder Jugendzentren ihren Zivildienst ableisten. Dass wir jetzt auch ihnen die Möglichkeit geben, zur Exekutive überzutreten, zeigt, dass sich die Zeit wandelt und dass wir auch dies tun können. Im Sinne dessen werden auch wir dieser Novelle zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


12.53.26

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich selber habe Zivildienst abgeleistet, und es war eine der prägendsten Zeiten in meinem Leben. Wenn ich diesen Dienst nicht gemacht hätte, dann wäre mein Lebensverlauf mit Sicherheit ein anderer gewesen.

Was Kollegin Rausch angesprochen hat, kann ich nur voll und ganz unterstreichen. Man könnte natürlich die Diskussion jetzt auch um einige Facetten erweitern, aber ich möchte die Thematik nicht allzu sehr strapazieren; Stichwort Anschaffung Eurofighter und so weiter. Aber es geht um den Zivildienst. (Bundesrat Mag. Klug: Genau!) Ich finde es gut, dass auch jene, die zur Exekutive, zur Polizei oder auch in die Justiz­wache wechseln möchten, nun auch die Möglichkeit dazu haben. Wir werden dem natürlich auch unsere Zustimmung geben.

Kollege Lindinger hat das auch schon angesprochen: Von den knapp 13 500 Zivil­dienern, die im Jahr ihren Dienst absolvieren, machen in etwa 100 ihren Dienst im


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 73

Ausland. Ein ganzes Jahr lang, 12 Monate unter nicht ganz einfachen Rahmenbedin­gun­gen.

Sie machen sehr wichtige Arbeit im Bereich Friedens- und Sozialprojekte, Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit, in gewaltfreien Konfliktlösungsmodellen. Regionale Projekte in ehemaligen Krisengebieten werden betreut. Und sie dienen als Gedenk­diener und arbeiten in ausländischen Holocaust-Gedenkstätten, in Museen, in Archiven und auch in Bibliotheken. Sie betreuen in Altersheimen Holocaust-Überlebende, arbeiten in Jugendbegegnungsstätten und natürlich auch in Stätten des Massen­mor­des wie in Auschwitz, in Theresienstadt oder auch in Mauthausen in Oberösterreich – alles im Dienste gegen das Vergessen der Gräuel des Nationalsozialismus! Das ist wirklich zu würdigen.

Zu würdigen ist auch, dass die Entscheidung, diese Mittel zu kürzen, von Bun­des­kanzler Faymann wieder zurückgenommen worden ist, aber erst aufgrund des Druckes aus der Öffentlichkeit. Die Auslandszivildiener haben pro Jahr 10 000 € zur Verfügung gestellt bekommen, und dieser Betrag wurde nach Loipersdorf, nach der Regierungs­klausur, auf 9 000 € reduziert. Es hat dann die Zusage gegeben, dass es keine weiteren Reduzierungen mehr gibt. Dann hat doch wieder eine Reduzierung um 10 Prozent stattgefunden, es waren dann ungefähr 8 100 €. Das hätte bedeutet, dass von dem ohnehin wenigen Geld die Auslandszivildiener noch weniger zur Verfügung gehabt hätten. 675 € wären es pro Zivildiener pro Monat gewesen. In Gegenden, wo die Lebenshaltungskosten sehr hoch sind, sind das wirklich sehr schwierige Rahmen­bedingungen.

Deshalb gilt mein großer Dank dem Herrn Bundeskanzler, im Namen der Grünen, aber auch im Namen der Auslandszivildiener, dass diese Verschärfungen wieder rückgängig gemacht worden sind, dass nach wie vor der volle Betrag ausbezahlt wird, denn ich glaube, das dient der Reputation Österreichs im Ausland. Die Zivildiener leisten dort sehr gute Arbeit, das muss man honorieren. Deswegen ein herzliches Dankeschön, dass diese Verschärfungen zurückgenommen worden sind!

Wir werden diesem Gesetz natürlich auch unsere Zustimmung erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


12.57.32

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon von meinen Vorrednern gesagt: Aufgrund der Dienstrechtsnovelle 2011 gibt es keinen sachlichen Grund mehr, dass wir die Alters­beschränkung von 28 Jahren aufrechterhalten. Das ist richtig, und das ist der rechtliche Teil; wobei schon von meiner Vorrednerin, von meiner Kollegin gesagt wurde, dass natürlich auch unsere Fraktion dem sehr gerne zustimmt.

Ich möchte aber die Debatte heute nützen, um den unschätzbaren und wertvollen Dienst der jungen Menschen im Dienste der Nächsten zu würdigen und auch vor Augen zu führen. Der Zivildienst hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum wichtigsten Motor im Sozialwesen Österreichs entwickelt. Ob im Rettungs- und Krankentransport, ob in der Pflege, ob im Gedenkdienst, ob im Umweltschutz: In allen Bereichen leisten diese jungen Menschen einen unschätzbaren Dienst. Ich glaube, es wäre in Österreich unmöglich, dass diese soziale und humanitäre Arbeit von den Insti-


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 74

tutionen, von den jeweiligen Einrichtungen mit normalen Personaleinheiten sowohl besetzt als auch finanziert wird.

Deshalb gilt unser aufrichtiger Dank den vielen jungen Menschen, einem Drittel aller sogenannten Wehrpflichtigen, die diesen Dienst an der Gesellschaft leisten. Ihnen ist herzlich zu danken. Es bleibt auch zu hoffen, dass es in Zukunft weiterhin zu keiner allzu großen Verunsicherung über den Zivildienst kommt, sondern dass sich auch in Zukunft dementsprechend viele junge Menschen diesen Diensten stellen und damit unserer Gesellschaft in wertvoller Weise helfen.

In diesem Sinne stimmen wir dieser Novelle zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.00.085. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2010) (III-445-BR/2011 d.B. sowie 8674/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte um den Bericht.

 


13.00.15

Berichterstatter Günther Köberl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme deshalb gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, Sicherheitsbericht 2010, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


13.01.07

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wie jedes Jahr, so wird uns auch dieses Jahr ein Bericht präsentiert, welcher aufgrund ständig wechselnder Regeln und Zählsystemänderungen in keiner vernünftigen Vergleichbarkeit mit den Berichten der letzten Jahre steht. Und somit ist er auch nicht wirklich aussagekräftig und nachvollziehbar, und schon gar nicht für die Bürgerinnen und Bürger, welche diesen Bericht ohnehin praktisch nie zu Gesicht bekom­men werden. Sollten sich aber doch einige finden, die sich diesem Lese­mara­thon hingeben wollen, werden sie erschlagen von einem Wust an Zahlen, an Tabellen, Statistiken, welche sie als außenstehende Personen weder durchblicken noch gar auswerten können. Also wird dieser Sicherheitsbericht offenbar sowieso nur für Insider


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 75

erstellt und dient eher der Selbstbeweihräucherung des Innenressorts als einer Anhe­bung des Sicherheitsbewusstseins in der Bevölkerung.

Wie jedes Jahr werden wieder diverse Jubelzahlen von angeblich sinkender Krimi­nalität, von steigenden Aufklärungsquoten über die öffentlichen Medien an die Bevöl­kerung transportiert werden, um Beruhigung zu schaffen. Dieser SB, dieser Sicher­heitsbericht, wird gleich wieder zum Anlass genommen, Österreich als sicheres Land darzustellen. Sieht man sich die Zahlen jedoch genauer an, kann ich nur davor warnen, die österreichische Bevölkerung mit derartigen Aussagen in Sicherheit zu wiegen, denn negative Statistikteile werden die Bürgerinnen und Bürger in ihren Tageszeitungen sicherlich nicht vorfinden, weil der Pressedienst des Innenministeriums schon darauf zu achten weiß, dass bloß die richtigen und scheinbar positiven Zahlen in den Medien publiziert werden. (Bundesrat Todt: Den Tageszeitungen liegt auch der Gesamtbericht vor – und diese können daraus zitieren, was sie wollen!) Und mehr wird bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht ankommen.

Meine Damen und Herren, 313 946 Straftaten wurden nicht aufgeklärt. Die Chance, nicht erwischt zu werden, ist in Österreich also wesentlich höher als die Gefahr, nach unseren Gesetzen belangt zu werden. Die österreichische Bevölkerung wird tagtäglich mit 1 468 Straftaten konfrontiert! Da kann doch niemand ernsthaft von einer positiven Entwicklung sprechen.

Viel wichtiger, um die Bevölkerung über den tatsächlichen Stand der Sicherheit in Österreich zu informieren, wäre ein realistischer Bericht über die Wahrheit hinter den Zahlen – also das, was eben nicht im Sicherheitsbericht aufscheint. Zum Beispiel wird vollkommen auf die Erwähnung von realistischen Dunkelziffern verzichtet. Dunkel­ziffern beruhen bekannterweise auf nachvollziehbaren Wahrscheinlichkeits­berechnun­gen, wie sie auch in der Wirtschaft, im Handel und in vielen Bereichen der Kalkulation eingesetzt werden, nur heißen sie dort eben Unbekannte. Es sind aber auch nichts anderes als „Dunkelziffern“. Es ist eben schon so, wie Kurt Weill in der „Dreigroschen­oper“ sagte: „Denn man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Da sind sie trotzdem, die ungeahndeten Vergehen und Verbrechen und deren Täter, und es schafft Unsicherheit und Misstrauen, diese nicht zu erwähnen.

Eine Kriminalstatistik über Kriminaltouristen gibt es so gesehen ohnehin nicht. Diese sieht man nämlich auch nicht, weil sie kaum erwischt werden. Somit gibt es nicht einmal eine realistische Dunkelziffer, nur Opfer, die nicht wissen, wie ihnen geschieht, und die sich von den Sicherheitsorganen alleingelassen fühlen. Diese Kriminaltouristen sind nur eine Randerscheinung der unkontrollierten Grenzöffnungen in Europa, denn was da an Schmuggelware und gefälschten und illegalen Produkten aus undefinier­baren Quellen ins Land geschwemmt wird, findet auch keinerlei Erwähnung, ganz zu schweigen von den Transporten von Illegalen nach und durch Österreich. Dazu schweigt die Statistik jedoch, und man belobt sich selbst, indem sie eben einfach nichts dazu sagt.

Den Bürgerinnen und Bürgern aber wird vermittelt, dass man alles unter Kontrolle hat. Man schickt gute Aufklärungsquoten an die Medien, um zu zeigen, wie sicher Öster­reich ist. Natürlich gibt es teilweise auch gute Aufklärungszahlen, doch die verdankt man der aufopfernden Arbeit der Polizisten an der Front, und sicherlich nicht dem Innenministerium. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Weil viele Opfer von Kriminaltouristen, Bestohlene und Einbruchsopfer mit geringen Verlusten gar keine Lust mehr haben, Anzeigen zu erstatten, weil das sowieso keine Erfolge bringt – so kann man unter anderem auch die gesunkene Anzahl der Anzeigen erklären. Um eine Verzerrung der Ergebnisse des SB weitgehend zu vermeiden und den Geschädigten eine bürgerfreundliche Erstattung von Anzeigen zugänglich zu


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 76

machen, treten wir dafür ein, dass diese auch in digitaler Form möglich sein soll. Diese Maßnahme könnte die Dunkelziffer vor allem im Bereich der Vermögensdelikte vermindern und uns eine realistische Darstellung der tatsächlich erfolgten Straftaten vor Augen führen. Dadurch würde es zu einer Erhöhung der angezeigten Straftaten kommen. Das will unser Innenministerium vermutlich nicht. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Was im Bericht ebenfalls keine Erwähnung findet, ist der Umstand, dass Kriminal­touristen in Österreich ganz ohne Risiko agieren können, weil Fakt ist, dass es ihnen in österreichischen Gefängnissen weit besser geht als in ihrer Heimat in Freiheit. Sichere Unterbringung in warmen Zellen, volle Verköstigung, Unterhaltung und Freizeit­gestaltung durch eine übersoziale Gefängnisordnung und natürlich ein Gesund­heits­check. Das kennen diese Kriminaltouristen aus ihrer Heimat nicht! (Bundesrat Kainz: Faschingsrede! – Bundesrat Mag. Klug: Jetzt ist schon Fastenzeit!)

Der SB zeigt auch auf, dass, gerade wenn es um strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen des einfachen Bürgers geht, die Zahl der angezeigten Delikte stark zuge­nommen hat und die Aufklärungsquote hingegen stark zurückgegangen ist. In dem Zusammenhang möchte ich Sie besonders auf Taschen- beziehungsweise Trick­diebstahl an öffentlichen Orten hinweisen. 2010 gab es 19 254 Anzeigen. Das ist eine Steigerung von 79,1 Prozent. Bei Diebstählen in Wohnobjekten stieg die Zahl der angezeigten Fälle gar um 244,5 Prozent; die Aufklärungsrate ist gestiegen, es kann daher beim Durchlesen des SB leicht der Eindruck entstehen, dass die Strafverfolgung bei Delikten in gewerblichen und wirtschaftlichen Bereichen vorrangig behandelt wird.

Worauf im Bericht ebenfalls kein Wert gelegt wurde, ist die Situation der Exekutiv­beamten an sich und deren Anzahl in Relation zur Gesamtbevölkerung. Aus dem Bericht „Das Personal des Bundes 2011“ des Bundeskanzleramts stammen folgende Zahlen: Personalstand in Bund, Ländern und Gemeinden zusammen: 350 524 Be­diens­tete. Das ergibt, dass ein Beamter in Relation zur Gesamtbevölkerung für 24 Bür­ger zuständig ist. Anders bei der Polizei: Personalstand an Exekutivbeamten öster­reichweit: zirka 26 836, und das ergibt dann ein völlig anderes Bild: Ein Exekutivbeam­ter ist zuständig für 312 Bürger.

Bedenkt man jedoch, dass gut 5 000 Exekutivbeamte Innendienst versehen, bleiben nur mehr 21 833 Einsatzbeamte für den Außendienst und den direkten Dienst am Bürger. Somit sind also österreichweit knapp 8 000 Einsatzbeamte im Dienst, denn natürlich muss man auch die Dienstrotation einrechnen; die im Krankenstand und im Urlaub befindlichen Kollegen habe ich nicht eingerechnet. Die wahre Relation ist somit die, dass ein einziger Exekutivbeamter für 1 000 Bürger zuständig ist. (Bundesrat Kainz: Das ist doch ohnehin gut! 1:1 000 ist doch ohnehin super, oder? Das passt ohnehin gut!) – Nein, wart ein bisschen, Herr Kainz! Erinnern wir uns, ein nicht der Exekutive angehörender Beamter ist für 24 Bürger zuständig; es steht hier 24:1 000. – All das weiß weder der Bürger noch die Bürgerin, denn das steht eben nicht im Bericht.

Wir haben zu wenig Exekutivbeamte, das ist klar. Nachwuchs tut not, aber woher nehmen? (Bundesrat Lindinger: Zivildiener!) Ein Großteil der um eine Polizei­aus­bildung Ansuchenden ist für den Beruf nicht geeignet – körperlich nicht und auch nicht aufgrund mangelnder Schulausbildung. Junge Menschen aber, welche zum Exekutiv-beamten befähigt wären, meiden aus vielerlei Gründen diese Berufswahl zumeist: wegen der Beschwerlichkeiten des Berufs, der nicht familienfreundlichen Dienstzeiten und der steigenden Gefährlichkeit des Polizeidienstes. Einer der Hauptgründe für die Ablehnung dieses Berufs ist jedoch die schlechte Bezahlung.

Für die Exekutivbeamten ist es ist ein langer Weg, bis sie ein adäquates Gehalt beziehen, und ohne hoch versteuerte Überstunden ist dies überhaupt nicht möglich.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 77

Ein Helfer am Bau verdient mehr als ein junger Einsatzbeamter, ganz zu schweigen von der Geldzuwendung, die die Aspiranten in der Ausbildung erhalten. Zwei Jahre lang monatlich kaum 900 € in der Tasche, während die ehemaligen Schulkollegen und Freunde längst Vollverdiener sind. Man hat eher das Gefühl, dass die Ansuchenden im Polizeidienst nur materielle Sicherheit suchen. Auch die neue Idee unserer Innen­ministerin, die Exekutivbeamten, insbesondere die älteren Kollegen zu vielen Über­stun­den einzuteilen und diese dann als Freizeitausgleich vor der Pensionierung abzugelten, ist, so finde ich, eine sehr süffisante Idee.

Für den Polizeidienst braucht es in erster Linie viel Idealismus und Stehvermögen, und das findet man heute sehr, sehr wenig. Und so kann man die Leistungen der einzelnen Exekutivbeamten und -beamtinnen nicht hoch genug schätzen. Tausende geleistete Überstunden bleiben komplett unbewertet. Obwohl die Exekutivbeamten Pensionsbei­träge geleistet haben, werden diese erarbeiteten Nebengebührenwerte nicht berück­sichtigt.

Auch die Politik wirft der Exekutive oft genug Steine in den Weg, und sie wird häufig zum Spielball politischer Ambitionen herabgewürdigt. Ein Beispiel dazu: Innerhalb des SPK, des Stadtpolizeikommandos, Schwechat wurde mit 1. Februar eine Reform um­ge­setzt. Mit wenigen Worten erklärt: Diese Reform war und ist menschenunwürdig. So nach dem Motto: Du hast jahrzehntelang deinen Dienst brav geleistet, jetzt brauchen wir dich nicht mehr, weil du kein „Schwarzer“ bist. (Bundesrätin Zwazl: Was war da? Erklär das noch einmal!)

Meine Damen und Herren! So wie in Schwechat darf man mit Menschen nicht um­gehen, mit Menschen, die jahrzehntelang für den Staat, für seine Einrichtungen, für die Sicherheit des Staates und seiner Einwohner oft genug ihr Leben eingesetzt haben. (Bundesrat Mag. Klug: Redezeit!) Als Dank dafür ist er degradiert worden. Wer nicht die richtige Parteizugehörigkeit besitzt, wird, wie jetzt in Schwechat statuiert wurde, ohne Rücksicht auf seine sozialen Verhältnisse seines Postens enthoben. Das ist lediglich die Fortsetzung des von Strasser rücksichtslos begonnenen Kurses, der unter Mikl-Leitner sogar noch ausgebaut worden ist. Wir werden daher dem Sicherheits­bericht nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.15


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Kurz. – Bitte.

 


13.15.15

Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Zu Beginn darf ich kurz darauf eingehen, was gerade angesprochen worden ist. Der Sicherheits­be­richt 2010 liegt selbstverständlich vor, er ist bekannt, er ist auch sehr ausführlich.

Gerade weil Berichte es manchmal an sich haben, dass sie erst später, einige Zeit nach dem eigentlichen Berichtszeitpunkt, diskutiert werden können, möchte ich meinen Blick vor allem auf die Kriminalitätsentwicklung, die Zahlen aus dem Jahr 2011 richten. Beim Vergleich der Kriminalitätszahlen der letzten zehn Jahre kann man sehr positiv hervorheben, dass die Kriminalität in Österreich kontinuierlich zurückgeht.

Erlauben Sie mir, kurz zwei positive und vielleicht auch zwei etwas negative Trends des Jahres 2011 herauszuheben. Erfreulich ist, dass die Anzahl der geklärten Fälle im Jahr 2011 um 5,6 Prozent gestiegen ist. Weiters ist erfreulich, dass die Einbruchs- und Wohnungskriminalität bei Einfamilienhäusern und Wohnungen weiter sinkt. Es gibt mehrere Gründe, warum das der Fall ist. Sehr positiv hervorzuheben ist jedenfalls auch


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 78

der Masterplan zur Bekämpfung von Einbruchskriminalität seitens des Innenministe­riums.

Zwei weniger erfreuliche Trends sind, dass die Gewaltkriminalität zunehmend zum Sorgenkind wird. Wir haben im Jahr 2011 in diesem Bereich steigende Zahlen, und auch im Bereich der Internetkriminalität haben wir steigende Zahlen im Jahr 2011 zu verzeichnen. Während es vor 10 Jahren noch rund 600 Delikte im Bereich der Inter­netkriminalität gegeben hat, die zur Anzeige gebracht worden sind, sind es 2011 jetzt schon über 5 100 Fälle. Das BMI hat reagiert und mit der Cybercrime-Strategie recht­zeitig begonnen gegenzusteuern. Diese und viele andere Strategien sind sehr sinnvolle Schritte, um Österreich weiter zu einem noch sichereren Land zu machen.

An der Stelle möchte ich mich im Namen der Innenministerin ganz herzlich bei allen Polizistinnen und Polizisten bedanken, die in Österreich ihren Dienst tun. Die beste Strategie würde nichts nutzen, wenn es nicht auf der Straße sehr viele gäbe, die sie auch wirklich umsetzen. Ich darf mich daher seitens der Innenministerin auch an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei allen Polizistinnen und Polizisten in Österreich bedanken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


13.18.19

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut und richtig, dass wir jetzt im Bundesrat wirklich ein Sicherheitspaket diskutieren. Sicherheit und die Arbeit des Innenministeriums stehen seit Beginn der heutigen Tagesordnung im Zentrum der Debatte, und jetzt sind wir bei einem Tagesordnungspunkt angelangt, wo wir Resümee ziehen können, wo wir Bilanz ziehen können. Und Bilanz ziehen, das tut auch der Sicherheitsbericht des Jahres 2010.

Wie beruhigt die Österreicherinnen und Österreicher letztendlich sein können, hat alleine schon das Verhalten der Frau Präsidentin an den Tag gebracht, die hier ganz entspannt den Vorsitz führt und selbst bei der Beendigung der Ausführungen des Herrn Staatssekretärs sozusagen noch völlig entspannt war. Das ist ein gutes Zeichen, wie entspannt alle sein können in dieser Republik, weil Österreich – und das haben meine Vorredner teilweise auch unter anderen Tagesordnungspunkten angesprochen – wirklich als eines der sichersten Länder der Welt gelten kann. Und das kommt nicht von ungefähr, und das kommt auch nicht zufällig.

Kollege Ertl, ich habe mir deine Rede angehört und muss sagen: Das war eine Unsicher­heitsrede und keine Sicherheitsrede, die du gehalten hast, obwohl du Exe­kutivbeamter bist. Die Sprachwissenschaftler überlegen sich bekanntlich am Ende eines Kalenderjahres, was denn das Unwort des Jahres gewesen ist. Ich glaube, du hast es heute in deiner Rede geschafft, das Witzwort des Jahres 2012 jetzt schon zu definieren, nämlich das Wort „realistische Dunkelziffer“. Das halte ich wirklich für sensationell witzig, und dazu möchte ich dir heute schon herzlichst gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherheit steht an erster Stelle auf der Prioritätenliste der Bürgerinnen und Bürger – und das zu Recht, weil sich jeder in seinem direkten Lebensumfeld, an seinem Arbeitsplatz, in der Freizeit sicher fühlen möchte. Deswegen können wir stolz darauf sein, dass wir in Österreich in einem der sichersten Länder der Welt leben dürfen. Und das kommt nicht von ungefähr – ich habe das eingangs schon erwähnt –, denn das baut auf der gesetzlichen Grundlage


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auf, es baut auch auf der Arbeit der Beamtinnen und Beamten im Innenministerium auf, die strategisch Vorgaben erarbeiten, das baut vor allem darauf auf, dass unsere Polizistinnen und Polizisten draußen vor Ort tagtäglich die Arbeit aufnehmen, sich der Arbeit stellen und diese Arbeit hoch motiviert, äußerst professionell und mit viel Umsicht und Engagement ausüben.

Deren Arbeitsspektrum ist ein äußerst vielfältiges. Es beginnt bei der Schulwegsiche­rung, reicht von der Kriminalprävention bis hin zur Aufklärung von Einbruchsdelikten, Mord und Totschlag. Ich könnte hier die Aufzählung der Aufgabenbereiche noch viel weiter ausdehnen.

Ich bin Bürgermeister meiner Heimatgemeinde Pfaffstätten und kann aus meinen Erfahrungen in dieser Funktion die sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Kom­munen und der Polizei wirklich nur bestätigen. Mein Polizeikommandant auf der Polizei­inspektion Baden ist Chefinspektor Teuchmann. Wir führen laufend Koordinie­rungsgespräche, Sicherheitsgespräche und evaluieren Sicherheitsmaßnahmen. Auch der Sicherheitsmanager der Gemeinde, Josef Reiberger, bringt sich da aktiv ein. Das alles führt dazu, dass die Bevölkerung ein gutes subjektives Sicherheitsgefühl verspürt, und das merken wir tagtäglich.

Dieses gute subjektive Sicherheitsgefühl lässt sich auch in Zahlen ausdrücken, und dieser Ausdruck in Zahlen ist der Sicherheitsbericht, der alljährlich aufgelegt wird, in dem Zahlen und Fakten belegen, was wir allesamt tagtäglich draußen verspüren. Es ist gut und beruhigend, wenn im Sicherheitsbericht 2010 unterm Strich zum Ausdruck kommt, dass wir einen Rückgang der Gesamtkriminalität um 9,4 Prozent verzeichnen können. Ich bin Landtagsmandatar in Niederösterreich und daher auch froh und stolz, dass wir in Niederösterreich einen Rückgang um 12,9 Prozent erreicht haben. Das liegt auch daran, und daran kann man es auch erkennen, dass es richtig war, spezifische Projekte zu starten, um negativen Entwicklungen gegenzusteuern. Als Beispiel möchte ich die SOKO Ost anführen, die du (in Richtung des Bundesrates Ertl) garantiert auch gut kennst.

Wir sind vor Jahren in unserem Bundesland – das gebe ich ehrlich zu – vor einer herausfordernden Situation gestanden. Mit der SOKO Ost haben wir da punktgenau und vollkommen richtig gegengesteuert. Der Erfolg gibt uns recht, und deswegen haben wir unterm Strich einen Rückgang der Kriminalität und ein Plus bei der Aufklärung.

Der Sicherheitsbericht des Jahres 2010 ist sehr umfassend. Ich gebe dir vollkommen recht! Er wird kein Bestseller werden, der auf jedem Nachttisch der Österreicherinnen und Österreicher liegen wird. Das gebe ich schon zu. Ich denke aber, es wäre schon genug, wenn sich die Mandatare damit auseinandersetzen und ihre Schlüsse daraus ziehen. Er ist vor allem auch für jene gemacht, die tagtäglich in der Arbeit mit den österreichischen Polizistinnen und Polizisten zu tun haben, nämlich mit den Beamten des Bundesministeriums. Er ist vor allem ein Nachschlagewerk für all jene, die im Sicherheitsbereich Arbeit leisten, und eben nicht für die breite Bevölkerung gedacht. Ich gebe dir auch noch einen Tipp: Suche keinen Verleger, um den Sicherheitsbericht in die breite Öffentlichkeit zu bringen, denn er wird vielleicht nicht so gekauft werden, weil das der Bevölkerung letztendlich auch wurscht ist. Wichtig ist ihr, dass sie sich sicher fühlen kann, und das kann sie.

Die 27 Kapitel, die für diesen Sicherheitsbericht erarbeitet wurden und in ihm doku­mentiert sind, stellen wahrlich ein gutes Zeugnis aus. (Der Redner hält den Bericht in die Höhe.) Wenn wir uns zum Beispiel die Karte anschauen, auf der Österreich mit all seinen Bezirken abgebildet ist, zeigt sich überall ein Rückgang außer in fünf Bezirken, in denen ein Gleichbleiben oder ein mittlerer Anstieg zu verzeichnen ist. Das gibt der


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Strategie, die vom Innenministerium, von Frau Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner ausgeht, recht. Es zeigt uns auch, dass die Beamten draußen hervorragende Arbeit leisten. Auch hier sei wieder Niederösterreich erwähnt: Von insgesamt 21 Bezirken gibt es nur in zwei Bezirken einen leichten Anstieg. Das ist auch ein gutes Zeugnis für Niederösterreich. Mit unseren Beamtinnen und Beamten, mit dem Landespolizeikom­mando und allen, die sich da einbringen, leisten wir also letztendlich gute Arbeit.

Was die Zahl der Kriminalfälle pro 100 000 Einwohner anlangt, so ist da bei der Gesamt­kriminalität eine Verbesserung im Vergleich zu den letzten Jahren eingetreten, genauso bei der Aufklärungsquote, bei der einige Bundesländer, vor allem auch Niederösterreich, gute Zahlen vorweisen können. Mit Ausnahme von zwei Bundes­ländern weisen alle ein Plus auf; eine höhere Aufklärungsquote, ein besseres Ergebnis beweist die hervorragende Arbeit unserer Exekutive.

Da in meiner Nachbargemeinde die Erstaufnahmestelle Ost beheimatet ist, möchte ich noch auf Traiskirchen und das Thema Asyl eingehen, das in diesem Sicherheitsbericht natürlich auch Erwähnung findet. Ich bin froh, dass unter den ÖVP-Innenministern auch in dem Bereich die richtigen Antworten gegeben worden sind, denn Aufgabe der Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es, auf Veränderungen zu reagieren, richtige Schlüsse zu ziehen und richtige Antworten zu geben. Die Asylpolitik in diesem Land gibt die richtigen Antworten. Wir bleiben einem Grundsatz treu, nämlich all jenen Asyl zu geben, die Asyl brauchen, weil sie aus religiösen, politischen oder sonstigen Gründen ihr Land verlassen müssen, aber wir sagen auch ganz klar Nein zu jenen, die aus wirtschaftlichen und sonstigen Überlegungen heraus versuchen, in unser Land zu kommen. Das beweist der Rückgang bei den Asylanträgen, nämlich minus 30,4 Prozent.

Das zeigt, dass wir den Grundsätzen treu bleiben und jenen Asyl geben, bei denen dies gerechtfertigt ist. Das haben wir immer getan. Den anderen, die Österreich nicht als Zielland, sondern als Transitland verwenden wollen, sagen wir aber auch klar: Halt! Bei uns nicht! Auch das kommt in diesem Bericht ganz klar zum Ausdruck.

Ich möchte an dieser Stelle auch an die Solidarität appellieren, und ich glaube, da ist der Bundesrat das richtige Gremium, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir alle sind Ländervertreter, und es sollten auch alle Bundesländer ihrem Auftrag und ihrer Verpflichtung nachkommen, Asylwerber aufzunehmen, die sich im ordentlichen Verfahren befinden, um Niederösterreich, insbesondere Traiskirchen und meinen Heimatbezirk zu entlasten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt ist der vorliegende Sicher­heitsbericht ein Erfolgsbericht. Ein großer Dank geht an das Innenministerium, an die Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten. Danke für die Arbeit! Der Bericht ist eine gute Bestandsaufnahme und belegt, dass Österreich auch weiterhin eines der sichersten Länder der Welt bleiben wird. Wir nehmen diesen Bericht mit Freude, gerne und mit großer Zustimmung zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

13.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­des­rat Krusche. – Bitte.

 


13.28.04

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! – Vom Ministerium ist leider niemand mehr hier. – Wir haben jetzt lobende Worte und tolle Zahlen gehört, wie das nicht anders zu erwarten war: Rückgang der Kriminalität, um-


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fang­reicher, schöner Bericht. Wir könnten uns jetzt eigentlich alle zurücklehnen, applaudieren und zur Tagesordnung übergehen und weitermachen.

Es gibt aber zwei gute Gründe, warum dies nicht berechtigt wäre. Statistiken haben ein grundsätzliches Problem. Sie gaukeln sehr oft solides Zahlenmaterial vor, lassen sich aber durch entsprechende Darstellungen und Filterungen wunderbar manipulieren. Ich will jetzt nicht behaupten, dass dieser Bericht manipuliert ist, es liegen aber sehr wohl geschönte Darstellungen vor. (Bundesrat Kneifel: In welchem Bereich?) Ich werde noch darauf zu sprechen kommen.

Ein weiteres Manko ist natürlich, dass dieser Bericht das Jahr 2010 behandelt und wir jetzt das Ende des ersten Quartals 2012 haben. Die Zahlen spiegeln also nicht mehr ganz die Realität wider; das hat der Herr Staatssekretär ja auch bereits eingeräumt. Die aktuellen Zahlen sprechen leider durchaus eine andere Sprache.

Ich habe mir den Vergleich des ersten Halbjahres 2010 mit dem ersten Halbjahr 2011 angeschaut, und zwar nur im Hinblick auf die ermittelten Tatverdächtigen und nicht die Anzeigen oder einzelne Delikte, und in diesem Halbjahresvergleich haben wir eine Steigerung der Kriminalität um mehr als 15 Prozent, was die Gesamtzahl der Tatver­dächtigen anlangt, und davon sind 30 Prozent Ausländer, Fremde, wie es im Bericht heißt. Die Steigerungsrate bei den Inländern beträgt 13,6 Prozent, bei den Ausländern über 19 Prozent.

Es ist einer der wunden Punkte des vorliegenden Berichts, dass im Teil, der die Kriminalität behandelt, von insgesamt 315 Seiten nur eine halbe Seite der Fremden­kriminalität gewidmet wird und die noch dazu mit einer wenig aussagekräftigen exemplarischen Tabelle bestückt ist. Da sind einige Länder beispielhaft angeführt, aber es fehlt zum Beispiel Bulgarien, das im Halbjahresvergleich, den ich erwähnt habe, bei den Tatverdächtigen eine Steigerung von sage und schreibe 270 Prozent zu verzeich­nen hat.

Im Teil, der die Strafjustiz behandelt, erfährt man immerhin, dass 31,4 Prozent der Ver­ur­teilten Ausländer waren. Das Fazit, das sich daraus ergibt, ist: Ungefähr 11 Prozent der österreichischen Bevölkerung stellen über 30 Prozent der Tatverdächtigen und Verurteilten. Das sind interessante Zahlen.

Seltsamerweise gibt es ein Büchlein, das ebenfalls vom Innenministerium herausge­geben wird und sich „INNEN.SICHER. Die Zukunftsstrategie des Innenministe­ri­ums 2012“ nennt. Dort sind auch Zahlen aus dem Jahr 2010 enthalten, die interes­santerweise im Sicherheitsbericht nicht enthalten sind, nämlich dass der Auslän­deranteil bei den strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben von 22 Prozent im ersten Halbjahr 2010 auf 24 Prozent 2011 zugenommen hat, bei einer Steigerung von 17,4 Prozent. Bei den strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen beträgt der Ausländeranteil 38,4 Prozent im ersten Halbjahr 2011 gegenüber 37 Prozent im Jahr davor. Bei den Einbrüchen in Wohnungen beträgt er 71 Prozent. Auch da zeigt der Halbjahresvergleich deutliche Steigerungen.

Die detailverliebten Statistiken im Bericht und die wunderschönen Bilder würden vielleicht einen Preis für gute Gestaltung, für Layout rechtfertigen. Ich glaube jedoch ganz im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Kainz, nicht, dass das wirklich das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung widerspiegelt; man braucht sich nur die mediale Berichterstattung anzuschauen, man braucht nur die Steigerungen bei den von mir gebrachten Zahlen zur Kenntnis zu nehmen. (Staatssekretär Kurz nimmt wieder auf der Regierungsbank Platz.) – Ich begrüße den Herrn Staatssekretär, der jetzt leider diese von mir gebrachten Zahlen nicht gehört hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Warum habe ich einen Schwerpunkt auf die Betrachtung der Ausländerkriminalität gelegt? – Um bei der Statistik zu bleiben, es gibt ein schönes Instrument, das sich Paretoprinzip oder Paretoanalyse nennt, und mit der könnte man feststellen, dass eine vergleichsweise kleine Bevölkerungsgruppe überproportional zu den Straftaten und zur Anzahl der Tatverdächtigen in Österreich beiträgt.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Wenn Sie die Sicherheit in Österreich nachhaltig verbessern wollen, dann müssen Sie genau hier ansetzen, nämlich bei jener Gruppe, die überproportional an Straftaten beteiligt ist, denn damit können Sie den besten ... (Bundesrätin Kerschbaum: Also bei den Deutschen!) – Auch die Deutschen, selbstverständlich, auch die Deutschen. Ich nehme niemanden aus! Es geht um die Gesamtheit aller Fremden.

Ansätze dazu sind aber leider nicht zu erkennen oder zumindest nicht deutlich sichtbar. Unserer Auffassung nach müsste dann nämlich die Abschiebung ausländischer Straf­täter wesentlich konsequenter erfolgen. Es bedarf deutlicher Maßnahmen zur Eindäm­mung des Kriminalitätstourismus, der bei den Tatverdächtigen weitgehend gar nicht erfasst wird, weil die ja nie gefasst werden. Natürlich müsste auch auf europäischer Ebene etwas gegen die löchrige Schengen-Grenze unternommen werden. Beispiel Griechenland: Es ist ja in aller Munde, dass dort ein offenes Scheunentor in die Europäische Union existiert.

Wenn Sie das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung stärken wollen, dann darf auch nicht passieren, was einem Freund von mir am vergangenen Wochenende passiert ist, der im Nachtzug von Zürich nach Graz einen Streit mit einem Schwarzafrikaner im Abteil wegen eines reservierten Sitzplatzes hatte, der meinem Freund gegenüber tätlich geworden ist und ihm die Brille zerstört hat. In Innsbruck ist dann die Polizei gekommen, hat die Personalien aufgenommen, hat festgestellt, dass es sich um einen abgewiesenen Asylwerber handelt, und dann sind die beiden weiter gemeinsam im selben Abteil von Innsbruck nach Graz gefahren. So etwas trägt nicht zum Sicher­heitsgefühl der Bevölkerung bei!

Auch die Zukunft lässt nicht unbedingt Gutes erahnen. Ich muss auf Ihre Ausführungen eingehen, Herr Abgeordneter Kainz. Sie haben gesagt, die Asylanträge sind um 30 Prozent zurückgegangen. Ja, in diesem Bericht 2010. Es stimmt, dass wir im Jahr 2010 die niedrigste Rate an Asylwerbern seit 1997 gehabt haben. 2011 haben wir aber schon wieder einen Zuwachs um 31 Prozent gehabt, und bereits die ersten zwei Monate dieses Jahres weisen auch wieder einen Zuwachs um 29 Prozent bei den Asylwerbern auf. Also scheint es sich bei diesem Rückgang offensichtlich um eine statistische Eintagsfliege im Jahr 2010 gehandelt zu haben.

Aufgrund dieser im Bericht unbeachtet gebliebenen Punkte und Problematiken können wir ihm unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Lindinger. – Bitte.

 


13.37.55

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Kollege Krusche, Ausländeranteil, Frem­denkriminalität – aufgrund der sehr guten Schulbildung, die du hast, glaube ich ja doch, dass du die Statistik hier gut lesen kannst: Die Deutschen stellen den größten Anteil an allen fremden Tatverdächtigen und sind mit 12,5 Prozent Spitzenreiter. Es könnte ja auch so gewesen sein, dass der Schwarzafrikaner, der den Kollegen oder Freund im


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Zug überfallen hat, möglicherweise sogar einen deutschen Pass gehabt hat. Das könnte ja doch so gewesen sein. (Allgemeine Heiterkeit.)

Tatsache ist und bleibt jedoch, dass die Bösen nicht aus dem Osten und nicht aus dem Süden kommen, und Menschen aus diesen Ländern nicht die Hauptursache der Kriminalität in Österreich sind, das ist vielmehr nur ein minderer Anteil. Bei den Tat­verdächtigen, und zählen wir die Deutschen jetzt einmal mit, sind es 19,3 Prozent, die hier in Österreich straffällig werden, und es ist vor allem nur ein relativ geringer Anteil aller ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, den wir hier als Tatverdächtige sehen.

Wenn wir uns dann noch anschauen, wie die Beziehungen zwischen Tätern und Opfern sind, dann sind da der Großteil Verwandtschaftsverhältnisse, Befreundete oder nahe Bekannte. Die stellen die größten Anteile bei den Täter-Opfer-Beziehungen in vielen Bereichen. Wir dürfen also nicht davon ausgehen, dass die Bösen immer nur aus dem Osten und aus Schwarzafrika stammen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen im Sicherheitsbericht zeigen, dass die Aufklärungsquote der Gesamtkriminalität in Österreich gestiegen ist. Unter den vielen Sachgebieten, die im Sicherheitsbericht erwähnt sind und die meine Kollegen hier schon dargelegt haben, ist gerade bei den Jugendlichen sehr positiv, dass bei den 14- bis 18-Jährigen ein Rückgang zu ver­zeichnen ist und der Täteranteil der 14- bis 18-Jährigen seit zwei Jahren leicht zurück­gegangen ist. Das ist positiv, denn damit ist auch schon für die Zukunft eine Verbes­serung angelegt. Wir wollen doch hoffen, dass der Anteil der jugendlichen Straftäter weiter zurückgeht.

In den letzten zwei Jahren ist die Anzahl der Verbrechen um 16,3 Prozent zurück­gegangen, die Gesamtzahl aller Straftaten um 10,1 Prozent. Die Aufklärungsquote ist auf 41,4 Prozent gestiegen, und das heißt, auch hier gibt es eine Verbesserung um 1,5 Prozentpunkte. Die Verbrechen werden weniger, und die Aufklärungsquote steigt, liebe Kolleginnen und Kollegen! Österreich wird also sicherer. (Bundesrat Krusche: Dann hast du einen anderen Bericht!)

Ein interessantes Kapitel ist dem Rechtsextremismus gewidmet, und damit habe ich mich auch schon im Vorjahr beschäftigt. Bedenklich ist, dass die Gewaltbereitschaft von rechtsextremen Personen gegenüber dem letzten Bericht aus dem Jahre 2009 um 31 Prozent und in Zahlen von 791 auf 1 040 angestiegen ist. Und wenn man da noch die wahrscheinliche Dunkelziffer bedenkt, Kollege Ertl, also was sich da vielleicht in den Hinterhöfen, in dunklen Räumen oder im privaten Bereich abspielt, dann kann man noch von einer weit höheren Anzahl rechtsextremer Personen sprechen, die gegen das Gesetz verstoßen. Bei diesen Straftaten der Rechtsextremen ist alles hineingepackt, auch Gewalt gegen Personen. Ganz besonders getroffen hat mich aber, als ich gesehen habe, dass die Verstöße gegen das Verbotsgesetz von 396 Straftaten oder Anzeigen auf 522 gestiegen sind, dass die Verhetzung von 33 auf 79 Fälle ange­stiegen ist.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmt einen bedenklich, dagegen muss man auch im Bereich der Bildung etwas tun. Die Bildung muss darauf reagieren, dass es gerade in diesem Bereich einen so starken Anstieg gibt. Wenn wir Vergleiche mit dem Linksextremismus anstellen – und auch das habe ich bereits im Vorjahr getan –, so ist die Zahl der linksextremistisch motivierten Handlungen im europäischen Vergleich relativ gering und verschwindet völlig gegenüber der gestiegenen Gewaltbereitschaft bei den rechtsextremen Menschen. Auch da ist Handlungsbedarf gegeben, und ich gebe schon zu, dass man auch dem Einhalt gebieten muss. Es ist jedoch so, dass es


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gegen Linke kein Verbotsgesetz gibt, es ist ja nicht verboten, links zu denken, aber es ist natürlich genauso verboten, wenn Linke Verbrechen oder Taten begehen, die gegen die Sicherheit oder gegen das Gut von anderen gerichtet sind.

Geschätzte Damen und Herren! Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für die Erstellung des Berichts, und Dank gilt allen Polizistinnen und Polizisten, die täglich, 24 Stunden, Tag und Nacht, an Sonn- und Feiertagen wie Ostern, Weihnachten und am 1. Jänner, für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger in Österreich unterwegs sind. Das zeigt sich uns in der steigenden Sicherheit und der steigenden Aufklärungsquote in Österreich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.44


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.44.57

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Für die ZuseherInnen zu Hause: Die Sicherheit Österreichs ist uns ein großes Anliegen! (Der Redner hält den Bericht Richtung Kamera in die Höhe.) Sie sehen, wie umfassend dieser Bericht ist, ein richtig dicker Schmöker.

Herzlichen Dank an die VerfasserInnen dieses Berichts. Er ist wirklich sehr detailliert, sehr umfassend, und an dieser Stelle gleichzeitig auch mein Dank an die Polizistinnen und Polizisten, die eben, wie das mein Vorredner gerade gesagt hat, unter wirklich nicht einfachen Bedingungen ihren Dienst verrichten und für die Sicherheit unserer Bürger in unserem Land sorgen.

Was ich jedoch kritisieren muss – und da bin ich besonders froh, dass der Herr Staats­sekretär für Integration anwesend ist –, ist, dass in gewohnter Manier bereits in der Einleitung, auf Seite 15, die Themenbereiche Migration, Integration, Asylwesen mit Sicherheitsfragen verknüpft werden. Da brauchen wir uns dann nicht zu wundern, dass es in der Bevölkerung zu Missverständnissen kommt, dass Zahlen teilweise dazu verwendet werden, um Stimmung zu machen. Ich bin deswegen froh, dass heute nicht die zuständige Innenministerin hier sitzt, sondern der Herr Staatssekretär, denn ich hoffe, dass Sie einen wesentlichen Beitrag dazu leisten werden im Rahmen Ihrer sehr wertvollen Arbeit, diese Bereiche zu entflechten. Das muss einfach einmal festgehalten werden! (Beifall bei den Grünen.)

Da Kollege Kainz von den ÖVP-Innenministern der letzten Jahre gesprochen und ihre Verdienste um die Asylpolitik lobend hervorgehoben hat, möchte ich hier vor allem eines unterstreichen: Wir haben nach wie vor Verfahren, die jahrelang dauern. Dafür können die Asylwerber nichts. (Bundesrat Perhab: Die NGOs aber sehr wohl!) Wir haben Familien und Einzelpersonen, die mittlerweile schon sechs, sieben, acht und noch mehr Jahre in Österreich leben, die alle Erteilungsvoraussetzungen für den Erhalt eines humanitären Aufenthalts erfüllen, wo es in den Gemeinden Bürgerbewegungen, Initiativen gibt, die sich für den Verbleib dieser Familien, dieser Menschen einsetzen. Geschätzter Kollege (Richtung ÖVP), da sind wir mitten in eurem Klientel drinnen! Es sind nämlich meistens Bewegungen, die aus dem kirchlichen Bereich kommen, die sich für den Verbleib dieser Menschen einsetzen.

Ich verstehe es wirklich überhaupt nicht, wo da das Sicherheitsrisiko sein soll, warum bestens integrierte Menschen, die schon hier in Österreich leben und auch arbeiten, deren Kinder hier in die Schule gehen, eine Sicherheitsgefährdung darstellen. Das ist


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für mich und für viele andere in diesem Land wirklich nicht nachvollziehbar. Das möchte ich an dieser Stelle erwähnt haben.

Den Bereich des Rechtsextremismus hat Kollege Lindinger bereits angesprochen. Ich möchte Sie daher nicht allzu sehr mit den Zahlen strapazieren, weil er die schon gebracht hat. Was aber schon interessant ist, ist folgendes Faktum: Wir sehen im Sicherheitsbericht 2010 eine eklatante Steigerung im Bereich des Rechtsextremismus, der einschlägigen Delikte. Gleichzeitig steht im Verfassungsschutzbericht 2011 – daraus möchte ich ganz kurz zitieren –:

„Der Rechtsextremismus stellte im Jahr 2010 keine ernsthafte Gefahr für den Staat bzw. die Verfassung oder eine Bedrohung der inneren Sicherheit dar. Wie in den Vorjahren trat das rechtsextreme Spektrum in Form von einschlägigen Tathandlungen und politisch-ideologisch motivierten Agitationen in Erscheinung. Innerhalb der rechts­extremen Szene agierten unterschiedliche Gruppierungen, die sich sowohl hinsichtlich ihrer Mitglieder als auch ihres Organisationsgrads und ihrer ideologischen Ausprägung sowie in Bezug auf die gesetzten Aktivitäten unterschieden.

Die Entwicklungen im ideologisierten Milieu deuten darauf hin, dass der seit Jahren betriebene Generationswechsel zumindest in Ansätzen bereits umgesetzt wurde. Es ist davon auszugehen, dass die neue Generation sich weniger innerhalb bestehender rechtsextremistischer Organisationen sondern eher konspirativ und kameradschaftlich im Untergrund organisieren wird.

Bei den strafbaren Handlungen spielen die Aktivitäten des organisierten Rechts­extre­mismus eine eher zweitrangige Rolle. Nur rund ein Fünftel der im Jahr 2010 aus­geforschten Tatverdächtigen war einem rechtsextremen Szenebereich zuzuordnen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der wegen rechtsextremer Handlungen angezeigten Tatverdächtigen handelte es sich um Personen, die keiner einschlägigen Szene angehörten.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sehen also, hier gibt es einen gewissen Wider­spruch zwischen dem Sicherheitsbericht und dem Bericht des Verfassungsschutzes. Das möchte ich auch noch erwähnt haben.

Kollege Krusche! Ich glaube, wir haben nicht denselben Bericht gelesen. Sie haben behauptet, dass der Ausländerkriminalität nur eine halbe Seite gewidmet ist. Wenn ich mir auch nur das Inhaltsverzeichnis ansehe, sehe ich doch einen sehr überwiegenden Teil, welcher sich mit Ausländerkriminalität beschäftigt, und zwar im Konkreten die Seiten 217 bis 220, die Seiten 223 bis 224, die Seiten 228 bis 235. Daher ist Ihre Kritik meines Erachtens auch nicht nachvollziehbar, denn ein ganzes Kapitel ist der orga­nisierten Kriminalität mit Balkan-Bezug, mit Türkei-Bezug, mit Asien-Bezug, mit Russ­land-Bezug und Südwesteuropa-Bezug gewidmet. Ein Kapitel bei Einbruchsdieb­stahl ist der litauischen Tätergruppe gewidmet, der serbischen/bosnischen Tätergruppe und der moldawischen Tätergruppe. Dem Menschenhandel und der Schlepperei sind einige Seiten gewidmet. Daher ist diese Kritik für mich also nicht nachvollziehbar, aber ich nehme sie zur Kenntnis. (Bundesrat Krusche: Das ist ja organisierte Kriminalität! Zur Fremdenkriminalität gibt es nur eine halbe Seite!)

Nichtsdestotrotz ist dieser Bericht sehr ausführlich. Wenn wir auch mit gewissen Dingen, die drinnen festgehalten sind, nicht einverstanden sind, werden wir diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, und unser Dank gilt nochmals den Verfassern und Verfasserinnen dieses Berichtes und auch den Polizisten und Polizistinnen.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich hoffe, Sie können diese Anregungen mit­nehmen, damit zumindest beim nächsten Sicherheitsbericht diese Verflechtung zwi­schen Migration, Integration, Asylwesen und Sicherheit, die wirklich entbehrlich ist,


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nicht mehr Eingang findet. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bun­desräten der SPÖ.)

13.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.53.246. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012; Acht­zehnmonatsprogramm des polnischen, dänischen und zypriotischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-455-BR/2012 d.B. sowie 8675/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen hiemit zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte um den Bericht.

 


13.53.48

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das öster­reichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mis­sion für 2012; Achtzehnmonatsprogramm des polnischen, dänischen und zypriotischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012; Achtzehnmonatsprogramm des polnischen, dänischen und zypriotischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.54.45

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Bericht der Bundesministerin für Inneres ist einleitend zu sagen, dass es dabei vorwiegend um die Bekämpfung des Terrorismus, die Verhinderung von illegaler Einwanderung in die EU und auch um Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität geht, beziehungsweise diese drei Punkte werden in diesem umfassenden Bericht in den Mittelpunkt des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes gestellt. Ich möchte auf diese Kernbereiche kurz eingehen, ohne dass ich hier den ganzen Bericht in der nächsten Drei­viertel­stunde referieren werde.


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Wie bereits gesagt: Eines der Hauptziele ist ein sogenanntes Einreise-/Ausreise­system, kurz EES genannt. Ziel ist dabei: Die Initiative der Kommission für die nächste Generation von Grenzkontrollen, sogenannte Smart Borders, stellt darauf ab, die Steuerung und Kontrolle von Reiseströmen an den Grenzen zu verbessern. Mit dem System zur Registrierung der Ein- und Ausreise soll zudem dem Problem entgegen­gewirkt werden, dass Drittstaatsangehörige oftmals legal in die Union einreisen, nach Ablauf der erlaubten Zeit, also der Aufenthaltsdauer, aber hier bleiben und unter­tauchen. Mit der Einführung eines sogenannten EES wäre dann auch der Schen­genkodex oder Grenzkodex entsprechend anzupassen.

Weiters wird auch ein Registrierprogramm für Reisende implementiert, abgekürzt RTP. Auch hiermit sollen die Kontrollen weiter verbessert und zugleich der Grenzübertritt für legal Einreisende beschleunigt werden. Ein erleichterter Grenzübertritt für registrierte Reisende soll dann dem zusätzlichen Zeitaufwand durch das zukünftige EES bei den Grenzkontrollen entgegenwirken.

Ja, nach einigen Aufschüben hat die Kommission nunmehr die Vorlage dieser beiden Programme für das zweite Quartal 2012 angekündigt.

Kurz: Änderung des Schengener Grenzkodexes. Ziel ist also, flankierende legistische Maßnahmen zu ergreifen in Zusammenhang mit der Einführung des Aus- und Einreise­systems und des Systems registrierter Reisender.

Was ist die österreichische Position? – Diese Vorschläge werden im Detail geprüft, und Österreich wird auch die Erfahrungen, die die Behörden in der Anwendung des Grenzkodex Schengen gemacht haben, mit einbringen. Wir haben ja heute schon gehört – da muss ich ausnahmsweise dem Kollegen Krusche einmal recht geben –, dass wir tatsächlich auch Probleme mit Schengen haben. Die Innenministerin hat ja gesagt, Griechenland ist offen wie ein Scheunentor. Ich denke, das muss man auch entsprechend unterstreichen. Hier ist, so denke ich, auch Handlungsbedarf gegeben, weil einige europäische Staaten natürlich auch selbst Probleme mit Schengen haben. Dänemark wollte ja letztes Jahr die Grenzkontrollen wieder einführen und hat das zum Teil auch gemacht. Auch Sarkozy ist auf diesem Wege, aber bei Sarkozy gibt es noch einige andere Ausnahmezustände. Er befindet sich im Wahlkampf. Trotzdem hat natürlich auch Frankreich oder auch Italien Probleme mit Schengen. Da ist also wichtig, dass man auch legistisch etwas verändert und anpasst.

Zum Kampf gegen die organisierte Kriminalität: Da gibt es einen EU-Politzyklus zur Bekämpfung schwerer und organisierter Kriminalität, und der beruht auf Ratsschluss­folgerungen, die bereits im November 2010 angenommen worden sind, und verfolgt auch das Ziel, die operative polizeiliche Zusammenarbeit zu stärken. Dabei sollen auf-bauend auf einer Bedrohungsanalyse über die Gefahren, die von der organisierten Kriminalität ausgehen, Prioritäten definiert werden.

Die österreichische Position dazu ist: Österreich beteiligt sich selbstverständlich an den Projekten, die der Umsetzung des Politzyklus dienen, und zwar im Bereich der illegalen Migration, des Menschenhandels, der organisierten Kriminalität am Westbalkan und bei den synthetischen Drogen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Vorschlag für eine Richtlinie über einen ver­stärkten Rechtsrahmen für die Beschlagnahme und Einziehung illegal erworbener Vermögen. Österreich setzt sich ja schon lange dafür ein, dass es im Bereich natio­naler Zentralstellen zu Vermögensabschöpfungen kommt oder dass diese Zentral-stellen dazu genützt werden. Hiezu ist also unionsweit eine Diskussion im Gange, es gibt aber mangels Vorlage in dieser Situation eben noch keine Bewertung.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 88

Letzter Punkt: Terrorismusbekämpfung, und zwar zur Politik der EU im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Ziel ist es, die weitere Umsetzung der bereits im Jahre 2005 erlassenen EU-Strategie zur Terrorismusbekämpfung sowie des dazugehörenden Ak­tions­plans voranzutreiben. Hiezu gibt es einige Schwerpunkte der Trio-Präsident­schaft – wir sind ja bereits in der dänischen Präsidentschaft, und Zypern wird dann diese Dreierpräsidentschaft abschließen –: Erstens die Bewertung des Rahmen­beschlus­ses zur Terrorismusbekämpfung, zweitens die Fortsetzung der Arbeiten zur Verhütung und Bekämpfung der Radikalisierung und der Anwerbung, drittens die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung, und viertens soll intensiv an der Erhöhung der Luftfrachtsicherheit gearbeitet werden.

Die österreichische Position dazu: Die Vorhaben bezüglich Strategien und Aktionsplan werden selbstverständlich gefördert und unterstützt. Hinsichtlich der Erhöhung der Luftfahrtsicherheit werden die Fortschritte ebenfalls begrüßt.

Herr Staatssekretär! Meine Fraktion bedankt sich für den umfassenden Bericht. Wir werden sehr gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Stadler.)

14.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


14.01.23

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Lieber Edgar Mayer, man kann Berichte auch ein bisschen unterschiedlich lesen. Prinzipiell einmal halte ich dieses vorliegende Vor­haben insofern für charmant, weil Dänemark durch eine Wahl wieder in die euro­päische Integration zurückgekehrt ist. Dänemark hat sich ziemlich ausgekoppelt, das Schengenregime einseitig runtergefahren, willkürliche Grenzkontrollen angeordnet, und eine Wahl verändert die Haltung eines Landes in Europa. Wir erleben das als sehr positiv, und die Überschrift über diese Vorhaben, lieber Edgar Mayer, ist für mich eigentlich: Erleichterungen; Erleichterungen sowohl was den Grenzverkehr betrifft, die Grenzmanagementstrukturen, aber auch Erleichterungen, was die Visavergabe betrifft, das heißt, leichter speziell mit den Partnerländern. Und da kommt der Dialog der Europäischen Union ins Spiel, nämlich der östliche Dialog und der südliche Dialog. Die Mittelmeerstaaten befinden sich in einer besonderen Diskussion zur Erleichterung. Das halte ich gerade derzeit auch für sehr, sehr wichtig. Diese Diskussion mit Marokko, mit Tunesien zum Beispiel wurde auch als eine Unterstützung des Arabischen Frühlings angegangen.

Ich verschweige nicht, dass da in einem Punkt etwas sehr wichtig ist; das steht auch in diesem Bericht. Marokko kennt etwas nicht, was Österreich kennt. Jeder Österreicher und jede Österreicherin, die im Ausland ein Gewaltverbrechen begeht, hat nach unse­rer Verfassung das Recht, in das Heimatland zurückzukehren. Ein Marokkaner, der ein Verbrechen im Ausland begeht, hat keine Möglichkeit mehr, in sein Heimatland zu kommen. Dieses Problem ist uns etwa aus Tirol bekannt. Bei den Gesprächen jetzt muss mit Marokko vereinbart werden, dass Marokko nicht mehr länger straffälligen Staatsbürgern die Einreise oder die Rückübernahme verweigert, wie es das bisher getan hat. Das bedeutet aber, das ist derzeit noch der Fall mit Marokko, und das schafft auch in unseren Ländern Akzeptanzprobleme. Deshalb ist es sehr wichtig, dass dieses Rücknahmeübereinkommen mit Marokko zustande kommt.

Prinzipiell stehen dahinter jedoch Erleichterungen – Erleichterungen etwa beim Schü­leraustausch, Erleichterungen beim Freiwilligendienst. Wir haben, und Österreich ist da mit dabei, ein euromediterranes Universitätssystem gegründet. In dem Rahmen gibt es auch Erleichterungen für die Studierenden.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 89

Mit Blick auf die östliche Partnerschaft stehen auch weitere Visaerleichterungen ins Haus. Nachdem wir hier im Bundesrat so oft darüber gesprochen haben, ist dieses Visaregime gegenüber den Staaten des Westbalkans jetzt endlich Geschichte. Endlich herrschen jene Zustände, die einmal schon gegenüber Tito-Jugoslawien geherrscht haben, wo alle jugoslawischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger durch ganz Europa reisen konnten. Solche Vorhaben stehen gegenüber Armenien, Aserbaidschan und Belarus an, aber auch eine Neuüberarbeitung bezüglich des Armenhauses Europas, Moldawien, gegenüber Russland und der Ukraine. Ich finde das richtig und wichtig, auch die Visa-Liberalisierungen mit den Kurzzeitvisas.

Eine Meinung teile ich nicht, und die EU teilt sie auch nicht, das ist die Meinung der Innenministerin, dass Griechenland offen ist wie ein Scheunentor. Das ist eine Phantasie, sagt die EU. (Bundesrat Perhab: Das war aber so!) Ich finde, das ist nicht richtig. Griechenland ist nicht gegenüber der Europäischen Union offen, Griechenland hat ein riesiges Problem, und es nützt uns nichts, wenn wir hier Drohgebärden gegen Griechenland richten. Griechenland erlebt ein unglaubliches Desaster in der Asylpolitik, ist nicht mehr in der Lage, das zu beherrschen, hat die rechtsstaatlichen Grundlagen, was Asylverfahren betrifft, längst verloren, und der Europäische Menschen­rechts­gerichtshof hat Griechenland von der Liste genommen und Österreich auch darauf hingewiesen, dass nach Griechenland niemand mehr rücküberführbar ist, weil Griechen­land auf diesem Gebiet zusammengebrochen ist. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich dich jetzt als Christgewerkschafter anspreche: Wenn ich in einem Land Zehntausende Beamte auf einmal auf die Straße stelle, weil das die EU verlangt, dann darf ich mich auch nicht wundern, wenn die geringstmöglichen notwendigen Dienste auch nicht mehr funktionieren. (Bundesrat Perhab: Nicht anders ist das dargestellt worden!) Griechenland ist nicht einmal mehr dazu in der Lage, jene Budgetmittel abzurufen, EU-Budgetmittel, die zu einem geordneten Asylverfahren führen könnten. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Deshalb ist es viel wichtiger, Kollege Perhab, dass wir das, was die EU derzeit tut, nämlich zum Beispiel Assistance mit Hilfe der Frontex zu leisten, dass wir genau dem Zusammenbruch der griechischen Strukturen hinsichtlich des menschenrechtlichen, rechtsstaatlichen Aspekts unter­stützend zu begegnen suchen, statt allzu locker mit Worten um sich zu werfen wie: Griechenland ist  (Bundesrat Mayer: Da stimme ich zu!) – Okay, ich kenne dich. Ich weiß, dass du das nicht in Frage stellst. Ich wehre mich allerdings gegen den Aus­spruch der Innenministerin, dass Griechenland offen ist wie ein Scheunentor, denn das impliziert ganz anderes.

Wir haben jedoch ein Problem, das wissen wir. Griechenland ist in einer desaströsen Situation, was Asylbewältigung betrifft, aber die Stadt auf der anderen Seite, wenn ich das so sagen darf, nämlich Istanbul, hat ein ähnliches Problem, wenn auch nicht in dem katastrophalen Ausmaß wie Griechenland.

Wenn wir zum Bericht zurückkommen: Es sind noch einige Vorhaben geplant, die ich besonders erwähnen möchte. Eines ist wichtig und hundertprozentig zu unter­schreiben, nämlich alle nur erdenklichen Maßnahmen gegen den Menschenhandel, und das heißt, bitte, Frauenhandel, und das heißt Frauenhandel zum Erbringen sexueller Dienstleistungen, zu ergreifen. Das ist eines der widerlichsten Menschen­rechtsvergehen, und damit haben wir in ganz Europa ein Problem. Wir haben dieses Problem auch in Österreich. Jegliche Form von Maßnahme, die wir in dem Bereich setzen, ist richtig und wichtig, um dieses abscheuliche Verbrechen unserer Tage weiterhin zu bekämpfen.

Genauso gilt das für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität, und die organisierte Kriminalität ist ja auch einer der Träger des Frauenhandels.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 90

Zwei Dinge haben wir im EU-Ausschuss bereits in Angriff genommen, das sind die Optimierung des Katastrophenschutzes und die Saisonarbeiterregelung, die wieder kommt. Hiezu gibt es ja auch eine Subsidiaritätsrüge des Bundesrats.

Zwei große Bereiche sind hier drinnen: Das europäische Asylsystem, zweite Umset­zungsphase. Gemeinsames Verfahren – ja, einheitlicher Status – ja, Ausbau des Schut­zes – ja, Überarbeitung des Dublin-Systems – ja, Solidarität innerhalb der Mit­gliedstaaten – ja, und Schaffung eines Asylunterstützungsbüros – ja. Wir sind eine Staatengemeinschaft, und wir haben hier eine gemeinsame Vorgangsweise, aber auf einem menschenrechtlichen und nicht auf einem reduzierenden Niveau.

Migrationspolitik: Europa braucht die Zuwanderung, keine Frage. Europa braucht Zuwanderung in den nächsten Jahren sehr dringend – koordiniert, geplant, legal, mit sozialen Faktoren. Das Lohndumping via Saisonarbeitskräfte darf nicht Gegenstand von Migrationspolitik sein. Das ist etwas sehr Wichtiges.

Die Bekämpfung von Cyberkriminalität wurde bereits erwähnt.

Ich bin sehr froh darüber, dass Österreich bei der Vorratsdatenspeicherung die niedrigste Schwelle genommen hat. Wir haben eine Überarbeitung im Sinne der Bür­gerinnen- und Bürgerrechte. Da ist es auch wichtig, dass es dabei bleibt und dass wir auch überprüfen, dass hier auch tatsächlich der Datenschutz eingehalten wird.

Insgesamt ist das ein sehr spannendes Programm, und ich bin noch einmal froh, dass Dänemark, auch was diese Fragen betrifft, in die Gemeinschaft der Europäischen Union zurückgefunden hat. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte.

 


14.11.55

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Auch wir werden diesen Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen. Die Äußerungen der Frau Innenminister hat ja Kollege Schennach schon angesprochen. In diesem Kontext würde mich Folgendes interessieren, und darauf wurde auch im Ausschuss keine befriedigende Antwort gegeben: Die Türkei unter Ministerpräsident Erdoğan hat angekündigt, dass sie in der zweiten Hälfte, in der Zypern den EU-Vorsitz innehaben wird, alle Verhandlungsbereiche auf Eis legen wird.

Wir haben hier ein großes Maßnahmenpaket vorliegen, in dem es unter anderem auch darum geht, die illegale Migration einzudämmen, und dabei spielt die Türkei nun einmal doch eine sehr großen Rolle. Da würde mich interessieren – schade, dass die Frau Innenministerin nicht da ist –, wie die Position Europas insgesamt zu dieser Haltung der Türkei sein wird und im Speziellen natürlich unsere Positionierung bezüglich dieses Zugangs seitens der Türkei.

Zurück zum Bericht: Er beinhaltet sozusagen eine Gesamtstrategie zum Themen­bereich Migration, in der es um die Steuerung legaler Migration geht, um die Bekämp­fung illegaler Migration und auch um die Entwicklung. Sie umfasst, so wie das Kollege Schennach schon angesprochen hat, die Mittelmeerländer, Afrika und südöstliche EU-Nachbarn. Die Maßnahmen sind Migrationsmissionen, Mobilitätspartnerschaften und Kooperationsplattformen.

Was ich kritisiere – und nicht nur ich, sondern auch sehr viele, die in diesem Bereich tätig sind –, ist: Die Europäische Union entwickelt sich immer mehr zu einer Festung. Es ist mittlerweile ganz, ganz schwierig für Menschen, Europa zu erreichen. Das soll


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 91

jetzt kein Plädoyer dafür sein, dass alle hereinkommen sollen, bitte das nicht falsch zu verstehen. Wir brauchen eine gesteuerte Zuwanderung, Klarheit und Transparenz, und wir brauchen aber auch Maßnahmen – und die fehlen mir –, die die eigentlichen Ursachen bekämpfen. Darauf wird meines Erachtens viel zu wenig Augenmerk gelegt. Wir überlegen immer, wie wir die Zäune noch höher bauen können, wie wir FRONTEX noch mehr mit finanziellen und technischen Mitteln ausstatten können, wir schauen, wie wir die Asylgesetze noch mehr verschärfen können, aber die Ursachen, weswegen Menschen es überhaupt in Kauf nehmen, sich in kleine Boote zu setzen und über den Ozean zu gondeln, weswegen Menschen in Kauf nehmen, über zehn Meter hohe Zäune zu klettern, derer nehmen wir uns viel zu wenig an.

Wir leisten mit unserer Form, zu wirtschaften, mit unserer Form, Landwirtschaft zu betreiben, mit der Subventionierung von Produkten einen wesentlichen Beitrag zur Ruinierung der Märkte in diesen Ländern, sodass den Menschen zumeist gar nicht viel anderes übrig bleibt, als diese Länder zu verlassen. Und dann nehmen sie eben alles in Kauf.

Das Gefährlichste ist, wenn Menschen nichts mehr zu verlieren haben, und viele Menschen in diesen Ländern haben wirklich nichts mehr zu verlieren. Da hilft dann weder die Erhöhung des Zauns noch die Errichtung sonstiger Barrieren, denn die werden das trotzdem in Kauf nehmen, weil sie ohnehin keine Alternative haben. Daran müssen wir arbeiten, und da wünsche ich mir seitens der Europäischen Gemeinschaft und auch seitens Österreichs eine verstärkte Bemühung. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Wie gesagt, wir nehmen diesen Bericht zur Kenntnis – mit gewissen Inhalten und Ausrichtungen sind wir allerdings nicht so ganz zufrieden. Meines Erachtens bräuchte es viel mehr Präventionsmaßnahmen statt Abwehrhaltung, aber es ist, wie es ist.

Ich hoffe, dass in Zukunft der Fokus auf die Ursachenbekämpfung gelegt wird. – Herz­lichen Dank. (Beifall des Bundesrates Schreuder.)

14.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.17.107. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (1795/A und 1669 d.B. sowie 8668/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird (1670 d.B. sowie 8669/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 92

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zur Debatte über diese beiden Punkte darf ich sehr herzlich Herrn Staatssekretär Ostermayer bei uns hier im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu den Punkten 7 und 8 ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte um die Berichte.

 


14.17.45

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­fassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antrag­stellung.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


14.18.58

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sportveranstaltungen spielen in der Berichterstattung eine große Rolle für die Fern­sehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer und auch für die Sportinteressierten. Sport­veranstaltungen spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle für die Entwicklung von Fernsehunternehmungen. Sportveranstaltungen bieten natürlich auch eine Chance für die Öffnung des Markts für private Rundfunkveranstalter. Aus diesem Grund wurde versucht, relativ exakt zu definieren, welche Sportarten als Premiumsportarten gelten, für die gemäß ORF-Gesetz ein offener Markt gewährleistet werden muss.

Mit der ORF-Gesetz-Novelle 2010 wurden fünf Premiumsportarten definiert. Ent­sprechend dem EU-Recht sind das Herren-Profifußball, natürlich die Bundesliga, Welt- und Europameisterschaften, Ski-Weltcup, Europameisterschaften im nordischen und im alpinen Skisport sowie die Olympischen Sommer- und Winterspiele und natürlich auch die Formel 1.

Da es sich bei dieser Aufzählung um eine exemplarische handelt, gab es im Jahre 2011 Probleme bei der Einstufung bestimmter Sportarten wie zum Beispiel Tennis, Volleyball, American Football und Eishockey, und zwar immer dann, wenn diese Sportarten einen österreichischen Bezug aufwiesen, das heißt, wenn österreichische Sportlerinnen und Sportler beteiligt waren beziehungsweise die Wettbewerbe in Österreich stattgefunden haben.

Um den Interessen des österreichischen Sports und den Interessen der Fernseh­veranstalter Rechnung zu tragen, wurde diese Bestimmung des ORF-Gesetzes nun-


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 93

mehr genauer gefasst, und es wurde ein Ausgleich gefunden zwischen den Interessen des Sports und den Marktinteressen der Rundfunkveranstalter. Der ORF wird nunmehr in strittigen Fällen, also wenn österreichische Sportlerinnen und Sportler beteiligt sind, wenn österreichische Mannschaften beteiligt sind oder wenn der Austragungsort in Österreich ist, das Übertragungsrecht für gewisse Sportarten privaten Rundfunkver­anstaltern zeitgerecht und diskriminierungsfrei anbieten. Dadurch wird dann klar, ob es für diesen spezifischen Sportbewerb einen Fernsehmarkt gibt, und wenn nicht, dann wird der ORF diese Sportbewerbe auf seinem Sportsender, nämlich ORF SPORT + übertragen. Mit diesem Gesetz werden die Interessen des österreichischen Sports, der österreichischen privaten Rundfunkveranstalter, aber auch des ORF gewahrt.

Gleichzeitig mit dieser Novelle des ORF-Gesetzes werden auch die Früchte der Digitalisierung, die zusätzlichen Ausstrahlungsmöglichkeiten geerntet. Es ist nunmehr möglich, digital wesentlich mehr Programme zu übertragen. Das Gesetz zur audio­visuellen Mediendienstleistung ermöglicht nunmehr, dass mehr private Sender digital ausstrahlen können. Diese technische Möglichkeit wird nunmehr im Gesetz berück­sichtigt.

Diese beiden Gesetze gemeinsam ermöglichen ein breiteres Angebot für das Fernseh­publikum, garantieren die Medienpräsenz des österreichischen Sports und schaffen mehr Fernsehangebote in Österreich. Das ist ein wesentlicher Vorteil für die sportinter­essierten Menschen in Österreich. Wir Sozialdemokraten werden daher diesem Gesetz gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


14.23.10

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wir behandeln zwei Gesetzesmaterien, zwei Änderungen, zum einen das ORF-Gesetz und zum anderen das Mediendienste-Gesetz. Da geht es darum, Kollege Boden hat das schon ausgeführt, dass wir klarere Regelungen für Sportübertragungen schaffen, Regelungen für die Beziehungen zwischen dem ORF und privaten Sendern, um da ordentlichere Verhältnisse zu gewährleisten.

Zum anderen geht es darum, dass der öffentlich-rechtliche Sender, der ORF, aber auch private Sender ein breiteres Angebot, nämlich mehr als zwei Programme betreiben dürfen. Das ist eine Anpassung an den Stand der Technik, auch das wurde bereits ausgeführt, es ist zugleich auch eine Bereicherung der Medienvielfalt, weil mehr Programme eben auch mehr Vielfalt bringen.

Auch wir hier im Bundesrat sind Nutznießer dieser Medienvielfalt. Ich darf mich dafür bedanken, dass seit Beginn dieses Jahres ORF III, ursprünglich TW1, unsere Sitzun­gen zur Gänze ausstrahlt und damit den Bürgern die Möglichkeit gibt, unsere Debatten mitzuerleben, sich ein Bild von der Tätigkeit des Bundesrates zu machen und so zu erfahren, dass die Diskussionsbeiträge in der zweiten Kammer des Parlaments durch­aus auch erstklassig sein können.

Politik ist notwendig und sorgt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es ist unsere Aufgabe, einen Staat zu organisieren, und ich darf da auch an die Verantwortung der Medien appellieren. Damit ist auch für uns eine gewisse Verantwortung verbunden, nämlich Politik nicht generell schlechtzureden, denn die Bilder, die die Herrschaften an der Kamera, denen ich auch herzlich danken darf, von uns senden, das sind jene Bilder, die die Bürger draußen sehen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 94

Im „Kurier“ ist zum Beispiel heute die Aussage von Herrn Votzi zu lesen: „Die Un­schuldsvermutung war gestern. Für Politiker gilt an den Stammtischen nur mehr die ,Schuldvermutung‘.“ Da sind wir in der Politik klarerweise gefordert, dem entgegen­zuarbeiten, entgegenzuwirken, zu zeigen, dass Politik auch ehrlich, klar und ordentlich durchgeführt werden kann. Ich bitte die Medien, das auch entsprechend zu transpor­tieren – nicht nur bad news are good news –, denn es ist wichtig, dass auch Menschen aus der nächsten Generation bereit sind, sich politisch zu engagieren und zu aktivieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


14.26.07

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf voraus­schicken, dass auch wir beiden in Verhandlung stehenden Punkten, nämlich sowohl der Änderung des ORF-Gesetzes als auch der Änderung des Audiovisuellen Medien­dienste-Gesetzes zustimmen werden. Was das ORF-Gesetz betrifft, sind es zwei für uns vordringliche Punkte, die wir für wichtig halten und als positiv erachten. Zum einen glauben wir, dass durch dieses Gesetz die Randsportarten mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, dadurch sozusagen eine Förderung erfahren. Wir wissen, dass Fußball, dass Skifahren, dass die Formel 1 als sogenannte Premiumsportarten von den Zusehern angenommen werden. Das beweisen die Einschaltquoten. Die Fern­sehsendungen des Kitzbühel-Wochenendes gehören zu den meistgesehenen des ORF. (Bundesrat Mag. Klug: Sag doch einmal Schladming, nur einmal!) – Das sagt der Steirer, okay, einmal Schladming, ja.

Dass dann aber diese Randsportarten, was immer das auch ist, ob das Judo ist, ob das Badminton ist, ob das Frauenfußball ist, zwischen den Stühlen durchfallen, das hilft dieses Gesetz zu vermeiden, und daher unterstützen wir dieses sportliche Anlie­gen in medialer Hinsicht. Es ist natürlich gerade für diese Sportarten, für diese soge­nannten Randsportarten ein wesentlicher Vorteil, wenn sie übertragen werden, weil es diese Sportart und deren Vereine damit dann natürlich leichter haben, Sponsoring-Partner zu finden. Es ist viel leichter, geeignete Unterstützer, Sponsoren aufzutreiben, wenn man auch entsprechende Sendezeiten im Fernsehen anbieten kann.

Wir stimmen auch aus dem Grund zu, weil es durchaus auch gelingen könnte, durch mehr Sendezeit für diese sogenannten Randsportarten auch Bürger und Zuseher, Erwachsene und Jugendliche zu einer aktiven sportlichen Betätigung zu animieren, zu motivieren. Das trägt ja dann auch zur Volksgesundheit bei. Wir werden aus den beiden genannten Gründen dem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Mag. Klug.)

14.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Schreuder. – Bitte.

 


14.28.38

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Um es kurz zu machen: Wir Grüne werden auch beiden Gesetzesbeschlüssen gerne zustimmen. (Die Bundesräte Mag. Klug und Kneifel: Bravo!) Ich finde allerdings das Wort „Randsportarten“ immer ein bisschen schwierig. Man kann sagen, es gibt Randsportarten in Österreich. Ich kann mich erinnern, da gab es diese herrliche Szene, als Hermann Maier im Studio war, als in Sydney die Olympischen Spiele stattgefunden und österreichische Segler eine Goldmedaille gewonnen haben. Hermann Maier


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 95

gratulierte dazu, dass Österreich auch in so einer Randsportart eine Goldmedaille macht. – Also Skifahren ist weltweit gesehen vermutlich eine viel größere Randsportart als Segeln, aber in Österreich – und das ist ja auch in Ordnung – ist Skifahren natürlich eine wichtige Sache, und das sehe ich auch so.

Als gebürtiger Niederländer kann ich mich noch erinnern, dass für meine Eltern der größte Kulturschock unter anderem der war, dass im ORF kein Eisschnelllauf zu sehen war. In Holland zum Beispiel spielt Skifahren kaum eine Rolle, dafür ist Eis­schnelllauf eine wichtige Sportart, die woanders wieder eine Randsportart ist.

Das Wort, die Begrifflichkeit „Randsportart“ ist natürlich immer nur sehr relativ zu sehen, zumal es ja auch gut ist, wenn junge Menschen auch Sportarten, die hier­zulande nicht so im Bewusstsein verankert sind, zu sehen bekommen und damit konfrontiert werden. Natürlich sind österreichische Erfolge immer die größte Werbung für die jeweilige Sportart. Die gegenständlichen Gesetzesänderungen können dazu beitragen, dass jetzt auch private Sender leichter an bestimmte Sportarten zur Übertragung herankommen, die bislang nicht den Weg in einen Fernsehkanal gefun­den haben.

Ich möchte allerdings den Fokus eigentlich vor allem darauf legen, was ich mir in einem neuen ORF-Gesetz erhofft hätte oder was ich mir von einer neuen Novellierung des ORF-Gesetzes erwarte. Vor nicht allzu langer Zeit ist ein Entscheid ergangen, dass der ORF keine Facebook-Seiten betreiben darf, und wir wissen alle, dass Sen­dungen, die einmal im ORF gelaufen sind, nur sieben Tage lang online stehen dürfen und dann auch wieder weg sein müssen. Das war ein Wunsch der privaten Medien. Das kann man, wenn man will, nachvollziehen. Es ist aber aus meiner Sicht im digitalen Zeitalter einfach durch nichts mehr zu rechtfertigen, denn es gibt aus meiner Sicht auch einen öffentlich-rechtlichen Auftrag für den digitalen Auftritt des ORF bezie­hungsweise eines öffentlich-rechtlichen Senders.

Ich verweise beispielsweise auf die BBC. Die BBC hat ein riesengroßes, unglaublich spannendes Archiv online gestellt, und dort kann ich mir Sendungen aus den fünfziger oder sechziger Jahren anschauen. Das ist für mich auch ein öffentlich-rechtlicher Auftrag! Stellt euch vor, ihr seid Historiker oder Historikerin, ihr bearbeitet irgendein politisches Thema aus den siebziger Jahren und ihr habt die Möglichkeit, eine Seite, die es noch nicht gibt, sagen wir archiv.orf.at, anzuklicken. Dort könnt ihr euch dann „Zeit im Bild“-Sendungen aus den siebziger Jahren anschauen, und schauen, wie damals berichtet worden ist. Das wäre doch interessant! Das ist aus meiner Sicht ein öffentlich-rechtlicher Auftrag.

Für die Kommunikation mit den Zuseherinnen und Zusehern, für den Austausch, aber auch für das Heraushören, was die Zuschauer und Zuschauerinnen denn wollen, sind soziale Medien mittlerweile Usus. Da hat es einfach eine Revolution in unserer Kommunikation gegeben, und das ORF-Gesetz gehört diesbezüglich ganz dringend repariert. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum sowie des Bundesrates Jenewein.)

14.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 96

 


14.32.29

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich habe jetzt nicht vor, im Anschluss an meinen Vorredner die ganze Thematik, was man am ORF-Gesetz oder in den Mediengesetzen reparieren oder ändern könnte, zu behandeln. Wir behandeln jetzt nur ein ganz spezielles Segment, und ich möchte bei der Gelegenheit allen danken, die daran mitgewirkt haben, dass dieser Kompromiss gefunden werden konnte.

Um es gleich ganz klar zu sagen: Es geht nicht um das Thema Randsportarten, die sind nicht das Problem, denn die haben sowieso Platz in ORF SPORT +, auch rechtlich gesehen dort Platz, sondern das Problem waren Grenzfälle. – Das kommt ja immer wieder vor, dass Grenzfälle ein Problem sind. Es gibt Sportarten, die vielleicht nicht so viele Zuseher erwarten lassen, dass sie auf ORF 1 programmiert werden. Auf Seiten von ORF SPORT + bestünde zwar Interesse, sie ins Programm zu nehmen, aber aufgrund eines Entscheids der KommAustria dürfen sie dort nicht programmiert werden. Anlassfall war ja – wir haben vorhin über Schladming geredet, es war aber nicht Schladming, sondern Kapfenberg gegen Austria Lustenau, ein Cupspiel, für das die KommAustria zum Ergebnis kam, dass das eigentlich Premiumcontent sei. Auf der anderen Seite gab es ein Sportereignis – schon wieder ein Steirer, fällt mir auf –, nämlich Jürgen Melzer gegen Ferrer in Barcelona, dessen Übertragung akzeptiert wurde. Das hat dazu geführt, dass die Gefahr, sozusagen zwischen den Stühlen zu landen, eine große war oder jetzt eigentlich real war, und das ist bekanntlich ein sehr unangenehmer Platz.

Es war daher die Aufgabe, zwischen verschiedenen Interessen, nämlich einerseits ORF, öffentlich-rechtlich, auf der anderen Seite die privaten Rundfunkveranstalter und auf der dritten Seite die Sportveranstalter, eine Lösung zu finden. Ich glaube, dass eine sinnvolle Lösung gefunden wurde.

Im Nationalrat wurde ein bisschen kritisiert, dass mit dem ORF und mit den Vertretern der privaten Rundfunkveranstalter Verhandlungen geführt worden sind. Ich glaube, dass diese Form der Vorgangsweise gescheit ist, nämlich dass man die betroffenen Akteure einbindet. Man hat dann natürlich auch noch die Sportorganisationen und deren Vertreter eingebunden, um zu einem sinnvollen, tragbaren Ergebnis zu kommen, das in Zukunft ermöglichen wird, dass auch auf ORF SPORT + spannende Sport­veranstaltungen, die eben noch nicht so spannend sind, dass sie auf ORF 1 ausge­strahlt werden würden, ausgestrahlt werden können, wenn sie davor glaubhaft den Privaten angeboten worden sind. Das Problem ist ja, dass es oft Veranstaltungen gibt, bei denen die Privaten nicht das Interesse haben, ORF 1 nicht das Interesse hat, sie zu übertragen, während ORF SPORT + sie nicht übertragen hätte dürfen.

Ich glaube, dass ein sinnvoller Kompromiss zustande gekommen ist, und ich danke Ihnen jetzt schon für die Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 97

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Medien­dienste-Gesetz geändert wird.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ebenfalls angenommen.

14.36.509. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffent­lichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission für 2012 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2011/2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG (III-454-BR/2012 d.B. sowie 8670/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich Frau Bundes­ministerin Heinisch-Hosek hier bei uns im Bundesrat begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


14.37.20

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich darf den Bericht des Bundeskanzlers und der Bun­desministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission für 2012 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2011/2012 vorlegen. Der Bericht liegt Ihnen bereits in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt den Antrag, den oben erwähn­ten Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


14.38.00

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2012 und zum 18-Monatsprogramm des Rates beinhaltet eine ganze Reihe von Themen, die es wert sind, dass sich Europa damit befasst, die eine Befassung notwendig machen, aber im Bericht fehlen auch einige Punkte, die unserer Meinung nach unbedingt behandelt werden müssten und sollten.

Ich fange gleich mit einem Thema an, dem durchaus im Bericht viel Beachtung geschenkt wird. Da geht es um die Donauraumstrategie. In der Donauraumstrategie geht es um die Vernetzung der Donauregion, da geht es um die Schaffung von Wohlstand in der Region, da geht es um Stärkung, Sicherheit und um Umweltschutz. Genau zu diesem Punkt, zu diesem Umweltschutzthema, fehlt uns etwas, nämlich die Frage der Atomenergie aus österreichischer Sicht. Ich denke, die müsste man auch in diesem Rahmen, im Rahmen der Donauraumstrategie zum Thema machen und behandeln. Mochovce, Bohunice liegen in einem Anrainerstaat, der zur Donauregion


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gehört. Temelín liegt zwar in Tschechien, ist aber keine 100 Kilometer von der Donau entfernt.

Aus österreichischer Sicht muss es uns als atomfreiem Land einfach ein Anliegen sein, diese Thematik in diesem Zusammenhang anzusprechen. (Bundesrat Kneifel: Das steht aber ohnehin in der Verfassung!) Österreich ist ein starker Partner im Kontext der Donauraumstrategie, und daher sollte man das auch in diesem Rahmen ansprechen.

Nicht angesprochen wird sozusagen der Föderalismus, also die Aufteilung in Europa, Aufgabenverteilung, Demokratie. Man will zwar mehr Demokratie, man will mehr direkte Demokratie – wir haben heute schon darüber gesprochen –, aber gleichzeitig schafft man auch immer wieder mehr Zentralismus und mehr Bürokratismus.

Mit dem Fiskalpakt sind wir am besten Weg, zu einer Transferunion zu werden, und Österreich gibt damit sein wichtigstes Recht, nämlich die Budgethoheit, auf. Wenn Ausgleichszahlungen von den stärkeren zu den schwächeren Ländern erfolgen, dann halten wir das nicht für einen richtigen und gangbaren Weg. (Bundesrat Mag. Klug: Weil ihr eine Anti-Europa-Partei seid!) Die Menschen in Österreich wollen das einfach nicht, und wir sind eine Bürgerpartei, Herr Kollege Klug.

Im Bericht leider nur kurz angesprochen wird das Thema Binnengrenzkontrollen. Da heißt es, der Rat könnte sich damit am 28. und 29. Juni befassen, und wenn ich mir den Bericht der Frau Bundesminister für Inneres, dieses Papier zur Zukunftsstrategie anschaue, dann sage ich: Der Rat muss sich damit befassen, denn da sind unter anderem zwei Statistiken drinnen – auf Seite 27 –, in denen ausgeführt wird: Ermittelte Tatverdächtige bei Einbrüchen: 29 Prozent Inländer, 71 Prozent Fremde. Unter diese Fremden fallen aber 32 Prozent, die aus EU-Ländern kommen. In einer zweiten Statistik – und bei der Gelegenheit möchte ich auf einen offensichtlichen, wenn auch charmanten Fehler hinweisen, der da passiert ist – heißt es: Kfz-Diebstähle: 47 Pro­zent Inländer und Fremde 54 Prozent. 47 und 54 ergibt nach Adam Riese 101 Prozent, das dürfte tatsächlich nicht so ganz stimmen. (Ruf bei der ÖVP: Ein Rundungsfehler!) – Ja, aufgerundet. Genau, Herr Kollege!

Ein weiterer Punkt: der Euro-Plus-Pakt. Die österreichische Position ist die, dass man durch den Stabilitätspakt Obergrenzen für ein maximales Defizit von Bund, Ländern und Gemeinden festlegen will. Das ist zwar gut und das ist schön, aber wenn man sich die Sache genauer ansieht, dann erinnert man sich auch daran, dass bislang Verträge solcher Art nicht wirklich eine Rolle gespielt haben und man diese Vereinbarungen sehr oft nicht eingehalten hat. Ich erinnere da beispielsweise nur an die Maastricht-Kriterien, die uns 60 Prozent des BIP als Grenze für die maximale Verschuldung vor­geben. Betrachtet man aus heutiger Sicht die Staatsverschuldung Österreichs, so liegen wir derzeit, wenn man die ausgelagerten Institutionen wie ÖBB und so weiter dazurechnet, zwischen 80 und 90 Prozent.

Der letzte Punkt, auf den ich eingehe, geschätzte Damen und Herren, ist der Punkt Medienangelegenheiten. Man will den Menschen die Leistungen der EU näher­bringen. Und wie will man das tun? – Mittels Facebook, mittels Fernsehen, mittels Kino-Spots, mittels Brüssel-Reisen, die organisiert werden, und durch Beamte, die man in die Schulen schickt. Geschätzte Damen und Herren! Das kostet Geld, das verur­sacht Aufwand. Frage: Nutzen? Wo liegt der Nutzen?

Ich habe das heute schon gesagt, und es wurde auch schon diskutiert: Was Europa, was die Bürger Europas brauchen, ist eine verständliche Politik, eine Politik, die sie verstehen können, und keine Gleichmacherei, denn was in Spanien gilt, muss nicht in Rumänien gelten, und was in Polen gilt, muss nicht in Österreich gelten. (Bundesrat Mag. Klug: Es geht einfach um Best Practice!) Wenn man die Politik nicht auf die


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Bedürfnisse der Menschen abstimmt, dann helfen auch keine Medienoffensiven. Wir werden diesem Bericht daher nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


14.43.36

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Ich muss erst noch ein bisschen die Vorrede verdauen.

Ich sage es Ihnen gleich, ich werde in meinen Ausführungen eine extreme Ungleich­gewichtung der Vorhaben aus diesem Kapitel der Europäischen Kommission vornehmen. Den Hauptteil meiner heutigen Rede widme ich einer Menschenrechts­ver­weigerung, nämlich der Verweigerung der Gleichstellung von Mann und Frau. Trotzdem möchte ich vorab noch ein, zwei andere Dinge ansprechen.

Von wegen Gleichmacherei zwischen Spanien und Rumänien: Wir sind eine Union, aber offensichtlich sind noch nicht alle in dieser Union angekommen. In einer Union gibt es einfach ein paar Dinge, die wir gemeinsam zu tragen haben, zum Beispiel unter anderem, dass wir einen Status für europäische Parteien schaffen, dass wir die Kohäsionspolitik, die genau diesen Unterschieden Rechnung trägt, durchführen, dass wir beim Datenschutz gemeinsame Grundlagen haben und der EU-Grundrechtecharta zum Durchbruch verhelfen. Beim Datenschutz gilt, egal ob in Rumänien oder in Spanien, die Daten der EU-Bürger und -Bürgerinnen gehören geschützt, und das ist ein Anspruch, den wir für das gesamte Unionsgebiet erheben müssen. Die Internet­sicherheit, das E-Government – das sind alles Dinge, die die Bevölkerung von uns erwartet, und das ist auch drinnen.

Wo es Unterschiede gibt, und das ist ein ganz wichtiger Punkt, das ist in der Stadt­entwicklung. Ja, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass in 20 Jahren der Hauptteil der Bevölkerung der Europäischen Union in Städten leben wird, aber Städte und Städte sind nicht dasselbe. Wir haben heute im Osten, in den Gebieten der jüngsten EU-Erweiterung die Situation, dass in den Städten relativer Wohlstand und auf dem Land große Armut herrscht. Bei uns ist es umgekehrt. In den Staaten des westlichen Europa haben wir wesentlich mehr Armut in den Städten und wesentlich mehr Wohlstand auf dem Land. Hierauf gilt es, zu reagieren, und hier gilt es auch, Entwicklungsprogramme umzusetzen.

Die Donauraum-Strategie ist eine Kernmission. Ein Land, das wie Österreich an der Donau liegt, muss in diese Strategie alles verfügbare Hirnschmalz, alle denkbaren Emotionen hineinlegen. Natürlich geht es da letztlich auch, und das ist immer Ziel österreichischer Politik, um die Vermeidung und den systematischen Ausstieg aus der Atomkraft. Wir werden im EU-Ausschuss zum Energiepaket diesbezüglich eine entsprechende Feststellung machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Dokument enthält ein ganz wichtiges Kapitel, das ist die Gleichstellung von Mann und Frau. Ein Jahr hat die Grundrechtekom­missarin den Ländern der EU Zeit gegeben, um nachvollziehbar zu vermitteln, dass es tatsächlich zu einer Ausweitung der Vertretung von Frauen in den Vorstandsetagen kommt. Sie hat gesagt, es muss glaubwürdig sein. Und nach einem Jahr bilanziert Viviane Reding: Nichts ist geschehen; die Glaubwürdigkeit ist nicht gegeben. Wir haben zum Beispiel in Deutschland zwar eine Kanzlerin, aber zugleich eine wesentlich schlechtere Vertretung von Frauen in Vorstandsetagen als in Österreich.


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Es ist nach wie vor so, dass den Frauen die Gleichstellung, die ihnen von den Grundrechten her und in der Verfassung gegeben ist, verwehrt wird, dass Frauen ein Drittel weniger verdienen, dass nur eine von sieben Personen in den Vorstandsetagen eine Frau ist. Das ist nicht mehr zu akzeptieren, und deshalb besagt dieses Programm, dann werden wir eben in Richtung Quote gehen, und zwar gesetzlich verbindlicher Quoten. Würden wir die Entwicklung zugunsten der Frauen, die es bisher gegeben hat, weiter nur diesen kleinen Fortschritten überlassen, dann kommt die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau erst in Jahrzehnten! Von denen, die hier herinnen sitzen, ist dann wahrscheinlich niemand mehr in der Politik, und womöglich sind dann alle schon ganz weit im Pensionsalter.

Ich habe ein Zitat von Viviane Reding gefunden, das mir einfach gefällt, weil man ja immer wieder hört: Ich bin gegen Quoten. Viviane Reding sagt: Ich bin keine Frau von Quoten, aber ich mag die Ergebnisse, die Quoten bringen. – Und dieser Satz sagt eigentlich alles. Dieser Satz besagt, dass wir nicht mehr ohne verbindliche Quoten auskommen. Und es nützt nichts, wenn die Wirtschaft uns da immer wieder mit neuen Ausreden kommt.

Klar ist: Bereits heute müssen wir sagen, dass Frauen im Schnitt besser ausgebildet sind als Männer. Das zeigt die Anzahl der Akademiker, die die Universitäten verlassen, und das zeigt auch bereits der Überhang der Maturantinnen. Jetzt haben wir ja das System gewechselt, doch die ausgebildeten Frauen sind deutlich in der Überzahl, aber in den Führungsetagen und beim Lohn sind sie nach wie vor krass benachteiligt, und das ist eine Verletzung der Grundrechtecharta.

Interessant ist auch, das einmal von einem ganz anderen Standpunkt aus zu betrach­ten. Männer fördern Männer, wenn sie in Entscheidungsrollen sind, Frauen – und es gibt genug Untersuchungen dazu – entscheiden nach Qualifikationen.

Es gibt nach wie vor ein Übel. Ich war einmal zu einem Referat eingeladen und bin danach ganz irritiert von dannen gegangen. Es geht um diese Karrierenetzwerke und Eliteclubs. Dort saßen nur Männer, und ich durfte dort referieren. Danach hat der Vorsitzende gesagt, er möchte noch darauf hinweisen, dass die Gattinnen bei diesem einen Sozialmeeting einmal mitgebracht werden können. – Ja, wo sind wir denn überhaupt? Was ist das? Das sind aber genau jene Klubs, die Sie alle kennen, mit Augenzwinkern kennen, die bei den Karrierekontakten vorentscheidend sind, und das sind jene Klubs, die durch ein ganz legales Netzwerk Frauen letztlich aus Führungspositionen rauskicken.

Übrigens: 75 Prozent – das ist die neueste EUROSTAT-Umfrage, und da müssen also verdammt viele Männer mitgevotet haben – der EU-Bürgerinnen und Bürger sprechen sich dafür aus, dass es verbindliche Rechtsvorschriften zum Geschlechtergleich­gewicht gibt, und genau das wird hier angekündigt in diesem Programm. Deswegen lege ich auch so den Fokus darauf. Man sollte sich also nicht wundern, wenn das auch kommt.

Ich möchte mit einem Satz enden, der noch eine andere Sichtweise einbringt. Das Ausschalten von Frauen aus Karriere- und Spitzenpositionen ist ja auch eine Selbst­schädigung für uns selber, und Viviane Reding sagt – das ist auch ein schönes Zitat –: Das Fehlen von Frauen in den Spitzenpositionen der Geschäftswelt schadet Europas Wettbewerbsfähigkeit und behindert das Wirtschaftswachstum. – Wenn schon die feministische Begründung nicht zieht, dann vielleicht die andere, die das Geldbörserl betrifft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Blatnik: Bravo!)

14.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Wenger. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 101

14.52.40

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Brückl, ohne jetzt im Detail auf deine Rede eingehen zu wollen, ein Satz stimmt mich ein wenig bedenklich. Dass sich  die EU zu einer Transferunion entwickelt, weil der Stärkere dem Schwächeren hilft, das lässt mich schaudern. In Österreich werden wir den Finanzausgleich 2014 verhandeln. Das ist eine klassische Transferunion, auf die wir sicher nicht verzichten möchten. Ich hoffe, dass wir diesbezüglich schon auch wissen, warum es eine Transferunion gibt und im welchem Licht eine Transferunion gesehen werden muss, denn auf den Finanzausgleich wollen weder Länder noch Gemeinden gerne verzichten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Titel europäische Erneuerung finden sich also jene politischen Prioritäten, die von den Vorrednern bereits erwähnt worden sind und auf die auch schon im Detail eingegangen worden ist. Meine Themenschwerpunkte sind in etwa die gleichen, daher von mir wirklich nur mehr ganz kurz einige Ergänzungen beziehungsweise Erläute­rungen.

Der heutige Tag hat es so an sich, dass wir um das Thema Datenschutz nicht herumkommen. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema „Datenschutz“ durch die Beratungen. Das Thema „Datenschutz“ ist nun einmal in diesem Bericht, in diesem Programm, im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission von eminenter Bedeu­tung. Im Achtzehnmonatsprogramm ist auch die Annahme eines neuen, umfassenden Rechtsrahmens zum Schutz personenbezogener Daten in der EU enthalten.

Österreich sieht dabei das in der nationalen Richtlinie vorgegebene Niveau des Datenschutzes grundsätzlich als Maßstab an. Kommt es also zu einem umfassenden Datenschutz-Rechtsinstrument, dann vertritt Österreich den Standpunkt, dass das nationale Niveau nicht unterboten werden darf, und ich glaube, das ist ganz wichtig.

Grundsätzlich soll es auch datenschutzrelevante Initiativen im Bereich der Zusam­menarbeit zwischen Polizei und Justiz geben, und auch da ist es Österreich wichtig, dass das nationale Niveau gehalten wird.

Natürlich begrüßt Österreich die Initiative der Kommission, die Rechtsinstrumente zum Datenschutz in Einklang zu bringen, mit dem Vertrag von Lissabon abzugleichen und zudem an die Anforderungen durch die neuen technologischen Entwicklungen anzu­passen. Allerdings ist noch unklar, ob ein einheitliches Rechtsinstrument für den gesamten Bereich des Unionsrechtes einschließlich der Zusammenarbeit in den Bereichen Polizei und Justiz überhaupt vorgeschlagen wird oder die bestehende Trennung in zwei Rechtsinstrumente aufrecht bleibt.

Ein großer Bereich ist auch die Kohäsionspolitik beziehungsweise Regionalpolitik. Sie verfolgt eine Politik zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, und ich glaube, das ist eine der vornehmsten und wesentlichsten Aufgaben der Union. Die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen für diese Kohäsionspolitik sind bis 2013 festgelegt. Die Bedeutung dieser Politik sieht man daran, dass mit einem vorgeschlagenen Anteil von etwa einem Drittel der EU-Gesamtausgaben zirka 330 Milliarden € dafür vorgesehen sind. Dieser Bereich ist dann natürlich mit den Verhandlung zum mehrjährigen Finanzrahmen ganz eng verknüpft.

Wesentliche Elemente sind und sollen auch sein: Die Förderung aller Regionen Europas, natürlich finanziell abgestuft und auch nach wirtschaftlichem Entwicklungs­stand abgestimmt. Bekannte Projekte wie Interreg, als europäische territoriale Koope­ration, kennt jeder. Die diesbezügliche österreichische Position ist klar. Eine umfas­sende, abgestimmte österreichische Position zu diesem Verhandlungspaket wird derzeit erarbeitet beziehungsweise ist bereits finalisiert. Grundsätzlich ist natürlich zu


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begrüßen, dass die zentralen Punkte der österreichischen Position zur künftigen Aus­richtung der Kohäsionspolitik im Kommissionsvorschlag berücksichtigt worden sind.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die für das Jahr 2012 seitens der Ministerien geplanten Vorhaben nicht nur umfangreich, sondern auch sehr ambitioniert sind. Im vorliegenden Bericht ist zu den einzelnen Themen die österreichische Position klar formuliert, und in der Erwartung, dass die Umsetzung auch gelingt, stimmt die Fraktion der ÖVP dem vorliegenden Bericht zu. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.58.30

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich habe gar nicht gewusst (das Rednerpult und die Mikrofone absenkend), dass der Kollege so groß ist.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Brückl, ich stimme Ihnen insofern zu, als Anti­atompolitik wahrscheinlich in jeden dieser Punkte in dem Bereich hineinpasst. Ob die Donauraumstrategie dafür jetzt wirklich der wichtigste Ansatzpunkt ist, sei dahingestellt. Da gäbe es andere ökologische Probleme anzusprechen. Der Haupt­bereich, in dem Antiatompolitik greifen müsste, wäre der Finanzierungsbereich, der mehrjährige Finanzrahmen mit all seinen ausgelagerten Budgets, in dem dann irgendwo mittendrinnen noch die Milliardensubventionen für diverse Zuschüsse zwecks Sicherheit und Dekommissionierung enthalten sind. Das wäre der Punkt, den man sich in dem Zusammenhang ganz genau anschauen müsste und den wir ja hoffentlich nächste Woche in Brüssel auch unter die Lupe nehmen werden.

Ich möchte noch auf den Fiskalpakt eingehen. Laut Bericht haben sich die Mitglied­staaten entsprechend der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vom 9. Dezember zur Einführung einer Haushaltsvorschrift mit den folgenden Bestand­teilen verpflichtet: Die nationalen Budgets müssen grundsätzlich ausgeglichen sein. Liegt die Staatsverschuldung über 60 Prozent des BIP, so verpflichten sich die betroffenen Staaten im Einklang mit dem Sekundärrecht, die Differenz zum Referenz­wert von 60 Prozent im Durchschnitt um ein Zwanzigstel pro Jahr zu verringern. Und wenn dann die Defizitgrenze noch 3 Prozent des BIP überschreitet, verpflichten sich die Vertragsstaaten, den Vorschlägen beziehungsweise Empfehlungen der Kommis­sion zu folgen.

Sprich: Die Regierungschefs haben miteinander geredet und haben ausgemacht: Wir unterschreiben einen Vertrag, in dem wir uns verpflichten, dass unsere Budgets gewis­sen Anforderungen entsprechen. Regierungschefs sind meines Wissens nicht allein verantwortlich für ein Budget, sondern es sollte eigentlich auch das Parlament eine gewisse Mitsprache haben. Insofern fehlt mir bei dieser Fiskalpaktgeschichte ganz massiv die Einbindung des Parlaments.

Der Herr Bundeskanzler ist nicht da, aber vielleicht können Sie, Herr Staatssekretär, mir Auskunft geben, wann denn das wirklich geplant ist, dass das Parlament mit eingebunden wird. Immerhin gibt es doch einige offene Fragen, was die Umsetzung in österreichisches Recht betrifft. – Ihr habt euch das schon ausgemacht? (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Nein, wir haben nur darüber geredet, ob die Kollegin zuerst redet oder ich!) Okay.

Immerhin ist es so, dass diese Umsetzung des europäischen Fiskalpaktes schon auch Einfluss auf die österreichische Verfassung haben wird, nämlich insofern, als diese


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Korrekturmechanismen ja auch irgendwo festgeschrieben werden müssen. Üblicher­weise beschließt das Parlament ein Budget, und wenn das Parlament dann vielleicht nicht genau derselben Meinung ist wie derjenige, der da in der Europäischen Union unseren Standpunkt vertritt, dann haben wir ein Problem. Da stellt sich dann die Frage, was gilt: Gilt dann das, was der Bundeskanzler sagt, oder gilt das, was das Parlament sagt?

Wenn es darüber hinaus einen Mechanismus gibt, der besagt, ab einer gewissen Defizitgrenze werden automatisch Korrekturmechanismen ergriffen, und wenn es dann um die Streichung von Leistungen geht, dann ist das ja mehr oder weniger ein direkter Eingriff in unsere Gesetzgebung. Worauf können Bürger und Bürgerin dann noch vertrauen, wenn Leistungen versprochen werden, die Europäische Union aber, wenn man diese abrufen will, sagt: Das geht leider nicht!? Ich denke, dass da sehr wohl auch verfassungsrechtlich einiges zu klären ist.

Wenn ich dann die österreichische Position nachlese, die hier vermerkt ist, so lese ich hier: 

„Weiters unterstützt Österreich die Forderung von insbesondere Kommission und Europäischem Parlament nach einer möglichst zügigen Überführung der Inhalte des Vertrages in den institutionellen Rahmen à EU 27.“

Da würde ich gerne wissen, in welcher Form Österreich das unterstützt, und dann würde ich eben auch gerne wissen, in welcher Form dieser Vertrag dann ins öster­reichische Recht übertragen wird oder aufs österreichische Recht Einfluss nimmt.

Dann noch kurz – weil Herr Kollege Brückl das auch angesprochen hat – zu diesen Medienangelegenheiten: Wie bringe ich den Bürgerinnen und Bürgern die Europäische Union näher? Kollege Brückl hat gemeint: Wo ist der Nutzen? – Also wenn er diesen Nutzen nicht sieht, dann tut es mir schrecklich leid; vielleicht nicht für ihn persönlich, weil die FPÖ ja nicht unbedingt in dem Ruf steht, die Europäische Union den Bürgerin­nen und Bürgern näherzubringen. Ich denke aber, es ist sehr, sehr wichtig, dass die österreichischen Jugendlichen, Kinder, aber vor allem auch die Erwachsenen ver­stehen lernen, wie die Europäische Union funktioniert, auch wenn nicht alles perfekt ist, keine Frage. Wir haben heute schon diskutiert über Demokratie et cetera. Es geht auch darum, dass in der Europäischen Union verschiedene Kulturen zu Hause sind und dass man durch eine etwas breitere Berichterstattung auch etwas davon mitbekommt.

Zum Glück sind die Jugendlichen heutzutage ganz anders als wir damals noch mit unseren Brieffreunden aus dem „Bravo“; möglichst einer aus Deutschland war ein großer Erfolg. Heutzutage ist das alles anders. Diese Grenzen sind aufgehoben und aufgeweicht. Inzwischen können zum Glück fast alle Englisch, und es ist nicht mehr dieses: Ogottogott, da ist eine Grenze, und drüber darf ich nicht schauen! Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir auch medial diese Eindrücke und auch die politischen Diskussionen der Europäischen Union den Bürgerinnen und Bürgern näherbringen.

Das ist einer der wichtigsten Punkte. Wenn die Europäische Union ein Friedensprojekt ist, dann ist sie es in diesem Sinne, denn dann kenne ich meine Nachbarn und werde ich mit denen wahrscheinlich nicht mehr Krieg spielen, sondern vielleicht andere Spiele spielen. – Hoffentlich. (Heiterkeit.)

Bei den TV-Sendungen mit europäischen Inhalten – das habe ich im Ausschuss schon angemerkt – ist nur vermerkt, dass es seit Herbst 2011 in Kooperation mit dem Privatsender ATV eine Reihe von Fernsehdiskussionen zu europäischen Themen gibt. Ich denke, wir haben hier im Haus bei den Sitzungen regelmäßig den ORF III, und in ORF III gibt es sehr viele europäische Diskussions- und Informationssendungen. Das sollte man zumindest im nächsten Bericht – der folgt ja schon in einem halben Jahr, da


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geht es ja weiter – schon auch anführen, denn das ist wirklich ein qualitativ sehr hoch­wertiges Programm, und das sollte, müsste und könnte man den Menschen in diesem Bericht näherbringen.

Insgesamt werden wir den Bericht gerne zur Kenntnis nehmen, auch wenn inhaltlich nicht immer alles so ist, wie wir es gerne hätten. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


15.05.45

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich teile die Ungeduld des Herrn Bundesrates Schennach, was die Gleichstellung von Frauen und Männern betrifft, und ich hoffe, wir alle hier  teilen diese Ungeduld, denn in der Tat ist es so, dass wir, wenn nichts passiert, sicherlich noch Jahrzehnte warten müssten, bis Gleichstellung erreicht ist, und das wollen wir doch, glaube ich, alle nicht, ob schon in Pension befindlich oder noch nicht. Daher möchte ich kurz zu Punkt 9 Stellung nehmen

Bei den Vorhaben innerhalb der Union im Bereich der Gleichstellung sind wir in vielen Bereichen gut parallel geschaltet, was die Zielsetzung und die Maßnahmen betrifft, aber es gibt in einigen Bereichen natürlich auch bei uns noch Nachholbedarf. In dem Bereich, prinzipiell die Erwerbstätigkeit von Frauen zu heben, ist es das Ziel, dass bis zum Jahr 2020 75 Prozent aller Frauen erwerbstätig sein sollen. Wir liegen jetzt in Österreich bei knapp 67 Prozent, sind also nicht mehr so weit weg von dieser Zahl, aber – das Aber kommt von mir, wie vielleicht erwartet – hier sind natürlich alle Arbeits­verhältnisse mit eingeschlossen.

Ich plädiere dafür, dass die hohe Zahl der Frauen in Österreich, die teilzeitbeschäftigt sind, keine Dauerlösung sein kann und darf. Es kann nicht sein, dass fast jede zweite Frau in unserem Land in einer Teilzeitbeschäftigung ist, die nicht 30 oder 32 Stunden beträgt, von der man ja durchaus auch ganz angenehm leben könnte, sondern sich die meisten Frauen in 16-, 20-Stunden-Verträgen befinden und noch dazu nicht in sehr gut bezahlten Bereichen, sondern in eher schlecht bezahlten Branchen. Viele dieser Frauen brauchen zusätzlich Sozialhilfeleistungen, damit sie Miete bezahlen können und durchkommen, vor allem wenn sie allein mit einem Kind leben, vielleicht auch noch große Verpflichtungen bestehen oder Unterhalt nicht regelmäßig bezahlt wird. Letzteres ist ein Thema, das immer wieder kommt, und wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir eventuell hier als Staat so einspringen könnten, dass Kinder auch zu ihrem Unterhalt kommen. Also alles Themen, die, heruntergebrochen auf unser Land, viel Arbeit für uns bedeuten und woran wir auch arbeiten. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Aber lassen Sie mich ganz kurz abschließend noch sagen, dass ich mich damals selbst­verständlich gleich bereit erklärt haben, nationale Partnerin von Viviane Reding, der EU-Kommissarin, zu sein, die hier einfach auch diese Ungeduld benennt. Der Bericht enthält ein Update, weil ja erst vor wenigen Tagen die Europäische Kommis­sion in einer Tagung darüber gesprochen hat, was denn dieses Freiwilligenjahr, wenn ich das so sagen darf, gebracht hat. Gerade einmal 24 Unternehmen in Europa haben diese Selbstverpflichtung unterschrieben, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu heben, und das ist natürlich ein Tropfen, ja ein Tröpfchen auf dem heißen Stein. Die Konsultation bis Ende Mai ist, glaube ich, gerade noch so eine Grenze, wo man sagen kann: Schauen wir, ob im nächsten halben Jahr hier zumindest das Bekenntnis dazu oder die eine oder andere Veränderung noch passiert. Ansonsten würde ich mich


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persönlich darüber freuen, dass der Rückenwind für Österreich aus der Europäischen Union dann ein stärkerer wird und dass wir hier sehr nachhaltig auch zum Handeln aufgefordert werden.

Die dänische Ratspräsidentschaft hat Gleichstellung selbstverständlich auf der Agen­da. Das ist ja nicht unbedingt ein Land, wo noch gar nichts passiert ist, nein, es ist eines der skandinavischen Länder, wo schon sehr viel im Bereich der Gleichstellung passiert ist, und da werden wir natürlich all diese Dinge auch aufnehmen.

Frauen und Klimawandel ist meiner Ansicht nach ein sehr wichtiges Thema. Hier wird ein großer Fokus auf Frauen und Ökologie gelegt und darauf, welchen Einfluss der Klimawandel letztendlich auch auf das Leben von Frauen hat. Da können und werden wir selbstverständlich das eine oder andere aufnehmen.

Was mich ein bisschen betrübt – das ist auch im Update zu finden –, ist, dass die dänische Präsidentschaft jetzt beim Rat für Beschäftigung, der auch vor einigen Tagen war, zunächst auch auf Freiwilligkeit setzt, was die Unternehmen und das Heben von Frauen in Führungspositionen betrifft. Aber auch hier wird, glaube ich, bald die Erkenntnis vorherrschen, dass mit Freiwilligkeit nichts zu bewirken ist.

Daher: Unsere Selbstverpflichtung in Österreich, die wir uns ja gemeinsam gewünscht haben, die wir gemeinsam beschlossen haben, die wünsche ich mir selbstverständlich in Österreich auch für die Privatwirtschaft. Vielleicht gelingt hier auch demnächst der nächste Schritt. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

15.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.

 


15.10.46

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit einer tatsächlichen Berichtigung einer eigenen Aussage zum vorigen Tagesordnungspunkt. Ich habe Jürgen Melzer versehentlich zu einem Steirer gemacht; er ist natürlich ein Niederösterreicher. Karl Boden hat mich zu Recht darauf hingewiesen.

Nun zum jetzigen Tagesordnungspunkt. Kollegin Kerschbaum hat da einige Fragen gestellt. In Wahrheit geht es um einige Kernfragen: Wollen wir die Europäische Union? Wollen wir den Euro? Ich sage zu beiden uneingeschränkt ja. Natürlich wollen wir die Europäische Union. All jenen, die daran Zweifel haben, kann ich nur zwei Dinge empfehlen: einerseits ein Buch von Timothy Garton Ash, in dem er kritisiert, dass die Europäische Union sehr lange braucht in ihren Entscheidungen – natürlich aufgrund ihrer Verfasstheit –, er weist aber darauf hin, dass es früher zwar schneller gegangen ist, aber man aufeinander geschossen hat.

Das Zweite ist ein sehr empfehlenswertes Buch von Hugo Portisch, das heißt „Was jetzt?“, in dem Portisch genau beschreibt, dass sozusagen unser Kontinent oder der Teil der Europäischen Union davon gekennzeichnet war, dass es in der Vergangenheit alle 20 Jahre einen Krieg gegeben hat zwischen Frankreich, Deutschland, aber auch anderen, und natürlich die Europäische Union dazu geführt hat, dass das nicht mehr stattfindet und dass unsere Generation das alles nicht mehr erlebt hat.

Zur Frage des Euro. – Es hat vor kurzem eine Statistik gegeben auf Basis einer Studie, wo gefragt wurde: Wer hat am meisten profitiert vom Euro? Und das Ergebnis war: Österreich. Man kann das auch relativ einfach an Zahlen darstellen. Das betrifft nicht nur die Inflation, die geringer ist als im Durchschnitt, bevor wir zur Eurozone beige­treten sind, das zeigt sich auch in der Wirtschaft. Österreich ist zu 55 Prozent expor-


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torientiert in den Euroraum, mehr als 500 000 Menschen finden dadurch Arbeit in diesem Land, und ich glaube, das sind zwei ganz gewichtige Gründe.

Natürlich gibt es viele Punkte, wo auch wir kritisch sind. Die Frage Atom ist vorhin schon angesprochen worden, wo wir natürlich andere Positionen haben als viele andere Länder in Europa.

Zu den Themen, die uns in den letzten Monaten oder eigentlich Jahren, seit die Finanz­krise ausgebrochen ist, intensiv beherrscht haben, gehören sozusagen Repa­raturen, die nachholen, was man beim Schaffen, beim Einführen des Euro versäumt hat. Ein wesentlicher Teil davon ist der sogenannte Fiskalpakt, ein anderer Teil ist der ESM. Wir werden beide Teile und natürlich auch den Artikel 136 des Vertrages wahrscheinliche nächste Woche im Ministerrat haben, und in der Folge geht das Ganze natürlich ins Parlament.

Ich habe heute Vormittag gemeinsam mit der Kollegin Budgetausschuss gehabt, und das, was wir jetzt gemacht haben, dieses Stabilitäts- oder Konsolidierungspaket, hat natürlich auch Hintergrund in dem, was bei Sixpack, Fiskalpakt und so weiter ver­einbart wurde und wo wir auch glauben, dass es vernünftig ist, dass wir uns abkoppeln, loslösen sozusagen von der, sagen wir, intensiven Abhängigkeit von den Finanz­märkten.

Die Maßnahmen zeigen auch Wirkung. Die letzte Zehn-Jahres-Anleihe haben wir zu einem Zinssatz von, ich glaube, 2,89 Prozent verkaufen können, also sehr günstig, die Spreads zu Deutschland sind permanent im Sinken. Wir sind heute unter 100 Punkten Aufschlag; das war schon lange nicht der Fall. Man sieht das auch an den Inflations­zahlen, die gestern bekanntgegeben wurden. Und dass wir insgesamt – Rudi Hundstorfer ist gerade gekommen – seit vielen, vielen Monaten Europameister sind, was die niedrigste Arbeitslosigkeit anbelangt, sei auch erwähnt.

Wie geht es weiter oder wie wird sozusagen das Parlament eingebunden? – Wir hatten letzte Woche – Kanzler, Vizekanzler, Finanzministerin, Finanzstaatssekretär, ich, Glawischnig, Van der Bellen und Werner Kogler – eine erste Runde, wo wir vereinbart haben, dass es weitere Gespräche genau zu diesem Thema gibt. Zum ESM bräuchten wir zwar keine Zweidrittelmehrheit, zur Änderung des Artikels 136 des Vertrages sehr wohl, und wir haben vereinbart, dass wir intensive Gespräche führen mit dem Ziel, dass wir bis Juli dieses Jahres dieses Paket umgesetzt haben.

Deutschland hat es gestern im Ministerrat gehabt, wir werden es, wie gesagt, nächste Woche haben, wobei es auch – und das ist ein ganz wesentlicher Punkt – um die Frage der Beteiligung, der Einbindung, der Mitwirkung des Parlaments in diesem Be­reich geht. Also das Parlament wird eingebunden. Zu Ihrer Frage, die Sie – sagen wir einmal so – süffisant gestellt haben: Gilt, was der Bundeskanzler sagt, oder gilt, was das Parlament sagt?, sage ich Ihnen: In einer demokratischen Republik, die wie sind, gilt natürlich immer das, was das Parlament sagt, dort, wo das Parlament die Entschei­dung hat. Dass der Bundeskanzler einen solchen Vertrag ratifiziert, ergibt sich ebenfalls aufgrund der österreichischen Bundesverfassung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 107

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun darf ich auch den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz offiziell bei uns begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Grünen.)

15.16.3010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Frei­willigengesetz – FreiwG) erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichs­gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­siche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenver­siche­rungsgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (1634 d.B. und 1661 d.B. sowie 8680/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


15.17.26

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förde­rung von freiwilligem Engagement erlassen wird sowie das Familienlastenaus­gleichs­gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­siche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversiche­rungs­gesetz und das Gebührengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt den Antrag, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


15.18.29

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen und Kolleginnen im Bundesrat! – Kollege Stefan Schennach, ich glaube, mit der Gleichstellung der Geschlechter hast du sicher nicht gemeint, dass man für Frauen, was die Frage der allgemeinen Wehrpflicht anlangt, auch eine Gleichstellung vollziehen soll. Ich glaube, das war nicht gemeint. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wäre das die Frage, dann würden wir dieses Gesetz, das jetzt beschlossen werden soll, wahrscheinlich hier nicht diskutieren.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass mit diesem Gesetzentwurf eine Beschreibung der Freiwilligenarbeit in Österreich gelungen ist, nicht eine Beschreibung des Freiwilligen Sozialjahres, sondern der Freiwilligenarbeit insgesamt. Anzuführen ist in diesem Bereich, wie wichtig diese für die Republik ist: 15 Millionen Wochenstunden an geleis­teter Arbeit; das sind immerhin zirka 44 Prozent der Gesamtbevölkerung über 15 Jah­ren, die sich da im Dienste der Nächsten einbringen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 108

Ich selber konnte im Herbst bei einem mittelschweren Verkehrsunfall, der für einen Beteiligten sehr tragisch geendet hat, erleben, wie bezahlte Organisationen zusam­menwirken mit Organisationen, die darauf angewiesen sind, mit unbezahlten Hilfs­kräften zusammenzuspielen, und wie diese sich hier vernetzen und letzten Endes zu meist guten Ausgängen verhelfen.

Wir sprechen von 3 Millionen Bürgern, die Dienst an der Allgemeinheit leisten, aber wir sprechen hier, was konkret dieses Gesetz anbelangt, von in etwa 450 Personen. Also da besteht schon ein bisschen die Gefahr, dass wir im Gesamtsegment Freiwilligen­arbeit eine Zweiklassengesellschaft herbeiführen, die einerseits durchaus abgesichert ist, während auf der anderen Seite grundlegende Sicherungsmechanismen fehlen. Ich denke dabei zum Beispiel an Pensionszeiten, ich denke, was vielleicht sehr wichtig wäre, an die Aufnahmeerleichterung in den öffentlichen Dienst oder daran, dass Be­triebe, welche freiwillige Einsatzkräfte beschäftigen, vielleicht fiskalisch entlastet werden könnten. Ich denke nur an Betriebe in meiner Heimat. Wenn die Sirene der Feuerwehr ertönt, dann steht oft nur mehr der Chef alleine im Betrieb, der Rest der Leute ist im Einsatz.

Folgender Punkt noch: der Zugang zur Freiwilligenarbeit für Migranten. Auch das ist immer wieder zu bemerken: Wenn wir von Integration sprechen, müsste gerade da der Hebel angesetzt werden, um bei jenen Bürgern, die sich hier bei uns niederlassen – egal, ob vorübergehend oder dauerhaft –, durch deren Hilfeleistung oder dadurch, dass sie sich zur Verfügung stellen, durchaus auch die Integration zu fördern, weil sie sich damit in das Gemeinschaftswesen und in das Gesellschaftswesen leichter einbringen können.

Aber was bringt überhaupt die Zukunft? – Noch ist ja offen, wie man mit der allge­meinen Wehrpflicht in Zukunft umgehen wird. Wenn diese wegfallen sollte, entfällt analog dazu natürlich auch der Zivildienst, und was das dann für jene Einrichtungen bedeutet, welche auf die mehr oder weniger Freiwilligen aus diesen gesetzlich verankerten Einrichtungen angewiesen sind, wird man dann einfach spüren.

Die Freiwilligenarbeit gehört grundsätzlich gefördert und nicht zielgruppengefördert. Dem Gesetz werden wir heute nicht zustimmen. Es fehlen hier noch wichtige Para­meter, es ist nicht reif, und es fehlen einfach bis zum Ende durchdachte Grundsätze und Ansätze. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


15.23.12

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Euro­päischen Jahr der Freiwilligentätigkeit haben wir heute einen sehr historischen Moment. Wir beschließen heute ein Freiwilligengesetz.

Bevor ich auf wichtige Punkte eingehe, möchte ich mich herzlich bei all jenen Menschen bedanken, die in diesem Land freiwillig arbeiten, freiwillig tätig sind, egal, ob es karitative, soziale Dienste, Kirchen oder politische Parteien oder Jugend- und Seniorenorganisationen sind. Mein Vorredner hat schon gesagt, 44 Prozent der Men­schen in Österreich betätigen sich freiwillig. Wir gehören damit zu den Top-Ländern in Europa.

Ein kurzer Auszug: Österreicherinnen und Österreicher ab dem 15. Lebensjahr betei­ligen sich zu 17 Prozent im Bereich Kultur, zu 15 Prozent im Bereich der kirchlichen Organisationen, zu 14 Prozent bei den Hilfsdiensten, zu 14 Prozent in Rettungs- und


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 109

Katastrophendiensten und viele Menschen in Sport-, Jugend- und Seniorenorgani­sationen. Diese Tätigkeiten sind ein wichtiger Bestandteil unseres Zusammenlebens.

Dieses Gesetz schafft Planungssicherheit für das Freiwillige Sozialjahr. Wichtig ist, dass eine Klarstellung getroffen wurde, dass es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt. Dieses Freiwillige Sozialjahr beruht auf zwei Säulen: auf der einen Seite dem freiwilligen Engagement, auf der anderen Seite einer beruflichen Bildungsorientierung für junge Menschen. Möglich ist das Freiwillige Sozialjahr ab der Vollendung des 17. Lebensjahres oder unter besonderen Voraussetzungen ab dem 16. Lebensjahr. Es dauert sechs bis maximal zwölf Monate.

Wesentlich ist auch, dass die Träger, die dieses freiwillige Sozialjahr anbieten, einem scharfen Zulassungsverfahren unterworfen sind. Damit ist sichergestellt, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind, aber auch das Bildungskonzept eine wichtige Rolle spielt und durchgeführt werden kann.

Für junge Menschen, die dieses Freiwillige Sozialjahr machen, ist auch von großer Bedeutung, dass Personen zur Verfügung stehen, die ihnen in schwierigen Situationen zur Seite stehen, wie zum Beispiel im Rettungsdienst. Denken Sie an die Versorgung von Schwerstverletzten.

Ein zentraler Aspekt ist die Arbeitsmarktneutralität. Es darf nicht dazu führen, wenn jemand freiwillig in einem Verein tätig ist, dass damit ein Beschäftigter, der in diesem Verein angestellt ist, seinen Arbeitsplatz verliert und dann gekündigt wird. Darauf wird besonders zu achten sein. Ebenso ist sichergestellt, dass Kranken- und Unfall­versiche­rung beinhaltet sind und Taschengeld ausbezahlt wird.

Lange Diskussionsprozesse haben zu diesem Ergebnis geführt. Es ist ein gutes Fundament für die Freiwilligentätigkeit in Österreich. Herr Bundesminister, Gratulation zu diesem Gesetz und zu den Beamten Ihres Hauses, die dieses Gesetz erarbeitet haben! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

15.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


15.27.42

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundes­minister! Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Zuerst ein Dankeschön für Ihre ehrenamtlichen Dienste, die Sie tagtäglich erbringen. Es sind ja drei Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die ehrenamtlich arbeiten, und Oberösterreich hat ja im letzten Jahr das „Jahr des Ehrenamtes“ ausgerufen und hier Entsprechendes geleistet. (Bundesrätin Posch-Gruska: Europa war das!) Oberösterreich war Vorreiter im Bereich des Ehrenamtes. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ebenso im Versicherungsschutz. – Nicht lachen, aufpassen! – Da hat Ober­öster­reich, das Land Oberösterreich gemeinsam mit der Oberösterreichischen Ver­siche­rung, einen Versicherungsschutz für Ehrenamtliche im Unfall- und Kranken­versiche­rungsbereich aufgebaut. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für ehrenamtlich tätige Personen.

Ich möchte hier auf einen weiteren wichtigen Punkt eingehen, der noch nicht genannt wurde, obwohl mein Vorredner über das Thema schon sehr ausführlich berichtet hat. Unser Kollege aus dem Nationalrat August Wöginger hat es auch im Bereich des Ehrenamtes geschafft, dass die Familienbeihilfe bis zum 24. Lebensjahr ausbezahlt werden kann und auch eine dementsprechende Absetzbarkeit ermöglicht wird. In diesem Sinne auch ein Dankeschön dem Nationalratsabgeordneten Gust Wöginger, der sich sehr stark im Bereich Ehrenamt und der Freiwilligenarbeit engagiert. (Bun-


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 110

desrat Stadler: Ah, der Wöginger hat das alles gemacht!) Das passt schon, das ist alles in Ordnung, lieber Kollege. (Bundesrat Stadler: Der Wöginger hat das gemacht?) Kollege Wöginger hat den Antrag eingebracht, und ich muss sagen, wenn August Wöginger nicht so ein Vorreiter in diesem Bereich gewesen wäre, wäre es sicherlich nie zustande gekommen, lieber Kollege aus Schärding! (Bundesrat Stadler: Das werde ich ihm sagen! – Bundesminister Hundstorfer: Das weiß er eh! – Lebhafte Heiterkeit bei der SPÖ.)

Im Bereich des Ehrenamtes ist es auch besonders wichtig, dass die Möglichkeit zur Berufsfindung besteht. Wir haben viele junge Menschen, die im Bereich des Frei­willigen Sozialjahres erst den Weg finden, ob sie im Bildungsbereich weitermachen oder eine berufliche Laufbahn einschlagen. Hier ist es wichtig, dass diese Planungs­sicherheit im Freiwilligen Sozialjahr gegeben ist.

Unsere Fraktion stimmt natürlich diesem Gesetzesbeschluss gerne zu und gratuliert dem Herrn Minister und besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Minis­teriums zu dieser Arbeit. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.

 


15.30.21

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte es kurz machen. Wir werden diesem Gesetzesbeschluss zustimmen. Wir können uns ja, glaube ich, einig sein, dass Freiwilligkeit in diesem Land in einem hohen Maße vorhanden ist, dass ehrenamtliche Arbeit gemacht wird. Das eint unser Haus ganz bestimmt, und daran gibt es gar nichts zu rütteln. Wir können ruhig stolz sein in Österreich, dass es so eine hohe Quote an Freiwilligenarbeit gibt. Das finden wir wunderbar.

Dass es gesetzliche Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste geben soll, war ja schon eine sehr lange Forderung, eine langjährige Forderung vor allem von Jugend- und Freiwilligenorganisationen, und dass die nun geschaffen werden, ist wirklich wunderbar. Besonders freuen wir uns als Grüne, dass die Freiwilligenarbeit im Ge­denk­dienst und im Friedens- und Sozialdienst jetzt auch für Frauen möglich ist. Und wenn wir einmal weiterdenken – es wurde heute der Wehrdienst schon ange­sprochen –, wenn vielleicht der Wehrdienst auch einmal freiwillig ist, nämlich für Männer und Frauen, sehr geehrter Kollege von der FPÖ, dann ist es natürlich nur selbstverständlich, dass die Freiwilligendienste auch für Männer und Frauen im vollen Umfang zur Verfügung stehen und auch die gleichen rechtlichen Absicherungen zur Folge haben.

Wir haben – das ist bekannt – von den Grünen her nichtsdestotrotz noch einige Wün­sche, und die zwei wichtigsten möchte ich hier doch geäußert haben. Zum einen würden wir es begrüßen, wenn die Familienbeihilfe, wenn ein Freiwilligenjahr gemacht wird, dann auch um ein Jahr erhöht wird auf 25 Jahre. Zum anderen glauben wir, dass ehrenamtliche Arbeit auch sehr große Hilfe für die Berufsorientierung leisten kann. Wenn junge Menschen sich entscheiden, zum Beispiel im Sozialbereich zu arbeiten, und sei es einfach nur, um einmal hineinzuschnuppern, wenn sie Freude erleben und dann dort wirklich gute Freiwilligenarbeit machen, dann möchten wir, dass das auch als Ausbildung anerkannt wird.

Das fehlt noch zu einem gewissen Grad, und da kann man beim Freiwilligenpass sicher noch Anpassungen machen. Das gehört noch evaluiert, weiterentwickelt, aber


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 111

ich hoffe doch, dass das passiert. Vielleicht verspricht uns das der Herr Minister heute ja auch. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

15.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Lugsteiner. – Bitte.

 


15.33.21

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr viel zu diesem Punkt gesagt worden, und ich glaube, das ist für unsere Jugend ganz wichtig, dass da etwas passiert.

Ich möchte da vielleicht ein paar Punkte anführen, wie sich junge Menschen orientieren können. Es kann sein, dass sie sich ganz einfach sozial engagieren und auf diese Art praktisch testen wollen, ob sie für einen Sozialberuf überhaupt geeignet sind. Es kann sein, dass sie ein Wartejahr vielleicht sinnvoll überbrücken, Chancen zur persönlichen Entwicklung nützen, sich selber in einem anderen Umfeld besser kennenlernen möchten, praktische Erfahrung machen wollen oder nach einer Lehre eventuell einen Berufsumstieg planen.

Jugendliche, die sich für ein solches soziales Jahr entscheiden, haben sehr viele Mög­lichkeiten, wo sie dieses Jahr verbringen. Es ist ja schon angeklungen, in Deutschland gibt es das schon seit 1964, aber wir haben es heuer auch geschafft.

Freiwilliges Engagement ist für Österreich unverzichtbar, aber auch nicht selbst­verständlich. Damit sich auch in Zukunft möglichst viele Menschen freiwillig enga­gieren, sorgt das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für attraktive Rahmenbedingungen. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von Freiwilligenorganisationen werden innovative Projekte und Maßnahmen zur Förderung von Freiwilligenengagement entwickelt und umgesetzt.

Zum Abschluss noch: Freiwilligentätigkeit ist das Herzstück einer sozialen und soli­darischen Gesellschaft eines Landes. Schön, wenn wir unserer Jugend die Chance und die Möglichkeit geben, sich der gesellschaftlichen Herausforderung in dieser speziellen Form zu stellen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


15.35.21

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann natürlich verstehen, dass man im Bundesrat sein Land speziell hervorkehren will. Das kann ich verstehen (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig), aber, nicht bös sein, als Ober­österreicher sind Sie jetzt so ausgerutscht wie nur irgendwas, denn der, der neben Ihnen sitzt, hat das schon viel länger, diesen Versicherungsschutz für Freiwillige, viel länger als Oberösterreich. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Hätten Sie sich informiert, Herr Abgeordneter, dann wäre das nicht passiert. Und was ich Ihnen noch sagen darf: Wien hat es genauso lang wie Vorarlberg. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Um das gleich einmal abzurunden: Tirol hat das auch schon erledigt, Burgendland hat es erledigt, Oberösterreich hat es voriges Jahr erle­digt, und zwei Bundesländer gibt es, die sind gerade in der sogenannten Umset­zungs­pipeline, nämlich die Steiermark und Salzburg. Dann haben die das auch erledigt.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 112

Zur Familienbeihilfe. Ich kann ja verstehen, dass ein Oberösterreicher, da der Familien­minister Oberösterreicher ist, jetzt dem Sozialsprecher, der auch Oberösterreicher ist, gratulieren will. Nur, was ist die Wahrheit? – Die Wahrheit ist: Das Sozialministerium muss mitzahlen beim Familienressort, damit es das gibt. Das ist die Wahrheit! Eine weitere Wahrheit ist, dass Kollege Mitterlehner und ich es dem Wöginger überlassen haben, den Antrag einzubringen. – Bleiben wir bei der ganzen Wahrheit! (Lebhafte Heiterkeit sowie Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf heuer 600 000 € an das Familienressort überweisen, das sind 50 Prozent der heurigen Kosten. Das tun wir gerne, damit wir uns ja nicht missverstehen. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Moment! Jetzt seid doch nicht so sensibel! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Bundesrat, Sie sind aus Tirol. (Bundesrat Günther Köberl: Steiermark!) Aus der Steiermark! Entschuldigung! (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Langer Rede, kurzer Sinn, damit wir wieder zum Ernst der Sache kommen: Natürlich geben wir alle gemeinsam Steuergeld aus, das ist ja überhaupt nicht das Thema, wir haben uns das aber ressortmäßig geteilt. Damit heuer der Anstoß wirklich funktionieren kann, haben wir gesagt, okay, wir zahlen mit, damit das auch funktioniert. Es ist in der Koalition sehr, sehr friedlich und einstimmig über die Bühne gegangen. – So. Das ist einmal der eine Punkt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Ja, wir sind Nummer eins und so weiter. – Zwischenwahlkampf wieder been­det!

Herr Bundesrat Pirolt, ich weiß, die Freiheitlichen haben ja schon im Plenum „Nein“ gesagt und haben krampfhaft ein paar Punkte gesucht. Ich versuche, das zumindest noch in fünf Sätzen zu erklären.

Eine bevorzugte Aufnahme in den öffentlichen Dienst geht aus vielen, auch verfas­sungsrechtlichen, Gründen nicht. Wir haben 3 Millionen Freiwillige, ihr meint aber eine ganz bestimmte Gruppe dieser 3 Millionen, nämlich die „Blaulichtmenschen“. Und, ehrlich gesagt, das halten wir nicht durch, denn der Musikverein ist genauso wichtig, der Sportverein ist genauso wichtig, ebenso die politischen Parteien – wir alle, wie wir da sitzen, könnten ja ohne freiwillige Funktionäre gleich von Haus aus zusperren –, Gewerkschaften und, und, und. In Wahrheit meint ihr aber immer nur die Blaulichtorganisationen. Sprechen wir es offen aus! Es geht immer nur um die.

Jetzt wissen Sie, dass wir ein Rundschreiben machen. Das ist ja bekannt. Das Bundeskanzleramt wird nach der Beschlussfassung hier und nach der Unterschrift des Herrn Bundespräsidenten ein entsprechendes Rundschreiben an die Ministerien senden, dass solche Personen bevorzugt aufzunehmen sind. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wir haben lange über steuerliche Anreize diskutiert. Jetzt auch wiederum: Für wen und wo und wie? Sie kommen aus Kärnten. Sie haben in Kärnten zum Beispiel eine Berufsfeuerwehr. Diese Berufsfeuerwehr in Klagenfurt Stadt deckt Klagenfurt ab, teilweise geht es nur in Kombination mit den Freiwilligen Feuerwehren der Umgebung von Klagenfurt, denn drei Brände auf einmal, und Klagenfurt Stadt fährt nicht mehr, weil niemand mehr da ist. Da müssen die Freiwilligen hereinkommen. Genauso ist es in Linz, ganz egal, wo. Das können wir uns jetzt aussuchen.

Jetzt haben wir ein paar Gegenden, wo Freiwillige wirklich aus ihrer ursächlichen betrieblichen Umgebung fahren, und dann haben wir eine Gegend, wo das nicht funktioniert. In Wien zum Beispiel gibt es auch zwei Freiwillige Feuerwehren, aber die sind in peripheren Randlagen und machen gewisse Wochenendsachen, aber unter der Woche sind die mehr oder weniger nicht unterwegs, weil sie alle irgendwo berufstätig sind.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 113

In Wahrheit hätten wir wieder neue Diskriminierungen: Wer, wann, wie, wo? Ist das nur für die Rettung? Gilt es nur für die Feuerwehr? Demzufolge haben wir das weg­gelassen. Ich glaube nämlich, ein Betrieb, der bevorzugt Freiwillige aufnimmt – und wir haben erst vor zwei Jahren Betriebe geehrt, die so etwas tun –, kann das sehr wohl auch als Werbung verkaufen. Das muss ja nicht immer gleich alles in Geld sein, man kann das ja auch so verkaufen. Und demzufolge haben wir das nicht gemacht.

Eine Weiterentwicklung wird es noch geben, die gemeinsam mit dem Freiwilligenrat entstanden ist, das ist dieser sogenannte Freiwilligenpass. Die Person, die so einen Freiwilligenpass besitzt, ist, wie das Wort schon sagt, damit legitimiert, sich irgendwo halt als Freiwilliger zu beschäftigen und quasi zu sagen: Bitte, ich tue das. Ich nehme zudem an, dass über diesen Pass noch weitere Aktivitäten laufen werden.

Langer Rede, kurzer Sinn: Auch wenn die Freiheitlichen nicht mitstimmen, ich danke dem Rest des anwesenden Bundesrates  (Heiterkeit und Zwischenrufe. – Bundes­rätin Kerschbaum: Was heißt „Rest“?) Lasst mich einmal ausreden! Entschuldigung! (Weitere Zwischenrufe.) – Gut! Heute sind Sie besonders streng.

Ich danke den 95 Prozent, die mitstimmen. Denen danke ich! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Mitterer: Wieso 95 Prozent? 9 von 62! Das sind nicht 95 Prozent!) Ist okay. Ich habe deshalb „95 Prozent“ gesagt, Herr Bundesrat, weil Sie ja geistig dabei sind. (Lebhafte allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Primär geht es ja darum, dass Sie die Order haben, hier nicht mitstimmen zu können, obwohl Sie es innerlich ja sehr wohl gerne tun würden. Darum habe ich „95 Prozent“ gesagt. Ich danke für die hohe Zustimmung, und das Wort „Rest“ nehme ich mit dem Ausdruck des Bedauerns natürlich zurück. Aber ich war heute schon drei Stunden im Budgetausschuss, und das hat geprägt. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Saller zu Wort. – Bitte.

 


15.43.14

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch das Ende des Europäischen Freiwilligenjahres darf keinesfalls die notwendige Unterstützung des unverzichtbaren und notwendigen Ehrenamtes durch die Politik enden. Ganz im Gegenteil: Die im Zuge des Jahres der Freiwilligenarbeit zahlreich durchgeführten Untersuchungen und Umfragen sollte man nutzen, um richtige Schlüs­se daraus zu ziehen und Regelungen zu treffen, die das Ehrenamt weiter attraktiv machen. Damit verbunden ist natürlich auch ein besonderer Dank an alle Freiwilligen, die jetzt schon ehrenamtlich tätig sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses neue Gesetz liegt jetzt zeitgerecht vor. Wir freuen uns für die jungen Menschen, dass die Rahmenbedingungen zum Frei­willigen­jahr deutlich und großartig verbessert worden sind. Dass dieses Jahr aus­schließ­lich auf junge und nicht, wie in zwei Bundesländern in Deutschland, bewusst auch auf ältere Damen und Herren ausgedehnt wurde, ist allerdings ein großer Wermutstropfen. Österreichs Seniorinnen und Senioren sind besonders fleißige Frei­willige, ob Soziales, Kultur, Sport, Bildung, überall. Auch ich zitiere jetzt ein Bun­desland: Alleine in Salzburg sind in Sachen Pflege rund 5 000 Personen in Heimen, zirka 3 800 werden von professionellen Einrichtungen gepflegt – Rotes Kreuz, „Hilfswerk“ und viele andere –, und 14 000 werden zu Hause gepflegt. Für diese Pflege ist wieder ein überwiegend


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 114

großer Teil natürlich auch ehrenamtlich tätig, davon ganz besonders viele Frauen. Das muss man ganz besonders hervorheben.

In einer aktuellen Meinungsumfrage, „Generation 60 Plus“, und zwar von der GfK-Austria im Auftrag des Seniorenbundes, sagen 19 Prozent der 60-Plus-Generation, sie wären gerne aktiv, wenn sie bloß jemand fragen würde. Österreich wird es sich wahrscheinlich nicht länger leisten können, dieses Potential nicht mit einzubeziehen in diese gesetzlichen Veränderungen. Dazu bräuchte man natürlich auch verschiedene Begleitmaßnahmen, wie etwa die Freiwilligenkoordinatoren.

Man sollte daher künftig den Fokus gerade auch auf diese Bevölkerungsgruppe richten. Dem wichtigen ersten Teil des Freiwilligenjahres, so wie es jetzt vorliegt, sollte daher auch ein zweiter Teil folgen mit der Einbeziehung der älteren Generation. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


15.46.19

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Zum Engagement der Freiwilligen ist heute schon sehr viel gesagt worden, auch sehr viele Zahlen. Beim Recherchieren ist mir jedoch eine Zahl untergekommen, die mich schon sehr beeindruckt hat, und die möchte ich euch gerne weitersagen. 15 Millionen Arbeitsstunden wöchentlich werden von Menschen über 15 Jahren ehrenamtlich geleistet. 15 Millionen Arbeitsstunden! Ich denke mir, das ist eine wirklich hervorragende Leistung. Ich möchte daher auch die Gelegenheit nutzen, hier allen Ehrenamtlichen ein herzliches Dankeschön zu sagen. Es würde Österreich nicht so gut dastehen, würde es diese ehrenamtliche Tätigkeit nicht geben.

Bei diesem Freiwilligengesetz, das jetzt wirklich eine Errungenschaft ist, über die ich sehr, sehr glücklich bin, gibt es vier verschiedene Dinge, wo wir wirklich einen wesent­lichen Schritt vorangehen: das Freiwillige Sozialjahr, das Umweltschutzjahr, der Frie­dens- und Sozialdienst im Ausland und, was mich natürlich besonders freut, der Gedenkdienst, wobei jetzt auch Frauen die Möglichkeit haben, diesen Gedenkdienst zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in allen vier Bereichen, die ich jetzt aufgezählt habe, den Jugendlichen sehr, sehr viel an Erfahrung mitgeben können, was für ihren weiteren Lebensweg, was für ihre berufliche Orientierung und ihr soziales Engagement wichtig ist.

Die TeilnehmerInnen am Freiwilligenjahr haben Anspruch auf Taschengeld – wir haben das sowohl vom Minister als auch von meinen Vorrednern, Vorrednerinnen schon gehört –, aber ich möchte noch zwei Dinge ansprechen, die noch nicht erwähnt worden sind. Das eine ist das Internetportal „www.freiwilligenweb.at“, wo sich alle Menschen diese Informationen holen können und vielleicht doch der eine oder die andere Mut fasst, hier wirklich im Freiwilligenjahr mit dem neuen Gesetz wesentlich mehr zu machen. Das andere ist die Installierung des Freiwilligenrates, von dem ich glaube, dass er eine sehr, sehr gute Sache ist, weil hier wirklich sehr viele Menschen mit eingebunden sind. Auch aufgrund dessen, dass die Freiwilligenarbeit – wie wir auch schon gehört haben – in Österreich eine sehr umfangreiche ist und von ganz Jung bis ganz Alt viele betrifft und hier wirklich an alle gedacht wurde, glaube ich, dass das eine sehr gute Institution ist.

Wir haben heute schon vom Bundesland Oberösterreich gehört, das ja voriges Jahr – nur Oberösterreich? – das Jahr der Freiwilligen gehabt hat. Ich möchte ein Beispiel aus


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 115

der Metropole von Österreich, aus meiner Heimatgemeinde Hirm, nennen, ein Beispiel deswegen jetzt aus einer Gemeinde, weil ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir hier alle gemeinsam an einem Seil ziehen. Wir haben jetzt seitens des Bundes Rah­menbedingungen bekommen, für die Freiwilligen ein Gesetz zu schaffen, es wird aber so sein, dass die Länder und auch die Gemeinden mitziehen müssen und die Frei­willi­gen auch mitunterstützen müssen. Ich kann als Bürgermeisterin von meiner Gemeinde sagen: Wenn ein Gemeindearbeiter bei uns aufgenommen wird, dann hat er auch bei der Freiwilligen Feuerwehr dabei zu sein. Denn so wie es der Kollege Pirolt vorher ge­sagt hat, es ist wirklich ein großes Glück, wenn in einer Gemeinde alle Feuerwehrleute in dieser Gemeinde arbeiten können. Ich bin in einer burgenländischen Gemeinde tätig. Das ist eine typische Pendlergemeinde, und ich denke mir, davon gibt es sehr, sehr viele im ländlichen Raum. Ich glaube, dass jeder Einzelne, jede einzelne Institution sehr wohl zu diesem Gesetz beitragen kann und dieses Gesetz auch mit Leben erfüllen kann.

Ich hätte mir von den Freiheitlichen schon sehr gewünscht, dass sie nicht nur immer die Haare in der Suppe suchen, nicht nur immer alle Gesetze schlechtmachen, immer alle Initiativen schlechtmachen und daher auch die Leute draußen verunsichern. Dieses Gesetz ist wirklich eine Errungenschaft, und man hätte dazu „Ja“ sagen können, „Ja“ sagen können zur Tätigkeit von sehr, sehr vielen Ehrenamtlichen und endlich auch einmal ein Danke sagen können und nicht nur immer die Menschen draußen verängstigen und verunsichern müssen. Aber leider ist es auch diesmal nicht gelungen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Der Herr Minister hat es schon gesagt, das Land Burgenland hat diese Versicherung natürlich auch schon gemacht. Diese Entsolidarisierung der Menschen, die es in unserer Gesellschaft leider gibt, und das Fehlen des Faktors Menschlichkeit wird in Vereinen ausgeglichen, und die Ehrenamtlichen bekommen dann auch etwas zurück für ihre Tätigkeit.

Ich möchte wirklich ein herzliches Danke sagen an das Ministerium, an alle Beamten und Beamtinnen, die dieses Gesetz ausgearbeitet haben. Mein rotes Herz freut sich, dass wir von einer Ich-AG zu einer Wir-Gesellschaft kommen. – Jedes Herz ist rot, auch das von den Schwarzen. (Lebhafte Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Also mein rotes Herz freut sich und hüpft vor Freude, dass wir von einer Ich-AG zu einer Wir-Gesellschaft kommen (Zwischenrufe des Bundesrates Edgar Mayer) – bei manchen tief schwarz (neuerliche Heiterkeit) –, dass wir dieses Freiwilligengesetz wirklich umsetzen können. – Danke und herzliche Gratulation noch einmal! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

15.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 116

15.51.3711. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird (1633 d.B. und 1663 d.B. sowie 8666/BR d.B. und 8681/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist wiederum Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Ich bitte um den Bericht.

15.51.52

 


Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Füller. – Bitte.

 


15.52.47

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute debattieren wir einen längst überfälligen Schritt, einen wenn auch in der Öffentlichkeit eher wenig bekannten und wenig beachteten Umstand, nämlich, dass bisher die Zuständigkeit für die Opfer­fürsorge bei den Ländern gelegen hat. Diese Zuständigkeit soll mit der heute vor­liegenden Änderung des Opferfürsorgegesetzes auf die Bundesebene gehoben werden. Dieser Schritt ist ein weiterer, ein kleiner, aber ebenso wichtiger, dem auch innerhalb der Verwaltungsreform noch viele andere Schritte in vielen anderen Be­reichen folgen werden müssen.

Was bedeutet eigentlich die Opferfürsorge? – Da wird eine Gruppe von Menschen unterstützt, die Unmenschliches erleiden musste, Menschen, die zu Unrecht mindes­tens drei Monate im Zuchthaus oder im KZ verbringen mussten, die bleibende schwere psychische und physische Schäden davongetragen haben, die sich über Monate hinweg verstecken mussten und vieles andere mehr.

Nach dem jetzigen Gesetz erhalten rund 3 000 Menschen in Österreich diese Hilfe. Die Kosten belaufen sich auf jährlich rund 16 Millionen €. Das ergibt durchschnittlich einen Betrag pro Monat und Person von unter 450 €. Die Zahl jener, die die Zahlungen nach dem Opferfürsorgegesetz in Anspruch nehmen können, wird von Monat zu Monat geringer – 2010 wurden noch 1 884 Renten ausbezahlt –, auch die Zahl der Anträge für andere Leistungen sinkt kontinuierlich. Die durchschnittliche Verfahrensdauer hat je nach Bundesland bis zu 23 Monate betragen. Die AntragstellerInnen selbst sind heute


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80 Jahre und älter. Viele der Betroffenen sehen sich leider auch nicht mehr imstande, sich den Aufwand sozusagen anzutun.

Diese nun geplante Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsverbesserung soll den Betroffenen helfen, ihr Recht zu bekommen. Die bisherigen neun Rentenkommissionen in den Bundesländern werden durch eine bundesweite Rentenkommission ersetzt. Auch die Opferverbände haben im laufenden Begutachtungsverfahren diesen Bereich sehr kritisch unter die Lupe genommen und eine ersatzlose Abschaffung der Renten­kommissionen nicht gutgeheißen. Aufgrund des Begutachtungsverfahrens wurde daher eine bundesweite Rentenkommission eingesetzt. Das nun zuständige Bundes­sozial­amt wird schnelle Entscheidungen für die Menschen ermöglichen, Entscheidungen, die auch den Menschen zugutekommen.

Ich glaube, alles in allem können wir davon ausgehen, dass es ein guter und richtiger Schritt in Richtung Entbürokratisierung ist. Gleiches Recht, egal in welchem Bun­desland, wird für alle gleich gelten, und schnellere Verfahren und Entscheidungen für die Betroffenen werden diesen dann auch zu ihrem Recht verhelfen und sie unter­stützen.

Wir sind den Opfern, diesen Menschen gegenüber verpflichtet. Daher bitte ich Sie um Ihre Zustimmung und freue mich auch, dass das fraktionsübergreifend der Fall sein wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


15.56.07

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Juli 1947 gibt es ein Opferfürsorgegesetz. In weiterer Folge gab es zahlreiche Novellierungen, und auch der Kreis der Anspruchsberechtigten wurde erweitert.

Wir haben eine besondere Verpflichtung und Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus. So ist es unsere Verpflichtung, Wiedergutmachung zumindest in Form von Abgeltungen zu leisten, die für viele Betroffene oft lebensnotwendig sind. Insgesamt trifft es zirka 1 900 Personen. Es ist daher unsere dringliche Aufgabe, das Verfahren nach dem Opferfürsorgegesetz zu beschleunigen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie war die Situation bis jetzt? – Verfahren in den Ländern wurden durchgeführt, welche oft lang, oft zu lange dauerten, und so ist neben der Wiedergutmachung auch eine Maßnahme der Verwaltungsreform eingetreten. Man sollte das nicht geringschätzen, auch wenn es ein kleines Projekt ist. Die Verfahren werden künftig beim Bundessozialamt abgehandelt mit dem Beirat, in dem Länder und Opferorganisationen vertreten sind. So verschwinden Doppelgleisigkeiten, auch werden Kapazitäten für andere Sachen frei.

Die vorliegende Gesetzesänderung ist also einerseits eine rasche finanzielle Hilfe für viele Opfer und andererseits eine Verwaltungsvereinfachung, dass man effizienter handeln kann.

Diese Vorlage ist zu begrüßen. Und wir werden selbstverständlich dazu unsere Zustim­mung geben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.57


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 



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15.58.00

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auch wir werden dieser Vorlage zustimmen. – Wie es mein Vorredner schon angesprochen hat, war die Handhabung bisher immer sehr unterschiedlich in den Bundesländern. Es hat erklärliche und manchmal auch unerklärliche Gründe für Verzögerungen gegeben. Dass das jetzt beim Bund ange­siedelt wird, ist sicher zu begrüßen und wird sicherlich auch einer Verfahrens­verkür­zung dienlich sein.

Ich möchte nur ganz kurz einige Zahlen aus Oberösterreich nennen: Mit Stichtag 1. Jänner 2011 gab es in Oberösterreich insgesamt 83 Rentenbezieher. Die Renten teilten sich folgendermaßen auf: 32 Opferrenten, 46 Witwen- beziehungsweise Hinter­bliebenenrenten und 5 Waisenrenten.

Seit dem Inkrafttreten des BGBl. Nr. 86/2005 mit Wirksamkeit Juli 2005 konnte für insge­samt 51 gänzlich neue Rentenbezieher eine Verbesserung der Einkommens­situation herbeigeführt werden. Es mussten alle einkommensabhängigen Leistungen neu berechnet und festgesetzt werden. Von der Opferfürsorge des Amtes der Ober­österreichischen Landesregierung werden rund 150 Personen betreut. Die erhalten eben eine Amtsbescheinigung, Opferausweis und sonstige Begünstigungen nach dem Opferfürsorgegesetz.

Für Geldaushilfen aus dem Ausgleichstaxfonds betreffend Heilfürsorge wurden insge­samt 101 Ansuchen eingebracht. Darüber hinaus gab es in der Opferfürsorgestelle insgesamt 142 Vorsprachen allein in Oberösterreich. Für Beihilfen an Einzelpersonen wurden insgesamt 49 400 € ausgegeben. Dieses Geld wurde auf drei Opferverbände aufgeteilt, wovon jeder in etwa 10 500 € erhalten hat.

Ich finde, dass das eine ganz wichtige Sache ist, wir sind das diesen Menschen schul­dig. Natürlich werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung erteilen. – Danke.(Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

16.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

16.01.3212. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (1811/A und 1665 d.B. sowie 8682/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Ich bitte um den Bericht.

 


16.01.49

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verle­sung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


16.02.37

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir beschließen heute eine Änderung des Urlaubs­gesetzes und Landarbeitsgesetzes 1984. Diese Gesetzesänderung geht auf einen Initiativantrag einiger Nationalratsabgeordneter zurück und stellt eine Gesetzesan­passung an unionsrechtliche Bestimmungen dar, denn mit einem EuGH-Urteil wurde festgestellt, dass das Dienstrecht der Vertragsbediensteten des Landes Tirol dem Unionsrecht entgegengestanden ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus frauenpolitischer Sicht ist diese Gesetzesän­derung ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung, daher ist sie natürlich sehr zu begrüßen. Es geht immerhin darum, dass erworbene Urlaubsansprüche aufgrund von Karenzzeiten nicht mehr verjähren, nicht mehr verfallen.

Bislang sah nämlich das Urlaubsgesetz vor, dass Urlaube, die vor Antreten des Mutter­schutzes und der Karenz nicht konsumiert wurden, nur maximal zehn Monate aufge­schoben werden konnten. Das hat aber gerade jene Frauen, die längere Mutterschutz- und Karenzzeiten in Anspruch genommen haben, betroffen, die nach der alten Geset­zeslage ihren Urlaubsanspruch dann verloren haben. Das war natürlich schlicht und einfach nicht okay. Es kann nicht sein, dass Frauen, die in Karenz gehen, arbeits­rechtlich schlechtergestellt und um ihre erworbenen Ansprüche geprellt werden!


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Wir haben vor zwei Tagen die Diskussion im Ausschuss gehabt. Da ist zu Recht die Frage aufgekommen, warum es eigentlich eines Urteiles des Europäischen Gerichts­hofes bedurft hat, um diese offensichtliche Ungleichheit, die vor allem Frauen betrifft, zu beseitigen.

Offenbar scheint das Unionsrecht zu Elternkarenz – beziehungsweise nennt sich das Elternurlaub – im Textwortlaut nicht eindeutig genug gewesen zu sein, sodass eine Auslegung dieser Bestimmungen notwendig war, nämlich, um Klarheit und Rechts­sicherheit dahingehend zu bringen, dass arbeitsrechtliche Ansprüche durch Karenz eben nicht verjähren und dass gewährleistet sein muss, dass sich die Arbeitnehmerin im Anschluss an die Karenzzeit in derselben arbeitsrechtlichen Position befinden muss wie davor.

Das ist im Großen und Ganzen ein großartiger Schritt. In Hinkunft bleiben daher die Urlaubsansprüche während der Karenzzeit aufrecht, was natürlich mehr an Rechts­sicherheit und Vorteile für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringt. Das ist natürlich ein wichtiger Schritt, um diese Lücken zu schließen, die Frauen in Karenz benachteiligen. Meine Fraktion wird dieser Gesetzesänderung natürlich wohlwollend zustimmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Jachs zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.05.37

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Herr Bundesminister! Auch unsere Fraktion wird aus ganzem Herzen und mit Begeisterung der Änderung des Urlaubsgesetzes und des Landarbeitsgesetzes zustim­men. Ich freue mich, dass diese Novelle möglich ist und dass auch eine gemeinsame Einbringung dieses Antrages unseren Fraktionen möglich war.

Es geht dabei um das Thema Urlaubsgesetz. Für uns alle ist der Urlaub die schönste Zeit im Jahr. So wie wir uns auf einen Urlaub freuen, so sollen wir uns auch auf die Zeiten der Kindererziehung freuen können. Daher lade ich Sie dazu ein, dass wir uns neben der heutigen Änderung des Urlaubs- und des Landarbeitergesetzes auch einen weiteren Reformschritt erarbeiten, nämlich zur Frage: Wie können wir Eltern noch besser unterstützen, damit nicht nur der Urlaub die schönste Zeit im Jahr ist, sondern damit auch die Jahre der Kindererziehung die schönsten Jahre im Leben von Eltern, von Müttern und Vätern, werden?

Dazu lade ich Sie ein! Und ich freue mich, dass wir heute diese Änderung gemeinsam beschließen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.07.01

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wenn auch nicht mit vollem Herzen und voller Theatralik, werden auch wir dieser Vorlage zustimmen, denn es kann nicht sein, dass Frauen, wenn sie in Karenz gehen, dadurch ein Nachteil erwächst. Deswegen sind diese Änderungen zu begrüßen.

Natürlich wird auch unsere Fraktion dieser Vorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.07



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 121

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Bundesrat Zangerl zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Zangerl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es liegt nicht immer in der Kürze die Würze!)

 


16.07.36

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Es freut mich natürlich, wenn alle dieser Vorlage zustimmen. Alleine in Innsbruck hat es noch vor einem oder einem halben Jahr ganz anders ausgeschaut.

In einem am 22. April 2010 ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union bestätigte dieser die Rechtsansicht der Arbeiterkammer Tirol und erklärte drei Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes für Europa als rechtswidrig. Vertragsbedienstete, die von einer Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung wechseln, mussten eine Kürzung ihres bereits erworbenen, aber noch nicht verbrauchten Urlaubes hinnehmen.

Dem hat der Europäische Gerichtshof nun eine Riegel vorgeschoben und der AK Tirol recht gegeben, dass diese Vorgangsweise der EU-Teilzeitrichtlinie widerspricht, da dies eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten darstellt.

Der Gerichtshof betont in seinem Urteil, dass der Urlaubsanspruch eines Arbei­tnehmers ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechtes der EU ist. Aber es profitieren auch arbeitende Eltern von diesem Erkenntnis. Jeder Urlaub, den sie vor Antritt einer Karenz nicht mehr verbrauchen konnten, muss nun auch nach Ende der Karenz zur Verfügung stehen. Bislang ist der Urlaubsanspruch während einer zwei­jährigen Karenzdauer leider Gottes verfallen.

Das Erkenntnis hat aber nicht nur Auswirkungen auf Vertragsbedienstete, sondern auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die noch einen alten Urlaub vor der Karenz übrig hatten. Besonders betroffen sind davon Mütter, die aus gesundheitlichen Grün-den in vorzeitigen Mutterschutz gehen müssen und daher keine Chance haben, ihren Urlaub vor der Karenz anzutreten.

Das Recht, dass jene Ansprüche, die man vor Antritt der Karenz hatte, auch nachher aufrecht sind, lässt sich aus der Elternurlaubsrichtlinie der EU ableiten und steht daher auch jeder Arbeitnehmerin und jedem Arbeitnehmer in Österreich zu.

Schließlich können sich aber auch befristet und fallweise Beschäftigte im öffentlichen Dienst über dieses Gesetz freuen. Sie müssen entgegen der bisherigen Regelung nun auch dem Vertragsbedienstetengesetz unterliegen, was beispielsweise für Sitzwachen in den Krankenhäusern viele Vorteile bringt.

Bisher wurden Studenten, die oft auf derartige Einnahmen eigentlich existentiell ange-wiesen sind, um ihr Studium fortzusetzen, klar benachteiligt. Beispielsweise verdienten Medizinstudenten, die neben ihrem Studium als Sitzwachen in der TILAK arbeiteten – um ein Beispiel aus Tirol zu nehmen –, weniger als die Hälfte dessen, was eine un­qualifizierte Aushilfskraft in der Gehaltstabelle des Vertragsbedienstetengesetzes ver­diente, und das ist, ehrlich gesagt, ein unhaltbarer Zustand.

Die EU verbietet nicht nur die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten, sondern auch jegliche Diskriminierung vom befristet Beschäftigten. Für mich ist dies ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit, und es erfüllt mich mit Freude, dass offensichtlich alle hier in diesem Hohen Hause Vertretenen diesem Gesetz zustimmen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

16.11



BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 122

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

16.11.3013. Punkt

Jahresbericht 2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehn­monatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes (III-459-BR/2012 d.B. sowie 8683/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Ich bitte um den Bericht.

 


16.11.55

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz des Bundesrates über den Jahresbericht 2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundes­ministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legis­lativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Acht­zehn­monatsprogramms des polnischen, dänischen und zypriotischen Ratsvorsitzes.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 den Antrag, den Jahresbericht 2012 gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2012 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des polnischen, dänischen und zyprio­tischen Ratsvorsitzes zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


16.12.56

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Empfehlung werden wir nicht nachkommen. Ich werde auch erörtern, warum dem so ist. Der Gegenstand des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission hat für das Jahr 2012 vier Prioritäten.

Priorität Nummer eins: „Ein Europa der Stabilität und der Verantwortung“.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 123

Die Stabilität schaut derzeit so aus, dass wir bislang 21 Milliarden € an Haftungen für Griechenland übernommen haben. Durch den ESM-Gouverneursrat nächste Woche, haben wir heute schon gehört, wird im Ministerrat der ESM beschlossen werden und kann diese Haftung auf 70 Milliarden € angehoben werden. Das ist nicht unbedingt die Stabilität und die Verantwortung, die wir uns für Europa vorstellen.

Der zweite Punkt: „() Union des Wachstums und der Solidarität“. – Klingt auch wunderschön. Das Einzige, das in Europa derzeit wächst, sind die Schulden und die Arbeitslosigkeit.

Dritter Punkt: „Mehr Gewicht für die Stimme der EU auf der Weltbühne“. – Würde ich mir persönlich durchaus wünschen. Die einzigen Stimmen, die wir derzeit hören, sind die Stimmen der Frau Merkel und des Herrn Sarkozy. Das ist derzeit die Stimme Europas auf der Weltbühne, und zwar seit Monaten, Herr Kollege Klug. Seit Monaten!

Dann der vierte Punkt, und da werde ich dann auf die Details eingehen: „Intelligente Rechtsetzung und konkrete Umsetzung“. – Da geht es darum, dass EU-Bestimmungen für Kleinunternehmen beziehungsweise für Unternehmen geprüft und angepasst wer­den. Da gibt es so eine großartige Bestimmung wie zum Beispiel die Arbeitsplatz­evaluierung. Es ist so: Wenn Sie Arbeitgeber sind, müssen Sie dem Installateur sagen: Diese Leiter hat zehn Stufen, und wenn du versuchst, auf die elfte Stufe zu steigen, wirst du auf der anderen Seite runterfallen!, und darüber müssen dann Berichte geschrieben werden, das muss dann eingereicht werden.

Da wäre es dringend an der Zeit, dass man sich von gewissen Normen, die da in den vergangen Jahren eingeführt wurden, wieder verabschiedet; weil es einfach einen massiven Arbeitsaufwand bedeutet, weil da unheimlich viel Arbeitskraft gebunden wird, was sehr viel Geld kostet, und das für die Unternehmer nicht unbedingt ein Weg ist, wie sie künftig, gerade in Zeiten wie diesen, wirtschaften können.

Aber was für mich beim Durchlesen dieses Berichts einer der ausschlaggebenden Gründe war, das abzulehnen, war: Da gibt es zum Beispiel den „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung () über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesund­heitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz“.

Das ist an sich eine wunderbare Sache, sollte man meinen. Wir haben hier in Öster­reich an sich sehr gute Bestimmungen, die sich seit Jahren bewährt haben, die sich durchgesetzt haben, die im Großen und Ganzen sehr gut funktionieren. Wir haben derzeit 16 Wochen, sprich acht Wochen vor der Geburt und acht Wochen nach der Geburt das Beschäftigungsverbot. Dann kommt der Sozialminister und erlässt am 17. Dezember 2010 18 Diagnosen, für die der vorzeitige Mutterschutz gilt; und ausge­nommen sind da zum Beispiel niederer Blutdruck mit Kollapsneigungen und Blutungen in der Frühschwangerschaft.

Das heißt: Auf der einen Seite versucht die Europäische Kommission, diese Bestim­mungen zu verbessern, wo die Republik durchaus sagt: Na ja, wenn wir uns das so anschauen, muss man schon fragen, ob das wirklich so vernünftig ist, dass wir künftig eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubes über 16 Wochen hinaus haben werden! und meint: Können wir uns das überhaupt leisten? – Darüber können wir diskutieren, Herr Sozialminister. Es ist durchaus nachvollziehbar, gerade in Zeiten des Sparens, dass man nicht unbedingt mit der Gießkanne hergeht und sagt: Machen wir 20 Wochen! Wer bietet mehr? Machen wir 22, machen wir 25 Wochen!

Aber auf der anderen Seite geht man in der Begründung dieser Beilage her und sagt: Ist das Leben oder die Gesundheit der schwangeren Frau oder des Kindes durch


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Weiterarbeit gefährdet, so besteht über die acht Wochen hinaus von der Geburt an das Beschäftigungsverbot. – Und dann geht der Herr Bundesminister her und erlässt, dass Blutungen in der Frühschwangerschaft oder niedriger Blutdruck mit Kollapsneigung nicht mehr unter diese Diagnose fallen! Wenn man diese Frauen, die vielleicht in Beru­fen arbeiten, wo sie durchaus gefährdet sind, wo sie durchaus Gefahr laufen, ihr Kind zu verlieren, einfach herausnimmt, dann sage ich: Das, Herr Bundesminister, war kein Meisterstück! Das hätten Sie sich sparen sollen.

Wir wissen auch aus einer Anfragebeantwortung – es war übrigens eine Kollegin von den Grünen, die diese Anfrage gemacht hat –, dass es da natürlich, wie bei jeder Bestimmung, wie bei jeder Verordnung, auch den Missbrauch gibt. Den gibt es, solange es Menschen gibt, und den wird man auch nicht abschalten können. Nur: Der Missbrauch steht in keinem Verhältnis dazu, welches Gefährdungspotential für Schwangere ausgeht, wenn sie in einer kritischen Situation trotz allem arbeiten gehen müssen, nur weil der Sozialminister sagt: Nein, das nehmen wir heraus, künftig ist das für uns kein Dienstfreistellungsgrund mehr!

Da passt einfach nicht in die österreichische Tradition, das man sagt, man bekennt sich dazu, dass man Schwangere, die Kinder bekommen, fördert, dass die natürlich Anspruch auf bestmöglichen Schutz haben sollen. Die Europäische Union in ihrem Bericht verlangt weiters sogar, dass das noch mehr ausgeweitet wird. Da können wir jetzt darüber diskutieren: Ist das gescheit? Ist das nicht gescheit? Und vor allem: Können wir uns das leisten? Denn: Fordern kann man alles, was schön und teuer ist, aber die Frage ist eben immer, wie man es bedeckt, wie man es finanziert.

Aber es geht der Sozialminister einfach her und streicht bestimmte Gründe heraus und sagt: Nein, das ist für mich kein Grund mehr!, gibt einen Erlass heraus, und der Schutz der werdenden Mütter ist in diesem Fall dann eben nicht mehr gegeben.

Das, Herr Bundesminister, hätten Sie sich wirklich sparen können! Das ist einer der Gründe, warum wir sagen: Dieser Bericht, der uns hier vorliegt, passt nicht mit der österreichischen Politik zusammen!

Abschließend, in Zusammenfassung vielleicht noch etwas, um hier einmal klarzu­stel­len: Wir haben heute schon öfters gehört, dass die politischen Parteien natürlich auch dazu da sind und auch die Verantwortung haben, dass sie den Menschen die Euro­päische Union erklären. Aber wenn Sie sich dazu dann den Verfahrensstand anschauen, nur zu diesem Vorschlag der Richtlinie, über die ich gerade gesprochen habe, dann können Sie Folgendes feststellen:

Im Dezember 2008 hat der französische Vorsitz einen Fortschrittsbericht vorgelegt, im Jahr 2011 hat es unter belgischem Vorsitz am Rat eine Orientierungsaussprache gegeben, im Dezember 2011 legte der polnische Vorsitz einen Fortschrittsbericht vor, und eine Fortsetzung der Diskussion unter dänischem Vorsitz ist angedacht – vom Jahr 2008 bis zum heutigen Tag!

Das ist einer genau jener Punkte, wo wir sagen: Das ist schwer erklärbar! Wobei es natürlich auch Aufgabe einer Bundesregierung ist, da ein bisschen aufs Tempo drücken. Sie können kaum erklären, dass man bei Bestimmungen, wo es um Wöchne­rinnen, schwangere Frauen und den Kinderschutz geht, seit dem Jahr 2008 immer wieder Fortschrittsberichte macht, und wir dann einen Zwischenbericht vorlegen, der dann wieder debattiert wird. Wenn das so weitergeht, sind wir in fünf Jahren immer noch so weit wie heute, denn offenbar passiert einfach nicht viel.

Da wäre natürlich auch die österreichische Bundesregierung gefordert, aufs Gaspedal zu drücken, ein bisserl Tempo vorzugeben. Hier hätte die österreichische Bundes-regierung durchaus auch die Möglichkeit, an der Vermarktung oder am Verkauf der


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Sinnhaftigkeit diverser Gremien in Europa positiv mitzuarbeiten. Nur tut sie es leider nicht, da sie offenbar mehr mit den eigenen Problemen im eigenen Land beschäftigt ist, was durchaus nachvollziehbar ist.

Aber bitte schön, ersparen wir uns doch diese Debatten, die sich über fünf, sechs, sieben, acht, neun Jahre hinziehen, wobei die eigene Politik dem, was von der Euro­päischen Kommission dem Österreichischen Parlament oder den europäischen Län­dern empfohlen wird, im Endeffekt diametral gegenübersteht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.21.05

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir diskutieren heute den Jahresbericht des Bundesministers über das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2012. Meines Erachtens werden in diesem Bericht aus arbeits- und sozialpolitischer Sicht sehr viele wichtige Bereiche behandelt.

Ich möchte an dieser Stelle auch gleich einige der ambitionierten Ziele dieses Berich­tes oder dieses Arbeitsprogrammes nennen, nämlich Wachstum und Beschäftigung. Ich kann dieses ambitionierte Ziel oder diese Ziele der Wachstumsförderung und Arbeitsplatzschaffung nur unterstützen und möchte darauf hinweisen, dass diese Wachstumsstrategie schon seit mehr als zehn Jahren als Ziel der Europäischen Union definiert wird.

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Seit der Krise, die als Finanzkrise im Jahr 2008 begonnen hat, sich zu einer Wirtschaftskrise ausgebreitet hat und heute Staatsschuldenkrise heißt, seit dieser sogenannten Staatsschuldenkrise steht der Sozialstaat in Europa unter enormem Druck, obwohl gerade dieser Sozialstaat mit seinen sozialen Absicherungen die Folgen und Auswirkungen der Wirtschaftskrise abge­federt hat.

Gerade unser Sozialstaat hat sich in der Krise bewährt, weil er die Einkommens­verlus-te der Arbeitslosen gedämpft, Lösungen zur Umverteilung der Arbeitszeit ermöglicht hat und weiters ein Abgleiten in die Depression wie in den dreißiger Jahren verhindern, die soziale und wirtschaftliche Lage der Menschen stabilisieren und einen noch tieferen Konjunktureinbruch verhindern konnte.

Nichtsdestotrotz besteht der öffentliche Grundtenor darin, dass allein die Staats­ausgaben für den Bereich der sozialen Sicherheit der Grund für die hohe Verschuldung sind. Vergessen ist mittlerweile, dass sich die Staatsverschuldung in Österreich infolge der Finanzkrise von 61 auf 72 Prozent des BIP erhöht hat, in manchen Ländern wie Irland hat sich die Staatsverschuldung sogar um 32 Prozent des BIP erhöht.

Vergessen ist, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit infolge der Krise und der durch die wirtschaftliche Rezession bedingte Rückgang der Steuereinnahmen nach der Finanzkrise 2008 in der Tat zu einer Mehrbelastung des Sozialstaates geführt haben. Aber dafür den Sozialstaat per se verantwortlich zu machen, verkennt die Ursachen der Krise. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Es werden hier Ursache und Wir­kung verwechselt. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass nicht der Sozialstaat die Krise verursacht hat, sondern die Krise eine Mehrbelastung der Sozialausgaben zur Folge hatte. (Beifall der Bundesräte Mag. Klug und Dönmez.)

Wir wissen, dass gerade der drastische Verlust von Steuereinnahmen den Gemeinden große Probleme bereitet hat. Gerade diese Herausforderungen für den Sozialstaat,


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nämlich diese Schwierigkeiten zu bewältigen, werden aber im öffentlichen Diskurs oft zum Anlass genommen, um den Sozialstaat per se schlechtzumachen; und jene, die schon immer für mehr privat und weniger Staat eingetreten sind, fühlen sich bestätigt wie noch nie.

Aber Sozialstaat bedeutet ja nicht nur die Absicherung bei Einkommensverlust – er umfasst die Bereiche der Bildung, der Gesundheit und der Altersvorsorge; und wir wissen, dass Ausgabenkürzungen Einschnitte im Sozialbereich zur Folge haben und die untersten Einkommensschichten am härtesten treffen.

Daher bin ich sehr froh darüber, Herr Minister, dass Österreich sich im Zuge der Budget­konsolidierung im Vergleich zu anderen EU-Staaten für den relativ maßvollen Weg entschieden hat. Immerhin weist Österreich die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa auf. Das zeigt natürlich sehr klar, dass Beschäftigung hier eine wichtige Priorität hat.

Viele EU-Staaten werden aber aufgrund der sehr hohen oder sehr strengen Aus­gabenkürzungen noch mehr in die Rezession getrieben, und diese Art der Politik löst meines Erachtens keine Budgetprobleme, sondern verstärkt sie nur; denn man sieht, dass man bei einem Entfall der Steuereinnahmen und einem Anstieg der Arbeits­losigkeit nicht wirklich behaupten kann, dass dadurch die Budgetproblematik einfacher wird, sondern sie wird in Wirklichkeit nur schwieriger.

Was die Politik auf EU-Ebene betrifft, ist mein Eindruck, dass sich die Wirtschafts- und Finanzpolitik seit der Krise nicht wirklich verändert hat. Wir haben nach wie vor eine neoliberale Wirtschaftspolitik, von einer Sozialunion sind wir leider noch weit entfernt, und angesichts der Krise ist die Austeritätspolitik immer strenger.

Den Staaten werden immer strengere Sparmaßnahmen aufgetragen, und gerade diese äußerst strengen Budgetvorgaben – jetzt komme ich wieder zu meinem Punkt des Wachstums und der Beschäftigung zurück, das ist der Grund, weshalb ich das alles erwähne – lassen aber befürchten, dass für eine vernünftige Beschäftigungspolitik eben nicht viel Raum und nicht viel Platz ist. Denn, da müssen wir sehr ehrlich und offen sein: Ohne finanzielle Mittel wird es auch keine Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen geben.

Ich finde es begrüßenswert, dass die Europäische Union Wachstum und Beschäftigung fördern will; entscheidend ist aber nicht das Ob, sondern das Wie: Wie wollen wir Beschäftigung und Wachstum schaffen? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Angesichts der Tatsache, dass diese rigide Austeritätspolitik sehr wenig Platz lässt, glaube ich, müssen da die EU-Mitgliedstaaten einen Spagat schaffen, der fast einem Kunstwerk gleichkommt; denn ich kann nicht auf der einen Seite noch härtere Spar­maßnahmen verlangen und auf der anderen Seite den Staaten vorwerfen, dass sie so eine hohe Arbeitslosigkeit haben und sich doch gefälligst dieses Problems annehmen sollen.

In der Europäischen Union gibt es zurzeit 23 Millionen Menschen, die arbeitslos sind. Wir haben in Spanien eine Arbeitslosenquote von 40 Prozent unter Jugendlichen – mit steigender Tendenz –, in Griechenland genauso. In Irland, Lettland und Litauen liegen wir bei einer Jugendarbeitslosigkeit von über 30 Prozent, in Portugal von über 20 Pro­zent. Diesen Staaten fehlen die finanziellen Mittel zur Bekämpfung des gravierenden Problems der Arbeitslosigkeit.

Das, werte Kollegen und Kolleginnen, sind aber junge Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, und bereits da keine Zukunftsperspektiven haben! Wenn wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen, wird dies weitreichende Konsequenzen haben: Ich darf nur erinnern, wohin uns die Massenarbeitslosigkeit der dreißiger Jahre


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geführt hat. Deshalb glaube ich, dass es in Europa einer dringenden europäischen Initiative bedarf, die so rasch wie möglich Mittel zur Finanzierung zusätzlicher Ausbil­dungsstellen und der Beschäftigung zur Verfügung stellen muss.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie setzen sich als Arbeits- und Sozialminister gerade im Bereich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und vor allem der Jugendarbeitslosigkeit in Europa sehr stark ein. Im Ausschuss haben wir erfahren, dass Sie sich an alle Beschäftigungsminister der Europäischen Union gewandt haben und versuchen, nicht ausgeschöpfte Geldmittel aus dem Europäischen Sozialfonds für Beschäftigungs­pro­gramme in Europa freizumachen. Ich finde diese Initiative von Ihnen sehr begrüßens­wert.

Selbst als Österreich noch nicht Mitglied der Europäischen Union war, hat niemand anderer als Bruno Kreisky schon in den späten achtziger Jahren des vorigen Jahr­hunderts erkannt, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht nur auf Österreich beschränkt werden darf. (Bundesrat Perhab: Das wissen wir alles!) Er hat eine Kommission für Beschäftigungsfragen in Europa ins Leben gerufen, die viele Wege der Vollbeschäftigung skizziert hat.

Kreisky, der durch die Massenarbeitslosigkeit der dreißiger Jahre geprägt war, wollte die europäische Politik für die politischen und sozialen Folgen der Arbeitslosigkeit sensibilisieren. Dies ist heute angesichts der Krise und der ungünstigen Arbeits­marktsituation in Europa mehr denn je wichtig. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Einer europäischen Politik, die auf die Reduzierung von Sozialausgaben ausgerichtet ist, sollten wir mit Initiativen dieser Art, wie sie auch der Herr Minister führt, ein sozial ausgerichtetes gesamtwirtschaftliches Programm gegenüberstellen. Oder ist für Sie das Problem der Arbeitslosigkeit kein Problem in Europa? (Bundesrat Perhab: Es ist ein Problem!) – Eben. Das ist genau das, was ich sage. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Sehr geehrter Herr Minister Hundstorfer, ich möchte mich bei Ihnen für diesen Bericht bedanken und Sie wissen lassen, dass die Sozialdemokratische Fraktion Sie natürlich tatkräftig unterstützt in Ihrem Bemühen, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Beschäfti­gungs­programme zu schaffen. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


16.31.18

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs festhalten, dass es in Österreich dem Sozialstaat nicht schlecht geht. Der Sozialstaat steht in Österreich sehr gut da. Am Sozialstaat wurde insbesondere in den letzten Jahren sehr stark gearbeitet. Wir haben eine großartige Weiterentwicklung, und deshalb kann man in Österreich den Sozialstaat auch nicht schlechtreden. – Ich denke, der Herr Minister wird da mit mir einer Meinung sein, Frau Kollegin Duzdar.

Einige Bereiche wurden bereits angesprochen. Ich erspare mir jetzt, diese zu wieder­holen. Dem Kollegen Jenewein muss ich zu seiner Rede noch etwas sagen. Wahr­scheinlich wird er sich da geirrt haben, wo er die vier Punkte der Kommission referiert hat, nämlich Schaffung von „Stabilität und Verantwortung“, „Schaffung einer Union des nachhaltigen Wachstums und der Solidarität“, „Mehr Gewicht für die Stimme der EU auf der Weltbühne“ und „Intelligente Rechtsetzung und konkrete Umsetzung“.


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Das hast du, lieber Kollege, mit dem europäischen Rettungsschirm verbunden. Wenn es hier um Mittel geht, geht es um den Europäischen Sozialfonds, und den muss man hier ins Spiel bringen. Der Europäische Sozialfonds ist gut entwickelt.

Wie wir schon von Kollegin Duzdar gehört haben, hat der Herr Minister einen ent­sprechenden Brief an alle europäischen Sozialminister geschickt, um sie aufzufordern, im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit neue und wichtige Impulse zu setzen, damit wir junge Leute praktisch von der Straße weg bekommen und dafür eben freie Mittel aus diesem Sozialfonds, dem ESF, einsetzen. Das ist eine ausgezeichnete Initiative, das sage ich hier an dieser Stelle auch gerne für meine Fraktion. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Auch im Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik werden in diesem Bericht einige Bereiche verstärkt angesprochen. Wenn die Mittel aus dem ESF fließen, dann gibt es hier zur Förderung und Entwicklung von Kompetenzen – Übergang von der Schule in die Arbeitswelt, Unterstützung der Arbeitsmarktmobilität und intensivere Politikum-setzung als Teil des Europäischen Semesters – also wichtige Maßnahmen, die aus dem Bereich ESF entsprechend umgesetzt werden.

Zur dualen Ausbildung möchte ich einen Satz verlieren. Die österreichische duale Ausbildung ist in Europa ein Best-Practice-Modell. Es wird europaweit sehr gelobt und herangezogen, um das für andere europäische oder EU-Länder umzusetzen. Wir hätten gerne, dass man dieses Modell eins zu eins in Europa beziehungsweise in der Europäischen Union umsetzt, und dazu wird es auch tatsächlich kommen, wie wir im Ausschuss gehört haben.

Wir sind sehr, sehr froh, dass diese großartige duale Ausbildung auch in Europa ent­sprechend anerkannt und gefördert wird und auch umgesetzt werden soll. Als Österreich, als kleines Land in dieser EU, können wir sehr stolz darauf sein, dass wir ein Best-Practice-Modell anbieten können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bedanke mich hier auch sehr bei den Sozialpartnern, insbesondere bei der Wirt­schaft. Natürlich, sie bietet Lehrstellen an, und das ist ein ganz wichtiger Grund, warum wir in Österreich so gut dastehen. Wir haben schon gehört: Wir sind bei den Be­schäftigungszahlen hervorragend, wir hatten noch nie eine so hohe Beschäftigung. Bei den Arbeitslosenzahlen – die sind historisch niedrig – und bei der Jugendbe­schäfti­gung sind wir auch großartig angesiedelt.

Da muss man auch den Unternehmerinnen und Unternehmern sagen: Danke für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen und Lehrstellen, damit wir unsere Leute in Be­schäftigung halten können. Das ist auch genau der Grund, warum wir zum Großteil unbeschadet durch diese Krise gekommen sind. Das muss man in aller Form hier einfach anmerken und entsprechend bekräftigen.

Es gibt im Bereich dieses Berichtes auch noch einige Punkte, die ich anmerken möchte, zum Beispiel wurde jetzt das Grünbuch Pensionen in ein Weißbuch umgear-beitet. Das liegt, glaube ich, seit einigen Wochen bei uns auf; und da gibt es natürlich auch von der Präsidentschaft aus Herausforderungen zu nützen, die sich mit den veränderten demographischen Zusammensetzungen, mit älteren Menschen auseinan­dersetzt.

Ich hoffe, dass dieses Weißbuch auch entsprechende Impulse setzen kann, möchte hier aber in aller Deutlichkeit anmerken: Die ganzen Diskussionen über die Pensionen in den letzten Wochen und Monaten, die auch von den Medien angetrieben wurden, sind natürlich sehr an die Substanz verschiedener Interessenvertretungen gegangen.


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Vorgesehen sind auch Vorschläge zum Umgang mit ergänzendem Rentenanspruch von Personen, die ihren Arbeitsplatz wechseln.

Im Zuge der dänischen Präsidentschaft – Kollege Schennach hat es schon ange­sprochen – haben die Dänen sich wider Erwarten sehr in diesen europäischen Prozess wieder eingebracht und sind sehr bemüht, in diesen verbleibenden paar Monaten noch entsprechende Impulse zu setzen.

Es wird auch das zweite Europäische Semester im Rahmen von Europa 2020 weiter­entwickelt werden, und die Präsidentschaft möchte einen Schwerpunkt darauf legen, Lösungen für die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Langzeitarbeitslosigkeit in Euro­pa entsprechend umzusetzen. Wir in Österreich gelten da natürlich wieder als beispiel­gebend.

Es ist immer wieder verwunderlich, wie Europa auf unser kleines Land Österreich schaut und wie gut wir praktisch, um das noch einmal zu erwähnen, durch diese Krise gekommen sind: mit großem Zusammenhalt und auch mit Unterstützung der Politik in Österreich; das muss man hier in aller Form einmal anmerken.

Weiters wird sich die Präsidentschaft für die Förderung eines hohen Verbraucher­schutz­niveaus, sprich für den Konsumentenschutz, einsetzen. Da gibt es ein paar Punkte, die ich noch kurz streifen möchte: Revision der Produktsicherheitsrichtlinie, Europäische Konsumentenschutz Agenda. Weiters sollen die Sicherheitsvorschriften für Fahrgastschiffe überarbeitet werden. Dazu gibt es sehr aktuelle Fälle. Jeder von uns hat die Havarie der Costa Concordia und die dramatischen Szenen, die sich dabei abgespielt haben, gesehen.

Das sind, denke ich, einige ganz wichtige Impulse in diesem Jahresbericht 2012. Meine Fraktion bedankt sich für diesen Bericht, sehr geehrter Herr Bundesminister. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


16.38.51

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz, weil vieles schon gesagt wurde. Ich hätte eine Bitte an die Freiheitliche Partei: Sagen Sie doch, dass Sie das Europa nicht wollen, und aus, sagen Sie die Wahrheit! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Mag. Klug: Genau!)

Wenn Sie glauben, dass Sie als 8-Millionen-Staat überleben können in einer Weltwirt­schaft, die nur mehr vernetzt ist, die nur mehr durch Riesenverträge zusammenhält, dann trauen Sie sich, das der Bevölkerung zu sagen, damit man einmal aufklärt, was hinter Ihren Worten steht! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Sie wissen doch ganz genau, dass wir bei den Haftungen zur Stunde verdienen. Jede Haftung hat einen Haftungszins. Lachen Sie nicht, denn ich weiß, wovon ich rede! Ich habe eine 900-Millionen-€-Haftung der Republik Österreich über die BAWAG verant­worten müssen, und das hat den ÖGB 32 Millionen € Haftungszinsen gekostet. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe es nämlich bezahlt.

Nur damit wir wissen, wovon wir wirklich reden: Haftungen sind immer mit Haftungs­zinsen versehen, Punkt, Ende. Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Natürlich ist Europa geprägt von ein paar Jumbos, gar keine Frage. Aber bitte, es wurde schon erwähnt: Alles, was Jugendbeschäftigung ist, das sind wir. Sowohl Bundeskanzler und Vizekanzler als auch ich und der Kollege Mitterlehner, wir


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 130

rennen bei jeder sich bietenden Gelegenheit und schauen, dass wir Jugendbeschäf­tigungsaktivitäten in Österreich machen, und das sehr erfolgreich.

Zwischenzeitlich ruft schon meine deutsche Kollegin, Frau von der Leyen, an und fragt: Wie habt ihr das jetzt gemacht, dass ihr solche Zahlen habt? – Weil wir da eben einen Impuls geben können, und dazu können wir stehen, da sind wir die Europa-Vorreiter.

Da sind auch die Potenzialanalysen der Frau Präsidentin Zwazl ein Teil vom Projekt, wie auch überbetriebliche Lehrwerkstätten ein Teil vom Projekt sind und wie natürlich die betriebliche Lehrlingsausbildung der Hauptteil vom Projekt ist, denn dort passiert sie ja.

Der langen Rede kurzer Sinn: Wir haben uns bei den gesamten Beschäftigungs­initiati­ven, ganz egal, ob jung oder alt, einen Namen erarbeitet. Da sind wir in Wahrheit zwi­schenzeitlich die Vorreiter geworden, und jetzt versuchen wir eben step by step, Schritt für Schritt etwas weiterzuentwickeln.

Da kritisiert wurde, dass die Mutterschutzrichtlinie schon so lange verhandelt wird, muss ich sagen: Ja, auch das ist Europa. Es ist ein demokratisches, kein diktatorisches Europa. Wir sind eben eines der Länder, die sagen, unsere 16-Wochen-Regelung bei der Ein-Kind-Geburt – bei der Mehrlingsgeburt haben wir eine höhere – ist uns ausreichend.

Wir stehen zu dieser Meinung; und wenn Befürworter sagen, in der Mutterschutz­richtlinie steht jetzt, 14 Wochen, das sollte auf 18 ausgedehnt werden, sagen wir: Nein, wir haben mit den 16 Wochen das Auslangen dieses sogenannten Beschäftigungs­verbotes.

Das andere Thema ist dann ein Thema des Elternkarenzurlaubes. Warum ist das aber für einige Länder so ein wichtiges Thema? Die kennen dieses Elternkarenzsystem nicht und wollen demzufolge den Mutterschutz auf 18 Wochen ausdehnen, um den Müttern entgegenzukommen, und zwar, wie gesagt, weil sie dieses Elternkarenz-system nicht kennen. Das ist der Dialog seit fünf Jahren.

Seit fünf Jahren wird diskutiert – einmal heiß, einmal weniger heiß. Wir sind der Meinung, es soll klar bei den 16 bleiben und es soll zu keiner Verknüpfung zwischen Mutterschutz und Karenzurlaubsmöglichkeiten kommen, sondern das sollen von Haus aus zwei Kirtage bleiben.

Da ich hier kritisiert wurde, dass das Arbeitsinspektorat einen neuen Erlass bezüglich der Beschäftigungsverbote herausgegeben hat: Ja, haben wir getan, und zwar auf Vorschlag der Ärztekammer. Die Ärztekammer ist zu uns gekommen; die Wirtschafts­kammer und die Arbeiterkammer, wir sind gemeinsam zur Ärztekammer gekommen. Da wurde gesagt, bitte, es wäre Zeit, das wieder einmal etwas anzupassen. Aufgrund des medizinischen Fortschritts muss man das eben von Zeit zu Zeit etwas anpassen, überarbeiten.

Nun sind gerade Sie eine Partei, die zumindest nach außen hin sehr vehement gegen Missbrauch auftritt. Sie wittern überall Sozialmissbrauch und so weiter. Jetzt haben wir nichts anderes gemacht, als mit der Ärztekammer gemeinsam den Kriterienkatalog neu gefasst, und das wars. Jetzt werden wir ihn leben, und dann schauen wir nach einem, zwei, drei Jahren, was passiert.

Natürlich gibt es weiterhin für die werdende Mutter, wenn die Kriterien aus dem Kriterienkatalog nicht genau erfüllt werden, den Krankenstand. Es ist ja nicht so, dass die werdende Mutter jetzt geknechtet ist und aus letzter Kraft arbeiten gehen muss. Ich habe gerade in meinem Büro so einen Fall, wo auf einmal aus dem heitersten Himmel im Zuge einer Schwangerschaft etwas passiert ist; die Kollegin ist ad hoc im Kranken-


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stand gewesen, und erst danach ist man draufgekommen, dass in diesem Fall das Beschäftigungsverbot gilt.

Was ich damit sagen möchte, ist: Wir haben diesen Kriterienkatalog nicht aus Jux und Tollerei neu geschrieben, sondern weil so etwas nun mal von Zeit zu Zeit zu über­arbeiten ist, weil es immer wieder Signale gibt, weil eben die Ärztekammer gekommen ist und gesagt hat: Da oder dort sollte man bitte ein wenig Neues machen, wir sollten etwas überarbeiten, es sind gewisse Dinge immer schon zu leicht gewesen, die Barriere, dass man das sofort bekommt.

Das haben wir gemacht, nichts anderes. Wir haben nur das gemacht, was viele wollten und was vor allem auch von der Fachwelt gewollt wurde. Es wurde nicht irgendwo am grünen Tisch entschieden, sondern da meinte auch die Fachwelt: Bitte können wir uns ganz einfach hinsetzen und das überarbeiten? – Das ist geschehen.

In einem Jahr, in zwei Jahren werden wir wissen, wie weit die Auswirkungen sind. Zur Stunde, muss ich ganz offen sagen, haben wir keine gravierenden Signale, dass sich für werdende Mütter etwas dramatisch verändert hat. Da oder dort gibt es Beschwer­den, die es bei jeder Umstellung gibt, das ist gar keine Frage; aber das ist im Moment, ehrlich gesagt, nicht wirklich etwas Dramatisches.

Zum Schluss kommend danke ich nochmals für die hohe Zustimmung, auch zu diesem Programm und zu dieser Vorlage. Uns geht es darum: Wir wollen dieses gemeinsame Europa; aber dieses gemeinsame Europa bedeutet auch, dass man es erarbeiten, sich dafür einsetzen muss. Dieses gemeinsame Europa kommt nicht, indem man irgendwo sitzt und es einem zufällt, sondern man muss dafür sehr, sehr aktiv etwas tun. Darum bemühen wir uns; und dort, wo wir massive Stärken haben – und eine davon ist die aktivierende Beschäftigungspolitik –, dort sind wir auch sehr gerne Vorreiter. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.47.00

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Schieder! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme an, es ist nicht nur mir heute etwas aufgefallen – beziehungsweise nicht nur heute, sondern generell –: Immer wenn es um EU-Themen geht, gibt es diese Skepsis, diese ablehnende Haltung seitens der Freiheitlichen.

Normalerweise nehmen wir ja in diesem Haus Berichte einstimmig zur Kenntnis; und ich finde es schade, dass es diesmal nicht einmal zu einem Jahresbericht einen Kon-sens gibt.

Ich bin vollkommen beim Kollegen Jenewein. Auch ich bin manchmal – und nicht nur manchmal, sondern sehr oft – ungeduldig, auch mir gehen sehr viele Sachen viel zu langsam voran. Aber seien wir doch bitte ehrlich: Als gelernte Österreicher, und insbesondere als solche, die in der Politik tätig sind, wissen wir, wie schwierig es ist und wie lange es dauert, bis wir auch nur innerhalb unserer eigenen Partei zu einem Thema XY zu einer gemeinsamen Position kommen, geschweige denn auf Österreich-Ebene, wenn die Parteien, die Koalitions- oder die Oppositionsparteien, sich zu einem Thema einigen sollen. Das ist schon schwierig genug.

Nun muss man das Ganze aber auf 27 Länder erweitern. Dass das seine Zeit braucht, dass das anstrengend ist, liegt ganz klar auf der Hand, das braucht einfach seine Zeit; aber das darf nicht der Grund dafür sein, dass wir das zerreden und madigmachen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 132

Wir Grüne waren letztes Jahr, glaube ich, die einzige Parlamentsfraktion, die das Europäische Parlament besucht hat. Wir haben selbst unmittelbar erlebt, wie diese Entscheidungsprozesse vonstattengehen, wer da aller mitredet, wie diese Koalitionen ausschauen und so weiter; und ich sage Ihnen: All diese komplexen und unterschiedlichen Zugänge und Meinungen zu vereinen, das braucht einfach seine Zeit. Das ist der eine Punkt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Der zweite Punkt ist – vieles wurde schon angesprochen –: Wir kennen die Entwick­lung und sehen, dass in vielen europäischen Ländern die Jugendarbeitslosigkeit ein dramatisches Ausmaß angenommen hat. Beispielsweise in Spanien ist fast jeder zweite Jugendliche arbeitslos. Und jene, die einen Arbeitsplatz haben, können sich teilweise die Lebenserhaltungskosten nicht mehr leisten. Deshalb gibt es eine breite Generation, die nach wie vor mit den Eltern auf engstem Raum zusammenleben muss.

Dass wir innerhalb der EU unterschiedliche Sozialstandards haben, liegt ganz klar auf der Hand. Dass man mit einer österreichischen Sozialhilfe in einem anderen Land schon ein gutes Einkommen hat, das dem Mittelstand zugerechnet werden kann, wissen wir auch. Da braucht es Zeit, bis diese sozialen Unterschiede ausgeglichen werden. Nur so kann auch Europa eine Chance bekommen, diesen Spagat zwischen den reichen und den ärmeren Ländern zu überwinden.

Der Weg, der eingeschlagen wurde, ist sicherlich zu kritisieren und zu hinterfragen. Ich glaube kaum, dass das, was jetzt in Griechenland passiert, dazu beitragen wird, dass die Menschen aus eigener Kraft aus dieser Situation herauskommen. Ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit, eine radikale Kürzung im öffentlichen Bereich wird die soziale Lage sicherlich verschärfen und nicht entschärfen. Was es hier brauchen würde, sind neben Sozialprogrammen vor allem kluge innovative Investitionsprogramme, nämlich Investitionen in erneuerbare Energien, in Forschung und Entwicklung, und da müssen noch ernste Schritte unternommen werden.

Kollege Edgar Mayer hat das ehemalige Grünbuch Pensionen, das jetzt zu einem Weißbuch geworden ist, angesprochen. Dieses Weißbuch legt für die Mitgliedstaaten konkrete Handlungsempfehlungen vor, wie mit den Defiziten, die es im Rentenbereich gibt, umgegangen werden kann. Wir haben ja wirklich einige Skurrilitäten in diesem Bereich.

Wir haben eine Hacklerregelung, die – Sie wissen das, sehr geehrter Herr Minister – nicht von den Hacklern in Anspruch genommen wird. Wir haben eine sehr hohe Rate an Invaliditätspensionen, die Menschen flüchten aus der Arbeitslosigkeit in die Frühpension. Da müssen wir uns natürlich gemeinsam mit der Wirtschaft Gedanken machen, wie wir es schaffen, dass die Menschen länger, gesünder im Arbeitsprozess verbleiben können, und vor allem – und das ist ein europäisches Gesamtprojekt – wie wir diese Unterschiede zwischen den Nationalstaaten ausgleichen können.

Wir werden diesen Jahresbericht natürlich zur Kenntnis nehmen und auch unsere Zustimmung erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

16.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug zu Wort. – Bitte.

 


16.52.58

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wofür dieser Bericht gelegentlich alles herhalten musste, das hätte sich wahrscheinlich das Bundes-Verfassungsgesetz von Anfang an auch nicht gedacht. Die maßgeblichen Eckpunkte, die zum Teil angesprochen worden sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir


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am 29. März in unserer Sondersitzung zum Stabilitätspakt ohnedies noch ausführlich diskutieren können.

Ich freue mich und möchte mich nach den Ausschussberatungen, nachdem schon darauf hingewiesen wurde, im Rahmen des Sozialausschusses und im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion bedanken, nämlich einerseits für die Erstellung des Berichtes und andererseits natürlich auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die tolle inhaltliche Diskussion im Sozialausschuss. Das war eine sehr informative Diskussion.

Das aus meiner Sicht Zentrale in diesem Zusammenhang besteht wohl primär darin, dass wir einerseits einen Überblick darüber bekommen, was in dieser Materie auf der europäischen Ebene passiert, und auf der anderen Seite, welche Maßnahmen oder welche Aktivitäten das zuständige Ressort in diesem Zusammenhang auf nationaler, aber natürlich auch auf europäischer Ebene einbringt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da das für uns von der Sozialdemokratie ein wirklich wichtiger Punkt ist, versuche ich, es noch einmal hervorzuheben, auch wenn es angesprochen wurde.

Die Frage der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist nicht nur ein Thema in Österreich, sondern ein zentrales europäisches Thema. Kolleginnen und Kollegen! Österreich ist zwar ein kleines Mitgliedsland, aber eines, das sich in diesem Zusam­menhang um Bekämpfung auf Augenhöhe bemüht, und als Österreicher und glühender Europäer freue ich mich natürlich über Maßnahmen, die von uns ausgehen, damit in Europa in diesem Zusammenhang sozialpolitische Verbesserungen erreicht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sozialausschuss ist es angesprochen worden – Edgar Mayer hat darauf hingewiesen. Na, wenn es einen Sozialminister eines Mitglied­staates gibt, der sagt: Na, schauen wir uns doch die Verwendung der ESF-Mittel an, wo bleibt denn da noch etwas übrig, was können wir denn konkret tun?!

Ich sage in diesem Zusammenhang auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es ja keine Selbstverständlichkeit ist, dass ein sozialdemokratischer Bundeskanzler den Kommissionspräsidenten einlädt und sagt: Herr Barroso, kommen Sie zu uns und schauen Sie sich unser System im Bereich der jugendlichen dualen Berufsausbildung an, damit das exemplarische Beispiele, Best-Practice-Beispiele für Europa sein kön­nen!

Da bin ich als Österreicher und als Mitgliedstaat in Europa, wenn ich pro Europa bin, wenn ich für soziale Fortschritte in Europa eintrete, doch froh, wenn der Kommissions­präsident kommt und sich diese Dinge bei uns anschaut!

Aber natürlich sind bei uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine niedrige Arbeits­losenrate, eine niedrige Jugendarbeitslosenrate und ein funktionierendes duales Lehr­lings­­ausbildungssystem auch nicht vom Himmel gefallen; da haben sich die Sozial­partner von Anfang an bemüht, ein tolles Lehrlingsausbildungssystem auf die Beine zu stellen. Das mag jetzt ein Generalvorwurf sein, liebe Kolleginnen und Kolle­gen; wenn man selber durch das System gegangen ist, hat man wahrscheinlich auch einen anderen Zugang zu diesem Thema. Ich schäme mich dafür auch nicht, im Gegenteil.

Klar ist: Es soll sich jeder mit der mitteleuropäischen Kulturtechnik des Lesens vertraut machen, dann sieht er, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich ist und wie hoch sie im Durchschnitt der Europäischen Union ist, und dann weiß er, dass unser Modell ein Erfolgsmodell ist.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 134

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist aus meiner Sicht der Zugang, wie man mit solchen Berichten auch umgehen kann: Welche Beiträge leisten wir auf Basis der Diskussionen in Europa auf nationaler Ebene? Wo bringen wir Erfolge gemeinsam über die Bühne? Und: Wo können wir Europa positiv weiterentwickeln?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da der Jugendarbeitsmarkt nicht von alleine funktioniert, sage ich auch als Sozialdemokrat: Ich bedanke mich auch bei allen öster­reichischen Unternehmerinnen und Unternehmern für ihre Bereitschaft zur Lehrlings­ausbildung, und zwar in aller Deutlichkeit, weil das ohne die Unternehmungen per se keinesfalls funktioniert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch für alle politischen Aktionen und Aktivitäten, wie zum Beispiel die Ausbildungsgarantie. Ich bedanke mich auch als Sozialdemokrat für alle überbetrieblichen Lehrwerkstätten, die wir einrichten. Wir richten sie ein, weil diese Jugendlichen am freien Markt einmal im ersten Durchgang nicht unterkommen, Frau Präsidentin, wir richten sie ein, damit unser österreichisches Modell der Jugendausbildung – keine verlorene Generation für die Zukunft – ein Erfolgsmodell bleibt. – Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Bitte, Frau Bundesrätin Zwazl.

 


16.58.48

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich melde mich nur deshalb, weil ich wie immer, wenn es darum geht, dass die Unternehmer weniger Steuern zahlen, das richtigstellen möchte.

Zuerst bedanke ich mich, denn wir haben mit dem Sozialpartner eine wirklich sehr gute Partnerschaft und bringen auch etwas weiter. Dafür ein herzliches Dankeschön.

Aber ich möchte nur sagen, dass die Unternehmer und die Unternehmen von 2010 auf 2011 wieder mehr Steuern gezahlt haben, als man angenommen hat, und zwar um 655 Millionen €. An veranlagter Einkommensteuer, also ohne Lohnsteuer, wurde um 0,4 Prozent mehr gezahlt, und an KöSt wurde um 13,9 Prozent mehr gezahlt.

Unsere Unternehmen sind also trotz schwieriger wirtschaftlicher Situation gut unter­wegs und tragen ihres dazu bei. Wir zahlen nicht weniger Steuern, sondern wir zahlen jedes Jahr mehr Steuern. Oft zahlen wir sogar mehr Steuern, als es uns das Finanz­ministerium zutraut, bringen also mehr ein, als präliminiert wird. 

Außerdem darf man nicht vergessen, dass im FLAF zu 86 Prozent Dienstgeberbeiträge sind. Da ist es mir schon wichtig, dies richtigzustellen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 135

17.00.2714. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (1648 d.B. und 1667 d.B. sowie 8678/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung. Zur diesbezüglichen Debatte darf ich Herrn Staatssekretär Mag. Schieder sehr herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um den Bericht.

 


17.00.59

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stel­lung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


17.01.42

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Bankwesen­gesetz, das eigentlich ein Österreichische-Volksbanken-AG-Gesetz, ein ÖVAG-Gesetz ist, ist wieder ein Beweis und ein Zeichen für das Hinterherarbeiten der Bundes­regierung und der Legislative. Es geht an der tatsächlichen Problematik des Bank­wesens in Österreich eigentlich vorbei, es beschäftigt sich nicht damit.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Anrecht darauf, dass sich der österreichische Staat endlich mit den Banken beschäftigt. Wir haben die Krise – wir haben ja heute schon öfter das Wort „Wirtschaftskrise“ gehört –, die Wirtschaftskrise findet schon vier Jahre lang statt. Wenn man sich mit der Vergangenheit beschäftigt, mit den Krisen der Vergangenheit, so ist zwar nicht die Ursache bei den Banken zu finden, aber zumindest der Anlass in den Banken zu sehen, da sie für die Krise letztlich der Auslöser sind: als Anlass, nicht als Ursache. Letztlich wird eine Krise dann zu Ende gehen, wenn die Banken endlich bereinigt sind.

Es ist höchste Zeit, dass hier der Gesetzgeber ordnungspolitisch eingreift und den Banken die eigentliche Kernaufgabe zuweist! Was ist eigentlich die Kernaufgabe der Banken für die Realwirtschaft? – Die Kernaufgabe ist die Zahlungssicherung, den Giroverkehr sicherzustellen, das Einlagengeschäft respektive das Anlagengeschäft und die Kreditwirtschaft. Das sind sinnvolle Tätigkeiten für die Volkswirtschaft, das ist sinnvoll für die Realwirtschaft, das ist die Kernaufgabe und der ursprüngliche Sinn der Banken. Die Bank ist ein Dienstleister.

Nicht Kernaufgabe der Bank ist diese sogenannte Zockerei, dieses sogenannte Asset Management, das absolut überbordend ist und in dem die österreichischen Banken permanent in Schieflage kommen. Daher ist es notwendig, dass hier der Staat ord­nungspolitisch endlich einmal eingreift und gesetzgeberische Voraussetzungen schafft,


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dass es diese Zockerei, diese Schieflage nicht mehr gibt. Da der österreichische Staat selbst restlos pleite ist, ist das ja lustig: Es treffen sich da zwei Pleiteinstitutionen, wenn bei der ÖVAG der Staat endlich einmal eingreift.

Die Aufgaben sind – die notwendigen Aufgaben wären –, endlich einmal für die Banken eine Insolvenzordnung zu schaffen: endlich einmal eine Insolvenzordnung zu schaffen, die es ermöglicht, diese Banken, diese teilweise viel zu großen Banken, zu segmen­tieren in sogenannte Good Banks, in sogenannte Bridge Banks und in sogenannte Bad Banks, wie es international längst üblich ist. Zum Beispiel in den USA sind seit der Krise zirka 400 Banken pleitegegangen, insolvent geworden, aber die USA stehen auf dem internationalen Markt wesentlich besser da als Österreich, was jetzt diese berühmten Staatsanleihen betrifft.

Zweitens wäre eine Trennung der Geschäftsfelder notwendig, die Trennung der Ge­schäfts­felder im Sinne von Securities. Diese sogenannten Asset-Backed Securities gehören in ein eigenes Geschäftsfeld gebracht. Sie gehören unabhängig gemacht vom sogenannten Kerngeschäft der Banken. Dieses sogenannte Investmentgeschäft gehört separiert, unabhängig gemacht, und wenn dieses in eine Schieflage gerät, dann trifft es eben diese eine Institution, aber nicht das Kerngeschäft der Banken, weil das Kerngeschäft für die Realwirtschaft zuständig ist, nicht für die sogenannte Spekulation oder Zockerei.

Daher ist es notwendig, auch von diesem Universalbankprinzip etwas abzukommen und eher für gewisse Bereiche, eben für gewisse Dienstleistungen die Lizenzen zu geben, oder für gewisse Spekulationen. Jeder weiß, in der Spekulationswelt kann man sehr viel Geld verdienen. Man kann aber auch sehr viel Geld verlieren, und das ist in Österreich leider der Fall.

Es gibt zwar eine Konkursordnung, das muss man auch sagen. Die Finanzmarkt­aufsicht sieht das ja im § 82 vor. Aber offensichtlich ist die Finanzmarktaufsicht nicht unabhängig und hängt hier am Gängelband des österreichischen Staates, denn sonst hätte sie schon längst eingegriffen.

Es ist für den österreichischen Kapitalmarkt notwendig, dass er endlich international funktioniert, dass er auf gesunde Beine gestellt wird und dass Unabhängigkeit garantiert wird zwischen den gesunden Banken, die für die Volkswirtschaft, für die Realwirtschaft da sind, den sogenannten Security-Banken, den Broker-Banken und den Investmentbanken. Die Wiener Börse muss unabhängig sein. Letztlich darf sich der Staat nicht in die Privatwirtschaft, in die Realwirtschaft einmischen. Das gehört garantiert! Aber das ist derzeit nicht der Fall. Das hätte man sich jedoch von einem Bankwesengesetz, das diesen Namen auch verdient, erwartet, und nicht ein ÖVAG-Gesetz, das interessanterweise gar nicht so heißt.

Nun darf ich einen kleinen Exkurs anmelden, einen Exkurs zu dir, lieber Bundesrat Kneifel, weil du heute das Wort „Euro“ öfter erwähnt hast. Der Euro – um auch das einmal zu sagen – wird immer der Wirtschaft in die Schuhe geschoben: Die Wirtschaft braucht den Euro, sie steht auf den Euro. – Für die Wirtschaft ist es, ob jetzt ein Euro existiert oder nicht, vielleicht okay, aber es ist nur so lange okay, solange dieser Euro eine Hartwährung ist. Sobald der Euro weich wird, bringt das der Wirtschaft nicht unbedingt viel, denn dadurch sinkt bekanntlich die Kaufkraft.

Der Einzige, der den Euro wirklich braucht, ist der österreichische Staat! Er braucht ihn, um seine Staatsanleihen zu finanzieren, denn in Österreich gibt es nicht einmal mehr das Geldvolumen, um diese viel zu hohe, exorbitante Verschuldung von 220 Milliarden € zu refinanzieren. (Bundesrat Kneifel: Aber für unsere Exportwirtschaft brauchen wir ihn auch!) Also, die Exportwirtschaft lebt mit dem US-Dollar genauso gut,


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 137

die Exportwirtschaft lebt mit dem Schweizer Franken genauso gut, auch mit der Nor­wegischen Krone, da gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Zu der Bemerkung, der Schilling sei für Österreich nicht mehr aktuell: Da gebe ich dir recht, denn dieses gigantische Refinanzierungsvolumen würdest du auf dem Schilling­markt gar nicht mehr refinanzieren können. Das wäre unmöglich! 80 Prozent der österreichischen Staatsverschuldung werden im Ausland refinanziert, nur noch 20 Pro­zent in Österreich. Vor zehn, 15 Jahren war es noch umgekehrt: da waren es 80 Pro­zent in Österreich und 20 Prozent im Ausland. Deswegen, da gebe ich dir recht, ist der Schilling obsolet, aber die Ursache ist eine andere!

Wenn du jetzt den Schilling wieder einführen würdest – was ja schon aus diesem Grund nicht mehr geht –, wäre die Zinsentwicklung viel höher. So, wie jetzt die EZB die Zinsen senkt, refinanzieren wir uns bekanntlich zwischen 2,5 und 3 Prozent der Zinsen am Euro. Beim Schilling wäre das wahrscheinlich in italienischen Dimensionen, weil das Vertrauen zum österreichischen Kapitalmarkt international leider weg ist. Das haben wir auch an der Rating-Agentur gesehen – da gibt es ja noch einige Möglich­keiten, dass wir weiter hinuntergestuft werden.

Aus diesem Grund ist der Schilling für Österreich kein Thema. Aber der Wirtschaft immer zu sagen, wir brauchen den Euro – solange er eine Hartwährung ist, ist es okay. (Bundesrat Kneifel: Der Euro!) Wer den Euro wirklich braucht, ist die österreichische Pleitewirtschaft. Die braucht den Euro! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kneifel: Nein, die Realwirtschaft braucht ihn! Die Realwirtschaft braucht ihn!)

Es gibt genaue Analysen, dass, wenn wir den Schilling oder die Deutschen die D-Mark über Nacht wieder einführen würden, diese Währung nach der Einführung um 50 Pro­zent aufgewertet wird. Da siehst du, wie die ganze Währung künstlich hinunterlizitiert wurde aufgrund dieser ganzen Problematik! Und in diesen Ausführungen, die ich jetzt mache, ist die ganze Griechenland-Problematik noch gar nicht enthalten.

Wenn man die D-Mark oder den Schilling wieder einführen würde, würden über Nacht alle Menschen in Österreich um 50 Prozent reicher werden, weil die Kaufkraft um 50 Prozent steigt! Das sollte man sich auch einmal überlegen. Es ist aber nicht angebracht, weil der Staat in Österreich dermaßen pleite ist, dermaßen ruiniert ist dank der Politik der österreichischen Bundesregierung, dass das einfach kein Thema ist. Aber, bitte, nicht immer der Wirtschaft einreden: „Wir brauchen den Euro“ – danke! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt noch kurz ein Punkt zu dem Thema, wie man das Wirtschaftswachstum fördert: Natürlich ist es möglich, über Nachfrage – wir machen es in Österreich ja dauernd, wir sind dafür das beste Beispiel – mit permanentem Schuldenmachen das Wirtschafts­wachstum anzuheben. Das ist keine Kunst. Eine Kunst ist es, das richtige Angebot zu liefern, dass sich dieser Wirtschaftskreislauf von selbst finanziert. Nicht immer externe Finanzierung – interne Finanzierung, das ist eine Leistung, und da zeigt sich eine gesunde Volkswirtschaft!

Eines ist klar und da gebe ich dir vollkommen recht: Wenn man jetzt die Ausgaben reduziert, bricht bei uns in Österreich das Wirtschaftswachstum zusammen. Warum? – Weil der Staat in den letzten Jahren immer der einzige Nachfrager war. Wir kennen nur mehr den Staat. (Bundesrat Mag. Klug: Der private Konsum!) Das zeigt sich auch in der Ausgabenquote. Wo kann man da von Liberalisierung reden, wenn wir eine Aus­gabenquote von über 53 Prozent haben? – Da zeigt man, wie präsent dieser österreichische Staat ist, der gar keine private Realwirtschaft mehr zulässt!

Das muss man endlich einmal sagen, dass diese neokeynesianische Politik, die vom österreichischen Staat sowieso falsch verstanden worden ist (Zwischenrufe bei der


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SPÖ), eigentlich im 21. Jahrhundert längst nicht mehr aktuell ist. Das muss man einmal sagen! Ich möchte hier deponieren, dass wir eine Politik schaffen müssen, die den Angebotsstrukturen entspricht, und es zeigt sich hiermit, dass dies nicht möglich ist. (Bundesrat Mag. Klug: Der österreichische Staat lässt keine Privatwirtschaft mehr zu?) Marktwirtschaft ohne Markt funktioniert nicht, Kapitalwirtschaft ohne Kapital funktioniert nicht! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


17.11.03

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Pisec, viel­leicht findest du einmal jemanden unter deinen Kolleginnen und Kollegen, der dich für den Wirtschafts-Oscar einreicht. Ich glaube, du bist prädestiniert dafür. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Kneifel: Nein, ich glaube, das gibt es gar nicht!) Gibt es den nicht? – Das wäre ein Thema für die Wirtschaftskammer, so einen Wirtschafts-Oscar einzurichten. (Bundesrätin Zwazl: ... haben wir ja!) Ah, gibt es eh einen? (Ruf bei der ÖVP: Das ersparen wir uns! – Weitere Zwischenrufe.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin froh darüber, dass Österreich anders regiert wird, dass wir einen Bundeskanzler Faymann haben, dass wir einen Vizekanzler Spindelegger haben, eine Frau Finanzministerin Fekter, einen Herrn Staatssekretär Schieder, die sich um die Geschäfte, um die Finanzgeschäfte in Österreich kümmern, und zwar dann kümmern, wenn es ganz wichtig ist! Wenn es zum Beispiel, wie es eben bei der ÖVAG der Fall war, finanzielle Troubles gibt, wenn es sozusagen „Brösel“ gibt, dann muss irgendjemand etwas tun. Ich weiß schon, dass das alles sehr viel Geld kostet, aber dieses Geld ist richtig angelegt.

Wenn jetzt gesagt wird, dass wir die Banken pleitegehen lassen sollen, dann haben das ein paar „Experten“ – unter Anführungszeichen – gesagt, denn wenn ich eine Bank pleitegehen lasse, dann kostet das immens viel Geld. Wir wissen auch hier, dass es an die 10 Milliarden € gekostet hätte. Wir haben gesehen, was mit Lehman Brothers war, als sie in den Konkurs geschickt wurden: Da hat das ganze Weltfinanzsystem gewackelt! Das brauchen wir uns nicht zu leisten. Da, meine ich, wurde ganz richtig gehandelt.

Wir gründen jetzt also einen Bankenverband. Ich glaube, dass das eine Sache ist, die gut ist, denn das gibt es auch schon in anderen Ländern. Das heißt, das Ganze gehört unter eine Gruppe, und die Wettbewerbsfähigkeit, die Nutzung und die Synergien werden dadurch gestärkt. Vor allem geht es darum, dass Verantwortung für das Institut übernommen werden kann.

Wenn wir uns die Bankenpleiten oder die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Banken anschauen, dann denke ich mir, dass die Banken-Retterei irgendwann einmal ein Ende haben muss. Da meine ich auch, das kann nicht so dahingehen, weil wir uns das letztendlich sicher nicht mehr leisten können. Ich meine, dass die richtigen Schritte gesetzt worden sind. Ich denke mir aber auch, dass in den Vorstandsetagen der Banken doch einmal etwas getan werden muss, denn es können nicht all jene, die diese „guten Geschäfte“ – unter Anführungszeichen – gemacht haben, die sich aber jetzt als etwas ganz anderes herausstellen, weiterhin fuhrwerken. Das kann ich mir nicht recht vorstellen.

Wenn man sich zurückerinnert, hat es da einmal eine Goldgräber-Mentalität gegeben. Die Banken sind nach Russland, die Banken sind in die Ukraine, sie sind nach Bul-


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garien, nach Griechenland, nach Ungarn gegangen, überall hin, und in den Zeitungen sind seitenweise Berichte über den Erfolg dieser Banken gestanden. Auch die Gewinne sind dringestanden. Wo die Gewinne dann hingekommen sind, weiß ich jetzt nicht, das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß nur eines: dass der Staat nicht recht viele Steuern durch diese Geschäfte bekommen hat. Das kann auch nicht recht stim­men. Das wird aber jetzt, glaube ich, mit dem Stabilitätspakt und mit dem Sparpro­gramm geändert, dass man nicht mehr alle Verluste gegen Gewinne gegenrechnen kann, dass letztendlich nichts mehr übrig bleibt.

Im Großen und Ganzen denke ich, dass wir trotzdem auf einem, ich sage jetzt nicht: guten Weg, sondern auf einem sicheren Weg sind mit den Maßnahmen, die wir gesetzt haben. Ich hoffe, dass sie sich so entwickeln, wie wir das für den österreichischen Staat brauchen. – In diesem Sinne: Danke! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.15

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.15.50

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es wurde jetzt vor allem vonseiten der FPÖ ein bisschen das Gefühl vermittelt, als würde es sich um eine Anlassgesetzgebung rund um die Österreichische Volksbanken AG handeln. Wenn ich es recht verstanden habe – man kann mich da gerne korrigieren, wenn das nicht stimmt –, ist das eine nachträgliche Umsetzung einer EU-Richtlinie.

Hintergrund ist das sogenannte Rabobank-System. Das gibt es in den Niederlanden, das gibt es auch in Österreich, die Volksbanken wären so ein Beispiel. Da gibt es ein Zentralinstitut, und es gibt regional agierende Banken. Die regional agierenden Banken sind unabhängig und eigene Unternehmen, und die Zentrale, die quasi darübersteht, steht in Wirklichkeit nicht darüber. Das ist nicht die Mutter, sondern das ist die Tochter der regionalen Banken. So ist das auch bei den Volksbanken oder bei der Österreichi­schen Volksbanken AG.

Das schafft natürlich gewisse Schwierigkeiten, keine Frage, gerade wenn man retten will. Wenn man dann das Eigenkapital, das man zu einer gewissen Abdeckung ja auch braucht, wie wir mittlerweile wissen, um Stresstests zu bestehen, nicht hat, dann ist es das Problem, dass es in den regionalen Banken zu finden ist, aber nicht in der Zentrale, die darüber liegt. Das ist, wenn ich es richtig verstanden habe – ich bin kein Banker, ich bin hier nur ein Vertreter der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen –, das System, das hier dahintersteckt. Deswegen haben wir uns bei den Grünen auch lange überlegt: Sollen wir zustimmen oder nicht? – Aber in dem Fall stimmen wir dem zu.

Nichtsdestoweniger ist von der Kritik, die vorhin geäußert worden ist, natürlich vieles richtig. Es gibt in Österreich kein Insolvenzrecht für Banken! Das wurde uns allerdings versprochen. Als Ende 2009 die Hypo Alpe-Adria gerettet worden ist, gab es vonseiten der Bundesregierung das Versprechen, dass es ein Insolvenzrecht für Banken geben soll. Das gibt es beispielsweise in Deutschland. Wir haben es nach wie vor nicht, und wir schreiben mittlerweile immerhin das Jahr 2012.

Ja, auch wir sagen, es muss eine Trennung geben zwischen einerseits dem, was man retten muss – nämlich dort, wo das Alltagsgeschäft von Banken ist, wo die privaten Anleger sind, wo Alltagsgeschäfte passieren –, und Investmentbanking und hem­mungs­loser Spekulation auf der anderen Seite. Das, ja, das kann man auch in Konkurs schicken! Der Meinung sind wir.

Interessant ist jetzt im Fall der Österreichischen Volksbanken AG auch, dass wir als Staat mit 1 Milliarde € einspringen, dass es eine Teilverstaatlichung gibt, dass aber der


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Staat auf eine Aktionärsmehrheit verzichtet. Das halte ich schon für sehr bedenklich, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für eine Rettung so viel Geld ausgeben müssen, aber die Gewinne erst recht wieder privatisiert werden. Das ist nicht einzu­sehen.

Dieses Zentralinstitut, die ÖVAG selbst, will man ja 2017 wieder verkaufen, wenn ich das richtig verstanden habe. Aber wenn die wahren Mütter der Zentrale, nämlich die – 62, glaube ich, sind es – einzelnen regionalen Volksbanken da nicht mitspielen, dann ist die Zentrale nichts wert. Da wünsche ich der Bundesregierung viel Glück beim Verkaufen! Ich frage mich, wer das kaufen soll; ich würde es mir nicht kaufen, ganz ehrlich nicht.

Ich möchte noch einmal zurückkommen auf die Frage, ob man Banken auch in Konkurs schicken soll. Es ist schon interessant: In Schweden ist ja vor einiger Zeit – ich glaube, es ist noch nicht ganz, aber fast 20 Jahre her – eine Bank nach der anderen pleitegegangen. Da hat Schweden es sehr wohl so gemacht, dass, wenn man eine Bank gerettet und viel Geld investiert hat, die bisherigen Aktieneigentümer, die Aktienmehrheitseigentümer leer ausgegangen sind. Der Staat hat es übernommen.

In Island – Island wurde übrigens soeben wieder upgegradet von den angeblich bösen Rating-Agenturen – haben sie die Banken auch pleitegehen lassen, und Island hat sich gut erholt. Das muss man sagen. Es ist wichtig, das zu sagen.

Wir brauchen eindeutig, und zwar besser gestern als morgen, ein Insolvenzrecht für Banken. Dafür plädiere ich wirklich ganz dringend! Es gehören die einzelnen Ge­schäfte, die Banken betreiben, auseinandergedröselt. Das ist wichtig.

Nichtsdestoweniger: In diesem Fall, bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie, stimmen wir dem Gesetz zu. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


17.21.15

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pisec, ich glaube, wenn wir darüber diskutieren, ob der Euro stabil oder nicht stabil ist, schauen wir uns einmal die D-Mark in den letzten zehn Jahren vor der Euro-Einführung an. Und wenn wir darüber diskutieren, ob der Euro für die Außenwirtschaft wichtig ist, dann schauen wir uns an, dass wir jetzt 6 von 10 € im Ausland verdienen. Das ist aber auch erst seit der Euro-Einführung der Fall. Vielleicht ist Ihre Firma da eine Ausnahme; die Firmen aber, mit denen ich zu tun habe, sind sehr froh, dass wir den Euro haben.

Mir als regionaler Wirtschaftsvertreterin ist vor allem wichtig, dass die Regionalbanken so unabhängig wie möglich bleiben, denn nur so können sie auf die regionalen Anforderungen reagieren und nicht von einer zentralen Stelle in Wien gesteuert werden. Aber die Bankenentwicklung hat eben gezeigt, dass diese Rettung ganz wichtig ist, und zwar für die gesamte Wirtschaft, denn die Bankkredite stellen für die KMUs die wichtigste Finanzierungsquelle dar. Die KMUs sind nicht in der Lage, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren, daher ist die Bankrettung sicherlich kein Selbstzweck für den Staat.

Es sagt sich immer so leicht: Lassen wir die Bank in Konkurs gehen! Aber wie schauen die Nebenwirkungen einer Insolvenz aus? – Das spielen psychologische Faktoren mit, die wir alle nicht genau einschätzen können. Ein Bankzusammenbruch ist gerade in


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 141

unserer historischen Entwicklung ein sehr heikles Thema, denn wir kennen alle die Folgen des Zusammenbruchs der Bodencreditanstalt, von Creditanstalt-Bankverein in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und politische Auswirkungen.

Wichtig ist mir, dass die verstaatlichten Banken bald wieder ins private Eigentum zurück­geführt werden. Da bin ich nicht Ihrer Meinung, denn der Staat ist ein schlechter Unternehmer. (Bundesrat Schreuder: Dann soll er umschulden ...! – Weitere Zwi­schenrufe.) Der Staat ist ein schlechter Unternehmer, wir haben das bei der Voest oder bei der Lenzing AG gesehen. Das waren früher antiquierte Subventionsbetriebe, denen wir jahrzehntelang viel Geld zugeschossen haben, und jetzt sind sie erfolgreiche Leitbetriebe. Ich glaube, da können Sie mir nicht widersprechen.

Wichtig ist mir auch, dass die Frühwarnung besser funktioniert, dass die Aufsichts­organe effizienter korreliert sind und dass auch etwas im Bereich Bonifikation und Haftung der Bankmanager gemacht wird. Wenn wir als kleine oder mittelständische Unternehmer so agieren und ein Unternehmen gegen die Wand fahren, dann haften wir nicht nur mit unserem Firmenvermögen. Wir haften auch, wenn wir Kredite haben, mit dem Privatvermögen. Wir stehen dann quasi vor dem Nichts, und das soziale Fangnetz für Unternehmer ist doch nach wie vor sehr lückenhaft. Darum fordere ich hier eine Gleichbehandlung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


17.24.24

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pisec von der Freiheitlichen Partei hat mich herausgefordert, noch eine kleine Anmerkung zu bringen. Der Euro ist ein großer Vorteil für die österreichische Wirtschaft, insbeson­dere für die exportorientierte Wirtschaft!

Stellen Sie sich vor, früher hat ein Exportbetrieb in Österreich, wenn er zum Beispiel zu Renault zugeliefert hat, in Frankreich ein Geschäft abgeschlossen. Er hat aber nicht gewusst, ob das tatsächlich ein Geschäft wird, weil es damals noch Währungsschwan­kungen gab. Er hat nicht gewusst, wie der Franc dann notiert, wenn die Rechnung zu bezahlen ist. Das alles haben wir weggebracht!

Kennen Sie die Bedeutung des Exportes für unsere Wirtschaft? – Ich habe hier einen Zehn-Euro-Schein, Frau Kollegin Zwazl hat ihn mir geliehen, um das zu demonstrieren. (Der Redner hält besagte Banknote in die Höhe.) Ich habe hier einen Zehn-Euro-Schein: Von jedem Zehn-Euro-Schein, den wir als Einkommen haben, den wir als Pension haben, den wir für unseren Wohlstand zur Verfügung haben, werden bereits 6 € im Export erwirtschaftet! Daran merken Sie die Bedeutung der Exportwirtschaft, die heilfroh ist, dass sie diese Währungsschwankungen weghat, dass sie eine sichere Währung hat, mit der sie auch berechnen kann und weiß, wann ein Geschäft ein Geschäft ist.

Sehr geehrter Herr Kollege! Ich muss es Ihnen leider sagen: Ich würde diese Debatte und diese Diskussion, diesen geistigen Kampf mit Ihnen fortsetzen, aber ich muss sagen, in dieser Sache waren Sie unbewaffnet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 142

17.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Schieder. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


17.26.29

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesrat Kneifel, ich habe schon geglaubt, Sie prüfen uns jetzt noch, ob wir auch alle Sicherheitsmerkmale des Euro-Scheins kennen. Der Euro-Schein ist ja nicht nur im ökonomischen Sinne eine sichere Währung.

Da muss man erwähnen – wir können uns höchstwahrscheinlich noch alle daran erinnern –, wie es war, als wir Schilling und Lira hatten und Italien über Nacht um ein Drittel abgewertet hat. Das hatte eine Auswirkung nicht nur für die Exportwirtschaft, hauptsächlich die Holzwirtschaft, sondern auch für alle anderen, die irgendwie in Wirtschaftsbeziehungen mit Italien standen. Auch für die Textilindustrie: Ganz Kärnten ging damals nach Italien einkaufen, weil über Nacht alles billiger geworden war, und keiner ging mehr in Klagenfurt einkaufen. Auch so gibt es wirtschaftliche Schwankungen.

Aber das Zweite, was ich sagen wollte, ist, dass der Euro ja auch als Produkt sicher ist, weil er den Streifen hat, den Kippeffekt und alles das, sodass er von der Qualität, jetzt von der Druckqualität her auch eine der sichersten Währungen ist.

Aber zurück zum Kernthema dieses heutigen Gesetzesvorhabens: Es ist eine Novelle des Bankwesengesetzes, welche die Voraussetzungen dafür schafft, dass Kredit­institute in Österreich einen sogenannten Bankenverbund oder auch eine Verbundbank schaffen können. Das ist im Wesentlichen ein Artikel der EU-Bankenrichtlinie, nämlich der Art. 3, den wir bislang in Österreich nicht umgesetzt hatten. Warum hatten wir ihn bislang nicht umgesetzt? – Weil keine der österreichischen Banken Interesse daran hatte, sich so zu organisieren.

Mit dem ÖVAG-Problem ist es notwendig geworden, die rechtlichen Rahmen­bedingungen zu schaffen, weil es in der Umstrukturierung in Richtung Verbundbank für die Volksbanken und die ÖVAG – das hat vollkommen gestimmt, was Kollege Schreuder auch gesagt, die ÖVAG ist als Zentralinstitut eigentlich die Tochter, und dergleichen – mit der Schaffung der Verbundbank möglich ist, eine bessere Eigenkapitalbasis zu schaffen. Daher ist auch diese Notwendigkeit geschaffen worden.

Es stimmt, das Vorbild ist ein enger Verbund nach dem sogenannten Rabobank-Modell. Das führt aber schon auch zu weniger Unabhängigkeit der sogenannten Primär­banken, das heißt der Volksbanken vor Ort. Das schafft endlich klar definierte Haftungs- und Weisungsverschränkungen zwischen Primärbank und Spitzeninstitut und macht das Spitzeninstitut, das eben zu retten war, mittelfristig auch überlebens­fähig, weil man sagen muss, dass im Volksbankensektor – im Gegensatz zu anderen Bankenrettungen davor – im Gesamtsektor in hinreichendem Ausmaß zumindest eine gute ökonomische Basis vorhanden ist, die Volksbanken vor Ort ein gutes Geschäft machen, hohe Liquidität haben, gute Kundenbeziehungen haben, ihr Spitzeninstitut aber dermaßen, muss man auch ehrlicherweise sagen, vernachlässigt haben, dass es so marod geworden ist, dass es jetzt zu retten war. In Summe wird es jetzt mit dem Verbundbankmodell aber auch möglich, dass die guten Seiten der Primärbanken die schlechten Seiten der Verbundbank, wenn man so will, ausgleichen und damit mittelfristig diese Bank auch überlebensfähig wird.

Das ist eine Anmerkung, die ich später noch einmal wiederholen möchte. Wenn man nämlich die Rettung, die jetzt nicht Kern des Gesetzes ist – sondern das Gesetz schafft ja an sich nur eine Rechtsgrundlage –, diskutieren möchte, so hat die ÖVAG, die Österreichische Volksbanken AG, 2011 einen Verlust gemacht. Die Republik, der Bund hat dort Kapital eingeschossen gehabt, und durch die Abschreibung des Verlustes verliert der Bund 700 Millionen €, die Maastricht-wirksam werden.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 143

Das ist schlecht, das ist schlecht für unser Budget – es wäre, um es ganz richtig zu sagen, auch für die Zuschauer, schlecht gewesen für unseren Haushalt und unser Konsolidierungsziel, denn 700 Millionen wären uns dann abgegangen. Daher hat sich die Bundesregierung entschlossen, diese 700 Millionen € Maastricht-wirksam auch anderweitig gegenzufinanzieren: durch eine Erhöhung der Bankenabgabe, weil ja der gesamte Banken- und Finanzsektor durch diese Stabilität auch gewinnt, oder zumindest durch eine Pleite zu wesentlich höheren Kosten gezwungen gewesen wäre.

Zusätzlich beteiligen wir uns noch, geben eine Asset-Garantie und nehmen 44 Prozent an der ÖVAG als Eigentümerin. Warum 44 Prozent? – Weil man sich darauf geeinigt hat, dass die Volksbanken, die Primärbanken, die Mehrheit an ihrem Institut halten sollen. Warum? – Nicht, weil wir sagen, wir wollen ein schlechtes Geschäft und die sollen den Gewinn machen, sondern weil wir gesagt haben: Die sollen nicht aus der Verantwortung entlassen werden! Ganz im Gegenteil, das ist deren Bank, und die sollen möglichst schnell auch selbst daran interessiert sein, dass das Ganze wieder in gutes Fahrwasser kommt, irgendjemand anderer der Republik den Anteil abnimmt, am besten sie selbst oder ein Dritter, sodass damit quasi auch der Anreiz geschaffen wird, diese Beteiligung für die Republik nicht mit roten Zahlen, sondern mit schwarzen Zahlen enden zu lassen.

Weil ja die anderen Eigentümer, Raiffeisen und die zwei deutschen Eigentümer, ihre Anteile haben, kommt die Republik auf einen Anteil von ungefähr 44 Prozent. Wir haben aber nach wie vor ein Wandlungsrecht bei unserem restlichen PS-Kapital, sodass auch die Republik immer die Möglichkeit hat, die Notbremse zu ziehen. Was wir aber nicht wollen! Denn die Frage an sich, ob der Staat ein guter oder schlechter Unternehmer ist, würde ich differenziert betrachten. Ich finde, dass der Staat, wenn er effizient ist, auch ein sehr guter Unternehmer sein kann, und wir sehen auch, dass Private sehr oft ineffizient sein können. Die Erfahrung hat uns aber schon gelehrt: Banken zu führen ist kein Kerngeschäft der Republik und des Staates, sie sollten auch besser von anderen geführt werden.

Wir haben aber aus dem Fehler dazugelernt, vielleicht auch, weil wir gesagt haben: Schritt eins der Bankenrettung war PS-Kapital, 2008/2009. Schritt zwei – was auch ich immer gesagt habe – wird nur mit echtem Eigentum gehen, weil wir nicht mehr quasi nur stimmrechtsloses Kapital einschießen, sondern nur mehr mit echtem Eigentum. Das haben wir in diesem Fall auch gemacht.

Daher möchte ich das noch einmal betonen: Es ist im Budget gegenfinanziert. Es entsteht damit keine Belastung für den Steuerzahler. Es ist damit auch im Maastricht-Saldo über die Jahre neutral. Die Beteiligung selbst ist ja auch ein Aktivtausch und hat daher keine Maastricht-Auswirkung.

Zu dem letzten Punkt, den die Kolleginnen und Kollegen auch alle angesprochen haben: Bankeninsolvenzrecht. Auch hier ganz offen gesagt, fernab dieser partei­politischen Geschichte: Natürlich brauchen wir in Österreich dringend ein Banken­insol­venzrecht! Ich habe das seit 2009 immer schon gefordert und auch begonnen, zu überlegen: Wie kann das wirklich funktionieren?

Man muss natürlich sagen, es geht um eine Fülle von Maßnahmen, dass die Finanz­marktaufsicht – die ich übrigens nicht so kritisch sehen würde wie Sie – auch rechtzeitig einschreiten kann und – bleiben wir jetzt beim Beispiel Volksbanken – denen sagen kann, schon vor einem Jahr: Macht so eine Verbundbank! Dies aber in einer Situation, in der nicht alle sagen, oje, die Finanzmarktaufsicht hat schon den Regie­rungskommissär hingeschickt und die Bank droht pleitezugehen – denn dann passiert immer das Negative –, sondern in aller Ruhe, jetzt im positiven Sinne auch mit dem Druck, die notwendigen Maßnahmen in einer Fülle von Möglichkeiten zu geben


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 144

und natürlich auch buchhalterisch und strukturell Investmentbanking vom Schützens­werten zu trennen. Oder es gibt auch Modelle, dass man rechtzeitig Packerln schafft, sogenannte Zero-Bonds, die man dann auf den Markt aufteilt, um so die Gefährdung nicht so stark auf den Bund wirken zu lassen. Das ist dringend notwendig.

Ich stehe auch nicht an – weil ich glaube, das ist mehr ein sachlicher Dialog als ein politischer oder parteipolitischer –, dass ich mit den zwei Herren, die das ange­sprochen haben, aber auch mit jedem anderen aus dem Bundesrat gerne einmal, wenn sich unsere Arbeit nach dem Konsolidierungspaket wieder zum Konzeptiven hinbewegt, einen Expertenaustausch zu diesem Thema mache, und zwar darüber, was man sich hier in bilanztechnischer Hinsicht und so weiter vorstellen kann. Da gibt es verschiedenste Modelle. Aber der Plan dieser Regierung ist es, bis zum Sommer dem Parlament einen Entwurf zuzuleiten, sodass wir hier auch den wesentlichen Schritt weitergehen.

Lassen Sie mich aber abschließend noch zwei andere Maßnahmen erwähnen! Es wird auch – nicht mit dem Gesetz, sondern im Zuge der Volksbankenrettung – der Cor­porate Governance Kodex in Gesetzesform gegossen, mit den Abkühlphasen beim Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat für die börsennotierten Unternehmen. Auch mit dem erstmaligen Festschreiben von Gender und anderen verteilungspolitischen Aspekten – leider nicht mit einer fixen Quote, aber immerhin werden hier zum ersten Mal auch diese Worte festgeschrieben, was unseren Kapitalmarkt auch strukturell an das heranführt, was international gang und gäbe ist.

Die Bundesregierung wird auch die Finanzstrafen, die die Finanzmarktaufsicht aus­sprechen kann, verdoppeln, und zwar jede Position auf das Doppelte hinaufsetzen, um auch hier wirksamere und schärfere Strafen angedeihen zu lassen. Das ist aber die Musik, die das nächste Mal im Bundesratsplenum zu behandeln ist. Heute geht es nur um die Umsetzung dieser EU-Richtlinie, und es freut mich, dass ich der Diskussion schon entnehmen konnte, dass es hiezu eine breite Mehrheit geben wird. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.36.2615. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 26. September 2006 in Ljubljana unterzeichneten Protokolls (1568 d.B. und 1668 d.B. sowie 8679/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um den Bericht.

 


17.37.00

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 145

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 in Ljubljana unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des am 26. September 2006 in Ljubljana unterzeichneten Protokolls.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 mit Stim­men­mehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pisec. – Bitte.

 


17.38.15

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Insgesamt sind 120 Doppelbesteuerungsabkommen zu erwarten. Ein Drittel haben wir bereits erledigt, zwei Drittel werden noch kommen. Daher meine Frage, ob man nicht vielleicht alles auf einmal ins Parlament bringen kann; das wäre administrativ einfacher. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt gibt’s die erste Zustimmung!)

Ob dieses Doppelbesteuerungsabkommen gut oder schlecht ist, bleibt jetzt dahi­ngestellt. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist euch eh wurscht, ihr seid ...!) Ich möchte mich aber auf den Sinn der Argumentation, die von der Bundesregierung kommt, berufen. Die ist eher interessant: Sie beruft sich auf die OECD-Vorlagen, auf die Grundsätze, die in der OECD vorgegeben werden, und eben deswegen werden diese Doppel­besteue­rungsabkommen so modifiziert und erneuert.

Es ist interessant, dass Sie sich gerade in diesem Aspekt so auf die OECD-Vorgaben konzentrieren und diese unbedingt umsetzen wollen. Es gibt ja noch andere OECD-Vorgaben im Wirtschaftsbericht von 2011 und auch im Bericht von 2009, der ja bekanntlich alle zwei Jahre erstellt wird. In den OECD-Vorgaben steht zum Beispiel drin: Die Steuerlast sollte weniger die Arbeitseinkommen treffen.

Wir wissen aus dem jetzigen Sparpaket, dass die lohnabhängigen Abgaben steigen, dass die Steuerlast enorm ist und dass der Faktor Arbeit, eigentlich die Leistung des Menschen, extrem besteuert ist. Mir ist bis heute nicht klar – und unserer gesamten freiheitlichen Fraktion –, warum Leistung in Österreich dermaßen hoch besteuert ist und warum Sie diese OECD-Vorgaben einfach nicht umsetzen. Wir halten bei lohn­abhängigen Abgaben von über 130 Prozent, und aufgrund des neuen Belastungs­paketes sind noch weitere Erhöhungen zu erwarten.

Das ist auch ein Grund, warum das verfügbare Einkommen der Österreicherinnen und Österreicher sinkt. Das sehen wir an der gesunkenen, an der permanent sinkenden Sparquote, dass sich die Österreicher diese gesamten Belastungen einfach nicht mehr leisten können.

Weiters steht in den OECD-Vorgaben: die Struktur des Steuersystems wachstums­freund­licher gestalten und das Pro-Kopf-Einkommen erhöhen. – Das ist an Österreich


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gerichtet, also offensichtlich stimmt bei uns einiges nicht. Die Staatswirtschaft wächst und wächst, die verfügbaren Einkommen sinken, und letztlich werden auch nicht ent­sprechende Arbeitsplätze dafür geschaffen – alles ein Grund der extrem hohen Belastung hier in Österreich. Wir fordern eine Steuerentlastung auf allen Ebenen, und zwar eine massive, ohne Wenn und Aber!

Drittens – ich möchte nur drei Punkte zitieren, diese habe ich mir herausgeschrieben, das war relativ schnell möglich, weil die Vorgaben so groß sind, sie werden alle in Österreich nicht umgesetzt –: mehr Wettbewerb zuzulassen und das Unternehmertum zu fördern.

Wenn ich mir da, sehr geehrter Herr Staatssekretär, eine Replik zum österreichischen Staat als schlechtem Unternehmer erlauben darf: Da haben Sie schon recht, er muss es nicht sein. Es gibt natürlich auch den guten Staat, wenn er ein Unternehmer wäre. Aber Monopole sind das Problem, Monopole sind immer schlecht, und der Staat tritt hier in Österreich als Monopolist auf! (Staatssekretär Mag. Schieder: Wo?) Sie müss­ten sich dem Wettbewerb stellen. Sie müssten sich mehr den föderalistischen Bundes­ländern stellen, die Struktur erweitern und einige Kompetenzen, Hoheitskompetenzen auch abgeben. Dann hätten Sie recht, dann kann sich der Staat beweisen und sagen, er ist ein guter Unternehmer. In der derzeitigen Situation in Österreich ist er ein Monopolist und zeigt täglich – tagein, tagaus –, dass er der schlechteste Unternehmer ist, den wir hier in Österreich haben!

Danke vielmals für die Gelegenheit zu meinem kurzen Statement. – Aus diesem Grund lehnen wir heute auch das Doppelbesteuerungsabkommen ab. (Beifall bei der FPÖ.)

17.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Schieder. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


17.41.47

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Hoher Bundesrat! Keine Sorge, ich melde mich – vermutlich – nicht zweimal zu der Debatte, sondern nur einmal. Aber man hat mir einmal gesagt, es ist auch im Sinn des lebendigen Parlamentarismus wünschenswert, dass sich die Regierungsmitglieder nicht nur am Schluss melden, sondern auch dazwischen. Gerade das ergibt sich jetzt exzellent und hervorragend.

Ein Missverständnis kann ich gleich aufklären. Es geht hier nicht um den OECD-Länder­bericht, sondern es geht um das OECD-Musterabkommen für Doppelbesteue­rungsabkommen, das jedes OECD-Mitgliedsland anwenden soll, woran es sich orientieren soll. Es geht auch um diese Geschichte von grauer Liste, schwarzer Liste und einigen Ländern, die nichts mit Österreich und Länderberichten zu tun hatte, sondern Gegenstand einer globalen OECD-Raum-Diskussion war. Genau aus dem heraus ändern wir auch diese Doppelbesteuerungsabkommen.

Zweitens: Warum nicht alle gleichzeitig? – Weil es eben Verhandlungen zwischen Ländern sind und nicht alle Länder gleich schnell verhandeln. Wir wären bei allen bereit, es sofort zu machen; der Kollege, der das wirklich macht, nickt auch gleich. Aber in manchen Administrationen dauert es länger, in manchen weniger lang. Das hängt auch von verschiedensten Fragen ab. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth über­nimmt den Vorsitz.)

Sie hätten sich aber einfach auch so melden und sagen können, was Sie in Österreich schlecht finden, und hier Ihre ökonomischen Thesen verkünden können. Die Ausrede mit dem OECD-Länderbericht hätte es nicht gebraucht. Ich sage Ihnen nur, ich kann es nicht nachvollziehen. Ich kann es weder politisch noch von meiner Lebenserfahrung,


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wenn ich hinausgehe und mich in Österreich bewege, noch von den ökonomischen Fakten her nachvollziehen.

Wir haben, nur zum Beispiel, nicht eine rapide sinkende Sparquote, sondern wir haben wie jede normale Ökonomie eine im Zuge der Krise leicht gesunkene Sparquote. Warum sparen die Leute? – Auch, damit sie einen Polster für die Situation haben. Wir haben aber im internationalen und im europäischen Vergleich noch immer eine sehr hohe Sparquote, sogar eine, über die das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt: Sie ist in einer Höhe vorhanden, dass man sich keinesfalls Sorgen machen muss, dass sie zu niedrig ist. Das sei nur einmal gesagt. Wir liegen bei ungefähr 9 Prozent Sparquote, bei 8,9 Prozent, glaube ich, das ist eine gegenüber dem internationalen Referenzwert sehr gute Quote.

Zum Zweiten: Der Staat ist auch kein Unternehmer, und das zeichnet sich in vielerlei Hinsicht ab. Der Staat ist Staat oder der Bund ist Bund. Ich kann leider nicht nachvoll­ziehen, was Sie mit mehr Wettbewerb meinen. Ich bin nicht für einen übertriebenen Föderalismus; ich bin für einen geordneten, aufgabenorientierten Föderalismus in Österreich, wo der Bund das übernimmt, was der Bund macht (Beifall des Bundesrates Todt), auch die Gemeinden sehr stark ihre Aufgaben wahrnehmen und die Länder eben die Aufgaben, die zwischen Bund und Gemeinden zu regeln sind, machen.

Trotzdem, lassen Sie mich zu dem Abkommen zurückkommen. Oder die alte Steuer­geschichte: Da kennen wir alle die Argumente. Ich sage das jetzt nicht noch einmal, ich habe es hier schon oft gesagt. Ich möchte nur noch kurz auf unseren ökonomischen Nachbarn Slowenien eingehen. Es ist zwar ein sehr kleines Land, Österreich ist aber mit Abstand der wichtigste Auslandsinvestor in Slowenien. 48 Prozent aller Auslands­investitionen in Slowenien sind aus Österreich, das sind 5,2 Milliarden €. Slowenien ist trotz der Größe von zwei Millionen Einwohnern unser dreizehntwichtigster Absatz­markt, das ist ein ganz, ganz wichtiger Markt.

Ich denke auch an die Entwicklungen, die Österreich in den letzten Jahren, im letzten Jahr genommen hat, zum Beispiel an den Schatz, dass wir einen Bevölkerungsanteil haben, der automatisch, weil von Geburt an, zweisprachig aufwächst und daher auch über die Grenze kommunizieren kann, die Wirtschaft fördern kann, handeln kann, alles das, nachdem wir es jetzt endlich geschafft haben, uns dieser Frage auch positiv zu stellen, dass allein aus dem heraus zukünftig noch eine Vielzahl von wirtschaftlichen Chancen erwachsen wird. Genau darum geht es, dass der Staat in seiner ordnungs­politischen Funktion – nicht als Unternehmer – rechtliche Rahmenbedingungen schafft, unter denen jeder Unternehmer und jede Unternehmerin auch in Zukunft gesichert agieren und damit die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Slowenien vertiefen kann.

Daher freue ich mich jetzt schon auf die restliche Debatte und hoffe, Sie werden zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 


17.46.36

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon erwähnt, wurde dieses Doppelbesteuerungsabkommen, also dieses Abkommen zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung zwischen der Republik Österreich und der Re­publik Slowenien, im Oktober 1997 abgeschlossen. Die Abänderung dieses Abkom-mens wurde nun notwendig, weil es nicht mehr den neuen OECD-Standards entspricht


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und deshalb eine Anpassung erfordert, was die steuerliche Transparenz und die Amtshilfebereitschaft betrifft.

Österreich hat schon zirka hundert dieser Abkommen zur Vermeidung der Doppel­besteuerung abgeschlossen. Es wird nicht gewollt, dass doppelt besteuert wird, es soll aber auch die Steuerumgehung verhindert werden. Das ist eine wichtige Vorausset­zung für gute Handelsbeziehungen. Das kommt der österreichischen Wirtschaft und Exportwirtschaft zugute und schafft und sichert Arbeitsplätze.

Österreich hat neben Deutschland und Italien einen der wichtigsten Handelspartner in Slowenien, wie der Herr Staatssekretär schon sehr ausführlich gesagt hat. Die öster­reichischen Direktinvestitionen erstrecken sich auf alle Wirtschaftsbereiche. Dass man sich da ein Bild machen kann: Das ist zum Beispiel der Produktionssektor, der Handel, das sind Dienstleistungen unterschiedlichster Art. Österreichs Unternehmen haben in über 700 Niederlassungen vor Ort investiert, das ist doch eine sehr erkleckliche Anzahl. Die wichtigsten österreichischen Direktinvestitionen in der Industrie finden wir in den Bereichen Papier- und Kartonerzeugung, Telekommunikation, Maschinen und Stahlwaren, Fahrzeugzulieferungen, Zement, diverse andere Baustoffe und chemische Produkte.

Der enorm hohe Stellenwert Sloweniens – wir haben es schon gehört – für die öster­reichische Exportwirtschaft kann nicht stark genug betont werden. Mit Pro-Kopf-Importen von rund 1 100 € zählt Slowenien mit seinen nur zwei Millionen Einwohnern zu den ganz großen Abnehmern österreichischer Waren und Dienstleistungen. Selbst unser rund zehnmal größerer Nachbar Deutschland liefert nicht einmal doppelt so viel nach Slowenien wie Österreich.

Die FPÖ hat gewohnterweise immer ihre Bedenken. Sie vermutet hinter dieser Verein­barung, dass verwässert wird, dass dies zu einem gläsernen Menschen, zu gläsernen Strukturen führt, hilft damit aber nur den Steuerhinterziehern und den Geldwäschern. Noch einmal: Wir wollen nicht, dass doppelt besteuert wird, wir wollen aber so viel Transparenz, dass Steuerhinterziehung nicht möglich ist! Wir machen es ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern diese Doppelbesteuerungsabkommen werden laufend vom Global Forum der OECD überprüft und einer sogenannten Peer Review unterzogen. Das ist eine regelmäßige Expertenüberprüfung zur Einhaltung dieser Fragen.

Es ist also, wie schon gesagt, für uns wichtig, hier von der OECD positive Bewertungen zu haben und keine wirtschaftlichen Nachteile daraus zu ziehen. Damit wir in Öster­reich nicht nur aus den slowenischen Handelsbeziehungen und Wirtschafts­wachs­tum, sondern überhaupt aus dem Welthandel entsprechenden Nutzen ziehen können, ist es wichtig, solche Verträge zu haben. Ich bitte deshalb um Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.50


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


17.50.50

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Liebe Kollegen im Bundesrat! Herr Staats­sekretär! Frau Präsidentin! Das ist ja schon die x-wievielte Auflage der Doppel­besteue­rungsabkommen, zumindest der Abänderungsanträge dazu. Wir würden hier natürlich gerne zustimmen, wenn das auch entsprechend so wäre, dass wir glauben, dass es für uns passt und wir zustimmen wollen. Aber es ist doch auch Aufgabe der Opposition, hin und wieder dagegenzuhalten, denn sonst würden sich die Regierungsparteien wohl in eitler Selbstgefälligkeit überschlagen. (Bundesrätin Zwazl: Wer hat denn heute ...? –


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 149

Weitere Zwischenrufe.) – Nein, nein, es passt schon, wir denken uns auch etwas da­bei, so ist es ja gerade nicht!

Aber vielleicht etwas, was jetzt nicht mehr dazugehört: Ich würde mir wünschen, dass die österreichische Bundesregierung vor allem im Hinblick auf die Republik Slowenien, also auf dieses neue EU-Land, mit dem gleichen Selbstbewusstsein auftreten würde, was zumindest einmal die AVNOJ-Bestimmungen anlangt, was das Krško-Kraftwerk anlangt, das zu erweitern ja durchaus angedacht ist, und natürlich auch, was die deut­schen Minderheiten in Slowenien anlangt. Da erwarte ich mir auch von unserer Bundesregierung Signale, die in die Richtung gehen, dass auch da europäische Normen erfüllt werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.53.2416. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungs­gesetz geändert werden (1616 d.B. und 1654 d.B. sowie 8676/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen damit zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße Herrn Minister Berlakovich bei uns im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte um den Bericht.

 


17.53.51

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Be­schluss des Nationalrates vom 29. Februar 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich auf den Antrag.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 150

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte, Herr Kollege Pirolt, Sie sind am Wort. (Ruf bei der ÖVP: Schon wieder! – Weitere Zwischenrufe.)

 


17.55.02

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Nur keine Aufregung! (Bundesrat Hensler: Am Wort bist du!) Herr Minister! Frau Präsidentin! Wir suchen nicht immer nur die Suppen, äh, die Haare in der Suppe. (Heiterkeit.) Es darf auch Versprecher geben. Verzeihen Sie mir das!

Dieses Änderungsgesetz beinhaltet ja nicht nur die Verarbeitungsbeihilfe für Trocken­futter, sondern leider Gottes auch das Auslaufen der Milchquoten, der Quotenregelung. Letzten Endes ist damit auch, ich sage einmal, Kapitalvernichtung von landwirtschaft­lichen Betrieben verbunden. Das wird in den nächsten Jahren, ab 2015, durchaus so zu erwarten sein.

Das wird passieren zugunsten jener Betriebe in den Gunstlagen, die sich bei der Pro-duktion jedenfalls leichter tun werden als solche Betriebe, die irgendwo weit draußen auf Steilhängen angesiedelt sind und letzten Endes dafür Sorge tragen, dass für den Fremdenverkehr und für die Menschen draußen vor Ort die Landschaft aufrecht­erhalten wird. Die Landschaft aufrechterhalten kann dort draußen nur die Kuh, und wenn wir die Kuh dem Betrieb entziehen, wird letzten Endes, wenn ein Bauer nicht mehr melken muss, auch keine Notwendigkeit mehr bestehen, dass er dort draußen, sage ich einmal, seinen Hof bewirtschaftet. Das ist durchwegs im ganzen Land so zu sehen und erfüllt mich eigentlich mit Sorge.

Aus diesem Grunde – ich mache es jetzt recht kurz – werden wir da nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


17.57.00

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä-sidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Wenn wir heute das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz ändern, so geschieht das, glaube ich, um Rahmenbedingungen für unsere Bauern und Bäuerinnen den Anforderungen der Zeit anzupassen und zu aktualisieren, denn unsere österreichischen Bauern und Bäuerinnen leisten wirklich tagtäglich Grandioses.

Sie stellen gesunde Nahrungsmittel für uns her, die regional angebaut werden und die natürlich auch für jedermann in Österreich leistbar sind. Sie pflegen aber auch die Landschaft und gestalten unseren Erholungs- und Lebensraum. Daher ist es not-wendig, dass man ihnen die gesetzlichen Rahmenbedingungen so angedeihen lässt, dass sie auf den Flächen auch wirtschaften können.

Wir in Österreich haben eine kleinstrukturierte Landwirtschaft, großteils auch im Berg- und benachteiligten Gebiet, daher ist es wichtig, dass es eine Marktordnung gibt. So wie jeder Markt seine Regeln braucht, so ist es auch da wichtig, dass wir Regeln und Steuerungsinstrumente haben, dass wir, wenn es zu Marktstörungen kommt, auch


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 151

eingreifen können. Es ist natürlich auch nach der GAP 2014 von größter Bedeutung, dass wir solche Instrumente haben. Wie mein Vorredner schon angesprochen hat, ist es auch im Bereich der Milchwirtschaft wichtig, dass es da nach dem Fall der Kontingente etwas gibt.

Aber jetzt speziell zu dieser Novelle: Da geht es erstens um die Entkoppelung der Trockenfutterprämie, diese wird in die Betriebsprämie eingegliedert. Damit man das in derselben Höhe gewährleisten kann, ist es eben notwendig, dass wir nationale Mittel dazugeben.

Das Zweite ist: Wir wollen ein Gleichgewicht herstellen zu jenen Landwirten, die ihren Betriebssitz außerhalb von Österreich haben und Futterflächen in Österreich bewirt­schaften, nämlich dass diese auch Zahlungsansprüche zugeteilt bekommen, denn jene, für die das in umgekehrter Form gilt, haben das ja schon. Auch das ist eine wichtige Sache.

Ein Punkt ist auch die kostenlose Übermittlung der Daten vom Bundesministerium für Finanzen an die AMA bezüglich der Bodenschätzung, damit der Berghöfekataster ständig aktualisiert werden kann. Das passiert künftig in kostenloser Form, bis jetzt wurde es immer zugekauft.

Ein ganz wichtiger Punkt sind auch die Verlautbarungen für die Nutzungsbestim­mungen. Der Bauer kann somit direkt per Internet der AMA seine Daten übermitteln. Das passiert momentan schon in der Rinderdatenbank und soll ab heuer erstmals auch beim Mehrfachantrag möglich sein. Das ist eine gute Sache, denn unsere jungen, gut geschulten Bauern sind sehr stark mit dem Computer unterwegs, und daher ist das auch möglich.

Ich möchte dir aber an dieser Stelle auch noch eines mitgeben, Herr Minister: Bis jetzt ist ja die Digitalisierung auch von zu Hause über Computer direkt gegangen. Das ist momentan eben nicht möglich, bis zur Abgabe des Mehrfachantrages. Aber dass das nachher wieder möglich ist, wäre, glaube ich, schon ein sehr großer Wunsch.

Wir beschließen auch noch die Verordnung zur Anpassung an die EU-Qualitätskriterien beim System der Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen als Referenzparzellen, damit eben die beihilfefähigen Flächen ermittelt werden können. Da ist es mir auch sehr wichtig, dass das so passiert, dass es auch praxistauglich ist, damit nicht kleinere Abweichungen gleich zu Sanktionen führen, denn das ist ein großer Schaden für unsere Landwirtschaft.

Im Marktordnungs-Überleitungsgesetz kommt es zu einigen Rechtsbereinigungen, einige Dinge werden zusammengefasst, andere Dinge laufen aus. Ich glaube, das ist eine gute Sache, dass man da auch ausmistet, so wie man es zu Hause am Hof macht.

In diesem Sinne: Einer modernen Anpassung der Richtlinien stimmt unsere Fraktion natürlich gerne zu. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zehentner. – Bitte.

 


18.01.30

Bundesrat Robert Zehentner (SPÖ, Salzburg): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren zu Hause an den Fernsehschirmen! Geschätzter Herr Bundesminister! Bei dieser Gesetzesnovelle, der


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wir Sozialdemokraten selbstverständlich zustimmen, geht es um eine sogenannte Härtefallregelung, und ich möchte meine Redezeit dazu benützen, zu erklären, warum es in Österreich immer wieder zu sogenannten Härtefallregelungen kommt.

Wir haben in der EU zwei verschiedene Systeme bei der Förderung, und das ist beson­ders in Grenzregionen, wie ja das Beispiel hier zeigt, problematisch. In Deutschland und in anderen EU-Staaten gibt es das sogenannte Regionalmodell. Da bekommt der aktive Landwirt für seine jetzt erbrachte Leistung, für seine jetzt erbrachte Arbeit eine bestimmte Prämie aus der Marktordnung, aus der ersten Säule. Wir in Österreich haben immer noch den sogenannten historischen Ansatz, das heißt, die Leistung liegt acht, zehn, zwölf Jahre zurück und entspricht jetzt nicht mehr immer der Wirklichkeit.

Unsere einheitliche Betriebsprämie ist weder einheitlich noch nachvollziehbar, wenn der Grundsatz, dass Prämien und Förderungen nur für aktive Landwirte, die eine Leistung erbringen, gelten sollte. Härtefälle gibt es in diesem Zusammenhang eben nur, weil die einheitliche Betriebsprämie in Österreich die Wirklichkeit in der Land­wirtschaft nicht mehr widerspiegelt.

Daher ist es mir persönlich und der SPÖ ein besonderes Anliegen, dass ab 2014 bei uns auch das Regionalmodell eingeführt wird. Es gibt da noch Meinungsver­schiedenheiten zwischen der SPÖ und der ÖVP. Dass Veränderungen immer auch Verlierer und Gewinner produzieren, liegt auf der Hand und ist Tatsache, aber wir müssen uns vor Augen führen, dass ein Teil der Verlierer – nicht alle, aber ein Teil – ja eigentlich die Prämie nicht mehr aufgrund von nachvollziehbaren Tatsachen kriegt.

Ich hoffe, dass das die letzte Änderung in der Marktordnung ist und dass wir dann nach 2014 die Prämien aus der ersten Säule aufgrund von soliden und nachvollziehbaren Tatsachen und Wirklichkeiten vergeben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

18.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte.

 


18.05.17

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur vorliegenden Novelle des Marktordnungsgesetzes hat Frau Abgeordnete Diesner-Wais inhaltlich ausgeführt, dass der Ansatz eine Gleichstellung zwischen Landwirten aus Österreich und Deutschland war, da es deutsche Bauern gibt, die in Österreich Gründe haben, und österreichische Bauern, die in Deutschland Gründe bewirtschaften, und die werden gleichgestellt. Respektive war es bei den Prämien so, dass die österreichischen Bauern in Deutschland bereits eine Prämie bekommen haben, aber die deutschen Bauern in Österreich nicht. Daher ist es nur fair und gerecht, wenn da eine Gleichstellung erfolgt. Das wird mit dieser Novelle erreicht.

Die von Ihnen, Frau Abgeordnete, zitierten Vereinfachungen, die ermöglichen sollen – was heuer erstmals passiert –, dass der Mehrfachantrag, den die Bauern stellen, online gestellt werden kann, das heißt, dass die modernen Datenübertragungssysteme genutzt werden, tragen der Modernität und auch der Effizienz Rechnung. Es ist dies ein Beitrag zum Bürokratieabbau.

Ich wollte aber auf das von Ihnen, Herr Abgeordneter, vorhin Zitierte eingehen, damit nicht ein falscher Eindruck entsteht. Sinngemäß haben Sie gesagt, die Bauern bekom­men Prämien aus der ersten Säule aufgrund von Leistungen, die sie in der Ver­gangenheit erbracht haben.  Nein, so ist es nicht. Es stimmt, wir haben das historische Modell, das fußt aber darauf, dass die Prämie nach Erträgen berechnet wird, die in einer Region zum Beispiel potentiell möglich sind, nach historischen Erträ-


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gen, aber der Bauer muss die Leistungen im Jetzt erbringen, weil er auch jetzt dafür Auflagen erfüllen muss, zum Beispiel Cross Compliance. Es gibt Auflagen wie ein Ausbringungsverbot von Klärschlamm oder Mähzeitauflagen, Tierschutzauflagen, auch andere Standards. Das sind oft Auflagen, über die sich die Bauern beklagen, aber der Bauer muss die Leistung jetzt erbringen, ganz klar, denn sonst bekommt er die Prämie nicht.

Darum geht es ja auch bei der Diskussion um die Agrarpolitik. Wir haben ab 2014 den Übergang zum Regionalmodell einzuleiten. Es gibt dann eine andere Berechnungs­basis. Darum geht es jetzt.

Unser Anliegen ist, dass wir in allen Regionen Österreichs – im flachen Land, im Berg­gebiet oder in benachteiligten Gebieten – eine gleichmäßige, landwirtschaftliche Ent­wicklung auch nach 2014 ermöglichen, ein System, das in Europa Zug um Zug umge­setzt wird. Das ist unser Ziel. Darauf arbeiten wir agrarpolitisch hin – von Bundesseite mit den Bundesländern im Verbund.

Die zweite Sache: Voraussetzung dafür ist aber auch, dass wir ausreichend Finanzmit­tel in der Gemeinsamen Agrarpolitik haben. Die sind noch nicht gesichert. Da gibt es Bestrebungen, auch in Österreich, dass man die Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik kürzt. Dann ist das alles graue Theorie, was wir hier reden mit dem Regionalmodell, denn wenn wir nicht genügend Finanzmittel haben, dann gibt es die Unterstützung wie bisher für Umweltleistungen, die die Bauern erbringen, nicht mehr; gerade in dem von Ihnen zitierten Berggebiet wird es das dann so nicht mehr geben.

Daher kämpfen wir um die Finanzmittel, um diese in Österreich und auch in der Euro­päischen Union sicherzustellen, damit wir den Weg, für den wir in ganz Europa gelobt werden, weitergehen können, nämlich ein Umweltprogramm aufzustellen, das auch der Gesellschaft gegenüber darstellbar ist. Die Bauern erbringen Ökoleistungen und bekommen eine Prämie dafür. Das Ergebnis ist, dass wir Bioweltmeister sind, dass kein Staat der Erde so viel biologische Landwirtschaft hat wie Österreich. Es geht auch um ein Bergbauernprogramm, damit die Erschwernisse abgegolten werden in schwieri­gen Regionen, was für den Tourismus und für die Landschaftspflege wichtig ist.

Daher in diesem Sinne herzlichen Dank für die Unterstützung bei diesem Gesetz. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.09.1917. Punkt

EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Um­welt und Wasserwirtschaft 2012 (III-460-BR/2012 d.B. sowie 8677/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 154

Bericht.

 


18.09.30

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über die EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Es geht hier um das Programm der dänischen Präsidentschaft mit dem Titel „Europa bei der Arbeit“, das vier grundlegende Kernbereiche enthält: „Ein verantwortungsvolles Europa“, „Ein dynamisches Europa“, „Ein grünes Europa“ sowie „Ein sicheres Europa“.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2012 den Antrag, die EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer – Bitte.

 


18.10.49

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­des­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die EU Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2012 liegt nun vor. Leider nur für eine Hälfte. Das ist etwas unüblich, aber es ist nur der Bericht der dänischen Präsidentschaft eingelangt, noch nicht der Bericht für die zweite Jahreshälfte, in der die Zyprioten den Vorsitz haben. Ich kenne Zypern und hoffe, dass er noch zeitgerecht eintreffen wird, damit wir auch über die zweite Hälfte von 2012 reden können.

Nicht alles, was von der EU kommt, ist schlecht. (Bundesrat Edgar Mayer: Das ist gut gesagt! – Beifall des Bundesrates Schreuder.) Es gibt aber vor allem für uns Österreicher kaum Alternativen, das geben wir zu, trotzdem gibt es viele Maßnahmen, denen wir kritisch gegenüberstehen. Das heißt nicht, dass wir deshalb die EU ablehnen, sondern nur, dass wir uns einfach kritisch äußern.

Herr Kollege Dönmez, da Sie in Ihrer Rede vorher zu einem anderen Tagesord­nungs­punkt gemeint haben, Berichten könnte man ja eigentlich immer zustimmen, erinnere ich an die Zeit, wo Sie noch nicht im Hohen Haus waren. Da hat es eine andere Konstellation in dem Hause gegeben, und es wurden auch Berichte nicht zur Kenntnis genommen, allerdings damals von Rot und Grün, weil es eben eine andere Regie­rungs­konstellation gab.

Der vorliegende Bericht umfasst viele Bereiche, wie schon aus dem Namen des Ministeriums ersichtlich ist. Einige sind nachvollziehbar, einige nicht. Ich nehme nur einen einzigen Punkt heraus, wovon einen Teil schon mein Kollege aus Kärnten angeführt hat, nämlich das Auslaufen der Milchquotenregelung. Ich weiß, dass das nicht ein Teil dieses Maßnahmenplanes ist, es ist aber angedacht, dass bis 2012 ein Bericht vorzulegen ist und sich dann die Europäische Union Gedanken machen wird, was sie zu tun gedenkt, um diese Milchquotenregelung wieder abzuschaffen.

Nach Inkrafttreten von nationalen Spar- oder Stabilitätspaketen – ich sage noch einmal: Belastungspaketen – muss Österreich für die EU einspringen, was nicht finan­zierbar sein wird. Das heißt, wenn Österreich einspringen muss, wenn die EU aus­steigt, und wir dann für die österreichische Landwirtschaft, speziell für die Milchbauern, einspringen müssen, dann wird sich das wahrscheinlich nicht finanzieren lassen. Es wird sich überhaupt die Frage stellen, Herr Bundesminister, ob bei Höchstzahlungen an Griechenland, Spanien und, und, und eine Gemeinsame Agrarpolitik, GAP, in Zukunft noch finanzierbar sein wird.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 155

Ein zweiter Punkt, den ich schon das letzte Mal angedeutet habe, wo wir immer wieder in Sorge sind, kommt in diesem Bericht auch nicht vor, nämlich unser gesundes und ausreichendes Trinkwasser betreffend, ob hier ein Schutz gegeben ist dafür, dass Österreich auch national auf sein gutes Trinkwasser zurückgreifen darf, ohne dass es an die EU übergeht.

Wir werden deshalb den vorliegenden Bericht nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


18.14.22

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kollegen im Bundesrat! Wir diskutieren die EU Jah­resvorschau für 2012, und ich möchte einmal ein herzliches Dankeschön sagen, dass wir es wirklich als Jahresvorschau diskutieren können. Wir haben schon manche Vor­schauen im Rückblick diskutiert, und ich glaube, so ist es an sich richtig und ange­bracht.

Wesentlicher Schwerpunkt in dieser Vorschau der EU-Präsidentschaft Dänemarks – und später dann auch Zyperns – ist klarerweise die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Ich verstehe es nicht ganz, warum Sie den Bericht ablehnen, Herr Kollege Mitterer, aber ich verstehe es als gewiefter Parlamentarier, dass man mit einer Ablehnung die erste Wortmeldung hat. Vielleicht ist auch das ein Grund, es abzulehnen. (Bundesrätin Mühlwerth: Na geh, bitte!)

Diese Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik sieht die Aufrechterhaltung des Zwei-Säulen-Modells vor, und das ist für Österreich insofern wichtig, weil wir vor allem in der zweiten Säule sehr wesentliche Mittel für die österreichische Landwirtschaft, für den ländlichen Raum bewegen, zum einen für die Bergbauern, für unser Umweltprogramm für die benachteiligten Gebiete, die es zu erhalten gilt, und natürlich auch für die Investitionsförderungen und vor allem für die Förderungen der jungen Landwirte.

Es sieht diese Reform und diese Vorschau auch vor, die Subsidiarität entsprechend zu pflegen. Es wurde schon gesagt, dass auch hier die Möglichkeit eingeräumt werden soll, nationale und regionale Besonderheiten entsprechend zu beachten und auch einfließen zu lassen.

Wesentlicher Schwerpunkt soll auch eine Verwaltungsvereinfachung sein, ein Thema, das wir immer wieder diskutieren. Mit der Umsetzung zum Beispiel des Online-Mehr­fachantrages ist auch in diese Richtung ein Schritt getan. Es wird aber auch notwendig sein, im Bereich der Digitalisierung der Flächenfeststellung nach Vereinfachungen zu suchen, weil es nicht angebracht sein kann, jährlich oder im Zweijahresabstand die Flächen­erfassung immer wieder neu durchzuführen.

Auch gilt es, glaube ich, im Bereich der Kontrolle zu überlegen, wie man Doppel­gleisig­keiten, Doppelkontrollen vermeiden kann, weil das für die betroffenen Landwirte keine einfachen Situationen darstellt.

Nächster Schwerpunkt sind die Produktion und die Vermarktung. Ich glaube, auch das sollten wir entsprechend ernst nehmen, weil Landwirtschaft letztlich von der Produktion, von der Marktleistung und nicht von den Ausgleichszahlungen leben muss und leben soll. Und zur Produktion gehört es auch, die Vermarktung entsprechend zu forcieren.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 156

Es wurde vom Kollegen Pirolt darauf hingewiesen, dass die Milchquote ausläuft. Das ist nicht etwas, was wir uns aus österreichischer Sicht gewünscht haben, sondern etwas, wo wir versucht haben, dieses System der Quotenregelung in Österreich und damit natürlich auch in Europa so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Nur, wenn Europa es nicht aufrechterhält, wird es in einem freien Markt keinen Sinn haben, in Österreich die Produktion zu begrenzen und in allen anderen EU-Staaten das nicht zu tun. Also wird es hier darum gehen, mit entsprechenden Vermarktungsmaßnahmen für unsere Milchbauern Märkte zu erhalten und zu suchen.

Wesentlich ist, glaube ich, auch – das ist Ziel, und zwar ein sehr breit akkordiertes Ziel – die Erhaltung der flächendeckenden bäuerlichen Landwirtschaft. Zu diesem Thema gab es auch im Ausschuss eine breite Mehrheit, einen breiten Konsens. Und wenn es diesen Konsens gibt, dann, glaube ich, ist es auch wesentlich, für die entsprechende Finanzierung auf europäischer und auf nationaler Ebene zu sorgen.

Es gibt in dieser Vorschau auch einige Themen zum Bereich Umweltpolitik, etwa die Umsetzung der Strategie 2020, wo auch die Land- und Forstwirtschaft im Umwelt­bereich einen durchaus wichtigen Beitrag leisten kann, sei es die Forstwirtschaft durch die Produktion von Energie in Form von Hackgut, von Hackschnitzeln, von Holz, von Pellets oder die Landwirtschaft in Form von Treibstoff aus unseren Feldern, weil es – die Frau Kollegin Kerschbaum schaut mich kritisch an – immer noch vernünftiger ist, Flächen, die nicht für die Nahrungsmittel-, nicht für die Futtermittelproduktion notwen­dig sind, für die Energieproduktion einzusetzen. Es ist besser, hier Energie, Treibstoff zu produzieren, als Stilllegung zu betreiben. 7 Prozent Stilllegungsfläche drohen uns. Da ist es besser, sie für Energieproduktion zu nutzen.

In dieser Vorschau sind auch die Stresstests für die Kernkraftwerke, die Österreich umgeben, beinhaltet; ein Thema, das unser Herr Bundesminister sehr erfolgreich in Europa umgesetzt und verhandelt hat. Dafür ein herzliches Dankeschön! Und ich hoffe, dass wir diese Jahresvorschau auch im Nachhinein als positiv betrachten können. (Beifall bei der ÖVP.)

18.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


18.19.32

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Preineder hat schon vieles aus diesem Bericht vorweggenommen. Der Bericht ist durchaus positiv zu sehen, und wir werden dem natürlich gerne zustimmen. Wenn Kollege Mitterer gemeint hat, er kann dem Bericht so nicht zustimmen, dann ist das so zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich steht es jedem in diesem Haus frei, Berichte zur Kenntnis zu nehmen oder nicht. Wenn Sie gemeint haben, die SPÖ und die Grünen haben in der Vergangenheit dies auch nicht getan, werden wir damals auch gute Gründe gehabt haben, diese Berichte nicht zur Kenntnis zu nehmen. Das steht Ihnen natürlich frei.

Wir meinen schon, dass die Bestrebungen seitens der EU, aber auch seitens des Landes Österreich im Bereich Landwirtschaft und Umweltpolitik durchaus positiv zu bewerten sind. Wenn es Schwierigkeiten gibt – und die gibt es in jedem Ressort, in jedem Fach –, ist es natürlich auch im Umwelt- und Landwirtschaftsbereich so, dass das Thema der Landwirtschaft im europäischen Zusammenhang viel breiter aufgestellt ist, als wir in Österreich das zum Teil wahrnehmen. Das ist natürlich auch daran gelegen, dass zum Beispiel das maritime Leben in Österreich nicht vorhanden ist. Wir haben kein Meer, infolgedessen ist das bei uns nicht das große Thema. Aber wir


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 157

wissen auch, dass sehr viel von diesem Geld auch in die Erhaltung dieses Bereiches hineingeht. Wenn wir in uns gehen, dann ist uns auch das ein wichtiges Thema, denn wir wissen, dass alles zusammenhängt, und können nicht nur den kleinen Teil Österreich sehen. Wir können uns von der Welt nicht abkoppeln, und wir müssen natürlich andere Lebenswelten auch mit betrachten.

So gesehen hat das Thema Umwelt natürlich einen weit über die Grenzen hinaus­reichenden Wert für uns. Was uns aber allerdings zum Thema Wasser schon betrifft, ist natürlich die Wasserqualität. Die Wasserqualität und die Gefährdung unserer Was­ser­ressourcen durch die Umwelteinflüsse, durch den Klimawandel, die betreffen uns dann schon. Natürlich sind wir angehalten, in diesen Bereichen verstärkt tätig zu wer­den.

Das ist auch in diesem Bericht mitunter ein Thema, wie auch die Gentechnik ein Thema ist, die wir in Österreich mit unseren Wegen, mit unseren Grenzwerten und ähnlichen Schritten bis dato gut in den Hinterhalt gedrängt haben. Dass wir natürlich auch versuchen müssen, aufgrund unserer Ressourcen und unserer Möglichkeiten die Produktion am Nahrungsmittelsektor, am Futtermittelsektor so gut zu gestalten, dass wir von Importen nicht abhängig sind, das liegt auf der Hand.

Ich glaube, dazu braucht es eine gut funktionierende Landwirtschaft, und in diesem Bereich haben wir – die Diskussion führen wir immer wieder – natürlich auch einiges an Handlungsbedarf, denn eine gut funktionierende Landwirtschaft bedeutet auch, dass die Landwirtschaft an sich, die Menschen, die dort Beschäftigung haben, die für uns arbeiten, entsprechend mit finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Das Thema Verteilungsgerechtigkeit zieht sich eben auch nicht vor der Landwirtschaft zurück, sondern hat gerade dort einen hohen Stellenwert, insbesondere da wir wissen, dass wir Jahr für Jahr immer wieder mit einem Rückgang der Zahl der Landwirtinnen und Landwirte leben müssen.

Da hat die GAP-Reform auch einiges zu bieten, und es wird natürlich an uns liegen, speziell an Ihnen, Herr Minister, dass wir in diesem Bereich etwas tun, wo ja die Ansätze zum Teil bereits da sind, dass wir von einer Verflachung der Kurve reden, wenn es um Förderungen geht. Wie schon zum Grünen Bericht gesagt, es ist noch ein weiterer Schritt, es sind noch viele Schritte notwendig, damit wir dorthin kommen, dass die Kleinlandwirtschaft – und Österreich ist zum Teil doch ein kleinstrukturiertes landwirtschaftliches Gebilde (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Gott sei Dank!); ja, Gott sei Dank – erhalten bleibt. Das gilt es zu erhalten, und da müssen wir, wenn wir begrenzte finanzielle Mittel haben – und da bin ich durchaus bei euch –, schauen, wie wir die gut verteilen. Dies liegt natürlich auch in euren Händen. Und da wünsche ich wirklich, dass die Diskussionen, die wir zum Teil auch im Ausschuss und in anderen Gremien haben, wirklich zügiger voranschreiten, wenn es um eine Deckelung der Förderung geht, wenn es um eine gerechte Verteilung geht.

In diesem Sinn werden wir diesem Antrag gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

18.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


18.24.21

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht der FPÖ nur zur Erläuterung: Wir lehnen üblicherweise nicht die Kenntnisnahme von Berichten ab, und wir haben das auch nicht in der Zeit der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat gemacht.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 158

Wenn wir einen Bericht abgelehnt haben, dann deshalb, weil uns irgendein Inhalt gefehlt hat, und nicht, weil ein Inhalt jetzt nicht unserem Gutdünken entsprochen hat. Es geht darum: Nehmen wir den zur Kenntnis? Steht alles drinnen, was drinnen zu stehen hat? Wenn ja, dann nehmen wir ihn zur Kenntnis. Und wenn etwas gefehlt hat, wenn, wie es oft in EU-Berichten war – früher zumindest –, die österreichische Sicht­weise ganz ausgeblendet war, dann haben wir abgelehnt. Aber nicht einfach, weil uns der Inhalt nicht gepasst hat, denn dann müssten wir auch, so wie ihr, alles ablehnen. Außerdem geht es ja um eine Kenntnisnahme und nicht um eine Ablehnung des Inhaltes. (Bundesrätin Mühlwerth: Und wir lehnen eben ab!) Nur zur Erläuterung: Wir haben das in dieser Form nicht gemacht.

Herr Kollege Preineder hat zuerst festgestellt, dass ich so z’wider dreingeschaut habe, als es um den Agrosprit gegangen ist. Ich habe bei Gott kein Problem mit Energie­produktion in der Landwirtschaft, denn in der Landwirtschaft ist immer schon Energie produziert worden. Auch schon bevor es noch Autos gegeben hat, bevor es noch Erdöl gegeben hat, sind die Pferde mit Produkten aus der Landwirtschaft gefüttert worden, und eingeheizt worden ist mit Holz. Also das war schon immer so. Dagegen habe ich im Prinzip nichts, nur gerade der Agrosprit ist jetzt nicht die effizienteste Variante. Punkt. Deshalb habe ich vielleicht nicht ganz so freundlich dreingeschaut bei deiner Rede.

Wir werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, obwohl es erstens einmal nur ein Halbjahresbericht ist, wie schon erwähnt worden ist. Da kann aber das Ministerium, glaube ich, nichts dafür, wenn die nächste Präsidentschaft die Punkte noch nicht geklärt hat. Was leider noch halb ist an diesem Bericht, ist, dass er nur in der Hälfte der Ausschüsse behandelt worden ist. Eigentlich haben wir nur einen Landwirtschafts­ausschuss gehabt, aber keinen Umweltausschuss, wo wir im Vorfeld darüber disku­tieren hätten können. Das hat mir gefehlt. Vielleicht funktioniert es beim nächsten Mal. Es kommt ja der nächste Bericht dann hoffentlich in einem halben Jahr, und dann können wir auch die Umweltthemen schon im Ausschuss diskutieren. Das hätte ich nämlich gerne gemacht.

Jetzt möchte ich noch näher eingehen auf das Kapitel Nuklearenergie. Dieses Kapitel ist ja nicht allzu lang ausgefallen. In erster Linie geht es im Bericht um die Stresstests. Ich weiß, ein Lieblingsthema von Ihnen, Herr Minister. Ein Problem, das ich schon sehe, ist die erste Runde der Stresstests, also die ersten Papiere, die da produziert worden sind. Ich glaube, das streitet keiner ab, dass die erstens sehr, sehr unvoll­ständig waren und zweitens nicht vergleichbar, aber in erster Linie ist kaum etwas drinnen gestanden. Wenn es jetzt in der zweiten Runde ein Peer-Review gibt und das Ministerium und seine Diplom-Ingenieure da intensivst eingebunden sind, dann ist das ja erfreulich. Ich fürchte nur trotzdem, dass es uns jetzt nicht so weit retten wird, dass damit alle Atomkraftwerke in unserer Umgebung, die weder terrorsicher noch flugzeug­absturzsicher sind, aufgrund der Stresstests abgedreht werden. Also ich fürchte, das ist reine Beschäftigungspolitik, hoffentlich nur eine Nebenbeschäftigung, denn ich glaube, gerade im Bereich der Anti-Atompolitik gibt es noch sehr viel mehr zu tun.

Apropos: diese Angelegenheit mit terroristischen Angriffen. Ich habe versucht, in einer Anfrage zu klären, wieweit denn da dieses Versprechen von Kommissar Oettinger umgesetzt wurde, dass auch die Möglichkeiten terroristischer Angriffe beleuchtet werden und in die Stresstests miteinbezogen werden. Da war die Auskunft sehr mager. Von Ihnen ist so gut wie gar nichts zu dem Thema gekommen, sondern es ist verwiesen worden an die Frau Innenministerin, die mir dann gesagt hat, es hat sich die Arbeitsgruppe immerhin viermal getroffen. Also das war es, was man da erfährt. Das ist jetzt nicht wirklich transparent.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 159

Ich weiß auch nicht – aber vielleicht können Sie es noch erläutern –, wenn sich die Arbeitsgruppe viermal getroffen hat, ob das jetzt bedeutet, dass die Terrorsicherheit bei den Stresstests berücksichtigt wird oder nicht. Das heißt es für mich jetzt einmal nicht, denn die Arbeitsgruppe hat sich viermal getroffen, und die Richtlinien, nach denen die Stresstests durchgeführt werden, sind nach wie vor dieselben.

Bei terroristischen Angriffen würde ich nicht immer nur an die Bombe denken, sondern da geht es sehr viel und sehr viel einfacher um Dinge, die übers Internet passieren. Da wissen wir, dass da der hundertprozentige Schutz einfach nicht möglich ist und auch nicht so schnell möglich sein wird. Insofern ist das schon ein Thema, das man auch mit berücksichtigen muss, wenn es um die Sicherheit von Atomkraftwerken geht.

Apropos: Sicherheit von Atomkraftwerken. Mir fehlt auch ein Teil in dem Bericht, und zwar ist bei uns im Parlament am 16. Februar ein Bericht vom Europäischen Rat bezüglich eines Instruments für die Implementierung einer Nuclear Safety Coope­ration eingelangt. Das klingt alles super und toll, heißt aber in Kurzfassung nur, dass die Europäische Union plant – mittels Geldzuschüssen und Krediten et cetera, über Euratom und über EBR –, dass ukrainische – in erster Linie ukrainische, ich weiß nicht, ob sich andere Länder auch noch großartig anstellen werden –, wirklich alte ukrai­nische Atomkraftwerke, die eigentlich schon abgedreht gehört hätten, noch einmal reviewt werden und dann noch ihre Sicherheitsstandards anheben sollen, die wir dann zahlen, damit sie zehn Jahre lang oder 20 Jahre lang, wie auch immer, weiter am Netz sind.

Da frage ich mich wirklich: Warum soll die Europäische Union dafür bezahlen, dass in der Ukraine Atomkraftwerke aufgemoppt werden? – Viel mehr kann es nicht sein, denn diese haben zum Teil vorgeplante Schließungstermine in den Jahren 2010, 2011, 2014, 2015, 2016. Das sind also Anlagen, die zum Teil schon längst vom Netz sein sollten. Warum sollten wir da jetzt noch einmal hineininvestieren, nur damit unsere „Sicherheit“ gewährleistet wird? Was kriegen wir von den anderen dafür? Kriegen wir dafür eine Übernahme von Haftungen? Bekommen wir dann endlich einmal eine Versicherung, wenn dort – und in der Ukraine ist ja schon einmal etwas passiert – wieder etwas passiert und wir betroffen sind?

Ich denke mir, das ist schon eine Frage, die intensivst diskutiert gehört. Und ich frage mich, warum das so heimlich, still und leise passiert und man nirgends etwas darüber liest, auch nicht in diesem Bericht. Für mich hätte das da schon hereingehört. Das ist eine Entscheidungsfrage: Wollen wir hier für die Sicherheit von Atomkraftwerken bezahlen, die eigentlich schon längst vom Netz genommen gehören und die dann mit Dumpingpreisen unsere erneuerbare Energie, die unsere Landwirte produzieren wollen, leider nicht am Markt aufkommen lassen?

Dann hätte ich noch eine dritte oder eine letzte Bitte. Der Herr Bundeskanzler kümmert sich, glaube ich, nicht allzu intensiv darum, aber es steht ja die UVP-Anhörung für Temelín 3 und 4 vor der Tür. Es gibt an und für sich ein Angebot aus Tschechien, dass das Kraftwerk vorgestellt wird. Was wir wollen, ist, dass es einen Anhörungstermin in Österreich gibt. Ich will nicht nach Budweis fahren. Ich denke mir, es wird fürchterlich eng, wenn in einer Anhörung tschechische, deutsche und österreichische Atomgeg­nerInnen gemeinsam – ich weiß nicht, in welcher Zeit – alle ihre Anliegen vorbringen müssen. Wir haben ja in Wien schon Anhörungen für weißrussische UVPs gehabt, wir haben hier zu Mochovce eine UVP-Anhörung gehabt. Ich denke mir, das muss auch für Temelín 3/4 möglich sein.

Es gibt auch in der Aarhus-Konvention, es gibt in der UVP-Richtlinie an und für sich auch Hinweise, dass man das einfordern kann. Ich würde mir wünschen, dass die österreichische Bundesregierung da stärker auftritt und sagt: Wir wollen eine


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 160

Anhörung!, sodass auch wirklich alle Menschen, die sich hier einbringen wollen, ihre Einwände vorbringen können. Ich glaube, Temelín 3/4 ist ein Projekt, das finanziell auf jeden Fall zu verhindern wäre, aber vielleicht auch nur, wenn man entschieden genug dagegen auftritt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Berlakovich. – Bitte.

 


18.32.58

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum vorliegenden Bericht – es ist ohnehin schon mehrfach erwähnt worden –: Zypern hat noch keinen Bericht abgeliefert. Daher können wir diesen für das zweite Halbjahr noch nicht vorlegen.

Über die Gemeinsame Agrarpolitik haben wir beim vorigen Tagesordnungspunkt ge­sprochen. Nur, die grundsätzliche Haltung, die wir bei der Gemeinsamen Agrarpolitik verfolgen, ist eine ausreichende finanzielle Dotierung. Wir wollen weiterhin eine bäuerliche Landwirtschaft in Österreich haben, die leistbare, hochqualitative Lebens­mittel erzeugt. Das ist die erste Priorität und die erste Aufgabe der heimischen Landwirtschaft.

Zweitens: dass genug Futter für die Viehwirtschaft zur Verfügung gestellt wird.

Der dritte Punkt ist, dass wir nach dem Motto „Teller, Trog, Tank“ dann auch eine ener­getische Schiene abdecken. Das kann der Biosprit sein, aber auch Biomasse zur Erzeugung von Wärme und Strom. Es gibt gewisse Potenziale. Es kann der land- und forstwirtschaftliche Sektor nicht alles abdecken, aber bei gewissen Potenzialen ist es sinnvoll, sie zu nutzen.

Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik geht es darum, dass die Gelder, die eingesetzt werden, garantieren sollen, dass Österreich den ökologisch nachhaltigen Weg in der Landwirtschaft weitergehen kann. Wir werden für diesen Weg in ganz Europa gelobt. Die Gemeinsame Agrarpolitik soll ökologischer werden nach österreichischem Vorbild. Daher gilt es, Finanzmittel zu sichern, auch die Programme abzusichern und dann weiterzuführen, weil die Bevölkerung in Österreich etwas davon hat, nämlich eine intakte Natur und Umwelt, wo Boden, Luft und Wasser in Ordnung sind. Das ist auch das Ziel der Landwirtschaft, wie insgesamt bei der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Zum Auslaufen der Milchquote: Es ist schon vor Jahren festgehalten worden, dass die Milchquote 2015 ausläuft, also nicht mehr verlängert wird. Österreich hat sich damals bemüht, eine Verlängerung der Milchquote zu erreichen. Es war aussichtslos, weil außer zwei, drei anderen Mitgliedstaaten niemand im Agrarbereich ein Interesse daran gehabt hat, dass die Milchquote verlängert wird. Daher arbeiten wir an Alternativen. Ja, ich bin der Überzeugung – und auch andere europäische Länder –, dass die Bewirt­schaftung des Milchsektors auch in Zukunft von Bedeutung ist. Daher wurde eine hochrangige Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Frage beschäftigt: Wie können wir eine bäuerliche Milchwirtschaft auch in den nächsten Jahren absichern und ihr Chancen geben?

Da stehen unter anderem Modelle zur Diskussion, dass die Bauern eine stärkere Beziehung zur Molkerei haben. Wir haben in Europa Molkereistrukturen, die nicht mehr in bäuerlicher Hand sind, große Konzerne. In Deutschland haben jetzt zwei große Konzerne fusioniert, die in etwa 5, 6 Milliarden Kilo Milch verarbeiten. In allen österreichischen Molkereien, Sennereien zusammengefasst sind es 2,5 Milliarden


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 161

Kilogramm; Sie sehen, welche Dimensionen das sind. Das sind Aktiengesellschaften, die sagen: Wenn dir der Milchpreis nicht passt, dann such dir eine neue Molkerei!

In Österreich sind die Molkereien in bäuerlicher Hand – also genossenschaftlicher Struktur –, was garantieren soll, dass die Bauern Verträge bekommen. Das ist die Intention, dass sie dann die Milch anliefern, wobei auch in entfernteren Lagen von der Molkerei garantiert ist, dass nicht nur der Bauer, der unmittelbar neben der Molkerei wohnt, seine Milch abliefern kann, sondern auch der, der in entfernteren Lagen zu Hause ist.

Bei der Fischerei, bei der europäischen Fischereipolitik geht es darum, dass sich Österreich jetzt aktiver einmischt. Die Meere werden überfischt. Die jetzige Kom­missarin für Fischereiwirtschaft, die Griechin Damanaki, eine sehr mutige Frau, geht das Thema entschlossen an. Sehr viel aus den Beständen, die leergefischt werden, wird wieder tot ins Meer zurückgeworfen. Das ist eine Katastrophe für die Biodiversität und für die Artenvielfalt. Daher will man das bei der Meeresfischerei reduzieren.

Gleichzeitig sehe ich eine Chance, dass wir in Österreich die heimische Süßwasser­fisch­produktion forcieren. Aquakulturen – wir arbeiten an einer Konzeption, dass wir das gesteigerte Interesse der Menschen an österreichischer Fischqualität und Fisch­produktion auch abdecken. Wir produzieren bereits hervorragende Qualität, und das soll ausgebaut werden.

Zur Umwelt: Umwelt ist auch in diesem Bericht ein Thema. Aus aktuellem Anlass möchte ich Sie informieren, mir geht es darum, dass wir zeigen, dass in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik Wirtschaft und Umwelt vereinbar sind. Ökologie und Ökonomie gehen Hand in Hand. Es geht darum, nicht mehr gegeneinander zu kämpfen, Umwelt gegen Wirtschaft, sondern wir müssen gemeinsam ein Interesse daran haben, auch für kommende Generationen eine intakte Umwelt weiterzugeben und gleichzeitig auch wirtschaftliches Wachstum zu generieren.

Daher ist grünes Wachstum ein Thema, Green Growth, mit dem Ergebnis grüner Arbeitsplätze, Green Jobs. Das heißt, aus einer angewandten Umwelt- und Klima­schutzpolitik entstehen auch neue Arbeitsverhältnisse. Wir haben im Jahr 2010 den Masterplan Green Jobs präsentiert, den wir gemeinsam mit den Sozialpartnern, mit den NGOs erarbeitet haben. Aktuell hatten wir damals in Österreich in etwa 200 000 Menschen in Green Jobs, mit der Perspektive, in den nächsten zehn Jahren noch einmal 100 000 Arbeitsplätze entstehen lassen zu können: aus dem Ausbau der erneuerbaren Energie, aus der Ökologisierung des Tourismus, aus der thermischen Sanierung und all den Perspektiven, die sich daraus ergeben.

Ich habe heute die Zahlen für das Jahr 2010 präsentieren dürfen. Während wir in allen anderen Sektoren der Gesamtwirtschaft ein Umsatzwachstum von 4 Prozent – 2009 gegenüber 2010 – gehabt haben, 4 Prozent Wachstum in der Gesamtwirtschaft, haben wir in der Umweltwirtschaft ein Plus von 6,5 Prozent gehabt. Bei der Beschäftigung ist es noch deutlicher: Während die Gesamtwirtschaft ein Plus von 0,6 Prozent Beschäfti­gung gehabt hat, gab es bei den Umweltbeschäftigten ein Plus von 7 Prozent! Das heißt, wir haben um 14 000 Arbeitskräfte mehr im Bereich der Green Jobs – über Statistik Austria abgesichert –, und das zeigt die Perspektive auf.

Was mich freut, ist, dass wir mit diesem Thema auch international erfolgreich sind. Es wird nächste Woche eine OECD-Umweltministerkonferenz in Paris stattfinden, wo das grüne Wachstum ein Thema ist, und Mitte des Jahres in Rio de Janeiro die Nachfolge-Umweltkonferenz „Rio+20“, wo Green Growth ein großes Kapitel ist und wo wir österreichische Beispiele einbringen, wie man Umwelt und Wirtschaft vereinen kann.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 162

Das ist nicht nur eine Perspektive für die Industrieländer, sondern auch eine Chance für Entwicklungsländer, ökologische Fehler, die wir früher gemacht haben, nicht selber zu machen, sondern im Bereich der Abfallwirtschaft, der Wasserversorgung, Abwas­serentsorgung bis hin zur erneuerbaren Energie Chancen für Entwicklungsländer, aber auch für Österreich zu eröffnen, indem wir unsere Umwelttechnologie, die exzellent ist, auch in diese Länder bringen.

Die Nuklearenergie wurde angesprochen: ein Jahr Fukushima. Das Thema sind Stress­tests. Damals, als Fukushima passiert ist, haben mich viele Menschen gefragt: Wie steht es um die Sicherheit der AKWs um uns herum? – Da ist in Österreich die Idee der Stresstests entstanden. Bedauerlicherweise wurden diese von gewisser Seite, auch leider von grüner Seite und anderer NGO-Seite, schlechtgeredet.

Die Grundkonzeption der Stresstests war immer – es hat sich nichts geändert, wir haben sie damals so konzipiert, wie sie jetzt durchgeführt werden –, dass es ein dreistufiges Verfahren gibt. Es müssen die AKW-Betreiber zuerst die Daten liefern. Diese wurden im zweiten Schritt von der jeweiligen nationalen Atomaufsichtsbehörde überprüft. Der entscheidende dritte Schritt erfolgt jetzt, nämlich dass die europäische Ebene eingreift.

Es hat immer geheißen: Das werden keine unabhängigen Tests sein. – Uns ist es gelungen, vier unabhängige österreichische Experten in diese Teams hineinzubrin­gen – auch andere Staaten, die keine AKWs haben, arbeiten hier mit –, und diese überprüfen die Tests aus den einzelnen Mitgliedsländern. Sie fahren auch vor Ort, machen sich ein Bild, ob es denn mit den AKWs in den einzelnen Mitgliedstaaten tatsächlich so ist. Was ich mir erwarte und was immer österreichische Intention war – und wir waren da die treibende Kraft –, ist, dass es schonungslose Tests sind, die Tabus brechen und aufzeigen, wo Mängel sind.

Da Sie es angesprochen haben: Es werden auch Terroranschläge überprüft. Aber das Thema ist, dass gewisse Staaten – Großbritannien, Frankreich – natürlich sagen, sie sind nicht bereit, Sicherheitsdaten offenzulegen, weil das geradezu eine Einladung für Terroristen wäre. Das versteht jeder Mensch. Es ist also ganz klar, dass schon die Konzeptionen besprochen werden – Terroranschläge, Flugzeugabstürze, all diese Themen werden überprüft –, dass es aber gewisse Sicherheitsüberlegungen gibt, warum man nicht alle Daten veröffentlicht.

Es werden diese Tests auch transparent gemacht. Es hat bereits eine öffentliche Veranstaltung gegeben, und es wird in Brüssel eine weitere geben, wo diese Tests transparent sind.

Die österreichische Forderung ist klar: Wenn ein AKW nicht sicher ist, muss es nach den Stresstests vom Netz genommen werden, muss es abgeschaltet werden. Ein­deutig! Oder nachgerüstet: In Frankreich hat man jetzt gesehen, dort gibt es einen Nachrüstbedarf von 10 bis 15 Milliarden €. Sie sehen also, was sich hier bewegt, und ich bin davon überzeugt, dass die Bevölkerung in Frankreich nicht zuschauen wird, wenn sich herausstellt, dass deren AKWs dort nicht sicher sind.

Davon erwarten wir uns also eine Diskussion, und wir bleiben hier dran. Der Punkt ist, dass die Botschaft klar ist. Dass wir verstärkt auf erneuerbare Energien setzen, ist auch gewährleistet. Das entspricht dem energieautarken Österreich, das wir als Konzep­tion verfolgen, und unterstützt auch die Umwelt.

Zu Temelín sei noch gesagt: Wir wollen eine öffentliche Veranstaltung betreffend Temelín in Österreich. Das will auch Deutschland. Wir gehen hier gemeinsam vor.

Eines noch zum Abschluss, weil es hier auch drinnen ist, zu GVO, Gentechnikfreiheit: Ich habe im Jahr 2009 die Initiative zum Selbstbestimmungsrecht in der Frage der


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 163

Gentechnik in der EU gestartet. Ich sehe nicht ein – und ich bin fürs gemeinsame Europa! –, dass mir/uns die EU vorschreibt, was auf unseren Äckern geschieht. Wir wollen selber bestimmen, was auf unseren Äckern und Feldern geschieht, und in Österreich wollen wir die Gentechnik nicht. Auch die Bauern wollen die Gentechnik nicht!

Die Kommission hat dann unsere Initiative übernommen und hat gesagt, sie wird es durchsetzen. Österreich hat die Kommission immer unterstützt, und die dänische Ratspräsidentschaft hat es zuletzt auf der Tagesordnung gehabt. Es ist leider ein Faktum, dass große Staaten, Deutschland, Frankreich, Spanien und auch Großbritan­nien, dieses Selbstbestimmungsrecht jetzt noch nicht wollen. Es hat keine Abstimmung gegeben. Es wurde dieses Thema heiß diskutiert und wird im nächsten Umweltminis­ter­rat im Juni diskutiert.

Österreich will das Selbstbestimmungsrecht. Als wir begonnen haben, haben wir neun Mitgliedstaaten auf unserer Seite gehabt, mittlerweile sind es 20. Wir sind hier also bereits eine große Schar, aber wir brauchen eine qualifizierte Mehrheit bei der Abstim­mung, und es gilt, noch große Länder auf unsere Seite zu bringen. Das wird ein sehr hartes Match. Aber wir wollen das, und wir werden dort auch in dieser Frage nicht lockerlassen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Somit gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

18.44.0418. Punkt

Petition betreffend Optimierung der Österreichischen Entwicklungszusammen­arbeit, überreicht von Bundesrat Stefan Schennach (29/PET-BR/2011 sowie 8684/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. – Bitte um den Bericht.

 


18.44.16

Berichterstatter Christian Füller: Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über die Petition betreffend Optimierung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, überreicht von Bundesrat Stefan Schennach.

Der Berichtstext liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Am 13. März 2012 hat der Ausschuss für Bürgerinnen- und Bürgerrechte und Petitionen die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Der Ausschuss für Bürgerinnen- und Bürgerrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 164

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die Petition 29 betreffend die Optimierung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, überreicht von Bundesrat Stefan Schennach.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Ausschuss­bericht zur gegenständlichen Petition zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des gegenständliche Ausschussberichtes ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich verabschiede mich von den Zuseherinnen und Zusehern. Danke, dass Sie uns Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.

18.45.10Einlauf

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen, 2878/J-BR bis 2884/J-BR, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, 29. März 2012, 13 Uhr, in Aussicht ge­nom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse zum Stabilitätsgesetz 2012 in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Donnerstag, den 29. März 2012, ab 10 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.46.09Schluss der Sitzung: 18.46 Uhr

 

 

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